01/02 2022 DSO-Nachrichten mit dem Circus Roncalli - Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Gipfeltreffen der Rebellen Robin Ticciati und Leif Ove Andsnes Alte Musik ist kein Museum Maxim Emelyanychev im Gespräch Neujahrskonzert mit dem Circus Roncalli DSO-Nachrichten 01/02 2022
2 Inhalt Editorial 3 Liebe Leserin, lieber Leser, ein turbulentes Jahr liegt hinter uns – und hinter Ihnen. Ein Jahr, in dem die Pandemie nicht nur das Kulturleben durch- geschüttelt hat und der Alltag für alle noch lange keiner Nor- 3 Editorial malität gehorcht. Umso schöner ist es, dass wir das neue Jahr wieder mit dem zirzensisch-musikalischen Silvester- 4 Maxim Emelyanychev im Gespräch cocktail begrüßen können, den wir gemeinsam mit dem 10 Otto Klemperer Circus Roncalli seit 2003 aufs Zauberhafteste anrühren. 12 Ihr Konzertbesuch im Januar und Februar Auch darüber hinaus haben die Konzertmonate Januar und 14 Robin Ticciati und Leif Ove Andsnes Februar einiges zu bieten. Chefdirigent Robin Ticciati und der Pianist Leif Ove Andsnes widmen sich musikalischen 18 Ultraschall Berlin Rebellen und gehen danach mit dem DSO auf Jubiläums- 20 Lionel Bringuier und Lise de la Salle tournee. Lionel Bringuier und die großartige Pianistin Lise de la Salle bringen französische Musik auf die Bühne. 24 Jubiläumstournee Francesco Piemontesi spielt Beethoven, Cornelius Meister 26 Konzertkalender und der Geiger Augustin Hadelich widmen sich Erstlingswer- ken. Maxim Emelyanychev beweist sein an der historischen 31 Kammerkonzert Aufführungspraxis geschultes Temperament auch im ro- 32 Maxim Emelyanychev und Francesco Piemontesi mantischen Repertoire. Und beim Festival ›Ultraschall Ber- lin‹ lässt sich allerhand ›Musik der Gegenwart‹ entdecken. 37 Notturno Dies und vieles mehr finden Sie in der aktuellen Ausgabe. 38 Günter Wand Wir schätzen uns glücklich, trotz nach wie vor bestehender 42 Cornelius Meister und Augustin Hadelich Vorsichtsmaßnahmen auch weiterhin in unserer Jubiläums- 46 Casual Concert saison für Sie spielen zu dürfen. Feiern Sie mit uns und kom- men Sie ins Konzert. Wir freuen uns auf Sie! 47 Impressum Herzliche Grüße 48 Jessye Norman Ihr Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 50 Neujahrskonzert
Im Gespräch 5 Do 13.1. Maxim Emelyanychev Alte Musik ist kein Museum Der Dirigent und Multiinstrumentalist Maxim Emelyanychev gehört zu den spannendsten Künstlern seiner Generation. 1988 in der Nähe von Nischni Nowgorod geboren, ist er seit 2013 Chefdirigent des italienischen Barockensembles Il pomo d’oro, des Nizhny Novgorod Soloists Chamber Or- chestra und – als Nachfolger Robin Ticciatis – seit 2019 des Scottish Chamber Orchestra in Edinburgh. Am 13. Januar gibt er seinen Einstand am Pult des DSO. Maxim Emelyanychev, ein Filmausschnitt zeigt Sie bei Ih- rem Dirigierdebüt mit zwölf Jahren vor großem Publikum. Sie haben ja früh angefangen! Das stimmt. Ich komme aus einer Musikerfamilie, mein Va- ter war Trompeter in einem Orchester, meine Mutter Chor- sängerin. Schon mit drei Jahren war ich oft bei den Proben dabei. Ich träumte ganz früh davon, Dirigent zu werden. Mit zwölf Jahren kam ich zu meiner ersten Lehrerin in Nischni Nowgorod. »Ganz schön spät«, sagte sie, »aber ich werde es versuchen!« Heute verstehe ich, was sie meinte: Ich hatte die Dirigiertechnik schon verinnerlicht. Ich habe nie darü- ber nachgedacht, wie man einen Auftakt schlägt, piano oder forte, einen Dreier- oder 12/8-Takt anzeigt. Das lag mir ge- radezu reflexhaft im Blut. War ich mit zwölf wirklich schon Dirigent? Wahrscheinlich nicht. Das war mehr Technik als Musikalität. Aber je mehr ich dirigierte, desto öfter habe ich mir die Frage gestellt, wann man als Dirigent wohl am bes- ten ist – mit zwölf, mit zwanzig, mit vierzig, mit sechzig?
6 Im Gespräch 7 Da gibt es keine eindeutige Antwort. Mozart zum Beispiel Unterricht sagte Rozhdestvensky selbst nicht viel. Aber die war selbst sehr jung, wie auch bei Mendelssohn trägt seine Vorbereitung auf Konzerte, wenn wir mit dem Orchester Musik diese jugendliche Energie in sich. Meiner Meinung probten, war außergewöhnlich gut. Wann immer er selbst nach ist die Interpretation bei einem älteren Dirigenten eine in Moskau dirigierte, durften wir allen Proben beiwohnen, andere, nicht unbedingt eine bessere. Jedenfalls trifft das dabei habe ich unglaublich viel gelernt hat. Er hat uns im- für manche Werke zu. Musik ist etwas Großartiges, denn mer dazu angehalten, unseren eigenen Stil zu finden. Er man kann sie so unterschiedlich gestalten. hielt zwar nicht viel von historischer Aufführungspraxis, aber als ich ihn zu einem meiner Konzerte einlud, bei dem Was kann man beim Dirigieren lernen, was muss man ich eine Mozart-Symphonie vom Cembalo aus dirigierte, mitbringen? fand er das großartig. Natürlich gibt es eine grundsätzliche Technik, die die meis- ten Orchester verstehen, und die kann man lernen. Es geht aber vor allem darum, sich gegenseitig zu verstehen. Es gibt »Die Kunst entsteht im Jetzt, verschiedene Arten, seine Gedanken zu kommunizieren. auf der Bühne, nicht im Studio, das ist das Besondere.« Wie machen Sie das? Maxim Emelyanychev Man muss einen guten Kompromiss finden: Seine Ideen in den Proben erklären, um dann im Konzert das Emotionale zu ergänzen. Die Orchester von heute sind so fantastisch, Sie spielen Cembalo, Hammerklavier, Zink und Flöten, die könnten auch ohne Dirigenten spielen. Aber für die arbeiten als Chefdirigent und Musiker mit dem Barock- Energie und die Inspiration braucht es uns dann doch. Im ensemble Il pomo d’oro. Wann haben Sie die historische Konzert geht es um die Livemusik, da muss man lebendig Aufführungspraxis für sich entdeckt? sein, aus dem Moment agieren. Wie, ist dabei egal. Eine Ich erhielt mit 14 Jahren eine Einladung zum Jugend- Bewegung kann schön sein, sie kann arrogant sein, aber symphonieorchester der Wolga-Region nach Toljatti, das wenn sie hilft, die eigenen Vorstellungen umzusetzen, dann nicht nur mit Anatoly Levin, seinem Chefdirigenten vom funktioniert sie. Moskauer Konservatorium, sondern regelmäßig auch mit jungen Dirigenten arbeitete. Levin ermunterte mich, eine Sie haben bei dem großen Dirigenten Gennady Rozh- Mozart-Symphonie vom Cembalo aus zu dirigieren. Er hat destvensky studiert, der seit den 70er-Jahren mehrfach mir die Aufnahmen von Trevor Pinnock, Frans Brüggen, am Pult des DSO stand. Wie hat er Sie geprägt? John Eliot Gardiner und anderen nahegebracht. Das war Das war eine großartige Erfahrung. Während meiner Zeit für mich ein richtiger Schock, ich wusste nun, dass man am Moskauer Konservatorium war ich nicht nur sein Stu- auch so arbeiten kann. Die Aufnahmen dieser großen Meis- dent, sondern auch einer von zwei Akkompagnisten in der ter haben mein Leben vollkommen verändert. Aber auch Dirigierklasse. Die Studenten haben im Unterricht ja meist historische Instrumente in einem Museum, Kunstwerke, nicht das Orchester dirigiert, sondern zwei Pianisten. Ich ein Sonnenuntergang – all das kann einen enorm beein- konnte dabei das gesamte Repertoire durcharbeiten. Im flussen und einen lehren, wie man Musik machen kann.
8 Im Gespräch 9 Heute dirigiere ich Mozart vom Fortepiano, Barockmusik Glück das Konzerterlebnis für uns als Musiker, Musiklieb- vom Cembalo, Renaissancemusik als Flötist oder Pauker. haber und Melomanen darstellt. Arbeiten Sie mit historischen Ensembles anders als mit Am 13. Januar dirigieren Sie Schuberts Große C-Dur- einem Symphonieorchester? Symphonie beim DSO. Was bedeutet sie Ihnen? Jeder Klangkörper ist anders. Selbst bei einer Wiederbegeg- Ein großartiges Werk! Ich bin aber eigentlich sehr zurück- nung arbeitet man anders, spielt ein anderes Programm, hat haltend damit, Musik zu beschreiben. Ich setze um, was der ein anderes Publikum. Auch man selbst ist ein anderer. Die Komponist geschrieben hat. Eine Aufführung kann natürlich Mitglieder eines Symphonieorchesters sind heute gut in his- ganz unterschiedlich ausfallen, mal ist sie intellektueller, mal torischen Spielweisen ausgebildet. Beim Scottish Chamber emotionaler. Das hängt vom Augenblick ab, vom Orchester, Orchestra werden schon seit vielen Jahren moderne Streich- manchmal sogar vom Publikum. Es kann passieren, dass instrumente mit historischen Blas- und Schlaginstrumen- man das eine probt und dann im Konzert spontan etwas ten kombiniert. Und auch einem modernen Orchester tut ganz anderes macht. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, es gut, bei bestimmten Programmen mit Darmsaiten und meine Gedanken und Gefühle mit dem DSO umzusetzen. Barockbögen zu musizieren. Immer mehr Musiker machen das inzwischen. Denn was ist »Alte Musik«? Sie ist kein Sie eröffnen das Konzert mit der ›Ruy Blas‹-Ouvertüre, Museum, sondern die Umsetzung unserer Vision. Was ist die 1839 im selben Konzert wie Schuberts Symphonie authentische Aufführungspraxis? Eine Mode. Im Konzert uraufgeführt worden ist → S. 33. müssen wir eine Balance zwischen der Mode und den Das stimmt, aber das ist nicht der Grund dafür. Ich mag Möglichkeiten finden. Als Beethoven oder Mozart eine den Spirit von Mendelssohns Musik, ihre Leichtigkeit und Symphonie uraufführten, mit ungewöhnlichen Harmonien, Freiheit. Ein wenig wie Mozart, nur in der Romantik … Dissonanzen oder einer langen Coda, da war das für das Publikum manchmal ein Schock. Das müssen wir heute mit In der Mitte steht das Erste Klavierkonzert von Beetho- anderen Mitteln erreichen, aber wir müssen dabei modern ven, das Francesco Piemontesi interpretiert. Haben Sie klingen, denn das Publikum ist ein modernes. Ich habe das schon einmal zusammengearbeitet? Liveerlebnis immer geliebt, denn man kann mit dem Pub- Bislang noch nicht, aber ich kenne viele seiner Aufnahmen. likum spielen, man erfährt die Reaktion ganz unmittelbar. Er ist ein großartiger Pianist, gerade im klassischen und ro- Die Kunst entsteht im Jetzt, auf der Bühne, nicht im Studio, mantischen Repertoire, und ich freue mich sehr auf unser das ist das Besondere. gemeinsames Konzert. Mit einem fantastischen Programm! Das spürt man sicher besonders nach der langen Pause? Das Gespräch führte MAXIMILIAN RAUSCHER. Ich bin glücklich, wieder dirigieren zu können, das Publi- kum ist glücklich, wieder im Konzertsaal zu sein. Die Or- chester sind glücklich, wieder spielen zu dürfen, und das merkt man ihnen an. So hätten wir schon immer konzer- tieren sollen! Wir dürfen nie vergessen, was für ein großes Konzertkalender S. 26
Otto Klemperer 11 19.12.1950 Otto Klemperer beim DSO Wenige Tage vor Weih- nachten 1950 hatte sich das DSO, das damals noch RIAS- Symphonie-Orches- ter hieß, für Schallplat- tenaufnahmen in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche mit ihrer phänomenalen Akustik eingerich- tet. Auf den Pulten lag Mozart – die ›Don Giovanni‹-Ouvertüre, eine Serenade, drei Symphoni- en –, vor dem Orchester stand erstmals Otto Klemperer. Mit 65 Jahren konnte der Dirigent auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Geboren in Breslau, ausgebildet bei Pfitzner, gefördert von Mahler, hatte er die klassische Kapellmeis- terlaufbahn angetreten, war GMD in Köln und Wiesbaden, schließlich Direktor und musikalischer Leiter der Krolloper in Berlin, wo er zwischen 1927 und 1931 mit aufsehenerre- stellte er Hindemiths Ballettsuite ›Noblissima Visione‹ von genden Uraufführungen und Inszenierungen das Haus zum 1939 – und trug sich im Anschluss in die Autogrammbücher Tempel der Avantgarde machte. ein, die der Cellist Heinrich Köhler für das Orchester führte. Im Februar 1956 kehrte Klemperer mit Haydns Symphonie Als »Kulturbolschewist« und Jude von den Nationalsozia- Nr. 101 ›Die Uhr‹ und Mahlers Vierter zum Orchester zurück, listen vertrieben, ging er im Herbst 1933 als Music Director im Januar 1957 folgten zwei Konzerte mit Mozarts Sympho- zum Los Angeles Philharmonic. Nach Stationen in Buda- nie Nr. 40 KV 550, Strauss’ ›Till Eulenspiegel‹ und der Zwei- pest und Montréal ließ er sich 1954 in Zürich nieder, leitete ten von Brahms. Sein letztes DSO-Gastspiel im März und schließlich 1959 bis 1971, zwei Jahre vor seinem Tod, das April 1958 war dem Symphoniker Beethoven gewidmet. Eine Philharmonia Orchestra in London. In den Fünfzigerjahren CD-Box, die 2013 bei audite erschienen ist, macht seine Stu- fand er mehrmals den Weg zum DSO. Auf die Mozart-Auf- dioaufnahmen und Konzertmitschnitte mit dem DSO wieder nahmen folgte im Februar 1954 das erste gemeinsame Kon- zugänglich und erlaubt die Wiederbegegnung mit einem der zert im Titania-Palast. Vor Beethovens Drittes Klavierkon- großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. zert (Solist: Hans Erich Riebensahm) und dessen ›Pastorale‹
Corona 13 Information Corona Ihr Konzertbesuch im Januar und Februar Wir freuen uns sehr, Sie, unser Publikum, auch in den Mo- naten Januar und Februar wieder in der Philharmonie und an unseren anderen Veranstaltungsorten begrüßen zu dür- fen. Aufgrund der aktuellen Lage finden die Konzerte bis auf Weiteres unter 2G-Plus-Bedingungen statt. Der Zutritt ist deswegen nur noch mit einem digitalen Impf- zertifikat der EU oder einem digitalen Genesungszertifikat der EU möglich. Der Nachweis muss in Form einer App oder als QR-Code auf Papier vorliegen, der gelbe Impfausweis ist leider nicht ausreichend. Einen digital signierten Nachweis erhalten Sie bei Bedarf unter anderem in Ihrer Apotheke. Wegen der steigenden Infektionszahlen und der vermehr- ten Impfdurchbrüche besteht bei allen unseren Konzerten weiterhin die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske während des gesamten Abends, also auch auf Ihrem Sitz- platz. Aufgrund der Einlasskontrollen möchten wir Sie um rechtzeitiges Erscheinen bitten. Wir bitten um Nachsicht und Verständnis dafür, dass sich viele dieser Bedingungen kurzfristig ändern können – in die eine wie die andere Richtung. Stets aktuelle Informationen rund um Ihren Konzertbesuch beim DSO finden Sie einfach und bequem auf unserer Website → dso-berlin.de/update
Ticciati / Andsnes 15 Sa 29.1. / So 30.1. Robin Ticciati Gipfeltreffen der Rebellen Wie oft muss man Ludwig van Beethoven gegen sich selbst verteidigen, Unbekanntes gegen Bekanntes, vor allem die »kleinen«, lyrischeren Symphonien gegen ihre »großen« Schwestern mit den Nummern Drei, Fünf, Sieben und Neun! Doch mit ihrer Heroisie- rung, der man heute skeptischer gegenübersteht, tut man auch diesen Unrecht. Die Schublade des siegreichen Helden- tums ist für Beethovens Dritte, genannt ›Eroica‹, zu klein. Robin Ticciati stellt sie als Schlüsselwerk heraus, dessen Kühnheit zu unterschiedlichsten Antworten herausfordert. Einen völlig »neuen Weg« wollte der Komponist kurz nach 1800 einschlagen, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich nicht nur sein künstlerisches Selbstbewusstsein festigte, sondern auch seine Ertaubung bedrohlich voranschritt. Zeugnis seiner Verzweiflung, aber auch seiner Entschlos- senheit, nicht aufzugeben, ist das erschütternde ›Heiligen- städter Testament‹ von 1802. Die gleichzeitig entstandene ›Eroica‹ transportiert seine Gedanken, wurde quasi zur ersten »Ideensymphonie« – ihre Ausbrüche und plötzlichen Schroffheiten, etwa die über 40 Fortissimo-Synkopen in der Durchführung, spiegeln Beethovens Haltung, »dem Schick- sal in den Rachen greifen« zu wollen und sind zugleich mit den französischen Revolutionsmusiken verknüpft. Dass der Komponist die Widmung an Napoleon nach dessen Kaiser- krönung austilgte, die Symphonie aber unverändert ließ, zeigt sein Festhalten an den Idealen von 1789. Die Befrei- ungsidee manifestiert sich am klarsten im Finale, einem
16 Ticciati / Andsnes 17 a-Moll kann Andsnes vor allem in der Durchführung des ersten Satzes und im zarten Intermezzo vielfältige Orches- terdialoge führen. Das Konzert, als eines der schönsten der Romantik gerühmt, ist damit kammermusikalisch durchge- bildet und symphonisch strukturiert zugleich, auch dies eine Neuerung, die von Beethoven vorbereitet wurde. Im Finale allerdings gewinnt das konzertante Element die Oberhand, ein pianistischer Parforce-Ritt, der in seinem unablässigen Vorwärtsdrängen, im Wechsel des Charakters zwischen Walzer und Marsch ein wenig an den ›Marsch der Davids- bündler gegen die Philister‹ aus Schumanns Klavierzyklus ›Carnaval‹ erinnert. Leif Ove Andsnes Poetische Extravaganz Rebellion, die hier auf instrumentalem Gebiet stattfindet, ausladenden Variationensatz auf ein Thema aus Beethovens drückt Hector Berlioz in seiner Ouvertüre ›Les francs-juges‹ Ballett ›Die Geschöpfe des Prometheus‹. Mit Prometheus, auch im Sujet aus. Das Vorspiel zur gleichnamigen unvollen- dem Lichtbringer, der den Göttern das Feuer raubte und die deten und teilweise vernichteten Oper aus dem Jahr 1828 Menschen damit autonom machte, wurde Beethoven nach beschreibt in einer Mischung aus ›Freischütz‹ und ›Fidelio‹ dem Erfolg der ›Eroica‹ bald selbst identifiziert. ein Schauerdrama, in dem ein Liebespaar sein Volk von Ty- rannenherrschaft befreit. Den Zeitbezug stellt das Haupt- Gegen die Philister thema her, das entfernte Ähnlichkeit mit der ›Marseillaise‹ Das Erbe des »Titanen« war Ansporn und Hemmnis für die aufweist, zunächst harmlos leichtfüßig, dann siegreich Nachgeborenen. »Wer vermag nach Beethoven noch etwas schmetternd. Motivfragmente, deren Entwicklungen in zu machen?«, seufzte Franz Schubert. Robert Schumann harten, collageartigen Schnitten jäh abgebrochen werden, sah ihn als geistigen Ahnen und Verbündeten im Kampf weisen Berlioz als legitimen Beethoven-Erben aus. In sei- um Echtheit und Tiefe der Kunst, gegen die konventionelle ner Besprechung der Ouvertüre für die ›Neue Zeitschrift für Biederkeit oder seichte Effekthascherei der »Philister«. Wie Musik‹ äußerte Robert Schumann die Überzeugung, »daß Beethoven ging es auch ihm um musikalische Grenzüber- gewisse Schulbank-Theoristen viel mehr geschadet als uns- schreitungen, dabei allerdings eher um Ausdruck des eige- re praktischen Himmelstürmer und daß Protection elender nen Seelenlebens als um humanitäre Botschaften. Der Pia- Mittelmäßigkeit viel mehr Unheil angerichtet, als Auszeich- nist Leif Ove Andsnes verortet denn auch Schumanns Musik nung solcher poetischer Extravaganz.« im Bereich des Dialogs: »Ein Komponist wie Schumann hat zu einer anderen Person gesprochen … Seine Musik ist intim. ISABEL HERZFELD Und damit ist er anders als Beethoven, der am liebsten zur ganzen Welt sprechen will.« Als Solist des Klavierkonzerts Konzertkalender S. 27
18 Ultraschall Berlin 19 Mi 19.1. + So 23.1. ›Ultraschall Berlin‹ Akkordtürme Das Abschlusskonzert unter der Leitung von Eun Sun Kim Das DSO zu Gast beginnt mit ›Burr‹ von Arne Gieshoff. Seinen Titel hat es beim Festival für von ›burr puzzles‹, also von Gratpuzzles abgeleitet, bei neue Musik denen Holzstücke komple- xe geometrische Formen bilden. Das Orchesterwerk Seit 1999 beginnt die jährliche Serie von Festivals für neue ›oder Ekel kommt vor Es- Musik in Deutschland mit ›Ultraschall Berlin‹, veranstaltet senz‹ von Yiran Zhao basiert Eun Sun Kim von rbbKultur und von Deutschlandfunk Kultur. In gewohn- auf dem deutsch-französi- ter Weise präsentiert das Festival Uraufführungen, Deut- schen Gedichtband ›Le fleuve dans le ventre‹ des Lyrik-, Pro- sche Erstaufführungen und Werke der jüngsten Vergangen- sa- und Theaterautors Fiston Mwanza Mujila, der im Kon- heit ebenso wie Klassiker der Avantgarde. Traditionell und so zert auch als Sprecher seiner eigenen Texte zu erleben ist. auch in diesem Jahr ist das Deutsche Symphonie-Orchester York Höller lässt in seinem Bratschenkonzert – Solist: Nils Berlin ein wichtiger Partner von ›Ultraschall Berlin‹. 2022 Mönkemeyer – Bezüge zu zwei zentralen Komponisten des bestreitet es erneut das Eröffnungs- und das Abschluss- 20. Jahrhunderts aufscheinen: Bernd Alois Zimmermann konzert und führt in diesem Rahmen seine verdienstvolle und Pierre Boulez. Mit ›Fett‹ erforscht Enno Poppe zuletzt Reihe ›Musik der Gegenwart‹ fort, die seit den Fünfziger- orchestrale Möglichkeiten von mikrotonalen Akkord- und jahren besteht. Harmoniebildungen und somit »Akkordtürme«, die sich aus bis zu 40 Stimmen zusammensetzen und, so der Komponist, Quecksilbrig einen »harmonisch aus den Schuhen hauen«. Im Auftaktkonzert, das Jonathan Stockhammer dirigiert, steht das Werk ›glut‹ von Dieter Ammann am Beginn. Am- ANDREAS GÖBEL mann schildert darin »eine Welt, deren innere Glut, zu Klang geformt, nach außen drängt«. Sein Konzert für zwei Klaviere Andreas Göbel (rbbKultur) gestaltet Eine Veranstaltung von und Orchester ›Macchine in echo‹ wollte Luca Francesconi seit 2013 zusammen mit Dr. Rainer ursprünglich ›extreme motivations‹ nennen – als »Kampf Pöllmann (Deutschlandfunk Kultur) zwischen den dionysischen Energien und der Macht der das Programm des Festivals ›Ultraschall Berlin‹. Strukturen«. Den Solopart übernimmt das GrauSchuma- cher Piano Duo. Am Beginn der Arbeit an ›Quicksilver‹ stand ein Video, das Milica Djordjević auf YouTube gefunden hatte und in dem zu sehen ist, wie Gold mit Hilfe von Quecksilber extrahiert wird. Konzertkalender S. 27
20 Bringuier / de la Salle 21 Do 24.2. Lionel Bringuier Magnet Paris Ravel bedeutet für sie immer ein Heimspiel. Beide sind jung, waren früh schon erfolgreich, erfuhren ihre entscheidenden Vorbereitungen auf das musi- kalische Profileben am Pariser Conservatoire: die Pianistin Lise de la Salle, die aus Cherbourg, aus Frankreichs Norden, stammt, und Lionel Bringuier, Cellist und Dirigent, der seine Ausbildung ganz im Süden, in seiner Heimatstadt Nizza begann; ihr ist er bis heute künstlerisch eng verbunden. Sie sind die Rising Stars der in den späten 1980er-Jahren geborenen Künstlergeneration. Nun stellen sich beide mit Maurice Ravels Klavierkonzert dem Pu- blikum vor, mit jenem Werk, in dem der Komponist seine Erfahrungen mit dem Jazz besonders deutlich und mit besonderem Esprit zur Geltung brachte. Ein Knall entfesselt die Virtuosität des ersten Satzes; der zweite ist dem Ideal von Lise de la Salle wie auf den Leib geschneidert: Sie will das Klavier singen und darüber seine perkussive Natur vergessen lassen. Für dieses bezaubernde Nocturne, dessen Anfangsteil mit seinem melodischen Fließen so selbstverständ- lich klingt, brauchte Ravel lange, zum Verzweifeln lange, wie er meinte. Doch so entstand Kanta- bilität von einer Verführungskraft, die sonst nur an Ravels Spiel mit den Farben des Or- chesters gerühmt wird. Das stürmische Finale steigert noch die Virtuosität des ersten Satzes.
22 Bringuier / de la Salle 23 Musikalische Einwanderer Paris dient Lionel Bringuier gleichsam als inneres Thema für sein Programm mit dem DSO, Paris, die Weltstadt der Musik, in der die unterschiedlichsten Kulturtraditionen ein Quartier fanden und Wirkung entfalteten. Das Paris der 1920er-Jah- re war die europäische Jazz-Metropole schlechthin. Ravel brauchte nicht nach Amerika zu reisen, um diese Musikrich- tung in ihren vielen Schattierungen kennenzulernen, obwohl die Besuche in der Neuen Welt tiefe Eindrücke in ihm hinter- ließen. Paris wurde aber auch zur Zentrale, dann zur Residenz der Ballets Russes, der Pioniere eines neuen Tanztheaters. Strawinskys ›Feuervogel‹ ist unlösbar mit dem Aufstieg der Kompanie zum Weltruhm verbunden; und die Partitur, die Lise de la Salle der Komponist später etwas lässig als traditionsverhafteten Auftakt zu Kühnerem und Größerem abtat, sorgte über Jahre Henri Dutilleux. Altersmäßig zwischen Olivier Messiaen und hinweg auch für seinen Ruhm, nicht nur in Frankreich. Brin- Pierre Boulez geraten, stand er meist in deren Schatten. Er guier wählte für sein Programm mit dem DSO die Suite, die verfolgte dennoch seinen eigenen Weg mit großer Konse- der Komponist selbst 1919 aus der Ballettmusik zusammen- quenz, Beharrlichkeit und Offenheit. Zum Repertoire gehö- stellte, und die reicher, üppiger, farbenprächtiger instrumen- ren inzwischen vor allem sein Cellokonzert ›Tout un monde tiert ist als die spätere Version von 1947. lointain…‹ und sein Violinkonzert ›L’arbre des songes‹. Mit dem Orchesterstück ›Métaboles‹ suchte er neue Arten der Dem ›Feuervogel‹ stellt Bringuier Zoltán Kodálys ›Tänze Formbildung. Der Titelbegriff verweist in der Rhetorik auf die aus Galánta‹ voran – wie einen Hinweis darauf, wie Motive Wiederholung eines Gedankens in immer neuen Worten, in aus der osteuropäischen Folklore nicht nur bei Strawins- der Biologie auf eine langsame, aber starke Metamorphose. ky, sondern auch bei anderen Komponisten als Motor ihrer Beides benennt, woran Dutilleux lag – »eine oder mehrere musikalischen Entwicklung wirkten. Das Werk, das seiner Ideen in unterschiedlicher Ordnung und aus unterschied- klanglichen Brillanz wegen auch als ein Konzert für Orches- lichen Blickwinkeln zu betrachten, bis sie nach und nach ter bezeichnet wurde, hat zwar keinen direkten Bezug zu ihren Charakter vollständig verändern.« In diesem Prozess Frankreich und Paris, doch erinnert seine Instrumentierung der Verwandlung werden die mittleren Stadien jeweils von daran, dass Kodály wie sein Freund Béla Bartók seine Or- bestimmten Gruppen des Orchesters übernommen, bis sich chestrierungskunst vor allem an französischen Vorbildern alle im Finale wieder vereinen. Die ›Métaboles‹ sind auch ein und an Strawinsky schulte. Konzert für Orchester. Übersehene Mitte HABAKUK TRABER Paris war aber auch die Stadt der Künstler, die nicht par- tout die spektakuläre Resonanz suchten. Zu ihnen gehörte Konzertkalender S. 28
Jubiläumstournee 25 Sa 5.2. – Sa 12.2. Robin Ticciati Jubiläumstournee ›75 Jahre DSO‹ Seit seiner ersten Tournee durch Westdeutschland 1951 ist das DSO regelmäßig im nationalen und in- ternationalen Konzertleben präsent und hat in den vergangenen Jahrzehnten weite Teile der Welt be- reist. Zur Feier seines 75. Jubiläums unternimmt das Orchester im Februar gemeinsam mit seinem Chefdirigen- ten Robin Ticciati und dem großartigen Pianisten Leif Ove Andsnes eine einwöchige Europatournee. Im Gepäck hat das DSO mit Berlioz’ Ouvertüre zu ›Les francs- juges‹, Schumanns Klavierkonzert und Mahlers Erster Symphonie nicht nur das Ende Januar in der Philharmo- nie gespielte Programm; auch Mozarts Ouvertüre zu ›La Clemenza di Tito‹, sein Klavierkonzert Es-Dur KV 482 und Beethovens ›Eroica‹ gehören zum Tourneerepertoire, das in unterschiedlichen Kombinationen auf die Bühnen gelangt. Die Reise beginnt am 5. Februar im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen, führt das Orchester dann ins Konzerthaus nach Dortmund, in die Kölner Philharmonie, in den Palast der Künste nach Budapest, den Muziekgebouw Eindhoven, das Concertgebouw Amsterdam (Bild) und endet am 12. Fe- bruar mit einem Konzert im Kulturzentrum La Seine Musi- cale in der Nähe von Paris. Alle Programme finden Sie unter → dso-berlin.de/gastspiele Konzertkalender S. 28
26 Konzertkalender 27 Januar ›Ultraschall Berlin‹ – Festival für neue Musik Mi 19.1. / 20 Uhr / Haus des Rundfunks Sa 1.1. / 18 Uhr / Tempodrom 228. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Neujahrskonzert Ammann ›glut‹ Werke von Bernstein, Chatschaturjan, Francesconi ›Macchine in echo‹ – Schostakowitsch, Smetana u. a. Konzert für zwei Klaviere und Orchester Das vollständige Programm wird noch Djordjević ›Quicksilver‹ bekannt gegeben. JONATHAN STOCKHAMMER JAMES GAFFIGAN GrauSchumacher Piano Duo – Klaviere Jess Gillam – Saxophon Artist*innen des Circus Roncalli So 23.1. / 20 Uhr / Haus des Rundfunks 229. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Fr 7.1. / 20 Uhr / Heimathafen Neukölln Gieshoff ›Burr‹ Kammerkonzert ›The March of Women‹ Zhao ›oder Ekel kommt vor Essenz‹ Grandval, Manziarly, Pejačević, C. Schumann, für Sprecher und Orchester Smyth, Žebeljan Höller Violakonzert ENSEMBLE DES DSO Poppe ›Fett‹ Gergely Bodoky – Flöte EUN SUN KIM Viola Wilmsen – Oboe Fiston Mwanza Mujila – Sprecher Mischa Meyer – Violoncello Nils Mönkemeyer – Viola Oliver Triendl – Klavier Do 13.1. / 20 Uhr / Philharmonie Mendelssohn Bartholdy Ouvertüre zu ›Ruy Blas‹ Sa 29.1., So 30.1. / 20 Uhr / Philharmonie Beethoven Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur Berlioz Ouvertüre zur Oper ›Les francs-juges‹ Schubert Symphonie Nr. 8 ›Große C-Dur‹ Schumann Klavierkonzert a-Moll MAXIM EMELYANYCHEV Beethoven Symphonie Nr. 3 Es-Dur ›Eroica‹ Francesco Piemontesi – Klavier ROBIN TICCIATI Leif Ove Andsnes – Klavier
28 Konzertkalender 29 Februar Fr 25.2. / 22 Uhr / Kunstgewerbemuseum Kammerkonzert ›Notturno‹ Korngold, Zemlinsky ENSEMBLE DES DSO Sa 5.2. – Sa 12.2. Kamila Glass – Violine Jubiläumstournee ›75 Jahre DSO‹ Leslie Riva-Ruppert – Violoncello mit Konzerten in Friedrichshafen, Dortmund, Köln, Anna Kirichenko – Klavier Budapest, Eindhoven, Amsterdam und Paris Einlass 20.45 Uhr, Kurzführung 21 Uhr ROBIN TICCIATI Leif Ove Andsnes – Klavier März Mehr unter → dso-berlin.de/gastspiele (Auswahl) Fr 18.2. / 20.30 Uhr / Philharmonie Casual Concert Mozart Symphonie Nr. 1 Es-Dur So 6.3. / 20 Uhr / Philharmonie Beethoven Symphonie Nr. 1 C-Dur Korngold Symphonie Fis-Dur CORNELIUS MEISTER Korngold Thema aus der Filmmusik zu ›Kings Row‹ Im Anschluss Casual Concert Lounge mit Live Act und DJ Kaper Ouvertüre zu ›Mutiny on the Bounty‹ Rózsa ›The Love of the Princess‹ aus der Filmmusik Sa 19.2. / 20 Uhr / Philharmonie zu ›The Thief of Baghdad‹ Haydn Symphonie Nr. 1 D-Dur Herrmann Suite aus der Filmmusik zu ›Psycho‹ Mozart Symphonie Nr. 1 Es-Dur Steiner Suite aus der Filmmusik zu Bruch Violinkonzert Nr. 1 g-Moll ›Gone with the Wind‹ Beethoven Symphonie Nr. 1 C-Dur JOHN WILSON CORNELIUS MEISTER Augustin Hadelich – Violine So 20.3. / 20 Uhr / Philharmonie Zimmer Suite aus der Musik zu ›Batman‹-Filmen Do 24.2. / 20 Uhr / Philharmonie Eötvös ›The Gliding of the Eagle in the Skies‹ Dutilleux ›Métaboles‹ Bartók ›Herzog Blaubarts Burg‹ – Ravel Klavierkonzert G-Dur Oper in einem Akt (konzertante Aufführung) Kodály ›Tänze aus Galánta‹ ROBIN TICCIATI Strawinsky Suite ›Der Feuervogel‹ (Fassung 1919) Karen Cargill – Mezzosopran LIONEL BRINGUIER Matthias Goerne – Bariton Lise de la Salle – Klavier David Nathan – Sprecher
Kammerkonzert 31 Fr 7.1. Kammermusik vom Duo zum Quartett Im Heimathafen Neu- kölln, dessen bunte Ver- gangenheit als Ballsaal im Rixdorfer Vergnü- gungsviertel der Grün- derzeit sich bis heute in der Offenheit seiner Kul- turangebote spiegelt, ge- stalten die DSO-Stimm- führer*innen Gergely Bodoky (Flöte), Viola Wilmsen (Oboe), Mischa Meyer (Violoncello) ge- Viola Wilmsen meinsam mit dem Pianis- ten Oliver Triendl ein Kammerkonzert am 7. Januar. Es ist der Musik von Komponistinnen gewidmet, die trotz großer Erfolge zu Lebzeiten von der Nachwelt nahezu vergessen wurden. Von der Chopin-Schülerin Marie de Grandval, die vor allem mit Opern reüssierte, diese als Angehörige des Adels aber unter (weiblichen) Pseudonymen veröffentlichte. Von Clara Schumann, deren kompositorisches Schaffen lan- ge im Schatten ihrer pianistischen Weltkarriere stand. Von Dora Pejačević, deren wichtigste Werke während des Ers- ten Weltkriegs in Kroatien entstanden, und von Marcelle de Manziarly, deren Œuvre im Impressionismus wurzelt. Von Isidora Žebeljan, der wohl bedeutendsten, im vergangenen Der Perfekte Ein- oder Ausklang Jahr verstorbenen Gegenwartstonsetzerin Serbiens. Und ist 3 Minuten von der Philharmonie Entfernt. schließlich von Ethel Smyth, deren ›March of Women‹ 1911 zur Hymne der englischen Frauenbewegung erkoren wurde und dem Konzert seinen Titel verleiht. QIU Lounge im the Mandala Hotel am Potsdamer Platz Konzertkalender S. 26 Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00 | www.qiu.de
Emelyanychev / Piemontesi 33 Do 13.1. Maxim Emelyanychev Ewiger Jugendkeim »Die Symphonie hat denn unter uns gewirkt, wie nach den Beethoven’schen keine noch. Künstler und Kunst- freunde vereinigten sich zu ihrem Preise, und vom Meister, der sie auf das Sorgfältigste einstudirt, daß es prächtig zu vernehmen war, hörte ich einige Worte sprechen, die ich Schubert’en hätte bringen mögen, als vielleicht höchste Freudenbotschaft für ihn. Jahre werden vielleicht hingehen, ehe sie sich in Deutschland heimisch gemacht hat; daß sie vergessen, übersehen werde, ist kein Bangen da; sie trägt den ewigen Ju- gendkeim in sich.« Freudeschauernd Mit seinem Urteil über Schuberts Große C-Dur-Sym- phonie, das Robert Schumann in seiner ›Neuen Zeit- schrift für Musik‹ über die Aufnahme des Werks nach der Leipziger Uraufführung durch Felix Mendelssohn Bartholdy am 21. März 1839 fällte, sollte er recht be- halten. Schumann selbst war auf die nachgelassene »Große« bei einem Wien-Besuch von Schuberts Bru- der Ferdinand aufmerksam gemacht worden. Dieser »liess mich auch von den Schätzen sehen, die sich noch von Franz Sch.’s Compositionen in seinen Hän- den befinden. Der Reichthum, der hier aufgehäuft lag, machte mich freudeschauernd; wo zuerst hingreifen, wo aufhören! Unter andern wies er mir die Partituren mehrerer Symphonien, von denen viele noch gar nicht
34 Emelyanychev / Piemontesi 35 gehört worden sind, ja oft vorgenommen, als zu schwierig auf die Bühne des DSO zurückkehrt. Mit Musik von Mozart, und schwülstig zurückgelegt wurden.« Liszt und Strauss hat er bereits dreimal als äußerst vielsei- tiger Solist das Publikum für sich eingenommen und wurde Tatsächlich hatte der Liederkomponist Schubert nie eine dabei für seine »gestalterische Intelligenz und kultivierte Aufführung einer seiner Symphonien erleben dürfen. Auch Klangschönheit« (Morgenpost) gepriesen. die ›Große C-Dur‹ trat erst elf Jahre nach seinem Tod von Leipzig aus ihren langsamen Siegeszug durch die Musikwelt an – ob- »Hier ist, außer meisterlicher musikalischer Technik gleich es, wie man heute weiß, bereits 1829 der Composition, noch Leben in allen Fasern, Colorit eine Wiener Uraufführung gegeben haben bis in die feinste Abstufung, Bedeutung überall muss. Was dort ohne Folgen blieb, sorgte […], und über das Ganze endlich eine Romantik 1839 in Leipzig sofort für Begeisterung; al- ausgegossen, wie man sie schon anderswoher an lein bis 1850 stand die Achte – wie man sie Franz Schubert kennt.« inzwischen einsortiert – ein Dutzend Mal Robert Schumann auf den Spielplänen des Gewandhausor- chesters. Heute gehört sie, als eine der ersten romantischen Symphonien, mit ihrer »himmlischen In seinem selbstbewussten C-Dur-Konzert hat sich der Länge« (Schumann) fest zum Konzertkanon. kraftstrotzende, brillante Klaviervirtuose manifestiert, als der Beethoven in seinen ersten Wiener Jahren die Musikwelt Großer Spaß an der Donau eroberte – aber auch schon der Komponist mit Das besagte Leipziger Konzert konnte neben der Schu- der eigenen Stimme, der mit einer umfangreicheren, sym- bert’schen auch noch mit einer weiteren Erstaufführung phonisch angelegten Orchesterbesetzung, thematischen aufwarten – der Ouvertüre zu Victor Hugos Tragödie ›Ruy Satzverknüpfungen und einer kontrastreichen Musikspra- Blas‹, die Mendelssohn in nur drei Tagen für die Leipziger che über die in Wien noch überaus präsenten Vorbilder aus Premiere im März 1839 geschrieben hatte. Auch wenn der Mozart’scher Feder hinauswies. Eine erste Fassung präsen- Komponist das »infame [Theater]Stück« selbst verabscheu- tierte er wohl bereits 1795, doch fünf weitere Jahre sollten te, hatte er an seiner leichten und eleganten Musik einen vergehen, bis er die finale Gestalt dieses effektvollen, ein- »großen Spaß«, der sich bis in unsere Tage ganz unmittelbar fallsreichen und zugleich hochmusikalischen Concertos als auf das Publikum überträgt. abgeschlossen betrachtete. Es hat sich gelohnt. Mit Wumms und Brillanz CHRISTOPH EVERSMEYER Mit diesen beiden Werken setzt der russische Dirigent Maxim Emelyanyachev → S. 4 den Rahmen des Konzerts am 13. Ja- nuar. Im Zentrum des Programms steht mit Beethovens Ers- tem Klavierkonzert ein weiteres Wiener Werk, mit dem der Schweizer, in Berlin lebende Pianist Francesco Piemontesi Konzertkalender S. 26
Notturno 37 Fr 25.2. Kammermusik im Kunstgewerbemuseum Das zweite Konzert der zwölften ›Notturno‹-Saison, die das DSO partnerschaftlich mit der Stiftung Preußischer Kultur- besitz veranstaltet, findet am 25. Februar im Kunstgewer- bemuseum am Kulturforum statt und ist dem Komponisten Erich Wolfgang Korngold gewidmet, dessen Geburtstag sich wenige Wochen später zum 125. Mal jährt. Das Padma Trio aus Kamila Glass (Violine), Leslie Riva-Rup- pert (Violoncello) und Anna Kirichenko (Klavier) stellt in einem Wiener Programm dem frühreifen, klangsüffigen D-Dur-Klaviertrio des damals gerade einmal 13-jährigen Wunderkindes das d-Moll-Trio seines Lehrers Alexander Zemlinsky gegenüber. Noch mehr Korngold gibt es dann be- reits eine gute Woche später zu hören: John Wilson dirigiert am 6. März in der Philharmonie ein Hollywood-Programm, u. a. mit Korngolds Filmmusik zu ›Kings Row‹ und der späten Fis-Dur-Symphonie von 1947. Konzertkalender S. 29
Günter Wand 39 9.4.1996 Günter Wand Der erste Ehrendirigent Am 9. April 1996 stand Günter Wand, seit drei Jahren Erster Gastdirigent des DSO, am Pult des Orchesters in der Berliner Philharmonie. Aufs Programm hatte er Symphonien von Beethoven und Brahms gesetzt, zwei seiner Hausgötter. Es war der letzte von drei aufeinanderfolgenden Kon- zertabenden, die zugleich das Ende einer triumphalen Zu- sammenarbeit bedeuten sollten. Kurz darauf ernannte das Orchester Günter Wand zu seinem ersten Ehrendirigenten – ein Titel, der außer ihm bislang nur, zehn Jahre später, Kent Nagano verliehen wurde. Wand war bereits 71 Jahre alt, als er das DSO erstmals di- rigierte – und hatte doch den Zenit seiner musikalischen Karriere noch vor sich. Dem späten Ruhm als international begehrte Künstlerpersönlichkeit ging eine klassische Ka- pellmeisterlaufbahn voraus. 1912 in Elberfeld bei Wupper- tal geboren, sammelte Wand erste Erfahrungen an kleinen Bühnen in seiner Heimatstadt, in Allenstein und später in Detmold mit der Leitung von Opern und Operetten. 1939 wurde er zum Ersten Kapellmeister an das Kölner Opern- haus berufen, wo man ihn nach dem Krieg mit dem Wie- deraufbau des Musikbetriebs beauftragte. Ein Jahr später ernannte ihn die Stadt Köln zum Generalmusikdirektor, kurz darauf zum Leiter des traditionsreichen Gürzenich-Orches- ters. Dieses entwickelte sich in den fast 30 Jahren unter Wands Ägide zu einem formidablen Klangkörper.
40 Günter Wand 41 Später Ruhm Seit den Nachkriegsjahren erarbeitete sich Wand das gro- ße klassisch-romantische Repertoire und etablierte sich zu- gleich als ein emphatischer Fürsprecher neuer Musik, der nicht nur die Klassiker der Moderne zurück ins Konzertleben holte, sondern auch für eine Vielzahl an Ur- und Erstauf- führungen unter anderem von Werken Bernd Alois Zimmer- manns, Wolfgang Fortners oder Olivier Messiaens verant- wortlich zeichnete. Wand weckte zunehmend Interesse und erhielt Einladungen nach Berlin, München, Paris, Chicago und Tokio, von der BBC und den deutschen Rundfunkor- chestern. Bereits 1959 wurde er als erster westdeutscher Dirigent zu Konzerten in die damalige Sowjetunion einge- laden. Sein Sprung an die Weltspitze gelang ihm mit den ab 1977 erschienenen Gesamtaufnahmen der Symphonien Bruckners und Schuberts am Pult des Kölner Rundfunk- Sinfonie-Orchesters (heute WDR Sinfonieorchester). Als 70-Jähriger übernahm er die Chef-Position beim NDR-Sin- fonieorchester, dem er nach Ende seiner legendären Amts- zeit bis zuletzt als Ehrendirigent verbunden blieb. Günter Wand Berliner Triumphe wurde vom RIAS und dem SFB aufgezeichnet. Sie liegen Günter Wand leitete sein erstes Konzert beim DSO, das da- heute gesammelt in zwei preisgekrönten Editionen vor, die mals noch Radio-Symphonie-Orchester Berlin hieß, im April von Profil Hänssler zwischen 2009 und 2012 herausgege- 1983. Gespielt wurde Bruckners Fünfte, Wands »Schick- ben wurden. Die Aufnahmen dokumentieren die Arbeit eines sals-Symphonie«, an die sich der Dirigent erst im hohen Alter Dirigenten, der sich als Anwalt der Partitur verstand und heranwagte und deren Aufnahme wenige Jahre zuvor seinen mit großer Hingabe danach strebte, seinem Publikum die Spätruhm mitbegründet hatte. Von da an hielt er regelmäßig Idee eines Werkes zu vermitteln. Obwohl geistig durchdrun- Verbindung nach Berlin. Mit fast 20 Programmen stand er gen, waren seine Lesarten keineswegs prätentiös – akri- bis 1996 am Pult des DSO, zu stets umjubelten Konzerten bisch, aber stets beseelt. Seine Interpretationen haben neue und vor allem mit den programmatischen Schwergewichten Maßstäbe gesetzt, seine Konzerte dem Berliner Musikleben Beethoven, Brahms, Bruckner und Schubert. Glanzstunden beschert. Günter Wand starb 2002 im Alter von 90 Jahren in seinem Schweizer Wohnsitz in Ulmiz. Die meisten der von ihm geleiteten Konzerte – aber auch öffentliche Proben im Rahmen der ›Werkstatt‹-Reihe, die DANIEL KNAACK das DSO in Zusammenarbeit mit dem RIAS veranstaltete –
42 Meister / Hadelich 43 Fr 18.2. / Sa 19.2. Cornelius Meister Erstlinge allenthalben »Papa Haydn« heißt es immer so schön. Das bedeutet also: Joseph Haydn, der Vater der Symphonie? Ja und nein! Die Symphonie gab es schon vor Haydn, zunächst als Sinfonia, als Ouvertüre der italienischen Oper. Diese Vorspiele waren derart beliebt, dass sie auch konzertant, unabhängig von der jeweiligen Oper aufgeführt wurden. Aus dieser Praxis ent- standen eigenständige Stücke. Haydn entwickelte aus den vorgefundenen Modellen im Laufe seiner Karriere bestimm- te formale und inhaltliche Standards, die das ausmachen, was wir heute unter der klassischen Symphonie verstehen. Und: Er wertete mit unerschöpflichem Einfallsreichtum die Symphonie, die vorher neben Serenaden oder Divertimenti bloß eine instrumentale Gattung unter vielen war, qualitativ auf und machte sie so zu einem charakteristischen Schwer- gewicht. Die Symphonie erhielt damit nahezu das Prestige einer Oper. Künstlerische Visitenkarte Davon war Haydn allerdings noch weit entfernt, als er mit 25 Jahren 1857 seine erste Symphonie schrieb. Sie entstand wahrscheinlich in Böhmen, auf Schloss Lukavec bei Pilsen, der Sommerresidenz der Grafen Morzin. Haydn war in gräfli- chen Diensten gerade mit seiner ersten Musikdirektoren- position betraut worden. Sein relativ kurzer symphonischer Erstling diente als künstlerische Visitenkarte: Der junge Mu- sikdirektor stellt sein Können unter Beweis – mit einer Fülle an Ideen, die kontrastreich inszeniert sind.
44 Meister / Hadelich 45 Der erste Versuch auf dem Gebiet der Symphonie von Wolf- gang Amadeus Mozart entstand auf Reisen. Sein ehrgeizi- ger Vater Leopold präsentierte das Wunderkind europaweit, 1763 ging es für eine dreijährige Tournee los, »Wolferl« war damals gerade einmal sieben Jahre alt. In dieser Zeit hat er seine Erste Symphonie geschrieben – spielerisches, un- bekümmertes Ausprobieren. Die musikalischen Konventio- nen, Traditionen und Klischees, die er auf den Reisen aufsog, spiegeln sich darin wieder. »Finden Sie nicht, dass es eigentlich sehr verwegen ist, ein Violin-Concert zu schreiben?« Max Bruch an seinen Lehrer Ferdinand Hiller 1865 Augustin Hadelich Als Ludwig van Beethoven im Jahr 1800 mit 30 Jahren sei- genden Voraufführung 1866 in Koblenz, wo der 28-jährige ne Erste Symphonie präsentierte, waren die Verhältnisse Bruch Kapellmeister war, wandte er sich ratsuchend an den völlig andere: Haydn und Mozart hatten inzwischen mus- Geigenvirtuosen Joseph Joachim. Dessen Expertise verhalf tergültige Beispiele für die Gattung vorgelegt. Das Modell dem Komponisten, der bis dahin relativ unerfahren mit den war praktisch ausgereift. Was konnte Beethoven hier noch Spieltechniken und Klangwirkungen der Violine war, auf die Nennenswertes hinzufügen? Die Lösung: Er gibt den jungen Sprünge. Dass dieses Konzert einmal sein populärstes Werk Wilden, spielt mit den Standards, verhält sich kritisch und werden würde, konnte Bruch damals nicht ahnen. dekonstruiert mitunter das, was seine Vorgänger hervorge- bracht haben. Zu den kompositorischen Debüts in diesem Programm ge- sellt sich ein weiteres: Endlich gastiert Augustin Hadelich Verflucht schwere Sache beim DSO. Der Stargeiger, der mit seinem erstaunlich Max Bruch wiederum hatte mit ganz anderen Herausfor- wandelbaren Ton auf kluge Dramaturgie setzt, dürfte auch derungen bei einem Erstling zu kämpfen: »Eine verflucht Bruchs berühmtem Werk eine unverwechselbare Note ver- schwere Sache« sei die Komposition von Violinkonzerten, leihen. Am Dirigentenpult steht mit Cornelius Meister ein klagte Max Bruch, »ich habe von 1864–68 mein Concert gern gesehener Gast des DSO, der hier zuletzt 2017 mit gewiss ein halb Dutzendmal wieder umgeworfen u. mit x Gustav Mahlers Dritter Symphonie überzeugte. Geigern conferirt, bevor es endlich die Form gewonnen hat, in der es nun allgemein bekannt ist«. Erschwerend ECKHARD WEBER kam hinzu, dass diese Komposition zugleich auch Bruchs erstes großes Orchesterwerk war. Nach einer unbefriedi- Konzertkalender S. 28
46 Casual Concert Impressum 47 Momente eines Livekonzerts Entdecke unseren neuen Instagram-Filter und teile deine ganz persönlichen Konzerteindrücke. Verlinke @dsoberlin, und wir teilen deinen Post in unserer Story. Fr 18.2. Casual Concert mit Cornelius Meister Impressum Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Das Deutsche Symphonie- Die Ersten Symphonien von Mozart und Beethoven sind Interim-Management Orchester Berlin ist ein auch schon einen Tag vor dem Symphoniekonzert im Casual Benjamin Dries (V. i. S. d. P.), Thomas Schmidt-Ott Ensemble der Rundfunk Concert zu erleben. Das offene, populäre und moderierte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Orchester und Chöre Konzertformat gehört seit 2007 zu den Markenzeichen des Daniel Knaack GmbH Berlin. DSO. Alle Karten sind gleich günstig und der Dresscode ist Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Daniel Knaack Geschäftsführer casual. Bereits zum vierten Mal steht dabei Cornelius Meis- Anselm Rose Marketing Tim Bartholomäus ter – nach Stationen in Heidelberg und Wien nunmehr Ge- Art- und Fotodirektion Stan Hema Gesellschafter neralmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart – am Pult. Der Layout und Satz peick kommunikationsdesign Deutschlandradio, für seine Musikvermittlungsarbeit vielfach ausgezeichnete Redaktionsschluss 30.11.2021, Bundesrepublik Änderungen vorbehalten Deutschland, Dirigent versteht sich als »Künstler mit Bildungsauftrag« Land Berlin, Rundfunk und wird dem Publikum mit dem Mikrofon in der Hand und © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2021 Berlin-Brandenburg unter Einsatz live gespielter Beispiele außergewöhnliche Einblicke in die Werke eröffnen. Wenn sie dann schließlich Abbildungen / Fotos im Gesamtzusammenhang erklingen, kann man sie durch- Jörg Brüggemann / Ostkreuz (S. 1), Elena Belova (S. 4), Archiv DSO aus mit neuen Ohren hören. (S. 10, 11, Autogramm S. 48), janis – stock.adobe.com (S. 12), Camille Blake (S. 14), Gregor Hohenberg (S. 16), Marc Oliver LeBlanc (S. 19), Simon Pauly (S. 20), Stéphane Gallois (S. 23), Hans Roggen (S. 24), Peter Adamik (S. 31), Marco Borggreve (S. 32, 43, 46), Achim Kleuker (S. 37), Klaus Hennig / BMG Classics (S. 38), Monkebild / BMG (S. 41), Rosalie O’Connor (S. 45), RIAS Konzertkalender S. 28 Berlin, lizensiert durch Deutschlandradio (S. 48), Roncalli (S. 51)
Jessye Norman 49 30.1.1969 Jessye Norman beim DSO Dass bei ›RIAS stellt vor‹ nicht selten Weltkarrie- ren beginnen, hat die Reihe von Anfang an unter Beweis gestellt. So war es auch am 30. Januar 1969, als sich die 23-jährige US-amerikanische Sängerin Jessye Norman, die vier Monate vor- her – gerade frisch von der Hochschule kommend – in München den Ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb gewonnen hatte, an der Seite des DSO dem Berliner Pu- blikum vorstellte. »In zwei großen Lamento liebender und verlassener Frauen aus Purcells ›Dido und Aeneas« und Mascagnis ›Cavalleria‹ zeigte sie die Ausdrucksbreite ihres Soprans«, urteilte der Tagesspiegel. »Die strömende Fülle und tragische Eindringlichkeit besonders ihrer Santuzza riss zu minutenlangen Beifallsstürmen hin.« Die Morgen- post orakelte, »es sollte uns nicht wundern, wenn Jessye Norman demnächst mit einer der großen Wagner-Partien Furore machte«, und hatte recht: Schon im Dezember gab sie mit der Elisabeth ihr ›Tannhäuser‹-Debüt, das in einen Vierjahresvertrag an der Deutschen Oper mündete. Im März 1970 war Jessye Norman als Solistin einer Rossini- Messe ein weiteres Mal an der Seite des Orchesters zu erleben, bevor sie die großen Opern- und Konzertbühnen eroberte und zum Weltstar wurde. Am 4. Juli 1999, 30 Jah- re nach ihrem Berliner Debüt, kehrte die »Zauberin« (Ta- gesspiegel) unter der Leitung von Andrey Boreyko zum Or- chester zurück, bei einem Konzert zum 50. Jahrestag der Luftbrücke. Diesmal mit amerikanischem Repertoire, Songs von Gershwin. »Die Hauptstädter«, berichtete der Tages- spiegel, »verwandelten die ehrwürdige Philharmonie in ein Tollhaus.« Im September 2019 ist mit Jessye Norman, die sich intensiv auch für afroamerikanische, soziale und kul- turelle Belange einsetzte, eine der größten Stimmen des 20. Jahrhunderts verstummt.
50 Neujahrskonzert 51 Sa 1.1. James Gaffigan Erfolgscocktail zu Neujahr Man nehme: ein Spitzenorchester, die weltbesten Mane- genkünstler, vermenge großartige Musik, atemberauben- de Akrobatik, Hochspannung und atemloses Staunen mit- einander, schüttle einmal kräftig durch – heraus kommt das Erfolgsrezept für den Silvestercocktail, den das DSO und der Circus Roncalli seit 2003 gemeinsam im Tempo- drom servieren. Auch 2022 ist er am Neujahrstag um 18 Uhr ein weiteres Mal zu genießen. Am Pult steht James Gaffigan, neuer Chefdirigent des Orquestra de la Commu- nidad Valenciana, als Solistin bringt Jess Gillam – mit ih- rem Saxophon in der Klassikwelt eine Ausnahmeerschei- nung – mitreißendes Temperament und beeindruckendes Talent in das Gesamtkunstwerk ein. Unter den Leserinnen und Lesern der DSO-Nachrichten verlosen wir 2 x 2 Freikarten für das Neujahrskonzert. Beantworten Sie dazu einfach folgende Frage: Seit wann verzichtet der Circus Roncalli auf die Tierdressur? Bitte schicken Sie Ihre Antwort bis zum 29. Dezember mit der Betreffzeile »Neujahrsverlosung« und Ihrem Namen per E-Mail an → verlosung @dso-berlin.de. Die Gewinner*innen werden per Los gezogen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Konzertkalender S. 26
Tickets Besucherservice des DSO Charlottenstraße 56, 2. OG 10117 Berlin, am Gendarmenmarkt Mo bis Fr 9–18 Uhr T 030 20 29 87 11 → tickets@dso-berlin.de → dso-berlin.de Ein Ensemble der
Sie können auch lesen