20 Jahre Deutsches Kinderkrebs-register
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1. 20 Jahre Deutsches Kinderkrebs- 1. 20 years German Childhood Cancer register Registry Konzeption, organisatorische Entwicklung und Basic principles, organizational development Förderung des Registers and funding of the registry Ende der siebziger Jahre erkannten die damals Germany’s oncologists recognized the need for a noch in den zwei Vereinigungen GPO und DAL nation-wide morbidity registry in the late 70ies. organisierten verantwortlichen pädiatrischen One of the goals was to obtain realistic counts of Onkologen die Notwendigkeit zur Schaffung ei- new cases for the planning of clinical trials. Some nes Morbiditätsregisters. Ein Ziel war es dabei, German studies were already under way then (e.g. realistische Erkrankungszahlen zur Planung von a leukaemia clinical trial), others were being Therapiestudien zu gewinnen. Einige deutsche planned. The chairmen, professors Bernhard Studien hatten bereits begonnen (z.B. zur Be- Kornhuber and Fritz Lampert, joined by Mainz’s handlung von Leukämien), andere sollten initi- professor Peter Gutjahr, sought out an appropriate iert werden. Die beiden Vorsitzenden, die Profes- institute. The Institute for Medical Statistics and soren Bernhard Kornhuber und Fritz Lampert, Documentation (IMSD) at the Mainz university und der Mainzer Professor Peter Gutjahr hielten under its new director offered its help and applied Ausschau nach einer geeigneten Institution. Das for support from the Volkswagen foundation. Ms. Institut für Medizinische Statistik und Doku- Brunhilde Mai’s wholehearted backing was mentation der Universität Mainz (IMSD) unter instrumental in obtaining financial support, so the seiner neuen Leitung nahm die Idee auf und stellte work could begin in July 1979. The einen Förderungsantrag bei der Stiftung Volkswa- Volkswagenwerk foundation helped only to start genwerk. Hier war Frau Brunhilde Mai diejenige, new projects for 4 to 5 years. Three employees mit deren engagierten Hilfe die finanzielle För- (among them one scientist) started registration in derung am 1.7.1979 beginnen konnte. Eine Unter- January 1980. The first reports to the German stützung durch die Stiftung Volkswagenwerk er- Childhood Cancer Registry (GCCR) came from the folgte grundsätzlich nur initial und war auf 4 bis children’s clinics in the Augsburger Krankenhaus- 5 Jahre begrenzt. Mit drei Personalstellen (darun- zweckverband and the university clinic in Mainz. ter ein Wissenschaftler) konnte am 1. Januar 1980 We would like to express our gratitude to the mit der Registrierung begonnen werden. Die er- persons named for their backing in getting this sten meldenden Kinderkliniken waren die des registry started. Augsburger Krankenhauszweckverbandes und der Mainzer Universitätsklinik. Den genannten Persönlichkeiten sei an dieser Stelle nochmals ganz besonders für ihre initiale Unterstützung gedankt. Bereits seinerzeit wurde ein Dokumentationsab- The basic procedure of registration, which is still lauf gewählt, der noch heute Grundlage für die in use, was established then. Each newly aktuelle Registerarbeit ist. Er basiert auf der pri- diagnosed child is directly reported to the registry. mären Meldung eines jeden erkrankten Kindes We then send a specific questionnaire, designed direkt an das Kinderkrebsregister (KKR), von dort in co-operation with the responsible clinical trial, wird ein krankheitsspezifischer und mit der für to the treating clinic. The clinical trial is informed die Diagnose zuständigen Leitung der klinischen at once. Data from the registry and the clinical Studie (Studienleitung) abgestimmter Erhebungs- trials are regularly matched and compared. This bogen an die behandelnde Klinik geschickt. Die co-operative documentation of registry and Informierung der zuständigen Studienleitung er- clinical trials ensures the high quality of our data folgt unmittelbar durch das KKR und die Daten compared to other population-based registries, as zwischen Studienleitungen und Kinderkrebs- we have a very broad data basis for testing the register werden regelmäßig abgeglichen. Durch plausibility and validity of our data. den Dokumentationsverbund zwischen KKR und Therapiestudien wird ein entscheidender Beitrag zur Qualität der Registerdaten geleistet, weil die - gegenüber anderen bevölkerungsbezogenen Krebsregistern - wesentlich verbreiterte Datenba- sis eine Vielzahl von Plausibilitätsprüfungen und Validierungsmöglichkeiten eröffnet. In diesem Zusammenhang ist - stellvertretend für In this context we would like to mention the die verschiedenen Referenzzentren - das Kinder- childhood tumour registry in Kiel (pathological tumorregister in Kiel als pathologisches Register registry) as a representative of reference zu nennen, an dem die pathologische Diagnostik laboratories. In this registry pathological 9
seit Ende der siebziger Jahre zentral für die soli- diagnostics are performed centrally for all solid den kindlichen Tumoren erfolgt (25). Von dieser childhood tumours since the late 70ies (25). The einheitlich pathologisch-anatomischen Bewertung uniform pathological-anatomical evaluation also profitiert auch das KKR insofern, als die so benefits the GCCR insofar, as the validated validierten Diagnosedaten von Kiel auf dem Weg diagnostic data from Kiel are included in the über die Studienleitungen auch Eingang in die registry via the clinical trials. Daten des KKR finden. Um den Datenaustausch mit den beteiligten Ein- To optimize the data exchange between us and richtungen zu optimieren, erfolgten immer wie- the other institutions involved, we continuously der Verbesserungen im Sinne von Standardisie- improve and endeavor to standardize our data. rungen. So wurde die Ära, in der in der Regel noch The era where personal computers were usually keine Personal-Computer zur Verfügung standen, not available ended in 1987, when the GCCR, with prinzipiell dadurch beendet, dass im Jahr 1987 alle financial support from the Deutsche Krebshilfe, Studienleitungen einheitlich mit Personal-Com- installed personal computers, including the data putern mit finanzieller Unterstützung der Deut- entry software developed here, in all therapy schen Krebshilfe durch das Kinderkrebsregister centers. The next steps were founding a working ausgestattet und die Erfassungsprogramme zen- group for computer application in paediatric tral am KKR erstellt wurden. Ein weiterer Schritt oncology and haematology and the publication of in diese Richtung waren die Gründung der „Ar- a basic data set definition in 1994, which can be beitsgemeinschaft Angewandte Informatik in der considered a milestone in the standardization pädiatrischen Onkologie und Hämatologie“ und efforts within the Society of Paediatric Oncology die Veröffentlichung eines Basisdatensatzes im and Haematology (GPOH) (1). Since then the Jahr 1994 (1), der als ein Meilenstein der fortwäh- definition of the set of variables relevant for the renden Standardisierungsbestrebungen innerhalb GCCR has been revised from time to time, der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und reducing quantity for the sake of quality. Hämatologie (GPOH) zu sehen ist. Die Definition der für das Kinderkrebsregister relevanten Daten wurde in angemessenen zeitlichen Abständen immer wieder modifiziert, wobei hier versucht wurde, den Umfang zugunsten der Datenqualität zu beschränken. Bereits im Jahr 1982 erschien der erste Jahresbe- The first annual report was published in 1982. The richt des Deutschen Kinderkrebsregisters, dessen current, third generation of reports was aktuelle, dritte Generation mit dem Bericht für established for the 1997 report; for the first time 1997 erstmals zweisprachig publiziert wurde und bilingual and thus distributed internationally (900 damit auch im englischsprachigen Raum einen copies). The GCCR has its own homepage in the deutlich verbreiterten Interessentenkreis an- internet where the full report plus further detailed spricht (Auflage: 900). Darüber hinaus ist das tables are available (www.kinderkrebsregister.de). Kinderkrebsregister mit seinem Jahresbericht und weiteren, noch differenzierteren Ergebnissen im Internet verfügbar (www.kinderkrebsregister.de). Nach dem Ende der Finanzierung durch die Stif- Since the financial support from the tung Volkswagenwerk wurde langfristig die För- Volkswagenwerk foundation ran out, the Federal derung durch das Bundesministerium für Ge- Ministry of Health and the Ministry for Labour, sundheit und das Ministerium für Arbeit, Sozia- Health and Social Affairs of the state Rhineland- les und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz Palatinate equally shared the financial support übernommen, die sich das Finanzvolumen bis until 1999. Since the economic year 2000 both come 1999 zur Hälfte teilten. Seit dem Haushaltsjahr up for a third each, while the remaining third is 2000 tragen beide Förderer jeweils noch ein Drit- shared by the states of Germany. We currently tel der Förderungssumme und das verbleibende spend 790,000 DM (= 404,000 •) per year, mostly Drittel wird zwischen allen Bundesländern nach for 7 employees including 2 scientists. Now as einem definierten Schlüssel aufgeteilt. Das derzei- before, the IMSD backs this up with further tige Finanzvolumen liegt bei 790.000 DM p.a. mit financial support and personnel. At this point we 7 Personalstellen, darunter 2 Wissenschaftlern. would like to thank especially Dr. Gabriele Darüber hinaus werden auch vom IMSD weiter- Hundsdörfer (Comprehensive Program on Cancer hin personelle wie sachliche Ressourcen bereitge- Control) and Dr. Klaus Kern (Ministry for Labour, stellt. Bei dieser Gelegenheit möchten wir Frau Dr. Health and Social Affairs of the state Rhineland- Gabriele Hundsdörfer (Gesamtprogramm des Palatinate), and for the first years also Professor Bundes zur Krebsbekämpfung) und Herrn Dr. Dr. Erne Maier, for their considerable support of 10
Klaus Kern (Ministerium für Arbeit, Soziales und the GCCR. Gesundheit Rheinland-Pfalz), in der Anfangszeit auch Herrn Professor Dr. Erne Maier, ganz beson- ders für ihr großes Engagement für das Kinder- krebsregister danken. Seit dem Jahr 1991 werden die Kinder aus den Since 1991 children from the former German neuen Bundesländern ebenfalls systematisch am Democratic Republic (GDR) are systematically KKR erfasst. Hier bietet sich die einzigartige Mög- included in the GCCR. This offers a unique lichkeit der Zusammenführung zweier Populatio- opportunity to study changes, which might arise nen und der Beobachtung von Veränderungen im due to a thorough change in lifestyle. After Krankheitsgeschehen, die aufgrund grundlegend reunification the original obligation to report new veränderter Lebensumstände auftreten können. cases to the GDR cancer registry no longer existed. Mit der Wiedervereinigung war die in der dama- Informational visits in East German clinics ligen DDR bestehende Meldepflicht an das dorti- contributed to a rapid transfer of the West German ge Krebsregister weggefallen. Informations- reporting principles to the new states. Thus a high besuche von Seiten des KKR in den dortigen Kli- degree of completeness was achieved very soon niken trugen dazu bei, die für die alten Bundes- in the area of the former GDR. länder bewährten Meldeprinzipien zügig auf die neuen Länder zu übertragen. Dadurch konnte rasch ein hoher Vollständigkeitsgrad auch in der Erfassung in dem Gebiet der ehemaligen DDR er- zielt werden. Externe Kooperation External co-operation Eine enge Kooperation besteht mit dem derzeiti- We are in close co-operation with the cancer gen, für die neuen Länder nun zuständigen Krebs- registry now in charge of the East German states register (Gemeinsames Krebsregister der Länder (Common Cancer Registry of the Federal States Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Sachsen-Anhalt and the Free-States of Sachsen and Thüringen). Ebenso besteht eine Zusammenarbeit Thüringen). There is also a good co-operation with mit den Landeskrebsregistern, die zwischenzeit- the cancer registries in the other states, most of lich in allen Bundesländern ihre Arbeit aufgenom- which recently took up their operation. The basic men haben. Die Basis dafür ist die zentrale Mel- principle is the reporting of all childhood cases to dung aller kindlichen Krebserkrankungen an das the GCCR. We then pass on these reports to the KKR, von dem Meldungen im Auftrag der mel- state registry concerned, observing the respective denden Kliniken und unter Berücksichtigung der data privacy laws. jeweiligen Datenschutzgesetze an das jeweilige Landeskrebsregister weitergeleitet werden kön- nen. Auch im internationalen Bereich haben die Daten The GCCR data have a high value internationally. des Kinderkrebsregisters einen hohen Stellenwert. The International Agency for Research on Cancer In Lyon ist die International Agency for Research (IARC) in Lyon repeatedly obtained data from us, on Cancer (IARC) angesiedelt, der wir - wie auch as did various EU-projects, for international im Rahmen einiger EU-Projekte - Daten für über- analyses. The first such exchange already took geordnete internationale Auswertungen bereit- place in the 80ies and resulted in the first ever stellen. Erstmals erfolgte dies bereits Mitte der published overview of incidences world wide in achtziger Jahre und resultierte in der ersten in die- childhood cancer epidemiology (2). In the current ser Form überhaupt publizierten Zusammenstel- edition of this monograph, published 10 years lung in der Kinderkrebs-Epidemiologie (2). Für later, the GCCR contributed the largest single die nachfolgende, 10 Jahre später erschienene country database of all registries included (3). Ausgabe dieser Monographie (3) hat das Kinder- krebsregister die meisten Daten der aus über 60 Ländern beteiligten Register bereitstellen können. Die internationale Vergleichbarkeit der Register- We ensure international compatibility by strictly daten wird dadurch gewährleistet, dass wir uns adhering to the IARC recommendations. The most seit einigen Jahren strikt nach den von der IARC important aspect is the 1996 published vorgegebenen Empfehlungen richten. Hierbei International Classification of Childhood Cancer 11
kommt der 1996 publizierten International (ICCC) (4). It defines the diseases relevant for the Classification of Childhood Cancer (ICCC) (4) eine registry and assigns the diagnoses to disease ganz wesentliche Bedeutung zu. Sie ist maßge- categories. Shortly after the ICCC was published, bend zur Definition, welche Erkrankungen über- we reorganized our database accordingly and haupt als für ein solches Register relevant ange- reassigned all information on histology and sehen werden, und für die Zuordnung der Dia- localization to ICD10 and ICD-O-2. We use the gnosen zu Erkrankungsgruppen. Bereits sehr zeit- original English edition of the classification to nah zur Veröffentlichung der ICCC wurden un- achieve better international comparability. sere Daten reorganisiert, indem die Angaben zu Histologie und Lokalisation auf den ICD10 und den aktuellen histologischen Schlüssel ICD-O-2 umgestellt wurden. Grundsätzlich richten wir uns nach den englischsprachigen Originalausgaben der Schlüssel, um damit die internationale Vergleichbarkeit zu optimieren. Im Jahr 1993 erhielt das KKR von der Fach- In 1993 the GPOH requested the GCCR also to gesellschaft GPOH den Auftrag, auch die Patien- register cases developing a second malignancy ten systematisch zu erfassen, die nach einer Krebs- after a first malignancy in childhood, even if the erkrankung im Kindesalter eine weitere bösarti- second one should arise in adolescence or ge Erkrankung entwickeln, auch wenn diese erst adulthood. Such second malignancies can be the im Jugend- oder Erwachsenenalter auftritt. Um consequence of the treatment of the primary, as klarer abgrenzen zu können, welche Zweit- well as the result of a genetic predisposition erkrankungen als Spätfolge der Primär- towards malignant diseases. A first study behandlung und welche als Ausdruck eines er- investigating this issue with foundation money is höhten genetischen Erkrankungsrisikos zu be- currently followed by one funded by a federal trachten sind, wird im Anschluss an eine aus governmental program (Competence Network in Stiftungsmitteln finanzierte Studie derzeit im Rah- Medicine). men der durch die Bundesregierung erfolgten Förderung von Kompetenznetzen in der Medizin dazu ein Forschungsprojekt am Register durch- geführt. Nicht nur im Zusammenhang mit der Erfassung Long-term follow-up is regularly carried out at the von bösartigen Zweiterkrankungen wird am KKR registry in co-operation with the clinical trials, - in Zusammenarbeit mit den Studienleitungen - which includes the registration of second ein Langzeit-follow-up durchgeführt. Wenn die malignancies at later age. When patients are lost behandelnden Kliniken keinen direkten Kontakt to the treating clinic, we address the parents or mehr zu den betroffenen Familien haben, erfolgt older patients directly in suitable intervals, asking auch eine direkte Einbeziehung der Eltern und der for their health status. Unknown changes of mittlerweile jugendlich oder erwachsen geworde- address are searched through public records. nen ehemaligen Patienten, indem sie direkt in angemessenen zeitlichen Abständen nach dem aktuellen Gesundheitszustand gefragt werden. Hierbei erfolgen zum Wiederauffinden von Fami- lien auch Adress-Recherchen über Einwohner- meldeämter. Seit 1995 wird im Rahmen des Modellprojekts Since 1995 the German Neuroblastoma Screening „Neuroblastom Früherkennung“ die Frage ge- Trial investigates whether it would be sensible to klärt, ob die Einführung dieses Tests sinnvoll ist. introduce general neuroblastoma screening. The Das Kinderkrebsregister hat hieran einen entschei- cancer registry is instrumental in this, as a denden Anteil, da eine vollständige Erfassung al- complete recording of all cases is required for the ler Fälle für die Evaluation unabdingbar ist. evaluation, as is our epidemiological expertise. Einen Überblick über unsere Schwerpunkte auf The symposium celebrating our 20th anniversary dem Gebiet der epidemiologischen Forschung in December 2000 will give an overview over the wird das Symposium geben, das wir anlässlich des main areas of our work. 20-jährigen Bestehens des Deutschen Kinder- krebsregisters mit dem Thema „Aktuelle Aspek- te der Krebsepidemiologie“ im Dezember 2000 durchführen. 12
Wichtige Ergebnisse aus 20 Jahren Important results from 20 years Jedes Jahr werden etwa 1700 bis 1800 neue Erkran- Every year about 1700 to 1800 newly diseased kungen bei Kindern unter 15 Jahren an das cases under 15 years are reported to the registry. Kinderkrebsregister gemeldet. Dies entspricht This is equivalent to about 13 to 14 new cases per etwa 13 bis 14 Neuerkrankungen pro 100.000 Kin- 100,000 children per year; every 500th child will der jährlich, etwa jedes 500. neugeborene Kind be diagnosed with cancer in its first 15 years of erkrankt innerhalb seiner ersten 15 Lebensjahre life. The incidence rate in the first five years of an einer bösartigen Krebserkrankung. Die life is about twice as high as at later age, in every Erkrankungsrate in den ersten fünf Lebensjahren age class the rate is higher for boys than for girls. ist etwa doppelt so hoch wie im späteren Kindes- The most frequent malignancies are leukaemias alter und die Rate ist in jeder Altersklasse bei Jun- and brain tumours. gen höher als bei Mädchen. Am häufigsten treten Leukämien und Hirntumoren auf. Man kann davon ausgehen, dass etwa 95% aller We presume to know about 95% of all cases in in Deutschland erkrankten Kinder dem Register Germany. There is underreporting for brain bekannt sind. Bei Hirntumoren ist dies weniger, tumours, compared to other international hier fehlen leider im internationalen Vergleich mit registries we estimate this at 20%. Compared to anderen Registern bis zu 20 % der Erkrankten. Ge- other large registries world-wide we observe genüber anderen großen Krebsregistern, die Da- slightly lower rates for most diseases. ten für das Kindesalter bereitstellen, sind die in Deutschland beobachteten Erkrankungsraten ge- nerell etwas niedriger. Die Daten des Kinderkrebsregisters belegen, dass Analyses based on our data show evidence that die Heilungschancen in Deutschland deutlich ge- the chances of surviving childhood cancer have stiegen sind. Während z. B. Anfang der achtziger risen considerably in Germany. While about 69% Jahre 69% der an Leukämie erkrankten Kinder of all leukaemia patients survived the first five fünf Jahre nach Beginn der Erkrankung noch leb- years after diagnosis in the 80ies, now, at the end ten, sind es nun am Ende der neunziger Jahre 81%. of the 90ies, these are 81%. Over all cases Nimmt man alle bösartigen Erkrankungen der diagnosed in the last 20 years, 69% survived for letzten 20 Jahre zusammen, so leben 10 Jahre nach at least 10 years after diagnosis. Diagnosestellung noch 69% der erkrankten Kin- der. Generell ist es eine wichtige Frage, ob regionale Regional differences and time trends are Unterschiede zu beobachten sind und ob kindli- important for generating hypotheses regarding che Krebserkrankungen im Laufe der Zeit zu- oder possible risk factors. Regionally we find no abgenommen haben, u. a., um daraus Hinweise difference between north and south or east and auf mögliche Ursachen zu gewinnen. Betrachtet west. We do not find any significant clusters man die Verteilung der regionalen Erkran- either. There are of course regions with higher and kungsraten (z.B. auf Landkreisebene), so ist kein regions with lower incidence, a natural Unterschied beispielsweise zwischen Nord und consequence of statistical variation. However, Süd oder Ost und West zu verzeichnen. Eine sy- there are not more communities with significantly stematische, auffällige Clusterung im Sinne einer elevated disease rates than would be expected Häufung von Regionen mit erhöhter given statistical random variation (assuming a Erkrankungsrate ist nicht zu beobachten. Dass es Poisson distribution). einzelne Regionen mit höherer und einige mit niedriger Erkrankungsrate gibt, ist selbstverständ- lich: Jede statistische Verteilung muss höchste und niedrigste Werte aufweisen. Es gibt jedoch nicht mehr Gemeinden mit besonders hohen Erkrankungsraten als aufgrund des statistischen Zufalls (unter Annahme der Poisson-Veteilung) zu erwarten wäre. Neben routinemäßig durchgeführten regionalen Our routine regional analyses are supplemented Analysen werden z.B. aufgrund von Anfragen an by small area analyses at the request of worried das Register durch besorgte Bürger, Journalisten, citizens, journalists, health administrations etc. Gesundheitsämter etc., auch kleinräumige Aus- Often we do not see more cases than expected in wertungen durchgeführt. Häufig zeigt sich nach a region, a short written statement is sufficient Abklärung der vor Ort, z.B. in einer Gemeinde, then. In the case of increased local incidences, 13
gemachten Beobachtungen, dass insgesamt nicht more extended investigations may follow, mehr Kinder erkrankt sind als auch zu erwarten including sending questionnaires to the involved wären. Hier genügt meist eine kurze schriftliche families. Examples for such investigations are our Stellungnahme. Wenn sich jedoch örtlich stati- activities in the communities Elbmarsch, stisch auffällig erhöhte Erkrankungsraten zeigen, Heuchelheim, Simmerath, Sittensen, or Sonsbeck. können im Anschluss an eine ausführliche Sich- There was public interest in these and we tung der Datenlage durchaus auch umfangreiche- provided written statements. So far we have never re Analysen angestoßen werden, z.B. auch unter been able to find evidence of local risk factors. Einbeziehung der betroffenen Familien durch de- Experiences from other countries show that it is ren Befragung. Es gibt einige Gemeinden mit sta- very unlikely to find a specific cause for a solitary tistisch auffällig erhöhter Erkrankungsrate, in de- disease cluster. nen solche Zusatzauswertungen durchgeführt werden, einige davon seien hier beispielhaft ge- nannt: Elbmarsch (Landkreis Harburg), Heuchel- heim (Landkreis Gießen), Simmerath (Landkreis Aachen), Sittensen (Landkreis Rotenburg- Wümme), Sonsbeck (Landkreis Wesel). Diese und andere standen bereits in öffentlichem Interesse, Stellungnahmen von uns wurden erarbeitet. Bis- her haben die von uns durchgeführten Untersu- chungen jedoch keine lokal wirksamen Ursachen gefunden. Erfahrungen auch aus dem Ausland zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auf- finden einer konkreten Ursache aufgrund einer solitären Krankheitshäufung generell sehr gering ist. Unsere Daten geben keinen deutlichen Hinweis The data of the GCCR do not show a time trend. auf einen zeitlichen Trend. Der in den ersten Jah- The increase in the first years is due to an increase ren unserer Registrierung beobachtete Anstieg ist in completeness. For East Germany we have auf den verbesserten Vollständigkeitsgrad der Er- observed an increase in the sense of the East fassung zurückzuführen. Zusätzlich zu einem sol- German rates becoming more similar to the West chen technisch bedingten Artefakt ist in den neu- German ones. It is possible that lifestyle factors, en Bundesländern ein Anstieg im Sinne eines which changed in the last years in East Germany, Angleichs an die westdeutschen Erkrankungs- influence the incidence of malignant disease, raten zu beobachten. Hier ist es denkbar, dass die especially leukaemia. For example, the vaccination Veränderung der Lebensgewohnheiten das Auf- rate dropped considerably in the East and there treten bösartiger Erkrankungen bei Kindern, ins- are now fewer infants in nurseries. Both factors besondere von Leukämien, mit beeinflusst. So ließ may have led to less immune system stimulation beispielsweise in den neuen Ländern der Durch- and consequently to more leukaemias in young impfungsgrad nach der Wiedervereinigung deut- children due to later infections (Greave’s lich nach. Wenn dadurch in der sehr jungen Be- hypothesis). It remains to be seen whether further völkerung das Immunsystem ganz allgemein we- investigations confirm this hypothesis. niger stimuliert wird, könnten möglicherweise häufiger Leukämien auftreten. Diesen Vermutun- gen soll demnächst in einer speziellen Studie nach- gegangen werden. Untersuchungen im Hinblick auf Ursachen von Investigations of risk factors are a mainstay of our bösartigen Erkrankungen bei Kindern auf der Ba- work. Such studies always require additional sis des Kinderkrebsregisters stellen einen Schwer- funding. A very important instrument are parental punkt unserer Arbeit dar, wobei derartige epide- interviews, which are a valuable source of miologische Studien grundsätzlich nur mit zusätz- information thanks to the enthusiasm and lichen Drittmittelgeldern durchführbar sind. Ei- compliance from their part. Since 1991 we nen ganz hohen Stellenwert hatten dabei bisher routinely request a number of epidemiological Befragungen der betroffenen Eltern, die dank de- variables from the parents after they first bring in ren großen Engagements eine ausgezeichnete their child to the clinic. In 1997 we published our Datenquelle darstellen. So erheben wir unter an- so far most extensive epidemiological study (5). derem routinemäßig seit 1991 epidemiologische In this case control study we questioned 5000 Merkmale durch die Eltern anlässlich des ersten families (2400 case parents and 2600 control Klinikaufenthaltes ihres Kindes. Im Jahr 1997 er- parents). We were able to address a number of 14
folgte die Veröffentlichung der bisher größten, am questions with this study, which is among the Kinderkrebsregister angesiedelten epidemiologi- largest of its kind internationally (6-10). During schen Studie (5). Es handelt sich um eine the study phase up to 28 persons were involved Fallkontrollstudie, in der eigens dafür etwa 5000 in the project (registry employees and otherwise Familien befragt wurden (2400 Eltern erkrankter funded personnel), including 5 scientists and up und 2600 Eltern nicht erkrankter Kinder). Zahl- to 12 scientific aides at a time. In the future we reiche Veröffentlichungen ergaben sich aus die- anticipate epidemiological studies including more ser Studie, die auch weltweit eine der größten die- molecular biological aspects. ser Art ist (6-10). Während der Studienphase wa- ren bis zu 28 Personen für das Vorhaben tätig (Mit- arbeiterzahl am Register inkl. weiterer Drittmittel- stellen), davon 5 Wissenschaftler und bis zu 12 wissenschaftliche Hilfskräfte gleichzeitig. Für die Zukunft sind auch stärker molekularbiologisch ausgerichtete epidemiologische Studien geplant. Unsere Daten geben einige Hinweise auf mögli- Our data allowed us to investigate risk factors. For che Krankheitsursachen, zum Beispiel auf den ak- example, some associations between the immune tuell diskutierten Zusammenhang zwischen dem system and the occurrence of leukaemia could be Immunsystem und dem Auftreten von Leukämien seen (6). Also exposure to electro-magnetic fields (6). Auch mag die Belastung von Kindern gegen- at night may pose a health threat (11, 12). Our über höheren, gemessenen Magnetfeldern parent questionnaire data showed an increased („Elektrosmog“) während der Nacht eine gesund- leukaemia risk for children whose parents used heitliche Beeinträchtigung darstellen (11, 12). pesticides in agriculture or insecticides in their Unsere auf Elternbefragungen beruhenden Daten homes (the latter may also be a risk factor for ergaben einen Hinweis auf ein erhöhtes Leuk- lymphomas) (9, 13). Additionally we found some ämie-Risiko bei Kindern, deren Eltern in der Land- potential risk factors for leukaemia, such as young wirtschaft Pestizide oder im Haushalt Insektizi- maternal age at birth or unusually high or low de einsetzen (letzteres möglicherweise auch für birth weight (7). Lymphome) (9, 13). Auch einige Faktoren im Zu- sammenhang mit Schwangerschaft und Geburt könnten aufgrund unserer Auswertungen für Leukämien ursächlich sein (z.B. junges Alter der Mutter bei Geburt des später erkrankten Kindes, besonders hohes oder niedriges Geburtsgewicht) (7). Eine Studie, in der Blut von erkrankten und von In a study comparing blood from diseased and nicht an Krebs erkrankten Kindern miteinander healthy children regarding serological bezüglich serologischer Merkmale verglichen characteristics, we found the Epstein-Barr-virus wurde, ergab, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) (EBV) to play a role in leukaemias in very young wohl eine Rolle bei der Entwicklung von Leuk- children (< 6 months) (14). We consider it ämien bei sehr jungen Kindern (unter 6 Monate) important that we could not confirm a previous spielt (14). Ein weiteres wichtiges Ergebnis unse- study (15) making Vitamin K, given to stop rer Untersuchungen war, dass die Vitamin K-Gabe bleeding in newborns, responsible for leukaemias bei Neugeborenen zur Vermeidung früh- or other tumours (16). Exposure to ionizing kindlicher Blutungen entgegen den Ergebnissen radiation does not seem to be a risk factor for einer früheren englischen Studie (15) weder mit childhood malignancies in Germany (based on dem Auftreten von Leukämien noch mit anderen parental questionnaires concerning parental Tumoren verbunden ist (16). Auch spielt die Be- occupational exposure and children’s exposure lastung mit ionisierender Strahlung derzeit in prior to diagnosis) (8). Deutschland keine epidemiologisch erkennbare Rolle bei dem Entstehen kindlicher bösartiger Er- krankungen (basierend auf Elternbefragungen zu deren beruflichen Strahlenbelastung und zur Exposition der Kinder vor deren Erkrankung) (8). Zwei Untersuchungen wurden von uns zu der We conducted two studies investigating whether Frage durchgeführt, inwieweit in der Nähe deut- proximity to nuclear power stations increases the scher kerntechnischer Anlagen erhöhte Krebs- childhood cancer rate (17, 18). Except for the erkrankungsraten bei Kindern zu verzeichnen Krümmel plant the German nuclear power sind (17, 18): Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit stations in general show no increased incidence 15
Ausnahme der Region um das Kernkraftwerk rates in their vicinity. This result was discussed Krümmel in der Nähe von deutschen Kernkraft- controversially, and partly also quite emotionally, werken generell keine erhöhten Erkrankungsraten in the German public. zu beobachten sind. Dieses Ergebnis wurde in der Öffentlichkeit kontrovers und zum Teil leider auch unsachlich diskutiert. Eine oft an uns herangetragene Frage betrifft die We have frequently been asked about possible möglichen Folgen des Reaktorunfalles in Tscher- consequences of the accident in Chernobyl. We nobyl. Für die 1988 geborenen Kinder fiel ein noticed a brief increase in the neuroblastoma rates kurzfristiger Anstieg der Erkrankungsrate für das for children born in 1988 in the regions more Neuroblastom in den von dem Unfall im Jahr 1986 exposed to the fallout of the 1986 accident (mostly höher belasteten Regionen (vorwiegend südlich south of the Danube). A case control study could der Donau) auf. Eine aufgrund dessen durchge- not show a causal relationship however, we could führte Fallkontrollstudie konnte dies aber nicht show, that this was rather the result of increased belegen; es zeigte sich, dass der beobachtete An- awareness on the part of parents and physicians stieg durch einen deutlich erhöhten Aufmerk- (19). An increase in the leukaemia rates among samkeitsgrad der werdenden Mütter und der un- children born soon after the accident can be seen, tersuchenden Ärzte bedingt war (19). Die Daten but it occurred mostly in the less exposed regions des Deutschen Kinderkrebsregisters zeigen auch (20, 21). In general we do not see an increased in einer Kohorte von unmittelbar nach dem Un- incidence following the accident, especially not for fall geborenen Kindern einen Anstieg bei den thyroid cancer, which increased dramatically in Leukämien, jedoch ist dieser in den eher weniger Belarus. In Europe the IARC conducted a special belasteten Regionen zu verzeichnen (20, 21). Ge- study (ECLIS) on the association between the nerell weisen die Daten des Deutschen Kinder- accident and leukaemia and lymphoma rates, but krebsregisters nicht auf eine durch den Tschern- it found no difference between less and more obyl-Unfall bedingte Erhöhung hin, auch nicht für exposed regions (22). die Schilddrüsenkarzinome, für die in Weißruß- land ein dramatischer Anstieg zu verzeichnen war. Auch in der europäischen, von der IARC durchgeführten ECLIS-Studie, in der eigens un- tersucht wurde, ob der Reaktorunfall von Tschern- obyl eine Auswirkung auf die Häufigkeit von Leukämie- und Lymphom-Erkrankungen bei Kin- dern hat, wurden keine Effekte beim Vergleich von stärker und nicht stärker durch den Unfall belasteten Regionen nachgewiesen (22). Die Bedeutung der am Kinderkrebsregister durch- The studies conducted at our registry are espe- geführten epidemiologischen Untersuchungen cially important due to their size, the completeness liegt im wesentlichen darin, dass infolge des ho- of the registry and the good compliance of the hen Vollständigkeitsgrades der Erfassung und der parents. The results are thus representative for hohen Teilnahmerate der Eltern im allgemeinen Germany. eine große Fallzahl zugrunde gelegt werden kann und die Ergebnisse generell für Deutschland re- präsentativ und damit verallgemeinerungsfähig sind. 16
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