Zur Befähigung emotionaler Teilhabe aller - Professionalisierung pädagogischen Handels durch Selbstreflexion und in der Beratung - Ingenta Connect
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PR 2021, 75. Jahrgang, S. 437-451 © 2021 Tillmann F. Kreuzer - DOI https://doi.org/10.3726/PR042021.0039 Tillmann F. Kreuzer Zur Befähigung emotionaler Teilhabe aller Professionalisierung pädagogischen Handels durch Selbstreflexion und in der Beratung Damit Studierende der Lehramtsstudien- Hierin lässt sich der momentane Ruf gänge sich in ihrem pädagogischen Han- nach Veränderungen in der Lehrerbildung deln professionalisieren können, benötigen begründen. Er war und ist mit Reform- sie eine ausreichend gute (Aus-)Bildung forderungen verbunden, zu denen viele anhand von Fallstudien, welche Studieren- gesellschaftliche Gruppen wie bspw. Ar- de auf die Praxis vorbereiten, teilnehmen- beitgeber und Gewerkschaften, Verbände der Beobachtung, die Studierende dazu und Parteien ihre interessengeleiteten und befähigt Szenen zu verstehen und Klein- oft völlig gegenläufige Beiträge leisteten. gruppen, um Beobachtungen und Erfah- Sie findet regelmäßig statt um den Her- rungen aus den Praktika, beispielsweise in ausforderungen und Anforderungen der Work Discussion-Groups (WDG) reflek- jeweiligen und kommenden Zeit gerecht tierend verarbeiten zu können. zu werden. Zentral dafür ist das Verstehen von Eine Lehrerbildungsreform, in der die dynamischen Übertragungsprozessen, Grundlage für eine professionelle, praxis- welche die Lehrenden dazu befähigt, die orientierte und innovative Lehrerbildung Behindertenrechtskonvention (BRK) für gelegt worden ist, richtet sich an den He- alle Menschen – gesunde, benachteilig- rausforderungen der Zukunft aus. Eine te, behinderte, mit oder ohne Migrations- professionelle Lehrerbildung auf der Höhe hintergrund – umzusetzen. Hierfür sind der Zeit sollte so Voraussetzung für ein Kenntnisse über Bindung, Struktur und leistungsfähigeres und sozial gerechteres Dynamik der Übertragung notwendig, um Schulsystem sein. Die Kultusministerkon- ein gelingendes Arbeitsbündnis mit dem ferenz (KMK) unterstützte bereits 2000 ein Gegenüber eingehen sowie mentalisie- Leitbild des Lehrerberufes und beschloss rend reflektieren zu können. 2004 einheitliche Bildungsstandards für Somit muss der Übergang vom Fallver- die Bildungswissenschaften und 2008 für stehen über das szenische Verstehen hin die Fächer der Lehrerbildung, die für die zur aktiven Anwendung im erzieherischen (aus)bildenden Hochschulen bindend sind. Prozess eingeübt werden. Dies gilt insbe- In den bundeslandübergreifenden „Stan- sondere für Beratungssituationen, da die dards für die Lehrerbildung“ zeigt sich die Neudefinition Deutschlands Beratung vor Bedeutsamkeit. Es wird auf Selbstreflexivität neue Herausforderungen stellt. als Kompetenz von (angehenden) Lehrern 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 437 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
eingegangen: „Die Absolventinnen und Besonders im Hinblick auf die tiefgrei- Absolventen reflektieren ihre persönlichen fenden Veränderungen die der Bologna- berufsbezogenen Wertevorstellungen und Prozess für Lehre und Studium mit sich Einstellungen.“ sowie: „Die Absolventinnen gebracht hat wird die Notwendigkeit eines und Absolventen reflektieren die eigenen reflexiven, forschenden und fallorientierten beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen Lernens in der Lehrerbildung gefordert. und deren Entwicklung und können hieraus Autonomie, Selbstreflexion, Selbstorgani- Konsequenzen ziehen.“ 1 Die „Empfehlun- sation und die Übernahme von Verantwor- gen zur Eignungsabklärung in der ersten tung für den eigenen Lernprozess, nicht Phase der Lehrerbildung“ der Kultusminis- nur „Kompetenzen zur Instruktion, son- terkonferenz müssen so verstanden wer- dern auch zur Unterstützung von Selbst- den, dass gerade Lehramtsstudenten steuerungsprozessen sowie zur Beratung „kontinuierliche bzw. wiederkehrende An- und Begleitung von Lernprozessen“4 gebote zur Selbstreflexion über die Eig- sollen dazu führen das Denk-, Wahrneh- nung für das Lehramt“ 2 empfohlen wird. mungs-, Handlungs- und Beziehungsmus- Somit wird Selbstreflexion als Kompetenz ter aller Beteiligten, von Lehrenden und zur Professionalität eine durchgängige Lernenden, zu schulen. Das Erreichen Querschnittsaufgabe im Lehramtsstudium von Professionalität und Lehrkompetenz zugesprochen. Dies sollte grundsätzlich durch Schlüsselqualifikationen wie Fach- in allen Studiengängen mit pädagogischer kompetenz – z. B. Lehr-Lerntheorien ken- Orientierung gelten.3 nen, Methodenkompetenz – z. B. Wissen Die oft unübersichtliche Diskussion um präsentieren, Systemkompetenz – z. B. Reformen in der Lehrerbildung enthält drei Netzwerke bilden, soziale Kompetenz – Züge: z. B. verständlich und sachgerecht kom- munizieren und Selbstkompetenz – z. B. 1. Eine pädagogische Linie die sich be- professionelle Identitätsfindung sollen zur müht, gesellschaftlichen Veränderun- individuellen Entwicklung der Lehrerper- gen in den Ausbildungsanforderungen sönlichkeit beitragen. Rechnung zu tragen, beispielsweise Lehrerbildung heute muss zukünftig die Implementierung um Inklusion auch auf die Erfordernisse eines inklusiven oder Digitalisierung. Schulsystems, auf die Anforderungen der 2. Eine ökonomische Linie welche In- Digitalisierung und auf Aspekte des länge- vestition und Erfolg miteinander ren gemeinsamen Lernens ausgerichtet vergleicht, z. B. die Debatte im Zu- werden. Zudem müssten alle angehenden sammenhang mit ergebnisorientierten Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, in Studien, wie etwa IGLU, PISA oder multiprofessionellen Teams beispielswei- TIMMS etc. se mit Sonderpädagogen in heterogenen 3. Eine Studienreform auf der Grund- Lerngruppen zu unterrichten sowie mit So- lage des Bologna-Prozesses, der zialpädagogen und Psychotherapeuten zu den Wechsel zu Bachelor- und Mas- kooperieren. ter-Studiengängen forderte, obwohl Durch die Behindertenrechtskonven- dies mit einer qualifizierten Lehrerbil- tion der Vereinten Nationen (BRK), die dung nur schwer zu vereinbaren ist, da am 13. Dezember 2006 in der Vollver- der Bachelorabschluss grundsätzlich sammlung beschlossen wurde, ist von eine Berufsbefähigung erteilt, der Mas- Bundestag und Bundesrat einstimmig im terabschluss aber erst dem bisherigen Jahr 2008 angenommen worden und gilt 1. Staatsexamen gleichgestellt ist. gesetzlich bindend seit dem 29. März 438 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2009. In Artikel 24 wird beschrieben, dass Um diesen Prozess nachhaltig ein- Menschen mit Behinderung ein Recht auf zuleiten, bedarf es nicht nur adäquater Bildung gewährleistet wird, und dass sie Einrichtungen, sondern auch adäquat „ohne Diskriminierung und auf der Grund- ausgebildete Pädagogen. Umso dring- lage der Chancengleichheit [...dies...] licher muss daher die Debatte um die verwirklichen, gewährleisten die Ver- Professionalisierung angehender Lehrer tragsstaaten ein integratives [inklusives] geführt werden, welche mit beeinträch- Bildungssystem auf allen Ebenen und le- tigten und nicht-beeinträchtigten Kindern benslanges Lernen mit dem Ziel und Jugendlichen mit oder ohne Migrati- onshintergrund gemeinsam in schulischen a) die menschlichen Möglichkeiten sowie Einrichtungen arbeiten und zukünftig ar- das Bewusstsein der Würde und das beiten werden. Leider fehlt es weitgehend Selbstwertgefühl des Menschen voll an den nötigten Konzepten, um zum einen zur Entfaltung zu bringen und die Ach- junge Menschen und zum anderen auch tung vor den Menschenrechten, den ältere Kollegen in Weiterbildungsprogram- Grundfreiheiten und der menschli- men auf eine inklusive und digitalisierte Ar- chen Vielfalt zu stärken; beit vorzubereiten. b) Menschen mit Behinderungen ihre Weiter kann meine These durch die Persönlichkeit, ihre Begabungen und Theorie-Praxis-Debatte gestützt werden. ihre Kreativität sowie ihre geistigen Studierende benennen in der Regel, dass und körperlichen Fähigkeiten voll zur sie Deutsch, Mathematik oder Physik, je- Entfaltung bringen zu lassen; doch nicht, dass sie Pädagogik studieren. c) Menschen mit Behinderungen zur So wird deutlich, dass die Prioritätenset- wirklichen Teilhabe an einer freien Ge- zung sich auf die Vermittlung fachwis- sellschaft zu befähigen.“ senschaftlicher Inhalte bezieht und das Studium im Fach der Pädagogik eine un- Umgekehrt ist die Befähigung der tergeordnete Rolle spielt. Damit aber auf nicht-behinderten Menschen im Umgang die herbeigeführten oder erwünschten mit beeinträchtigen Menschen nicht zu fin- gesellschaftlichen Veränderungen einge- den; ebenso wenig sind Angehörige der gangen werden kann, müssten Profes- bildungsfernsten Schichten sowie Men- sionsidentitäten geschaffen werden, die schen mit Migrationshintergrund nicht er- nicht so sehr von leistungsorientiertem und wähnt. fächergebundenem Denken geprägt sind. Die Auswirkungen von „Inklusion“, ge- In der Professionalisierungsforschung rade in Bezug auf die Zusammensetzung konnte beispielsweise in den 1990er Jah- von Schulklassen, wird seitdem verstärkt ren eine große Unzufriedenheit bei Studie- in der Öffentlichkeit diskutiert, wobei dies renden der Pädagogik selbst festgestellt oftmals nicht ohne überwältigende emoti- werden, vor allem in Bezug auf eine zu aus- onale Affekte geschieht.5 Einerseits kann geprägte Theorielastigkeit des Studiums: dies an den damit verbundenen tiefgrei- „Die allgemeine pädagogische Theorie fenden gesellschaftlichen Veränderungen kann die spätere Praxis mit ihren vielfälti- liegen, denn die Konsequenzen die sich gen konkreten Situationen nie vollständig daraus ergeben sind weiterhin nicht ein- antizipieren. Damit aber kann sie weder deutig absehbar, so dass die entstehende für diese Situationen vollständige Erklä- Verunsicherung bereits in Teilen der Be- rungsmuster anbieten noch für den mögli- völkerung zu einer ablehnenden Haltungen chen Einzelfall konkrete Handlungsweisen geführt hat. geben.“6 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 439 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Während die Diskussionen um die 1. Wozu Studierende Fallstudien, Theorie-Praxis-Debatte sehr kontrovers teilnehmende Beobachtung verlaufen ist, wird die Möglichkeit aus und Work Discussion- dem Kreislauf der Unzufriedenheit aus- zubrechen, indem die Differenz zwischen Groups für ihr pädagogisches wissenschaftlichem Arbeiten und Profes- Handeln benötigen? sionswissen verdeutlicht: „Studierende müssen lernen die doppelte Paradoxie Richard Hönigswald beschreibt deutlich, nicht nur zu akzeptieren, sondern zu nut- was meines Erachtens bis heute für die zen, dass ihre Praxis im Studium nicht Lehrerbildung von Bedeutung ist: „Ein die der pädagogischen Berufe, sondern einziger, wirklich analysierter Fall eines die Praxis der Wissenschaft ist, und dass pädagogischen Verhaltens [...] hat für sie sich intensiv auf wissenschaftliches die Theorie der Pädagogik mehr wissen- Wissen einlassen müssen, wenn sie kom- schaftlichen Wert als ein ganzes Heer petent in einem pädagogischen Beruf ar- statistischer Aussagen über das Zusam- beiten wollen, dessen Handeln dann nach menstehen von Merkmalen und Reaktions- ganz anderen Regeln bestimmt wird.“7 weisen.“9 Somit kann eine Verknüpfung zwi- Die Bedeutung des Praktikums als Ver- schen den beiden Begründungen meiner mittlungsinstanz von Theorie und Praxis ist These gesehen werden. Um „Inklusion“ im zu betonen und wird von den Studieren- Sinne der BRK zu ermöglichen bedarf es den auch immer wieder bestätigt. Groß einer tatsächlichen Reflexion dessen, was beschreibt die Unzufriedenheit bezüglich für jede „PERSON“8 notwendig ist und Praktikumsdauer und Integration in einer der Frage, wie dies für Lehrende möglich Studie mit Bamberger Absolventinnen, ist, ohne dass es langfristig nur zu einer hingegen betont Mägdefrau, dass 52% Flickschusterei in der Lehrerausbildung der von ihr befragten Absolventinnen die kommt. So kann inklusiv professionell- pä- vorgeschriebenen Praktika als ausrei- dagogisches Handeln erst dann ermög- chend (!) begreifen.10 Dies bedeutet im licht werden, wenn es Umkehrschluss, dass 48%, also beina- he jeder zweite Studierende mit der Um- 1. Studierenden weitgehend ermöglicht setzung der Praktika nicht zufrieden war. wird anhand von Fallarbeit, -studi- Dazu führt Vogel an anderer Stelle aus: en, teilnehmender Beobachtung und „Es ist fahrlässig oder unehrlich, wenn Work-Discussion-Groups ihr pädago- einzelne Lehrende an der Universität vor- gisches Handeln zu reflektieren. spiegeln, man könne berufliches Handeln 2. Studierenden ermöglicht wird ein Ver- an der Universität lernen, genauso wie stehen von Übertragungs- und Gegen- es mindestens ein Selbstmissverständnis übertragungsprozessen in ihre Arbeit ist, wenn manche Praktiker behaupten, zu implementieren, um seelisch dazu anspruchsvolles professionelles Handeln befähigt zu werden, die BRK für alle wäre auf wissenschaftliches Wissen nicht Menschen – gesunde, benachteiligte, angewiesen.“11 behinderte, mit oder ohne Migrations- Wenn wir einen Vergleich zwischen hintergrund – umsetzen zu können. einem Erziehungswissenschaftler und einem angehenden Börsianer anstellten, so könnte der Börsianer in Börsenspie- len lernen, wie mit Chancen und Risiken von Aktien, Optionsscheinen, Derivaten 440 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
etc. im späteren realen Handel umzuge- Leitendes Moment wäre danach, dass hen ist. Eine Garantie für ein erfolgreiches bereits im Studium Methoden der Professi- Handeln ist zwar nicht gewährleistet, aber onalisierung und Fallreflexion/-besprechung die spielerischen Erfahrungen (!) werden propädeutisch kennengelernt und bis zu von den Börsianern auf ihr reales Handeln einem gewissen Grad verinnerlicht werden, übertragen. Ein angehender Pädagoge so dass Fachkräfte in ihrer (späteren) pä- hingegen kann keinen Stopp-Loss setzen dagogischen Praxis Situationen und Men- oder im Virtuellen den Umgang mit kon- schen mit dieser Haltung begegnen können. fliktreichen Krisensituationen von Kindern In diesen auf Professionalisierung für und Jugendlichen erlernen. Hier bedarf es inklusives Lehren und Lernen ausgerichte- der Fallarbeit, den Fallstudien, der Hos- ten Inhalten würde der Fokus auf emotio- pitation in Verbindung mit teilnehmender nal-soziale Prozesse gerichtet, also darauf, Beobachtung und der Reflexion in WDGs. was die beobachtbaren Interaktionspro- So kann bereits hier ein Bezug zur zesse möglicherweise mit den beteiligten Notwendigkeit der Verbalisierung des Personen auslösen. Dabei könnten als lei- „Fremden“, der „Inklusion“ aufgegriffe- tende Fragen gestellt werden: nen werden. Birgit Hertz stellt auf der Ta- gung der Psychoanalytischen Pädagogik • ob und inwieweit es gelingt eine her- 2014 die Frage, ob „Die Lehrperson als meneutische Perspektive auf die In- ‚unternehmerisches Selbst’ in der inklu- teraktionsprozesse und die beteiligten siven Schule?“ tätig werden muss. Sie Personen zu etablieren, so dass die führt dieses Überlegung anhand der von Studierenden diese in ihren Überle- Groß und Hövermann geäußerten Idee gungen und Ausarbeitungen auch aus, welche auf einem allgegenwärtigen einnehmen, Leitbild basiert, welches „Menschen aller • ob und inwieweit es gelingt, dass Stu- sozialer Schichten in allen Bereichen zu dierende die durch die Begegnung mit jeder Zeit dazu anhält, sich streng nach der Beobachtung ausgelösten Reakti- unternehmerischen Kosten-Nutzen-Abwä- onen (Körperempfindungen, Gefühle, gungen zu verstehen, zu konstruieren und Assoziationen und Handlungsimpul- zu verhalten.“12 Somit kann die von Wei- se) für das Verständnis der Situation gand und Böhm geforderte „Schule der nutzen, Person“ wohl nur als Gegenentwurf des • ob und inwieweit die Studierenden neoliberalen Arbeitsverständnisses gele- Exklusions-, Inklusionsprozesse und sen werden, wenn er fordert, dass es „auf Prozesse der Teilhabe offen und diffe- Dauer notwendig sein (wird), die gesamte renziert wahrnehmen oder zu Verein- Lehrerausbildung gesetzlich und inhaltlich seitigungen tendieren. neu zu strukturieren. Am Ende muss die in- klusive (Hvg., T.K.) Lehrerbildung stehen.“ Als Ziel der Praxisreflexion – unter Berück- Weiter wird formuliert, dass neben den sichtigung der eigenen emotionalen Invol- kognitiven Fähigkeiten – in meinem Ver- vierung und dem Erinnern an das eigene ständnis die fachwissenschaftlichen und innere Kind14 – kann davon ausgegangen fachdidaktischen Kompetenzen – und der werden, dass intellektuellen Mündigkeit „auch die perso- nalen Momente einbezogen werden müs- • Studierende einen empathischen Zu- sen: der Körper, Emotionen, Affekte, die gang zu den Interaktionsprozessen Sensibilisierung der Schüler“ – und damit zwischen Lehrern und Schülern sowie einhergehend auch die der Lehrenden.13 der Kinder untereinander erhalten. 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 441 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
• ihnen ein reflektierender Blick auf das unbewussten Dynamik verstanden wur- eigene innere Kind und das reale Kind den. Für das Verständnis sind die Konzepte ermöglicht wird, um eine gelingende von Übertragung und Gegenübertragung, Interaktion zu gestalten. des szenischen Verstehens16 sowie der • in der Work-Discussion-Group dies Mentalisierung wegweisend. in den dichten Beschreibungen der Freud stellte fest, dass Gefühle, Ein- Studierenden nachvollzogen werden stellungen und Interaktionsmuster, die ge- kann und Idealisierungen, Entwertun- genüber Mutter, Vater und Geschwistern gen oder etwas Drittes gegeben ist. bestanden, auf Beziehungen in der Ge- Hier kann davon ausgegangen wer- genwart übertragen werden. Unbewusst den, dass es sich dabei um Narratio- werden fremde Menschen mit früheren nen der Studierenden handelt.15 Bezugspersonen verglichen. Von Übertra- • Studierende das Erlebte konservieren, gung in analytischem Sinn wird aber erst die affektive Dynamik erkennen und in dann gesprochen, wenn der unbekannte den wiederkehrenden Momenten im Mensch, so wie einst eine bedeutende schulischen Alltag reflektiert handeln infantile Bezugsperson, erfahren wer- können. den muss. Es impliziert weiter, dass eine • durch das Erleben des emotional dich- Person unbewusst dazu veranlasst wird, ten Prozesses, der zu einer vertieften eine Rolle einzunehmen, die eine frühere Erfahrung führt, im späteren Handeln wichtige Bezugsperson inne hatte. Dies Belastungen und Überforderungen geschieht immer dann, wenn ein unbe- früher erkannt werden und somit ge- wusster Konflikt nicht mit ihr gelöst wer- sundheitsfördernd und Kraft erhaltend den konnte. gearbeitet werden kann. Grundsätz- Die Person des Lehrers eignet sich lich wird dies zu weniger psychischen besonders gut dafür, zur Übertragungsfi- Erkrankungen führen und vorzeitige gur zu werden, an der sich alte Konflikte zur Ruhesetzung verhindern. entzünden können, da sie auf Grund ihrer Funktion Ähnlichkeit mit den Elternfiguren aufweist. Wenn sich nun angehende Päda- gogen den oben geforderten selbstreflexi- 2. Das Verstehen von ven Prozessen unterziehen, sich diesen Übertragungs- und bewusst werden, können sie ihr eigenes Gegenübertragungsprozessen und das Agieren und Verhalten der Schü- befähigt Lehrende dazu, ler besser verstehen. Im pädagogischen Alltag stehen Er- die BRK für alle Menschen zieher und Educand in einer Situation von – gesunde, benachteiligte, Übertragung und Gegenübertragung. behinderte, mit oder ohne Was sich auf das Verhältnis Arzt – Klient Migrationshintergrund – bezieht, bezieht sich auch auf das Verhält- umsetzen zu können. nis Erzieher und Educand, auch wenn der Rahmen ein anderer ist. Freud schildert Die Psychoanalytische Pädagogik geht das Phänomen der Übertragung zwischen davon aus, dass Konflikte stets von un- Schülern und Lehrern: „Wir übertrugen bewussten Motiven gespeist werden. auf sie den Respekt und die Erwartungen Tatsächlich helfend kann erst dann ein- von dem allwissenden Vater unserer Kind- gegriffen werden, wenn sie in ihrer heitsjahre, und dann begannen wir, sie zu behandeln wie unsere Väter zu Hause. Wir 442 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
brachten ihnen die Ambivalenz entgegen, arbeiten, selbst dann, wenn der Klient in die wir in der Familie erworben hatten, und den Klauen einer starken Übertragungs- mit Hilfe dieser Einstellungen rangen wir neurose steckt.“22 Es wird deutlich, dass mit ihnen, wie wir mit unseren leiblichen das Arbeitsbündnis Grundlage der gemein- Vätern zu ringen gewohnt waren. Ohne samen Erkenntnisarbeit ist – im pädagogi- Rücksicht auf die Kinderstube und das Fa- schen Feld wird dies auf die schulischen milienhaus wäre unser Benehmen gegen Lehr- und Lernprozesse übertragen und unsere Lehrer nicht zu verstehen, aber ermöglicht den Schülern, eine effektive auch nicht zu entschuldigen.“17 Arbeitsbeziehung zum Lehrenden, um den Der berufliche Alltag eines Pädagogen Gegenstand aufzubauen und aufrecht zu ist oft von Störungen und Widerständen18 erhalten. einzelner Schüler gekennzeichnet. Zieht Das „wirkliche“ Bündnis besteht im man neuere Erkenntnisse der Bindungs- Grunde zwischen dem vernünftigen Ich theorie hinzu, so kann davon ausgegan- des Schülers und dem analysierenden Ich gen werden, dass sich Freud hier auf eher des Lehrenden. Das Medium, das dieses unsicher gebundene Kinder bezog. Es Bündnis ermöglicht, ist die Teilidentifika- konnte in mehreren Studien nachgewie- tion des Schülers mit dem analytischen sen werden, dass eine sichere Bindung Vorgehen des Lehrers beim Versuch, das zu Eltern - und meines Erachtens auch zu Verhalten des Schülers zu verstehen. So Geschwistern - einen höheren Lernerfolg erscheint für den Lernenden der Leh- begründet.19 So formulieren etwa Har- rende in einer Doppelrolle: Einerseits als wardt-Heiecke und Ahnert, dass „Studien Mensch, der ihm hilfreich sein möchte, der letzten Jahre (...) tatsächlich (!) zeigen andererseits als der Mensch, auf den er können, dass eine nahe Beziehung eines seine Kindheitserfahrungen überträgt. Kindes (closeness) (Hvg. i. O., TK.) zu Eine Vermischung von Übertragungs- LehrerInnen zu einer optimalen Herausbil- reaktion und Arbeitsbündnis ist oftmals dung des schulischen Leistungsprofils in unvermeidbar, da das Arbeitsbündnis Ele- den ersten Schuljahren beiträgt (z.B. Pian- mente der infantilen Neurose enthalten ta & Stuhlman, 2004).“20 kann oder das Arbeitsbündnis zur Abwehr Weiter führen sie aus, dass Affekte der Übertragungsneurose benutzt wird. wie Ärger, Wut, Spannungen oder Konflik- In der Übertragung kann der Lehrende te sowie Abhängigkeiten von Lehrern sich als quälend, unterdrückend, verführend, „negativ auf die Schulanpassung und das überfordernd usw. erlebt werden – je nach Leistungsprofil auswirken“ (ebd.). Inhalt der unbewussten Konflikte. Aber gerade das ist die Chance, über Konflik- te nicht nur theoretisch zu reden, sondern 3. Bindung(stheorie) als sie in der Beziehung zum Lehrenden wie- Grundlage für Übertragungs- derzubeleben und ihre Unangemessenheit in Bezug auf tatsächliche Situationen zu und Gegenübertragungs entlarven. prozesse und ein gelingendes Das betrifft besonders Situationen, bei Arbeitsbündnis denen sich Lernende, Lehrende und Erzie- hende in einem Beratungsprozess23 befin- Ein Arbeitsbündnis21 zwischen Lehren- den. Das Arbeitsbündnis, obgleich es im dem und Lernendem ermöglicht ein the- Ansatz ein Kunstprodukt der Unterrichts- rapeutische Bündnis, „in der analytischen situation zu sehen ist, basiert, genau wie Behandlungssituation zweckgerichtet zu Übertragungsreaktionen, auf echter und 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 443 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
realer Beziehung und ist durchaus verein- das Produkt aller Beteiligten. Es ist nie ein bar mit der von Freud geforderten „Abs- Produkt des Zufalls, sondern wird durch tinenzregel“24, sowohl im therapeutischen, Normen und Werthaltungen bestimmt, die wie auch im pädagogischen Prozess. sich in mehreren Phasen und über einen Bei aller Neutralität und geforder- gewissen Zeitraum hinweg entwickeln. ten Distanz sind jedoch Zeit, mitfühlen- Veränderungen treten erst dann ein, wenn des Verständnis und Vertrauen in eine neue Mitglieder hinzukommen, oder durch Lehrer-Schüler-Beziehung einzubringen. das Eingreifen eines Lehrers. Das soziale Derartige menschliche empathische Re- Zusammenleben muss immer wieder neu aktionen sowie Geduld, sind Vorausset- geregelt werden, gerade wenn es sehr zungen für das Zustandekommen eines konfliktträchtig geworden ist, da die indivi- gelingenden Arbeitsbündnisses. duelle Übertragungsbereitschaft auf unter- schiedlichste Art und Weise aufeinander stößt und die unterschiedlichsten Reife- 4. Kenntnisse über Bindung, grade innerhalb der Gruppe vorhanden Struktur und Dynamik der sind. Ebenso muss der Konkurrenzkampf Übertragung - Grundlage zwischen zwei Schülern als Ausdruck eines Gruppenprozesses verstanden wer- für Übertragungs- und den, indem er eine bestimmte Funktion Gegenübertragungsprozesse erfüllt. und ein gelingendes Betrachten wir das Mütterliche, so ist Arbeitsbündnis. es durchaus möglich, dass eine Lehre- rin, die sich mit ihrer Klasse gut versteht, Werden Studierende zu den obigen Punk- sich wie eine stolze Mutter verhält. Sie will ten gefördert, können sie sich ihre unbe- „ihren Kindern“ das Bestmögliche zuteil wussten Reaktionen auf die Aktivitäten werden lassen. Sie hat dann die an sie der Schüler im reflexiven Prozess bewusst herangetragene Rolle der „guten Mutter“ machen und der Prozess der Übertragung übernommen, was mit ihrer eigenen Le- kann bewusst werden. bensgeschichte und ihren pädagogischen Oft erleben wir die Situation, dass in Idealen zusammenhängt. Sie identifiziert verschiedensten Konstellationen ein dya- sich mit den Leistungsidealen und den so- disches System aufrecht erhalten werden zialen Vorstellungen der Klasse, wenn sie soll, wie z. B. bei zwei miteinander konkur- den eigenen Leistungs- und Erziehungsi- rierenden Schülern innerhalb einer Klasse, dealen und ihrer Rollenvorstellung vom zwischen Lehrer und Schüler oder zwi- Lehrersein nahe kommt. Sie tritt in ein schen dem Einzelnen und seiner Klasse, (Arbeits-)Bündnis mit den Schülern ein. vor allem dann, wenn diese psychoanaly- Wenn dies entwicklungspsychologisch tisch betrachtet, für das Mütterliche oder im Übergang von der Latenzperiode in die Väterliche steht. frühe Adoleszenz geschieht, so kann es Gruppendynamisch betrachtet erleben zur Beruhigung der Konflikte aus den vor- wir eine Dynamik, bei der die Analyse ein- angegangenen Phasen kommen, auch der zelner Mitglieder in den Hintergrund tritt, ödipalen Problematik. das auffällige Verhalten eines Einzelnen im Mit Beginn der Präadoleszenz gerät Gesamtzusammenhang tritt in den Vorder- das Gleichgewicht durch körperliche und grund. Welches Gruppenklima sich dabei sexuelle Reifung erneuet ins Wanken. Die bildet und welche Konflikte dann ausgetra- Hauptaufgabe für dieses Kind besteht dann gen, vermieden oder verdrängt werden, ist darin, sich vermehrt aus der elterlichen 444 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Abhängigkeit, vor allem von der Mutter zu gefunden wurde. Dabei werden Lehrer lösen. Nun kommt es zu einem Oszillieren in die Konflikte verstrickt, wenn sie Über- zwischen dem regressiven Wunsch in die tragungsfigur geworden sind. Diese Neu- alte Geborgenheit zu flüchten, und dem oder Reinszenierungen werden unter dem progressiven Wunsch, nach Zugewinn Begriff „Szenisches Verstehen“ subsu- von Selbständigkeit und Autonomie. Das miert. Es wurde für das pädagogische Feld Kind muss sich nun im außerfamiliären vor allem von Trescher weiterentwickelt. Bereich einrichten und sich bewähren. „Die Pädagogen werden […] oft in konflik- Bei der Idealisierung der Lehrerin hilft dies thafte, belastende Szenen verstrickt, die den Kindern bei der Ablösung von der sie nicht ohne weiteres verstehen können, eigenen Mutter. Die Klasse ist darum be- weil ihnen ja die Entstehungsgeschich- müht, ein Gleichgewicht in der Latenzzeit te fremd ist und die Kinder selbst nicht aufrecht zu erhalten. Der Kampf wird eher wissen, was sie mit ihrem scheinbar irra- auf gleichaltrige Mitschüler verschoben tionalen Verhalten bezwecken. Weil die und zwischen ihnen ausgetragen. Wenn unbewältigten Vorerfahrungen verdrängt ein Schüler dann seine ödipalen Wünsche oder anderwärtig abgewehrt sind, können geltend machen will und sich eng an die sie nicht sprachlich artikuliert, sondern sie Lehrerin anschließen möchte, so weckt er müssen blind in Handlungen umgesetzt bei seinen Klassenkammeraden alte Wün- werden. Statt von ihren Belastungen und sche. Die Mitschüler müssen dann ihre Konflikten zu erzählen, müssen die Kinder Sehnsüchte abwehren und das Problem die Missachtung durch wichtige Personen wegsperren, d. h. den Schüler ausschlie- ihres Lebens mit Stellvertretern in Szene ßen. Dies kann beispielsweise dann be- setzen.“27 obachtet werden, wenn sich die Lehrerin Wenden wir die Aussagen von Tre- über längere Zeit mit seinem Kontrahenten scher auf die beratenden Situationen der oder dessen Freunden beschäftigt und ein Lehrenden im schulischen Alltag an, rückt Schüler gerade dann den Unterricht zu nicht nur das Gespräch mit den Lernen- stören beginnt.25 den, sondern auch mit deren Eltern, Ge- Das Hilfreiche an der Analyse der schwistern oder anderen Vertretern in den Übertragung ist, dass sie dem Lehrer er- Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. möglicht, Distanz zu den aktuellen Konflik- Vertreterinnen und Vertreter einer ten mit Schülern oder Klassen zu erlangen, modernen Pädagogik, wie auch die der solange damit nicht eigene Konflikte „Neue(n) Lernkultur“, gehen davon aus, angesprochen werden. Die Gegenüber- dass sich das Kind an die gesellschaftli- tragung, wenn sie erkannt und analysiert chen Verhältnisse anzupassen habe und wird, ermöglicht es, sich aus der affektiven darum der Anleitung zur Leistungserbrin- Involviertheit zu lösen und wichtige Hin- gung bedürfe. Nicht berücksichtigt wird weise auf unbewusste Konflikte zu erlan- dabei aber, welche psychischen Prozesse gen. Erst dann kann Handlungskompetenz bei beiden Beteiligten durch das Erreichen erlangt werden. Durch die Entschlüsse- oder Nichterreichen eines Ziels zugrunde lung der durch die Gegenübertragung liegen. Hält der psychoanalytisch wenig gewonnenen Einsicht kann ein verstehen- geschulte Pädagoge, der nur sein didak- der Umgang mit den Problemen erreicht tisches Konzept verfolgt, an diesem fest, werden.26 wird er es schwer haben. Die Gefahr ist Unbewältigte Konflikte können auch in groß, dass Gespräche mit einzelnen Ler- immer neuen Verkleidungen reinszeniert nenden oder deren Eltern zu einem ag- werden, bis eine befriedigende Lösung gressiven Akt werden. Die Interventionen 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 445 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
der Lehrkraft werden dann nicht als Hilfe 1. Aus einer politischen Perspektive erlebt, sondern als frustrierend und der heraus mit dem Gedanken und der Lernende wird, wahrscheinlich mit sei- Sorge, um den bestehenden Wohl- nen Eltern zusammen, in die Opposition stand Deutschlands, z. B. ob dieser gehen, Angstgefühle entwickeln und dem auf gleich hohem Niveau gehalten Gespräch eine bedrohliche Bedeutung werden kann, obwohl die Anzahl der beimessen. Erwerbstätigen sinkt. In der heutigen pädagogischen Land- 2. Es stellt sich die Frage ob junge Men- schaft, die weiterhin von der Forderung schen mit Migrationshintergrund als nach einem handlungsorientierten Unter- Erwachsene die demographische Ent- richt geprägt ist, finden sich in den verschie- wicklung der Überalterung abfedern densten Ansätzen die Forderungen nach können. aufmerksamer Beobachtung, sorgfältiger 3. Eine weitere Überlegung besteht Beschreibung, gut überlegter Bewertung darin, dass Kinder und Jugendliche und einer einfühlsamen Begleitung der leis- mit Migrationshintergrund als ver- tungsorientierten Lernprozesse. Wenn wir haltensauffällige Gruppe gesehen aber das Aus-, Weiter- sowie grundsätzlich werden können, was mit einem wirt- das Bildungssystem für Lehrer betrachten, schaftlichen Interesse verbunden so müssen wir feststellen, dass im Studium sein kann. Ebenso benötigen soziale und in den Weiterbildungsangeboten die Vereine desintegrierte Kinder, um zu intellektuellen Fähigkeiten sowie die fach- überleben.28 lichen Qualifikationen der Lehrkräfte weit Für den Kontext der Beratung aus the- stärker gewichtet werden als die in ihres rapeutischer Perspektive ist die Defini- psychologischen Verständnisses. Diese ist tion von Migrationshintergrund primär jedoch mit erziehungswissenschaftlichen bedeutsam. Anhand von Zahlen, die der Grundgesetzen eng verwoben und kann Autor in Untersuchungen der Bundesre- nicht von der eigenen, emotionalen Ent- gierung 2010 und dem 13. Kinder- und wicklung getrennt werden. Daher ist von Jugendbericht entnommen hat, scheinen Beginn an eine angeleitete, professionelle diese zu belegen, dass es stark regiona- (Aus-)Bildung der selbstreflektorischen le Unterschiede bei dem prozentualen Kompetenz notwendig. Anteil der Menschen mit Migrationshin- tergrund gibt.29 Sie waren bei den jüngs- ten Altersstufen außerdem am höchsten. 5. Wie sollte kultur- und Zieht man die Studie von Mayer hinzu, migrationssensible Erziehung wird deutlich, dass die anhand der NUB- und Beratung aussehen? BEK-Studie (Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der Bei der sehr heterogenen Gruppe von jun- frühen Kindheit) gewonnen Daten darauf gen Menschen mit Migrationshintergrund hinweisen, dass besonders Jungen mit muss eine Vielfalt von Lebensmilieus be- Migrationshintergrund und einer „hohen rücksichtigt werden, die sich weniger Erzieherin-Kind-Beziehungsqualität [...] die durch ethnische Herkunft und soziale höchsten Werte im rezeptiven Wortschatz Lage unterscheiden, als durch verschie- in Deutsch, in Kommunikationsfertigkei- dene Wertvorstellungen, Lebensstile und ten und sozial-emotionalen Kompetenzen ästhetische Vorlieben. Diese Heterogenität sowie die niedrigsten Werte im Problem- muss unter verschiedenen Perspektiven verhalten“ aufweisen und von den ge- betrachtet werden: schulten Erzieherinnen profitieren. 446 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Somit gelangen die Autorinnen zu der entstehen.32 Dies zeigt sich deutlich im Aussage, dass „eine gute Erzieherin-Kind- Sprachgebrauch, da es zu „Zwischen- Beziehung im Kindergartenalter [...] in sprachen“ kommen kann.33 Betrachtet Zusammenhang mit der kognitiven und man die Entwicklung der Kinder mit Migra- sprachlichen Entwicklung, sozial-emotio- tionshintergrund aus entwicklungspsy- nalen Kompetenz und Problemverhalten“ chologischer Perspektive, kann davon steht. Diese Feststellung kann besonders ausgegangen werden, dass wenn sie in dann unterstrichen werden, wenn die einem homogenen und konsistenten kul- Jungen „außerhalb der Kindertagesstätte turellen Wertesystem mit stabilen Bezugs- nur wenig Kontakt zur deutschen Spra- personen aufgewachsen sind, das ebenso che und Kultur haben.“30 Somit kann die konfliktreich oder -arm verläuft, wie bei Schlussfolgerung gezogen werden, dass den meisten Kindern ohne Migrationshin- die Daten der Kinder der frühen Kind- tergrund, und keinerlei Unterschiede fest- heit auch auf das Schuleingangsalter gestellt werden können. Erst wenn ihnen sowie ältere Kinder und Jugendliche mit aufgrund gesellschaftlicher Bedingungen Migrationshintergrund übertragen werden ein „anderssein“ zugewiesen wird, wird können. ihnen dieses bewusst und es kann in der Das Konzept des seelischen Grenz- Folge zu Stigmatisierungen und innerpsy- gängertums wurde von Hildenbrand und chischen Zuschreibungen zum jeweiligen Lanfranchi31 entwickelt. Sie gehen davon Migrationshintergrund kommen.34 aus, dass ungefähr mit dem Eintritt in Aspekte der Beziehungsdynamik von die Kindertagesstätte Kinder unter den Menschen mit Migrationshintergrund wur- Einfluss differierender Normensysteme den in bisherigen Untersuchungen weitge- geraten, da sie sich dann zwischen geo- hend vernachlässigt. Kunze35 hat ein Modell graphischen und psychologischen Räu- entwickelt, das von unterschiedlichen Ver- men bewegen müssen. Dabei werden die stehensebenen im interkulturellen Kontakt Werte und Einstellungen der Mehrheits- ausgeht. Ein Aspekt beschäftigt sich mit kultur schneller angenommen, als die in dem psychodynamischen Verständnis der der Familie herrschenden. Aus dieser Beziehung und deren Beeinflussung der Situation können Konflikte entstehen, die beraterischen Beziehung. Ebenso betrach- in den Familien ausgetragen werden und tet er die Minderheiten-Mehrheiten-Bezie- zu den o. g. Stigmatisierungen der Ver- hung. Migranten sind Angehörige einer haltensauffälligkeiten führen können. Un- Minderheit und treffen im Ankunftsland sere kritische „Ankunftsgesellschaft“, die auf Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. eigenständiges Denken und Nachfragen Selbst wenn diese wiederum einen Migrati- betont, macht es für die Kinder schwierig, onshintergrund haben, stellen sie trotzdem traditionelle und kulturelle Werte der Eltern eine Vertretung des Mehrheitensystems dar ungefragt zu übernehmen. In einem „going und verfügen über größere Machtbefugnis- between“ entsteht in der Folge ein Rück- se. Diese Machtbefugnisse beeinflussen- zug aus den beiden vorhandenen Räumen. den den Kontakt zwischen Ratsuchenden Dies geschieht besonders dann, wenn die und Beratenden. Dazu wirken oft Diskri- Kinder den unterschiedlichen Erziehungs- minierungs- und Migrationserfahrungen, stilen und Anforderungen nicht mehr be- da es immer ein strukturelles Machtgefäl- wältigen können. In Zwischenräumen le zwischen Professionellen und Klienten werden dann mit der Peer neue Regeln gibt. Hinzu tritt der kulturelle Aspekt, mit geschaffen, die nach außen geschlos- einem unterschiedlichen Werte-, Normen- sen sind, so dass „Bastelbiographien“ und Religionshintergrund. 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 447 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
In den Übertragungsmustern und Ab- im Umgang mit dem Fremden auf kollek- wehrstrategien spielt es eine große Rolle, tive Verarbeitungsmuster zurückgegriffen: dass der Gegenüber nicht so wahrge- Entfremdung (Tendenz das Fremde zu un- nommen werden kann, wie er „wirklich“ terwerfen), Verwertung (Ökonomisierung ist, sondern eine Diskrepanz entsteht des Fremden) und Idealisierung (Überhö- zwischen den Erwartungen an den Ge- hung der Betroffenen unter Ausblendung genüber und seinem realen Verhalten. ihrer Fehler und Schwächen; Spaltung in Wünsche und Ängste werden mobilisiert, gut und böse). eigene Wertvorstellungen in Frage ge- Eine Beratung von Kindern und Ju- stellt, die dann möglicherweise abgewer- gendlichen mit Migrationshintergrund un- tet werden. So kann das Idealbild für eine terschiedet sich konzeptionell nicht von Beraterin zu einem Gegenentwurf zum einer Beratung von Kindern und Jugend- bestehenden Mutterbild werden. Wenn lichen ohne Migrationshintergrund. Dieses die idealisierte Beraterin keinen Rat gibt, Wissen kann aber nicht als a priori ver- sondern zu eigenen Überlegungen, auto- standen werden, sondern muss erst er- nomen Handlungen auffordert, besteht die worben werden. Gefahr, dass der Jugendliche sie als wenig kompetent betrachtet, sich zurückzieht und die Beratungssituation kippen könnte, 6. Abschließende Gedanken da der Jugendliche sich aufgefordert füh- len kann die in seiner Familie herrschen- Ergänzend sollten Studierende der Erzie- den kulturspezifischen Werte verteidigen hungswissenschaften im theoretischen zu müssen. wie praktischen Sinne das Fach „Bera- Da sie die Vertreterin der Mehrheits- tung“ studieren und die Fallarbeit für das gesellschaft ist, könnten dann Diskriminie- 1. oder 2. Staatsexamen, Bachelor- oder rungserfahrungen übertragen werden und Masterabschluss verpflichtend werden. eine Beratung scheitert. Erim36 stellt fest, Dabei darf nicht vergessen werden, dass dass in der beraterischen Erziehung am psychoanalytisches Wissen erst anwend- häufigsten die Themen Autonomie/Abhän- bar ist, wenn es vom Lehrenden integriert gigkeit sowie Versorgung/Benachteiligung werden kann. Die Forderung nach einer und das Thema Individuation eine zentra- Integration psychoanalytischen Wissens in le Rolle spielen, wobei es auch hier am das erziehungswissenschaftliche Studium häufigsten zu Verständigungsproblemen kann nicht als ein Werkzeug zur besseren kommt. Handlungsanweisung oder als das Erler- Der Beweggrund für Migranten in nen von Rezepten, um passende Lösun- eine andere Gesellschaft einzuwandern gen zu präsentieren verstanden werden. besteht in der Regel auf einer Unzufrie- Mögliche Widerstände sollten überwun- denheit in wirtschaftlicher, politischer den werden, damit psychoanalytisch-pä- und sozialer Hinsicht. Somit ist das Be- dagogisches Wissen in effektiver Weise nachteiligungssthema in der Biographie fruchtbar gemacht werden kann und Erzie- von Anfang an gegeben und wird in der her befähigt werden professionell beraten Beratung sofort aktualisiert. Eine Gefahr zu können. besteht darin, dass der Berater von den Aus dem Genannten geht hervor, dass Migranten als „Spalter der Familie“37 asso- Studierende von Beginn an in erziehungs- ziiert wird. Für diesen kommt im Umgang wissenschaftlichen Feldern einen Schwer- mit dem Fremden oft die Abgrenzung zum punkt auf die (Aus-)Bildung ihrer (Selbst-) Eigenen zum Tragen und häufig wird dann Reflexionskompetenz legen sollten. Die 448 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
heterogenen Herausforderungen im Um- und -Pädagogen mit Studienschwerpunkt gang mit allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung. In: Derichs-Kunstmann et al. ihren Eltern – aber auch mit Kolleginnen (Hrsg.). Beiheft zum Report Qualifizierung und Kollegen – bedarf der Fähigkeit sich des Personals in der Erwachsenenbildung. über seine eigenen inneren Gefühle, Hal- Frankfurt, S. 50-58. tungen, Werte und Normen bewusst zu 7 Vogel, P. (1999). Der Theorie-Praxis-Konflikt werden und bestenfalls zu sein. Dass in der Pädagogik als Deutungsmuster im Stu- dies nicht ohne bisweilen schmerzhafte dienalltag – oder: Was lernt man eigentlich Erkenntnisse gelingen kann, dürfte zumin- im erziehungswissenschaftlichen Studium? In: Der pädagogische Blick. Zeitschrift für dest (un-)bewusst sein – vielleicht führt Wissenschaft und Praxis in pädagogischen dies auch zu einer oftmals zu beobachten- Berufen. 7. Jg., H. 1, 34-40, S. 39. den abwehrenden Haltung gegenüber 8 Böhm, F. (2005). Wörterbuch der Pädagogik. der (Aus-)Bildung (selbst-)reflektorischer Stuttgart: Kröner, S. 40. Kompetenzen bei den jüngeren Studieren- 9 Hönigswald, R. (1927): Über die Grundlagen den. Nichtsdestotrotz ist es ein wertvoller der Pädagogik. München, S. 214f. Weg, der die meisten Menschen begleitet. 10 Groß, C. (2006). Pädagogik als persönliche und berufliche Perspektive. Schwalbach: Wochenschau Verlag. Mägdefrau, J. (2000). Diplom in Erziehungswissenschaft – Was kommt danach? Oberried i.Br.: Huppertz Anmerkungen Verlag, S. 173. 11 a. a. O., S. 40. 1 SKMK – Sekretariat Kultusministerkon- 12 zit. nach Prinz, R. (2016): Professionalisie- ferenz (2013). Empfehlungen zur Eig- rung als Voraussetzung für Inklusion - Vor- nungsabklärung in der ersten Phase der schulförderung verhaltensauffälliger Kinder Lehrerbildung. Abgerufen von https://www. durch psychoanalytisch-pädagogisch aus- kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichun- gebildete Lehrkräfte. In: R. Göppel; B. Rauh gen_beschluesse/2013/201 3-03-07-Emp- (Hrsg), Inklusion. Stuttgart: Kohlhammer, fehlung-Eignungsabklaerung.pdf, S. 3f. S. 137-146. 2 a. a. O., S. 3. 13 Böhm, W. (2004): Entwürfe zu einer Pädago- 3 Kreuzer, T. F.; Albers, S. (2021). Perspekti- gik der Person. Gesammelte Aufsätze. Hg. ven auf Selbstreflexion. Eine Hinführung In T. U. eingel. V. A. Lischewski. Bad Heilbrunn: F. Kreuzer; S. Albers (Hrsg.): Selbstreflexion. Julius Klinkhardt. In: Weigand, G. (2004): Hohengehren: Schneider, S. 2. Schule der Person. Zur anthropologischen 4 Schneider, R.; Szczyrba, B.; Welbers, Grundlegung einer Theorie der Schule. U.; Wildt, J.: Einleitung, In: Schneider, R.; Würzburg: Ergon, S. 10 Szczyrba, B.; Welbers, U.; Wildt, J. (Hrsg.): 14 Kreuzer, T. F. (2013). Die Wurzeln pädago- Wandel der Lehr- und Lernkulturen. Düssel- gischen Handelns bei Janusz Korczak und dorf: dghd, S. 5. die “Neue Lernkultur” in der heutigen Leh- 5 Vgl. hierzu den Tagunggsband von Göppel, rerausbildung von Baden Württemberg. In: R.; Rauh, B. (2016): Inklusion. Idealistische R. Godel-Gaßner & S. Krehl (Hrsg.), Facet- Forderung Individuelle Förderung Instituti- tenreich im Fokus. Janusz Korczak und seine onelle Herausforderung sowie Kreuzer, T.; Pädagogik; historische und aktuelle Perspek- Rauh, B. (2014). Lehramtsstudierende zwi- tiven. Jena: Garamond-Verl., Edition Paideia. schen Idealisierung und Entwertung inklusi- S. 297–316; Kreuzer, T. F. (2020): Studieren- ver Praxis. Auf: Tagung der Kommission für de können mit Hilfe selbstreflexiver Prozesse Psychoanalytische Pädagogik 2014 in Hei- zu professionell Lehrenden werden. In: Päda- delberg (unver. Vortrag). gogische Rundschau, 74, S. 415-426. 6 Leonhard, H.-W. (1992). Pädagogik studieren. 15 Kreuzer, T.F.; Turner, A. (2020, im Erscheinen): Stuttgart, S. 47. Vergleiche dazu weiterfüh- Max, ein Rabauke? Mentalisieren von Bezie- rend: Fink-Jakob, A. (1996). Zum beruflichen hungsdynamik im Unterricht. In S. Gingelmai- Verbleibt marburger Diplom-Pädagoginnen er; A. Ramberg; H. Kirsch (Hrsg.), Handbuch 4 / 2021 Pädagogische Rundschau 449 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
mentalisierungsbasiete Pädagogik. Bd. II. 24 Die Abstinenzregel bezieht sich darauf, dass Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Turner, es wichtig ist, die infantilen und neurotischen A.; Kreuzer, T.F. (2020, im Erscheinen): Psy- Wünsche des Patienten nicht zu befriedigen choanalytisch-pädagogische Reflexionen von und Vertrautheit nicht mit Vertraulichkeit zu Beobachtungen und Selbstreflexion. In T. F. verwechseln. Der Patient beginnt sich sonst Kreuzer; S. Albers (Hrsg.): Selbstreflexion. in der Abhängigkeit vom Analytiker wohl zu Hohengehren: Schneider, fühlen und seine eigene Verantwortlichkeit 16 Die folgenden Ausführungen sind i n ihrer aufzugeben. Aus diesem angenehmen Gefühl grundlegenden Form angelehnt an: Kreuzer, heraus weigert er sich unbewusst, gesund zu T. (2007). Psychoanalytische Pädagogik und werden. Je mehr der Arzt den Übertragungs- ihre Bedeutung für die Schule. Würzburg: wünschen entgegen kommt und je mehr er Königshausen und Neumann. die Wünsche nach kindlicher Verwehrung 17 Freud, S. (1914/2000). Zur Psychologie des erfüllt, desto länger hält der Patient an der Gymnasiasten. In: StA IV. Frankfurt am Main: Übertragungssituation fest und verzögert Fischer Taschenbuch Verlag. S. 235–240. somit sein Heilung (Jacoby 1993, S. 27). 18 Für den Therapeuten gibt die Form der Wi- 25 Der Stellvertreterkrieg handelt auch von derstände wichtige Aufschlüsse über den Bevorzugung und Geschwisterrivalität (vgl. der Neurose zugrunde liegenden Konflikt und Kreuzer 2005, 201-213). seine verdrängten Inhalte. Wenn man Wi- 26 WDG sind hierfür zu Beginn der Lehrerbil- derständen ausweicht, kann man nur unvoll- dung gerade in Praktika unverzichtbar. Für ständige Informationen und vorübergehende Studierende oder junge Lehrer bieten diese therapeutische Erfolge erlangen. Das Haupt- geleiteten Gruppen eine gute Möglichkeit, gewicht der Therapie liegt darauf, das Un- fremde und eigene un- bewusste Anteile in- bewusste bewusst zu machen, die Amnesie nerhalb von Beziehungen erkennen zu kön- (Verdrängung) zu beseitigen und verdrängte nen und daraus Handlungskompetenz zu Erinnerungen wiederzufinden. entwickeln. (vgl. Kreuzer/Turner, 2020). 19 Kreuzer, T. F. (2016). Geschwister als Erzie- 27 Trescher, H.G. (1987): Selbstverständnis und her?! Bedingungsgefüge, Beziehung und das Problembereiche der psychoanalytischen Pä- erzieherische Feld. Paderborn: Schöningh.; dagogik. In: H. Reiser (Hrsg.), Wer braucht Schmid, C. (2015). Lernen von älteren oder Erziehung? – Impulse psychoanalytischer Er- Lernen durch jüngere Geschwister? Effekte ziehung. Mainz, S. 197-209, S.205. der Geschwisterkonstellation auf die Lese- 28 (Wippermann/Flaig 2009., 203). kompetenz und Hausaufgabenhilfe in PISA 29 Bundesministerium für Familie, Senioren, 200-E. Zeitschrift für Erziehungswissen- Frauen und Jugend (2013): 13. Kinder- und schaft, 18, 591-615. Jugendbericht., Im aktuellen, 15. Kinder- 20 Harwardt-Heinecke, E.; Ahnert, L.: Bindungs- und Jugendbericht (2018) wird nicht mehr erfahrungen in Kindergarten und Schule in ihrer explizit auf die regionalen Unterscheide Wirkung auf die Schulbewährung. Zusammen- eingegangen. fassende Ergebnisse aus der BSB-Studie. In: 30 Mayer, D. et al. (2013): Erziehrin-Kind- Be- Zeitschrift für Pädagogik, 59 (2013) 6, 817- ziehungen und kindliche Entwicklung: Der 825, S. 82. Einfluss von Geschlecht und Migrationshinter- 21 Der Begriff Arbeitsbündnis bezeichnet die grund. Zeitschrift für Pädagogik, 59 (6), S. 803 relativ unneurotische, rationale Beziehung 31 Hildenbrand, B.; Lanfranchi, A (1996). Kinder zwischen Klienten und Analytiker. Greenson im „seelischen Grenzgängertum“: Das Wan- (1992, 218) bezeichnet in Anlehnung an Otto deln zwischen den Welten beim Verlust tran- Fenichel (1935) das Arbeitsbündnis als ein re- sitorischer Räume. In: Dilling, P. & Schilling, lativ rationales, entsexualisiertes und von Ag- H. (Hg.). Erziehungsberatung in der Postmo- gressionen befreites Übertragungsphänomen. derne. Mainz: Grünewald, 59-70. 22 Greenson, R. (1992): Technik und Praxis der 32 Merbach, M. (2013): Zwischen den Welten? Psychoanalyse. Stuttgart, S. 204. Kinder und Jugendliche mit Migrationshin- 23 Kreuzer, T. F.(2020): Ermutigung als Form der tergrund in der Beratung. In: Schnoor, H. Kooperation in der Elternarbeit. In: S. G. Huber (Hrsg.) (2013): Psychodynamische Beratung (Hrsg.), Jahrbuch Schulleitung 2020. Eltern + in pädagogischen Handlungsfeldern, Gießen: Schule. Köln: Wolters Kluwer, S. 320-332. Psychosozialverlag, 201-217, S. 205) 450 Pädagogische Rundschau 4 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
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