125 Jahre 3/2008 - Stadt Dortmund
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3/2008 € 4,00 Stadtgeschichte in Bildern und Berichten 125 Jahre Museum für Kunst und Kulturgeschichte Stadt Dortmund Kulturbetriebe Zeitschrift des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. in Verbindung mit dem Stadtarchiv Dortmund
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, Täuscht Euch nicht, Mitbürger, das Museum ist keine oberflächliche Ansammlung von Luxusgegenständen oder Frivolitäten, die nur der Befriedigung der Neugier dienen soll. Es muss eine Ehrfurcht gebietende Schule werden. Dies stellte schon vor mehr als 200 Jahren der Revolutionär, Künstler und Museumsgründer Jacques Louis David in Paris fest. An anderer Stelle wurde die Überlegung zur Schaffung einer solchen Sammelstelle durch die Entdeckung eines mittelalterlichen Schatzfundes angestoßen. Das so entstandene älteste kulturge- schichtliche Museum des Ruhrgebietes steht in Dortmund und feiert ein Jubiläum, konkret gesagt, das Museum für Kunst und Kulturgeschichte begeht seinen 125sten Geburtstag. Zur Erinnerung: Am 25. Juni 1883 beschloss der Magistrat der Stadt Dortmund die Einrichtung eines städtischen Museums. Dazu kommen noch zwei weitere Geburtstagsfeiern im engen Zusammenhang: 25 Jahre Standort Hansastraße im histo- rischen Gebäude der ehemaligen Sparkasse – die Eröffnung fand im November 1983 – statt und 100 Jahre Dortmunder Museumsgesellschaft zur Pflege der bildenden Kunst e.V. als Förderverein des Museums. Dieses Themenheft behandelt die wechselvolle und vielseitige Geschichte dieses Kulturinstituts, das durch eine Initiative von geschichtsbewussten Bürgern geschaffen wurde, mit der Absicht, Objekte der Stadtgeschichte zu sammeln und zu bewahren um sie der Bürgerschaft zu erhalten. Es entstand bald ein Museum mit vielen Facetten und Schwerpunkten, die sich zu eigenen Sammlungsabteilungen entwickel- ten. Unter dem persönlichen Einsatz des rührigen ersten hauptamtlichen Direktors Albert Baum formten sich diese Abteilungen und erhielten ein eigenes Profil. Durch seine Aktionen, die aus heutiger Sicht unge- wöhnlich anmuten, akquirierte er die Sammlungsobjekte. Auch waren die Wege der Finanzierung unüb- lich. Oft stand er mit seinem persönlichen Vermögen ein, gewann anschließend mühevoll Paten und Mä- zene für die einzelnen Ausstellungsgegenstände. Mit eigenen Ausgrabungen im gesamten westfälischen Umland legte er den Grundstock für eine außerordentliche archäologische Sammlung. Seine Nachfolger setzten eigene Schwerpunkte und folgten anderen fachlichen Interessen, bauten aber alle auf dem ur- sprünglichen Fundament und entwickelten das darauf stehende Gebäude, das unter einem Dach gleichsam fünf Museen vereint. In 13 Berichten und Aufsätzen wird die Entwicklung dieser verschiedenen Sammlungsbereiche doku- mentiert von der Archäologie, der Stadtgeschichte, des Kunstgewerbes über die Kunst und Kulturgeschich- te bis hin zum modernen Design und der Vermessungsgeschichte. Es werden die vielen Standortwechsel erläutert, die das Museum durchmachte und Persönlichkeiten vorgestellt, die das Haus und seine Tochter- institutionen geleitet haben. Aber auch der aktuelle Stand des MKK mit seinen letzten Umgestaltungen und Baumaßnahmen wird nachvollziehbar. Begleiten Sie die Autoren auf ihrer Zeitreise, und entdecken Sie auch vor Ort die vielen Facetten des Museums: Geburtstag gefeiert wird am 17. August mit einem bunten Jubiläumsprogramm zum Tag der offenen Tür, zu dem alle Bürger herzlich eingeladen sind. Ich danke dem Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Wolfgang E. Weick und seinen festangestellten und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die interessanten Beiträge, mit denen der Hintergrund des MKK für Sie meine Damen und Herren erfahrbar gemacht wird. Dieses große Spek- trum von Forschungsgeschichte, Reportagen, Anekdoten und Geschichtsdaten zusammenzutragen, zu re- digieren und in diese Form zu bringen, oblag dem Redaktionsteam Dr. Brigitte Buberl und Dr. Ulrike Gärt- ner, denen für das Ergebnis herzlich zu danken ist. Dr. Theo Horstmann Vorsitzender des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark
Inhalt Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? „Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine selbstbewusste Stadt um 1900 3 Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zur Neukonzeption des Museums für Kunst und Kulturgeschichte der achtziger Jahre Die Muse ist in Dortmund von Ottfried Dascher von Jörn Christiansen auf dem Hund? Archäologie im Museum für Kunst und Kulturgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Messen, Rechnen, Zeichnen . . . . . . . . . . . . . . . 46 Geschichte der Vermessungskunst Eine selbstbewusste Stadt um 1900 Geschichte, Fakten und Personen von Manfred Gombel und Ingo von Stillfried von Karl Heinrich Deutmann von Ottfried Dascher Lernen als lustvolles Erlebnis . . . . . . . . . . . . . 49 Seine große Liebe – Albert Baum und Leicht, nicht seicht: das Museum als Erlebnisort Ein Bürger der Reichs- und Hansestadt deren Gesellschaft zurechtfinden kön- kanerkloster wären ihm vertraut gewe- das Städtische Museum in Dortmund . . . . . . . 15 aus Sicht des Museumspädagogen Dortmund aus dem Jahre 1500 im Über- nen. Der mittelalterliche Befestigungs- sen. Er hätte sich mit Sicherheit gewun- von Brigitte Buberl von Rüdiger Wulf gang vom Mittelalter zur Neuzeit hätte ring, das Straßennetz, das Rathaus, die dert über die auf weniger als die Hälfte noch 300 Jahre später, das heißt in der Kirchen St. Reinoldi und St. Marien, geschrumpfte Bevölkerung, und er hät- Umbruchphase um 1800, seine Vater- St. Nicolai und St. Petri, die Gebäude von te schon gar nicht verstanden, wie man Baumeister, Blocherer, Böckstiegel . . . . . . . . . 22 Lernort Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 stadt wiedererkannt und sich auch in Katharinen-, Franziskaner- und Domini- die Befestigungsanlagen so verfallen Liste der 1937 in Dortmund von Ingo Fiedler lassen konnte. Dunkel erinnerte er sich beschlagnahmten Kunstwerke an eine in seiner Jugend geläufige Re- von Ulrike Gärtner densart so fast as Düopm. Hätte er dann Museum für Kunst und Kulturgeschichte wenige Jahre später, 1803, an der Straße 1988-2008. Ein Tätigkeitsbericht . . . . . . . . . . . 56 gestanden und die Glocken läuten hören, Dr. Leonie Reygers von Wolfgang E. Weick die das Ende der Dortmunder Reichsfrei- und die Notjahre des Museums . . . . . . . . . . . . 25 heit bedeuteten, dann wäre es ihm viel- von Gisela Framke leicht wie anderen verständigen Bürgern Kunst und Kultur gehören zur ergangen, von denen der Chronist Beur- Bildung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 haus zu berichten wusste, sie hätten Sommer auf Cappenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 100 Jahre Museumsgesellschaft zur Pflege über das Ende dieser Freiheit und des Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte der bildenden Kunst e.V. Dortmunder Glücks geweint. der Stadt Dortmund in Schloss Cappenberg von Nadine Albach Wäre dieser Mann nur 100 Jahre spä- von Wingolf Lehnemann ter nach Dortmund gekommen, hätte er an einer jener lärmenden Silvesterfeiern teilgenommen, die ein glückliches 20. Umbau der Stadtsparkasse Autorinnen und Autoren des Heftes Jahrhundert und für Dortmund goldene an der Hansastraße zum Jahre einzuläuten schienen, wäre er Museum für Kunst und Kulturgeschichte . . . 35 Nadine Albach, Redakteurin der Westfälischen Rundschau wahrscheinlich in den Zustand einer Dr. Brigitte Buberl, Kunsthistorikerin, Museum für Kunst von Gabriele Podschadli geistigen Verwirrung verfallen. Die in- und Kulturgeschichte, Dortmund Prof. Dr. Jörn Christiansen, Ltd. Museumsdirektor a.D. dustrielle Revolution hatte Dortmund des Focke-Museums, Bremer Landesmuseum für Kunst und und die Lebensweise der Menschen irre- versibel verändert. Impressum Kulturgeschichte, Bremen Prof. Dr. Ottfried Dascher, Ltd. Staatsarchivdirektor a.D. HEIMAT DORTMUND des NRW Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, Dortmund Dortmund um 1900 Stadtgeschichte in Bildern und Berichten Karl Heiner Deutmann M.A., Leiter der archäologischen Sammlungen des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Orientierungsprobleme hatte indes Herausgeber: Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft und des Museums Adlerturm, Dortmund nicht nur unser wackerer Dortmunder Mark e. V. unter Mitwirkung des Stadtarchivs Dr. Gisela Framke, stellv. Museumsdirektorin des Museums Geschäftsstelle: Christel Glasen, Märkische Str. 14, Zim. 407, aus dem späten Mittelalter. Auch die für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund Zeitgenossen rieben sich die Augen, hat- Tel.: 0231/50-23690; Fax: 0231/50-26011 Inhaltliche Gesamtkonzeption, Koordinierung, Text- und Bildredaktion: Dr. Ulrike Gärtner, Kunsthistorikerin, Dortmund ten Schwierigkeiten, ihre Stadt wieder- Dr. Brigitte Buberl, Dr. Ulrike Gärtner Manfred Gombel, Förderkreis vermessungstechnisches zuerkennen. Erinnern wir uns: Die ehe- Redaktion: Achim Nöllenheidt, Klartext Verlag, Heßlerstraße 37, Museum, Kurator der Instrumentensammlung, Dortmund 45329 Essen, Tel.: 0201/86206-51; Fax: 0201/86206-22 Dr. Ingo Fiedler, Lehrer, Stadtheimatpfleger Dortmund mals stolze Reichs- und Hansestadt Anzeigen und Vertrieb: Guido Kania, Klartext Verlag, Dr. Wingolf Lehnemann, Museumsleiter des Museums zahlte spätestens seit 1600 für die Be- Heßlerstraße 37, 45329 Essen, Tel.: 0201/86206-30; Fax: 0201/86206-22 der Stadt Lünen wahrung ihrer politischen Selbständig- Gesamtherstellung: Klartext Verlag, Essen keit als einzige Reichsstadt in Westfalen Die Zeitschrift erscheint dreimal jährlich. Das Einzelheft kostet Dipl.-Ing. Gabriele Podschadli, wissenschaftliche Referentin € 4,00; das Jahresabonnement € 12,00 inkl. Versandkosten. beim LWL- Amt für Denkmalpflege in Westfalen, Münster und als eine von nur drei Reichsstädten ISSN 0932-9757 Ingo von Stillfried, stellv. Leiter des Vermessungs- und neben Köln und Aachen im deutschen Umschlagabbildung vorne: Katasteramt Dortmund, Förderkreis vermessungstechnisches Nordwesten einen hohen Preis. Durch Das Portal des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Museum, Kurator der Instrumentensammlung, Dortmund Brandenburg-Preußen war sie von ihrem (Madeleine-Annette Albrecht, Museum für Kunst und Kulturgeschichte) Wolfgang E. Weick, Ltd. Städt. Museumsdirektor traditionellen Einzugsgebiet, dem Mär- Umschlagabbildungen hinten: des Museums für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte bei Festbeleuchtung Rüdiger Wulf, Leiter der Abt. Museumspädagogik des (Karin Hessmann, Dortmund) Altes Rathaus in Dortmund, 1899 Museums für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund (Museum für Kunst und Kulturgeschichte)
Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? kischen Sauerland und seinem Metallge- chen Richter, der große Journalist des vornehmlich aus städtischen Mitteln werbe, abgeschnürt worden, und der Generalanzeigers, der uns bei unserem finanziert worden. Unseren alten Dort- Dreißigjährige Krieg hatte den wirt- Gang durch das Dortmund der Jahrhun- munder hätte diese Hinwendung zur schaftlichen Schrumpfungsprozess noch dertwende als Zeitzeuge begleiten wird Reichs- und Hansetradition erfreut, die beschleunigt. Auf dem letzten Hansetag und dessen oft schmerzliche, aber im- Inszenierung des Kaiserbesuches hätte von 1669 war die Stadt nicht mehr ver- mer liebevolle Kritik ich wiederholt zi- ihn wohl eher amüsiert. In Dortmund treten. tieren werde, meinte dazu: Man konnte wie in allen anderen Großstädten des Umso erstaunlicher musste sich daher es 1890 noch gut merken, dass eine viel- Deutschen Reiches äußert sich dabei ein der Wiederaufstieg seit dem späten 18. hundertjährige Zeit der Armut die einst so zunehmend selbstbewusst gewordenes Jahrhundert ausnehmen, der die Bevöl- stolze Hansestadt niedergedrückt hatte zu Bürgertum, das sich, begünstigt durch kerungszahl der Stadt von rund 4.000 einer kleinen Landstadt. Kaum irgendwo das Dreiklassen-Wahlrecht, auch poli- Einwohnern um 1800 auf 50.000 im Jah- sah man noch ein altes Patrizierhaus, wie tisch zu artikulieren weiß. re 1873 katapultierte. 1895 überschritt man sie in Köln und Frankfurt doch so viel Oberflächlich betrachtet scheint bei Dortmund die Schwelle zur Großstadt fand; fast nichts als prunklose alte und den Themen, die die Dortmunder Öf- mit 105.200 Einwohnern. Möglich war gräulich verputzte neue Häuser! Die Ent- fentlichkeit um 1900 bewegen, eine diese Entwicklung durch die Industriali- wicklung seit der Jahrhundertmitte hat- zeitlose Aktualität zu bestehen. Be- sierung geworden, die Dortmund bis in te Defizite deutlich gemacht, und spä- schrieben wird in den phantastischen das ausgehende 19. Jahrhundert hinein testens um die Jahrhundertwende war Geschichten von Karlchen Richter ein einen Gründungsvorsprung vor allen man sich in der Öffentlichkeit einig dar- neuer See, in dem Dortmund unterge- anderen Städten des Reviers verschaffen über, dass Großstädte wie Dortmund gangen ist, aber von dem Hörde profi- sollte. Grundlagen dieser Entwicklung einen kulturellen Nachholbedarf hatten. tiert! Gefürchtet sind die Bauüberschrei- waren dabei der frühe Eisenbahnbau, Vor diesem Hintergrund muss man auch tungen des Stadtrates Kullrich: Er huldi- die Eisensteinvorkommen auf dem Ar- die Aneignung, ja die Entdeckung des gte nämlich dem ganz vernünftigen dey und natürlich die Kohle. Mittelalters sehen, die 1899 mit der Res- Grundsatz, man müsse zuerst wenig for- Dem aufmerksamen Zeitgenossen in- taurierung des Rathauses und der Eröff- dern, damit man überhaupt ans Bauen des blieb der Widerspruch zwischen der nung des Hafens erfolgt. Über die Hälfte komme. Das andere werde sich dann schon raschen Industrialisierung und dem lan- der Restaurierungskosten sind durch finden! Als das Tor zum Einkaufsparadies gen Niedergang nicht verborgen. Karl- Spenden aufgebracht, und der Hafen ist Dortmund lockt der neue Bahnhof von Blick ins Alte Rathaus, um 1900 (Museum für Kunst und Kulturgeschichte) Elektrische Straßenbahn in der Brückstraße, 1899 (Museum für Kunst und Kulturgeschichte) 1910, dem lange Jahre unsäglicher Dis- dung des Philharmonischen Vereins von warum man liebevoll vom sündigen kussionen um Umbaupläne vorausge- 1909 und der Einweihung des städ- Dortmund sprechen konnte. Viele Sport- gangen sind. Ursprünglich geplant wa- tischen Kunst- und Gewerbemuseums und Erholungsanlagen, die Dortmund ren mit einer Steigerung von 1 zu 20 im im vormaligen Gebäude des Oberberg- später so berühmt machen sollten, ge- Norden und Süden Rampen, um im amtes im Jahre 1911. Innerhalb eines hen in ihren Anfängen auf die Zeit um Bahnhofsbereich die Schienen mit einer Jahrzehnts hatte Dortmund kulturell 1900 zurück. Eine Unzahl von Sportver- Brücke zu überqueren. Ein anderer Plan aufgeholt. Nur beiläufig sei darauf ver- einen, darunter der Ballspielverein Bo- sah die Einfahrt der Züge unter der Stra- wiesen, dass sich im Dortmund der Jahr- russia von 1909, werden in jenen Jahren ßenbahn vor. Ein dritter Plan verlegte hundertwende auch ein vitales Leben gegründet. Die Vitalität der Stadt wird den Bahnhof schließlich auf den Nord- der leichten Muse äußerte. Erinnert sei man erst dann recht abschätzen können, markt. Am besten, so Karlchen Richter, an das Olympia-Theater, ein Varieté- und wenn man begreift, dass über zwei Drit- wäre es vielleicht gewesen, den Bahnhof, Operettentheater am Burgwall (1902), tel der Bevölkerung unter 30 Jahren ähnlich wie in Düsseldorf, ganz aus der das mit der Zahl seiner Plätze (1700) das (67,7 %), aber nur ein Prozent der Bevöl- Stadt heraus zu legen, aber das litten Stadttheater noch übertraf. Hier traten kerung über 70 Jahre alt sind! wieder die alten Geschäftsleute in der inne- die bekanntesten Unterhaltungskünst- Welchen vorläufigen Eindruck können ren Stadt nicht. Aber kommen wir zur ler und Artisten ihrer Zeit auf. Schon ein wir aus diesem ersten Befund gewin- Sache. Jahr zuvor war in der Rheinischen Stra- nen? Dortmund, eine Reichs- und Han- Nicht zu übersehen sind die Verände- ße die Walhalla eröffnet worden, ein sestadt mit einer Tradition, wie sie nur rungen im kulturellen Leben. Sie zeigen Haus mit drei Sälen für Konzerte und wenige Städte des deutschen Westens sich in der Gründung des zunächst noch Varietés, dessen Ruf weit über Dortmund aufzuweisen haben, erlebt durch die In- privaten Dortmunder Konservatoriums hinausreichte. Weitere Varietés, Cafés dustrialisierung des 19. Jahrhunderts (1901), des neuen Stadttheaters am Hil- mit Damenkapellen und die legendären einen neuen wirtschaftlichen Aufstieg tropwall (1904), des Neubaus der spä- Stehbierhallen lockten die auswärtigen und stellt um 1900, in der Phase der teren Stadtbibliothek (1908), der Grün- Gäste in Massen an, und man begreift, Hochindustrialisierung, Mängel in sei-
Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? ner Infrastrukturausstattung und in sei- serer und billigerer Arbeitskräfte zu erwar- in Köln (1904) und Düsseldorf (1907) und Stahlwerkes Hoesch reiche aus, um den sen. Karlchen Richter beschreibt Albert trizitätswirtschaft, der Maschinenbau nem kulturellen Angebot fest. Karlchen ten haben. Es würden sehr viele Stellungen, die Errichtung der ersten privaten Stif- gesamten Roggen- und Heringsimport Hoesch als einen hervorragenden Stahl- gewinnen weiter an Bedeutung. Eine Richter lakonisch: Wer damals kein Bier die jetzt aus Mangel an durchgebildeten tungsuniversität in Frankfurt (1909- des Deutschen Reiches zu decken. Und mann und ein unglaubliches Arbeitspferd. Verstärkung erfährt die Versorgungs- trank, keinen Pfefferpotthast mochte und Akademikern mit Nichtakademikern be- 1914) bestätigen diese Einschätzung. weiter: Mit der Dortmunder Bierproduk- Auch habe er aus Sparsamkeit im Kasino und Verteilerfunktion Dortmunds im das Westfalenlied nicht täglich dreimal setzt werden müssen, mit akademisch ge- Man muss nicht den Hinweis bemühen, tion des Jahres 1911 könne man einen den billigsten Kutscher getrunken. Vor östlichen Ruhrgebiet. Bereits 1888 ist mitsang, den litt die Stadt nicht in ihren bildeten Leuten besetzt werden können. die preußische Verwaltung habe in dem Kanal von 50 Meter Breite und der Länge Übermüdung sah man ihn zuweilen als die Getreidebörse von Hagen nach Dort- Mauern. Aber: Aus all diesem kräftigen Nicht verschwiegen werden sollte an sozialen Brennpunkt Ruhrgebiet keine der Berliner Friedrichstraße (drei Kilome- Stadtverordneten in öffentlicher Sitzung mund verlegt worden, die sich bald zur animalen Leben wuchs jedoch schon der dieser Stelle, dass es auch ablehnende Universität ansiedeln wollen. Man konn- ter) mehr als einen Meter hoch füllen! auf seinem Platze eingenickt. Schon da- bedeutendsten Einrichtung ihrer Art im erste Keim künstlerischen Lebens hervor. Stimmen gibt, so von Großunterneh- te die Standortpolitik bei Neugrün- Es waren trügerische Vergleiche, aber mals zeigten sich in dem Äußeren des einst Rheinland und in Westfalen und damit Mit der Theaterspielerei sah es zwar noch men, die einem Ausbau der Aachener TH dungen sehr wohl beeinflussen, und am sie zeigen auch, und das sei positiv ver- so jugendschönen Mannes Spuren starker für das Konsumzentrum Ruhrgebiet ent- sehr dürftig aus... Um so besser gedieh die den Vorzug geben. Hier äußern sich leichtesten war dies möglich durch die merkt, das urwüchsige Selbstbewusst- Erschöpfung, und einige Jahre später sank wickeln sollte. Nach der Jahrhundert- Musik, sie war eigentlich durch das ganze Ligaturen zu eigenen Studienorten, zu Bereitstellung von Stiftungsmitteln. sein einer Stadt, die mit neuartigen Kri- der hochbegabte, wackere Mann im besten wende diskutiert man in der Stadt den Jahrhundert hindurch das einzige Band ge- Studentenverbindungen, Fördergesell- sensymptomen fertig werden musste Mannesalter ins Grab. Plan einer Waren- und Effektenbörse; wesen, das Dortmund mit höherem Interes- schaften und persönlich verbundenen Wirtschaftliche und, wie es nun einmal die Art im Ruhr- Die in der Außendarstellung extrem Dortmund entwickelt sich mit der Er- se verband. Karlchen Richter hat als Lehrstühlen. Auch wollen wir nicht ver- Rahmenbedingungen gebiet war, laut und forsch reagierte. auf die Montanindustrie verengte Sicht richtung des Magerviehhofs von 1913 guter Journalist die Dinge gerne zuge- schweigen, dass die benachbarten Tech- Und was weiter auffällt in diesen Jahren: der Dortmunder Wirtschaft lässt im Üb- zum größten deutschen Viehumschlags- spitzt, wenn er an anderer Stelle fest- nischen Hochschulen wie Hannover und Bei näherem Hinsehen zeigt es sich, dass Gerade die Montanindustrie, und dies rigen vergessen, dass neue Wege in der platz, der Großhandel mit Obst, Gemüse stellt, das vorherrschende Thema abend- Aachen mit Dortmund eine uner- die angeblich goldenen Jahre von Dort- ist wiederum ein zeitloses Phänomen, Weiterverarbeitung gesucht und gefun- und Südfrüchten findet wenige Jahre licher Unterhaltungen sei gewesen, was wünschte Konkurrenz fürchten, oder, mund gar nicht so glänzend gewesen hat immer ihre besten Leute verschlis- den werden. Die Bauwirtschaft, die Elek- später seine Bleibe auf dem Großmarkt die Grundstücke kosten und wo etwas zu wie der Bund der Technisch-Industriel- sind. Integration und Diversifikation, am Ostwall. Überregionale Bedeutung verdienen war! Von Wissenschaft und len-Beamten, mit einer weiteren TH ein Kartell- und Konzernbildungen verän- besitzt Dortmund im Zuckerhandel. Kunst oder gar von übersinnlichen Dingen Überangebot an Ingenieuren prognosti- dern in diesen Jahren die Unterneh- Die Verlegung der Oberpostdirektion war nie die Rede. Hier müssen wir un- zieren (1906 gibt es an den Technischen menslandschaft und gehen zu Lasten nach Dortmund (1895) entschädigt in seren Chronisten allerdings ein wenig Hochschulen Preußens 4.357 Studenten). des östlichen Ruhrgebiets. 1906 wird der Teilen für die entgangene Eisenbahndi- korrigieren: tatsächlich bemüht sich In dem fein austarierten Geflecht von Hoerder Verein mit der Aktiengesell- rektion, um die man sich vergeblich be- Dortmund längst um eine Stärkung sei- wissenschaftlichen und materiellen In- schaft Phoenix in Laar verschmolzen, müht hatte. Die Errichtung der Hand- nes wissenschaftlichen Standortes. 1897 teressen wird Dortmund zum Stören- 1910 die Union in der Rheinischen werkskammer Dortmund (1900) schafft sind die Königlichen Maschinenbauschu- fried. So findet die heute noch lesens- Straße, in den Gründerjahren der Stolz die längst überfällige Dachorganisation len eingeweiht worden, wenige Jahre werte Denkschrift aus dem Jahre 1907 in Dortmunds, als Abteilung Dortmunder für das Handwerk, das in den Jahr- später, 1906/07, werden Stadt und Han- Berlin schon mit Rücksicht auf die be- Union in die Deutsch-Luxemburgische zehnten der Industrialisierung einem delskammer initiativ, um beim Preu- nachbarten Standorte in Aachen und Bergwerks- und Hütten-AG einbezogen. noch größeren Wandel ausgesetzt ge- ßischen Staat die Errichtung einer Hannover und die Neugründungen in Die 1871 gegründete Firma Hoesch, von wesen ist als Handel und Industrie. Vom Technischen Hochschule in Dortmund, Danzig und Breslau wenig Resonanz Hause aus mehr ein Unternehmen der Handwerk geht der Anstoß zu einer der zunächst für Bergbau, Eisenhütten-, und wird nach zwei Jahren ablehnend Weiterverarbeitung, sieht sich ange- großen Dortmunder Krankenversiche- Maschinen- und Elektrizitätskunde, beschieden. Man müsse, so der Tenor, sichts der Karteliierung und Syndizie- rungen aus: 1907 wird die Krankenun- einzufordern. den weiteren Ausbau abwarten, bevor rung der Montanindustrie gezwungen, terstützungskasse selbständiger Hand- Keine Provinz, so das Rundschreiben man den Bedarf für eine sechste Tech- 1896 auch den Hochofenbetrieb aufzu- werker im Bezirk der Handwerkskam- der Kammer vom 20. November 1906, nische Hochschule in Preußen prüfen nehmen und sich Bergbaukapazitäten, mer zu Dortmund gegründet, die als keine Provinz des Preußischen Staates stellt könne. Das Argument ist nur bedingt wie 1899 die Gewerkschaft Vereinigte Vorläufer der späteren SIGNAL-Kranken- so viel Bergbau- Studierende als Westfalen, stichhaltig, da zwischen 1898 und 1914 Westphalia mit der Zeche Kaiserstuhl, versicherung gelten darf. Am Vorabend und aus wenigen Provinzen ist der Besuch 10 neue Hochschulen gegründet worden anzugliedern. Der Zug zur Rheinschiene des Ersten Weltkrieges haben 13 Versi- der technischen Hochschulen ein so großer sind. Selbstkritisch indes sollte man an- und zur lothringischen Minette hatte cherer ihre Subdirektionen oder Gene- als aus Westfalen. Trotzdem hat diese Pro- merken, dass sich keine Stifter vor Ort, jedoch längst eingesetzt, und ohne den ralbevollmächtigten in Dortmund, dazu vinz weder eine Bergakademie noch eine sei es in Dortmund oder in Westfalen, Ersten Weltkrieg wäre der Zeitpunkt ab- kommen mehrere Dutzend Generalagen- technische Hochschule. Der Wissenschaft bereit erklärt hatten, durch die Bereit- sehbar gewesen, wo das östliche Ruhr- turen. Der schon in den Anfängen der wie der Praxis geht so der immense Vorteil stellung eigener Mittel den Gedanken gebiet als Standort in der Produktion Industrialisierung bedeutende Banken- verloren, der aus dem unmittelbaren Kon- einer Universität bzw. einer Technischen von Roheisen nicht mehr wettbewerbs- platz weist in seiner Entwicklung zwar takt und der gegenseitigen Anregung und Hochschule voranzutreiben. Die krisen- fähig gewesen wäre. Im Rückblick wird Brüche auf, doch kommt es um die Jahr- Befruchtung beiden Teilen erwachsen anfällige Montanindustrie hält sich zu- ferner deutlich, dass es gerade jene Jah- hundertwende zu einer Vielzahl von könnte. (Stiftung Westfälisches Wirt- rück. Das war in Köln und Frankfurt, re um 1900 gewesen sind, in denen sich Neugründungen und Zweigniederlas- schaftsarchiv Dortmund K1 Nr. 98) aber auch in Mannheim, Hamburg, Ber- das für die Ruhr so verhängnisvolle Ton- sungen in Dortmund. Im Ergebnis sind, Kaum weniger bedenkenswert sind lin, Düsseldorf und Stuttgart doch ganz nendenken durchsetzt, das bis in die bezogen auf das Ruhrgebiet, Handel, die Antworten. Der große Brückenbauer anders, wo Millionenstiftungen reicher zweite Jahrhunderthälfte hinein viele Verkehr, Öffentliche Dienste und Freie Jucho stellte für sein Unternehmen fest: Bürger für wissenschaftliche Zwecke er- Entscheidungen mental blockieren soll- Berufe in Dortmund überproportional Ich glaube, dass eine Hochschule im hie- folgt sind. Gerade der sparsame Preu- te. Dortmund, in der Industrialisierungs- vertreten. Dortmund, in der öffentlichen sigen Bezirk eine wesentliche Entlastung ßische Staat reagierte sehr aufgeschlos- phase des 19. Jahrhunderts ein starker Meinung die Stadt der Schwerindustrie, der noch immer überlasteten technischen sen auf Hochschulprojekte, wenn die Standort in der Weiterverarbeitung, befindet sich längst auf dem Wege zu Hochschule in Berlin zur Folge haben entsprechenden Initiativen durch Stif- wird scheinbar auf die Fertigung der ers- einem Dienstleistungszentrum: Mit 21,3 % würde... Die im hiesigen Revier gelegenen tungserklärungen von Privatpersonen, ten Stufe reduziert. Die Markenzeichen der Berufstätigen in den Bereichen Han- Werke würden im ferneren durch Errich- Unternehmen, Kommunen, Handels- Kohle und Stahl zeigen ihre Kehrseite. tung einer technischen Hochschule im hie- kammern abgesichert waren. Die Akade- 1913 wird die Struktur u. a. wie folgt Städtische Sparkasse und Wilhelm-Auguste- sigen Revier ein weit größeres Angebot bes- miegründungen für praktische Medizin umschrieben: Der Erlös des Eisen- und Victoria-Bücherei, um 1900
Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? Schüchtermann-Denkmal in Dortmund, um 1905 (Stadtarchiv Dortmund) lung italienischer, spanischer und hol- ländischer Maler vom Trecento bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aufbaut, die um die Jahrhundertwende zu den größten privaten Gemäldegalerien Deutschlands zählt und in Teilen in den großen Oberlichtsälen der Thier-Braue- rei auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Ein dreibändiger Katalog ist 1914 unter Mitwirkung des Kaiser- Friedrich-Museums in Berlin erschienen. In Zusammenarbeit mit der Gemälde- galerie W. Utermann konnte an anderer Stelle nachgewiesen werden, dass der vor 1914 bedeutendste Erwerb von Ge- mälden der französischen Kubisten, so von Picasso und Braque, durch den jun- gen Düsseldorfer Kunsthändler Flecht- heim erfolgt, der dabei unfreiwillig, nämlich durch die Mitgift der Ehefrau, der Steuer zahlenden Bürger seit den Dortmund in nicht unerheblichem Maße von seinem Dortmunder Schwiegerva- 90er Jahren, ein seinerzeit revolutio- das Bürgertum mit Stiftungen und Spen- ter, dem international engagierten Ge- näres Verfahren, hatte dazu geführt, den beteiligt gewesen ist. Es sind weni- treidehändler Goldschmidt, finanziell dass Dortmund über Nacht 100 Millionäre ger die Neureichen, vielmehr die einge- unterstützt wird. gebar, und da die Ergebnisse der Selbst- sessenen bürgerlichen Familien wie die Folgen wir unserem Zeitzeugen Karl- einschätzung veröffentlicht wurden, Wenker, Bömcke, Overbeck, Cremer, chen Richter, dann können wir in Dort- zahlte mancher gerne mehr Steuern, um Brügmann, Jucho und viele kleine Bür- mund auf ansehnliche soziale und ge- in den veröffentlichten Tabellen oben zu ger, die sich mit Zuwendungen am Auf- meinnützige Stiftungen verweisen, so stehen. Das mehrfach aufgelegte Hand- bau dieser kulturellen Einrichtungen die Schüchtermann-Schillersche-Familien- buch der Millionäre trug dazu bei, Pres- beteiligt haben. Von den Kosten für stiftung und die Duden-Stiftung. An- tige zu gewinnen. Wer hier erschien, Grund und Boden und den Bau des sonsten aber gilt, dass die vielen Dort- hatte es zu etwas gebracht! Privates Ka- Stadttheaters sind knapp 40 % durch munder Multimillionäre, so Richter, als pital für soziale und kulturelle Stif- freiwillige Spenden der Bürgerschaft Osterkirmes auf dem Viehmarkt, 1903 (Museum für Kunst und Kulturgeschichte) Muster exemplarischer Sparsamkeit gelten tungen war demnach hinreichend vor- aufgebracht worden. Dieses Theater im konnten, die sich, wie der Dortmunder handen. Tatsächlich zeigt die Geschichte Jugendstil wird am 17. September 1904 Volksmund zu sagen pflegte; für zehn der kulturellen Gründungen, so des mit Wagners Tannhäuser sehr geräusch- del und Verkehr und 5,2 % in den Öffent- läufig darf bei dieser Gelegenheit daran sche Einrichtungen gegeben, die sich Pfennig eine Bohnenstange auf dem Kopf Theaters, der Schenkungen und Ankäufe voll, wie Karlchen Richter andeutet, ein- lichen Diensten etc. kann es sich einmal erinnert werden, dass die Wirtschafts- wie in Berlin, München, Stuttgart, Kas- anspitzen ließen. Die Selbsteinschätzung von Bibliothek und Museum, dass in geweiht. Eine Anekdote am Rande: Von mehr vor der Konkurrenz der übrigen elite des Kaiserreiches in Städten wie Ber- sel, Weimar oder Dresden auf eine alte dem kostenlosen Buffet im Zwischenakt Revierstädte behaupten (1907). lin und Frankfurt einen hohen jüdischen Residenztradition berufen konnten. Das war noch Jahre später die Rede. Karlchen Anteil aufweist. In Berlin z. B. gehören prägt übrigens die Kulturlandschaft in Richter schreibt: Der Bürger als Mäzen ihr über 60 % an. Ohne die Berliner Ju- Nordrhein-Westfalen bis auf den heu- Als die Schlacht (gemeint ist die Selbstbe- den wäre an das glanzvolle Berliner Kul- tigen Tag. Hier war es erst recht not- dienung) zu Ende war, vermisste der Thea- Die beiden Jahrzehnte vor und nach tur- und Kunstleben der Jahrhundert- wendig, dass das Bürgertum bei der Auf- terrestaurateur außer seiner gesamten kal- 1900 sind im Kaiserreich die große Zeit wende nicht zu denken; von dem gabe mitwirkte, wissenschaftliche und ten Küche auch die beiden Ohren eines der eines mäzenatisch gesonnenen Bürger- jüdischen Mäzenatentum, seinen Schen- kulturelle Einrichtungen zu begründen Büfettiers. Während die Opernabende tums gewesen. Der Großindustrielle, der kungen und Stiftungen zehren wir noch und zu fördern. Das bekannteste Bei- gut besucht waren, war es bei Theater- Bankier und der erfolgreiche Unternehmer heute. So kann Berlin um die Jahrhun- spiel ist nicht zufällig die Stadt mit dem aufführungen oft brechend leer. Die des Kaiserreiches traten in die Rolle der dertwende als eine Stadt mit den bedeu- ausgeprägtesten Bürgertum, eben Köln, durchschnittliche Platzausnutzung in fürstlichen Auftraggeber ein. Für Berlin, tendsten Privatsammlungen zur internati- geblieben. In Krefeld, in Mönchenglad- der ersten Spielzeit lag bei knapp 50 %, wo die Verhältnisse genauer untersucht onalen, insbesondere der französischen bach erweisen sich die Textilindustriel- und man kann es den Dortmundern worden sind, lässt sich beispielsweise Modeme gelten. Museumsleiter wie len als große Mäzene, in Elberfeld und kaum verdenken, wenn in der Öffent- feststellen, dass die Hinwendung zur Tschudi in Berlin, Lichtwark in Hamburg in Hagen sind es Bankiersfamilien, die lichkeit folgender Vers kursierte: Man modernen Kunst seit den 90er Jahren oder Pauly in Bremen hätten ihre be- aufgrund eigener Sammlungen und Stif- kann bei den besseren Bürgern hier, von ohne die Großindustriellen, ohne die rühmt gewordenen Sammlungen ohne tungen Museen von internationalem Re- Kunstsinn auch nicht viel merken. Sie ge- Kaufmanns- und Bankiersfamilien wie die Zuwendungen dieser Mäzene nicht nommee ermöglicht haben. Das ist in hen statt zum Drama lieber zum Bier, ihre die Liebermann, Arnhold, Mendelssohn- aufbauen können. dieser Form in Dortmund nicht der Fall Geistesfaulheit zu stärken. Bartholdy, Oppenheim, Cassirer, Stern, Im Westen des Reiches, in der Rhein- gewesen. Wohl aber müssen wir auf den Gerstenberg, Guttmann und andere provinz und in der Provinz Westfalen, Geheimen Kommerzienrat Josef Cremer nicht möglich gewesen wäre. Ganz bei- hat es kaum kulturelle oder künstleri- verweisen, der in Dortmund eine Samm- Stadttheater (Stadtarchiv Dortmund)
10 Die Muse ist in Dortmund auf dem Hund? Archäologie im Dortmunder Museum 11 Archäologie im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Geschichte, Fakten und Personen von Karl Heinrich Deutmann Mit dem Ankauf von 78 Reinoldigro- der Versetzung des Gymnasiallehrers schen und -hellern des 15. Jahrhunderts nach Saarburg und der dadurch bedingten aus dem Fund von Cappenberg begann Beendigung der Museumsarbeit. Diese das öffentliche Sammeln von Dortmun- übernahm ehrenamtlich ab März 1891 der Altertümern. Diese Aktivität, die Oberlehrer Dr. Alexander Schöne, der sich zunächst auf Münzen beschränkte, nach Jahresfrist jedoch ebenfalls das Amt mündete nach einem Sammelaufruf des des Museumsverwalters niederlegen Magistrats (1871) am 25. Juni 1883 in musste, nachdem er versetzt wurde. eine Vorlage an die Stadtverordneten- Mit der Einsetzung des Zeichenlehrers versammlung über die Einrichtung eines Albert Baum als drittem Museumsleiter städtischen Museums und Bewilligung des ab dem 2. November 1892 veränderte dazu erforderlichen Betrages von 1000 und erweiterte sich das Sammlungs- Mark aus extraordinären Mitteln. spektrum. Zwar hatte auch Roese schon Oberlehrer Dr. Eduard Roese, der einzelne archäologische Objekte aufge- schon seit 1879 die Münzsammlung be- nommen, die eigentliche Sammlung aber treute, wurde die Leitung und Ordnung entstand unter Baum und erfuhr wäh- der Sammlung übertragen, die im zwei- rend seiner Tätigkeit einen außerordent- Städtisches Kunst- und Gewerbemuseum am Ostwall (Stadtarchiv Dortmund) ten Obergeschoss der Höheren Mäd- lichen Zuwachs. chenschule untergebracht war. Bei den Albert Louis August Baum, am 8. Janu- Bemühungen, Denkmäler der Geschichte ar 1862 in Wildemann im Harz als Sohn Dr. Eduard Roese Ausblick verstorbene Gustav von Mevissen, einer de, Dortmund 2000. Wiederabgedruckt und Kunst der alten, freien Reichsstadt zu eines Bergbaubeamten geboren, kam der großen rheinischen Unternehmer des mit freundlicher Genehmigung der Reinol- retten und vor der Zerstreuung durch 1891 als Zeichenlehrer an die Dortmun- Wie wir gesehen haben, sind die Anfänge 19. Jahrhunderts, Abgeordneter der digilde. den Kunsthandel zu bewahren, wurden II. Aus dem Mittelalter und der Neuzeit: der Gewerbe-, bzw. späteren Oberreal- des modernen kulturellen Lebens in der Paulskirche von 1848 und mit dem Dort- Roese und seine ihm zur Seite gestellten kirchliche Denkmäler, III. Denkmäler des schule. Nach seiner Anstellung als eh- Zeit um 1900 unter Beteiligung des Bür- munder Raum durch seinen Vorsitz im Literatur Kollegen Carl Rübel und Richard Jordan Privatlebens, einschließlich Waffen und IV. renamtlicher Museumsverwalter 1892 gertums gestaltet worden. Man hatte er- Verwaltungsrat des Hoerder Vereins von von einer dreiköpfigen Kommission un- Denkmäler des öffentlichen Lebens wie bildete er sich noch durch einige Semes- kannt, dass die Kultur mehr war als ein 1852-1874 verbunden. Er hatte noch zu Ein Dortmunder Agent. Der Mann, der ter der Leitung des Stadtbaurats Carl Münzen, Urkunden und Druckwerke. ter Archäologie und Geschichte an der Spleen altmodischer Leute, und dass sich seinen Lebzeiten Mittel zur Gründung ei- Karlchen Richter hieß. Seine Aufzeich- Marx unterstützt. Roese unterteilte die Die Ehrenamtlichkeit der Museumslei- Universität Münster weiter und unter- das vitale Dortmund gegenüber den kon- ner Handelshochschule in Köln gestiftet. nungen neu und an den Tag gebracht von Sammlung in die Abteilungen I. Aus der tung mag von finanziellem Vorteil für die nahm viele Studienreisen zu den großen kurrierenden Städten Essen, Duisburg, Seiner Meinung nach war es nur eine Horst Mönnich. Düsseldorf 1974 vorchristlichen Zeit: Denkmäler der rö- Stadt Dortmund gewesen sein, ihr Nach- Museen in Deutschland und Europa. Düsseldorf und Köln auch in der Insze- große Stadt nicht gut, wenn sie nur ihre Forschung im Spannungsfeld von Poli- misch- und heidnisch-germanischen Zeit, teil zeigte sich am 1. September 1890 mit Nachdem ihm 1903 endlich der Titel Mu- nierung von Kunst und Kultur behaupten wirtschaftlichen Möglichkeiten entfalte- tik und Gesellschaft. Geschichte und seumsdirektor verliehen worden war, be- musste. Heute würde man verkürzt vom te und ihre geistigen Werte und Traditi- Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck- willigte der Magistrat seinen Antrag, Vorzug der weichen Standortfaktoren onen dabei vernachlässigte. In ihrer Pfle- Gesellschaft. Aus Anlass ihres 75-jährigen ihn vom Schuldienst zu befreien. Am 1. sprechen. Der Bürger des Jahres 1900 er- ge sah er die Möglichkeit gegen die mit Bestehens herausgegeben von Rudolf September 1904 übernahm Albert Baum wartete nicht alles vom Staat und von der Industrialisierung um sich greifende Vierhaus und Bernhard vom Brocke, die hauptamtliche Leitung des städtischen der Kommune und war daher eher bereit, Verflachung ein Gegengewicht zu schaf- Stuttgart 1990 Museums auf Lebenszeit. seinen finanziellen Beitrag zum Wohle fen. Dieser in Köln ausgeprägte Geist ist Dascher, Ottfried: Dortmund – eine Stadt Auf eine bemerkenswerte Art und der Stadt zu leisten. Gerade jene Fami- in einem Zitat des legendären Kulturde- im Wandel, in: Dortmund. Porträt einer Weise sorgte Baum für eine Erweiterung lien, die sich noch auf die reichsstädtische zernenten Kurt Hackenberg vor einigen Stadt, Harenberg-Verlag, Dortmund 1996 der Sammlungsbestände. Er war als Zeit zurückführen konnten, waren sich Jahren noch einmal variiert worden. Ich Gaehtgens Thomas W.: Der Bürger als volksnaher Mensch dafür bekannt, dass dieser Verpflichtung durchaus bewusst. möchte seinen Satz auf Dortmund über- Mäzen. Gerda Henkel Vorlesung. Her- er mit potentiellen Mäzenen im Wirt- Dabei wollen wir aber nicht die günsti- tragen wissen und dort wo Köln steht ausgegeben von der gemeinsamen Kom- haus trank und spielte und ihnen so im gen Rahmenbedingungen verschweigen, den Namen unserer Stadt einsetzen. Die- mission der Nordrhein-Westfälischen Laufe des Abends Möbel oder Gelder für – so die niedrige Einkommensteuer, die ser Schlusssatz von mir lautet dann: Kul- Akademie der Wissenschaften und der Ankäufe oder Ausgrabungen abrang. die Spenden- und Stiftungsbereitschaft tur ist nicht alles in Dortmund, aber alles in Gerda Henkel Stiftung, Opladen 1998 Mit seinen umfangreichen und erfolg- fördern mussten. Aber daneben gab es Dortmund nichts ohne Kultur. Framke, Gisela (Hg.): 8 Stunden sind noch eine Überlegung, und auch sie ist kein Tag. Freizeit und Vergnügen in bis auf den heutigen Tag zeitlos geblie- * Vortrag anlässlich des Reinoldimahls am Dortmund 1870 bis 1939, Dortmund Städtische Höhere Mädchenschule, Kronprin- ben. Als ihr Kronzeuge zitiert sei der 1899 5. Mai 2000, Privatdruck der Reinoldigil- 1992 zenstr. 13, um 1905 (Stadtarchiv Dortmund)
12 Archäologie im Dortmunder Museum Archäologie im Dortmunder Museum 13 reichen Grabungen setzte er sich ein Denkmal in Westfalen. 1893 hatte Baum mit großer Unter- stützung des Dezernenten Baurat Marx seine ersten Ausgrabungen in Castrop- Habinghorst begonnen. Das Gräberfeld lieferte eine große Menge vorwiegend bronzezeitliche Grabkeramik, Bronze- schmuck, Waffen und Geräte. Seine ergiebige Grabungsaktivität setzte er dann 1895 im Gebiet an der Lippe fort. Es folgten in den Jahren 1897–1916 vierzig archäologische Un- tersuchungen im weiten Umland, des- sen Begrenzung einzig in der, in seinem Arbeitsvertrag benannten Einschrän- kung auf die Provinz Westfalen bestand. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste außer dem Stadt- und Landkreis Dortmund die damaligen Kreise Ahaus, Lüdinghausen, Coesfeld, Steinfurt, Recklinghausen, Cas- trop-Rauxel, Warendorf, Minden, Unna, Iserlohn und Arnsberg. Zum großen Teil Die Abteilung Vor- und Frühgeschichtliche Denkmäler Westfalens im Alten Rathaus handelte es sich um Grabhügelfelder der (Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund) Bronze- und Eisenzeit, aus denen er un- zählige Grabgefäße nebst Beigaben hol- te. Aber auch die Höhlen im Sauerländer Behörde weiter untersucht. Die Hunder- Museumstätigkeit in Dortmund lehrte Hönnetal und ein germanischer Friedhof te von Glasplattenfotos, die Baum da- er am vor- und frühgeschichtlichen Se- an der Porta Westfalica wurden von ihm mals hat anfertigen lassen, werden noch minar der Universität Münster und ver- untersucht. In den meisten Fällen lag immer verwendet und zitiert. trat dessen Lehrstuhlinhaber Professor Prof. Albert Baum bei archäologischen Grabungen (Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund) wohl eine Gefährdung durch Straßen- Außer den Objekten der Region, die Stieren. Außerdem war er stellvertre- bau, Sand- und Kiesabbau oder den Baum selbst ausgrub oder sich schenken tender Vertrauensmann für kulturge- Dampfpflug vor. Im Falle der an der Lippe ließ, vermittelte er auch mit der Samm- schichtliche Bodenaltertümer im west- gelegenen Ländereien bei Waltrop und lung Beger 1911 eine Schenkung von fälischen Industriegebiet. In seinen Datteln war es die drohende Anlage von 329 römischen Gläsern aus Köln und Schriften, aber auch in der Ausstellungs- Rieselfelder durch die Stadt Dortmund, dem rheinischen Umland. Unter seiner beschriftung und verschiedenen Schrei- die Baum zu seinen Ausgrabungen ver- Regie kamen ebenso römische Schatz- ben klingt der vom Nationalsozialismus anlasste. Sein hauptsächlicher Beweg- funde ins Museum, darunter der damals geprägte damalige Zeitgeist durch. Wäh- grund war sicher die Erweiterung der größte römische Goldmünzschatz von rend des Krieges engagierte sich Al- Museumsbestände. der Dortmunder Ritterstraße. brecht bei der Sicherung von Kulturgut Wenn seine Ausgrabungstechnik auch Mit dem Tode Albert Baums am 17. und beim Katastrophenschutz. nicht den heutigen Standards der mo- Dezember 1934 ging ein engagiertes Bei einem Bombenangriff 1943 wurde dernen Feldarchäologie entspricht, und und vielseitiges Archäologenleben zu das Museum schwer getroffen. Wenn er wohl in erster Linie auf den Fund aus Ende. Sein Nachfolger Dr. Rolf Fritz, der Albrecht auch vorsorglich einen Teil der war, ist ihm, abgesehen von der Rettung zunächst kommissarisch, ab1936 haupt- Bestände nach Ostwestfalen ausgelagert der Objekte an sich, eine akribische Do- amtlich die Leitung des Museums über- hatte, konnte er trotz eigenem Einsatz kumentation zu verdanken. Neben der nahm, sah seine Aufgabe wohl haupt- die Vernichtung von zurückgebliebenen obertägigen Vermessung mitunter gan- sächlich in der Neuordnung des Bestan- Objekten nicht verhindern. zer Grabhügelfelder mit zeichnerischer des. Darüber hinaus lag das wissen- Nach dem Krieg wurde der Hochbun- und fotografischer Dokumentation legte schaftliche Interesse des Kunsthistorikers ker in der Ritterhausstraße am Westpark er Berichte mit persönlichen Skizzen offensichtlich in der Kunst. So scheint es zu einem Museum umgebaut und nahm und Notizen zu Funden und ihrer Lage auch nahe liegend, dass man den Namen als Geschichtliches Museum die Abtei- an. Auf solche Dokumentationen greift des Hauses in Museum für Kunst und Kul- lungen Vor- und Frühgeschichte und heute die westfälische Bodendenkmal- turgeschichte änderte. Stadtgeschichte auf, die ab dem 1. Janu- pflege bei Nachgrabungen gerne zurück. Der archäologische Bestand wurde ar 1952 wiederausgestellt werden konn- Die größte und wohl bedeutendste Gra- 1937 als eigenständiges Museum für ten. Archäologisch engagierte sich Alb- bungsstätte Albert Baums, das römische Vor- und Frühgeschichte in die Victoria- recht bei der Untersuchung der kriegs- Militärlager Oberaden an der Lippe bei straße 25 ausgelagert. Mit der Leitung zerstörten Reinoldikirche, danach nahm Lünen mit dem Uferkastell von Becking- dieses Hauses wurde der Prähistoriker er Ausgrabungen in der Hohensyburger hausen, das er von 1906–1914 in Auf- Dr. Christoph Albrecht betraut, der sich Peterskirche vor. Ein weiterer Verdienst trag der Stadt Dortmund ausgegraben mit der Ausübung vielseitiger Aufgaben bestand in der Publikation der bislang hat, wird noch heute von eben dieser hervortat. Neben der hauptberuflichen unveröffentlichten Grabungsergebnisse
14 Archäologie im Dortmunder Museum Albert Baum und das Städtische Museum 15 seines Vorgängers Baum, besonders der des Römerlagers Oberaden. Nach der Pensionierung von Albrecht fasser mit der Leitung der wieder einge- richteten Abteilung Archäologie und Bo- dendenkmalpflege betraut. Dieser hatte punkte sind auch Gegenstand der aktu- ellen Antikenabteilung im Erdgeschoss des Museums für Kunst und Kulturge- Seine große Liebe – Albert übernahm der klassische Archäologe Dr. Clemens Weisgerber 1964 die Leitung. Dieser konzentrierte sich mehr auf die zuvor in einer eineinhalbjährigen Aus- grabung im Zuge des U-Bahnbaus den mittelalterlichen Stadtkern um die Rei- schichte. Im ehemaligen Sparkassentre- sor sind die Bestände der ur- und früh- geschichtlichen Sammlung neugeordnet Baum und das Städtische Museumsarbeit und wandelte die bishe- rige regionalarchäologisch ausgerichte- te Sammlung mit umfangreichen An- käufen von Objekten aus dem mediter- noldikirche und das Kuckelketor unter- sucht. Nach der Neueinrichtung der ar- chäologischen Sammlung befasste sich die erste archäologische Sonderausstel- auf zwei Etagen untergebracht. Bei den archäologischen Sonderaus- stellungen wechseln sich Übernahmen aus anderen Museen mit eigenkonzi- Museum in Dortmund ranen Raum in ein klassisch-archäolo- lung mit den neuen Ergebnissen der Erfor- pierten Ausstellungen zu Dortmunder von Brigitte Buberl gisches Haus. So erwarb er neben antiken schung der mittelalterlichen Stadt, wozu Grabungsprojekten in Zusammenarbeit Vasen, Terrakotten und Kleinbronzen auch die Ausgrabungen des Adlerturms mit der Stadtarchäologie ab. Grabschmuck und eine Reihe von Stein- gehörten. Dieser Rest eines mittelalter- 1892 war die Unordnung groß. Dr. Eduard denkmälern aus dem römischen Militär- lichen Wachturms wurde in einer spek- Literatur: Roese (geb. 1855), klassischer Philologe lager Carnuntum bei Wien sowie eine takulären Aktion wieder auf- und zu und Lehrer, der mit Unterstützung des größere Anzahl von römischen Gläsern einem Museum für mittelalterliche Eggenstein, Georg: Die frühen Ausgra- Stadtarchivars Carl Rübel und des Lehrers aus Kleinasien. Stadtgeschichte ausgebaut. bungen Albert Baums 1897/98 an der Richard Jordan zehn Jahre lang das Muse- Nachdem Weisgerber in den Ruhe- Zuwachs erhielt der Bereich Antiken Lippe in den Gemeinden Waltrop, Dat- um eifrig, kundig und umsichtig ehren- stand gegangen war, gab es einige Jahre durch den Ankauf von 118 Objekten der teln und Selm, in: Ausgrabungen und amtlich geleitet und betreut hatte, war lang keine hauptamtliche Betreuung der bedeutenden Dortmunder Sammlung Funde in Westfalen-Lippe, Münster 1995, versetzt worden. Sein Nachfolger, der archäologischen Sammlungen. 1983 er- Schlotter, der mit Unterstützung des 9/B, 35-94 ebenfalls historisch gebildete Lehrer folgte der Zusammenschluss mit dem Landes Nordrhein-Westfalen realisiert Baum, Albert: Führer durch die Samm- Alexander Schöne (geb. 1854), musste Museum für Kunst und Kulturgeschich- werden konnte. Sie umfasst neben Va- lungen des Städt. Kunst- und Gewerbe- aus gleichem Grund nach nur einem Jahr te, dessen Bestände seit dem Zweiten sen, Terrakotten, Marmorbüsten, Klein- museums zu Dortmund, Dortmund 1908 die Arbeit niederlegen. Die mittlerweile Weltkrieg auf Schloss Cappenberg bei bronzen und Gläsern, auch Tempel- Weiß, Gisela: Sinnstiftung in der Pro- stark angewachsene Sammlung lag Lünen ausgelagert waren. Die neue schmuck und ein Fresko aus Griechen- vinz. Westfälische Museen im Kaiser- brach, bis der Magistrat 1892 den jungen Heimstatt wurde die alte Stadtsparkasse land, Etrurien und dem Römischen reich, Paderborn, München, Wien, Zü- Zeichenlehrer Albert Baum (1862–1934) in der Innenstadt. 1985 wurde der Ver- Reich. Diese drei Sammlungsschwer- rich 2005 zum ehrenamtlichen Museumsverwalter auswählte. Elf Jahre später wurde die Notwendigkeit einer ausschließlichen und hauptamtlichen Betreuung des Mu- seums immer offensichtlicher. Baum wurde 1903 zum Städtischen Museums- direktor ernannt und 1904 hauptberuf- lich mit festen Bezügen angestellt. Er Albert Baum im Kreise seiner Familie (Privatbesitz) hatte an der Kunstakademie in Berlin stu- diert und dort im Kunstgewerbemuseum freiwillig mitgearbeitet. Nach seiner eh- ehrenamtlich arbeitenden Künstler und Das Haus renamtlichen Berufung bildete er sich an Lehrer durch Wissenschaftler ersetzt. der Universität Münster in Archäologie Baum dürfte das einzige Beispiel dafür Die Sammlungen des Museums waren und Kunstgeschichte weiter. Ehrenmit- sein, die Wandlung in sich selbst vollzo- zu diesem Zeitpunkt noch mehr oder gliedschaften in historischen und kunst- gen, sich vom Künstler zum Archäolo- weniger provisorisch untergebracht. Sie wissenschaftlichen Gesellschaften sowie gen und Kunsthistoriker gebildet zu befanden sich in einigen Räumen in der die Ernennung zum Ehrenpfleger des haben. Höheren Töchterschule und seit 1891 im Germanischen Nationalmuseums in Das Museum als Institution wurde Buchholtzschen Haus in der Pottgasse. Nürnberg (1920), die Wahl zum Mitglied nicht nur viel beachtet, sondern über Baum verschaffte sich einen Überblick des Kunstausschusses für die Provinz seine Ziele auch viel diskutiert. Muse- und sorgte sofort für neue Standorte. Westfalen sowie seine Gutachtertätigkeit umsdirektoren berieten, wie Museums- Bald nutzte das Museum Räume im während des Ersten Weltkrieges in der arbeit auszusehen habe und wie Museen Dachgeschoß des Stadthauses an der Aktion Metallspende dokumentieren die idealer Weise eingerichtet sein sollten. Kleppingstraße, zusätzlich in der Werk- hohe Anerkennung, die der Dortmunder Zudem hatte man seit einiger Zeit sogar meisterschule und ab 1899 die Tuchhalle Museumsdirektor auch unter seinen Kol- begonnen, zeitgenössische Kunst in den des wiederhergestellten Alten Rat- legen genoss. Museen zu präsentieren. Nichts war hauses. Weiterhin war es in der Wiß- Seit Ende des 19. Jahrhunderts schmück- mehr neu oder musste neu erfunden straße und im Pottgiesserschen Haus ten neue große Museumsbauten die werden, als Baum seine Arbeit in Dort- am Markt 2 untergebracht. Einen reprä- wichtigsten Städte Deutschlands, auch mund aufnahm. Er konnte auf Erkennt- sentativen Standort mit 21 Ausstellungs- gab es allerorten Neugründungen. So nissen bereits aufbauen und sich mit räumen fand es erst 1905 mit dem Dortmunder Goldschatz zählte das Dortmunder Museum zu den Temperament, Elan und Durchsetzungs- ehemaligen Reichsbankgebäude am (Madeleine-Annette Albrecht, ersten öffentlichen Sammlungen in vermögen in die große Aufgabe stürzen, Königswall/Ecke Hansastraße. Mit dem Museum für Kunst und Westfalen. Zu Beginn des 20. Jahrhun- das Dortmunder Museum auf den neu- Bezug des Hauses erfolgte auch die Um- Kulturgeschichte) derts wurden in den Museen die zumeist esten Stand zu bringen. benennung der Altertumssammlung in
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