Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
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80168 Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Ausgabe 4 • 2017 Forum Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition „Soziale Sicherheit weltweit fördern“ Interview mit Dr. Joachim Breuer Aus der Forschung Zellkulturmodell zur Wirkung von Partikeln und Fasern in der Lunge
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, von unzähligen Plakaten schauen sie uns entgegen: Models mit gebräuntem Teint und einem breiten Wohlfühllächeln. Wer bei diesem Anblick an Haut- krebs denkt, ist doch ein Spielverderber. Aber lieber Spielverderber sein, als tatenlos zusehen, wie immer mehr Menschen ihre Haut kurz- und langfristig schä- digen. Die Zahl der Erkrankungen an hellem Haut- Foto: Wolfgang Bellwinkel/DGUV krebs und seinen Vorstufen nimmt in der Bevölke- rung weiter zu. Gerade jetzt im Frühling spüren wir: Sonnenstrahlen tun uns gut. Aber sie können auch sehr gefährlich werden. Darüber müssen auch wir als Unfallversicherung noch stärker aufklären. Seit 2015 können bestimmte Formen des hellen Haut- krebses auch als Berufskrankheit anerkannt werden. Für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ergeben sich dadurch zwei Fragen: Wie kann eine gute, effektive Prävention für die Beschäftigten aussehen? Und wie kön- nen Hautschädigungen, die durch die Arbeit verursacht werden, von anderen Ursachen abgegrenzt werden? Denn wir alle sind ja in unterschiedlichem Maße in unserem Alltag der Sonne ausgesetzt. Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) hat deshalb das beeindruckende Präventionsprojekt GENESIS-UV angestoßen. Wie kann eine gute, effektive Hinter der Abkürzung verbirgt sich ein effizientes Messsystem Prävention für die Beschäftigten zur Messung der Sonnenexposition. Etwa 800 Probanden aus aussehen? Und wie können unterschiedlichen Berufen trugen bislang die Messgeräte und lieferten über drei Milliarden Datensätze an das IFA. Das ent- Hautschädigungen, die spricht mehr als 80.000 Messtagen. durch die Arbeit verursacht werden, von anderen Ursachen Eine valide Datenbasis also, die in den kommenden Jahren abgegrenzt werden? weiter vervollständigt werden soll, denn GENESIS-UV hat ein hoch gestecktes Ziel: Mit Hilfe der Messdaten soll ein vollstän- diges Bild der UV-Exposition im Freien erstellt werden. Schon die ersten Ergebnisse des Projekts sind hoch spannend: In welchen Berufen sind die Beschäftigten beson- ders stark exponiert? Und wie hoch ist die Belastung überhaupt? GENESIS-UV hat ein sehr differenziertes Bild von der Sonnenexposition einzelner Berufsgruppen geliefert. Ideale Voraussetzungen also für möglichst passgenaue Prä- ventionsangebote. Eines gilt jedoch für alle betroffenen Branchen: An erster Stelle steht nach wie vor die Überzeugungsarbeit: Ohne Sonne können wir nicht überleben, aber wir brauchen einen wirksamen Schutz zur richtigen Zeit. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Joachim Breuer Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 2 DGUV Forum 4/2017
Inhalt > Editorial/Inhalt >>> 2–3 > Aktuelles >>> 4–7 > Nachrichten aus Brüssel >>> 8 > Titelthema >>> 9–36 Arbeiten unter der Sonne Verhütung von Gesundheitsgefahren durch natürliche optische Strahlung 9 Jasmin Auf dem Berge, Gerald Wanka Interview mit Prof. Dr. Manigé Fartasch „Der helle Hautkrebs ist sehr weit verbreitet“ 11 9 Das Interview führte Jasmin Auf dem Berge Interview mit Gerald Rehme „Wir setzen auf Einsicht“ 14 Das Interview führte Jasmin Auf dem Berge Berufskrankheiten für Jugendliche ausstellen Gesundheit im Arbeitsleben durch Interaktion und Storytelling 18 Jana Hawig, Niko Pankop Messungen mit GENESIS-UV Auf dem Weg zu einem Kataster für UV-Bestrahlungen im Freien 23 Dr. Marc Wittlich Verkehrswirtschaft Sonnenstrahlen – zu Wasser und zu Land 28 Dr. Gabriele Meyer Die „Grünen Berufe“ Messkampagne und geeigneter Sonnenschutz 30 Marion Nesselrath UV-Prävention in Kitas und Krippen 18 Wenn die Sonne lacht 34 Thomas Overmann > Prävention >>> 37–38 Aus der Forschung Zellkulturmodell zur Untersuchung der Wirkung von Partikeln und Fasern in der Lunge 37 Prof. Dr. Thomas Brüning, Prof. Dr. Jürgen Bünger, Nina Rosenkranz, Dr. Götz Westphal > Internationales >>> 39–41 Interview mit Dr. Joachim Breuer „Soziale Sicherheit weltweit fördern“ 39 Das Interview führte Bettina Bräuniger > Medien/Impressum >>> 42 39 DGUV Forum 4/2017 3
Aktuelles BG ETEM setzt auf eine Karte Ihren Mitgliedsunternehmen bietet die Be- rufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) jetzt eine Versichertenkarte an. Diese Karte können die Betriebe an ihre Beschäftigten verteilen. „Unternehmen schlagen so mehrere Flie- gen mit einer Klappe“, sagt Olaf Peter- mann, Vorsitzender der BG ETEM Ge- Die Versichertenkarte schäftsführung. Zum einen könne mit der der BG ETEM Karte Wertschätzung und Schutz für Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar ge- macht werden. „Zum anderen“, so Peter- mann, „ist die Karte sehr nützlich, wenn man nach einem Arbeitsunfall beim Arzt ist und nach der zuständigen Berufsge- nossenschaft gefragt wird.“ Die Versichertenkarte gibt es in zwei Varianten: als kostenfreie Standard- Variante und als Standard-Plus- Karte. In der zweiten Variante haben Unternehmen die Möglichkeit, ihr Logo auf die Karte drucken zu lassen. Beide Kartentypen können Foto: BG ETEM über einen speziellen Webshop unter www.bgetem.de (Webcode: 17801067) bestellt werden. Syrischer YouTuber erklärt die wichtigsten FAQs der German Road Safety App Die beiden Broschüren „Unterwegs in in leicht verständlicher Sprache über die Sprachkombinationen Deutsch-Farsi- Deutschland“ und „Fahrrad fahren in wichtigsten Verkehrsregeln im deutschen Paschtu, Deutsch-Französisch-Tigrinisch Deutschland“ informieren im Rahmen der Straßenverkehr. Nun sind die gedruckten und Deutsch-Albanisch-Kurmandschi kos- Kampagne „German Road Safety“ des Fassungen zusätzlich zum Sprachpaket tenlos erhältlich. Mediale Begleitung er- Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) Deutsch-Englisch-Arabisch auch in den fährt die Kampagne durch den syrischen Schauspieler und Autor Firas Alshater, der auf seinem YouTube-Kanal ZUKAR und auf seiner Facebookseite die Ver- kehrs-App humorvoll präsentiert. Alshater klärt mit seiner Serie „3AL Maashi“ nicht nur über die deutsche Verkehrssicherheit auf, sondert gibt praktische Tipps von Ge- flüchteten für Geflüchtete. Die Broschüren sind in Zusammenarbeit mit der Unfallforschung der Versicherer (UDV), der Deutschen Verkehrswacht (DVW) und mit Unterstützung der Deutschen Foto: DVR Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) entstanden. Sie können kostenlos über germanroadsafety@dvr.de bestellt oder in Die Broschüren „Unterwegs in Deutschland“ und „Fahrrad fahren in Deutschland“ weiteren Sprachen unter www.germanroad- informieren über die wichtigsten Verkehrsregeln im deutschen Straßenverkehr. safety.de als PDF heruntergeladen werden. 4 DGUV Forum 4/2017
Aktuelles Aktionsbündnis fördert Promotionen im Fachbereich Arbeitsmedizin Das Aktionsbündnis Arbeitsmedizin unter- die Möglichkeit eröffnen, das ausgespro- fördern, der für die Präventionsarbeit vor stützt ab sofort Studierende der Human- chen vielseitige, präventivmedizinische Ort so wichtig ist.“ Das 2014 gegründete medizin sowie noch nicht promovierte Ärz- Fach Arbeitsmedizin näher kennenzuler- Aktionsbündnis zur Sicherung des arbeits- tinnen und Ärzte bei ihren Promotions- nen“, erläutert Prof. Dr. Stephan Letzel, medizinischen Nachwuchses fördert die arbeiten aus dem gesamten Gebiet der Vorstandsvorsitzender des Aktionsbünd- arbeitsmedizinische Aus- und Weiterbil- Arbeitsmedizin. Stipendiatinnen und Sti- nisses Arbeitsmedizin den Hintergrund dung durch vielfältige Maßnahmen. Es un- pendiaten erhalten ein Jahr lang 300 Euro der Stipendien. „Zugleich können wir da- terstützt in der Fort- und Weiterbildung im Monat, in begründeten Ausnahme- mit den Erfahrungsaustausch zwischen durch Stipendien, Fachveranstaltungen fällen auch sechs Monate länger. Bewer- Wissenschaft und betrieblicher Praxis und familienfreundliche Maßnahmen. bungsschluss ist der 1. Juni 2017. „Mit unseren Promotionsstipendien möch- ten wir approbierten Ärztinnen, Ärzten Mehr Informationen unter: www.aktionsbuendnis-arbeitsmedizin.de sowie Studierenden der Humanmedizin BGHW prämiert Engagement und Team Play im Arbeitsschutz Gleich zwei mittelständische Unterneh- für die Einführung eines professionellen sebauer – bekam für ihre umfassende Ar- men hat die Berufsgenossenschaft Holz Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS). beitsschutzkultur und die Umsetzung von und Metall (BGHM) auf ihrer Regionalta- Durch seine aktive Einbindung aller Be- Projekten im Bereich der betrieblichen Ge- gung in Lengfurt für ihr Engagement für schäftigten konnte das Unternehmen be- sundheitsförderung den Sicherheitspreis Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit reits nach sieben Monaten das AMS erfolg- der BGHM überreicht. Die Auszeichnung ausgezeichnet. Das Gütesiegel „Sicher mit reich in die Betriebsabläufe integrieren. wird für Verbesserungen im Arbeitsschutz System“ erhielt der Drehmaschinenher- Die Firma Ackermann GmbH – Zulieferer verliehen, die über das vorgeschriebene steller Weiler Werkzeugmaschinen GmbH für Schreiner, Tischler, Laden- und Mes- Maß der Unfallverhütung hinausgehen. Foto: BGHM (v.l.n.r.): Ralf Stiefermann (BGHM), Volker Preisig, Jakob Frank, Stefan Naser (alle Weiler GmbH), Karl Hönig und Jürgen Bünnagel (beide BGHM) bei der Übergabe der Gütesiegel-Urkunde „Sicher mit System“ DGUV Forum 4/2017 5
Aktuelles Hohe Zufriedenheit der Beschäftigten zeichnet Bergmannstrost aus Für seine hervorragenden Ergebnisse in „Wir haben die Entwicklung des Klinikums Rahmen seiner Befragung von Mitarbeite- immer konsequent auch mit dem Blick auf rinnen und Mitarbeitern wurde das BG unsere Beschäftigten begleitet, indem wir Klinikum Bergmannstrost jetzt ausge- neben einer adäquaten Bezahlung auch zeichnet. Im deutschlandweiten Vergleich Themen wie Unternehmenskultur, Ge- mit mehr als 100 Kliniken konnte das sundheitsmanagement und Vereinbarkeit Bergmannstrost die höchste Zufriedenheit von Privat- und Arbeitsleben berücksich- der Beschäftigten verzeichnen. „Wir sind tigt haben“, erklärt Geschäftsführer Dr. sehr stolz auf das Ergebnis. Die starke Hubert Erhard die Gründe für das gute Foto: Jan Pauls/BG Kliniken Bergmannstrost Halle Identifikation der Beschäftigten mit dem Abschneiden. So existieren in allen berufs- Haus ist ein hohes Gut, das wir auch künf- genossenschaftlichen Kliniken Tarifverträ- tig pflegen werden und von dem unsere ge, wobei in Ost und West verbundweit ein Patientinnen und Patienten jeden Tag einheitliches Gehalt gezahlt wird. profitieren“, so Thomas Hagdorn, Kauf- männischer Direktor des Bergmannstrost, „Es gab natürlich auch Kritik in der Mitar- der den Preis persönlich in Offenbach im beiterbefragung“, so Erhard. „Die haben Rahmen des 11. Rhein-Main-Zukunftskon- wir aufgegriffen. Jetzt arbeiten Mitarbeite- gresses entgegennahm. Die Auszeichnung rinnen und Mitarbeiter in mehreren Pro- wurde von dem Unternehmen anaQuestra jekten an der Verbesserung transparenter GmbH vergeben, das Zufriedenheitsana- Führungsentscheidungen und an der lysen im Gesundheitswesen durchführt Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung durch Das BG Klinikum Bergmannstrost hat und jährlich die besten Kliniken ermittelt. gute Kommunikation und Information.“ zufriedene Beschäftigte. Viele Projekte helfen, den Schulweg zu sichern Das gemeinsame Projekt „Noch 100 Tage bis zum ers- ten Schulweg“ von der Lan-desverkehrswacht und Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern unterstützt Erzieherinnen, Erzieher und Eltern bereits im Vor schulalter in der Verkehrserziehung. Dadurch sollen Kinder frühzeitig lernen sich selbstständig und sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Dafür erhalten alle Kindertagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern vor Schulbeginn eine kostenfreie und umfangreiche Pro- jekt-Mappe mit Arbeitsblättern, Plakaten und Praxis- aufgaben rund ums Thema „Sicherer Schulweg“. „Es hat große Vorteile, mit der Verkehrserziehung schon im Vorschulbereich zu beginnen. Wir möchten mit dem Projekt deshalb so viele Kitas wie möglich erreichen und für unser Ziel gewinnen“, erklärt Annet- te Wanserski, Präventionsleiterin bei der Unfallkasse. „Sehr wichtig ist es dabei, dass wir die Eltern von An- fang an mit einbeziehen. Sie legen den Grundstein für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder.“ Das Pro- Foto: Wolfgang Bellwinkel/DGUV jekt „Noch 100 Tage bis zum ersten Schulweg“ ist nur eines von mehreren im Programm „Schulwegsiche- rung in Mecklenburg-Vorpommern“. Durch die inein- andergreifenden Kampagnen „Noch 100 Tage bis zum ersten Schulweg“, „BREMS DICH – Schule hat begon- nen“ und „Die ersten 100 Schulweg-Tage“ sowie die jährliche Verleihung des „Schulweg-Ordens“ an meh- rere Kitas im Land wird versucht, die Schulwegsiche- rung dauerhaft und wirkungsvoll umzusetzen. Sicherheit auf dem Schulweg 6 DGUV Forum 4/2017
Aktuelles Größter deutscher Medienpreis im Bereich Behindertensport verliehen Bereits zum 17. Mal hat die DGUV in die- nominiert.Für die DGUV ist der Award ein unheilbar erkrankten belgische Leichtath- sem Jahr den German Paralympic Media Anlass, um auf die wichtige Rolle des letin Marieke Vervoort, ZDF Kategorie Award verliehen. Sport – egal ob von Sports bei Rehabilitation und Inklusion Online/Social Media: Andre Hofmann, Menschen mit oder ohne Behinderung – hinzuweisen. Der Sonderpreis, der auch Niklas Klütsch, Thomas Stephany und ist spannend und macht Spaß. Trotzdem dieses Jahr wieder vergeben wurde, spie- Marcel Wienands, Berichte von den Para- bekommt der Behindertensport oft nur gelt dieses Ziel: Er ehrt eine Person, die im lympics in Rio erreichen über verschiede- dann Aufmerksamkeit, wenn Anlässe Bereich Sport, Medien und Inklusion viel ne Kanäle insgesamt 2,4 Millionen Men- wie die Paralympics anstehen. Der Media bewegt und eine Vorbildfunktion hat. schen. Sonderpreis 2017: Verena Bentele. Award, der 2017 unter der Schirmherr- Die Ehrung gilt Benteles herausragenden schaft von Bundesarbeitsministerin And- Die Preisträger des Jahres 2017 sind: sportlichen Leistungen ebenso wie ihrem rea Nahles steht, will den Blick weiten: Kategorie Print: David Hock, „200 Meter medialen, sozialen sowie politischen En- Nicht nur der Spitzensport zählt, Behin- Perfektion“, „Rollt.-Magazin“ und Niclas gagement für Inklusion und Behinderten- dertensport ist bunt und vielfältig. Dafür Müller und Team, Ausgabe des Sport-Ma- sport. Verena Bentele ist die Behinderten- stehen die ausgezeichneten journalisti- gazins „1890“ Kategorie Foto: Conny beauftragte der Bundesregierung. schen Beiträge, die mit dem Award prä- Kurth, „In der Schwebe“, kurth-media Ka- miert werden. Die Jury hatte die Qual der tegorie Hörfunk: Maria Fremmer und Hei- Wahl zwischen rund 100 eingesendeten ke Mund , „Neugier genügt“, WDR 5 Kate- Weitere Informationen über den Beiträgen aus Foto, Hörfunk, Print, TV/ gorie TV/Film: Peter Leissl, Mathias Berg, German Paralympic Media Award: Film und Online/Social Media. Insgesamt Yorck Polus und Susanne Simon, Repor www.dguv.de/gpma 15 Beiträge wurden für eine Auszeichnung tage über und Interview zu dem Fall der Foto: DGUV/Maelsa Preisträger, Preisträgerinnen, Jurorinnen und Juroren, Nominierte, Laudatoren, Sportlerinnen und Sportler bei der 17. Verleihung des German Paralympic Media Award. Zahl des Monats: 25.100 Verletzte Im Januar 2017 verunglückte bei jedem elften Unfall ein Mensch im Stra- ßenverkehr. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundes- amts (Destatis) hervor. Insgesamt registrierte die Polizei im Januar 2017 rund 211.500 Straßenverkehrsunfälle. Dabei gab es Verunglückte bei rund 19.300 Unfällen. 234 Menschen kamen ums Leben, rund 25.100 Menschen Grafik: Cicero Kommunikation wurden auf deutschen Straßen verletzt. Verglichen mit dem Vorjahreszeit- raum stieg zwar die Zahl der Straßenverkehrsunfälle an, insgesamt verrin- gerte sich aber die Quote von Verletzten und Getöteten. Proportional zur Bevölkerungsgröße fielen gut ein Drittel aller erfassten Verunglückten auf Nordrhein-Westfalen und Bayern. Bremen, Saarland und Mecklenburg- Vorpommern bildeten das Schlusslicht. DGUV Forum 4/2017 7
Nachrichten aus Brüssel Steht die Aufgabenverteilung im Bereich der sozialen Sicherheit zur Disposition? Zu den sensibelsten Fragen bei der zu sourcen könnten damit in allen Politik- und Sozialversicherung aus guten Grün künftigen Gestaltung der sozialen Si bereichen geteilt werden, um Entschei den in erster Linie eine Angelegenheit cherheit im gesellschaftlichen und de dungen künftig gemeinsam zu treffen. der Mitgliedstaaten ist. Dies sollte die mografischen Wandel zählt die Frage EU-Kommission im Zusammenhang mit der Aufgabenverteilung zwischen der Auch die Diskussion zur Einführung ei ihren Zukunftsüberlegungen berücksich mitgliedstaatlichen und der europä ner sogenannten „Europäischen Säule tigen und respektieren, um Kompetenz ischen Ebene. Nach den Europäischen sozialer Rechte“ wirft Fragen auf. Von konflikte zu vermeiden. Verträgen ist die Ausgestaltung der so- Seiten der deutschen Sozialversicherung zialen Sicherungssysteme weiterhin eine kann hier nur weiterhin betont werden, Welche Richtung die Europäische Union Angelegenheit der Mitgliedstaaten. dass die Ausgestaltung der Sozialpolitik einschlagen wird, bleibt zu beobachten. Im Rahmen der Diskussion um die Zu kunft Europas und die von der Europäi schen Kommission im vergangenen Jahr angestoßene Initiative zur Stärkung der sozialen Dimension sind jedoch Ansätze erkennbar, diese Aufgabenverteilung zur Disposition zu stellen. So hat die EU- Kommission in ihrem Weißbuch zur Zu Foto: finecki/fotolia.com kunft der Europäischen Union fünf Opti onen vorgeschlagen. Eine Option behan- delt eine deutlich vertiefte Integration in allen Politikbereichen, einschließlich der Sozialpolitik. Machtbefugnisse und Res Europaweit gültige elektronische Dienstleistungskarte Eine europaweit gültige elektronische nen nach den Regeln des eigenen Landes spruch, die aus Sicht der gesetzlichen Dienstleistungskarte soll helfen, die bü prüfen und sie dann an den Aufnahme- Sozialversicherung zahlreiche Fragen auf rokratischen Hindernisse grenzüber mitgliedsstaat weiterleiten. Dieser prüft werfen. So soll die Karte teilweise auch schreitender Tätigkeiten von Unterneh dann auf der Grundlage der nationalen mit Sozialversicherungsdaten verknüpft men und Freiberuflern zu reduzieren. Vorschriften, ob er dem Antragsteller er werden, um die Identität des Dienstleis Das sehen Vorschläge der Europäischen laubt, in seinem Hoheitsgebiet Dienst tungserbringers festzustellen. Darüber Kommission vor, die zu Beginn des Jah leistungen anzubieten. hinaus stellen sich mit Blick auf das dar res dem Europäischen Parlament und gelegte „Herkunftslandprinzip“ Fragen dem Ministerrat vorgelegt wurden. Das von der EU-Kommission vorgestellte nach der Einhaltung nationaler Arbeits Konzept hat auch den Bereich der gesetz schutzregeln, wenn die Karte in einem an Das vereinfachte elektronische Verfah lichen Sozialversicherung bedacht. Die- deren EU-Mitgliedstaat ausgestellt wurde. ren soll in einem ersten Schritt für Un ser soll aus dem Anwendungsbereich ternehmens- und Baudienstleistungen der Regelungen ausdrücklich ausgenom Die Vorschläge der EU-Kommission wer gelten. Eine einzige Ansprechperson im men sein. So steht es zumindest in den den in den kommenden Wochen im Heimatland des Dienstleistungsanbie Begründungen. Hierzu stehen jedoch Europäischen Parlament und im Minis ters soll die erforderlichen Informatio konkrete Regelungsvorschläge in Wider- terrat beraten. Weitere Informationen: ilka.woelfle@dsv-europa.de 8 DGUV Forum 4/2017
Titelthema Arbeiten unter der Sonne Verhütung von Gesundheitsgefahren durch natürliche optische Strahlung Mit der Einführung der Berufskrankheit Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen durch natürliche UV-Strahlung“ rückten die Gesundheitsgefahren durch natürliche optische Strahlung noch stärker in den Fokus: Das Titelthema dieser Ausgabe zeigt vielversprechende Lösungswege zur Prävention dieser Gefahren. Die UV-Strahlung der Sonne kann zu Haut- gendes Präventionskonzeptmi, mit dem gen. Gerald Rehme, Berufsgenossenschaft schädigungen und langfristig zu Hautkrebs Gesundheitsgefahren durch UV-Strahlung der Bauwirtschaft (BG BAU), erklärt in ei- führen. Der Gesetzgeber hat auf Basis dieser verhütet werden sollen. nem Interview, welche Maßnahmen und Erkenntnisse zum 1. Januar 2015 eine neue Unterstützungsmöglichkeiten seine BG Berufskrankheit in seine Verordnung aufge- Ein Weg zu einem Kataster für anbietet, um die Unternehmen in ihrer nommen: die Berufskrankheit Nr. 5103. Im UV-Belastungen Präventi-onsarbeit zu unterstützen. Des Interview erläutert Prof. Dr. Manigé Far- Um die individuelle UV-Belastung der Be- Weiteren berichtet Dr. Gabriele Meyer, Be- tasch, Berufsdermatologin am Institut für schäftigten zu berechnen und präventi- rufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV onsrelevante Risikogruppen zu identifizie- Post-Logistik Telekommunikation (BG (IPA), die dermatologischen Folgen der ul- ren, wurden Forschungsprojekte initiiert. Verkehr), über die Ergebnisse der Messun- travioletten (UV) Strahlung, die Verbreitung Ein Forschungsprojekt ist das GENESIS- gen in der Flugzeugabfertigung und See- des hellen Hautkrebses sowie die Diagnos- UV-Projekt (GENeration and Extraction schifffahrt. Sie schildert unter anderem, tik und Behandlungsmöglichkeiten. System for Individual expoSure – Ein wie Messungen ablaufen und Präventi- Messsystem der gesetzlichen UnfallVersi- onsmaßnahmen daraus abgeleitet wer- Aktivitäten der Unfallversicherung cherung) des Instituts für Arbeitsschutz den. Auf Grund der Versichertenstruktur Die gesetzliche Unfallversicherung fördert der DGUV (IFA). Im Rahmen der Mess- ist auch die Sozialversicherung für Land- und unterstützt eine Vielzahl von Aktivitä- kampagne werden detaillierte Belastungs- wirtschaft, Forsten und Gartenbau (SV- ten im Bereich der Prävention. Dazu zählen daten für verschiedene Tätigkeiten im LFG) in dieses Forschungsprojekt ein- Forschungsprojekte, die Erarbeitung eines Außenbereich gesammelt und ausgewer- bezogen, daher informiert Marion Nes- neuen Grundsatzes für die arbeitsmedizi- tet. Dr. Marc Wittlich (Leiter der Messkam- selrath über die Besonderheiten in den nische Untersuchung bis hin zur Erstellung pagne) betont, dass tätigkeitsbezogene „Grünen Berufen“ und lässt verschiedene von Handlungs- und Unterweisungshilfen. Expositionsmessungen helfen können, Berufsgruppen zu Wort kommen. Hinzu kommen Veranstaltungen wie zum passgenaue Lösungen für die Prävention Beispiel das Pressegespräch zum Thema zu finden. Die Berichte veranschaulichen, dass es in „Haut & Job“ 2016 mit dem Berufsverband der Prävention nicht die eine Lösung ge- der Deutschen Dermatologen (BVDD) so- Maßnahmen der Prävention ben wird, die für alle passt. Es wird aber wie das 2. Fachgespräch „Arbeiten unter Die weiteren Artikel bieten einen Einblick auch sichtbar, dass alle Beteiligten vor der Sonne“ am 30. Mai 2017 in Dresden. in die Präventionsarbeit verschiedener ähnlichen Herausforderungen stehen – Zusammen bilden die Aktivitäten der ge- Unfallversicherungsträger, die sich am nämlich notwendige Maßnahmen zur Si- setzlichen Unfallversicherung ein grundle- Forschungsprojekt GENESIS-UV beteili- cherheit und Gesundheit in bestehende ▸ Autorin und Autor Jasmin Auf dem Berge Gerald Wanka Referat Gesundheitsschutz der DGUV Referat Gesundheitsschutz der DGUV E-Mail: Jasmin.AufdemBerge@dguv.de E-Mail: Gerald.Wanka@dguv.de Foto: DGUV Foto: DGUV DGUV Forum 4/2017 9
Titelthema Arbeitsabläufe zu integrieren. Vorausset- welche weiteren Möglichkeiten können Wege der Prävention in Kindertagesstät- zung dafür ist eine hohe Akzeptanz bei Be- zu einem Umdenken – weg von „brauner ten erläutert Thomas Overmann (Gemein- schäftigten sowie Arbeitgeberinnen und Haut“ die eben nicht unbedingt Gesund- de-Unfallversicherungsverband Hannover Arbeitgebern. Lösungen müssen deshalb heit und Schönheit verkörpert? und Landesunfallkasse Niedersachsen). vor allem praxisgerecht sein. Ein wichtiges Ein weiterer prägender Schritt auf dem Instrument, mit dem Arbeitgebende hierzu Die Versicherten von morgen bereits mit Weg ins Erwerbsleben ist das Jugendalter. neue Ideen diese Lösungen erarbeiten kön- den Werten von Sicherheit und Gesund- Die Ausstellung „Wie geht’s?“ der DASA nen, ist die Gefährdungsbeurteilung. Die heit vertraut zu machen, bevor sie in die Arbeitswelt Ausstellung in Kooperation aus den Gefährdungen abzuleitenden Maß- Lebenswelt Arbeit eintreten – das kann mit der DGUV setzt bei dieser Zielgruppe nahmen werden auf Basis des TOP-Prin- ein Ziel der Prävention zur Verhütung von an. Jana Hawig und Niko Pankop veran- zips entwickelt. In den nachfolgenden Ar- Gesundheitsgefahren durch UV-Strahlung schaulichen, wie Jugendliche durch die tikeln wird dieses Prinzip beschrieben und sein. Die Gesundheits- und Risikokom- Ausstellung dem Themenfeld Berufs- mit Beispielen konkretisiert. petenz können so durch frühzeitige Prä- krankheiten und deren Ursachen näher- vention in den Köpfen verankert werden, gebracht werden können. Sensibilisierung in den zum Beispiel schon in der Kindertages- verschiedenen Lebenswelten stätte. So lernen schon die Kleinsten, wie Die Ansätze der Prävention in den Le- Die Gefährdungsbeurteilung ist ein wich- man sich vor der Sonne schützt. Die Er- benswelten Aufwachsen und Arbeiten tiger Schritt der Sensibilisierung. Doch gebnisse der Messungen und mögliche zeigen, wie vielfältig wann und wo sen- sibilisiert werden kann. Prävention in den verschiedenen Settings umzusetzen, entspricht auch dem 2015 erlassenen Prä- ventionsgesetz. Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Präventi- on zielt auf die gesundheitsförderlichen Veränderungen in allen Lebenswelten ab. Mit diesem Ansatz können zukünftig auch bei der Kampagne zur „Kultur der Prävention“ Maßnahmen der Unfallver- sicherungsträger in den verschiedenen Branchen und dem Bildungsbereich im- plementiert werden. • Hinweis der Redaktion Bilder vermitteln immer auch eine Botschaft. Die Redaktion hat des- halb über die Abbildungen und die darin sichtbaren Schutzmaßnahmen zur solaren Exposition diskutiert. Die abgedruckten Fotos zeigen Momentaufnahmen von Personen an ihrem Arbeitsplatz im Freien. Die tatsächliche Exposition kann in den dargestellten Situationen ganz unterschiedlich hoch sein, zum Beispiel hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts in der Sonne. Demzu- folge können Schutzmaßnahmen erforderlich sein – oder auch nicht. Das können Bilder nur schwer ver- mitteln. Ein zielführender Schutz Foto: twixx/fotolia.com vor solarer Exposition wird erreicht, wenn Schutzmaßnahmen einerseits der Rangfolge technischer, organisa- torischer und persönlicher Maßnah- men folgen und gleichzeitig für die jeweilige Situation angemessen und praxisgerecht sind. Mehr Informati- onen dazu erhalten die Leserinnen Dieser Dachdecker hat sich richtig geschützt vor natürlicher UV-Strahlung: und Leser in diesem Heft. Seine Kleidung bedeckt den Körper, der Helm schützt den Kopf. 10 DGUV Forum 4/2017
Titelthema Interview mit Prof. Dr. Manigé Fartasch „Der helle Hautkrebs ist sehr weit verbreitet“ DGUV Forum hat Professor Dr. Manigé Fartasch zur Berufskrankheit 5103, dem Plattenepithelkarzinom oder aktinische Keratosen, und deren Folgen sowie zu möglichen Behandlungsmöglichkeiten befragt. Fartasch gilt als anerkannte Berufsdermatologin unter anderem auf dem Gebiet der arbeitsbedingten Einwir- kung der UV-Strahlung. Sie leitet die Abteilung für klinische und experimentelle Berufsdermatologie am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA), Institut der Ruhr Universität Bochum. Prof. Fartasch, welche Folgen kann werden als aktinische Keratosen (AK) 80–100 pro 100.000 Einwohner weiter- die UV-Strahlung aus ärztlicher Sicht bezeichnet. Später können sich daraus hin zu. Um ein Vielfaches häufiger sind für die Beschäftigten haben? Plattenepithelkarzinome entwickeln. die bereits oben erwähnten aktinischen FARTASCH: Obwohl wir die Sonne und die damit verbundene UV-Strahlung zum Le- Die Sonne ist im Alltag allgegenwärtig – ben benötigen, hat die UV-Strahlung auch welchen Einfluss hat das auf die Was sollte man bezüglich der negative Auswirkungen auf das Hautor- Verbreitung des hellen Hautkrebses? UV-A-Strahlung beachten? gan. Einerseits kann es zum „akuten“ Son- FARTASCH: Der helle Hautkrebs ist in der Um auch vor anderen UV-bedingten nenbrand kommen – dieser wird über- Bevölkerung – unabhängig vom Beruf – Hautschäden geschützt zu sein – wie zum Beispiel der Schädigung wiegend durch den kurzwelligen UV-Strah- sehr weit verbreitet. Die zunehmende Le- des Abwehrsystems der Haut –, lungsanteil (UV-B) ausgelöst und tritt im- benserwartung der Menschen gepaart mit müssen UV-Schutzmittel ebenfalls mer dann auf, wenn eine zu hohe Dosis ansteigender additiver (kumulativer) UV- vor UV-A-Strahlung schützen. Die auf die Haut in kurzer Zeit einwirken konn- Exposition ist dafür verantwortlich. Empfehlung der EU-Kommission sieht vor, dass der gemessene UV-A- te. Andererseits addieren sich im Laufe der Schutzfaktor mindestens ein Drittel Jahre Schädigungen der Haut unbemerkt des UV-B-Faktors (LSF) betragen soll. – auch wenn sie unterhalb der Sonnen- Bezugsgröße für die Charakteri- brandgrenze liegen – und führen so zu den sierung des UV-A-Schutzes kann „chronischen“ langfristig auftretenden zum Beispiel eine aktualisierte In-vivo-Methode zur Bestimmung Veränderungen der Haut. der Direktpigmentierungsschwelle (Persistent Pigment Darkening- Was kann man sich unter oder PPD-Methode: UV-A-PF) sein. „chronischen Sonnenschädigungen“ Die Auslobung des UV-A-Schutzes (mindestens 1/3 des LSF) erfolgt der Haut vorstellen? mit einem Logo, das die Buchstaben FARTASCH: Dies sind zum einen kosmeti- UV-A in einem Kreis zeigt. sche Veränderungen – wie zum Beispiel das Auftreten von zahlreichen tiefen Fal- Schutzmaßnahmen, die nach ten durch Veränderungen des Bindege einer Diagnose empfohlen werden: webes, aber auch die Veränderungen der Foto: IPA Hautdicke und der Pigmentierung mit ∙ konsequentes Lichtschutzver halten, das heißt: jeden unnötigen sichtbaren hellen und dunklen Flecken. Aufenthalt in der Sonne ohne Diese chronische Schädigung wird über- Schutz vermeiden und Schatten wiegend durch den langwelligen Anteil Prof. Dr. Manigé Fartasch, Leiterin aufsuchen. der UV-Strahlung (UV-A), der tiefer in die ∙ Insbesondere für die Zeiten der der Abteilung für klinische und intensiveren Sonneneinstrahlung Haut eindringt, ausgelöst. Zum anderen experimentelle Berufsdermatologie von 11 bis 15 Uhr eine Kopfbede- können sich im Laufe der Jahre auch Ver- ckung mit Schirm, langärmelige änderungen im Erbgut der Hautzellen am Institut für Prävention und Kleidung tragen. durch die UV-Strahlung ergeben. Dadurch Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) ∙ Anwendung von UV-Schutzcremes können sich bösartige Zellen entwickeln, bei den Körperstellen, die durch die sich dann zunächst in der Oberhaut Kleidung nicht ausreichend geschützt sind – wie zum Beispiel vermehren und zur Entstehung der Früh- Die erwähnten Plattenepithelkarzinome die seitlichen Gesichtspartien, formen des sogenannten hellen Hautkreb- nehmen mit einer Neuerkrankungsrate Unterlippe, Ohren, Nacken, ses führen. Diese Veränderungen sind zu- von 30 und Basalzellkarzinome, eine Handrücken etc. nächst auf die Oberhaut beschränkt und andere Form des hellen Hautkrebses, mit ▸ DGUV Forum 4/2017 11
Titelthema „Häufig wird der Nacken nicht richtig geschützt. Hier kommt es dann zum Sonnenbrand.“ Keratosen – auch Vorstufen oder In-Situ- Haare, blaue Augen und eine geringe oder zu Flächen zusammenfließen. Auch nach Plattenepithelkarzinome – genannt. So unregelmäßige Bräunungstendenz – meist Entfernung der Schuppen, zum Beispiel haben zum Beispiel englische Studien mit Sommersprossen – haben. durch unprofessionelles Abkratzen, bildet zeigen können, dass sich bei 34 Prozent sich die raue Stelle nach einiger Zeit wieder. aller 70-Jährigen bereits aktinische Kera- Welche Körperstellen entwickeln Ihrer tosen nachweisen lassen. Zusätzlich ist Erfahrung nach die meisten aktini- Welcher Unterschied besteht zwischen bekannt, dass auch Basalzellkarzinome schen Keratosen und Plattenepithel- den aktinischen Keratosen und dem zu einem gewissen Prozentsatz durch UV- karzinome? Plattenepithelkarzinom? Strahlung entstehen können. FARTASCH: Aktinische Keratosen finden FARTASCH: Die atypischen Zellen sind bei sich überwiegend in den Hautbereichen, den aktinischen Keratosen noch auf die sogenannten Sonnentrassen, die während Oberhaut beschränkt. Im Laufe der Jahre „Der helle Hautkrebs ist in der des ganzen Lebens dem Licht beziehungs- können diese atypischen Zellen jedoch in Bevölkerung – unabhängig vom weise der UV-Strahlung ausgesetzt sind. tiefere Hautschichten eindringen. Durch Beruf – sehr weit verbreitet.“ Hierbei handelt es sich um den Kopfbe- Hautentnahme und feingewebliche Unter- reich mit Ohrmuscheln und Unterlippe – suchung kann ein solches Fortschreiten speziell der Glatze bei Männern – sowie festgestellt werden. Durch eine rechtzeiti- Diese Entartungsprozesse werden generell den Dekolleté-Bereich, oberer Rücken und ge operative Entfernung mit Kontrolle des auch durch eine weitere Eigenschaft der die Arme – hier meist die Unterarme und Randbereichs geht man von einer Heilung UV-Strahlung begünstigt oder beschleu- Handrücken. an dieser Stelle aus. Dennoch kann es auf- nigt: Die chronische Einwirkung der grund von Lichtschädigungen an anderen Strahlung und hier insbesondere des UV- Durch welche Symptome und Anzei- Hautarealen gleichzeitig oder später wei- A-Anteils der UV-Strahlung führt zusätz- chen können Betroffene erkennen, terhin zum Auftreten von aktinischen Ke- lich zur Schwächung des Abwehrsystems dass sie an Plattenepithelkarzinomen ratosen und Plattenepithelkarzinomen der Haut. oder aktinischen Keratosen leiden? kommen – insbesondere wenn die Haut FARTASCH: Es handelt sich um leicht bis weiterhin der UV-Strahlung ausgesetzt ist. Die kosmetischen – aber noch gutartigen stärker gerötete beziehungsweise pigmen- Aus diesem Grunde sollte man sich kon- – Veränderungen sind bereits als Warnzei- tierte Flecken mit festhaftender Schuppung sequent vor der Sonne schützen. chen für Schädigungen der Haut durch zu auf einer verdickten Hornschicht. In der viel Sonne zu werten. Diese Veränderun- Frühphase kann man eine aktinische Kera- Wie kann man den hellen Hautkrebs – gen entwickeln hellhäutige Menschen im tose aufgrund der schmiergelpapierar- ist er erst einmal entstanden – Laufe des Lebens schneller, da der entspre- tigen Rauigkeit eher ertasten als optisch behandeln? chende Pigmentschutz geringer ausgeprägt wahrnehmen. Die Größe kann dabei von FARTASCH: Zur dermatologischen Be- ist. Dazu gehören Menschen mit dem Licht- einem Millimeter bis zwei Zentimeter betra- handlung der aktinischen Keratosen gibt typ I und II, die oft blonde oder rötliche gen. Aktinische Keratosen können auch es mehrere Verfahren. Die Auswahl der 12 DGUV Forum 4/2017
Interview mit Dr. Manigé Fartasch heißt jeden unnötigen Aufenthalt in der dass der UV-Schutz mehrfach aufgetragen Sonne ohne Schutz vermeiden. Das gilt ins- wird, da es durch Schwitzen und Abrieb des besondere für die Zeiten der intensiveren UV-Schutzmittels zu einem verminderten Sonneneinstrahlung von 11 bis 15 Uhr. Schutz kommen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass die angegebene Gesamtschutz- zeit dadurch verlängert werden könnte. „Aktinische Keratosen finden sich überwiegend in den Hautbereichen, Können UV-Schutzmittel zu die während des ganzen Lebens Nebenwirkungen führen? UV-Strahlung ausgesetzt sind.“ FARTASCH: Die UV-Schutzmittel werden weltweit sehr häufig im Freizeitbereich eingesetzt. Sie kommen zudem in zahl- Zu empfehlende Schutzmaßnahmen sind: reichen Kosmetika vor. Nebenwirkungen Schatten aufsuchen, wann immer mög- von UV-Schutzmitteln sind jedoch selten. Foto: hikdaigaku86/fotolia.com lich, Kopfbedeckung, langärmelige Klei- Es können Reizungen und allergische dung und die Anwendung von UV-Schutz- oder photoallergische Reaktionen der cremes in den Regionen, die nicht durch Haut auftreten. Photoallergische Reakti- Kleidung oder Kopfbedeckung mit Schirm onen sind kontaktallergische Reaktio- ausreichend geschützt sind – wie zum nen, die sich in Kombination mit einwir- Beispiel die seitlichen Gesichtspartien, kender UV-Strahlung manifestieren. Für Unterlippe, Ohren, Nacken, Handrücken. bestimmte Inhaltsstoffe ist im Tierver- such und/oder in Zellversuchen eine ös- Welche Schwierigkeiten ergeben trogenartige Aktivität gezeigt worden, die sich bei der Nutzung von UV-Schutz- allerdings für den Menschen als nicht re- präparaten? levant eingestuft wird.1 • individuell geeigneten Vorgehensweise FARTASCH: Meistens wird das UV-Schutz- hängt ab: von der Ausdehnung und An- mittel nicht in einer ausreichenden Menge Das Interview führte Jasmin zahl der aktinischen Keratosen, der erfor- aufgetragen. Optimalerweise müssten 2 mg Auf dem Berge derlichen Behandlungszeit und von den pro Quadratzentimeter Haut aufgetragen möglichen Nebenwirkungen der Therapie werden. Für den Kopf- und Halsbereich ist und wird im Einzelnen genau abgestimmt. das so viel, wie auf die Länge des Zeige- und Was sagt der LSF über die Schutz- Mittelfingers passt. Bei einem LSF 50 wäre leistung des Produktes aus? Sind die Veränderungen kleiner und flä- bei einem Außenarbeiter mit Hauttyp I und Der Lichtschutzfaktor ist ein Maß chenmäßig begrenzt, können zum Beispiel einer 5-10-minütigen Eigenschutzzeit der für die Stärke des Schutzeffektes Maßnahmen wie die Kryotherapie, auch Haut dann eine Schutzzeit von ca. 500 min. vor den ultravioletten B-Strahlen der Vereisung genannt, chirurgische oder La- gegeben. In der Realität wird jedoch häu- Sonne (295 bis 320 nm), die für die ser-Abtragung und/oder eine Behandlung fig eine wesentlich geringere Menge UV- Entstehung eines Sonnenbrandes (Sonnenerythem) verantwortlich mit sogenannten Lokaltherapeutika mit Schutzmittel aufgetragen. Die Folge ist, dass sind. Daher müsste man korrekter- chemischer oder immunologisch wirkender die erreichte Schutzwirkung dramatisch weise von einem Sonnenbrand- Zubereitung eingesetzt werden. Bei groß sinkt, da wissenschaftlich ein exponentiel- oder Erythemschutzfaktor sprechen. Die Bestimmung des Lichtschutz- flächiger Ausdehnung – insbesondere im ler Abfall angenommen wird und so nach faktors erfolgt direkt am Menschen Kopfbereich – setzen sich zunehmend die 19 min. theoretisch ein Sonnenbrand bei ge- (In-vivo-Testung nach der COLIPA fotodynamischen Therapien als sogenann- ringer aufgetragener Menge auftreten kann. International Sun Protection Factor te Feldtherapie durch. Allerdings zeigen die Aktuelle Studien aus Deutschland berichte- Test Method). Dazu wird zunächst die ungeschützte Haut mit einer Verfahren alle eine gewisse Rezidivrate – ten auch, dass selbst unter Studienbedin- künstlichen Lichtquelle bestrahlt, soll heißen, dass die aktinischen Keratosen gungen – nach praktischem Training mit die ein sonnenähnliches Spektrum erneut an dieser Stelle auftreten können. jedem einzelnen Teilnehmer – die empfoh- aussendet. Man ermittelt die Zeit lene Menge von 2 mg UV-Schutzprodukt/ beziehungsweise die UV-B-Dosis, die zu einer Hautrötung führt (MED = Die Behandlung von beruflich bedingtem cm2 deutlich unterschritten wird. In der Pra- Minimale Erythemdosis). Danach Hautkrebs folgt den gleichen Prinzipien. xis werden noch weitaus geringere Mengen wird die mit einem UV-Schutzmittel Da es sich hierbei um eine chronische Er- appliziert. Die Spannweite reicht hier von geschützte Haut in gleicher Weise behandelt. Der Lichtschutzfaktor krankung der Haut handelt, ist die regel- 0,4–0,8 mg/cm2. Auch ist darauf zu achten, ergibt sich aus der Beziehung: LSF = mäßige Kontrolle der Haut notwendig. Zeit bis zum Erythem mit UV-Schutz- mittel/Zeit bis zum Erythem ohne. Welche Schutzmaßnahmen empfehlen Fußnote Der LSF erlaubt dem Konsumenten einen direkten Vergleich der Schutz- Sie den Betroffenen nach der Diagnose? [1] Bundesinstitut für Risikobewer- leistung von UV-Schutzmitteln. Für die FARTASCH: Bei bereits Erkrankten muss tung, BfR. Stellungnahme Messung wird eine Menge von 2 mg auf jeden Fall ein konsequentes Licht- Nr. 035/2005 vom 22.08.2005 UV-Schutzcreme/cm2 verwendet. schutzverhalten eingehalten werden, das DGUV Forum 4/2017 13
Titelthema Interview mit Gerald Rehme „Wir setzen auf Einsicht“ In der Bauwirtschaft spielen seit jeher Wetter- und Witterungseinflüsse eine große Rolle. Deshalb ist auch die Präventionsarbeit wichtig, um Gesundheitsgefahren durch ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) sowie die Berufskrankheit (BK) Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinom und aktinische Keratosen“ zu vermeiden. DGUV Forum sprach darüber mit Gerald Rehme, Bereichsleiter Prävention Berufskrankheiten der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Herr Rehme, wenn Sie Unternehmerin- Prozent der Entscheidungen um Anerken- beitgeberinnen und Arbeitgeber, der Mitar- nen und Unternehmer auf die Schutz- nungen. Von diesen anerkannten Fällen beiterinnen und Mitarbeiter entstehen. maßnahmen zur Prävention von Platten- sind wiederum etwa fünf Prozent mit ei- Und genau das ist auch der springende epithelkarzinomen und aktinischen ner Rentenzahlung verbunden. Zu den Al- Punkt: Vorschriften helfen uns hier nicht Keratosen aufmerksam machen, wie tersgruppen lässt sich sagen, dass circa weiter – Einsicht ist das, worauf wir setzen. oft hören Sie dann: „Das geht nicht“? 80 Prozent der versicherten Personen das REHME: Zumindest weniger häufig als noch Rentenalter bei Eingang der BK-Meldung im Jahre 2015, als der Hautkrebs durch sola- bereits überschritten hatten. Die Vertei- „Die Aufklärung über die re UV-Strahlung als neue Berufskrankheit lung bei den restlichen 20 Prozent hatte möglichen Schädigungen durch in die Berufskrankheiten-Verordnung auf- einen Schwerpunkt bei den über 55-Jähri- solare UV-Strahlung muss genommen wurde. Aber Sie haben Recht, gen. Das bestätigt, dass sich die Schäden so früh wie möglich beginnen.“ das Thema ist noch gar nicht in der Breite durch die UV-Strahlung der Sonne erst re- bei unseren Mitgliedsunternehmen an- lativ spät deutlich zeigen. gekommen. Es ist aber – insbesondere am Der Punkt Können ist dabei noch der ein- Bau – auch gar nicht einfach zu vermitteln. Wissen, Wollen und Können – das sind fachste: Schutzmaßnahmen gegen solare Wenn Sie beispielsweise versuchen, den die Voraussetzungen für den erfolg- UV-Strahlung sind nicht kompliziert und Beschäftigten zu erklären, dass sie bei einer reichen Schutz gegen UV-Strahlung. können von jedem angewandt werden. Außentemperatur von 30 Grad oder mehr Welche Grundkompetenzen benötigen Man kann es auch so formulieren: Mit ge- in langer Kleidung arbeiten sollen, stößt die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, sundem Menschenverstand und dem Wis- das im ersten Anlauf auf wenig Verständnis, aber auch die Beschäftigten, um sich sen, möglichst wenig Haut der direkten geschweige denn auf Begeisterung. zu schützen? Sonneneinstrahlung auszusetzen, lässt REHME: Sie nennen die Grundkompeten- sich hier sehr viel erreichen. Die Relevanz der Prävention von zen genau in der richtigen Reihenfolge. UV-Strahlung wurde auch in ersten Zunächst einmal ist aus Sicht der BG BAU Dass auch heute noch viele Beschäf- Ergebnissen des Forschungsprojekts die Information über die möglichen Ge- tigte ohne Oberbekleidung im Freien GENESIS-UV bestätigt. Unter den fährdungen durch solare UV-Strahlung arbeiten, ist nicht zu übersehen. Top 10 der am meisten belasteten das A und O. Dies gilt nicht nur für Arbeit- Mit welchen Maßnahmen unterstützt Berufe finden sich auch einige der geberinnen und Arbeitgeber, sondern die BG BAU die Unternehmen und Bauwirtschaft. Wie häufig ist die gerade auch für die betroffenen Mitar- Beschäftigten, um die Kompetenzen Berufskrankheit Nr. 5103 bei der BG beiterinnen und Mitarbeiter. Nur durch aller Beteiligten zum Schutz vor BAU angezeigt und anerkannt worden fundiertes Wissen über die möglichen UV-Strahlung zu fördern? und in welchen Altersgruppen be- Gefährdungen und deren Ursachen lässt REHME: Information und Aufklärung auf finden sich die Betroffenen? sich hier etwas bewegen. Von daher hat die allen zur Verfügung stehenden Ebenen. REHME: Die BK 5103 war bei der BG BAU BG BAU auch für das Jahr 2017 den Schutz Ob in der Presse, den sozialen Medien, im im Jahr 2015 die am häufigsten angezeigte gegen solare UV-Strahlung ganz oben auf direkten Gespräch – wo auch immer. Die Berufskrankheit von allen. Die Größen- ihre Prioritätenliste gesetzt. Vermittlung von Wissen findet zum Bei- ordnung lag bei knapp 2.800 Verdachts- spiel über unsere Mitgliederzeitschriften, anzeigen. Das entsprach in etwa einem Der zweite Punkt, das Wollen, liegt nur in- das Internet, Vorträge auf Innungsveran- Viertel aller BK-Verdachtsanzeigen. Im direkt in unserer Hand. Aber wir können staltungen, aber auch direkt in den Betrie- Jahr 2016 beobachteten wir einen sehr das beeinflussen. Hier ist es unsere Auf- ben vor Ort auf den Baustellen statt. Un- leichten Rückgang der Meldungen. Bei gabe als Unfallversicherungsträger, die sere Aufsichtspersonen sind gehalten, mit den Entscheidungen liegt der Schwer- Betroffenen von der Notwendigkeit der gutem Beispiel voranzugehen, was den punkt ganz klar auf den Anerkennungen. Schutzmaßnahmen zu überzeugen. Nur UV-Schutz betrifft, und sich entsprechend Im 1. Halbjahr 2016 handelte es sich bei 73 dann kann ein Wollen auf Seiten der Ar- zu kleiden. Auch der Arbeitsmedizinisch- 14 DGUV Forum 4/2017
Interview mit Gerald Rehme Tätigkeiten wenn möglich im Schatten ausführen und direkt Sonneneinstrahlung meiden (besonders zwischen 11 Uhr und 15 Uhr) Kopfbedeckung und körperbedeckende, luftdurchlässige Kleidung tragen Sonnenschutzbrille tragen (nach DIN EN 166 und DIN EN 172) Ausreichend trinken: Mineralwasser, Fruchtschorle (mind. 2,5 Liter) Alkohol meiden Unbedeckte Haut vor Arbeitsbeginn mit Sonnenschutzcreme (LSF 30) eincremen, Leichte Mahlzeiten bevorzugen alle zwei Stunden wiederholen Regelmäßige Pausen im Schatten machen Foto: H.ZWEI.S DESIGN/BG BAU Schutzmaßnahmen gegen UV-Strahlung Sicherheitstechnische Dienst der BG BAU Wieso ist gerade diese Zielgruppe Der Arbeitsmedizinisch-Sicherheits- konzentriert seine Aktivitäten verstärkt so wichtig hinsichtlich der Sensibilisie- technische Dienst, der ASD, ist bei auf Information im Rahmen seiner be- rung zum Thema UV-Strahlung? Ihnen eine Möglichkeit, die Beschäftig- triebsärztlichen bzw. sicherheitstechni- REHME: Unserer Meinung nach muss die ten zu erreichen. Was könnte eine schen Betreuung. Aufklärung über die möglichen Schädi- konkrete Hilfe des ASD sein? gungen durch solare UV-Strahlung so früh REHME: Im Rahmen von betrieblichen Die BG BAU wird in allen Schulungen und wie möglich beginnen. Dies wird zugege- Veranstaltungen oder auch auf Baustellen Lehrgängen, beispielsweise bei Sicher- benermaßen ein langwieriger Prozess beraten wir die Unternehmen und deren heitsbeauftragten oder Fachkräften für werden. Wir haben hier das Problem, dass Beschäftigte branchenspezifisch sowie Arbeitssicherheit dieses Thema aufgrei- in unserer heutigen Gesellschaft gebräun- im Hinblick auf ihre konkreten Gefähr- fen. Aber auch die Berufsanfängerinnen te Haut immer noch positiv belegt ist und dungen. Neben dem bereits Genannten und Berufsanfänger in der Lehrlingsaus- nicht als erste Abwehrreaktion der Haut bietet der ASD der BG BAU praxisgerechte bildung haben wir im Auge. auf die UV-Strahlen verstanden wird. Lösungen für die Beschäftigten der Bau- ▸ DGUV Forum 4/2017 15
Titelthema „Bei den meisten Tätigkeiten in der Baubranche müssen wir auf Schutzmaßnahmen direkt an der Person zurückgreifen. Technische Maßnahmen greifen infolge der sich stetig verändernden, nicht stationären Arbeitsplätze nur in begrenztem Maße.“ wirtschaft an. Dabei helfen wir zum Bei- den Maßnahmen zur Prävention von Auch organisatorische Maßnahmen wie spiel mit einer Bewertung der Schutz UV-Strahlung im Bereich der Tätigkeiten das Verlegen der Tätigkeit in weniger UV- maßnahmen. Im Klartext: Was ist sinnvoll der Versicherten der Berufsgenossen- intensive Tages- oder Jahreszeiten sind il- und was ist weniger sinnvoll. Nehmen Sie schaft der Bauwirtschaft? lusorisch. Das ist auf Baustellen nur sehr zum Beispiel die Beschäftigten im Dach- REHME: Die ehrliche Antwort an dieser begrenzt möglich. Klassisch beginnen deckerhandwerk. Technische Schutzmaß- Stelle lautet: Bei den meisten Tätigkeiten wir beim Bau eines Gebäudes mit der Fun- nahmen wie Verschattung sind auf Dä- müssen wir auf Schutzmaßnahmen direkt damentierung und arbeiten uns dann in chern kaum umzusetzen. Damit sind wir an der Person zurückgreifen. Technische die Höhe. An diesen Abläufen lässt sich an einem Punkt, an welchem wir genau Maßnahmen greifen infolge der sich stetig nichts ändern. Im Detail gibt es natürlich genommen nur noch die Person direkt immer Lösungsansätze. So zum Beispiel, schützen können. Hier können wir Hilfe- dass ein Installateur seine Rohrleitungen stellung geben, welche Art von Kleidung auf seiner Werkbank nicht ausgerechnet Sinn macht. Im Rahmen von arbeitsme- in der prallen Sonne zurichtet, sondern dizinischen Untersuchungen werden ins- sich dafür einen Schattenplatz sucht. besondere Beschäftigte mit vermehrter Aber letztendlich bleibt uns häufig nur, Outdoortätigkeit sensibilisiert und zu per ganz direkt die Mitarbeiterinnen und Mit- sönlichen Schutzmaßnahmen beraten. arbeiter selbst auf den Baustellen vor der Altersabhängig erfolgt zudem eine Unter- Sonneneinstrahlung zu schützen. suchung der Haut des Beschäftigten, ins besondere der Hautstellen, die der Sonnen- Dass die Umsetzung technischer und strahlung am stärksten ausgesetzt sind. organisatorischer Schutzmaßnahmen Zeigen sich bei einer Untersuchung erste Vorrang hat, ist selbstverständlich. Verdachtsmomente auf ernste Hautschä- Sollten diese Möglichkeiten ausgereizt den, beraten die Betriebsärzte zu mögli- sein, kommen persönliche Schutz chen Handlungsoptionen. maßnahmen ins Spiel. Welche Schutz- maßnahmen empfehlen Sie konkret Haben Sie konkrete Anreize für die Gerald Rehme ist Bereichsleiter für einen wirksamen Schutz vor Unternehmen, die Umsetzung der Prävention Berufskrankheiten der UV-Strahlung? Präventionsmaßnahmen gegen BG BAU. REHME: Ausgehend von der Überlegung, UV-Strahlung in der Praxis zu fördern? möglichst wenig oder gar keine Hautfläche REHME: Ja, seit dem vorigen Jahr. Ne- der direkten Sonnenstrahlung auszuset- ben hochsichtbarer Warnkleidung mit verändernden, nicht stationären Arbeits- zen, ergibt sich hier ein einfach anzuwen- UV-Schutz fördern wir auch Kühlwesten, plätze nur in begrenztem Maße. Natürlich dendes Konzept. Lange Hosen und langär- Kopfbedeckungen und UV-Schutz-Brillen. könnte man eine Baustelle unter ein Wet- melige Hemden schützen den größten Teil Fördern heißt hier konkret: Die BG BAU terschutzdach oder ein Zelt packen, aber des Körpers. Dabei ist zu erwähnen, dass übernimmt circa 25 Prozent der Anschaf- mit einer solchen Lösung werden nur wei- nach derzeitigem Kenntnisstand die nor- fungskosten. Die von uns geförderten tere Probleme geschaffen. Abgesehen von male Arbeitskleidung völlig ausreicht. Das Arbeitsschutzprämien – so nennen wir den Kosten bekommen wir Probleme mit Tragen von geschlossenen Schutzschuhen das – müssen natürlich bestimmten An- dem Krantransport – einer der wesentli- setzen wir voraus. Schauen wir uns die forderungen genügen. Diese finden sich chen Arbeitsabläufe und Hilfsmittel auf Stellen an, an welchen wir den Hautkrebs auf der Website der BG BAU. unseren Baustellen. Was man auch nicht bevorzugt finden, so müssen Kopf, Ohren außer Acht lassen darf, ist, dass UV-Strah- und Nacken unbedingt geschützt wer- Dass bei der Gefährdungsbeurteilung lung im Sommer auch mit Hitze einher- den. Möglich ist dies durch einen Hut mit und den daraus resultierenden Maß- geht. Somit würde sich beispielsweise zu- breiter Krempe oder durch Kappen mit nahmen nach dem TOP-Prinzip vorge- sätzlich das Problem eines Hitzestaus Nackentüchern. Besteht Helmpflicht, so gangen wird, darüber sind wir uns oder der erforderlichen Lüftung ergeben. sollte auch der Bauhelm über ein Tuch einig. Welche realistischen Möglichkei- Aber ein Sonnenschirm für einen Pflaste- verfügen, welches den Nacken und die ten sehen Sie in diesem Kontext bei rer ist eine perfekte Lösung. Ohren schützt. Für alle anderen Hautpar- 16 DGUV Forum 4/2017
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