25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag - Bilanz der Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit Polen - mbei.nrw
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag Bilanz der Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit Polen www.mbem.nrw/polen
Bericht des Ministers für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei im Landtagsausschuss für Europa und Eine Welt zum Thema „25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag – Bilanz der Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit Polen“ Gliederung 1. Einleitung 2. Wirtschaftliche Beziehungen 3. Politische Beziehungen und regionale Zusammenarbeit 3.1. Regionalpartnerschaft NRW – Schlesien 3.2. Regionales Weimarer Dreieck 3.3. Zusammenarbeit mit der Woiwodschaft Großpolen 3.4. Städte- und Kreispartnerschaften 3.5. Deutsch-Polnische Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit 3.6. Parlamentarische Kontakte 4. Wissenschaft, Forschung und Bildungszusammenarbeit 4.1. Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich 4.2. Anerkennung von Hochschulabschlüssen und Studienzeiten 4.3. Schulische Zusammenarbeit, Schüler- und Jugendaustausch 4.4. Zusammenarbeit im Bereich beruflicher Bildung 4.5. Polnischunterricht 4.6. Deutsch-Polnisches Geschichtsbuch 5. Kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen 6. Polnischstämmige Bevölkerung in NRW 7. Schlussbemerkungen 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 3
1. Einleitung Im Jahr 2016 jährt sich die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zum 25. Mal. Gemeinsam mit dem deutsch-polnischen Grenzvertrag vom 14. November 1990 markiert der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ vom 17. Juni 1991 eine historische Wende und einen Neubeginn in den deutsch-polnischen Beziehungen, die besonders vom Zweiten Weltkrieg und seinen schrecklichen Folgen jahrzehntelang in der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie in der DDR überschattet wurden. Die Vertragsunterzeichnung vor fast 25 Jahren in Bonn eröffnete neue Perspektiven für den Ausbau der deutsch-polnischen Zusammenarbeit auf allen Ebenen und verpflichtete zugleich beide Seiten, den Auf- und Ausbau der Beziehungen voranzutreiben. Die insgesamt 38 Artikel des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages berühren in vielen Punkten direkt und indirekt auch die Kompetenzen der Bundesländer. Von den Themen der grenznahen Zusammenarbeit ausgenommen trägt Nordrhein-Westfalen vor allem für die Schwerpunktbereiche Wirtschaft, regionale Zusammenarbeit, Wissenschaft und Forschung, Bildung sowie kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen auf Landesebene Sorge. Aufgrund der historisch gewachsenen Verbindungen Nordrhein-Westfalens zu Polen, die weit bis ins 19. Jahrhundert reichen, als polnische Familien in der Schwerindustrie im Ruhrgebiet Arbeit fanden, verstand sich Nordrhein-Westfalen stets als ein Bundesland, das auch besonders vor dem Hintergrund der schwierigen deutsch-polnischen Geschichte einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung und Verständigung beider Völker leistet. Der Aufbau und die Vertiefung der Beziehungen zu Polen hatten deshalb in den vergangenen 25 Jahren einen großen Stellenwert für Nordrhein-Westfalen. Seit der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages 1991 hat sich die nordrhein-westfälisch- polnische Zusammenarbeit besonders dynamisch und positiv entwickelt. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 4
2. Wirtschaftliche Beziehungen Die deutsch-polnischen Handelsbeziehungen sind in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden. Im Jahr 2014 betrug das Handelsvolumen beider Länder rund 87,3 Mrd. Euro. Mit einem Exportvolumen von 47,7 Milliarden Euro und einem Importvolumen von 39,6 Milliarden Euro ist Deutschland Polens Handelspartner Nr. 1. Nordrhein-Westfalen hat unter den deutschen Bundesländern im Handel mit Polen eine führende Rolle. In 2014 kamen 17,2% der deutschen Exporte nach Polen aus NRW. Der NRW-Anteil an den deutschen Importen aus Polen betrug sogar 20,0 %. Nordrhein-Westfalen exportierte in 2014 Güter im Wert von rund 8,2 Milliarden Euro nach Polen. Der Wert der Importe aus Polen betrug im gleichen Jahr 7,9 Milliarden Euro. Damit hat sich das Gesamthandelsvolumen NRW-Polen seit dem Jahr 2000 (2000: 6,4 Mrd.) fast verdreifacht und belief sich 2014 auf 16,1 Mrd. Euro. Polen ist mittlerweile der neuntgrößte Handelspartner bei den Exporten und der siebtgrößte Handelspartner bei den Importen für Nordrhein-Westfalen. Die Hauptexportgüter nach Polen sind chemische Erzeugnisse, Maschinen, Metalle sowie Metallerzeugnisse, Kraftwagen und Kraftwagenteile. Aus Polen importiert werden vor allem Möbel, Kraftwagen und Kraftwagenteile, Maschinen, Metalle sowie Gummi- und Kunststoffwaren. Enge wirtschaftliche Verbindungen mit Polen bestehen aber nicht nur im Warenhandel sondern auch im Bereich Investitionen. Von den mehr als 1.200 Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen polnischer Unternehmen in Deutschland haben 18 % ihren Sitz in Nordrhein- Westfalen. In Deutschland ist Nordrhein-Westfalen damit Investitionsstandort Nr. 1 für polnische Unternehmen. Zurzeit arbeiten in Nordrhein-Westfalen mehr als 200 Unternehmen mit polnischer Kapitalbeteiligung – darunter viele bekannte Marken - und zählen zu den direkten Investoren und Arbeitgebern im Land. Die größte Zahl der polnischen Unternehmen und Investitionen stammt aus dem Raum Warschau. Schlesien und die benachbarten Woiwodschaften bilden die zweitgrößte Gruppe von Investoren. Insgesamt wird die Beschäftigtenzahl bei allen nordrhein-westfälischen Unternehmen mit polnischer Kapitalbeteiligung auf ca. 2.000 geschätzt. Vor dem Hintergrund der wachsenden wirtschaftlichen Verflechtung gehört Polen seit 2007 innerhalb des Aufgabenbereichs der NRW.INVEST GmbH und der NRW.International GmbH zu den Schwerpunkländern. Regelmäßig führen die Gesellschaften in enger Abstimmung mit dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern wie beispielsweise den Industrie- und Handelskammern Aktivitäten zur Wirtschafts- und Außenwirtschaftsförderung durch, darunter Delegationsreisen, Kooperationsbörsen und Investorenseminare u.a. auch in der NRW-Partnerregion Schlesien. NRW.INVEST und NRW.International sind darüber hinaus wichtige Ansprechpartner für nordrhein- westfälische und polnische Unternehmen, auch zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, die an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit interessiert sind, selbst aber noch über keine Netzwerke in Polen oder Nordrhein-Westfalen verfügen. NRW.INVEST hat entschieden, Anfang 2016 eine Vertretung in Warschau aufzubauen, um polnische Investoren gezielter bei Investitionen in Nordrhein-Westfalen zu begleiten und zu unterstützen sowie das Standortmarketing für NRW in Polen zu intensivieren. Ein wichtiger Partner der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist zudem die Abteilung für Handel und Investitionen des polnischen Generalkonsulats in Köln, die auch in enger Kooperation mit der 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 5
ZENIT GmbH den Ausbau der Zusammenarbeit von forschungsnahen, innovationsorientierten und wissensbasierten Akteuren zwischen Polen und Nordrhein-Westfalen unterstützt. 3. Politische Beziehungen und regionale Zusammenarbeit Die politischen Beziehungen und die regionale Zusammenarbeit Nordrhein-Westfalens mit Polen werden beständig auf allen Ebenen intensiv gepflegt. Regelmäßig reisen Mitglieder der Landesregierung nach Polen oder empfangen polnische Regierungsvertreter der nationalen und regionalen Ebene zu Besuchen in Nordrhein-Westfalen. Die vielfältigen und zahlreichen Kontakte werden jährlich im Bericht der Landesregierung über die europäische und internationale Zusammenarbeit erfasst und dokumentiert. Ein wichtiger Kooperationspartner ist das in Köln ansässige Generalkonsulat der Republik Polen. 3.1 Regionalpartnerschaft NRW – Schlesien Besonders eng sind die Beziehungen zur polnischen Woiwodschaft Schlesien, mit der Nordrhein- Westfalen seit mehr als 15 Jahren eine lebendige Regionalpartnerschaft unterhält. Die ersten gemeinsamen Projekte mit der Region wurden bereits Anfang der 1990er Jahre durchgeführt. Schwerpunkte waren beispielsweise Bergbau- und Umwelttechnik, Wirtschaftsförderung wie auch Strukturwandel, auch innerhalb der Verwaltungsstrukturen, da sich Polen in den 1990er Jahren in einem umfassenden staatlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozess befand, der seitens des Landes NRW unterstützt wurde. Die Woiwodschaft Schlesien in den heutigen Grenzen entstand 1999 in Folge einer Verwaltungsreform. Die erste Gemeinsame Erklärung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Woiwodschaft Schlesien über die Zusammenarbeit wurde schon im Folgejahr am 1. September 2000 durch Ministerpräsident Wolfgang Clement und Marschall Jan Olbrycht unterzeichnet. Am 14. November 2008 unterzeichneten Nordrhein-Westfalen und Schlesien eine novellierte Fassung der „Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit und den Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen“, die den Entwicklungen in Polen nach dem EU- Beitritt am 1. Mai 2004 Rechnung trägt. Mit der Verlängerung der Gemeinsamen Erklärung am 28. Juni 2013 um fünf Jahre setzten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Marschall Mirosław Sekuła ein Signal für den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit. Regelmäßig treffen Vertreterinnen und Vertreter Nordrhein-Westfalens und Schlesiens zu Arbeitsgesprächen zusammen. Der gemeinsame Koordinierungsausschuss zur Umsetzung der Zusammenarbeit auf Grundlage der Gemeinsamen Erklärung tagte bisher 2009 und 2011 in Kattowitz sowie 2010, 2012 und 2014 in der Staatskanzlei in Düsseldorf. In den Ausschusssitzungen verständigten sich beide Seiten auf gemeinsame Projekte beispielsweise in den Bereichen Regionale Entwicklung, Kultur und Industriekultur, Wirtschaft und Tourismus sowie Energie und Umweltschutz. So wurde beispielsweise 2013 in Folge des Schlesienbesuchs von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz eine Kooperation mit dem Marschallamt der Woiwodschaft Schlesien aufgenommen, um die Zusammenarbeit in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 6
und Energieeffizientes Bauen zu konkretisieren und aufzubauen. Seitdem wurde die Zusammenarbeit weiter intensiviert. Es fanden deutsch-polnische Kooperationsbörsen für Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien statt sowie ein Erfahrungsaustausch zum Thema „Energiewende“. Partner sind die EnergieAgentur.NRW und der Forschungs- und Technologiepark Euro-Centrum Katowice. Vom 19. bis zum 20. Februar 2015 besuchte eine Wirtschaftsdelegation aus NRW die Stadt Kattowitz. Bei diesem Besuch warb der Regionalverband Ruhr gemeinsam mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, NRW.INVEST, der Wirtschaftsförderung metropoleruhr (wmr) und den Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet in Schlesien für den Investitionsstandort NRW und speziell das Ruhrgebiet. Dazu lud die NRW- Delegation gemeinsam mit dem Oberschlesischen Metropolverband zur Auftaktkonferenz "Ruhr and Silesia Metropolises - the innovation alliance" am 19. Februar 2015 in Kattowitz ein. Ziel der Reise war der Aufbau einer langfristig angelegten Kooperation in Wirtschaft und Wissenschaft zwischen der Metropole Ruhr und der polnischen Metropolregion Oberschlesien sowie die Gewinnung von Investitionspartnern. Die Delegation besuchte auch auf Einladung von CTL Logistics, Polens größtes privates Eisenbahnunternehmen, den Terminal Sławków und führte Gespräche über den Ausbau der Logistikverbindungen zwischen dem Ruhrgebiet und Osteuropa sowie über das verstärkte Engagement des polnischen Unternehmens im Ruhrgebiet. Um den Austausch über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Schlesien und Nordrhein-Westfalen weiter zu befördern, ist für das Jahr 2016 eine zweitägige polnisch-deutsche Konferenz geplant. Diese gemeinsam vom Marschallamt und dem Land Nordrhein-Westfalen (Staatskanzlei, MAIS) veranstaltete Fachtagung wird vom 31. März bis 1. April 2016 in Kattowitz stattfinden und exemplarische Beispiele für den Inklusionsprozess aus beiden Regionen vorstellen. 3.2 Regionales Weimarer Dreieck Seit 2001 sind Nordrhein-Westfalen, Schlesien und die französische Region Nord-Pas de Calais im Regionalen Weimarer Dreieck partnerschaftlich verbunden. Die regionale Initiative wurde durch das 1991 von den Außenministern der Länder Frankreich, Deutschland und Polen ins Leben gerufene „Weimarer Dreieck“ inspiriert. Ziel ist es, die europäische Integration durch eine verstärkte interregionale Zusammenarbeit auf der europäischen Ost-West-Achse voranzutreiben. Die drei Regionen wurden in sehr ähnlicher Weise durch die Montanindustrie und die Herausforderungen des Strukturwandels geprägt und profitieren von einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch. Die damalige Europaministerin Dr. Schwall-Düren reiste 2014 nach Frankreich und unterzeichnete am 22. August 2014 gemeinsam mit der Vize-Präsidentin der Region Nord-Pas de Calais, Majdouline Sbaï, und dem Vize-Marschall der Woiwodschaft Schlesien, Arkadiusz Chęciński, eine neue Trilaterale Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalen Weimarer Dreiecks. Darin unterstreichen die drei Regionen die Kooperation und die Notwendigkeit von Projekten in den Bereichen des wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Strukturwandels, der Kultur und der Jugendmobilität. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 7
Im Sommer 2016 ist Nordrhein-Westfalen beispielsweise Gastgeber des bereits 16. Jugendgipfels im Regionalen Weimarer Dreieck. An der jeweils einwöchigen Jugendbegegnung, die abwechselnd in Nord-Pas de Calais, Schlesien und Nordrhein-Westfalen stattfindet, haben seit 2001 rund 700 Jugendliche aus den drei Regionen im Alter zwischen 17 und 23 Jahren teilgenommen. Unter Federführung des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr finden ebenfalls im Jahresrhythmus und abwechselnd in Nordrhein-Westfalen, Schlesien und Nord-Pas de Calais Expertentagungen zur Industriekultur und zur touristischen Inwertsetzung und Vermarktung des industriellen Erbes statt. Diesbezüglich war Nordrhein-Westfalen in 2015 Ausrichter der Industriekultur-Konferenz mit dem Thema „Re-using of Industrial Heritage Sites“, die vom 4. bis 6. November 2015 in Solingen stattfand. Des Weiteren werden im Rahmen der Projektreihe „Kulturatrium“ trilaterale Kunst- und Kulturprojekte unterschiedlichster Schwerpunktbereiche, zum Beispiel Literatur, Musik und Tanz realisiert. Nordrhein-Westfalen war zuletzt im Oktober 2014 Gastgeber einer trilateralen Tanzaufführung im tanzhaus nrw in Düsseldorf. Ziel der Projektreihe „Kulturatrium“ ist es, die kulturellen Netzwerke zwischen Nordrhein-Westfalen, Nord-Pas de Calais und Schlesien gezielt zu stärken und zu erweitern. 3.3 Zusammenarbeit mit der Woiwodschaft Großpolen Seit 2010 existiert im Bereich Veterinärwesen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Woiwodschaft Großpolen (Wielkopolskie) eine Kooperation. Es gibt einen regelmäßigen fachlichen Austausch zwischen den Leitern der Veterinärdienste und dem Landesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. In den vergangenen Jahren hat sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt, die beiden Veterinärverwaltungen hilft, die Tiergesundheit und Sicherheit bei Lebensmitteln weiter zu entwickeln. Deshalb wurde im Juli 2013 die gemeinsame Absichtserklärung des Landes NRW und der Woiwodschaft Wielkopolskie (Großpolen) über die Fortsetzung der Zusammenarbeit in den Bereichen der Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit von den Veterinärdiensten unterzeichnet. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 8
3.4 Städte- und Kreispartnerschaften Eine tragende Säule in den nordrhein-westfälisch-polnischen Beziehungen sind die mittlerweile rund 90 Städte- und Kreispartnerschaften (Quelle: Rat der Gemeinden und Regionen Europas – RGRE, http://www.rgre.de/partnerschaften.html; Stand: Januar 2016), darunter 20 Städte- und Kreispartnerschaften mit Schlesien. Beinahe alle sind nach 1989 gegründet worden. Viele Partnerschaften werden durch sehr aktive Partnerschaftsvereine und –komitees unterstützt. Dank des großen ehrenamtlichen Engagements vieler Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten finden regelmäßige Begegnungen und Austausche statt und wird eine Vielzahl von Projekten realisiert. Die partnerschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen bilden auf kommunaler Ebene inzwischen ein engmaschiges Netz, das stetig weiter wächst: Im September 2015 haben die Stadt Essen und die schlesische Stadt Zabrze eine Städtepartnerschaftsvereinbarung unterzeichnet. Ihr 25-jähriges Jubiläum feiern 2016 u.a. Köln und Katowice (Schlesien), Münster und Lublin (Lublin), Bielefeld und Rzeszów (Karpatenvorland), Hamm und Kalisz (Großpolen), Castrop-Rauxel und Nowa Ruda (Niederschlesien), Hiddenhausen und Czechowice-Dziedzice (Schlesien), Herne und Konin (Großpolen), Mettmann und Żnin (Kujawien-Pommern) sowie Neukirchen-Vluyn und Ustroń (Schlesien). 3.5 Deutsch-Polnische Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit Die Landesregierung unterstützt aktiv die Arbeit der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit. Nordrhein-Westfalen hat seit 2009 den deutschen Ko- Vorsitz im Kommissionsausschuss für interregionale Zusammenarbeit. Die Funktion wird seit 2015 vom Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, Thorsten Klute, wahrgenommen. Zuvor war die damalige Europaministerin Dr. Angelica Schwall-Düren Ko- Vorsitzende des Ausschusses, der auf polnischer Seite von Elżbieta Polak, Marschallin der Woiwodschaft Lebus, geleitet wird. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung und das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung beteiligen sich aktiv an der Arbeit des Bildungsausschusses der Deutsch- Polnischen Regierungskommission und dessen Arbeitsgruppen „Berufliche Bildung“ und „Hochschulbildung“. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 9
3.6 Parlamentarische Kontakte Die fraktionsübergreifende Parlamentariergruppe NRW-Polen im nordrhein-westfälischen Landtag pflegt sehr gute und intensive Kontakte mit Polen. Regelmäßig werden polnische Gäste empfangen, es finden Reisen nach Polen sowie Treffen und Veranstaltungen zu Themen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in NRW statt. Über die Aktivitäten wird regelmäßig auf den Internetseiten des Landtags berichtet. 4. Wissenschaft, Forschung und Bildungszusammenarbeit 4.1 Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Nordrhein-Westfalen bestehen seit Jahrzehnten und entwickeln sich stetig weiter. Zwischen Polen und Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit mehr als 240 Kooperationen von Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen (Quelle: HRK- Hochschulkompass, Stand 2.11.15). An den nordrhein-westfälischen Hochschulen studieren rund 2.000 polnische Studierende. Im Rahmen des 2011/2012 durchgeführten Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahres ist es gelungen, die Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich noch einmal zu intensivieren. Das Polen-Nordrhein- Westfalen-Jahr bot Anlass zu gemeinsamen deutsch-polnischen Veranstaltungen und gegenseitigen Besuchen. Vor diesem Hintergrund haben beispielsweise die Technische Universität Dortmund und die Polnische Akademie der Wissenschaften in Warschau einen Kooperationsvertrag geschlossen. Seitdem besteht ein intensiver Forschungsaustausch zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beider Einrichtungen. Gefördert wird auch ein Austausch der Studierenden. Auch andere Universitäten und Hochschulen in NRW pflegen im Rahmen ihrer Kooperationen Austauschprogramme mit polnischen Einrichtungen. Aufgrund der Hochschulautonomie werden diese von den Hochschulen grundsätzlich selbständig geregelt. Seit dem Jahr 2009 bietet die in Düsseldorf durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung initiierte europäische Netzwerkveranstaltung „Successful Research & Innovation in Europe“ ein Forum zum Austausch für rund 300 Forscherinnen und Forscher aus 24 Ländern sowie für Unternehmen aus den Bereichen Energie, Informations- und Kommunikationstechnologie, Nano- und Produktionstechnologie sowie Lebenswissenschaften. Polen ist regelmäßig Partnerland des mittlerweile etablierten Netzwerktreffens. Die Konferenz in Düsseldorf will mögliche Projektpartner aus ganz Europa zusammenbringen und sie dabei unterstützen, einen gemeinsamen Antrag im EU-Forschungsrahmenprogramm ‚Horizont 2020‘ zu stellen. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 10
4.2 Anerkennung von Hochschulabschlüssen und Studienzeiten Polnische Hochschulabschlüsse werden in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des deutsch- polnischen Abkommens über die Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (Äquivalenzabkommen) von 1998 anerkannt. Polnische akademische Grade dürfen demnach in der Regel in Deutschland genehmigungsfrei geführt werden. Über die Anerkennung von Studienzeiten entscheiden die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen in eigener Zuständigkeit. Diesbezügliche Probleme sind nicht bekannt. 4.3 Schulische Zusammenarbeit, Schüler- und Jugendaustausch 15. deutsch-französisch-polnischer Jugendgipfel in Katowice im Rahmen des Regionalen Weimarer Dreiecks Der Schüler- und Jugendaustausch mit Polen wird in Nordrhein-Westfalen vielfältig gefördert und unterstützt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Zusammenarbeit im Bereich Jugend insgesamt sehr gut entwickelt. Mehr als 190 Schulen in NRW arbeiten mit polnischen Schulen zusammen. Damit steht Polen an dritter Stelle nach Frankreich und Großbritannien in der Rangliste der Schulpartnerschaften. Zusätzlich kooperieren auch Schulen in NRW im Bereich der durch das Erasmus-Programm geförderten Projekte mit polnischen Schulen. Eine Übersicht der NRW-Schulen, die Kontakte zu polnischen Einrichtungen pflegen, bietet die Datenbank ILKA (https://www.schulministerium.nrw.de/BP/ILKA; Stand 2.11.2015). Aktiv an der Zusammenarbeit und dem Austausch mit Polen beteiligen sich auch die 192 (Stand November 2015) Europaschulen in NRW. Während der Jahrestagung der Europaschulen am 11. Dezember 2015 in Düsseldorf war Polen Partnerland. Der Workshop des Partnerlands Polen war sehr gut besucht. Außerdem wurde das „PolenMobil“ vorgestellt und eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein Projekt des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt und der Stiftung für deutsch- 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 11
polnische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk. Das PolenMobil ist ausgestattet mit vielen Materialien und wird begleitet von einem kompetenten Team. Im Rahmen von Unterrichtsbesuchen an Schulen in ganz Deutschland möchte das Projekt bei Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften Interesse für die Landeskunde, Geschichte, Kultur und Sprache Polens wecken (http://www.poleninderschule.de/polenmobil). In Nordrhein-Westfalen war das Fahrzeug Ende 2015 erstmalig unterwegs. Neben dem Jugendgipfel im Regionalen Weimarer Dreieck unterstützt das Land schulische Begegnungsmaßnahmen mit Polen beispielsweise über die Bezirksregierung Düsseldorf in Form von Reisekostenzuschüssen. Weiterhin wird eine Vielzahl an internationalen Jugendbegegnungen und Projekten aus Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans (KJFP) NRW gefördert. Im Jahr 2014 wurden Projekte mit einem Fördervolumen in Höhe von rund 99.000 Euro unterstützt. Mit einem Fördervolumen in Höhe von rund 83.000 Euro fördert das Land (MFKJKS) aus Mitteln des KFJP auch das Programm „Jugend gestaltet Zukunft – Internationale Jugendarbeit an Orten der Erinnerung“ des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Im Rahmen dieses Programms besteht seit 2011 eine Partnerschaft mit Lublin in Südostpolen. Im Kontext dieser Partnerschaft finden jährliche Jugendbegegnungsmaßnahmen zwischen Jugendlichen des katholischen Jugendwerks „die kurbel“ in Oberhausen und der polnischen Organisation OHP in Lublin sowie jährliche Gegenbesuche polnischer Jugendlicher in Oberhausen statt. Darüber hinaus fördert die Landeszentrale für politische Bildung den seit 1953 bestehenden Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“ (Förderung 2015: 110.000 €). Der Schülerwettbewerb wird unter Federführung des MFKJKS gemeinsam mit dem MSW als Instrument der Kulturarbeit nach § 96 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) ausgelobt. Teilnahmeberechtigt sind alle Schülerinnen und Schüler ab der Grundschule. Am Schülerwettbewerb 2015 haben sich rund 5.800 Jugendliche aus rund 300 Schulen aus NRW und Osteuropa beteiligt. Insgesamt wurden 1.730 Arbeiten eingereicht. 4.4 Zusammenarbeit im Bereich beruflicher Bildung Derzeit pflegen rund 30 nordrhein-westfälische Berufskollegs Kontakte mit polnischen Berufsschulen (Quelle: Datenbank ILKA, https://www.schulministerium.nrw.de/BP/ILKA; Stand 16.11.2015). Diese Zahl wird in Zukunft voraussichtlich steigen, denn das Interesse und die Bereitschaft der hiesigen Einrichtungen der beruflichen Bildung zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit Polen sind groß. Im Besonderen eignen sich nach bisherigen Erkenntnissen die Fachbereiche Elektrotechnik/IT, Fahrzeugtechnik sowie Gastronomie und Dienstleistung für den Aufbau von Austauschmaßnahmen der Auszubildenden / Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Im Bildungsausschuss der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit engagiert sich Nordrhein-Westfalen für eine Intensivierung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Bereich der „Beruflichen Bildung“. Im Rahmen der AG 2 „Berufliche Bildung“ wurden dabei unter Bezugnahme auf den Gesamtauftrag der Deutsch- 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 12
Polnischen Regierungskommission konkrete Überlegungen entwickelt, inwiefern das Gremium Unterstützungen dazu leisten kann bzw. eine Plattform bietet, damit der deutsch-polnische Austausch von Auszubildenden noch stärker gefördert und dabei (unter Berücksichtigung eines Qualitätsrahmens für berufsbezogene Praktika) die Lernergebnisorientierung und deren Zertifizierung (etwa die Berücksichtigung im Europass) beim Erwerb berufsbezogener und interkultureller Kompetenzen besonders in den Fokus genommen werden können. Zur Umsetzung der Ziele wurde für ausgewählte Berufe ein Pilotprojekt vereinbart (Berufe der Elektrotechnik/IT, Fahrzeugtechnik sowie Gastronomie und Logistik-Dienstleistungen), an dem sich 36 deutsche und polnische Berufskollegs bzw. berufliche Schulen beteiligen; davon 18 Berufskollegs aus den deutschen Bundesländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Nordrhein-Westfalen (sieben der 18 Berufskollegs sind aus NRW). Zur Konkretisierung der Zusammenarbeit bezüglich berufsbezogener Austauschpraktika zwischen deutschen und polnischen beruflichen Schulen wurde im Rahmen der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für „Deutsch-Polnische Bildungszusammenarbeit“ im Mai 2015 in Warschau die Durchführung von zwei Kontakt- und Vorbereitungsseminaren vereinbart. Die erste dreitägige Tagung fand unter Federführung von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und Essen mit mehr als 100 Teilnehmern statt. Die Veranstaltung wurde von Ministerin Sylvia Löhrmann am 28. September 2015 eröffnet. Teilgenommen haben im Wesentlichen Schulleitungen bzw. Lehrkräfte, die vorhandene Austausche zwischen deutschen und polnischen beruflichen Schulen intensivieren oder neue Austausche aufbauen und verstetigen möchten, darüber hinaus die Mitglieder des deutsch-polnischen Bildungsausschusses sowie die Schulaufsichten aus den beteiligten deutschen Bundesländern und die Bildungskuratoren aus den polnischen Regionen. Ziele des ersten Kontaktseminars waren u.a. der Aufbau und die Konkretisierung von Schulpartnerschaften durch Verständigung über Schulpartnerschaftsvereinbarungen. Insgesamt konnten anlässlich der Veranstaltung von den beteiligten Schulen aus NRW sieben Partnerschaftsvereinbarungen mit polnischen Schulen konkretisiert werden, die mittlerweile auch unterzeichnet vorliegen. Es ist absehbar, dass durch das Pilotprojekt zwischen 18 und 20 Partnerschaftsvereinbarungen aufgebaut und begleitet werden. Im Rahmen des zweiten Seminars vom 18. – 20 November 2015 in Wrocław (Breslau), an dem sechs Berufskollegs (22 Lehrkräfte) teilgenommen haben, waren die Hauptthemen die Entwicklung und Abstimmung möglicher Lernergebniseinheiten im Rahmen der berufsbezogenen Schüleraustausche, die organisatorische und inhaltliche Konkretisierung der Austauschmaßnahmen (Abschluss von Lernvereinbarungen etc.), die Förderung interkultureller Kompetenz und sprachlicher Kompetenzerwerb im Rahmen der Austauschpraktika und die Durchführung von Assessments. Im Ergebnis wurden damit die Grundlagen gelegt, um im Jahr 2016 konkret die darauf basierenden Austausche von Auszubildenden aus deutschen und polnischen beruflichen Schulen durchzuführen. Die weiteren Aktivitäten im vereinbarten Arbeitsprogramm konzentrieren sich auf die Entwicklung gemeinsamer Leitlinien für die Durchführung von binationalen Austauschpraktika in berufsbezogenen Bildungsgängen, die Konzeptentwicklung für eine Qualifizierung des Bildungspersonals (Schulleitungen, Lehrkräfte, Ausbilder) für deutsch-polnische Schulaustausche und die Nutzung von Potenzialen der Digitalisierung für den Auf- und Ausbau der Zusammenarbeit polnischer und deutscher Bildungsorganisationen (Portalintegration, Datenbanken, Austauschbegleitende Methoden und Medien). 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 13
4.5 Polnischunterricht In Nordrhein-Westfalen haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Polnisch sowohl als Herkunftssprache (Muttersprache) als auch als Fremdsprache zu lernen. Der herkunftssprachliche Unterricht in Nordrhein-Westfalen ist ein Angebot des Landes. Er wird ergänzend zum Regelunterricht erteilt und umfasst bis zu fünf Wochenstunden. Er wird in der Primarstufe dort angeboten, wo die Anzahl der Kinder einer gemeinsamen Herkunftssprache die Bildung einer mindestens 15 Schülerinnen und Schüler umfassenden Lerngruppe dauerhaft ermöglicht. In der Sekundarstufe I dort, wo die Lerngruppe mindestens 18 Schülerinnen und Schüler umfasst. Nach den amtlichen Schuldaten 2014/15 unterrichten derzeit 41 Schulen in Nordrhein-Westfalen Polnisch als Herkunftssprache, die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler beträgt insgesamt 1.030. Schulen, die den Unterricht in der Herkunftssprache an Stelle einer Fremdsprache anbieten, erhalten dafür Stellenzuschläge. Den herkunftssprachlichen Unterricht und den herkunftssprachlichen Unterricht anstelle einer zweiten oder dritten Pflichtfremdsprache erteilen grundsätzlich Lehrkräfte, die die entsprechende Befähigung für ein Lehramt nach deutschem Recht in dem Fach des herkunftssprachlichen Unterrichts besitzen. Der herkunftssprachliche Unterricht verfolgt folgende Ziele: Wertschätzung der natürlichen Mehrsprachigkeit, Weiterentwicklung von Sprachkompetenzen im Bereich der Herkunftssprache, Entwicklung von interkulturellen Kompetenzen und Umsetzung von Konzepten durchgängiger Sprachbildung. Am Ende des Besuchs des herkunftssprachlichen Unterrichts nach Klasse 9 oder 10 steht eine Sprachprüfung an – gute Leistungen in der Herkunftssprache können mangelhafte Leistungen in einer Pflichtfremdsprache ausgleichen. 1997 wurde in Nordrhein-Westfalen zudem der Verband der Polnischlehrer und Pädagogen in Deutschland e.V. gegründet (Związek Nauczycieli Języka Polskiego i Pedagogów w Niemczech, http://www.jpolski.de). Dieser Verband unterstützt den muttersprachlichen Polnischunterricht und arbeitet mit den deutschen Schulbehörden zusammen. Die Teilnahme an den Kursen der LehrerInnen des Verbands wird in deutschen Schulzeugnissen vermerkt und die Leistungsbewertung in das Zeugnis der 10. Klasse aufgenommen. Nach Angaben des Verbands werden in NRW rund 2.500 Schülerinnen und Schüler im Rahmen der angebotenen Kurse unterrichtet. Als Fremdsprache ist Polnisch in Nordrhein-Westfalen in der Sekundarstufe I und II zugelassen und kann sowohl schriftliches als auch mündliches Abiturfach sein. Aufgrund bisher fehlender Nachfrage wird der fremdsprachliche Polnischunterricht in NRW derzeit nicht erteilt. Darüber hinaus wird Polnisch im Rahmen des Begegnungssprachenkonzepts der Grundschule und jahrgangsübergreifend in Arbeitsgemeinschaften der weiterführenden Schulen angeboten. Dieses Angebot nutzten 2015 rund 1.300 Schülerinnen und Schüler. Polnisch als (Fremd-)Sprache an Hochschulen ist Teil des Studiums der Kulturwissenschaften und der Slawistik in Nordrhein-Westfalen z.B. an den Universitäten Bochum, Köln und Münster. Zudem können Studierende Polnisch auch in den universitären Sprachenzentren wie z.B. in Düsseldorf erlernen und vertiefen. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 14
Die Landesregierung unterstützt auch Projekte zur Förderung der polnischen Sprache und Kultur des Polnischen Instituts in Düsseldorf. Seit vielen Jahren wird beispielsweise die Projektreihe „POLE-POSITION. Polnischer Projekttage für NRW-Schulen“ gefördert. Neben Crashkursen in deutsch-polnischer Geschichte werden auch Kurse zur polnischen Literatur, zur polnischen Landeskunde und Schnupperkurse Polnisch angeboten. Teilgenommen haben bereits 7800 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer aus NRW. Auch die „Langen Nächte der polnischen Literatur“ sowie das Schulprojekt „Näher an Polen“ wurden durch das Land unterstützt. Im Bildungsausschuss der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit beteiligt sich das Land Nordrhein-Westfalen an der Erarbeitung von Empfehlungen zur Förderung des Polnischunterrichts in Deutschland. 4.6 Deutsch-Polnisches Geschichtsbuch Um die deutsch-polnische Verständigung zu fördern, vereinbarten in den Jahren 2006 und 2007 die Außenminister Polens und Deutschlands die Erarbeitung einer gemeinsamen Schulbuchreihe der europäischen Geschichte - von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart - , die im deutschen und polnischen Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I in identischer Form, lediglich in unterschiedlichen Sprachfassungen, eingesetzt werden soll. Die Kultusministerkonferenz der Länder hat am 8. März 2012 beschlossen, das deutsch-polnische Projekt im Umsetzungszeitraum 2012 bis 2018 finanziell zu fördern. Die Fördersumme, die die 16 Bundesländer nach Maßgabe des Königsteiner Schlüssels hierfür bereitstellen, beträgt insgesamt 1,656 Mio. Euro. Nordrhein- Westfalen unterstützt das Projekt mit 351.640,41 Euro. An der Finanzierung beteiligt sind weiterhin das Auswärtige Amt und die polnische Regierung. Das Geschichtswerk, das zu einem gemeinsamen historischen Verständnis künftiger Schülergenerationen beitragen soll, wird fachlich und organisatorisch von einem deutsch- polnischen Steuerungsrat, von der bereits 1972 gegründeten deutsch-polnischen Schulbuchkommission sowie einem binationalen Expertenrat begleitet. 5. Kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen Die kulturellen und zivilgesellschaftlichen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen sind überaus vielschichtig. Dazu tragen die bereits erwähnten vielfältigen Partnerschaften und Begegnungsprojekte von Schulen, Kommunen und weiteren Institutionen und Organisationen bei. Kunst- und Kulturinstitutionen und Einrichtungen verfügen in allen Sparten über unzählige Kontakte, die über Jahre durch gemeinsame Ansätze entstanden und gewachsen sind. Allein zwischen den Hochschulen bestehen 15 Kooperationen im Kunst- und Musikbereich (Quelle: HRK- Hochschulkompass, Stand 16.11.2015). Austausche und Kooperationen mit polnischen Einrichtungen pflegen zudem auch die Museen in Nordrhein-Westfalen, darunter die Landesmuseen wie die Industriemuseen der Landschaftsverbände oder das Oberschlesische und das Westpreußische Landesmuseum. Hervorzuheben sind auch die Arbeit des bereits erwähnten Polnischen Instituts Düsseldorf und der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, die viele Akteure aus 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 15
den Bereichen Kunst, Kultur und Gesellschaft aus Deutschland und Polen in zahlreichen Veranstaltungen und Projekten zusammenbringen. Seit Jahrzehnten machen sich auch die vielen Deutsch-Polnischen Gesellschaften für die deutsch-polnische Kulturarbeit in Nordrhein-Westfalen stark. Der 24. Bundeskongress der Deutsch-Polnischen Gesellschaften fand im November 2015 in Bonn statt. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt und fördert kontinuierlich die kulturellen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten der genannten und weiteren Akteure. Zu erwähnen ist beispielsweise das Engagement Nordrhein-Westfalens im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/2006, in dem ein gemeinsames Programm mit der Woiwodschaft Schlesien durchgeführt und Kulturbegegnungen und nachhaltiger Austausch gefördert wurden. Hervorzuheben ist weiterhin das Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr in den Jahren 2011 und 2012, das unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und des polnischen Senatspräsidenten Bogdan Borusewicz durchgeführt wurde. Das Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr gliederte sich in zwei verschiedene Teile, den gesellschaftlich-politischen Dialog und die Präsentation von Kunst und Kultur in Polen und Nordrhein-Westfalen. Mit der Kultursaison „Tam’Tam“ hat sich Nordrhein-Westfalen erfolgreich als Kulturland in Polen präsentiert. Der thematische Schwerpunkt der Präsentation der NRW-Kunst und Kultur lag auf zeitgenössischen Sparten Bildender Kunst bzw. Ausstellungen, Musik, Tanz, Film und Literatur. Nordrhein-Westfalen hat sich in Polen in Warschau und ebenfalls in den Metropolen Krakau, Kattowitz, Breslau, Posen und Łódź präsentiert. Darüber hinaus wurden auch Lublin und das nordpolnische Toruń punktuell ins Programm einbezogen. In 2012 folgte unter dem Titel „Klopsztanga“ die Präsentation polnischer Kunst in Nordrhein-Westfalen. Dadurch wurden besonders viele deutsche und polnische Kulturakteure zusammengebracht. Das deutsch-polnische Jubiläumsjahr 2016 nimmt die Landesregierung zum Anlass, um anknüpfend an das Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr 2011/2012 erneut die hervorragende Projektarbeit engagierter Bürgerinnen und Bürger in besonderer Weise zu würdigen und zu unterstützen. Im September 2015 hat die Staatskanzlei zu einem Projektwettbewerb im Rahmen des Richeza-Preises des Landes Nordrhein-Westfalen für herausragende Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung aufgerufen. Der 2009 ins Leben gerufene Preis trägt den Namen der aus rheinischem Adelsgeschlecht stammenden polnischen Königin Richeza aus dem 11. Jahrhundert und drückt die besondere Verbundenheit Nordrhein-Westfalens mit Polen aus. Über die Preisvergabe soll 2016 eine deutsch-polnische Jury entscheiden. Ausgewählte Projekte werden durch das Land Nordrhein-Westfalen bis zu einer Höchstsumme von 5.000 Euro prämiert. Besondere Aufmerksamkeit finden in der deutsch-polnischen kulturellen Zusammenarbeit in NRW die Themen Industriekultur und Erinnerungskultur. Beispielhaft für die Zusammenarbeit im Bereich Industriekultur steht die 2011 begründete Kooperation zwischen den Kultur-Großevents „Extraschicht – Nacht der Industriekultur“ im Ruhrgebiet und der „Industriada“ in der Woiwodschaft Schlesien. Die Veranstaltungen kooperieren in den Bereichen Werbung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem nehmen jeweils Vertreterinnen und Vertreter der Partnerregionen an den Events teil. Das auf Anregung aus Nordrhein-Westfalen und mit Förderung der EU (INTERREG III C) sowie des Landes aufgebaute Netzwerk zur touristischen Inwertsetzung und Vermarktung des industriellen Erbes „European Route of Industrial Heritage (ERIH - Europäische Route der Industriekultur)“ 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 16
präsentiert auf seiner viersprachigen Webseite (www.erih.net) über 1.000 touristisch attraktive Standorte in 44 Ländern Europas, davon allein 65 aus NRW und mehr als 30 aus Schlesien. Die ERIH-Webseite ist damit eines der größten themenbezogenen Kulturportale in Europa. Die Industriegeschichte europäischer Regionen wird auf sogenannten „regionalen Routen“ vorgestellt. Wie schon zuvor erwähnt ist das Thema Industriekultur darüber hinaus ein fester Bestandteil der Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalen Weimarer Dreiecks. Auch dem Thema Erinnerungskultur widmet das Land besondere Aufmerksamkeit in den Beziehungen zu Polen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft reiste im Juni 2013 nach Polen und besuchte dort in Begleitung von Jugendlichen das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau. Dort legte sie an der Todesmauer Block 11/12 einen Kranz nieder. Außerdem zeichnete sie den Leiter der Jugendbegegnungsstätte „Zentrum für Dialog und Gebet“ in Auschwitz, Pfarrer Manfred Deselaers, mit dem Landesverdienstorden aus. Eine besondere Bedeutung hat Erinnerungskultur als Teil von historischer und politischer Bildung und Demokratiepädagogik. Vor diesem Hintergrund besucht Schulministerin Sylvia Löhrmann jedes Jahr die Gedenkstätte Auschwitz gemeinsam mit Schülergruppen. Als Präsidentin der Kultusministerkonferenz der Länder machte Ministerin Löhrmann im Jahr 2014 die Erinnerungskultur zu einem Schwerpunkt und nahm auf Einladung der Knesset an der ersten gemeinsamen, interparlamentarischen Sitzung von Knesset- und Sejm-Abgeordneten in Krakau teil. Die Landeszentrale für politische Bildung fördert „DIE STIFUNG. Erinnern ermöglichen“ mit einem Verwaltungskostenzuschuss in Höhe von 50.000 Euro. Die Stiftung hat u.a. die Aufgabe, Schulklassen aus NRW bei Studienfahrten in die Gedenkstätte Auschwitz zu unterstützen. Von 2010 bis heute sind mit Unterstützung der Stiftung insgesamt mehr als 17.500 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II aller Schulformen bei der Durchführung einer Studienfahrt in die Gedenkstätte Auschwitz gefördert worden. 6. Polnischstämmige Bevölkerung in NRW Wichtige Mittler zwischen den Kulturen sind im Besonderen die aus Polen stammenden Menschen. Mehr als eine halbe Million Bürgerinnen und Bürger polnischer Herkunft (2014: 564.000) leben in Nordrhein-Westfalen. Allein im Jahr 2014 zogen 45.518 Polinnen und Polen nach NRW, lediglich Rumänien erreichte mit 40.308 Personen eine Zuwanderungszahl, die annähernd in dieser Höhe liegt. Seitens der Landesregierung wurde im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales ein Beauftragter für die Zusammenarbeit mit polnischstämmigen deutschen Bürgern und Polen in Deutschland sowie mit deren Organisationen (Polonia) benannt. Seit der Berufung von Herrn Staatssekretär für Integration Thorsten Klute 2014 zum Polonia-Beauftragten hat dieser eine Vielzahl von Gesprächen und Begegnungen mit Vertretern der Republik Polen, den Selbstorganisationen der Polonia in NRW und weiteren Verbänden und Personen durchgeführt. Das Land Nordrhein-Westfalen engagiert sich aktiv in der Förderung und Qualifizierung der Migrantenselbstorganisationen. Polonia-Vereine können sich beispielsweise um eine Förderung im Rahmen des Förderprogramms für Migrantenselbstorganisationen in NRW bemühen 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 17
(http://www.lum.nrw.de/Foerderprogramme/MSO/2015/2015-10-05-Foerderkonzept-MSO-Stand- Oktober-2015.pdf). Am 26. Januar 2016 hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales erstmalig auch einen Bericht „Zur Integration von Menschen polnischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen“ vorgestellt. Die Sonderauswertung auf Grundlage des Mikrozensus macht deutlich, dass die polnischstämmige Bevölkerung in NRW, die als am schnellsten wachsende Zuwanderergruppe im Land gilt – von der aktuellen Flüchtlingssituation abgesehen - , zugleich überdurchschnittlich gut integriert ist. Polinnen und Polen in NRW haben ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau und weisen eine Erwerbstätigenquote auf [2014: 70,6 %], die deutlich höher als die der Personen mit Migrationshintergrund insgesamt ist. Der Anteil der unter 30-Jährigen liegt bei 36,4 % und der Anteil der 30- bis 55-Jährigen bei 39,9 % [2014]. Die gut ausgebildeten, sich gut integrierenden und größtenteils noch jungen Menschen stellen sowohl ein kulturelles als auch ein wirtschaftliches Potential für Nordrhein-Westfalen dar, das es in Zukunft noch besser zu fördern gilt. 7. Schlussbemerkungen Aufgrund der Vielschichtigkeit der Beziehungen und der Vielzahl von Maßnahmen und beteiligten Akteuren vermag der vorliegende Bericht nur die wichtigsten Themen und Entwicklungen in den nordrhein-westfälisch-polnischen Beziehungen zusammenzufassen. Festgestellt werden kann aber, dass sich Nordrhein-Westfalen in den vergangenen 25 Jahren beständig und vielseitig für den Ausbau und die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Polen eingesetzt hat. Im Ergebnis sind die Beziehungen Nordrhein-Westfalens zu Polen heute aufgrund der lebendigen politischen, wirtschaftlichen, zivilgesellschaftlichen und kulturellen Verbindungen enger denn je und der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag wird durch eine Vielzahl von Projekten und Kooperationen mit Leben gefüllt. Die Bilanz der Zusammenarbeit NRW-Polen fällt damit positiv aus. Daran gilt es in Zukunft weiter anzuknüpfen und besonders die Präsenz der polnischen Kultur und Sprache in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Möglichkeiten weiter zu fördern. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 18
Impressum Herausgeber Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei Stadttor 1 40219 Düsseldorf Bildnachweis Titelbild Flagge: panthermedia.net / Juergen Priewe Logo 25 Jahre gute Nachbarschaft: Auswärtiges Amt (www.25pl.de) Kapitel 4.3: © Marschallamt Schlesien 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 19
Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei Stadttor 1 40219 Düsseldorf 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 20
Sie können auch lesen