6.2. 60Co: γ-Spektrum und absolute Aktivit at - Ziel - Physikalisches ...
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60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 641 60 6.2. Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität Ziel In diesem Versuch soll zunächst die Energieverteilung der von einer radioaktiven 60 Co- Probe ausgesandten γ-Strahlung bestimmt werden. Weiterhin soll die absolute Aktivität der Probe, also die Zahl der insgesamt pro Zeiteinheit in ihr stattfindenden radioaktiven Zerfälle, bestimmt werden. Dies ist nicht trivial, weil Nachweisinstrumente typischerweise nur eine begrenzte Nachweisempfindlichkeit < 100 % besitzen, die meist noch nicht einmal bekannt ist. Zu diesem Zweck wird ein interessanter statistischer Trick“ angewandt, der es ermöglicht, ” die gewünschte Größe indirekt zu bestimmen, so dass die technischen Limitierungen der Nachweisinstrumente weitgehend kompensiert werden können. Der Versuch greift weit in die während des Grundstudiums noch nicht behandelte Atom- physik hinein, so dass er zwar technisch“ relativ einfach durchgeführt werden kann, zum ” wirklichen Verständnis allerdings eine sehr intensive Vorbereitung und Literaturarbeit erfordert. Hinweise zur Vorbereitung Die Antworten auf diese Fragen sollten Sie vor der Versuchdurchführung wissen. Sie sind die Grundlage für das Gespräch mit Ihrer Tutorin/Ihrem Tutor vor dem Versuch. Infor- mationen zu diesen Themen erhalten Sie in der unten angegebenen Literatur. 1. • Welche Arten von radioaktivem Zerfall gibt es? • Wie zerfällt Co60 ? • Wann spricht man von γ-Zerfall? • Welche Gefahren birgt radioaktive Strahlung? • Wie sind Halbwertszeit und Lebensdauer definiert? • Wie ist die Aktivität eines Präparats definiert? • Welche Einheiten sind im Zusammenhang mit Radioaktivität gebräuchlich? 2. • Welche Nachweisemethoden für Kernstrahlung gibt es? • Was ist ein Proportionalzählrohr? • Wie funktioniert ein Geiger-Müller-Zähler? • Wie funktioniert ein Szintillationszähler? • Wozu werden Photoelektronenvervielfacher gebraucht? • Welche konkurrierenden Prozesse bei der Absorption von γ-Quanten gibt es? • Wie äußern sich diese im Szintillationsspektrum? • Was ist der Nulleffekt bei Zählrohren? © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
642 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik • Wie funktioniert eine Koinzidenzmessung? • Wie funktioniert ein Vielkanalanalysator? Zubehör • Zwei komplette Einkanalszintillationsspektrometer mit elektronischen Zählern (Szintillationszähler bestehend aus einem thalliumdotierten Natriumiodid-Kristall und einem Photoelektronenvervielfacher) • Koinzidenzstufe mit Zähler • Vielkanalanalysator • xy-Schreiber • verschiedene 60 Co-Präparate mit geringer Aktivität • Bleiziegel zum Schutz der Personen und zur Abschirmung des direkten Weges zwi- schen den Szintillationszählern Grundlagen Radioaktivität Manche Atomkerne wandeln sich spontan unter Aussendung ionisierender Strahlung in andere Atomkerne um, man sagt sie zerfallen“. Das Phänomen wurde bereits im Jahr ” 1896 durch den französischen Physiker Antoine Henri Becquerel entdeckt. Dabei gibt es verschiedene Zerfallsarten“, die nach den ausgesandten Teilchen unterschieden ” werden. Die bekanntesten davon sind:1 • α-Zerfall: Aussendung von schnellen 4 He-Kernen, also Teilchen, die aus zwei Proto- nen und zwei Neutronen bestehen, • β-Zerfall: Aussendung von schnellen Elektronen. Nach dem Zerfall verbleibt der Atomkern meist in einem angeregten Energiezustand. Der Übergang in den Grundzustand kann dann unter Emission von γ-Strahlung erfolgen, also unter Aussendung von hochenergetischen Photonen.2 In der Literatur wird dies meist als eigener Vorgang betrachtet und als γ-Zerfall“ bezeichnet, obwohl dabei gar kein ” 1 Der genannte β-Zerfall heißt genauer β− -Zerfall, denn an Stelle eines Elektrons kann bei manchen Isoto- pen auch ein Positron emittiert werden. Man bezeichnet dies dann als β+ -Zerfall. Weitere Zerfallsarten sind Electroneneinfang (EC von engl. electron capture), Protonen-Emission, Neutronen-Emission, spontane Kernspaltung (unter zusätzlicher Emission einiger freier Neutronen) und Emission masse- reicher Partikel. Als Beispiele für letztere seien genannt: 14 C (von 222 Ra, 223 Ra, 224 Ra, 225 Ac), 20 Ne (von 235 U), 8 Be, 16 O, 24 Mg und 28 Si (alle von 116 Ce bis 124 Ce). Auch treten viele Kombinationen auf. 2 Alternativ kann die Energie z. B. an ein Hüllenelektron abgegeben werden, das dann emittiert wird. Diesen Prozess bezeichnet man als innere Konversion“. ” © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 643 Kernzerfall im engeren Sinne stattfindet.3 Manchmal findet man auch die Bezeichnung γ-Emission“. ” Die Zerfälle erfolgen rein zufällig. Ihre Zahl pro Zeiteinheit ist proportional zur Zahl der betrachteten Atomkerne und hängt weiterhin meist nur noch vom jeweiligen Isotop ab. Es sind derzeit (Stand März 2005) 115 Elemente mit über 2700 Isotopen bekannt und z. B. in der bekannten Karlsruher Nuklidkarte“ verzeichnet, die vom Forschungszentrum ” Karlsruhe herausgegeben wird, allerdings leider zumindest derzeit nicht online. Nur 249 dieser Isotope sind stabil, alle anderen zerfallen spontan. Andere Nuklidkarten sind auch online verfügbar, so z. B. WWW Table of Radioactive Iso- ” topes“ (alternativ http://ie.lbl.gov/toi/ oder http://nucleardata.nuclear.lu. se/NuclearData/toi/), ein gemeinsames Projekt des Lawrence Berkeley National La- ” boratory“ (http://www.lbl.gov/) und der LUNDS Universitet“ (http://www.lu.se/). ” 60 Der Zerfall des Isotops Co Das radioaktive Isotop 60 27 Co zerfällt mit einer Halbwertszeit von T1/2 = 1925.1 d unter Emission eines Elektrons (β− -Zerfall) in einen angeregten Zustand des Isotops 60 28 Ni, wel- cher wiederum sehr schnell und vorwiegend unter Aussendung von γ-Strahlung in den Grundzustand übergeht.4 Bild 6.2.1 zeigt die dabei relevanten Energieniveaus des Atom- kerns. 60 Co +5ћ - t1/2 = 1925.1 d b +4ћ 2.50 MeV E2 g1 +2ћ 1.33 MeV, t1/2 » 0.5 ps E2 g2 +0ћ 0 eV 60 Ni 60 Abbildung 6.2.1.: Zerfallsschema des Isotops Co. 3 Es zerfällt ja sozusagen nur der angeregte Zustand des Kerns. Bei der Elektronenhülle würde man den vergleichbaren Vorgang schlicht als Übergang auf ein niedrigeres Niveau bezeichnen. 4 Manchmal findet man auch die Angabe der Halbwertszeit in Jahren als T1/2 = 5.2714 a, weil ein Jahr“ ” eine so anschauliche Zeitdauer ist. Dabei gibt es allerdings gleich mehrere Probleme: • Die Zeiteinheit Jahr“ ist weder Teil des SI noch gesetzlich zur Verwendung mit dem SI zugelassen. ” • Zwar weiss jeder sofort, dass ein Jahr ungefähr 365 Tage dauert, aber es sind eben nicht genau 365 Tage, sondern ≈ 365.24 . . . Tage, dieser Wert ist einem weit weniger geläufig. • Als Einheitenzeichen wird uneinheitlich manchmal a“ (von lat. annum = Jahr) geschrieben, ” manchmal aber auch y“ (von engl. year = Jahr). ” Es empfiehlt sich daher, diese Einheit in Rechnungen möglichst zu vermeiden. © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
644 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik γ-Strahlung Unter radioaktiver γ-Strahlung versteht man elektromagnetische Strahlung mit sehr kur- zen Wellenlängen. Die Energie der Strahlung liegt oberhalb der von Röntgenstrahlung, wobei keine scharfe Grenze angegeben werden kann, so wie es ja auch keine scharfe Grenze zwischen kurzwelligem Ultraviolettlicht und weicher“ Röntgenstrahlung gibt. ” Szintillationszähler Beim Durchgang hochenergetischer γ-Quanten durch ein geeignetes Medium werden in diesem Lichtblitze“ (sichtbare Photonen) erzeugt. Die Zahl der durch ein γ-Quant erzeug- ” ten Photonen hängt von dessen Energie ab. Schon Ernest Rutherford verwendete bei seinem historischen Streuexperiment einen Zinksulfid-Schirm. Die darauf erzeugten Licht- blitze wurden damals unter Verwendung des Auges seines Assistenten nachgewiesen und von diesem gezählt.5 Heute erfasst man die Lichtblitze meist mit einem Photoelektronen- vervielfacher (engl. photomultiplier, kurz PM) und einer elektronischen Zählschaltung. Dabei kann auch die Energie der Blitze mit ausgewertet werden. Im Praktikum verwenden wir NaI-Kristalle6 zur Erzeugung der Lichtblitze. Vielkanalanalysator Um die vom Photomultiplier gelieferte Information über die Energie der γ-Quanten aus- zunutzen, müssen die Ereignisse für viele verschiedene Energieintervalle getrennt gezählt werden. Diese Aufgabe übernimmt ein sog. Vielkanalanalysator (kurz VKA, engl. multi channel analyzer, kurz MCA). Er enthält viele Speicherstellen, deren Wert jeweils um eins erhöht wird, wenn ein Signal im zugehörigen Energieintervall detektiert wird. Das Ergeb- nis kann während der Messung ständig auf einem Monitor dargestellt werden. Moderne VKAs sind meist als Einsteckkarten für Computer ausgeführt. Dies ermöglicht eine sehr flexible Datenaufnahme und -bearbeitung. Koinzidenzen Unter Koinzidenz (von lat. coincidentia = das Zusammenfallen) versteht man im Zu- sammenhang mit Szintillationszählern typischerweise das gleichzeitige“ Ansprechen von ” zwei Zählern. Gleichzeitig“ heißt dabei, dass beide Zählereignisse innerhalb eines Koin- ” zidenzzeitintervalls stattfinden. Die Dauer dieses Intervalls ist mindestens so lang, wie die Zeit, während der die Nachweiseinheit“ (Szintillationskristall, Photomultiplier und nach- ” geschaltete Elektronik) ein Ereignis meldet. Bei dem im Praktikum verwendeten Aufbau wird diese Zeit im Wesentlichen durch die Abklingzeit des NaI-Szintillators von ≈ 0.23 μs bestimmt. 5 Angeblich erfand H. Geiger den nach ihm benannten Zähler, um sich selbst und anderen diese lang- weilige Arbeit im stockdunklen Raum zu ersparen. 6 Im deutschen Sprachraum ist auch der Buchstabe J“ für das Element Jod gebräuchlich. International ” verwendet man allerdings üblicherweise den Buchstaben I“. ” © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 645 Wir gehen davon aus, dass die Abstrahlung beider γ-Quanten ohne nennenswerte Zeit- verzögerung erfolgt. Diese Annahme ist hinreichend gut erfüllt, denn die Lebensdauer des Zwischenzustandes beträgt nur 0.713 ps und ist somit viel kürzer als die typische Abklingzeit des NaI-Szintillators. Für das spezielle Experiment mit der 60 Co-Probe ergeben sich die Zählraten der beiden Szintillatoren zu Ω1 N1 = 2N0 1 (6.2.1) 4π Ω2 N2 = 2N0 2 (6.2.2) 4π mit N0 = absolute Aktivität der Probe. 1 = Ansprechwahrscheinlichkeit von Zähler 1, 2 = Ansprechwahrscheinlichkeit von Zähler 2, Ω1 = effektiver Raumwinkel von Zähler 1, Ω2 = effektiver Raumwinkel von Zähler 2. Der Faktor zwei kommt daher, dass jeder Zerfall zu zwei γ-Quanten führt, die beide in den Szintillatoren nachgewiesen werden können, während die Aktivität ja definitionsgemäß die Zahl der Zerfälle pro Zeiteinheit“ misst. ” Im realen Experiment wird die Zählrate etwas höher sein, da die Zähler auch ohne Probe eine gewisse Zählrate zeigen ( Nulleffekt“). Die Größen N1 und N2 sollen hier immer so ” verstanden werden, dass sie bereits um den Nulleffekt korrigiert sind. Koinzidenzen können aus zwei verschiedenen Gründen auftreten: 1. wahre Koinzidenzen“: ” Die Rate der wahren Koinzidenzen“ ist gegeben durch die Wahrscheinlichkeit, dass ” ein γ-Quant in Zähler 1 registriert wird und das andere γ-Quant aus dem selben Zerfall in Zähler 2 registriert wird. Als Rate erhält man also Ω1 Ω2 N1 · N2 Nc,w = 2N0 1 2 = . (6.2.3) 4π 4π 2N0 2. zufällige“ Koinzidenzen: ” Die Rate der Zufallskoinzidenzen ergibt sich in guter Näherung7 zu Nc,z = (τ1 + τ2 ) · N1 · N2 ∝ N02 (6.2.4) 7 siehe auch Aufgabenteil © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
646 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik mit τ1 = Impulslänge des Zählers 1, τ2 = Impulslänge des Zählers 2, N1 = Zählrate des Zählers 1, N2 = Zählrate des Zählers 2, N0 = absolute Aktivität der Probe. Wenn die beiden Szintillatoren baugleich sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Impulslängen ungefähr gleich sind. Gleichung (6.2.4) vereinfacht sich dann zu Nc,z = 2τ · N1 · N2 ∝ N02 (6.2.5) mit τ = Impulslänge der Zähler, N1 = Zählrate des Zählers 1, N2 = Zählrate des Zählers 2, N0 = absolute Aktivität der Probe. Im Experiment kann man immer nur entweder die Zufallskoinzidenzrate Nc,z oder die Summe Nc,a = Nc,w + Nc,z der beiden Koinzidenzraten messen. Die wahre Koinzidenzrate Nc,w selbst ist nicht direkt messbar, kann aber natürlich als Differenz der beiden anderen Größen berechnet werden.8 Für die absolute Aktivität der 60 Co-Probe gilt somit: N1 · N2 N0 = . (6.2.6) 2Nc,w Versuchsdurchführung SICHERHEITSHINWEIS: Auch wenn die im Praktikum verwendeten radioaktiven Präparate relativ schwach sind, müssen sie besonders sorgfältig behandelt werden, um niemanden unnötig zu gefährden. Die Präparate werden zu Versuchsbeginn von der Be- treuerin bzw. dem Betreuer aus dem verschlossenen Bleibehälter entnommen und sind nach Versuchsende unaufgefordert zurückzugeben. Während der Versuchsdauer dürfen sie nur bestimmungsgemäß im Experiment verwendet werden. Insbesondere muss die Bleiab- schirmung immer angebracht sein. 8 Diese einfache Rechnung ist nur dann möglich, wenn im Experiment wie in der Anleitung empfohlen die Zählraten der einzelnen Szintillatoren in beiden Versuchsanordnungen möglichst gleich gewählt wurden. Sonst muss die Messung der Zufallskoinzidenzen (Versuchsanordnung 2) mehrfach bei unter- schiedlichen Zählraten durchgeführt werden, damit aus Gleichung (6.2.5) zunächst die Impulslänge τ der Zähler und schließlich die Zufallskoinzidenzrate für die in Versuchsanordnung 1 verwendete Zählrate berechnet werden kann. © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 647 1. Legen Sie ein 60 Co-Präparat so vor beide Szintillationszähler, dass die Strahlung beide Zähler erreicht (siehe Abbildung 6.2.3). Achtung: Wählen Sie eine derjenigen Proben, auf denen sowohl das Herstellungsda- tum als auch die Aktivität der Probe zu diesem Zeitpunkt angegeben ist. Für diese Probe werden Sie die absolute Aktivität bestimmen. 2. Nehmen Sie mit dem Vielkanalanalysator für den hinteren Szintillationszähler das γ-Spektrum von 60 Co auf und dokumentieren Sie es mit dem Grafikplotter. 3. Messen Sie die Einzelzählraten N1,a und N2,a der beiden Zähler, sowie die Konizi- denzzählrate Nc,a . 4. Entfernen Sie das Präparat und messen Sie die Nulleffektzählraten N1,n und N2,n der beiden Zähler. 5. Legen Sie vor beide Szintillationszähler jeweils ein 60 Co-Präparat, so dass die Strah- lung jedes Präparates jeweils nur einen der Zähler erreicht (siehe Abbildung 6.2.4). Der Bleiziegel muss hierzu dick genug und somit undurchdringlich“ sein, was bei ” einer Schichtdicke von mehreren Zentimetern gut erfüllt ist (siehe Aufgabenteil). Verschieben Sie die Präparate so, dass sich wieder möglichst genau die gleichen Zählraten ergeben wie unter Punkt 3.9 6. Messen Sie auch für diese Anordnung die Einzelzählraten N1,z und N2,z der beiden Zähler, sowie die Rate der zufälligen Koinzidenzen Nc,z . 16.03.2005 120000 g1 1173 keV 60 Co ® 60Ni 80000 g2 Impulse 1333 keV 40000 0 0 500 1000 1500 Energie / keV 60 Abbildung 6.2.2.: Szintillationsspektrum von Co. 9 Sie müssen sonst mehrere Messungen machen und die Auswertung wird komplizierter (siehe Grundla- genteil). © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
648 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik Abbildung 6.2.3.: Versuchsaufbau zur Messung der Summe aus wahren“ und zufälligen“ ” ” Koinzidenzen. Abbildung 6.2.4.: Versuchsaufbau zur Messung ausschließlich der Zufallskoinzidenzen“. ” © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 649 Auswertung 1. Berechnen Sie mit Hilfe der im Zerfallsschema angegebenen Energien der beiden γ- Quanten die Energien beider im von Ihnen aufgenommenen Szintillationsspektrum sichtbaren Compton-Kanten. 60 2. Bestimmen Sie die absolute Aktivität N0 Ihrer Co-Probe. 3. Auf den zu untersuchenden Proben ist sowohl das Datum der Herstellung als auch die Aktivität zu diesem Zeitpunkt angegeben. Berechnen Sie aus diesen Angaben und der Halbwertszeit die aktuelle Aktivität zum Zeitpunkt Ihres Versuches. 4. Vergleichen Sie die unter den Punkten 2 und 3 erhaltenen Werte. Fragen und Aufgaben 1. Die SI-Einheit der Aktivität ist 1 Becquerel = 1 Bq = 1 Zerfall/Sekunde. Die alte Einheit 1 Curie = 1 Ci der Aktivität ist definiert als die Aktivität einer Probe, in der pro Sekunde genauso viele Zerfälle stattfinden wie in einem Gramm des Isotops 226 Radium. Berechnen Sie aus dieser Definition, der Halbwertszeit des 226 Ra von T1/2 = 1620 y, der Molmasse von 226 Ra und der Avogadrokonstanten (siehe z. B. Tabelle 1.0.5 auf Seite 30 den Wert von 1 Ci in der Einheit Becquerel. 2. Woran erkennt man im Szintillationsspektrum in Abbildung 6.2.2 den Einfluss des Compton-Effektes? 3. Wie macht sich das Rauschen“ der Photomultiplier bemerkbar? ” Machen Sie einen Vorschlag, wie dieses Rauschen möglicherweise verringert werden könnte. 4. Erklären Sie, warum bei der Anordnung nach Abbildung 6.2.4 nur Zufallskoinziden- zen gemessen werden, sofern der Bleiziegel als undurchdringlich betrachtet werden kann. 5. Wie dick muss ein Bleiziegel tatsächlich sein, damit er für die im Experiment auf- tretende γ-Stahlung praktisch undurchdringlich“ ist? ” Hinweise: • Nehmen Sie eine Dicke von zehn Halbwertsbreiten“ an. ” • Der totale Absorptionskoeffizient von Blei beträgt für die im Experiment be- obachtete Strahlung μPb ≈ 70 m−1 (siehe z. B. Diagramm in [Mus95] auf S. 129). 6. Die Gleichung (6.2.4) gilt nur näherungsweise. Was wurde bei ihrer Formulierung vernachlässigt? Hinweis: Bei starken Präparaten ist die Näherung nicht mehr so gut erfüllt. © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
650 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik 7. Bei radioaktiven Messungen ist es oft möglich, die Statistik dadurch zu verbessern, dass man ein stärkeres Präparat verwendet. Zeigen Sie anhand der Gleichungen (6.2.3) und (6.2.4), dass man im hier vorliegenden Fall durch Messung an einem stärkeren Präparat die Statikstik nicht verbessern kann. Diese Tatsache hat große Bedeutung für in der Festkörperphysik eingesetzte Me- thoden, die auf der sog. Winkelkorrelation“ beruhen und erzwingt oft sehr lange ” Messzeiten. Hinweis: Zeigen Sie zunächst, dass die Zahl der wahren Koinzidenzen“ proportional ” zu N0 ist, die Zahl der Zufallskoinzidenzen aber proportional zu N02 . 8. Skizzieren Sie eine zeitlich unregelmäßige Folge von Zählimpulsen aus Zähler 1 und Zähler 2 in einem Diagramm mit der Zeit als Abszisse ( waagerechte t-Achse“) und ” machen Sie in diesem Diagramm die folgenden drei Fälle graphisch deutlich: a) wahre Koinzidenzen“, ” b) Zufallskoinzidenzen“ und ” c) Doppelzufallskoinzidenzen“. ” Der dritte Fall ist zwar prinzipiell wichtig, kann aber in vielen Fällen vernachlässigt werden und wurde für die Auswertung dieses Praktikumsexperimentes bewusst nicht weiter betrachtet. 9. für alle Physik-Studiengänge (B.Sc. und B.Ed.): Prinzipiell können Photo- nen ausreichend hoher Energie durch die sog. Paarerzeugung“ ein Elektron und ” ein Positron erzeugen. Hierzu ist natürlich mindestens die Energie nötig, die der Ruhemasse der beiden zu erzeugenden Teilchen entspricht. Wie hoch ist diese Energie? Wäre also mit den vom 60 Co emittierten γ1 - und/oder γ2 -Quanten prinzipiell Paarerzeugung möglich? 10. für alle Physik-Studiengänge (B.Sc. und B.Ed.): Beweisen Sie, dass der Im- pulserhaltungssatz verletzt wäre, wenn die Paarerzeugung, also die Umwandlung eines Photons in ein Elektron-Positron-Paar, spontan im materiefreien Raum erfol- gen würde. Energie- und Impulssatz können nur dann eingehalten werden, wenn der Vorgang z. B. in der Nähe eines Atomskerns stattfindet. Ergänzende Informationen Historisches Die Radioaktivität wurde am 01.03.1896 durch Henri Becquerel an Uransalzen ent- deckt, die eine Photoplatte schwärzten. Seine Entdeckung erfolgte nur ein Jahr nach der Entdeckung der X-Strahlung durch Röntgen (heute im deutschen Sprachraum als Röntgenstrahlung bezeichnet). Becquerel bezeichnete die neu entdeckten Strahlen als rayons uraniques“. Später wurde von Marie Curie der heute gebräuchliche Name ” © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
60 6.2 Co: γ-Spektrum und absolute Aktivität 651 Radioaktivität“ eingeführt. Ernest Rutherford und andere entdeckten, dass es dabei ” mindestens drei Strahlungsarten gibt:10 • α-Strahlen: leicht absorbierbare 4 He-Kerne, • β-Strahlen: durchdringende Elektronenstrahlen,11 • γ-Strahlen: hochenergetische Photonen. Multipolstrahlung Bei radioaktiver γ-Strahlung tritt nicht nur die in der Optik meist dominierende12 elek- trische Dipolstrahlung (oft mit der Abkürzung E1 bezeichnet) auf, sondern sehr häufig beobachtet man Strahlung höherer Multipolordnungen, also z. B. elektrische Quadrupol- strahlung E2 oder magnetische Dipolstrahlung M1. Die Photonen tragen dabei nicht nur Spin- sondern auch Bahndrehimpuls. Im Fall des 60 Co handelt es sich z. B. um elektrische Quadrupolstrahlung, wie man aus den im Zerfallsschema (Abbildung 6.2.1) angegebenen Drehimpulsen der Energieniveaus erkennen kann. Die räumliche Intensitätsverteilung entspricht daher auch nicht der eines hertzschen Dipols. Misst man die Intensitätsverteilung um eine radioaktive Probe, so findet man allerdings üblicherweise ohnehin Kugelsymmetrie, da man über sehr viele zufällig orientierte Atomkerne mittelt.13 Winkelkorrelation Wenn ein Atomkern im Verlauf einer Zerfallskaskade hintereinander mehrere γ-Quanten aussendet, so sind deren räumliche Intensitätsverteilungen i. d. R. weder isotrop noch von- einander unabhängig. Beobachtet man zwei solche nacheinander emittierten Photonen in Koinzidenz und misst ihre gegenseitige Winkelverteilung, so ergibt sich je nach den Dreh- impulsen der an den jeweiligen Übergängen beteiligten Energieniveaus eine räumliche Anisotropie, die vom Prinzip her auch an die Strahlungscharakteristik des hertzschen Dipols erinnert. Eine genaue theoretische Berechnung dieser Anisotropie ist möglich und 10 Becquerel fasste die neue Strahlung zunächst als durchdringende UV-Strahlung auf, im heutigen Sprachgebrauch wären das also γ-Strahlen. Später stellte sich heraus, dass er in Wirklichkeit β- Strahlen beobachtet hatte. 11 Später wurden neben den negativen β− -Strahlen auch positive β+ -Strahlen (Positronen) gefunden. 12 Auch in der Optik ist Strahlung höherer Multipolarität möglich. So handelt es sich bei einer im Po- larlicht vorkommenden grünen Linie um elektrische Quadrupolstrahlung. Durch die geringere Über- gangsrate solcher Prozesse lassen sie sich allerdings meist nur in relativ stark verdünnten Gasen und Plasmen gut beobachten, bei denen die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen groß ist. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts kamen Ideen auf, den Bahndrehimpuls einzelner Photonen im sichtbaren Spektralbereich zu untersuchen [ABSW92]. Erste Experimente hierzu wurden im Jahr 2002 publiziert [LPB+ 02]. Man verspricht sich Anwendungen u. a. in der Quantenkryptographie. 13 Eine interessante Ausnahme ergibt sich, wenn man künstlich dafür sorgt, dass sich die Drehimpulse der Atomkerne vor der Emission der γ-Quanten ausrichten. Dies soll aber hier nicht näher betrachtet werden. © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
652 6. Versuche zur Atom- und Quantenphysik wird in der Atomphysik unter dem Stichwort Clebsch-Gordan-Koeffizienten“ behan- ” delt. Diese sog. ungestörte γγ-Winkelkorrelation“ ist das Thema eines Versuchs im Fortge- ” schrittenenpraktikum. Wirkt auf das radioaktive Atom während der kurzen Zeit zwischen der Emission des ersten und zweiten Photons ein äußeres Feld (z. B. magnetisches Dipolfeld oder elektrisches Quadrupolfeld) ein, so hängt die Anisotropie zusätzlich von der (zufälligen) zeitlichen Verzögerung zwischen den beiden Emissionsereignissen ab. Auf diesem Phänomen beruht eine in der Festkörperphysik seit Mitte des 20. Jahrhunderts viel verwendete Methode, die sog. gestörte γγ-Winkelkorrelation“ (PAC von engl. perturbed angular correlation) ” [SW92]. Literaturhinweise Einführende Erläuterungen zur Kernphysik finden Sie in vielen allgemeinen Lehrbüchern, z. B. [Vog95, Gob80]. Zur Vertiefung eignen sich spezielle Lehrbücher wie [MK84]. Zur Methode der gestörten γγ-Winkelkorrelation“: [SW92]. ” Zum Bahndrehimpuls von Photonen: [ABSW92, LPB+ 02]. Literaturverzeichnis [ABSW92] Allen, L., M. W. Beijersbergen, R. J. C. Spreeuw, and J. P. Wo- erdman: Orbital angular momentum of light and the transformation of Laguerre-Gaussian laser modes. Phys. Rev. A, 45(11):8185–8189, 1992. [Gob80] Gobrecht, Heinrich (Herausgeber): Bergmann-Schaefer – Lehrbuch der Experimentalphysik, Band IV: Aufbau der Materie. Walter de Gruyter, Berlin, 2. Auflage, 1980. [LPB+ 02] Leach, Jonathan, Miles J. Padgett, Stephen M. Barnett, Sonja Franke-Arnold, and Johannes Courtial: Measuring the Orbital Angu- lar Momentum of a Single Photon. Phys. Rev. Lett., 88(25):257901–1— 257901–4, 2002. [MK84] Mayer-Kuckuk, Theo: Kernphysik. B. G. Teubner, Stuttgart, 4. Auflage, 1984. [Mus95] Musiol, Gerhard: Kern- und Elementarteilchenphysik. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main, Thun, 2. Auflage, 1995. [SW92] Schatz, Günter und Alois Weidinger: Nukleare Festkörperphysik. B. G. Teubner, Stuttgart, 2. Auflage, 1992. [Vog95] Vogel, Helmut: Gerthsen - Physik. Springer-Verlag, Berlin · Heidelberg, 18. Auflage, 1995. © Bernd-Uwe Runge, Physikalisches Anfängerpraktikum der Universität Konstanz — zum internen Gebrauch bestimmt Diese Anleitung ersetzt NICHT den Grundlagenteil Ihres Praktikumsberichtes! Haben Sie Verbesserungsvorschläge? last change to this section: Revision: 798 , Date: 2017-04-03 16:57:15 +0200 (Mo, 03 Apr 2017) Gesamtversion: kompiliert am 22. Juli 2019 um 16:01 Uhr UTC
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