2020 MITTEILUNGEN des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e.V - museumsverband-mv.de
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Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop Museumshof Pingel Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Agrarhistori- sches Museum Heinrich-Schliemann-Museum Museum im Steintor Anklam Otto-Lilienthal-Museum Salzmuse- um Bad Sülze Stadt- und Bädermuseum „Möckelhaus“ Vineta-Museum Barth Niederdeutsches Bibelzentrum Barth KLATSCHMOHN-Verlag+Druck+Werbung GmbH Co. KG Ziegelei Benzin-Beschäftigungsgesellschaft mbH Stadtmu- seum Bergen Verein „Land und Leute“ BBL-MV Museum „Jagdschloss Granitz“ Heimatmuseum Boizenburg Borner Forst- und Jagdmuseum „Ferdinand von Raesfeld“ Marie-Hager-Haus Krummes Haus Technik- und Zweiradmuseum Usedom e. V. „Uns lütt Museum“ Dargun Museum „Festung Dömitz“ Kreisagrarmuseum Hans-Fallada-Museum Carwitz Museumsanlage Gadebusch Ernst-Moritz-Arndt-Museum Förderverein „Mönchguter Museen“ e. V. Land- schulmuseum „Verein auf der Tenne” Museum Goldberg Heimatmuseum Grabow Heimatmuseum Graal-Müritz Greifswalder Museumswerft e. V. Pommersches Landesmuseum Riemser Arzneimittel-AG „Uns Riems“, Veterinär- historisches Regionalmuseum Städtisches Museum Grevesmühlen Heimatmuseum Grimmen Archäologisches Lan- desmuseum Mecklenburg-Vorpommern, Freilichtmuseum Groß Raden Museum der Stadt Güstrow Norddeutsches Krippenmuseum Ernst Barlach Stiftung Museum der Stadt Hagenow Deutsche Privatbahn GmbH Museum „Villa Irmgard“ Schlossverein Hohenzieritz Inselmuseum Insel Poel Freilichtmuseum Klockenhagen Gerhard-Haupt- mann-Gedenkstätte Heimatmuseum Hiddensee Atelier Otto-Niemeyer-Holstein Mecklenburger Kutschenmuseum Bunker Betriebsgesellschaft mbH Kulturverein Lohmen „Herz Mecklenburg“ e. V. „Naturforschende Gesellschaft West-Mecklenburg“ e.V. NGM Stadtmuseum „Amtsturm“ Lübz Wolhynier-Umsiedler-Museum Mecklenburgisches Orgelmuseum Malchow Vereinigung Kirchturm Mirow e. V., Johanniter-Museum zu Mirow e. V. DDR-Museum Mal- chow Museumsverein Malchin e. V. Fischerstube Mönkebude Rauchhaus Möllin Stadt Neustadt-Glewe (Museum in der Burg) Kunstsammlung Neubrandenburg Regionalmuseum Neubrandenburg Heinrich-Schliemann-Gedenkstätte Neubukow Museumsverein Neukloster Museum der Stadt Neustrelitz Plastikgalerie Schlosskirche Neustrelitz Mu- seum der Stadt Parchim Museum der Stadt Pasewalk – Künstlergedenkstätte Paul Holz Historisch Technisches Muse- um Museum Alte Burg mit Hexenkeller Penzlin Plauer Heimatverein e. V. Darß-Museum Prerow Prora-Zentrum e. V. KulturKunststatt Prora, Block III TTH 2 Dokumentationszentrum Prora, Stiftung Neue Kultur Rügener Puppen- und Spielzeugmuseum Museum im Leuchtturm Förderverein Luftfahrttechnisches Museum Rechlin Heimatmuseum der Stadt Rerik Deutsches Bernsteinmuseum Provinzial Versicherung/Landesdirektion CRYPTONEUM Legenden- Museum Pinkau Interactive Entertainment GmbH Universität Rostock, Zoologische Sammlung Rostock, Allgemeine und Spezielle Zoologie Verein der Freunde und Förderer des Forst- und Köhlerhofes e. V. Rostock-Wiethagen Dunkel- kammer Rastow Heimatstuben im Haus des Gastes der Stadt Röbel Kulturstiftung Rügen, Schloss Ralswiek Kreide- museum Gummanz Fischerei- und Hafenmuseum e. V. Erlebniswelt U-Boot GmbH Volkskundemuseum Schönberg Kunstmühle Schwaan Grenzhus Schlagsdorf Museen der Landeshauptstadt Schwerin und Mecklenburgisches Volks- kundemuseum, Freilichtmuseum Schwerin-Mueß Staatliches Museum Schwerin, Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege, Archäologisches Landesmuseum Mecklenburgische Eisenbahn- freunde Schwerin e.V. Internationales Feuerwehrmuseum Schwerin e. V. Stiftung Mecklenburg-Schwerin Phantech- nikum, Technisches Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern, gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH Bernstein- museum Sellin Fritz Reuter-Literaturmuseum Heimatmuseum Sternberg Windmühlen- und Museumsverein Stove e. V. Deutsches Meeresmuseum Kulturhistorisches Museum Stralsund Heimatmuseum Strasburg (Uckermark) Thü- nen-Museum Tellow Schmetterlingsfarm Trassenheide Schifffahrts- und Marinemuseum Tessenow Stadtmuseum Teterow Heimatmuseum Tribsees Haffmuseum Ueckermünde Stadtgeschichtliches Museum Waren Müritzeum gGmbH Stadtgeschichtliches Museum „Schabbellhaus“ Wismar Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin Mühlenmuse- um Woldegk Heimatmuseum Zingst „Haus Morgensonne“ Kulturhistorisches Museum Rostock Kunsthalle Rostock
IMPRESSUM Mitteilungen des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e.V. 29. Jahrgang, 2020 Herausgeber Museumsverband in Mecklenburg-Vorpommern e.V. Vorsitzende: Dr. Kathrin Möller Koordinationsbüro Burgwall 15 18055 Rostock Telefon: 0381.81706180 Fax: 0381.81706181 E-Mail: info@museumsverband-mv.de www.museumsverband-mv.de Text- und Bildredaktion Dr. Peter Danker-Carstensen E-Mail: pe.dece@t-online.de Redaktionsschluss: 1.10.2020 Lektorat Dr. Stefan Knüppel, Lea Fürst Erscheinungsweise: jährlich © für die Abbildungen bei den jeweiligen Autoren bzw. bei den durch sie vertretenen Institutionen. Frühere Ausgaben der Mitteilungen können im Koordinationsbüro angefordert werden. Schutzgebühr 7,50 € zuzüglich Versand- kosten. Für Mitglieder des Museumsverbandes sind die Hefte kostenfrei. Nachdruck mit Genehmigung des Vorstandes. Hergestellt mit Förderung durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Umschlagbild Eine Installation mit einem Schwertwal und diversen Lärmquellen symbolisiert das Thema „Kein Lärm Meer“ im OZEANEUM Stralsund. Foto: Johannes-Maria Schlorke/Deutsches Meeresmuseum Gestaltung Marco Pahl (www.grafikagenten.de) Druck Druckerei Weidner, Rostock
INHALT VORWORT 5 BEITRÄGE 6 Umgang der Verwaltungsinstanzen im ehemaligen Bezirk Schwerin mit Kulturgut aus Republikflüchti- 6 gen-Rücklässen von 1945 bis 1949 Antje Strahl, Reno Stutz Vor 30 Jahren: „Die Hanse in Rostock“ – Eine Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte 10 im Kulturhistorischen Museum Rostock 1989/1990 Peter Danker-Carstensen Die museologische Fundgrube (1) - Volksmuseen in Mecklenburg-Vorpommern. Eine neue Abteilung im 27 Landesmuseum Peter Danker-Carstensen Die museologische Fundgrube (2) - Auch das Rostocker Museum soll Bildungsstätte sein. Ein Leser 28 zieht Vergleiche mit Museen in Thüringen und Sachsen-Anhalt Peter Danker-Carstensen AUS DEN MUSEEN 30 Das Schliemann-Museum begeht sein 40-jähriges Jubiläum Undine Haase 30 … doch der zweite folgt sogleich! – Die neue Dauerausstellung im Museum für Alltagskultur der Griesen 34 Gegend, Teil 2 Thomas Kühn „Lehmbaurenovierung“ im Heimatmuseum Warnemünde Christoph Wegner 39 Das Deutsche Meeresmuseum widmet sich der Problematik Unterwasserlärm Diana Meyen 40 Otto Lilienthal bei der US Airforce Academy Bernd Lukasch 43 Museum in Zeiten von Corona. Ein Anklamer Erfahrungsbericht Bernd Lukasch 44 Ein großer Gelehrter und sein Meisterwerk Wilfried Hornburg 46 Eine beispielhafte Museumsgeschichte und eine beispielgebende Forschungsarbeit. Annelise-Wagner- 50 Preis für Dr. Elke Pretzel Marco Zabel Neue Publikationen aus Museen in Mecklenburg-Vorpommern Peter Danker-Carstensen 53 VERBANDSLEBEN 55 Bericht zur Herbsttagung 2019 des Museumsverbandes in M-V in Plau am See Ortwin Pelc 55 MITTEILUNGEN 57 Pressemitteilung des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. vom 15. Mai 2020 57 Vorstand Museumsverband M-V
INHALT 58 Pressemitteilung: WIR „HORTEN“ NICHT, WIR BEWAHREN! - Antwort des Vorstandes des Museums- verbandes in M-V auf den OZ-Artikel vom 13. August 2020 Vorstand des Museumsverbandes in M-V 60 Neuigkeiten aus der Fachstelle des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. Vorstand des Museumsverbandes in M-V 61 30 Jahre Friedliche Revolution – Der Herbst 89 in Waren Jürgen Kniesz 62 Rezension Juliane Stückrad: Heimatstuben. Eine ethnografische Studie zu sieben Fallbeispielen Bernd Lukasch 64 Rezension Sabine Maurischat: Konservierung und Pflege von Kulturgut – Leitfaden für die Praxis Renate Seemann 66 PERSONALIA 66 Zum Tode von Gerhard Schulze (1938–2019) Harald Benke 68 Nachruf Silvana Rieck (1958–2020) Lisa Riess 69 In memoriam. Peter Maubach (1938–2020) Jürgen Tremper 71 Museum soll Spaß machen – Obermuseumsrat Sonnfried Streicher wurde 90! Peter Danker-Carstensen 73 Ein Leben für die Museen – Ingrid Schmidt zum 80. Geburtstag Peter Danker-Carstensen 75 Museumsrat Klaus Tiedemann ist 75 Jahre jung geworden Wolf Karge 77 Neue Leiter und Mitarbeiter in den Malchower Museen Carsten Neumann 79 Laura Tack und Andrej Quade neu in der Fachstelle des Museumsverbandes Vorstand des Museums- verbandes in M-V 81 Neue Leiterinnen und Leiter in den Museen in Mecklenburg-Vorpommern Vorstand des Museums- verbandes in M-V 82 Vorstandsmitglieder des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. 2020 83 Institutionelle Mitglieder des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. 2020 94 Fördernde Mitglieder des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. 2020 95 Individuelle Mitglieder des Museumsverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e. V. 2020 96 Autorenverzeichnis
VORWORT VORWORT Kathrin Möller Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde der Mu- keine Aufträge mehr, Musiker konnten für Aus- seen und ihrer Sammlungen, stellungseröffnungen nicht geordert werden, Gra- haben wir so etwas schon einmal erlebt? Museen fiker fehlen in Sonderausstellungsprojekten. Zwar müssen aufgrund der Coronavirus-Pandemie über sind verschiedenste Förderprogramme aufgerufen Wochen schließen. Kollegen werden in die Kurz- worden, aber solo-selbstständige Künstler, Wis- arbeit nach Hause geschickt oder dürfen/müssen senschaftler und Restauratoren fallen durch das im Homeoffice agieren. Dem Shutdown im Früh- Raster der meisten Fördermaßnahmen. jahr folgte die Neueröffnung und eine teilweise Opfer des Virus wurden aber auch die Feierlich- Normalisierung im Sommer. Doch mit dem Herbst keiten zu runden Geburtstagen einzelner Museen. läuft eine neue Welle steigender Infektionszahlen Die Freilichtmuseen in Schwerin-Mueß und Klo- auf uns zu. Und mit ihr kommt die Ungewissheit ckenhagen sowie das Schifffahrtsmuseum Ros- zurück: Wird es neue Schließungen geben? Kom- tock wollten ihre 50. Geburtstage begehen. Die men wir gesund durch die Krise? Festivitäten mussten jedoch ins kommende Jahr Die Pandemie zwingt uns, über die Rolle der Mu- verschoben werden. Undine Haase stellt stellver- seen und ihre Angebote nachzudenken. Mit zahl- tretend für alle Jubilare das Schliemann-Museum reichen Angeboten wie virtuellen Ausstellungs- Ankershagen in seinem 40. Jahr vor. rundgängen, digitalen Sammlungen, Podcasts, Gleich mehrere Beiträge haben einen sehr trauri- Online-Spielen und vielem mehr haben die Muse- gen Anlass. Wir mussten uns von Kolleginnen und en der Öffentlichkeit den Zugang zu ihren Inhalten Kollegen verabschieden, die wir viele Jahre kennen bewahrt. und schätzen gelernt haben. Gevatter Tod ließ sich Einrichtungen, die von den Einnahmen durch Ein- nicht überlisten und riss große Lücken in unserer trittsgelder, Vermietung und Veranstaltungen Mitte, die nicht zu schließen sind. Ihr Wirken für leben müssen, helfen diese Angebote aber nur die Museen Revue passieren zu lassen, ist An- wenig. In der Diskussion um die Liquidität von Mu- liegen der Beiträge von Lisa Riess, Harald Benke seen wird deutlich, wie knapp die Budgets in vielen und Jürgen Tremper. Sie erinnern an unsere viel zu Häusern gestrickt sind. Hier sind die Träger aufge- früh verstorbenen Kollegen Silvana Rieck, Gerhard fordert, Förderungen zu überdenken und Kultu- Schulze und Peter Maubach. reinrichtungen so auszustatten, dass sie auch in derartige Krisen überleben können. Der Museums- Und was gibt es sonst noch Neues aus den Museen verband M-V e. V. fordert deshalb entschieden, die im Lande? Lesen Sie selbst! gegenwärtig notwendigen Einschränkungen zum Anlass zu nehmen, die Grundlagen für eine neue Dr. Kathrin Möller Museumspolitik zu schaffen. Die Pflege des kul- Vorsitzende des Museumsverbandes turellen Erbes unseres Landes muss zu einer auch in Mecklenburg-Vorpommern e. V. finanziell abgesicherten Pflicht werden. Verlierer der knappen Finanzen sind vor allem un- sere freien Mitarbeiter: Restauratoren erhalten 5
BEITRÄGE BEITRÄGE Antje Strahl, Reno Stutz Umgang der Verwaltungsinstanzen im ehemaligen Bezirk Schwerin mit Kulturgut aus Republikflüchtigen-Rücklässen von 1945 bis 1949 Hinter diesem sperrigen Namen verbirgt sich ein Fluchtbewegungen. Dabei wurde Privatbesitz zu- seit 2019 laufendes zweijähriges Projekt des Deut- rückgelassen, der in staatlichen Besitz überführt schen Zentrums für Kulturgutverluste (DZK) in wurde. Das Projekt möchte die Zugriffsabläufe Magdeburg in Kooperation mit dem Museumsver- und Verwertungsstrategien nach einem behörd- band Mecklenburg-Vorpommern e. V. Bearbeitet lich unangemeldeten Verlassen der SBZ bzw. DDR wird es von den beiden Rostocker Historikern Dr. (ab 1953 als sog. Republikflucht bezeichnet) in al- Antje Strahl und Dr. Reno Stutz. Antje Strahl bear- len seinen Facetten bis hin zum heutigen Standort beitete bereits mehrere DZK-Projekte an der Uni- (Belegenheitsort) des aufgegebenen beweglichen versität Rostock, u. a. zur Rückgabe von Büchern Besitzes (insbesondere von Kunst- und Kulturgü- der hiesigen Universitätsbibliothek mit jüdischer tern) mit vorhandenen Dokumentationsmitteln Provenienz und zum Thema Freimaurer. Reno erforschen. Vor allem soll dabei folgenden Fragen Stutz führte im Auftrage des DZK und des Muse- nachgegangen werden: Was waren die Ursachen, umsverbandes mit der Kunsthistorikerin Anne Pa- die Ausmaße, die Wirkungen und die langfristigen schen von 2016 bis 2018 einen Erstcheck hinsicht- Folgen (bis in unsere Zeit hinein) des behördlich lich problematischer Provenienzen von Objekten unangemeldeten Verlassens des Gebietes der SBZ in den Beständen von zwölf Museen unseres Bun- oder DDR? Lassen sich normative Regeln und Aus- deslandes durch (siehe Mitteilungen, Heft 2018). nahmen dabei erkennen? Ermittelbare Akten und Aufgabe des zweijährigen Projektes ist es, in sonstiges Belegmaterial in unterschiedlichsten Ar- Form einer Grundlagenstudie die Struktur, die chiven sollen dabei eingeordnet, ausgewertet und Mechanismen, das Institutionsgeflecht sowie mit dem Blick auf spätere Provenienzforschung zu die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Republikflüchtigen-Gut beurteilt werden. Welche Rahmenbedingungen der Flucht aus der SBZ/ Beteiligten, Akteure und Nutznießer sind dabei DDR (1945–1989) aufzudecken. Bisher zeigte sich auszumachen? Sie sollen benannt, strukturell be- nämlich – auch durch eigene Erfahrungen im Erst- schrieben und auch auf sie bezogene legislative checkprojekt gespeist –, dass eine erfolgreiche und Veränderungen (z. B. von Abläufen oder Zustän- effiziente Provenienzforschung nur über das Ver- digkeiten) innerhalb der Zeitspanne von 1945 bis stehen der SBZ und der DDR in ihren Basisstruk- 1989 erforscht, erfasst, erklärt werden. turen funktioniert. Dabei gilt es nicht zuletzt, den Im Fokus steht dabei stets die Kernfrage, inwiefern Einfluss der SED, des MfS sowie der Bezirks- und Kulturgut davon betroffen war: Worum handelte Kreisverwaltungen auf den Umgang mit enteig- es sich (regulär oder im Ausnahmefall) bei Flüch- neten, entzogenen oder (nach DDR-Verständnis) tigen-Rücklässen? Wie wurde mit unterschiedli- „herrenlosen“ Kunstgütern herauszuarbeiten. chen Objektgruppen individuell verfahren? Wie, Von 1945 bis 1989 kam es zu umfangreichen wo und von wem wurde es erfasst, verwaltet, be- 6
BEITRÄGE gutachtet, bewertet oder veräußert? Was geschah M-V, Landeshauptarchiv Schwerin, BStU Schwe- damit unmittelbar, wohin gelangte es später, wo rin, Stiftung Mecklenburg, Staatliches Museum befindet es sich heute? Gibt es Kennzeichen, spe- Schwerin u. a.) geplant. zielle Archivalien (z. B. Erfassungslisten), die einer Erst seit wenigen Jahren stellt sich das Bundesland Aufspürung, Erforschung, Dokumentation dienen Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Museen der können? Wo sind Teile solcher Rücklässe 1990 Problematik Provenienzforschung unter besonde- nachweisbar, was geschah nach 1990 damit, wie rer Fokussierung auf die Zeit des Nationalsozia- sind sie heute (z. B. innerhalb öffentlicher Samm- lismus 1933 bis 1945. Bemerkenswerte Ergebnis- lungen) erkennbar, ermittelbar, einzuordnen? se konnten dabei bereits in den großen Häusern Darüber hinaus soll ermittelt werden, wie der des Landes (Kulturhistorisches Museum Rostock, Rechtsstatus des Kulturgutes durch die Jahrzehn- Staatliches Museum Schwerin, Pommersches te war, welche Gesetze und Verordnungen jeweils Landesmuseum Greifswald) erzielt werden. Aller- gegolten haben und welche gesetzlichen Grund- dings bezogen sich die Forschungen ausnahmslos lagen in unserer heutigen Zeit für das damals auf eigene Bestände. abhanden gekommene Kulturgut neu gelten oder Begrenzte Projekte liefen von 2014 bis 2017 an ggf. fortgelten (beispielsweise Ersitzung, Verjäh- der Universitätsbibliothek Rostock – hier wurde rung, Rehabilitierungsgesetze, Vermögensgeset- nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Büchern ze). gefahndet – und seit Herbst 2017 am Deutschen Zu diesem Zweck werden zunächst Aktenbestän- Meeresmuseum in Stralsund. Ein kurzfristiges de, wie die bei der Stiftung Mecklenburg überlie- Projekt, die zwangsweise Auflösung der mecklen- ferten Quellen, die die Flucht mecklenburgischer burgischen Freimaurerlogen im Nationalsozialis- Landwirte aus den einzelnen Kreisen des Landes mus betreffend, ist im Sommer 2018 an der Uni- Mecklenburg beinhalten, ausgewertet. Darüber versität Rostock zum Abschluss gebracht worden. hinaus müssen die Überlieferungen der Kreisver- Ein erster Versuch, die Thematik in der Breite zu waltungen und Kreistage (1945–1952) sowie des verankern, stellte das im August 2016 etablierte Rates des Bezirkes Schwerin (1952–1990) im Lan- zweijährige Projekt „Provenienzforschung in Mu- deshauptarchiv Schwerin gesichtet werden. seen Mecklenburg-Vorpommern – Ein Erstcheck“ Zu beachten wäre dabei, dass sich auch relevante dar. Unter Federführung des Museumsverbandes Bestände zu dieser Thematik beim Bundesbeauf- Mecklenburg-Vorpommern e. V. wurden mit Hil- tragten für die Unterlagen des Staatssicherheits- fe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in dienstes der DDR (BStU Außenstelle Schwerin) Magdeburg und des Kultusministeriums Mecklen- befinden können. Außerdem sind weitere Archive burg-Vorpommern zwölf Museen des Landes un- in Berlin zu besuchen: Stiftung Archiv der Parteien tersucht. und Massenorganisationen der DDR im Bundesar- Der Stand der Provenienzforschung in Mecklen- chiv Lichterfelde (SAPMO) und Bundesbeauftrag- burg-Vorpommern ist für den Zeitraum von 1945 ter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- bis 1989 als äußerst unbefriedigend einzuschät- tes der DDR (BStU). zen. Demzufolge liegen nur wenige Publikationen Es ist beabsichtigt, die umfangreichen Quellen- und Aufsätze zur Thematik vor. und Literaturrecherchen durch Zeitzeugengesprä- Im Gegensatz dazu ist die Quellenlage in den Ar- che zu komplettieren. Dabei gilt es, sowohl die chiven und Museen erfreulicherweise gut. Insbe- Seite der Republikflüchtigen als auch die Seite der sondere das Mecklenburgische Landeshauptarchiv Vertreter der staatlichen Organe zu befragen. Zu- Schwerin sowie die Landkreis- und Stadtarchi- dem sind Expertengespräche (Museumsverband ve bergen eine Vielzahl an Quellen. Beispielhaft 7
BEITRÄGE zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang unserer Aufgabenstellung von großer Bedeutung umfangreiche Aktenbestände des Ministeriums sind. Hierzu zählen u. a. Themenkomplexe wie des Innern, der Landesbehörde der Volkspolizei die Rolle und Bedeutung der sowjetischen Besat- Mecklenburg, des Ministeriums für Finanzen, des zungsmacht sowie die Gründung und Entwicklung Ministeriums für Volksbildung, Kreistag/Rat des von Parteien, Verwaltungsorganen, Polizei, Militär Kreises (B = Bützow bis S = Sternberg) sowie des und MfS. Dabei galt es, insbesondere deren Wirken Landesamtes für Denkmalpflege. bei der Entnazifizierung, der Schlossbergung, der Von außerordentlichem Wert sind auch die Be- Bodenreform, der Aktion „Rose“, der Genossen- stände der Stiftung Mecklenburg, eine Kultur- schaftsbildung, dem Ausbau des Grenzregimes, stiftung der Landsmannschaft Mecklenburg des der Zwangsaussiedlung im Rahmen der Aktionen Jahres 1973, insbesondere eine aus zwölf Akten- „Ungeziefer“ und „Osten“, der Aktion „Licht“ und ordnern bestehende serielle Quelle, die einen Index der kommerziellen Koordinierung zu beleuchten. aller zwischen 1945 und 1961 in die Bundesrepublik Parallel dazu wurden Archive, Museen und Insti- übergesiedelten Personen enthält. Der Wert des tutionen, darunter das Mecklenburgische Landes- Bestandes liegt in seinen empirischen Daten, die hauptarchiv in Schwerin, die Landkreisarchive des Angaben zum Berufsstand, zum Wohnort, zum ehemaligen Bezirks Schwerin, das Staatliche Mu- Alter und zur Fluchtursache etc. enthalten. Diese seum in Schwerin und die Stiftung Mecklenburg lückenlose Zusammenstellung stellt nach derzei- in Schwerin, angeschrieben, zukünftige Fahrten tigem Erkenntnisstand einen einmaligen Bestand koordiniert und Terminabsprachen mit Gesprächs- dar. partnern getroffen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste über- nahm die finanzielle Förderung für das Projekt im 2. PROJEKTPHASE (MONATE 4 BIS 12) Zeitraum vom 1. Februar 2019 bis 31. Januar 2021. Gefördert werden zwei Stellen als wissenschaftli- Nach einer entsprechenden Einarbeitungsphase che Mitarbeiter*innen für 20 Stunden pro Woche. erfolgte die quantitative Erschließung aller re- Diese wurden besetzt durch die Historiker Dr. Antje levanten Aktenbestände des einstigen Bezirkes Strahl und Dr. Reno Stutz. Schwerin mit seinen Kreisen Güstrow, Bützow, Sternberg, Lübz, Parchim, Ludwigslust, Gade- 1. PROJEKTPHASE (MONATE 1 BIS 3) busch, Hagenow, Perleberg und Schwerin Land im: - Mecklenburgischen Landeshauptarchiv in Die ersten Wochen waren durch intensive Litera- Schwerin turrecherchen und -studien in der Rostocker Uni- - Archiv der Stiftung Mecklenburg in Schwerin versitätsbibliothek geprägt. Zunächst galt es, sich - Archiv des Landkreises Rostock in Güstrow (Kreis in die allgemeine Geschichte der Sowjetischen Güstrow, Kreis Bützow) Besatzungszone (1945-1949) und in die Geschich- - Archiv des Landkreises Nordwestmecklenburg te der DDR (1949-1989) einzuarbeiten. Ein beson- (Kreis Gadebusch) deres Augenmerk legten wir dabei zum einen auf - Archiv des Landkreisarchivs Ludwigslust-Par- die Historie des Landes Mecklenburg und des Be- chim in Parchim (Kreis Lübz, Kreis Sternberg, Kreis zirkes Schwerin, insbesondere auf die Struktur-, Parchim) Verwaltungs- und Institutionsgeschichte dieser - Archiv des Landkreises Nordwestmecklenburg in territorialen Gebilde. Von großer Bedeutung war Grevesmühlen (Kreis Gadebusch) dabei auch die Durchdringung wichtiger politischer - Archiv des Landkreises Ludwigslust-Parchim in Ereignisse und Zäsuren, die für die Umsetzung Ludwigslust (Kreis Ludwigslust, Kreis Hagenow) 8
BEITRÄGE - Stadtarchiv der Landeshauptstadt Schwerin die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der (Stadt Schwerin) DDR (BStU Außenstelle Schwerin) an. - Archiv des Staatlichen Museums in Schwerin. Nach dem Abschluss dieser umfangreichen Re- Außerdem wurde das Bundesarchiv Berlin in Lich- cherchetätigkeiten, der für den Spätsommer 2020 terfelde besucht. Neben der Archivrecherche wur- geplant ist, erfolgt die Sichtung, Bewertung und den zahlreiche Expertengespräche in Schwerin, Ordnung des gesammelten Materials. Die bei- Güstrow, Gadebusch, Grevesmühlen, Parchim und den letzten Monate des Projektes sind für die Ludwigslust durchgeführt. Am Ende des ersten Verschriftlichung der Forschungsergebnisse vor- Projektjahres begann die Erarbeitung eines Zwi- gesehen. Diese werden zum einen in einen um- schenberichts. fangreichen Abschlussbericht einfließen und zum Im zweiten Projektjahr werden die Archivbesu- anderen die Basis mehrerer Artikel bzw. Aufsätze che fortgesetzt. So stehen neben den Recherchen in regionalen Periodika bilden. Denn neben dem in den Stadtarchiven des ehemaligen Bezirkes wissenschaftlichen Ertrag gilt es, die Ergebnisse Schwerin (z. B. Parchim, Grabow, Sternberg …) auch einem breiten interessierten Laienpublikum noch Forschungen beim Bundesbeauftragten für nahezubringen. 9
BEITRÄGE Peter Danker-Carstensen Vor 30 Jahren: „Die Hanse in Rostock“ – Eine Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte im Kulturhistorischen Museum Rostock zu „Wende“-Zeiten 1989/19901 Vom 25. August bis zum 26. November 1989 zeigte das Museum für Hamburgische Geschichte (MHG) die mit großem Aufwand vorbereitete Ausstellung „Die Hanse – Lebenswirklichkeit und Mythos“. Auf 1.800 m² Ausstellungsfläche wurden über 1.000 Leihgaben, zahlreiche Modelle, Pläne und Fotos präsentiert. Diese bislang größte und umfas- sendste Ausstellung zur hansischen Geschichte wurde von der Vereins- und Westbank in Ham- burg, von der Freien und Hansestadt Hamburg sowie vom „Ehrenkomitee für die Gestaltung und Feierlichkeiten aus Anlass des 800jährigen Hafen- jubiläums“ finanziert. Die Vereins- und Westbank als Hauptsponsor zeigte in ihren Geschäftsräu- men am Alten Wall den Ausstellungskomplex, der dem Nachleben der Hanse unter dem Titel „Mythos“ gewidmet war. Die Ausstellung zählte etwa 100.000 Besucher. Einem vielfach geäußer- ten Wunsch nach Verlängerung der Ausstellung konnte aufgrund der bereits terminlich festgeleg- ten Weitergabe nach Rostock nicht entsprochen werden. Wie sich später jedoch zeigen sollte, nah- men zahlreiche Hamburger die Möglichkeit wahr, die Präsentation im Kulturhistorischen Museum in Rostock zu besuchen. DAS DEUTSCH-DEUTSCHE KULTURABKOMMEN MACHT’S MÖGLICH Der zeitgeschichtliche Hintergrund für die Präsen- tation der Hanse-Ausstellung in Rostock war das 1986 zwischen der Bundesrepublik und der DDR geschlossene Kulturabkommen.2 Dieses Abkom- men sah unter anderem den Austausch von Aus- stellungen zwischen Museen in beiden deutschen Staaten vor. Obwohl das Abkommen als Grundla- Titelblatt des Flyers zur Hanse-Ausstellung in Hamburg. ge für eine Reihe von Ausstellungen im Bereich der Quelle: Sammlung Peter Danker-Carstensen 10
BEITRÄGE Bildenden Kunst diente, konnte es mit Blick auf 1990/91 geführt. Diese Zwei-Jahres-Pläne wurden Museumsausstellungen vor dem Ende der DDR vom Ministerium für Kultur an die jeweiligen SED- kaum noch wirksam werden. Eine Ausnahme hier- Bezirksleitungen zur Umsetzung weitergereicht. von bildete allerdings die Hanse-Ausstellung des Dem Bezirk Rostock wurde aus dem im Dezember Museums für Hamburgische Geschichte (MHG), 1989(!) bestätigten Arbeitsplan für 1990/91 die die schon seit Mitte der 1980er Jahre geplant wur- Hanse-Ausstellung des MHG zugeordnet. Im wei- de und damit die erste in einem DDR-Museum teren Verlauf der Planungen passte sich die DDR präsentierte Ausstellung im Rahmen des Kultur- dann notgedrungen den zeitlichen Vorgaben aus abkommens war. Zu diesem Zeitpunkt nicht zu er- Hamburg an, sodass die Termine im ursprüngli- kennen war die Tatsache, dass diese Präsentation chen Arbeitsplans obsolet wurden. Am 20. Januar auch die letzte sein würde. 1990 sprach das DDR-Kulturministerium in einem Bereits im März 1986 wurde vom MHG unter Ver- Schreiben an den Rat des Bezirkes Rostock von ei- weis auf das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht nem „Überhangprojekt“ aus dem Jahre 1989. unterzeichnete Kulturabkommen eine Koope- ration mit Museen in der DDR ins Auge gefasst. DIE HANSE-AUSSTELLUNG SOLL INS KULTUR- Aufgrund eines 1987 gemachten Vorschlages HISTORISCHE MUSEUM ROSTOCK des MHG-Direktors, Jörgen Bracker3, zur Zusam- menarbeit und einer möglichen Weitergabe der Für die Finanzierung und damit die Realisierung Hanse-Ausstellung in die DDR meldete die Ham- des Projektes war die Attestierung eines überge- burger Kulturbehörde das Projekt dem Sekretariat ordneten deutschlandpolitischen Interesses durch der Kultusministerkonferenz für den Arbeitsplan den Bund ausschlaggebend. Auf diese Weise war 1988/89 im Rahmen des Kulturabkommens. Bra- eine gemeinsame Kostenübernahme durch das cker war aus politischen Gründen „vorgeschickt“ Bundesministerium für innerdeutsche Beziehun- worden, da die Beteiligung des Bonner Ministeri- gen und die Freie und Hansestadt Hamburg si- ums für Innerdeutsche Beziehungen für die DDR chergestellt. Zwischen der Bundesrepublik und der ein Tabu darstellte. Nach Lesart der DDR gab es DDR war die Finanzierung durch allgemeine Rah- keine „innerdeutschen Beziehungen“, da es sich menbedingungen geregelt. Die Gesamtkosten des bei der DDR und der Bundesrepublik um zwei sou- Projektes wurden auf 660.000 DM veranschlagt. veräne Staaten gehandelt habe. Dennoch bestand Die Kostenbeteiligung des Bundes belief sich da- auf Seiten der DDR großes Interesse, das Kulturab- bei auf 385.000 DM. Diese großzügige Förderung kommen mit konkreten Projekten zu füllen. Unter wurde mit den hohen Vorbereitungskosten der der Nr. 95 fand die Hanse-Ausstellung Aufnahme Ausstellung und ihrer besonderen politischen Re- in die Projektliste. Im Frühjahr 1988 war man sich levanz begründet. Hamburg sollte weitere 168.000 in Hamburg darüber im Klaren, dass konzeptionell DM bereitstellen. Der verbleibende Fehlbetrag von vornherein zwei Ausstellungsorte zu berück- würde durch die DDR getragen. sichtigen seien. Daher sollten Kollegen aus der DDR Bei der Wahl des Ausstellungsortes in der DDR so früh wie möglich an den Vorbereitungen betei- standen von vornherein ausstellungstechnische ligt werden. Diesen Plänen gegenüber erklärte der Gegebenheiten im Vordergrund. Aufgrund der von damalige DDR-Kulturminister Hoffmann4 seine den Leihgebern gemachten konservatorischen volle persönliche Unterstützung. Von Seiten der Auflagen schien zunächst nur ein Museum in Ber- DDR, die die praktische Umsetzung des Kulturab- lin geeignet. Auch Hamburgs Partnerstadt Dresden kommens gemächlicher anzugehen schien, wurde kam in die Diskussion. Von Seiten des DDR-Kultur- das Projekt Hanse-Ausstellung im Arbeitsplan für ministeriums wurden jedoch die ehemaligen Han- 11
BEITRÄGE gen. Gundlach bat Waack Ende Oktober 1988 zu prüfen, ob die Leihgabenwünsche von Bracker, die Gundlach dem Schreiben an den Rat der Stadt bei- gefügt hatte, erfüllbar seien und die von Bracker gewünschten Objekte aus restauratorischer Sicht ausgeliehen werden könnten. Waack informierte demgemäß Dr. Wolf Karge7, seit wenigen Monaten Direktor des KHMR, über das geplante Ausstel- lungsprojekt in seinem Hause und forderte Karge auf, entsprechende Vorbereitungen zu treffen und alle weiteren Modalitäten unmittelbar mit dem MHG abzustimmen. Diese Weisung war eigentlich überflüssig, da zu diesem Zeitpunkt bereits direk- te persönliche Kontakte zwischen Bracker und Kar- ge bestanden. Mitte August 1988 schrieb Karge an Bracker und teilte diesem mit, dass ihm durch „die übergeord- neten staatlichen Organe“ mitgeteilt worden sei, dass das Angebot, die Hanse-Ausstellung in Ros- tock zu zeigen, angenommen worden sei und dass er, Karge, den Auftrag erhalten habe, alle erforder- lichen Modalitäten mit Bracker direkt abzustim- men. Karge schloss seinen Brief mit dem Wunsch, dass die Ausstellung „zu einer interessanten Be- reicherung“ der Museumsarbeit führen würde Innenseite des Flyers zur Hanse-Ausstellung in Hamburg. – natürlich ohne zu ahnen, dass dieser Wunsch Quelle: Sammlung Peter Danker-Carstensen sich auf ganz andere Art, als hier gemeint, erfül- len würde. Jörgen Bracker antwortete am 5. Sep- sestädte Wismar, Rostock und Stralsund bevor- tember 1988 und kündigte „schon in allernächster zugt. Daher erfolgte die Vorbereitung des Projektes Zeit“ seinen Besuch in Rostock an. Bei dieser Ge- beim Rat des Bezirkes Rostock. Ausschlaggebend legenheit wollte Bracker auch andere Museen in für den Ausstellungsort Rostock war letztlich das der DDR besuchen, um dort über Leihgaben für die Vorhandensein entsprechender Raumkapazitäten Ausstellung zu verhandeln. Nach diesem Treffen und Sicherheitseinrichtungen. In direkten Gesprä- mit Bracker am 23. September 1988 in Rostock, der chen zwischen Jörgen Bracker und dem Ministeri- bei dieser Gelegenheit auch dem Rostocker Schiff- um für Kultur, Abt. Museen und Denkmalpflege, fahrtsmuseum und dessen Direktor Jörg Meyer8 wurde das Kulturhistorische Museum Rostock einen Besuch abstattete, informierte Karge am 26. (KHMR) als Ausstellungsort festgelegt. Ende Ok- September den zuständigen Referenten im Kul- tober 1988 informierte Heinz Gundlach5, Mitglied turministerium, Werner Wolf, über die Gespräche des Rates des Bezirkes Rostock, den Abteilungs- mit Bracker. Dieser hätte ihm Leihanfragen an die leiter Kultur beim Rat der Stadt Rostock, Andreas potenziellen Leihgeber in der DDR übergeben. Es Waack,6 über den Plan, die Hanse-Ausstellung ab sei wichtig zu betonen, so Karge, dass es sich bei Januar 1990 im Kulturhistorischen Museum zu zei- dem Projekt um eine Ausstellung des Museums 12
BEITRÄGE für Hamburgische Geschichte handele und nicht lung im MHG am 24. August 1989 war er der einzi- um eine gemeinsame Ausstellung der Museen in ge Gast aus der DDR, denn schon im Januar 1989 Rostock und Hamburg. war in der DDR-Hauptstadt festgelegt worden, Die im August 1988 aufgenommenen Kontakte dass von Seiten des Ministeriums für Kultur „kei- zwischen dem MHG und dem KHMR litten unter ne Repräsentanz“ bei der Ausstellungseröffnung den Reisebeschränkungen für die Rostocker Kol- in Hamburg erfolgen würde. legen und der vollkommen desolaten Telefon- infrastruktur in der DDR.9 Reisen von DDR-Wis- KOMPLIZIERTE TRANSPORT- UND VERSICHE- senschaftlern und Museumsmitarbeitern in die RUNGSFRAGEN Bundesrepublik waren grundsätzlich ein schwie- riges Thema, da gleich mehrere staatliche Organe Auf einer Beratung im Ministerium für Kultur am in den Entscheidungsprozess eingebunden waren 13. Januar 1989 wurden unter anderem die The- und nur wenige der DDR-Kollegen zu den soge- men Transport- und Versicherungskosten für die nannten Reisekadern zählten. So kam den Besu- Hanse-Ausstellung in Rostock erörtert. Dabei wies chen der MHG-Mitarbeiter in Rostock ein besonde- der stellvertretende Abteilungsleiter für internati- rer Stellenwert zu. Besonders der Umstand, dass onale Beziehungen beim Kulturministerium, Rut- Karges Dienstreiseanträge an den „Sicherheitsor- kowski, darauf hin, dass für die Finanzierung Va- ganen“ scheiterten oder nicht beschieden wurden, lutamittel von Seiten der DDR nicht zur Verfügung erwies sich für die Ausstellungsplanung als sehr stünden.11 Zur Vermeidung von Transportkosten für hinderlich. Vom MHG angesetzte Gesprächster- die Rücksendung „der Leihgaben an die Leihgeber mine mit Karge in Hamburg mussten verschoben in ganz Europa“ schlug Rutkowski während einer oder abgesagt werden, was schließlich zu ernster Beratung im MfK am 13. Januar 1989 vor, dem MHG Sorge um das Gesamtprojekt Anlass gab. Mit- bei den Transporten der DDR-Leihgaben „auf dem te Dezember 1988 machte Karge gegenüber dem Territorium der DDR“ entgegenzukommen. Außer- Ministerium für Kultur darauf aufmerksam, dass dem sei bei den Verhandlungen anzustreben, dass für das KHMR (d. h. für ihn selbst) keine „Reise- es sich bei der Ausstellung um „einen geschlos- kaderbestätigung“ vorläge. Daher wäre eine Son- senen Komplex“ handele, der als ebensolcher auf dergenehmigung für die Ausstellungsvorbereitung Kosten des MHG von Hamburg nach Rostock und notwendig. Nach mehrfachem Insistieren von Jör- von Rostock zurück nach Hamburg transportiert gen Bracker beim Ministerium10 und beim Rat des werden solle, um dann „von den Hamburgern an Bezirkes Rostock, verbunden mit deutlichen Hin- die einzelnen Leihgeber“ zurückgegeben zu wer- weisen auf die negativen Folgen solcher Hemm- den. Durch diese Vorgehensweise sollte erreicht nisse, erhielt Karge von Heinz Gundlach persönlich werden, dass nach Ende der Ausstellung in Ros- einen DDR-Reisepass mit einem Halbjahresvisum tock nicht die DDR, sondern das MHG die Kosten ausgehändigt. So konnte Karge die Begleitung für den Rücktransport der zahlreichen Leihgaben des ersten Transportes von Leihgaben aus der aus verschiedenen europäischen Ländern über- DDR nach Hamburg im Juli 1989(!) für einem ers- nähme. ten Besuch in Hamburg nutzen. Umgekehrt war Das MHG bemühte sich, den Rostockern in finan- Gundlach auch für alle Einreiseanträge von Bracker zieller Hinsicht entgegenzukommen. Bei einem und dessen Mitarbeitern in die DDR zuständig, die mehrtägigen Besuch von Bracker in Rostock im stets unverzüglich genehmigt wurden. Insgesamt Januar 1989 wurde vereinbart, dass „vorbehalt- reiste Karge zur Vorbereitung der Ausstellung vier lich übergeordneter Entscheidungen“ das MHG Mal nach Hamburg. Bei der Eröffnung der Ausstel- sämtliche Transportkosten für die Ausstellung in 13
BEITRÄGE der DDR übernehmen würde. Nur für den Rück- 1989 trafen sich Museums- und Archivdirektoren transport von Rostock nach Hamburg müsste die aus Rostock, Stralsund, Greifswald und Wismar Transportversicherung vom Rostocker Museum mit Bracker in Rostock. Dabei wurde „die große bezahlt werden. Zudem bat Bracker um „Prüfung Bereitschaft zur Unterstützung“ der Ausstellung von Vortragsmöglichkeiten für Wissenschaftler aus der DDR deutlich gemacht. Im Ergebnis der aus der DDR im Rahmen der Ausstellung in Ham- Diskussion kam es zu einer beträchtlichen Aufsto- burg“. Hierzu zählten unter anderem auch (in DM ckung der aus der DDR zu erwartenden Leihgaben. honorierte) Vorträge, die von Wolf Karge (KHMR), Insgesamt handelte es sich dabei um 83 Exponate Andreas Grüger (Kulturhistorisches Museum Stral- aus 14 Sammlungen bzw. staatlichen oder kirch- sund) und Horst Witt (Stadtarchiv Rostock) im lichen Einrichtungen. Die Liste der Leihgeber (Ka- Oktober und November 1989 in Hamburg gehalten talog, Bd. 2, S. 11) verzeichnet 19 Museen, Archive, wurden. Bibliotheken und Kirchen in Bergen/Rügen, Berlin, Im Mai 1989 reisten Jörgen Bracker und ein Mitar- Greifswald, Halberstadt, Karl-Max-Stadt (Chem- beiter erneut nach Rostock, um Details des Leih- nitz), Magdeburg, Rostock, Schwerin, Stralsund vertrages für die Ausstellung in Hamburg zu be- und Wismar. Gegenüber den tatsächlich in der sprechen. Anschließend wurde der überarbeitete Ausstellung präsentierten Leihgaben gab es al- Leihvertrag Andreas Waack zur Kenntnisnahme lerdings kleinere Differenzen. Die endgültige Liste und mit der Bitte um Weiterleitung an Dr. Gund- der Leihgaben aus der DDR umfasste 49 Positio- lach, Rat des Bezirkes, zugeschickt. In diesem nen, davon waren 13 aus dem KHMR, 13 aus dem Vertrag, bei dem es sich im Übrigen um kulturpo- Städtischen Museum Wismar und acht aus dem litisches Neuland handelte, wurden Details zu den Kulturhistorischen Museum Stralsund. Die Ver- Transportkosten, zu den zu beauftragenden Spe- sicherungssumme für die Exponate aus der DDR ditionen, zur Transportversicherung und zu den wurde auf nahezu 9,5 Millionen DM taxiert. notwendigen Sicherheitseinrichtungen festge- Im Frühjahr 1989 wurde „zur Durchführung einer schrieben. Der Vertrag galt für die Zeit vom 30. Juni Ausstellung ‚Die Hanse –Wirklichkeit und My- 1989 bis zum 31. Dezember 1989, schloss also den thos‘“ in Rostock eine Vereinbarung geschlossen. Hin- und Rücktransport der Exponate nach Ham- Darin wurden in 16 Punkten organisatorische, burg bzw. Rostock ein. Im § 6 wurde festgehalten, technische und finanzielle Details festgehalten. dass der Transport von Rostock nach Hamburg Die Kosten sollten entsprechend der Rahmenbe- durch das KHMR organisiert werde und durch die dingungen des Kulturabkommens zwischen der Spedition DEUTRANS zu erfolgen habe; der Trans- DDR und der BRD verteilt werden. Das hieß für port von Hamburg nach Rostock durch die Spedi- das KHMR, das als Generalleihgeber für Leihgaben tionen Hasenkamp resp. Schenker und organisiert aus der DDR fungierte, dass die Transportkosten durch das MHG durchzuführen sei. innerhalb der DDR, die Kosten für den Rücktrans- port von Rostock nach Hamburg sowie alle Kosten LEIHGABEN AUS DER DDR für Fotos und Katalogtexte von der DDR-Seite zu tragen seien (Punkte 6 und 7 der Vereinbarung). Ein wichtiger Aspekt der Zusammenarbeit zwi- Noch im Januar 1989 plante man im Ministerium schen dem MHG und dem Rostocker Museum war für Kultur einen eigenen auf 200 Seiten reduzier- die Beschaffung der von Jörgen Bracker gewünsch- ten Katalog, für den das MHG die Druckvorlagen ten zahlreichen Leihgaben aus der DDR. Auch für kostenlos zur Verfügung stellen und der „Raum die Erstellung der Katalogtexte war die Mitarbeit für ein Vorwort aus DDR-Sicht freigehalten wer- von Autoren aus der DDR unverzichtbar. Im Januar den“ sollte. 14
BEITRÄGE Ende April 1989 gab es eine weitere Zusammen- stellung in Rostock. Ausdrücklich wurde darin kunft zur Ausstellungsvorbereitung. Es wurde das MHG als Veranstalter genannt. Neben einem eine Reihe von offenen Fragen und Problemen genauen Terminplan wurden die Räumlichkeiten angesprochen. So war zum Beispiel auf die Leih- des Klosters zum Heiligen Kreuz als Ausstellungs- anfragen aus Hamburg an mehrere Museen in der ort benannt. Der Auf- und Abbau der Ausstellung DDR (Museum für Deutsche Geschichte, Kultur- sollte in Verantwortung des MHG erfolgen, das historisches Museum Magdeburg, Schifffahrts- dafür Mitarbeiter nach Rostock entsenden würde. museum Rostock) keine Reaktion erfolgt. Um das Die technischen Vorbereitungsarbeiten in Ros- Verfahren zu beschleunigen, richtete Bracker am tock sollten durch Mitarbeiter des KHMR geleistet 17. März 1989 eine Leihanfrage (u.a. Schiffslaterne, werden. Angesprochen wurden auch Fragen zum Juffer) direkt an Jörg Meyer, Direktor des Rostocker Transport des Kulturgutes sowie Kostenfragen wie Schifffahrtsmuseums. Für den Katalog fehlten die der Aufenthaltskosten für die MHG-Mitarbei- noch Texte12 und Abbildungen aus den Stadtar- ter, die die Ausstellung in Rostock aufbauen wür- chiven Stralsund und Greifswald sowie aus der den, und die Kosten für einen „Ausstellungskom- Uni-Bibliothek Rostock und dem Rostocker Uni- missar“ während der Laufzeit der Ausstellung. Die versitäts-Archiv. Aus diesem Grunde konnte der entsprechenden Tagessätze für die Kollegen aus vom KHMR vorbereitete Generalleihvertrag noch Hamburg waren im Kulturabkommen festgelegt, nicht paraphiert werden. Im Protokoll ist vermerkt, sodass diese Kosten in Rostock bekannt waren. dass Dr. Karge die Erledigung der offenen Punkte Auch die Tagesätze für Dienstreisen von DDR- beschleunigen werde. Zum Katalog wurde ver- Bürgern in die Bundesrepublik waren im Kultur- einbart, dass der DDR 2.000 Exemplare des um- abkommen geregelt und wurden auch so gezahlt. fangreichen zweibändigen Kataloges13 (geplante Weiterhin wurde vereinbart, dass zur „inhaltlichen Gesamtauflage 5.000 Exemplare) zur Verfügung Vorbereitung der Ausstellung“ dem KHMR eine gestellt werden sollten. Im Gegenzug sollten alle Ausstellungskonzeption sowie eine Exponaten- Fotovorlagen für die Objekte aus der DDR kosten- liste mit Leihgebern und Versicherungssummen frei geliefert werden. zu übergeben seien. Der aktualisierte Finanzplan Erst Ende Dezember 1989 – sechs Wochen vor der wurde am 6. Dezember 1989 vom Rat des Bezirkes Ausstellungseröffnung in Rostock – konnte der bestätigt und am 20. Dezember 1989 dem Minis- Leihvertrag abgeschlossen werden. Die Versiche- terrat der DDR vorgelegt. Dieser Plan sah Ausga- rungssumme für die fast 1.000 Objekte belief sich ben und Einnahmen in Höhe von jeweils 60.000 insgesamt auf 11.222.800 DM. Davon waren die Mark vor. Als Begleitveranstaltungen wurden vom Leihgaben aus der Bundesrepublik mit 5.880.950 MHG organisierte Vorträge vereinbart. DM und diejenigen aus dem Ausland mit 5.341.850 Der Umfang der Ausstellung machte es erforder- DM versichert. Der Versicherungswert für die aus lich, dass im KHMR weitere Ausstellungsflächen Hamburg nach Rostock zu transportierende Aus- freigemacht werden mussten, sodass die Aus- stellungstechnik belief sich auf rund 486.000 DM. stellung in der Galerie, im Refektorium, in den Kreuzgängen sowie im Kapitelsaal des ehemali- DIE PLANUNGEN IN ROSTOCK – NOTWENDIGE gen Klosters stattfand. Bei einem weiteren Besuch UMBAUTEN UND ZUSÄTZLICHE KOSTEN von Bracker in Rostock im Herbst 1989 wurden die technischen Details der Ausstellung durchgespro- Am 17. Juli 1989 kam es zu einer förmlichen Ver- chen. Bracker fasste in einem Schreiben an Karge einbarung zwischen dem KHMR und dem MHG die getroffenen Absprachen zusammen und liste- zur Überführung und Einrichtung der Hanse-Aus- te diverse zur Herrichtung der Ausstellungsräume 15
BEITRÄGE benötigte Materialien (u. a. 15 große Spanplatten, de Anzahl von Spotleuchten zur Beleuchtung der 50 Dachlatten, 15 kg Binderfarbe, Textilien zur Ausstellungsräume zugesagt worden seien. Au- Wandverkleidung) auf. Ferner erinnerte er daran, ßerdem würden für den Aufbau ein Hubwagen dass acht Luftbefeuchter und eine ausreichen- und ein Zwei-Tonnen-Kettenzug benötigt. Zudem Führer zur Hanse-Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Rostock. Quelle: KHMR-Archiv, Ordner „Hanse-Ausstellung 1989/90“ 16
BEITRÄGE sollten zwei vom Kreuzgang, dem zentralen Aus- informiert waren und diesem informell bereits bei stellungsraum, abzweigende Türen mit Plexiglas- Abschluss der Leihverträge mit dem MHG zuge- platten abgedeckt werden, um das Raumklima stimmt hatten. Die Versicherung der Exponate in zu stabilisieren. Bracker wies außerdem darauf Rostock erfolgte durch die DARAG14 im Rahmen hin, dass alle Einbauten in den Ausstellungsräu- der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB men bis zum 26. November 1989 fertiggestellt 88). Der Versicherungsschutz galt bis zum 15. Mai sein müssten. Karge beantragte daraufhin weitere 1990 bzw. bis zur Rücklieferung der Leihgaben 12.000 Mark für die „technische Absicherung“ der nach Hamburg. Im Falle eines Versicherungsscha- Ausstellung. Dass zu den Mehrkosten in Rostock dens an Exponaten aus dem „NSW“15 hätte die auch das MHG seinen Teil beitragen wolle, geht DARAG die in den Leihverträgen angegebene Ver- aus einem Schreiben von Bracker vom 27. Novem- sicherungssumme in „Westwährung“ zahlen müs- ber 1989 hervor, in dem er Karge mitteilte, dass sen. Die Begleichung von Versicherungsschäden in entgegen der ursprünglich vereinbarten kostenlo- Valutamitteln stellte die DDR nicht erst 1989/1990 sen Lieferung von 2.000 Ausstellungskatalogen vor finanzielle Probleme, die es auf jeden Fall zu nun „nur“ 1.500 Exemplare zur Verfügung gestellt vermeiden galt. werden könnten, da 500 Stück mit den sich erge- Bei den Transporten nach Rostock traten unge- benden zusätzlichen Leistungen des MHG (Her- ahnte Probleme auf. Ursprünglich war die Durch- gabe von Vitrinen und Klimatechnik) verrechnet führung der Transporte durch die Spedition VEB werden müssten. DEUTRANS vereinbart worden. Dieses Verfahren war aber wegen konservatorischer Bedenken oder DIE HANSE-AUSSTELLUNG REIST NACH ROSTOCK aufgrund konkreter Vorgaben einzelner Leihge- ber nicht durchzuführen. So besorgte die DDR- Unmittelbar nach der Eröffnung der Ausstellung Spedition lediglich den Transport der Leihgaben in Hamburg begann die Vorbereitung der Über- aus der DDR und des kompletten technischen führung nach Rostock. Dazu war die Zahl der Ex- und gestalterischen Instrumentariums. Mit dem ponate der geringeren Ausstellungsfläche und Transport der übrigen Exponate wurden dagegen der andersartigen Raumstruktur anzupassen. Die die Kunstspeditionen Schenker und Hasenkamp Reduzierung der Exponatenanzahl war ohnedies beauftragt, da dieses Verfahren nach Meinung der durch die Nicht-Verlängerung von Leihverträgen Verantwortlichen in Hamburg unumgänglich sei, und versicherungstechnische Vorgaben notwen- aber ungeplante Mehrkosten verursachte. dig geworden. Dadurch ergab sich eine Reduzie- rung der zu transportierenden Objekte um ca. 30 DIE MAUER FÄLLT – MITTEN IN DIE AUSSTEL- %. Zudem wurde versucht, bestimmte Inhalte der LUNGSVORBEREITUNGEN Ausstellung pointierter oder verständlicher dar- zubieten als das in Hamburg möglich war. Paral- Mit dem 9. November 1989, also gut zwei Wochen lel zu diesen Anpassungen liefen Verhandlungen vor dem Ende der Hanse-Ausstellung in Hamburg, zur Verlängerung der Leihverträge sowie die Vor- veränderte sich nicht nur die „Lebenswirklichkeit“ bereitung der Transporte. Für alle in Rostock zu für die Menschen in der DDR, sondern es verän- zeigenden Exponate mussten neue Leihverträge derten sich auch die Voraussetzungen für die Aus- geschlossen werden, da sowohl Leihnehmer als stellungspräsentation in Rostock fast über Nacht auch Versicherer gewechselt hatten. Dies stellte und grundlegend. Die gravierenden Umwälzun- in den meisten Fällen kein Problem dar, da alle gen in der DDR erleichterten ab Anfang 1990 zwar Leihgeber über den Ausstellungsort in der DDR manches, was sich bei den bisherigen Ausstel- 17
BEITRÄGE lungsvorbereitungen als problematisch erwiesen hatte, verringerten jedoch kaum die mit der Aus- stellungsorganisation verbundenen Probleme. Die plötzlich erreichte Reisefreiheit für DDR-Bürger ermöglichte nun auch Dienstreisen nach Hamburg für diejenigen Rostocker Museumsmitarbeiter, die bisher nicht zu den sogenannten Reisekadern zählten. In der Zeit vom 9. November 1989 bis zum Beginn der Ausstellung in Rostock am 9. Februar 1990 gab es – wie überall in der zerfallenden DDR – eine Reihe von personellen und organisatorischen Veränderungen, die auch die Ausstellungsvorbe- reitungen in Rostock tangierten.16 In Berlin erfolg- te die Entlassung des Kulturministers Hoffmann. In Rostock trat der Leiter der Kulturabteilung beim Rat des Bezirkes Rostock und Ratsmitglied, Dr. Heinz Gundlach, Anfang Dezember 1989 zurück. Ein für den Zeitraum der Ausstellung in Hamburg vorgesehener Vortrag Gundlachs zur Störtebeker- Einsatz der Rostocker Kollegen beim Aufbau der Ausstellung. Rezeption in der DDR wurde mehrfach verschoben Quelle: Sammlung Wolf Karge und dann endgültig abgesagt. Ende Januar 1990 transportierte die Spedition transporte die nun offene Grenze problemlos und Schenker die etwas abgespeckte Hanse-Ausstel- meist termingerecht passieren. Ein ganz anderes lung nach Rostock. Noch vor dem Eintreffen der Problem stellte die Unterbringung der Hamburger Exponate mussten die Ausstellungsräume vorbe- Kollegen dar. Die wenigen Rostocker Hotels waren reitet und die notwendigen konservatorischen und permanent durch westdeutsche Geschäftsleute ausstellungstechnischen Bedingungen geschaffen ausgebucht. Die Übernachtungskosten im Inter- werden. So bildeten zum Beispiel die wahllos ein- hotel „Warnow“, das einen annähernd westlichen gebauten und die Wände verunstaltenden Installa- Standard bot, waren für das KHMR unerschwing- tionen in den Ausstellungsräumen eine ziemliche lich. So blieb als Unterkunft das sogenannte Herausforderung für den Ausstellungsarchitek- Hausbaumhaus in der Östlichen Altstadt, das dem ten, der aber auch in Rostock passende Lösungen KHMR als Gästehaus diente, sowie die ehemalige entwickelte. Seit Ende Januar 1990 waren ständig SED-Bezirksparteischule „Rosa Luxemburg“ in mehrere Mitarbeiter (Ausstellungsarchitekt, Tech- Rostock-Lütten Klein, in der zahlreiche Zimmer niker und Restauratoren) des MHG vor Ort, die in gebucht werden konnten. Die besondere Verant- enger Zusammenarbeit mit den Rostocker Kolle- wortung des MHG als „Generalunternehmer“ für gen die notwendigen Ein- und Umbauten vornah- das Projekt zeigte sich auch in der Anwesenheit men. Durch die Öffnung der innerdeutschen Grenze des Direktors Jörgen Bracker bis zum Eröffnungs- waren die ursprünglich notwendigen Dauervisa für termin. Zum Ende der Vorbereitungsphase waren die Hamburger Kollegen überflüssig geworden. So bis zu 15 Hamburger Kollegen in Rostock tätig. konnten sowohl die MHG-Mitarbeiter, die auch im- Die termingerechte Fertigstellung wurde von allen mer wieder Kurierfunktionen wahrzunehmen hat- Beteiligten als Herausforderung gesehen und mit ten, als auch die zahlreichen Kunst- und Technik- großer Motivation angegangen. Insgesamt wurde 18
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