2020 das Jahr der Unruhen? - CIO-AUSBLICK - Columbia Threadneedle

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2020 das Jahr der Unruhen? - CIO-AUSBLICK - Columbia Threadneedle
❱❱❱ Einen Schritt voraus – Globale Erkenntnisse für 2020

                                                2020 – das Jahr
                                                der Unruhen?
                                                CIO-AUSBLICK

            Von William Davies, EMEA CIO

            2020 droht ein Jahr voller Unruhen zu werden, ausgelöst durch Bürgerproteste
            und anhaltende Handelskriege bis hin zu politischen Umbrüchen und volatilen
            Märkten. Die globale Wirtschaft dürfte dabei in allen Regionen ihr langsameres
            und weniger gleichmäßiges Wachstum fortsetzen. In Anbetracht des anhaltend
            schwachen Wachstums, der niedrigen Zinsen und der geringen Inflation
            beschreiten wir einen schmalen Pfad, auf dem sowohl den Aufwärtsrisiken –
            wie einer überraschenden Wachstumsbeschleunigung – als auch den
            Abwärtsrisiken, einschließlich der Gefahr einer tieferen Rezession, Rechnung
            getragen werden muss. Durch unseren globalen Ansatz und unser intensives
            Research sehen wir uns in einem solchen Marktumfeld gut aufgestellt, um diese
            Konjunktur- und Marktbewegungen erfolgreich zu meistern.

            Konjunktur
            Im Spätsommer diesen Jahres erreichten wir einen kritischen Punkt, an dem die Frühindikatoren
            Niveaus markierten, die in der Vergangenheit regelmäßig Vorbote einer Rezession in den
            Industrieländern waren. Tatsächlich folgte in den letzten Jahren auf die Inversion der US-Treasury-
            Zinskurve meistens eine Rezession. Nun könnte man behaupten, dass die Gefahr einer Rezession
            noch nicht gebannt ist. Sie ist aber auch keine ausgemachte Sache, und im Laufe des Jahres
            konnten wir mehr Vertrauen in das Szenario einer verhalteneren Konjunkturverlangsamung aufbauen
            – sei dies nun in Form eines geringen, aber positiven oder eines leicht negativen Wachstums.

            Wenn in der Vergangenheit unser interner Rezessionsindikator für die USA die Marke von 30 %
            erreichte, war es immer wahrscheinlich, dass eine Rezession eintritt. Im September lag der Indikator
            bei 24 %, doch dieses Risiko lässt nun nach. Nach Lage der Dinge spielt es vielleicht keine große
            Rolle, ob wir in eine Rezession geraten, denn diese dürfte nur mäßig ausfallen. Deutschland ist
            in diesem Jahr nur knapp einer Rezession entkommen. Die Märkte zeigen deswegen aber keine
            Zeichen von Panik, zumindest solange die Arbeitslosigkeit niedrig bleibt.

            Harte wie weiche Daten zeichnen ein gemischtes Bild: Die globalen Einkaufsmanagerindizes sind
            gesunken, der Auftragseingang in der US-Industrie geht zurück, die Geschäftserwartungen in
            Deutschland sind mäßig und die Investitionen rückläufig. Somit befinden wir uns jetzt an einem
            Scheideweg. Auf der einen Seite liegt der Weg zu steigender Arbeitslosigkeit und einer vom
            US-Verbraucher herbeigeführten Rezession infolge der Abschwächung der Industriekonjunktur,
            auf der anderen Seite ein Markt mit Vollbeschäftigung, der die Verbraucher so weit stützt,
            dass sie die USA aus ihrer Produktionsmisere ziehen (dies vor allem neben potenziell positiveren
            Handelsperspektiven) und auf Reflationskurs bringen.

                                                                                                                   ❱❱❱
❱❱❱   Gemäß unserem Basisszenario ist eine Wachstumsbeschleunigung wenig wahrscheinlich,
      und genauso unwahrscheinlich ist auch eine tiefe Rezession. In diesem Umfeld bleibt das
      Marktelement der langen Duration – sei es bei Anleihen oder Aktien – relativ attraktiv.
      Die geopolitische Lage verunsichert die Anleger weiter, da auch die Handelskonflikte und der Brexit-
      Streit vor dem Hintergrund einer spätzyklischen Konjunkturphase weiterschwelen. Langfristige
      Wachstumstrends werden jedoch ebenso langfristige Chancen eröffnen, unabhängig davon, ob sich
      ein leicht positives oder leicht negatives Wachstum einstellt.

      Als Anleger müssen wir den schmalen Pfad zwischen diesen beiden Möglichkeiten beschreiten,
      wobei wir uns durch unsere aktuelle, konsequent neutrale Positionierung bestens aufgestellt sehen,
      dies erfolgreich zu tun.

      Der Aufruhr
      Wo soll nun der beschriebene Aufruhr entstehen? Oder genauer gesagt: Welche Faktoren könnten
      an den bestehenden Grundfesten rütteln? Derzeit dominiert der Handel die Schlagzeilen, doch mein
      Fokus liegt auf etwas anderem: Bürgerunruhen, die auf der ganzen Welt stattfinden, auch wenn die
      Gründe dafür in jeder Region ganz unterschiedlich sind. Zu Beginn des Jahres rückten die Proteste
      der französischen „Gelbwesten“, die sich gegen Sparmaßnahmen der Regierung richteten, stärker in
      den Blickpunkt. Die Proteste in Hongkong drehten sich zunächst um das Auslieferungsgesetz. Diese
      Unruhen haben im Hinblick auf den anhaltenden Handelskonflikt das Potenzial, die Spannungen
      zwischen den USA und China zu verschärfen. Sie haben aber auch bereits dazu geführt, dass das
      umstrittene Gesetz zurückgezogen wurde. Auch in Chile kam es zu Unruhen aufgrund einer geplanten
      Erhöhung der Nahverkehrspreise und im Libanon wegen einer Bankenkrise – von den vielen anderen
      Fällen rund um den Globus ganz zu schweigen.

      Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Werden Proteste, für die „Ungleichheit“ ein elementarer
      Faktor ist, einen Kipp-Punkt erreichen? In Chile können wir den Gini-Koeffizienten zur Bestimmung von
      Einkommensungleichheit betrachten und feststellen, dass er hier genauso hoch ist wie andernorts
      auch. Das gilt auch für die USA, wo wir mit einiger Sicherheit sagen können, dass die Ungleichheit groß
      ist. Aber an so vielen Orten scheinen sich derzeit Unruhen auszubreiten. Könnte diese Atmosphäre des
      Protests extremere Formen annehmen? Das wäre für die Märkte eindeutig negativ.

      Dass die Ungleichheit wächst, ist teilweise auf strukturelle Kräfte zurückzuführen, wie
      Unterbeschäftigung (die zunehmende Verbreitung von Null-Stunden-Verträgen und flexibleren
      Arbeitszeitmodellen), fallende Mitgliederzahlen der Gewerkschaften, Technologie und Disruption.
      Die Reaktion auf diese Kräfte ist entscheidend und könnte sogar zu einer Umkehrung der
      Globalisierung führen (hat diese es doch Unternehmen ermöglicht, sich billige Arbeitskräfte aus
      der ganzen Welt zu beschaffen). Das Thema machte sich sogar Donald Trump zunutze, der sich in
      seinem Wahlkampf auf protektionistische Maßnahmen konzentrierte. Diese sollten Anklang bei den
      heimischen Beschäftigten finden, vor allem jenen in der Stahl- und Automobilindustrie.
      Der Handelskrieg, den Trump gerade führt, hat denselben populistischen Beigeschmack.

      Die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig, und doch gibt es immer noch Unruhen. Im Falle einer Rezession
      und steigender Arbeitslosigkeit könnten die Menschen auf der Straße genauso stark reagieren.
      Noch eher denkbar ist, dass die anhaltenden Bürgerunruhen einen Wandel der Politik bewirken,
      der bestimmte demografische Gruppen begünstigt, aber gleichzeitig auch langfristig den
      Anlagerenditen und der Rentabilität von Unternehmen schadet.

      Damit kommen wir zum Brexit, der sich auf die Stimmung in und gegenüber dem Vereinigten
      Königreich auswirken wird, dabei aber kaum globale Konsequenzen nach sich ziehen dürfte. Ebenso
      wenig dürfte er in eine Rezession münden, selbst wenn er vermeintlich „ungünstig“ ausgeht. Zwar ist
      der Brexit-Ausgang wichtig für das Vereinigte Königreich und seine engsten Nachbarn, doch trägt das
      Land gerade einmal 3 % zum gesamten weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.1

      1
          Bloomberg, 30. September 2019.                                                                        ❱❱❱
❱❱❱   Risiken
      Wie erwähnt, gehen wir in unserem Basisszenario weiter von einem schwachen Wachstum, niedrigen
      Zinsen und einer geringen Inflation aus. Das globale Wachstum wird dabei gering, aber positiv oder
      leicht negativ sein – anstatt rasant zu steigen oder einzubrechen. Was aber sind nun die Faktoren,
      die diese Einschätzung gefährden?

      Der Handelskrieg bleibt entscheidend und könnte sich in beide Richtungen entwickeln. Die jüngsten
      Signale von der Handelsfront haben uns vorsichtig optimistisch gestimmt, wobei wir uns bewusst
      sind, dass die Ereignisse – nicht zuletzt angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich Nachrichten
      in den sozialen Medien verbreiten – eine plötzliche und dramatische Wendung nehmen können.
      Mit Blick auf die anstehende US-Wahl 2020 wird der Präsident allerdings auch eine gut laufende
      Wirtschaft sicherstellen wollen. Denn es liegt sicher nicht in Trumps Interesse, noch vor der Wahl
      eine Rezession zu riskieren – oder um es mit den Worten des Politikstrategen James Carville zu
      sagen: „Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf.“ Wenn überhaupt, dann stellt eine rasche Lösung im
      Handelsstreit ein Aufwärtsrisiko für uns dar. Sollte hingegen der Streit erneut eskalieren und sich die
      Lage verschlechtern, könnte dies auch zu Unterinvestition und zu Verlusten führen.

      Allgemeiner formuliert könnte sich ein Aufwärtsrisiko aus einer überraschenden
      Wachstumsbeschleunigung ergeben. Einige Marktbeobachter halten dies für wahrscheinlich,
      da sich die Kosten für Unternehmen derzeit relativ günstig darstellen, zum einen angesichts der
      niedrigen Zinsen, durch die sich auch Kredite verbilligen, zum anderen dank der Preisschwäche bei
      Rohstoffen und hier insbesondere Öl. Des Weiteren könnten die Handelsspannungen nachlassen
      und gleichzeitig die Regierungen ihre Konjunkturanreize erhöhen oder verlängern. Ein solches Umfeld
      verspricht den Unternehmen reichlich Überschussliquidität, die sie wieder investieren und so der
      Wirtschaft einen Schub geben können. Im Augenblick kaufen US-Unternehmen jedoch eher eigene
      Aktien zurück, als ihre Liquidität in Investitionen zu stecken. Auch die strukturellen Kräfte, die die
      Arbeitslosigkeit niedrig halten, dürften sich kaum ändern und plötzlich zu steigender Arbeitslosigkeit
      führen, die den Geldbeutel der Verbraucher treffen würde.

      Damit wären wir erneut beim „schmalen Pfad“ angelangt. Mir gefällt es, wenn wir markante Risiken
      erkennen können, die sowohl nach oben als auch nach unten gerichtet sind. Denn dadurch steigt
      die Wahrscheinlichkeit, dass unsere neutrale Positionierung Früchte trägt.

      Märkte, Themen und Chancen
      Was bedeutet all dies nun für die Märkte und unsere Positionierung? Für das Jahr 2020 gibt es eine
      breite Palette möglicher Szenarien, die von uns moderatere Allokationswetten erfordern, als wir sie
      in früheren Phasen des Zyklus eingegangen sind – nicht zuletzt deshalb, weil spätzyklische Phasen
      gewöhnlich mit einer erhöhten Volatilität einhergehen. In diesem von anhaltend hoher Unsicherheit
      geprägten Umfeld sollte daher der Diversifikation Priorität eingeräumt werden.

      Wir sind der Überzeugung, dass langfristige Wachstumstrends gute Anlagechancen bieten
      werden. Dabei geht es darum, echte Qualitätsunternehmen mit nachhaltig attraktiven Renditen
      zu angemessenen Bewertungen zu finden – Unternehmen, die diese die Volkswirtschaften
      dominierenden Trends bedienen werden: vom Cloud-Computing über den demografischen Wandel
      bis hin zu weniger kapitalintensiven Geschäftsmodellen. Qualitätsunternehmen lassen sich in
      allen Branchen und rund um den Globus finden, wobei die besten 10 % von ihnen 80 % der
      wirtschaftlichen Gewinne vereinnahmen.

      Weltweit ist der Umsatz öffentlicher Cloud-Dienstleistungen von 182 Mrd. USD im Jahr 2018 auf
      schätzungsweise 214 Mrd. USD (2019) und 331 Mrd. USD (2022) gestiegen.2 Unternehmen wie
      Alibaba in China wuchsen ebenso wie AWS und Azure in den USA. Was den demografischen Wandel
      betrifft, so müssen wir uns nur das explosive Wachstum in Asien anschauen, wo mittlerweile über
      50 % der Bevölkerung zur Mittelschicht gehören3 – oder die Altersstruktur in Ländern, in denen eine
      alternde Gesellschaft die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen verändert. Wir können

      2
           Gartner Forecasts Worldwide Public Cloud Revenue to Grow 17.5 Percent in 2019, Gartner, 2. April 2019.
      3.
           The Emerging Middle Class In Developing Countries, OECD, Januar 2010.                                    ❱❱❱
❱❱❱   eine Zunahme wenig kapitalintensiver Unternehmen mit zum Teil hohen Kapitalrenditen (wie Aon,
      IHS Markit und RELX) und zum anderen Teil geringen oder gar keinen Kapitalrenditen beobachten.
      Dies ist auf die wachsende Zahl von dienstleistungs- oder wissensorientierten Unternehmen
      zurückzuführen, die sehr wenig Kapital benötigen, aber wichtige Dienstleistungen für etablierte
      Unternehmen erbringen, wie etwa Softwareanalyse und Simulation. Gleichzeitig vollziehen sich
      disruptive Innovationen rasanter und sorgen dafür, dass die Renditen einiger Unternehmen durch
      die Kräfte des Wettbewerbs deutlich schneller erodieren.

      Betrachten wir nun die globalen Aktienregionen im Einzelnen. Die USA, über die wir bereits
      gesprochen haben, sind teurer als andere Märkte, dafür haben sie ein höheres Wachstumspotenzial.
      Europa ist günstiger, aber mit einem angeschlagenen Bankensystem belastet, während die
      Bewertungen in Japan signalisieren, dass Teile des Marktes günstig sind. Die demografische
      Situation des Landes ist jedoch wenig hilfreich. Und auch wenn sich dies auf lange Sicht ändern
      dürfte, so doch nicht schnell genug, um uns 2020 zu nützen.

      Kommen wir also zu China, wo sich das Wachstum zweifellos verlangsamt hat. Das ist an sich
      kein Problem, da ein geringeres Wachstum den Vorteil haben dürfte, nachhaltiger zu sein.
      Bei einer Wachstumsrate von rund 6 % könnte das Konsumwachstum attraktiv bleiben, während
      die Anlageinvestitionen schwankungsanfälliger sein dürften. Tatsächlich hat der Konsum in den
      letzten Jahren einen stabilen Beitrag zum chinesischen BIP geleistet. Und auch wenn einige
      Konsumbereiche, wie etwa der Autoabsatz, zuletzt unter Druck geraten sind, rechnen wir kurzfristig
      nicht mit einer Störung dieses Verhältnisses durch eine Industrierezession.

      Grundsätzlich versprechen die Schwellenländer langfristig mehr Wachstum als andere Märkte.
      Die wachsenden Mittelschichten in Asien (hier vor allem Indien) bleiben dabei entscheidend.
      Regional bevorzugen wir allerdings die USA wegen der schieren Anzahl von Unternehmen mit
      Wachstumspotenzial. Es ist daher kaum möglich, diesen Markt unterzugewichten.

      Auf der Fixed-Income-Seite werden sich Anlagechancen aufgrund der anhaltenden Unsicherheit
      genauso schwer finden lassen wie im Aktienbereich, wobei Anleger auch hier vorrangig auf
      Qualität oder sichere Häfen achten sollten. Angesichts des hohen Anteils von Anleihen mit Null-
      oder Negativrendite mögen die Chancen hier dünn gesät sein. Doch wie bei Aktien und anderen
      Anlageklassen gibt uns unser intensives Research auch hier den nötigen Wettbewerbsvorsprung
      und das Vertrauen, um für unsere Kunden erfolgreich an den Märkten zu agieren – selbst wenn
      der Weg dabei ein schmaler ist. So sind wir beispielsweise in Unternehmensanleihen nach wie vor
      übergewichtet, während die Ausrichtung auf Qualitätsunternehmen einen weiteren permanenten
      Anlageschwerpunkt für uns darstellt.

      Diesem schmalen Pfad, mit seinen Aufwärts- und Abwärtsrisiken, folgen wir nun schon seit zehn
      Jahren. Irgendwann werden wir auf die eine oder andere Weise davon abweichen. Im Moment
      allerdings stehen die Chancen weiterhin gut, dass wir dem Weg eines stabilen, aber niedrigen
      Inflations-, Wachstums- und Zinsniveaus weiter folgen.

                                                                                                           ❱❱❱
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