40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP

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40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
1979–2019 | 40 Jahre GÜTEGEMEINSCHAFT

40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT
GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER
40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
VOM PRÜFZEICHEN                         ... oder „auf die Grundhaltung kommt es an“
                                            Wenn wir uns die Entwicklung unserer Gütegemeinschaft an-
     ZUR GEWÄHRLEIS-                        schauen, so ist dies eine Geschichte, die auf Notwendigem basiert
                                            (= Definition und Einhaltung eines Qualitätsversprechens) und
       TUNGSMARKE ...                       die die Erwartungshaltungen künftiger Anforderungen abbildet
                                            (= Abbildung des Gesamtsystems unter Berücksichtigung von

           VORWORT                          Kunden- und Umweltanforderungen).

                                            Stets stand und steht der Qualitätsgedanke im Vordergrund, nicht
                                            nur im Sinne der Spezifikationserfüllung, sondern als Teil unserer
                                            DNA: Güte ist eine Grundhaltung, die wir mit allen unseren Mitglie-
                                            dern verkörpern und nach außen darstellen. Dabei ist jedes Produkt
                                            und jede Komponente von gleich hoher Bedeutung, ebenso wie
                                            die Herstellungsprozesse und die Eigenschaften des Gesamtsys-
                                            tems. Und ebendieser gesamtheitliche Ansatz ermöglicht es uns,
                                            die Wertschöpfungskette gesamthaft abzubilden und darüber hi-
                                            naus Themenblöcke wie „gesundes Wohnen“ und „Nachhaltigkeit“
                                            glaubhaft zu adressieren. Damit wird aus dem Gütezeichen eine
                                            Gewährleistungsmarke im europäischen Kontext als Vision, die wir
                                            gemeinsam begonnen haben umzusetzen.

                                            Das Prüfzeichen, das kein Gütezeichen sein durfte |
                                            ab 1979
                                            Mit Gründung unserer Gütegemeinschaft 1979 im Qualitätsverband
                                            (QKE) wurde die Grundlage für eine Gütesicherung des Vorprodukts
                                            „Profil“ gelegt. Zu dieser Zeit gab es bereits das RAL Gütezeichen
                                            „Kunststofffenster“. Um den Markt nicht zu irritieren, verständigten sich
                                            die beiden Gütegemeinschaften gemäß Kooperationsvereinbarung,
                                            kein zweites Gütezeichen einzuführen. Zugegebenermaßen han-
                                            delte es sich dabei für die Gütegemeinschaft in Bonn um ein-
                                            en Kompromiss, um intern Gütesicherung betreiben zu können.

                                            Laut der Vereinbarung durften für RAL gütegesicherte Kunststofffens­
                                            ter ausschließlich gütegesicherte und mit dem K-Prüfzeichen des QKE
                                            „Kunststoff-Fensterprofile“ gekennzeichnete Profile verarbeitet werden.
                                            Dieses von unserer Gütegemeinschaft geschaffene und national wie in-
Dr. Michael Stöger | Vorstandvorsitzender

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40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

ternational zeichenrechtlich geschützte Prüfzeichen         auch folienkaschierte Profile eine Aufwertung:
für Kunststoff-Fensterprofile hat einheitliche Güte-        Anforderungen an Folien, Klebstoffe und Kaschier-
und Qualitätsmerkmale geschaffen. Es besteht aus            prozesse wurden genauer festgelegt.
einem stilisierten Fensterprofilquerschnitt.
                                                            Gütezeichen für das System der Fenster-
                                                            profile | ab 2013
Der Beginn der „Emanzipation“ der Gütegemein-
schaft zeigt sich bereits an dem 2006 entwickelten          Die Ausweitung der Gütesicherung auf das gesamte
Logo für die Gütegemeinschaft, das das stilisierte K        Kunststoff-Fenstersystem erforderte eine neue Pra­xis
des Prüfzeichens aufgreift.                                 der Systemüberwachung, die in einer völlig überar-
                                                            beiteten Güte- und Prüfbestimmung RAL-GZ 716
Vom Prüf- zum Gütezeichen | ab 2008
                                                            dokumentiert wurde.
Im Sommer 2008 erfolgte die Revision der
RAL-GZ 716-1: Wachsende Märkte, steigende An-               Waren früher Prüfungen an Profil und Komponent-
sprüche an das Fensterprofilsystem sowie der Erfolg         en ausreichend, so werden in der neuen RAL-GZ 716
folienkaschierter Profile haben zu einer Vielzahl von       zusätzliche Prüfnachweise des fertigen Kunststofffen-
Neuentwicklungen geführt, die eine Anpassung der            sters verlangt. Auch bei der Gütesicherung der
Güterichtlinien an den technischen Fortschritt nötig        Komponenten trat eine Verschärfung in Kraft: Die
machten. Aber nicht nur das. Auch der Wegfall der           künstliche Bewitterung von Folien wurde mehr als
Gemeinnützigkeit für Gütegemeinschaften führte              verdoppelt und auch Klebstoff-/Primersysteme un-
dazu, die Gütegemeinschaft als Gliederung des Qua­          terliegen strengeren Zulassungskriterien.
litätsverbands neu aufzustellen.
                                                            Der neue Anspruch sollte seinen Niederschlag in ei-
30 Jahre nach Gründung der Gütegemeinschaft im              nem neuen Layout finden. Das 2013 neu eingeführte
QKE war es dann soweit: Sie wurde aus dem Qual-             Gütezeichen symbolisiert das Fenster mit all seinen        KUNSTSTOFF-FENSTER
                                                                                                                         PROFIL-SYSTEME
itätsverband ausgegliedert, in einen selbstständigen        Systemkomponenten.
Verband überführt und verleiht erstmals das neue
RAL Gütezeichen – jedoch immer noch auf Basis der           Das eingetragene Warenzeichen demonstriert mit
Gütesicherung für die Profilextrusion.                      der Abkehr vom K-Zeichen die eigentliche Emanzi-
                                                            pation vom reinen Kunststofferzeugnis. Mit den 2018
Wichtigste Änderungen betrafen die Einbezie­hung            neu in die RAL-GZ 716 aufgenommenen Komponent-
von weißen PVC-U-Profilen mit Wanddicken von                en der Verbinder, Verstärkungen und Deckschalen
nominal 2,7 mm (innere und äußere Sichtfläche):             wurde die Gütesicherung des Fensterprofilsystems
Die damals sogenannten „RAL B“ Profile durchlaufen          nunmehr auf die gesamte Wertschöpfungskette
dabei die gleichen Prüfkriterien und müssen die An-         ausgeweitet.
forderungen, die die Gütesicherung an „RAL A“ Pro-
file stellt, erfüllen. Mit der Revision von 2008 erfuhren

                                                                                                                                            3
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Vom Gütezeichen zur Gewährleistungs-                                               haltigkeit steht. Damit wollen wir schon heute
    marke | ab 2019                                                                    zukünftige Anforderungen an Bauprodukte vorweg­
    Das gütebestimmende Merkmal der aktuellen                                          nehmen. Auf diese Basis gestellt, wird das Güte-
    RAL-GZ 716 ist die Dauergebrauchstauglichkeit                                      zeichen in einem nächsten Schritt als Europäische
    von Kunststoff-Fensterprofilsystemen. Für die An-                                  Gewährleistungsmarke beantragt. Wir sind gespannt,
    forderungen der Zukunft erarbeiten wir ein Konzept,                                ob diese Weiterentwicklung des Gütezeichens auch
    damit das RAL Gütezeichen künftig auch für ein                                     europäisch an Kraft gewinnt.
    „Nachhaltiges Bauprodukt“ unter Einbeziehung der
    Merkmale Gesundes Innenraumklima und Nach­                                         Insofern dürfen wir stolz sein auf unsere Geschichte,
                                                                                       in der wir mit großem Engagement die jeweilig aktu-
                                                                                       ellen Themen professionell aufgegriffen haben und
                                                                                       uns selbstbewusst im Markt etabliert haben.
       URKUNDE                                                                         Die nächsten Schritte haben wir klar vor Augen: Güte
                                                                                       ist eine Marke – denn auf die Grundhaltung kommt
                                                                                       es an.
       40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT
                                                                                       Dr. Michael Stöger | Vorstandsvorsitzender
       KUNSTSTOFF-FENSTERPROFILSYSTEME E. V.
       RAL gartuliert der Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e. V.
       zum 40-jährigen Bestehen und verleiht ihr aufgrund ihrer Verdienste um das
       RAL Gütezeichensystem diese Urkunde.

       RAL wünscht der Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e. V.
       für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.

       Bonn, den 16.11.2019

       RA Rüdiger Wollmann                                         RA Thomas Roßbach
       Hauptgeschäftsführer                                        Geschäftsführer

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40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

DIE 1960ER UND 1970ER JAHRE
AUF DEM WEG ZUR GÜTEGEMEINSCHAFT
Vor mehr als 65 Jahren kam PVC erstmals als Werkstoff     bei erkannte der Verband, dass eine Gütesicherung
für Fensterrahmen zum Einsatz. Diente es zunächst         für Kunststofffenster sowohl Anforderungen an das
der korrosionssicheren Ummantelung von Stahl- und         Kunststoffprofil als auch an das Fenster stellen muss.
Aluminiumprofilen, wurden aus PVC bereits Anfang          Daher schlossen QKE und Gütegemeinschaft Kunst-
der 1960er Jahre die ersten selbsttragenden Profile       stofffenster (ein Vorläufer der Gütegemeinschaft
für Kunststofffenster hergestellt.                        Fenster, Fassaden und Haustüren e.V., Frankfurt) ei-
                                                          nen Kooperationsvertrag. In Zusammenarbeit ent-
Zu dieser Zeit regten sich bei den Kunststofffenster-     stand ein Entwurf, der die Basis für die Gütesicherung
bauern und der Kunststoffindustrie die ersten Dis-        für Kunststoffprofile und -fenster bildete. Hierbei
kussionen, wie die Qualität dieses neuen Produkts         konnte der QKE auf Erkenntnisse aus Langzeitver­
sichergestellt werden sollte. Vor diesem Hintergrund      suchen seiner Gütegemeinschaft Kunststoffrohre
gründete sich 1963 ein Arbeitskreis bestehend aus         zurückgreifen. Daraus entstand 1977 die erste Fas-
Rohstoffherstellern, Profilextrudeuren und Fenster-       sung der Gütesicherung RAL-RG 716/1, jedoch ohne
bauern, der erste Anforderungen an die Qualität und       Fremd­überwachung. Damit war es gelungen, eine
Prüfung von Profilen formulierte.                         erste Gütesicherung vom Rohstoff über die Profile bis
                                                          zum fertigen Fenster zu schaffen.
Die Extrusionstechnik und der Fensterbau entwickel-
ten sich schnell weiter. Diese Dynamik machte es nö-
tig, das Thema Gütesicherung auf Verbandsebene zu
                                                           „Die Gütesicherung ist unverzichtbar geworden in
heben: So gründete sich 1967 im Qualitätsverband                 unserer Branche, um Qualitätsstandards zu
eine Interessengemeinschaft „Kunststofffenster“, die          entwickeln, zu etablieren und sicherzustellen.“
sich mit der Qualität von Profilen und Fenstern be-
                                                                                                      Dr. Michael Szerman | Vorstand
schäftigte. Ein Jahr später lag der erste Entwurf einer
Güterichtlinie für das K-Gütezeichen (RAL) Kunst-
stofffenster vor.                                         Im zweiten Anlauf zur Gütegemeinschaft
                                                          Dass 1966 noch der Versuch scheiterte, eine Gütege-
Erste Gütesicherung nach RAL-RG 716/1                     meinschaft für Kunststofffenster innerhalb des QKE
Eindeutige Anforderungen an die Fensterqualität           zu gründen, lag vor allem daran, dass das Kunststoff-
konnten aber nur nach und nach festgelegt werden          fenster noch nicht gegenüber Holz- und Aluminium-
– eine Arbeit, die der QKE zielstrebig fortsetzte. Da-    fenstern abgegrenzt werden konnte. Erst Jahre später

                                                                                                                                   5
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Bilder (v. l.): Modell des ältesten in Serie hergestellten Kunststofffensters der Welt: ein Mipolam elastic von 1954
aus Troisdorf (©Rainer Hardtke, KMV Troisdorf ) | ©Profine GmbH | ©Bauelemente Bau Ausgabe 12/1979

                       gelang ein Neuanlauf. Zum einen hatte sich das Pro-                  duktstandards festzulegen. Im wachsenden Wettbe-
                       dukt gut etabliert und zum anderen war der Wunsch                    werb zwischen den Profilherstellern sollten für alle
                       der Profilhersteller im QKE nach einem einheitlichen                 Teilnehmer gültige Gütemerkmale definiert werden,
                       Überwachungszeichen für Kunststofffensterprofile                     um letztlich die Funktionstüchtigkeit der Fenster si-
                       weiterhin groß. So gründeten sie am 16. November                     cherzustellen. Hierbei orientierte sich die Gütege-
                       1979 die „RAL Gütegemeinschaft Fensterprofile im                     meinschaft an den Grundsätzen von RAL.
                       Qualitätsverband Kunststofferzeugnisse e.V.“ Damit
                       war sie die jüngste Gütegemeinschaft innerhalb des                   Wer ist RAL?
                       QKE. Bereits in der Gründungssitzung wurde ein Gü-                   RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kenn-
                       teausschuss installiert, der auf der Basis von Prüf- und             zeichnung e.V. wurde 1925 als Reichs-Ausschuss für
                       Überwachungsberichten sowie einer Fremdüberwa-                       Lieferbedingungen gegründet und hatte nach eige-
                       chung durch eine externe Inspektions- und Prüfstelle                 nen Angaben die Aufgabe, „zum Schutz von Wirt-
                       das neue Prüfzeichen für Kunststoff-Fensterprofile                   schaft und Verbrauchern“ für Klarheit im Kennzeich-
                       vergab.                                                              nungswesen und für die verlässliche Kennzeichnung
                                                                                            von Waren und Leistungen zu sorgen. Die Zuverläs-
                       Ziele der Gütegemeinschaft                                           sigkeit und Objektivität der RAL Gütesicherung wur-
                       Ziel der Gütegemeinschaft war es, eine unabhängige                   de damals wie heute sichergestellt, indem die Ein-
                       und konsequente Fertigungskontrolle festzulegen,                     haltung der Güte- und Prüfbestimmungen durch die
                       so dass damit eine gleichbleibende Qualität garan-                   Unternehmen von externen Prüfern regelmäßig und
                       tiert werden konnte. Außerdem ging es darum, Pro-                    neutral überwacht wird.

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40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

DIE 1980ER JAHRE
GEMEINSAM WACHSEN
Durch den Bauboom zu Beginn der 1980er erreichte        Weiterentwicklung der Güte- und Prüf-
das Kunststofffenster schon bald einen Marktanteil      vorschriften
von 40 % und zog mit dem zuvor dominierenden            In enger Abstimmung zwischen Rohstoffproduzen-
Holzfenster gleich. Jedoch verlagerte sich die Bautä-   ten, Profilherstellern und Fensterbauern legten die
tigkeit vom Neubau zur Sanierung und Bestandspfle-      Gütegemeinschaften in Bonn und Frankfurt in den
ge. Dies bedeutete für die Kunststoff-Fensterbranche    Güte- und Prüfvorschriften der RAL-RG 716/1 (Ab-
keineswegs einen Nachteil: Denn es war nur eine         schnitt I–III) die Anforderungen an Material, Profile
Frage der Zeit, bis die Renovierung von rund 70 Mio.    und Montage fest.
Fenstereinheiten anstand.
                                                        Ihren Abschnitt über „Kunststoff-Fensterprofile“,
Kooperation der Gütegemeinschaften                      der zunächst aus den Teilen „PVC hart“ und „hartem
Bonn und Frankfurt                                      PUR-Integralschaum“ bestand, entwickelte die Gü-
Nach der Gründung der Gütegemeinschaft Fenster-         tegemeinschaft stetig weiter. So wuchs Abschnitt I
profile wurde mit der Gütegemeinschaft Kunststoff-      Ende der 1980er auf die sechs Teile „PVC hart“, „Har-
fenster 1980 eine neue Kooperationsvereinbarung         ter PUR-Integralschaum“, „PVC hart und PMMA“, „PVC
geschlossen mit dem Zweck, die Arbeit an den Güte-      hart und PMMA mit vollmassivem, duroplastartigem
und Prüfvorschriften der RAL-RG 716/1 gemeinsam         Kernmaterial“, „PVC-Hartschaum und Aluminium-Ar-
voranzutreiben. Außerdem legten sie im Vertrag er-      mierung“ sowie „PVC hart mit Beschichtungen“ an.
neut fest, dass für gütegesicherte Kunststofffenster    Dieser Abschnitt beinhaltete eine kontinuierliche
ausschließlich gütegesicherte Kunststoff-Fenster-       betriebliche Eigenkontrolle des Herstellungsprozes-
profile verwendet werden durften. Mit dem einheit-      ses und erstmals eine regelmäßige Fremdüberwa-
lichen RAL Prüfzeichen für Kunststoff-Fensterprofile    chung, durchgeführt durch das Süddeutsche Kunst-
wurde die Gefahr eines Zeichenwirrwarrs im Baube-       stoffzentrum. Die Verantwortung für die Abschnitte
reich gebannt. Zugleich hatte der Fensterbauer die      „Eignungsnachweis der Fenstersysteme (II)“ und
Gewissheit, dass er mit einem gütegesicherten Profil    „Güteüberwachung der Fensterfertigung (III)“ lag bei
bedenkenfrei ein voll funktionsfähiges Kunststoff-      der Gütegemeinschaft Frankfurt, die das RAL Güte-
fenster fertigen konnte. In einem gemeinsamen Gü-       zeichen „Kunststofffenster“ verlieh. Nach dem RAL
teausschuss konnten sich die beiden Partner über        Anerkennungsverfahren wurden 1985 die überar-
Fragen und Probleme abstimmen und austauschen.          beiteten, erweiterten Güte- und Prüfvorschriften als
                                                        neues verbindliches Bedingungswerk vorgestellt.

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40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
Bilder: ©Profine GmbH (l.) und Comic aus ©Bauelemente Bau Ausgabe 01/1980

EINHEITLICHE QUALITÄTSKRITERIEN FÜR
DIE GESAMTE BRANCHE
GASTBEITRAG VON KLAUS JENSEN
                    Die Kunststoff-Fenstersysteme (PVC hart) wurden An-     die Rohstoffhersteller, die hier große Absatzmög-
                    fang der 1960er Jahre entwickelt, nachdem bereits       lichkeiten für die Zukunft sahen. Angestrebt wurde
                    1956 ein Profilsystem auf den Markt gebracht wurde,     damals, eine schnelle Marktdurchdringung des für
                    das aus mit PVC weich ummantelten Stahlprofilen         die Branche neuen Werkstoffes zu erreichen. Hierzu
                    entwickelt wurde. Die Initiative ging zunächst von      gab es ein nachzuahmendes Vorbild: das Rohr aus
                    kleinen Firmen aus, die offensichtlich die Nachteile    Kunststoff, dem die Marktdurchdringung Jahre zu-
                    der konventionellen Werkstoffe Holz, Stahl oder Alu-    vor gelungen war. Ein Grund dafür war die Gründung
                    minium als erste erkannten und sie zur Qualitätsver-    der Gütegemeinschaft Rohre innerhalb des Kunst-
                    besserung durch Kunststoffe ersetzen wollten. Ihre      stoffrohrverbandes mit Sitz in Bonn.
                    Profilentwicklungen ließen sie bei größeren Firmen
                    wie Pasche-Schön, Dynamit Nobel (Troisdorf ) und        Ein gemeinsames Ziel
                    Georg Volz (Gevo) bei Rehau extrudieren.                Die Gütegemeinschaft hatte das Ziel, von ihr erarbei-
                                                                            tete Güte- und Prüfbestimmungen durchzusetzen
                    Das führte naturgemäß zu Eigenentwicklungen bei         und damit zu einheitlichen Qualitätskriterien für die
                    großen Kunststoffverarbeitern, gefördert auch durch     gesamte Branche zu kommen. Das ist insbesondere

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40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

durch den Einsatz von Prüfingenieuren in hervorra-        abgelöst und Marktanteile von mehr als 50 % gewon-
gender Weise gelungen. Diese konnten ohne Vor-            nen. Dieser Erfolg ist eindeutig auf die von Anfang
anmeldung bei den jeweiligen Unternehmen unab-            an gute Zusammenarbeit zwischen Profilextrudeu-
hängig Materialprüfungen vornehmen. Eigen- und            ren, Fensterbauern, Rohstoffherstellern und Quali-
Fremdüberwachung trugen zur Qualität bei.                 tätsverbänden zurückzuführen. Dies gilt sowohl für
                                                          Deutschland als auch für Europa. Fast alle maßgeb­
Die guten Erfahrungen der „Gütegemeinschaft Kunst-        lichen Fensterprofilhersteller haben sich dem ge-
stoffrohre“ führten schnell dazu, die gewonnenen          meinsamen Gütegedanken angeschlossen und sind
Erkenntnisse und Erfahrungen auf Fensterprofile zu        Mitglieder der „Gütegemeinschaft Fensterprofile“
übertragen. So kam es letzten Endes zur Gründung          Bonn geworden. Das ist ein grandioser Erfolg, den es
der „Gütegemeinschaft Fensterprofile“. Das auch des-      weiter auszubauen gilt.
halb, weil die handelnden Personen jeweils dieselben
waren. Ich schreibe hier von den Herren Dieter Utz,       Der Gütegemeinschaft wünsche ich, dass es gelingen
Edwin Keller und Egon Barth. Sie waren maßgeblich         möge.
am Erfolg der Fensterprofile aus Kunststoff beteiligt.
Auf den Erfahrungen bei der Rohrherstellung konn-
ten sie problemlos aufbauen.                                „Der Erfolg des Kunststofffensters ist auf die gute
                                                               Zusammenarbeit zwischen Profilextrudeuren,
Erste Treffen der Gütegemeinschaft
                                                           Fensterbauern, Rohstoffherstellern und Qualitäts-
Die ersten Zusammenkünfte der Gütegemeinschaft
erfolgten meines Erachtens 1966, als sich Herren eta-                           verbänden zurückzuführen.“
blierter Firmen in Bonn trafen und beschlossen, die
Qualität der Profile auf eine gemeinsame Basis zu stel-
len. Beteiligt waren unter anderen die Firmen Köm-
merling, Rehau und Dynamit Nobel. Hinzu kamen
etablierte Rohstoffhersteller, die den Gütegedanken
an ihre Kunden weitergaben. Der erste Vorsitzende
der Gütegemeinschaft war Dr. Kohl von Kömmerling.
Ihm folgten Gerd Hammerstein und Klaus Jensen bis
2008.

Erfolgsfaktoren für hohe Marktanteile
Die Gründung der Gütegemeinschaft wurde zum
durchschlagenden Erfolg für die gesamte Branche.
Das Fensterprofil aus Kunststoff hat die herkömm-
lichen Werkstoffe in der Zwischenzeit weitgehend
                                                          Dipl.-Ing. Klaus Jensen | Prägte mehr als 20 Jahre als Vorstands-
                                                          vorsitzender die Arbeit der Gütegemeinschaft
                                                                                                                                    9
40 JAHRE GÜTEGEMEINSCHAFT GÜTE FÜRS KUNSTSTOFFFENSTER - GKFP
Dipl.-Phys. Egon Barth (l.) | Erster Obmann des Güteausschusses; bis 2009 aktiv

WANDDICKEN WAREN DAS HERRSCHENDE THEMA
INTERVIEW MIT EGON BARTH
Egon Barth, Jahrgang 1929, leitete bis zu seinem Ruhestand 1991 bei Dynamit Nobel die Abteilung „Stoff- und Systemprüfung“. Als
erster Obmann des Güteausschusses hat er an der Entstehung und Weiterentwicklung der Gütesicherung maßgeblich mitgewirkt,
die heute noch existiert. Bis zu seinem 80. Geburtstag hat er sich für die Gütegemeinschaft engagiert. Anfang des Jahres konnten
wir ihn zu Hause zum Interview wiedertreffen.

                      Herr Barth, könnten Sie etwas über Ihren                    Abteilung „Stoff- und Systemprüfung“ regelmä-
                      persönlichen Hintergrund berichten?                         ßig hinsichtlich ihrer Eigenschaftswerte und ihrer
                      Nach meinem Physikstudium in Jena und meiner                Anwendungstechnik überwacht.
                      Tätigkeit bei VEB Leuchtstoffwerk in Bad Lieben-
                      stein bin ich 1960 mit meiner Familie in die BRD            Was hat Sie an der Thematik Kunststoff-
                      geflüchtet. In Troisdorf habe ich meine Stelle bei          fenster gereizt?
                      Dynamit Nobel angetreten. Dort wurde 1954 das               Zu den Fensterprofilen kam ich über die Kunst-
                      erste Kunststofffenster Mipolam elastic aus einem           stoffrohre. Im Prüfkeller von Dynamit Nobel standen
                      relativ harten Weich-PVC entwickelt. Ab 1965 wur-           20 Jahre alte Proben, die sich in einem Langzeitin-
                      den Fenster aus erhöht schlagzähem PVC aufgelegt.           nendruckversuch befanden. Daran wollte ich weiter-
                      Die daraus hergestellten Halbzeuge und Fertig-              arbeiten. So kam ich über den Fachnormenausschuss
                      produkte sowie die Profile wurden in unserer                Kunststoffe (FNK) und den Kunststoffrohrverband

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40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

(KRV), in denen ich mich engagierte, mit der Güte-      wurden später auch von den Niederländern und Bel-
gemeinschaft in Kontakt. Die Ergebnisse unserer         giern übernommen.
Prüfungen flossen in die erste RAL Güterichtlinie für
Kunststofffenster und -profile ein.                     Warum war es für Sie wichtig, dass
                                                        Kunststofffenster gütegesichert sind?
Sie erwähnen die Profilprüfungen: Was                   Es gab von Anfang an Bestrebungen, das Kunststoff-
wurde untersucht?                                       fenster abzumagern. Die ersten Kunststoff-Fenster-
In Troisdorf wurden Profile neben den mechanischen      profile waren in den Außenwandungen 4 mm dick.
Kurzzeit-Qualitätsmerkmalen hinsichtlich ihres Lang-    Als die Zahl der Extrudeure zunahm, wurde bei der
zeitverhaltens untersucht: Beispielsweise haben wir     Produktion auf den Pfennig geguckt und versucht
Eckverschweißungen überprüft. Außerdem führten          weiter abzumagern. Die Gütesicherung war wich-
wir sowohl in Troisdorf als auch in Spanien, Arizona,   tig, um die Qualität der PVC-Fensterprofile hoch zu
Florida und Marrakesch Tests mit natürlicher und        halten, andernfalls hätten wir auch „amerikanische
künstlicher Bewitterung an weißen Fensterprofilen       Verhältnisse“ bekommen, wo die Wanddicke der Pro-
durch. Diese Langzeitprüfungen dauerten 20 Jah-         file für Schiebefenster nur ca. 1 mm betrug. Heute ist
re. Überwacht wurden das Alterungsverhalten, also       man bei Klasse A bei nominal 3 mm dicken Sichtflä-
Farbveränderung und Veränderungen der mechani-          che, bei Klasse B bei 2,7 mm. Das heißt, dieser Kampf
schen Werte wie Schlagzähigkeit, Zugfestigkeit und      wurde damals in der Gütegemeinschaft geführt und
E-Modul. Die Erkenntnisse aus diesen Langzeitversu-     verloren. An dieser Stelle haben wir versagt.
chen bildeten die Grundlage für die Anforderungen
der RAL Gütesicherung für Fensterprofile.
                                                          „Ohne die Gütesicherung hätten wir auch ‚ameri-
Sie waren bei der Erstellung der Güte-                                kanische Verhältnisse‘ bekommen.“
richtlinien von Anfang an dabei. Wie sind
Ihre Prüfergebnisse in die Gütesicherung
eingeflossen?                                           Warum lag Ihnen das Thema der Wand­
Die Ergebnisse aus dem Prüflabor wurden im Güte-        dicken so am Herzen?
ausschuss offengelegt und auch fachlich diskutiert      Man konnte Wanddicken nicht immer weiter abma-
und überprüft. Erfreulich war, das das, was dem Pro-    gern, wegen des negativen Einflusses auf die Me-
dukt Fensterprofil hinsichtlich der Qualität gedient    chanik, Stabilität und Wetterbeständigkeit. Bei un-
hat, z. B. Schlagzähigkeit und Farbbeständigkeit, in    seren Prüfungen machten sich auf der bewitterten
die Güterichtlinien übernommen wurde. Wo sich der       Oberfläche der Profile erste feine Erosionen bemerk-
Güteausschuss damals nicht durchsetzen konnte,          bar. Diese wurden durch die weitere Bewitterung
war beim Thema Wanddicke. Diese ist abgemagert          im Nano-Bereich abgetragen und die Wanddicken
worden. Aber letztlich haben sich die deutschen         nahmen ab. Dünnere Profile würden dadurch na-
Güte- und Prüfbestimmungen durchgesetzt und             türlich langfristig schneller in die Knie gezwungen.

                                                                                                                               11
Konkret bedeutete das, Profile mit 4-mm-Wand­dicke       entsprechend stabilisiert war und rissig wurde. Un-
            konnten 50 Jahre und deutlich länger halten,             sere Ergebnisse flossen in die Überarbeitung mit ein
            dünnere etwas weniger. Dieses Thema war be-              und bildeten die Grundlage für heutige Colorprofile.
            herrschend und begleitete uns bis in die 2000er
            Jahre.                                                   Aber um ehrlich zu sein, halte ich dunkle Folien nicht
                                                                     für den wahren Jakob, weil sie sich bei höheren Tem-
            Was waren weitere Themen, die die Güte-                  peraturen stärker aufheizen und kritischer auf die
            sicherung in der Anfangszeit bewegten?                   Profiloberfläche wirken. Deshalb bin ich damals wie
            Allgemein ging es um Materialprüfungen. Darüber          heute der Meinung: Das weiße Profil ist das sicherste
            hinaus wurden auch schon Stoff- und Systemprüfun-        – wegen seiner höheren Temperatur- und Altersbe-
            gen durchgeführt, wie Dauerfunktion und Differenz-       ständigkeit. Bei dunkelfarbigen Profilen erfolgt eine
            klima. Bei der thermischen Wechselprüfung wurden         schnellere Alterung wegen der höheren Temperatur.
            Temperaturen von -20 und +60 °C getestet, um die         Um wieder auf die Gütegemeinschaft zurückzukom-
            Verformung besonders bei farbigen Pro­filen zu prü-      men: Spaß hat mir die Arbeit auch deshalb gemacht,
            fen. Für die Simulation der Erwärmung durch Son-         weil ich im Güteausschuss meine Meinung vertreten
            neneinstrahlung setzten wir Infrarotlicht ein. Hierbei   und in einigen Punkten auch durchsetzen konnte.
            stellte sich heraus, dass die PMMA-Profile verfor-       Zum Beispiel was gewisse Eigenschaften angeht, wie
            mungsgefährdet waren und es zu Eckbrüchen kom-           die hohe Kerbschlagzähigkeit auch bei Werten von
            men konnte. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden ei-        -40 °C. Die Schlagzähigkeit war eine Frage der Re-
            nige kritische PMMA-Farben vom Markt genommen.           zeptur. Mit zunehmender Alterung des Profils nimmt
            Wie wir wissen, hat sich letztlich die Folienbeschich-   diese Eigenschaft ab. Je höher die Schlagzähigkeit ist,
            tung durchgesetzt.                                       desto haltbarer ist das Profil.

„Damals wie heute bin ich der Meinung: Das weiße                     Wie alt sind eigentlich Ihre Kunststoff-
                                                                     fenster in Ihrem Haus?
Kunststofffenster ist das sicherste.“
                                                                     Unsere Kunststofffenster haben 50 Jahre lang ge-
                                                                     halten. So mussten vor ein paar Jahren nur eini-
            Was hat Ihnen bei Ihrer Arbeit für die                   ge Fensterflügel getauscht werden, weil die Ther-
            GKFP am meisten Freude bereitet?                         mopen-Scheiben „blind“ geworden sind. Die Profile
            Meine Arbeit an sich hat mir großen Spaß gemacht:        waren noch in Ordnung und die Rahmenprofile tun
            dass ich bei den Prüfungen freie Hand hatte und          auch heute noch ihre Dienste. Deshalb bin ich stolz
            bei der Entwicklung neuer Dinge helfen konnte. Bei       darauf, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben, dass
            den farbigen Profilen war das die Entwicklung der        Kunststofffenster heute so lange halten.
            PMMA- bzw. später die Folienbeschichtung. Die ers-
            ten Prüfungen zur Mechanik und Bewitterung sind          Vielen Dank und alles Gute für Sie.
            noch schief gelaufen, weil die Beschichtung nicht        Das Gespräch führten Bernhard Elias + Claudia Könsgen

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40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

Bild: ©Rehau AG + Co

DIE 1990ER JAHRE
OSTEUROPA ÖFFNET SICH DEM WELTMARKT
Der Eiserne Vorhang fiel. Trotz rezessiver Stimmung in   doch unterschiedliche klimatische Bedingungen und
der Gesamtwirtschaft und einer leichten Stagnation       unterschiedliche Auffassungen, die die Qualität des
im Baubereich sorgte der Beitritt der neuen Bundes-      Bauens betraf, eine Einigung. Ein gemeinsamer Ent-
länder für einen steilen Anstieg der Fensterfertigung.   wurf von Deutschland und den Niederlanden sollte
Dieser hielt bis Ende der 1990er an. Ebenso brachte      bei der Einigung helfen: So kam man nach vielen
die allmähliche Öffnung des osteuropäischen Fens-        Diskussionen zwischen der Gütegemeinschaft und
termarktes einen erhöhten Absatz in Europa.              den europäischen Nachbarverbänden zum Ergebnis,
                                                         unterschiedliche Produktklassen einzuführen. Über
Europäische Zusammenarbeit                               deren Zuordnung sollten die jeweiligen nationalen
und Normung                                              Verbände entscheiden.
In dieser Zeit nahm die nationale und internationa-
le Normung von Kunststofffenstern Fahrt auf: In der      Des Weiteren unterstütze die Gütegemeinschaft die
Hauptsache sollte europaweit eine Mindestwand-           Arbeit an den europäischen Normen für Kunststoff-
stärke festgelegt werden. Bisher verhinderten je-        profile (EN 477/478/479). Außerdem einigte man

                                                                                                                               13
Hierfür forderte die deutsche Fensterprofilindus-
                      sich darauf, künftig die Kerbschlagzähigkeit nach
                                                                           trie eine Übergangsregelung: Denn bislang fehlten
                      ISO-Standards zu prüfen. Dafür beschlossen die Be-
                                                                           Langzeiterfahrungen, um Gewährleistungszusagen
                      teiligten, gemeinsame Rundversuche durchzufüh-
                                                                           zu machen, z. B. bei der Schweißeignung oder Wet-
                      ren, um fehlende Erfahrung mit den unterschied­
                                                                           terbeständigkeit. Eine überstürzte Umstellung der
                      lichen Profilrezepturen zu erhalten.
                                                                           Blei-Stabilisierung würde zu gravierenden Marktstö-
                      PVC-Verbotsstimmung trotzen                          rungen führen, warnte die Gütegemeinschaft. Sie
                                                                           wollte Untersuchungen abwarten, deren Ergebnisse
                      Bis Anfang der 1990er wurden in Europa PVC-Profi-    in die Bewertung einer optimalen Stabilisierung ein-
                      le mit Blei-Barium-Cadmium-Verbindungen stabi-       gehen sollten.
                      lisiert. Nachdem das Bundesministerium für Arbeit
                      die staubförmige Cadmium-Verbindung in der Ge-       Zu dieser Zeit setzte eine PVC-Verbotsdebatte die
                      fahrstoff-Verordnung hochgestuft hatte, mussten      Branche unter Druck: Unter gemeinsamer Anstren-
                      Profilhersteller ihre Rezepturen ändern. Während     gung von Herstellern, Verarbeitern und Beschäftigten
                      die Substitution von Barium-Cadmium-Stabilisato-     gelang es jedoch, geltende PVC-Einsatzbeschränkun-
                      ren durch Calcium-Zink-Verbindungen drei Jahre       gen bei öffentlichen Bauvorhaben wieder aufzuhe-
                      später weitgehend abgeschlossen war, blieb noch      ben. Beispielsweise erstellte die Geschäftsstelle des
                      die vom Bund-Länder-Ausschuss „Umwelt“ und der       Qualitätsverbands Stellungnahmen und nahm zu-
                      Enquete-Kommission des Deutschen Bundesta-           sammen mit Belegschaften der Gütegemeinschaften
                      ges geforderte Umstellung der Blei-Stabilisierung.   an Demonstrationen teil.

                                                                           In diesem Kontext war die Gütegemeinschaft auch
                                                                           immer wieder Angriffen von PVC-Gegnern ausge-
                                                                           setzt, die Recyclingmöglichkeiten für PVC-Fenster
                                                                           forderten. Das Thema im Blick schlossen sich zahl­
                                                                           reiche Mitglieder der Gütegemeinschaft zusammen,
                                                                           um die Rücknahme und Wiederverwertung von
                                                                           Altfenstern aus Kunststoffen in Angriff zu nehmen.
                                                                           Damit sollte der Materialkreislauf bei PVC-Fenster-
                                                                           profilen geschlossen werden, wie vom damaligen
                                                                           Kreislaufwirtschaftsgesetz gefordert.

                                                                           Revision der RAL-RG 716/1 wird nötig
                                                                           Inzwischen trugen fast alle in Deutschland verarbei-
                                                                           teten PVC-Fensterprofile das RAL Prüfzeichen der Gü-
                                                                           tegemeinschaft. Da das Kunststoff-Fensterprofil ein
                                                                           erklärungsbedürftiges Produkt ist, das sich ständig
Bild: ©Profine GmbH

14
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

weiterentwickelt, überarbeiteten die Fachausschüsse           In den überarbeiteten RAL Richtlinien wurden auch
die Güte- und Prüfrichtlinien umfassend. So flossen           die generellen Anforderungen und Prüfverfahren
in die Revision 1994 und 1998 die neusten Erkennt-            von CEN berücksichtigt. Hierbei erwies sich die Mitar-
nisse der nationalen und europäischen Normungsar-             beit im Ausschuss „Internationale Normungsfragen“
beit sowie alle Fragen zu Dichtungen ein. Weiterhin           als hilfreich. Diese enge Zusammenarbeit sollte auch
wurden Neuerungen für weiße, farbige und folienbe-            künftig helfen, dass die Interessen der Gütegemein-
schichtete Profile integriert sowie Systembeschrei-           schaft bei der Erstellung der Produktnormen berück-
bungen und Montagerichtlinien aufgenommen.                    sichtigt werden.

Damit umfasste die RAL Richtlinie GZ 716/1 Ende der
1990er nun die fünf Abschnitte „Kunststoff-Fenster-
profile“ (mit Teil 1 bis 7 inkl. Prüfmethoden), „Dich-
                                                                   „Die große Herausforderung für die Zukunft ist
tungsprofile“, „Systemprüfung“, „Fensterfertigung“                die Digitalisierung, in der wir unsere Auffassung
und „Montage“. Zu den bislang sechs selbstständigen                  von Qualitätsmerkmalen verankern und neue
Teilen im Abschnitt I wurde mit Teil 7 „Fensterprofile
                                                                                    Standards entwickeln werden.“
aus PVC mit Folien kaschiert“ eine weitere Gütegrup-
pe aufgenommen. In diesen sieben Teilen der über-                                       Dipl.-Ing. Peter Czajkowski | Obmann Güteausschuss
arbeiteten Güterichtlinie sah die Gütegemeinschaft
auch die Verarbeitung von Recyclingmaterialien vor.

Auszug aus den von der Gütegemeinschaft herausgegebenen Heften „Kunststofffenster im Profil“ (Sonderdruck aus Kunststoffe
Heft 1/95 (l.)) und „Kunststofffenster aus ökologischer Sicht“ (Sonderdruck aus der Zeitschrift BmK Heft 2/95)
                                                                                                                                       15
DEUTSCHER FENSTERMARKT
MEILENSTEINE
                                                          1970er: Stetig wachsender Fenstermarkt                                                         Der Ölboykott der OPEC, der auch in Deutschland
                                                          Seit seiner Markteinführung im Jahre 1964 nimmt                                                eine Energiekrise auslöste, mag dazu geführt haben,
                                                          das Kunststofffenster eine rasante Entwicklung, ins-                                           dass vermehrt Einfachverglasung gegen Isolierver-
                                                          besondere in den 1970er Jahren, und das entgegen                                               glasung (=>Thermopene) ausgetauscht wurde.
                                                          dem allgemeinen Trend einer wirtschaftlich sehr
                                                          schwierigen Zeit.                                                                              Letztlich war dies auch der Vorgabe des Energie-
                                                                                                                                                         wirtschaftsgesetzes von 1978 geschuldet, das fortan
                                                                                                                                                         zweifachverglaste Fenster zur Pflicht machte. So er-
                                                                                                                                                         reichte das Kunststofffenster Ende der 1970er Jahre
Abb. 1: PVC-Fenster in Deutschland                                                                                                                       einen Marktanteil von 40 % und lag damit gleichauf
und das reale Bauvolumen                                                                                                                                 mit dem bisher dominierenden Holzfenster.
Während in den 1980er Jahren das Kunststofffenster zusehends Marktanteile
generiert und die 50 % Marke erreicht, verlaufen anschließend das reale Bau-
volumen und der Kunststofffenstermarkt überaus ähnlich.

                                                   Kunststofffenster                Volumen Baugewerbe

                                      14                                                                            120
                                                                                   Deutschland ist renoviert
                                      12
 Kunststofffenster (Mio. Einheiten)

                                                                                                                    100
                                                                                                                          Reales Bauvolumen (Mrd. EUR)

                                      10
                                                              Mauerfall                        Finanzkrise           80
                                      8
                                            OPEC-Krise
                                                                                                                     60
                                      6
                                                                                                                     40
                                      4

                                      2                                                                             20

                                      0                                                                              0
                                           1970   1975   1980     1985    1990   1995   2000   2005   2010   2015
Zahlen: Profine GmbH und Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung                                                                               Bild: ©Rehau AG + Co

16
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

1980er: Schwierige Jahre                                    2010er: Deutschland – Konjunkturmotor
Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit Jahren           Das gute Geschäftsklima in Deutschland und vor
in einer lang andauernden Konjunkturschwäche,               allem eine andauernde stabile Konjunktur auf ho-
die sich auch in der Bauwirtschaft manifestiert, be-        hem Niveau beflügeln die Bauwirtschaft ab den
sonders bei Neubauten. Das Gleichgewicht ver-               2010er Jahren. Starke Impulse aus Neubau- und
schiebt sich zugunsten des Sanierungsbereichs,              Renovierungsvorhaben bestimmen den Fenster-
der nun bei rund 70 % liegt. Obwohl sich Mitte der          markt und lassen für Kunststofffenster einen durch-
1980er die Baukonjunktur leicht erholt, erreicht sie        schnittlichen Zuwachs von 4 % bis 2021 erwarten,
nicht das Niveau, das Kunststofffenster Ende der            das größte Wachstum im Vergleich zu anderen
1970er hatten.                                              Rahmenmaterialien. Grenzen setzen nur die feh-
                                                            lenden Kapazitäten und der Fachkräftemangel in
1990er: Fenstermarkt explodiert auf                         der Bauwirtschaft.
12 Mio. Kunststofffenster
Dies änderte sich grundlegend in den 1990er Jah-
ren mit der Wiedervereinigung. Grund dafür war der
Sanierungsbedarf in den neuen Bundesländern. Au-
                                                                                                            Abb. 2: PVC-Fenster in Deutschland
ßerdem fehlten in Deutschland rund 2,5 Mio. Woh-
nungen. Insgesamt verdoppelte sich die Zahl der                                                                                     und Europa
verbauten Kunststofffenster von 6 auf rund 12 Mio.                                            Während sich in Deutschland die Nachfrage stabil auf 6 Mio. einpen-
Einheiten. Das Produktionsvolumen erreichte damit                                             delt, wächst der Bedarf in Europa drastisch an und wird erst durch die
den höchsten Stand seit Einführung von Kunststoff-                                                                                            Finanzkrise gebremst.
fenstern in Deutschland. In der zweiten Hälfte der
1990er lag der Marktanteil der Kunststofffenster bei
etwa 50 % – Tendenz steigend.
                                                                                                              DEDE   EUEU
                                                                                     50                                                         100
2000er: Der Osten ist renoviert ...
                                                                                     45                                                            90
… zumindest was den Fenstertausch anbelangte. Mit
                                                                                     40                                                            80
Beginn des neuen Jahrtausends fiel die Quote der

                                                                                                                                                        Kunststofffenster EU, Mio.
                                                        Kunststofffenster DE, Mio.

                                                                                     35                                                            70
eingebauten Fenster innerhalb weniger Jahre auf das
                                                                                     30                                                            60
Niveau von 1990 zurück und pendelte sich bei 7 Mio.
                                                                                     25                                                            50
Fenstereinheiten ein, mit einem Marktanteil von 55
                                                                                     20                                                            40
%. Glücklicherweise wirkte sich die Finanzkrise 2008
auf Deutschlands Fenstermarkt nicht so dramatisch                                    15                                                            30
aus, währenddessen der europäische Markt infolge                                     10                                                            20
der Krise nahezu 17 Mio. Fenster einbüßte. Es brauch-                                 5                                                            10
te einige Jahre, um wieder Wachstum zu verzeichnen.                                   0                                                            0
                                                                                          1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020

                                                                                                                                                                                     17
MITTAGS LÄUFT NUR DER BLECHESEL
GASTBEITRAG VON STEFAN FRIEDRICH
                Schon in meinem Vorstellungsgespräch sagte mein                     der ersten Güterichtlinie Kennwerte fest, die sich be-
                späterer Chef (Dr. Rudolf Heitzmann) zu mir: „Die Ex-               währt hatten. Sie hatten keinen theoretischen Hinter-
                trusion ist keine Wissenschaft. Jeden Tag läuft es an-              grund und basierten auf nichts anderem als (kurze)
                ders, obwohl man nichts an der Maschine verändert                   Erfahrung mit dem Werkstoff PVC und einer großen
                hat.“ Der wohlgemeinte Rat zielte darauf ab, dass ich               Portion Sicherheitspolster. Als Beispiel möchte ich
                als junger Absolvent der Universität nicht damit rech-              die Wanddicke anführen. Die lange Jahre als „RAL
                nen sollte, mit meinem gerade erst erlernten Wissen                 Wanddicke“ bekannten 3,0 mm wurden in einem der
                in der Welt der Kunststoffprofile mitreden zu können.               ersten Treffen der Gütegemeinschaft festgelegt. Die
                                                                                    Begründung war nicht etwa, dass diese Wanddicke
Die GKFP einte der „Respekt vor der Aufgabe eines                                   bestimmte Belastungen aushält oder für die zu er-
                                                                                    wartenden Aufgaben besonders geeignet ist. Nein.
Fensterprofils während seiner Lebensdauer.“                                         Zum Zeitpunkt der Sitzung war die allgemeine Wand-
                                                                                    dicke 3,5 mm und alle Teilnehmer waren sich einig,
                Gerade diese Unberechenbarkeit der Extrusion war                    dass man hier „etwas sparen könne“.
                es wohl, die die großen Macher von damals dazu
                brachte, eine Gemeinschaft der Gleichgesinnten zu                   Auch wenn die Interessen der einzelnen Beteiligten
                gründen. Anfangs war es nicht ganz klar, was man                    oft unterschiedlich waren, so gab es immer einen ge-
                wollte. Einerseits suchte man Schutz vor Nachah-                    meinsamen Nenner: „den Respekt vor der Aufgabe,
                mern aus dem Ausland, denn die Gruppe der Grün-                     die ein Fensterprofil während seiner Lebensdauer er-
                der war fast ausschließlich deutsch. Andererseits                   füllen muss“. Mit diesem Verständnis wurden die Ma-
                suchte man aber auch einen Fixpunkt, an dem man                     terial- und Profilkennwerte in den Regelwerken der
                Qualität festmachen konnte. Anders als heute gab es                 Gütegemeinschaft festgelegt: die Sicherheit immer
                damals keinen „Stand der Technik“, was Kunststoff-                  im Blick ebenso wie die möglichen Fehler im Um-
                Fenster­profile anbelangte. Alles war neu.                          gang mit dem neuen Produkt.

                „Der Alte würfelt nicht“*,                                          „Mittags läuft nur der Blechesel“
                die Gütegemeinschaft schon                                          Die Idee einer Gütegemeinschaft wurde in Ver-
                Für die physikalischen Eigenschaften der Produkte                   einsform in die Tat umgesetzt. Geld war kaum vor-
                gab es keinerlei Vergleichswerte; es gab noch nicht                 handen, aber der Pioniergeist und die Motivation der
                einmal Prüfmethoden dafür. Und so legte man in                      Beteiligten waren groß. Das Büro rekrutierte sich aus
       * „Die Quantenmechanik ist sehr achtunggebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie
       liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.“ (Albert Einstein)
18
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

„den Rentnern“ Edwin Keller und RA Dieter Utz sowie      stellten Zustimmung bedarf, wurden mit der Zeit
(der guten Seele der Gütegemeinschaft) Frau Wien.        auch die etablierten Mitglieder des Güteausschus-
Nicht selten war das Büro nur vormittags besetzt und     ses in das Vorhaben einbezogen. Es entstand ein
so entstand der Satz „mittags läuft nur der Blechesel“   breiter Konsens zum Thema Neustrukturierung, die
als Reaktion auf die Ansage des Anrufbeantworters. In    letztlich auch mit der Mitgliederversammlung 2008
dieser Zeit hat sich die Gütegemeinschaft im Wesent-     umgesetzt wurde.
lichen auf das Kunststoff-Fensterprofil konzentriert.
                                                         Ich wollte ein Haus bauen
In wenigen, sogenannten Unterausschüssen wur-            Mein Einsatz in der Gütegemeinschaft war immer
den Prüfmethoden entwickelt und notwendige Ei-           von dem Wunsch geprägt, „ein Haus“ für das Kunst-
genschaften und Parameter diskutiert und festge-         stoff-Fensterprofil zu bauen. Eine „Heimat“, in der die
legt. Auch international war man im Austausch und        Herausforderungen und Aufgaben diskutiert und ge-
es ist den damaligen Vertretern der Profilhäuser zu      löst werden können. Eine Ordnung, in der sich Qua-
verdanken, dass es heute eine Europäische Norm           lität darstellen, beschreiben und nachweisen lässt. In
(EN 12608) für Kunststoff-Fensterprofile gibt. In 15     einer Skala, die nicht nur das Notwendige, sondern
Jahren (1986 bis 2001) gemeinsamer europäischer          auch das Besondere beschreibt.
Arbeit wurde diese Norm auf der Grundlage der
RAL-GZ 716/1 erstellt.                                   Qualität, besser vielleicht Güte, bleibt eine ständige
                                                         Aufgabe, für die es sich lohnt, einen besonderen Auf-
Mit dieser europäischen (Normen-)Entwicklung,            wand zu betreiben. Am Ende zahlt er sich aus.
den immer global agierenden Profilhäusern und
wachsenden Anforderungen der (internationalen)
Baubranche wuchs der Druck auf die Gütegemein-
schaft, sich den Herausforderungen der modernen
Zeit anzupassen.

„Die jungen Wilden“
So kann es letztendlich auch nicht verwundern, dass
es die jungen Vertreter im Güteausschuss waren, die
sich abseits der offiziellen Sitzungen trafen und über
die Notwendigkeit von Anpassungen diskutierten.
In „konspirativen“ Sitzungen traf man sich zum Mei-
nungsaustausch und zur Vorbereitung eines perso-
nellen und strukturellen Neuanfangs. In dem Wissen,
dass ein solch großer Einschnitt in die Struktur der
Gütegemeinschaft einer soliden und breit aufge-
                                                         Dipl.-Phys. Stefan Friedrich | Aktives, langjähriges Mitglied,
                                                         ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Obmann des GA
                                                                                                                                 19
Bild: ©Profine GmbH

2000ER JAHRE
WENDEPUNKTE
                      Zu Beginn der 2000er waren es die folienkaschierten      Letztlich einigte sich die Gütegemeinschaft auf der
                      Profile, die dem Kunststofffenster neue Wachstums­       Mitgliederversammlung 2007, die „B-Profile“ in die
                      impulse brachten. Die Kunststoff-Fensterindustrie        RAL Gütesicherung mit aufzunehmen.
                      gewann weiter an Marktanteilen gegenüber Holz und
                      Aluminium. So lag der Anteil 2005 bei 55 %.              Neufassung der RAL-GZ 716/1 (03/2008)
                                                                               Die Überarbeitungen waren notwendig geworden,
                      Auch das Thema „Wanddicken“ fand sich wieder auf         nachdem die letzte Fassung der Güte- und Prüfbe-
                      der Tagesordnung. So plante der Güteausschuss, Pro-      stimmungen aus den Jahren 1998–2000 stammte
                      file der Klasse B nach EN 12608 in die Gütesicherung     und technische Änderungen in die Gütesicherung
                      aufzunehmen. Das bedeutete, dass künftig auch sol-       aufgenommen werden mussten. So legte die Güte-
                      che Profile ein Prüfzeichen erhalten sollten, deren      gemeinschaft eine überarbeitete Neuauflage von Ab-
                      Wanddicken in den Sichtflächen mindestens 2,5 mm         schnitt I vor, in die Profile der Klasse B aufgenommen
                      und in den nicht sichtbaren Flächen mindestens 2,0       wurden. Um in dieser Entscheidung auf „Nummer Si-
                      mm entsprachen. Dieses Vorhaben zog intensive Dis-       cher“ zu gehen, verständigte sich der Güteausschuss
                      kussionen nach sich: Als Argument gegen dünnere          darauf, für Klasse B Profile die Werte für den Kerb-
                      Profilwände galt z. B. die sinkende Eckfestigkeit. Be-   schlag auf das selbe hohe Niveau zu heben, wie für
                      fürworter hielten dagegen, dass B-Profile längst am      Klasse A gefordert.
                      Markt etabliert waren und schnellstmöglich über-
                      wacht werden sollten.                                    In dieser Zeit wurde erstmals von Problemen bei

20
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

folienkaschierten Profilen berichtet, die als Fehlerbild   Ziel, eine gemeinsame Schnittmenge „Probekörper
eine Faltenbildung aufwiesen, auch Folienverschub          und Prüfabläufe“ mit der RAL-GZ 695 der Gütege-
genannt. Rasch wurde eine Gruppe von Experten              meinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren herzu-
von Folien- und Klebstoffherstellern sowie Kaschier-       stellen. Dieser 2010 veröffentlichte Abschnitt enthielt
betrieben beauftragt, die Ursachen festzustellen und       zudem einen Hinweis auf Umweltproduktdeklarati-
geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Projekt           onen für Kunststofffenster und sollte sicherstellen,
war sehr komplex und zeitaufwendig, da es Ver-             dass gütegesicherte Systeme diesen entsprachen.
träglichkeit, Verbund und Wirkmechanismen dreier
Vorprodukte analysieren musste. Die daraus gewon-          Besonders erwähnenswert ist, dass mit der Neufas-
nenen Erkenntnisse und Anforderungen flossen des-          sung der RAL-GZ 716/1 von 2008 die Gütegemein-
halb erst 2013 in die neue RAL-GZ 716 ein, außerdem        schaft fortan das Gütezeichen anstelle eines Prüfzei-
in den Leitfaden zur Folienkaschierung.                    chens verleihen durfte.

Geklebte Kunststoff-Fenstersysteme
                                                                „Ich wünsche der Gütegemeinschaft, dass sie
Das ift-Rosenheim und unser 2006 gegründeter
Ausschuss „Verkleben“ sowie weitere Kreise beschäf-
                                                              weiterhin erfolgreich und konsequent den Weg
tigten sich parallel mit dem Kleben von Glasrah-           Richtung ‚Kundennutzen und Praktikabilität‘ geht,
menkonstruktionen. Während das ift zusammen mit             ohne die Balance zwischen möglich und machbar
Holzforschung Austria und der Hochschule Biel auf
                                                                                  aus dem Blick zu verlieren.“
den Rosenheimer Fenstertagen 2007 eine Leitlinie
für geklebte Verglasungssysteme vorstellten, veröf-                                                     Ralf Grewenig | Güteausschuss
fentlichte der Bundesverband Flachglas zeitgleich
einen Kompass für geklebte Fenster. 2009 waren             „Es weht ein neuer Wind“
wir soweit und veröffentlichten im Abschnitt III, Teil     Über all die Neuerungen der Gütesicherung hinaus
A erstmals eine Leitlinie für die Gütesicherung von        markierte die Mitgliederversammlung 2008 einen
geklebten Verglasungen in PVC-Rahmenkonstruktio-           Wendepunkt, zumal der Vorstand des QKE nach lang-
nen. Eine große Herausforderung bestand darin, dass        jähriger Tätigkeit sein Amt übergab.
alle am geklebten Fenster beteiligten Komponen-
ten miteinander verträglich sein müssen. Mit dem           Bisher war die Gütegemeinschaft vorwiegend auf
vorliegenden Abschnitt setzten die Autoren einen           die Gütesicherung und die Lösung technischer Fra-
Standard, der Transparenz und zusätzliche Sicherheit       gen ausgerichtet. Nun sollte der Qualitätsverband
bei der Verklebung von Kunststoff-Fenstersystemen          in der Gütegemeinschaft aufgehen, ein gewiss be-
schaffen sollte.                                           rechtigtes Vorhaben, denn die Gütegemeinschaft
                                                           war schon damals zahlenmäßig die stärkste Glie-
Ebenfalls überarbeitet wurde der Abschnitt III (Sys-       derung innerhalb des QKE. Überdies war ange-
tembeschreibung und Eignungsnachweis) mit dem              dacht, dass der neue Verband sich in Richtung eines

                                                                                                                                  21
Wirtschaftsverbandes entwickeln sollte. Letztlich war     tion für gemeinsame Audits auszuloten. Durch die
                    die Verschmelzung aus verbandsrechtlichen Grün-           Zusammenlegung von Fremdüberwachungen nach
                    den aber nicht möglich.                                   RAL und NF sollte der betriebliche Aufwand für die
                                                                              Profilhersteller reduziert werden. Das erste Test-Audit
                    Dennoch, der Ruck war zu spüren: Aktuelle Prüfkrite-      fand 2009 statt.
                    rien sollten kritisch hinterfragt, die Gütesicherung an
                    Markt- und Produkterfordernissen orientiert werden        Die Gütegemeinschaft wird ein-
                    und über die Forderungen der Norm EN 12608 hin-           getragener Verein
                    ausgehen. Die Selbstverpflichtung zu einem kompro-        Der letzte und vielleicht auch bedeutendste Schritt
                    misslosen Qualitätsanspruch sollte gleichermaßen in       vollzog sich am 15. Juli 2009 mit der Eintragung der
                    und außerhalb Deutschlands gelten. Um die Fach-           Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme
                    welt und Öffentlichkeit besser zu erreichen, berich-      e.V. als rechtlich selbständiger Verein in das Vereinsre-
                    tet die Gütegemeinschaft seither regelmäßig in der        gister der Stadt Bonn unter der Nummer VE 9064.
                    Fachzeitschrift Bauelemente Bau.

                    Ebenfalls neu waren die Aktivitäten auf europäischer
                    Ebene: So begann die Gütegemeinschaft erste Ge-
                    spräche mit dem Centre Scientifique et Technique du
                    Bâtiment (CSTB), um die Möglichkeit einer Koopera-

Erstes Joint Audit von Gütegemeinschaft und CSTB im Juli 2009                 Der Vorstand der Gütegemeinschaft von 2009 (v.l.):
                                                                              Stefan Friedrich | Winfried Tänzer | Dr. Michael Stöger
22
40 Jahre RAL Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V.

2010ER JAHRE
PARADIGMENWECHSEL ZUM SYSTEM
Das generell gute Geschäftsklima in Deutschland zu      Der Kreis externer Interessenten wuchs beständig,
Beginn des Jahrzehnts wirkte sich ebenfalls günstig     so dass kurze Zeit darauf der Branchenkreis System-
auf die Fensterbranche aus. Weitere Treiber der soli-   technik ins Leben gerufen wurde. Die Aufgabe dieses
den Baukonjunktur waren die Klimaschutzziele der        technischen Gremiums besteht bis heute darin, tech-
Bundesregierung und eine neue EU-Gebäuderichtli-        nische Themen an den Schnittstellen der einzelnen
nie. Beide bewirkten, dass moderne Kunststoff-Fens-     Vorprodukte des Kunststoff-Fenstersystems bis hin
terprofile mit zeitgemäßen Wärmedämmwerten              zum Fensterbaubetrieb zu behandeln.
und hoher technischer Qualität zunehmend gefragt
waren.                                                  Plattform für die Klebetechnik
                                                        Die Gütegemeinschaft hatte sich im Laufe der Zeit
Schwerpunkt Systemtechnik                               eine führende Rolle in der Klebetechnik von Glas-
Nachdem der Abschnitt III durch den Unterausschuss      rahmenkonstruktionen erarbeitet und veranstaltete
UA III abgeschlossen war, wurde zusehends deutlich,     2011 erstmals eine eigene Klebefachtagung. 2014
dass Systemtechnik eine zentrale Rolle spielen wird.    erschien eine bei B+L in Auftrag gegebene Studie

                                                                                                                              23
zum Thema, die noch reichlich Luft nach oben er-         Gütesicherung des Profils alleine nicht mehr aus-
                      kennen ließ. Denn im Vergleich zu Österreich und         reichte: Das System mit all seinen Komponenten
                      der Schweiz, in der jedes zweite Fenster geklebt wird,   entlang der Wertschöpfungskette musste mit einbe-
                      liegt der Anteil in Deutschland bei etwa 10 %.           zogen werden. Das war zwar folgerichtig, aber auch
                                                                               sehr arbeitsintensiv. Nach drei Jahren Vorbereitung
                      2019 fand die Fachtagung zum sechsten Mal statt,         war es endlich soweit. Die Mitgliederversammlung
                      konnte 100 Teilnehmer verzeichnen und damit zei-         verabschiedete 2013 die neue RAL-GZ 716, die die
                      gen, dass das Interesse vorhanden ist und auch zu-       RAL-GZ 716/1 ersetzte: Diese ist konsequent auf das
                      nehmend wächst.                                          System ausgerichtet – mit allen im Fenster verbauten
                                                                               Komponenten und Bauteilen. Zukünftig soll auch der
      „Die hohe Qualität und die Funktionalität des                            Baukörperanschluss aufgenommen werden.
 fertigen Produkts müssen auch weiterhin der zen­
                                                                               Damit unterliegt künftig die gesamte Wertschöp-
       trale Antrieb für die Gütegemeinschaft sein.“                           fungskette einer lückenlosen Gütesicherung. So
                                                Georg Weng | Güteausschuss     werden auch Wechselwirkungen erfasst und si-
                                                                               chergestellt, dass am Ende dem Verarbeiter ein ge-
                      Vom Profil zum System                                    brauchstaugliches Fenstersystem in hoher Qualität
                      Seit der Gründung des „Systemtechnik“ Experten-          zur Verfügung steht. Die einzelnen Prüfverfahren und
                      kreises zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die     Überwachungsregeln wurden mit der RAL-GZ 695
                                                                               der Fensterhersteller in der „Eignungsprüfung“ syn-
                                                                               chronisiert. Damit ist die Gütezeichenvergabe Kunst-
                                                                               stoff-Fensterprofilsystem an die Eignung des dar-
                                                                               aus hergestellten Kunststofffensters gekoppelt. Die
                                                                               Neufassung fand auch im Ausland ein breites Echo.
                                                                               Das erste Mal wurden die Gütezeichen, übrigens in
                                                                               neuem Design, auf der Messe Fensterbau Frontale
                                                                               2014 verliehen.

                                                                               Revision 2016: Weitere Komponenten
                                                                               werden einbezogen
                                                                               Drei Jahre nach Erscheinen der RAL-GZ 716 folgte die
                                                                               erste Revision: Sie enthielt nun auch eine Gütesiche-
                                                                               rung für Verstärkungen, Verbinder und Deckschalen.
                                                                               In diesem Zusammenhang erschienen auch die ers-
                                                                               ten Piktogramme der gelisteten Komponenten, die
                                                                               fortan werblich genutzt werden können.
©Bild: Profine GmbH

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