Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum

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Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
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        Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung     Ausgabe 4 • 2017

        Forum
        Arbeiten unter der Sonne
        Solare Exposition

        „Soziale Sicherheit weltweit fördern“
        Interview mit Dr. Joachim Breuer
        Aus der Forschung
        Zellkulturmodell zur Wirkung von Partikeln und Fasern in der Lunge
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Editorial

                      Liebe Leserinnen,
                      liebe Leser,
                       von unzähligen Plakaten schauen sie uns entgegen:
                       Models mit gebräuntem Teint und einem breiten
                       Wohlfühllächeln. Wer bei diesem Anblick an Haut-
                       krebs denkt, ist doch ein Spielverderber. Aber lieber
                       Spielverderber sein, als tatenlos zusehen, wie immer
                       mehr Menschen ihre Haut kurz- und langfristig schä-
                       digen. Die Zahl der Erkrankungen an hellem Haut-

                                                                                                                 Foto: Wolfgang Bellwinkel/DGUV
                       krebs und seinen Vorstufen nimmt in der Bevölke-
                       rung weiter zu. Gerade jetzt im Frühling spüren wir:
                       Sonnenstrahlen tun uns gut. Aber sie können auch
                       sehr gefährlich werden. Darüber müssen auch wir als
                       Unfallversicherung noch stärker aufklären.

                    Seit 2015 können bestimmte Formen des hellen Haut-
                    krebses auch als Berufskrankheit anerkannt werden.
                    Für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ergeben sich dadurch zwei Fragen:
                    Wie kann eine gute, effektive Prävention für die Beschäftigten aussehen? Und wie kön-
                    nen Hautschädigungen, die durch die Arbeit verursacht werden, von anderen Ursachen
                    abgegrenzt werden? Denn wir alle sind ja in unterschiedlichem Maße in unserem Alltag
                    der Sonne ausgesetzt. Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) hat deshalb das
                                            beeindruckende Präventionsprojekt GENESIS-UV angestoßen.
    Wie kann eine gute, effektive           Hinter der Abkürzung verbirgt sich ein effizientes Messsystem
    Prävention für die Beschäftigten zur Messung der Sonnenexposition. Etwa 800 Probanden aus
    aussehen? Und wie können                unterschiedlichen Berufen trugen bislang die Messgeräte und
                                            lieferten über drei Milliarden Datensätze an das IFA. Das ent-
    Hautschädigungen, die                   spricht mehr als 80.000 Messtagen.
    durch die Arbeit verursacht
    werden, von anderen Ursachen              Eine valide Datenbasis also, die in den kommenden Jahren
    abgegrenzt werden?                        weiter vervollständigt werden soll, denn GENESIS-UV hat ein
                                              hoch gestecktes Ziel: Mit Hilfe der Messdaten soll ein vollstän-
                       diges Bild der UV-Exposition im Freien erstellt werden. Schon die ersten Ergebnisse
                       des Projekts sind hoch spannend: In welchen Berufen sind die Beschäftigten beson-
                       ders stark exponiert? Und wie hoch ist die Belastung überhaupt?

                       GENESIS-UV hat ein sehr differenziertes Bild von der Sonnenexposition einzelner
                       Berufsgruppen geliefert. Ideale Voraussetzungen also für möglichst passgenaue Prä-
                       ventionsangebote. Eines gilt jedoch für alle betroffenen Branchen: An erster Stelle
                       steht nach wie vor die Überzeugungsarbeit: Ohne Sonne können wir nicht überleben,
                       aber wir brauchen einen wirksamen Schutz zur richtigen Zeit.

                       Mit den besten Grüßen
                       Ihr

                       Dr. Joachim Breuer
                       Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

2     DGUV Forum 4/2017
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Inhalt

> Editorial/Inhalt >>>                               2–3

> Aktuelles >>>                                      4–7

> Nachrichten aus Brüssel >>>                          8

> Titelthema >>>                                    9–36
Arbeiten unter der Sonne
Verhütung von Gesundheitsgefahren durch
natürliche optische Strahlung                           9
Jasmin Auf dem Berge, Gerald Wanka
Interview mit Prof. Dr. Manigé Fartasch
„Der helle Hautkrebs ist sehr weit verbreitet“         11

                                                             9
Das Interview führte Jasmin Auf dem Berge
Interview mit Gerald Rehme
„Wir setzen auf Einsicht“                              14
Das Interview führte Jasmin Auf dem Berge
Berufskrankheiten für Jugendliche ausstellen
Gesundheit im Arbeitsleben
durch Interaktion und Storytelling                     18
Jana Hawig, Niko Pankop
Messungen mit GENESIS-UV
Auf dem Weg zu einem Kataster für
UV-Bestrahlungen im Freien                             23
Dr. Marc Wittlich
Verkehrswirtschaft
Sonnenstrahlen – zu Wasser und zu Land                 28
Dr. Gabriele Meyer
Die „Grünen Berufe“
Messkampagne und geeigneter Sonnenschutz               30
Marion Nesselrath
UV-Prävention in Kitas und Krippen
                                                             18
Wenn die Sonne lacht                                   34
Thomas Overmann

> Prävention >>>                                    37–38
Aus der Forschung
Zellkulturmodell zur Untersuchung der Wirkung
von Partikeln und Fasern in der Lunge                  37
Prof. Dr. Thomas Brüning, Prof. Dr. Jürgen Bünger,
Nina Rosenkranz, Dr. Götz Westphal

> Internationales >>>                               39–41
Interview mit Dr. Joachim Breuer
„Soziale Sicherheit weltweit fördern“                  39
Das Interview führte Bettina Bräuniger

> Medien/Impressum >>>                                42    39

                                                                  DGUV Forum 4/2017   3
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Aktuelles

BG ETEM setzt auf eine Karte
Ihren Mitgliedsunternehmen bietet die Be-
rufsgenossenschaft Energie Textil Elektro
Medienerzeugnisse (BG ETEM) jetzt eine
Versichertenkarte an. Diese Karte können
die Betriebe an ihre Beschäftigten verteilen.

„Unternehmen schlagen so mehrere Flie-
gen mit einer Klappe“, sagt Olaf Peter-
mann, Vorsitzender der BG ETEM Ge-                                              Die Versichertenkarte
schäftsführung. Zum einen könne mit der                                         der BG ETEM
Karte Wertschätzung und Schutz für Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar ge-
macht werden. „Zum anderen“, so Peter-
mann, „ist die Karte sehr nützlich, wenn
man nach einem Arbeitsunfall beim Arzt
ist und nach der zuständigen Berufsge-
nossenschaft gefragt wird.“

      Die Versichertenkarte gibt es in zwei
      Varianten: als kostenfreie Standard-
      Variante und als Standard-Plus-
      Karte. In der zweiten Variante haben
      Unternehmen die Möglichkeit,
      ihr Logo auf die Karte drucken zu
      lassen. Beide Kartentypen können

                                                                                                                                               Foto: BG ETEM
      über einen speziellen Webshop
      unter www.bgetem.de (Webcode:
      17801067) bestellt werden.

Syrischer YouTuber erklärt die wichtigsten FAQs der German Road Safety App
Die beiden Broschüren „Unterwegs in             in leicht verständlicher Sprache über die         Sprachkombinationen Deutsch-Farsi-
Deutschland“ und „Fahrrad fahren in             wichtigsten Verkehrsregeln im deutschen           Paschtu, Deutsch-Französisch-Tigrinisch
Deutschland“ informieren im Rahmen der          Straßenverkehr. Nun sind die gedruckten           und Deutsch-Albanisch-Kurmandschi kos-
Kampagne „German Road Safety“ des               Fassungen zusätzlich zum Sprachpaket              tenlos erhältlich. Mediale Begleitung er-
Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR)        Deutsch-Englisch-Arabisch auch in den             fährt die Kampagne durch den syrischen
                                                                                                  Schauspieler und Autor Firas Alshater,
                                                                                                  der auf seinem YouTube-Kanal ZUKAR
                                                                                                  und auf seiner Facebookseite die Ver-
                                                                                                  kehrs-App humorvoll präsentiert. Alshater
                                                                                                  klärt mit seiner Serie „3AL Maashi“ nicht
                                                                                                  nur über die deutsche Verkehrssicherheit
                                                                                                  auf, sondert gibt praktische Tipps von Ge-
                                                                                                  flüchteten für Geflüchtete.

                                                                                                  Die Broschüren sind in Zusammenarbeit
                                                                                                  mit der Unfallforschung der Versicherer
                                                                                                  (UDV), der Deutschen Verkehrswacht (DVW)
                                                                                                  und mit Unterstützung der Deutschen
                                                                                      Foto: DVR

                                                                                                  Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
                                                                                                  entstanden. Sie können kostenlos über
                                                                                                  germanroadsafety@dvr.de bestellt oder in
Die Broschüren „Unterwegs in Deutschland“ und „Fahrrad fahren in Deutschland“                     weiteren Sprachen unter www.germanroad-
informieren über die wichtigsten Verkehrsregeln im deutschen Straßenverkehr.                      safety.de als PDF heruntergeladen werden.

4    DGUV Forum 4/2017
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Aktuelles

Aktionsbündnis fördert Promotionen im Fachbereich Arbeitsmedizin
Das Aktionsbündnis Arbeitsmedizin unter-     die Möglichkeit eröffnen, das ausgespro-      fördern, der für die Präventionsarbeit vor
stützt ab sofort Studierende der Human-      chen vielseitige, präventivmedizinische       Ort so wichtig ist.“ Das 2014 gegründete
medizin sowie noch nicht promovierte Ärz-    Fach Arbeitsmedizin näher kennenzuler-        Aktionsbündnis zur Sicherung des arbeits-
tinnen und Ärzte bei ihren Promotions-       nen“, erläutert Prof. Dr. Stephan Letzel,     medizinischen Nachwuchses fördert die
arbeiten aus dem gesamten Gebiet der         Vorstandsvorsitzender des Aktionsbünd-        arbeitsmedizinische Aus- und Weiterbil-
Arbeitsmedizin. Stipendiatinnen und Sti-     nisses Arbeitsmedizin den Hintergrund         dung durch vielfältige Maßnahmen. Es un-
pendiaten erhalten ein Jahr lang 300 Euro    der Stipendien. „Zugleich können wir da-      terstützt in der Fort- und Weiterbildung
im Monat, in begründeten Ausnahme-           mit den Erfahrungsaustausch zwischen          durch Stipendien, Fachveranstaltungen
fällen auch sechs Monate länger. Bewer-      Wissenschaft und betrieblicher Praxis         und familienfreundliche Maßnahmen.
bungsschluss ist der 1. Juni 2017.

„Mit unseren Promotionsstipendien möch-
ten wir approbierten Ärztinnen, Ärzten             Mehr Informationen unter: www.aktionsbuendnis-arbeitsmedizin.de
sowie Studierenden der Humanmedizin

BGHW prämiert Engagement und Team Play im Arbeitsschutz
Gleich zwei mittelständische Unterneh-       für die Einführung eines professionellen      sebauer – bekam für ihre umfassende Ar-
men hat die Berufsgenossenschaft Holz        Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS).         beitsschutzkultur und die Umsetzung von
und Metall (BGHM) auf ihrer Regionalta-      Durch seine aktive Einbindung aller Be-       Projekten im Bereich der betrieblichen Ge-
gung in Lengfurt für ihr Engagement für      schäftigten konnte das Unternehmen be-        sundheitsförderung den Sicherheitspreis
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit     reits nach sieben Monaten das AMS erfolg-     der BGHM überreicht. Die Auszeichnung
ausgezeichnet. Das Gütesiegel „Sicher mit    reich in die Betriebsabläufe integrieren.     wird für Verbesserungen im Arbeitsschutz
System“ erhielt der Drehmaschinenher-        Die Firma Ackermann GmbH – Zulieferer         verliehen, die über das vorgeschriebene
steller Weiler Werkzeugmaschinen GmbH        für Schreiner, Tischler, Laden- und Mes-      Maß der Unfallverhütung hinausgehen.

                                                                                                                                    Foto: BGHM

(v.l.n.r.): Ralf Stiefermann (BGHM), Volker Preisig, Jakob Frank, Stefan Naser (alle Weiler GmbH), Karl Hönig und Jürgen Bünnagel
(beide BGHM) bei der Übergabe der Gütesiegel-Urkunde „Sicher mit System“

                                                                                                              DGUV Forum 4/2017                  5
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Aktuelles

Hohe Zufriedenheit der Beschäftigten zeichnet Bergmannstrost aus
Für seine hervorragenden Ergebnisse in        „Wir haben die Entwicklung des Klinikums
Rahmen seiner Befragung von Mitarbeite-       immer konsequent auch mit dem Blick auf
rinnen und Mitarbeitern wurde das BG          unsere Beschäftigten begleitet, indem wir
Klinikum Bergmannstrost jetzt ausge-          neben einer adäquaten Bezahlung auch
zeichnet. Im deutschlandweiten Vergleich      Themen wie Unternehmenskultur, Ge-
mit mehr als 100 Kliniken konnte das          sundheitsmanagement und Vereinbarkeit
Bergmannstrost die höchste Zufriedenheit      von Privat- und Arbeitsleben berücksich-
der Beschäftigten verzeichnen. „Wir sind      tigt haben“, erklärt Geschäftsführer Dr.
sehr stolz auf das Ergebnis. Die starke       Hubert Erhard die Gründe für das gute

                                                                                                                                  Foto: Jan Pauls/BG Kliniken Bergmannstrost Halle
Identifikation der Beschäftigten mit dem      Abschneiden. So existieren in allen berufs-
Haus ist ein hohes Gut, das wir auch künf-    genossenschaftlichen Kliniken Tarifverträ-
tig pflegen werden und von dem unsere         ge, wobei in Ost und West verbundweit ein
Patientinnen und Patienten jeden Tag          einheitliches Gehalt gezahlt wird.
profitieren“, so Thomas Hagdorn, Kauf-
männischer Direktor des Bergmannstrost,       „Es gab natürlich auch Kritik in der Mitar-
der den Preis persönlich in Offenbach im      beiterbefragung“, so Erhard. „Die haben
Rahmen des 11. Rhein-Main-Zukunftskon-        wir aufgegriffen. Jetzt arbeiten Mitarbeite-
gresses entgegennahm. Die Auszeichnung        rinnen und Mitarbeiter in mehreren Pro-
wurde von dem Unternehmen anaQuestra          jekten an der Verbesserung transparenter
GmbH vergeben, das Zufriedenheitsana-         Führungsentscheidungen und an der
lysen im Gesundheitswesen durchführt          Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung durch      Das BG Klinikum Bergmannstrost hat
und jährlich die besten Kliniken ermittelt.   gute Kommunikation und Information.“           zufriedene Beschäftigte.

Viele Projekte helfen,
den Schulweg zu sichern
Das gemeinsame Projekt „Noch 100 ­Tage bis zum ers-
ten Schulweg“ von der Lan-desverkehrswacht und
Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern unterstützt
Erzieherinnen, Erzieher und Eltern bereits im Vor­­
schulalter in der Verkehrserziehung. Dadurch sollen
Kinder frühzeitig lernen sich selbstständig und sicher
im Straßenverkehr zu bewegen. Dafür erhalten alle
Kindertagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern vor
Schulbeginn eine kostenfreie und umfangreiche Pro-
jekt-Mappe mit Arbeitsblättern, Plakaten und Praxis-
aufgaben rund ums Thema „Sicherer Schulweg“.

„Es hat große Vorteile, mit der Verkehrserziehung
schon im Vorschulbereich zu beginnen. Wir möchten
mit dem Projekt deshalb so viele Kitas wie möglich
erreichen und für unser Ziel gewinnen“, erklärt Annet-
te Wanserski, Präventionsleiterin bei der Unfallkasse.
„Sehr wichtig ist es dabei, dass wir die Eltern von An-
fang an mit einbeziehen. Sie legen den Grundstein für
die Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder.“ Das Pro-
                                                                                                                                  Foto: Wolfgang Bellwinkel/DGUV

jekt „Noch 100 Tage bis zum ersten Schulweg“ ist nur
eines von mehreren im Programm „Schulwegsiche-
rung in Mecklenburg-Vorpommern“. Durch die inein-
andergreifenden Kampagnen „Noch 100 Tage bis zum
ersten Schulweg“, „BREMS DICH – Schule hat begon-
nen“ und „Die ersten 100 Schulweg-Tage“ sowie die
jährliche Verleihung des „Schulweg-Ordens“ an meh-
rere Kitas im Land wird versucht, die Schulwegsiche-
rung dauerhaft und wirkungsvoll umzusetzen.               Sicherheit auf dem Schulweg

6   DGUV Forum 4/2017
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Aktuelles

Größter deutscher Medienpreis im Bereich Behindertensport verliehen
Bereits zum 17. Mal hat die DGUV in die-     nominiert.Für die DGUV ist der Award ein        unheilbar erkrankten belgische Leichtath-
sem Jahr den German Paralympic Media         Anlass, um auf die wichtige Rolle des           letin Marieke Vervoort, ZDF Kategorie
Award verliehen. Sport – egal ob von         Sports bei Rehabilitation und Inklusion         Online/Social Media: Andre Hofmann,
Menschen mit oder ohne Behinderung –         hinzuweisen. Der Sonderpreis, der auch          Niklas Klütsch, Thomas Stephany und
ist spannend und macht Spaß. Trotzdem        dieses Jahr wieder vergeben wurde, spie-        Marcel Wienands, Berichte von den Para-
bekommt der Behindertensport oft nur         gelt dieses Ziel: Er ehrt eine Person, die im   lympics in Rio erreichen über verschiede­­-
dann Aufmerksamkeit, wenn Anlässe            Bereich Sport, Medien und Inklusion viel        ne Kanäle insgesamt 2,4 Millionen Men-
wie die Paralympics anstehen. Der Media      bewegt und eine Vorbildfunktion hat.            schen. Sonderpreis 2017: Verena Bentele.
Award, der 2017 unter der Schirmherr-                                                        Die Ehrung gilt Benteles herausragenden
schaft von Bundesarbeitsministerin And-      Die Preisträger des Jahres 2017 sind:           sportlichen Leistungen ebenso wie ihrem
rea Nahles steht, will den Blick weiten:     Kategorie Print: David Hock, „200 Meter         medialen, sozialen sowie politischen En-
Nicht nur der Spitzensport zählt, Behin-     Perfektion“, „Rollt.-Magazin“ und Niclas        gagement für Inklusion und Behinderten-
dertensport ist bunt und vielfältig. Dafür   Müller und Team, Ausgabe des Sport-Ma-          sport. Verena Bentele ist die Behinderten-
stehen die ausgezeichneten journalisti-      gazins „1890“ Kategorie Foto: Conny             beauftragte der Bundesregierung.
schen Beiträge, die mit dem Award prä-       Kurth, „In der Schwebe“, kurth-media Ka-
miert werden. Die Jury hatte die Qual der    tegorie Hörfunk: Maria Fremmer und Hei-
Wahl zwischen rund 100 eingesendeten         ke Mund , „Neugier genügt“, WDR 5 Kate-               Weitere Informationen über den
Beiträgen aus Foto, Hörfunk, Print, TV/      gorie TV/Film: Peter Leissl, Mathias Berg,            German Paralympic Media Award:
Film und Online/Social Media. Insgesamt      Yorck Polus und Susanne Simon, Repor­                 www.dguv.de/gpma
15 Beiträge wurden für eine Auszeichnung     tage über und Interview zu dem Fall der
 Foto: DGUV/Maelsa

Preisträger, Preisträgerinnen, Jurorinnen und Juroren, Nominierte, Laudatoren, Sportlerinnen und Sportler bei der 17. Verleihung
des German Paralympic Media Award.

Zahl des Monats:               25.100 Verletzte
Im Januar 2017 verunglückte bei jedem elften Unfall ein Mensch im Stra-
ßenverkehr. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundes-
amts (Destatis) hervor. Insgesamt registrierte die Polizei im Januar 2017
rund 211.500 Straßenverkehrsun­­fälle. Dabei gab es Verunglückte bei rund
19.300 Unfällen. 234 Menschen kamen ums Leben, rund 25.100 Menschen
                                                                                                                                      Grafik: Cicero Kommunikation

wurden auf deutschen Straßen verletzt. Verglichen mit dem Vorjahreszeit-
raum stieg zwar die Zahl der Straßenverkehrsunfälle an, insgesamt verrin-
gerte sich aber die Quote von Verletzten und Getöteten. Proportional zur
Bevölkerungsgröße fielen gut ein Drittel aller erfassten Verunglückten auf
Nordrhein-Westfalen und Bayern. Bremen, Saarland und Mecklenburg-
Vorpommern bildeten das Schlusslicht.

                                                                                                                 DGUV Forum 4/2017                   7
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Nachrichten aus Brüssel

    Steht die Aufgabenverteilung im Bereich der
    sozialen Sicherheit zur Disposition?
    Zu den sensibelsten Fragen bei der zu­          sourcen könnten damit in allen Politik-         und Sozialversicherung aus guten Grün­
    künftigen Gestaltung der sozialen Si­           bereichen geteilt werden, um Entschei­          den in erster Linie eine Angelegenheit
    cherheit im gesellschaftlichen und de­          dungen künftig gemeinsam zu treffen.            der Mitgliedstaaten ist. Dies sollte die
    mografischen Wandel zählt die Frage                                                             EU-Kommission im Zusammenhang mit
    der Aufgabenverteilung zwischen der             Auch die Diskussion zur Einführung ei­          ihren Zukunftsüberlegungen berücksich­
    mitgliedstaatlichen und der europä­             ner sogenannten „Europäischen Säule             tigen und respektieren, um Kompetenz­
    ischen Ebene. Nach den Europäischen             sozialer Rechte“ wirft Fragen auf. Von          konflikte zu vermeiden.
    Verträgen ist die Ausgestaltung der so-         Seiten der deutschen Sozialversicherung
    zialen Sicherungssysteme weiterhin eine         kann hier nur weiterhin betont werden,          Welche Richtung die Europäische Union
    Angelegenheit der Mitgliedstaaten.              dass die Ausgestaltung der Sozialpolitik        einschlagen wird, bleibt zu beobachten.

    Im Rahmen der Diskussion um die Zu­
    kunft Europas und die von der Europäi­
    schen Kommission im vergangenen Jahr
    angestoßene Initiative zur Stärkung der
    sozialen Dimension sind jedoch Ansätze
    erkennbar, diese Aufgabenverteilung
    zur Disposition zu stellen. So hat die EU-
    Kommission in ihrem Weißbuch zur Zu­

                                                                                                                                          Foto: finecki/fotolia.com
    kunft der Europäischen Union fünf Opti­
    onen vorgeschlagen. Eine Option be­­han-
    delt eine deutlich vertiefte Integration in
    allen Politikbereichen, einschließlich der
    Sozialpolitik. Machtbefugnisse und Res­

    Europaweit gültige elektronische Dienstleistungskarte
    Eine europaweit gültige elektronische           nen nach den Re­geln des ei­ge­nen Lan­des      spruch, die aus Sicht der gesetzlichen
    Dienstleistungskarte soll helfen, die bü­       prüfen und sie dann an den Auf­­­nahm­e-        Sozialversicherung zahlreiche Fragen auf­
    rokratischen Hindernisse grenzüber­             ­mit­glied­sstaat wei­terleiten. Dieser prüft   werfen. So soll die Karte teilweise auch
    schreitender Tätigkeiten von Un­ter­neh­         dann auf der Grundlage der nationalen          mit Sozialversicherungsdaten verknüpft
    men und Frei­be­ruf­lern zu reduzieren.          Vorschriften, ob er dem Antragsteller er­      werden, um die Identität des Dienstleis­
    Das sehen Vorschläge der Europäischen           laubt, in seinem Hoheits­gebiet Dienst­         tungserbringers festzustellen. Darüber
    Kommission vor, die zu Beginn des Jah­          leistungen anzubieten.                          hinaus stellen sich mit Blick auf das dar­
    res dem Europäischen Parlament und                                                              gelegte „Herkunftslandprinzip“ Fragen
    dem Ministerrat vorgelegt wurden.               Das von der EU-Kommission vorgestellte          nach der Einhaltung nationaler Arbeits­
                                                    Konzept hat auch den Bereich der gesetz­        schutzregeln, wenn die Karte in einem an­
    Das ver­ein­fach­te elek­tro­ni­sche Ver­fah­   lichen Sozialversicherung bedacht. Die-         deren EU-Mitgliedstaat aus­gestellt wurde.
    ren soll in ei­nem ers­ten Schritt für Un­      ser soll aus dem Anwendungsbereich
    ter­neh­mens- und Bau­di­enst­leis­tun­gen      der Regelungen ausdrücklich ausgenom­           Die Vorschläge der EU-Kommission wer­
    gel­ten. Eine einzige Ansprechperson im         men sein. So steht es zumindest in den          den in den kommenden Wochen im
    Heimatland des Dienstleistungsanbie­            Begründungen. Hierzu stehen jedoch              Europäischen Parlament und im Minis­
    ters soll die erforderlichen Informatio­        konkrete Regelungsvorschläge in Wider-          terrat beraten.

Weitere Informationen: ilka.woelfle@dsv-europa.de

8     DGUV Forum 4/2017
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Titelthema

             Arbeiten unter der Sonne

         Verhütung von Gesundheitsgefahren durch
         natürliche optische Strahlung
             Mit der Einführung der Berufskrankheit Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische
             Keratosen durch natürliche UV-Strahlung“ rückten die Gesundheitsgefahren durch natürliche optische
             Strahlung noch stärker in den Fokus: Das Titelthema dieser Ausgabe zeigt vielversprechende
             Lösungswege zur Prävention dieser Gefahren.

             Die UV-Strahlung der Sonne kann zu Haut-       gendes Präventionskonzeptmi, mit dem          gen. Gerald Rehme, Berufsgenossenschaft
             schädigungen und langfristig zu Hautkrebs      Gesundheitsgefahren durch UV-Strahlung        der Bauwirtschaft (BG BAU), erklärt in ei-
             führen. Der Gesetzgeber hat auf Basis dieser   verhütet werden sollen.                       nem Interview, welche Maßnahmen und
             Erkenntnisse zum 1. Januar 2015 eine neue                                                    Unterstützungsmöglichkeiten seine BG
             Berufskrankheit in seine Verordnung aufge-     Ein Weg zu einem Kataster für                 anbietet, um die Unternehmen in ihrer
             nommen: die Berufskrankheit Nr. 5103. Im       UV-Belastungen                                Präventi-onsarbeit zu unterstützen. Des
             Interview erläutert Prof. Dr. Manigé Far-      Um die individuelle UV-Belastung der Be-      Weiteren berichtet Dr. Gabriele Meyer, Be-
             tasch, Berufsdermatologin am Institut für      schäftigten zu berechnen und präventi-        rufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft
             Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV         onsrelevante Risikogruppen zu identifizie-    Post-Logistik Telekommunikation (BG
             (IPA), die dermatologischen Folgen der ul-     ren, wurden Forschungsprojekte initiiert.     Verkehr), über die Ergebnisse der Messun-
             travioletten (UV) Strahlung, die Verbreitung   Ein Forschungsprojekt ist das GENESIS-        gen in der Flugzeugabfertigung und See-
             des hellen Hautkrebses sowie die Diagnos-      UV-Projekt (GENeration and Extraction         schifffahrt. Sie schildert unter anderem,
             tik und Behandlungsmöglichkeiten.              System for Individual expoSure – Ein          wie Messungen ablaufen und Präventi-
                                                            Messsystem der gesetzlichen UnfallVersi-      onsmaßnahmen daraus abgeleitet wer-
             Aktivitäten der Unfallversicherung             cherung) des Instituts für Arbeitsschutz      den. Auf Grund der Versichertenstruktur
             Die gesetzliche Unfallversicherung fördert     der DGUV (IFA). Im Rahmen der Mess-           ist auch die Sozialversicherung für Land-
             und unterstützt eine Vielzahl von Aktivitä-    kampagne werden detaillierte Belastungs-      wirtschaft, Forsten und Gartenbau (SV-
             ten im Bereich der Prävention. Dazu zählen     daten für verschiedene Tätigkeiten im         LFG) in dieses Forschungsprojekt ein-
             Forschungsprojekte, die Erarbeitung eines      Außenbereich gesammelt und ausgewer-          bezogen, daher informiert Marion Nes-
             neuen Grundsatzes für die arbeitsmedizi-       tet. Dr. Marc Wittlich (Leiter der Messkam-   selrath über die Besonderheiten in den
             nische Untersuchung bis hin zur Erstellung     pagne) betont, dass tätigkeitsbezogene        „Grünen Berufen“ und lässt verschiedene
             von Handlungs- und Unterweisungshilfen.        Expositionsmessungen helfen können,           Berufsgruppen zu Wort kommen.
             Hinzu kommen Veranstaltungen wie zum           passgenaue Lösungen für die Prävention
             Beispiel das Pressegespräch zum Thema          zu finden.                                    Die Berichte veranschaulichen, dass es in
             „Haut & Job“ 2016 mit dem Berufsverband                                                      der Prävention nicht die eine Lösung ge-
             der Deutschen Dermatologen (BVDD) so-          Maßnahmen der Prävention                      ben wird, die für alle passt. Es wird aber
             wie das 2. Fachgespräch „Arbeiten unter        Die weiteren Artikel bieten einen Einblick    auch sichtbar, dass alle Beteiligten vor
             der Sonne“ am 30. Mai 2017 in Dresden.         in die Präventionsarbeit verschiedener        ähnlichen Herausforderungen stehen –
             Zusammen bilden die Aktivitäten der ge-        Unfallversicherungsträger, die sich am        nämlich notwendige Maßnahmen zur Si-
             setzlichen Unfallversicherung ein grundle-     Forschungsprojekt GENESIS-UV beteili-         cherheit und Gesundheit in bestehende        ▸

             Autorin und Autor

                                       Jasmin Auf dem Berge                                                 Gerald Wanka
                                       Referat Gesundheitsschutz der DGUV                                   Referat Gesundheitsschutz der DGUV
                                       E-Mail: Jasmin.AufdemBerge@dguv.de                                   E-Mail: Gerald.Wanka@dguv.de
Foto: DGUV

                                                                                Foto: DGUV

                                                                                                                             DGUV Forum 4/2017     9
Forum Ausgabe 4 2017 - Arbeiten unter der Sonne Solare Exposition - DGUV Forum
Titelthema

                          Arbeitsabläufe zu integrieren. Vorausset-     welche weiteren Möglichkeiten können         Wege der Prävention in Kindertagesstät-
                          zung dafür ist eine hohe Akzeptanz bei Be-    zu einem Umdenken – weg von „brauner         ten erläutert Thomas Overmann (Gemein-
                          schäftigten sowie Arbeitgeberinnen und        Haut“ die eben nicht unbedingt Gesund-       de-Unfallversicherungsverband Hannover
                          Arbeitgebern. Lösungen müssen deshalb         heit und Schönheit verkörpert?               und Landesunfallkasse Niedersachsen).
                          vor allem praxisgerecht sein. Ein wichtiges                                                Ein weiterer prägender Schritt auf dem
                          Instrument, mit dem Arbeitgebende hierzu      Die Versicherten von morgen bereits mit      Weg ins Erwerbsleben ist das Jugendalter.
                          neue Ideen diese Lösungen erarbeiten kön-     den Werten von Sicherheit und Gesund-        Die Ausstellung „Wie geht’s?“ der DASA
                          nen, ist die Gefährdungsbeurteilung. Die      heit vertraut zu machen, bevor sie in die    Arbeitswelt Ausstellung in Kooperation
                          aus den Gefährdungen abzuleitenden Maß-       Lebenswelt Arbeit eintreten – das kann       mit der DGUV setzt bei dieser Zielgruppe
                          nahmen werden auf Basis des TOP-Prin-         ein Ziel der Prävention zur Verhütung von    an. Jana Hawig und Niko Pankop veran-
                          zips entwickelt. In den nachfolgenden Ar-     Gesundheitsgefahren durch UV-Strahlung       schaulichen, wie Jugendliche durch die
                          tikeln wird dieses Prinzip beschrieben und    sein. Die Gesundheits- und Risikokom-        Ausstellung dem Themenfeld Berufs-
                          mit Beispielen konkretisiert.                 petenz können so durch frühzeitige Prä-      krankheiten und deren Ursachen näher-
                                                                        vention in den Köpfen verankert werden,      gebracht werden können.
                          Sensibilisierung in den                       zum Beispiel schon in der Kindertages-
                          verschiedenen Lebenswelten                    stätte. So lernen schon die Kleinsten, wie   Die Ansätze der Prävention in den Le-
                          Die Gefährdungsbeurteilung ist ein wich-      man sich vor der Sonne schützt. Die Er-      benswelten Aufwachsen und Arbeiten
                          tiger Schritt der Sensibilisierung. Doch      gebnisse der Messungen und mögliche          zeigen, wie vielfältig wann und wo sen-
                                                                                                                     sibilisiert werden kann. Prävention in
                                                                                                                     den verschiedenen Settings um­zusetzen,
                                                                                                                     entspricht auch dem 2015 erlassenen Prä-
                                                                                                                     ventionsgesetz. Das Gesetz zur Stärkung
                                                                                                                     der Gesundheitsförderung und Präventi-
                                                                                                                     on zielt auf die gesundheitsför­derlichen
                                                                                                                     Veränderungen in allen Lebenswelten
                                                                                                                     ab. Mit diesem Ansatz können zukünftig
                                                                                                                     auch bei der Kampagne zur „Kultur der
                                                                                                                     Prävention“ Maßnahmen der Unfallver-
                                                                                                                     sicherungsträger in den verschiedenen
                                                                                                                     Branchen und dem Bildungsbereich im-
                                                                                                                     plementiert werden.                    •

                                                                                                                           Hinweis der Redaktion
                                                                                                                           Bilder vermitteln immer auch eine
                                                                                                                           Botschaft. Die Redaktion hat des-
                                                                                                                           halb über die Abbildungen und die
                                                                                                                           darin sichtbaren Schutzmaßnahmen
                                                                                                                           zur solaren Exposition diskutiert.
                                                                                                                           Die abgedruckten Fotos zeigen
                                                                                                                           Momentaufnahmen von Personen
                                                                                                                           an ihrem Arbeitsplatz im Freien.
                                                                                                                           Die tatsächliche Exposition kann in
                                                                                                                           den dargestellten Situationen ganz
                                                                                                                           unterschiedlich hoch sein, zum
                                                                                                                           Beispiel hinsichtlich der Dauer des
                                                                                                                           Aufenthalts in der Sonne. Demzu-
                                                                                                                           folge können Schutzmaßnahmen
                                                                                                                           erforderlich sein – oder auch nicht.
                                                                                                                           Das können Bilder nur schwer ver-
                                                                                                                           mitteln. Ein zielführender Schutz
Foto: twixx/fotolia.com

                                                                                                                           vor solarer Exposition wird erreicht,
                                                                                                                           wenn Schutzmaßnahmen einerseits
                                                                                                                           der Rangfolge technischer, organisa-
                                                                                                                           torischer und persönlicher Maßnah-
                                                                                                                           men folgen und gleichzeitig für die
                                                                                                                           jeweilige Situation angemessen und
                                                                                                                           praxisgerecht sind. Mehr Informati-
                                                                                                                           onen dazu erhalten die Leserinnen
                          Dieser Dachdecker hat sich richtig geschützt vor natürlicher UV-Strahlung:                       und Leser in diesem Heft.
                          Seine Kleidung bedeckt den Körper, der Helm schützt den Kopf.

                          10   DGUV Forum 4/2017
Titelthema

Interview mit Prof. Dr. Manigé Fartasch

„Der helle Hautkrebs ist sehr weit verbreitet“
DGUV Forum hat Professor Dr. Manigé Fartasch zur Berufskrankheit 5103, dem Plattenepithelkarzinom
oder aktinische Keratosen, und deren Folgen sowie zu möglichen Behandlungsmöglichkeiten befragt.
Fartasch gilt als anerkannte Berufsdermatologin unter anderem auf dem Gebiet der arbeitsbedingten Einwir-
kung der UV-Strahlung. Sie leitet die Abteilung für klinische und experimentelle Berufsdermatologie am
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA), Institut der Ruhr Universität Bochum.

Prof. Fartasch, welche Folgen kann            werden als aktinische Keratosen (AK)           80–100 pro 100.000 Einwohner weiter-
die UV-Strahlung aus ärztlicher Sicht         bezeichnet. Später können sich daraus          hin zu. Um ein Vielfaches häufiger sind
für die Beschäftigten haben?                  Plattenepithelkarzinome entwickeln.            die bereits oben erwähnten aktinischen
FARTASCH: Obwohl wir die Sonne und die
damit verbundene UV-Strahlung zum Le-         Die Sonne ist im Alltag allgegenwärtig –
ben benötigen, hat die UV-Strahlung auch      welchen Einfluss hat das auf die                    Was sollte man bezüglich der
negative Auswirkungen auf das Hautor-         Verbreitung des hellen Hautkrebses?                 UV-A-Strahlung beachten?
gan. Einerseits kann es zum „akuten“ Son-     FARTASCH: Der helle Hautkrebs ist in der            Um auch vor anderen UV-bedingten
nenbrand kommen – dieser wird über-           Bevölkerung – unabhängig vom Beruf –                Hautschäden geschützt zu sein –
                                                                                                  wie zum Beispiel der Schädigung
wiegend durch den kurzwelligen UV-Strah-      sehr weit verbreitet. Die zunehmende Le-            des Abwehrsystems der Haut –,
lungsanteil (UV-B) ausgelöst und tritt im-    benserwartung der Menschen gepaart mit              müssen UV-Schutzmittel ebenfalls
mer dann auf, wenn eine zu hohe Dosis         ansteigender additiver (kumulativer) UV-            vor UV-A-Strahlung schützen. Die
auf die Haut in kurzer Zeit einwirken konn-   Exposition ist dafür verantwortlich.                Empfehlung der EU-Kommission
                                                                                                  sieht vor, dass der gemessene UV-A-
te. Andererseits addieren sich im Laufe der                                                       Schutzfaktor mindestens ein Drittel
Jahre Schädigungen der Haut unbemerkt                                                             des UV-B-Faktors (LSF) betragen soll.
– auch wenn sie unterhalb der Sonnen-                                                             Bezugsgröße für die Charakteri-
brandgrenze liegen – und führen so zu den                                                         sierung des UV-A-Schutzes kann
„chronischen“ langfristig auftretenden                                                            zum Beispiel eine aktualisierte
                                                                                                  In-vivo-Methode zur Bestimmung
Veränderungen der Haut.
                                                                                                  der Direktpigmentierungsschwelle
                                                                                                  (Persistent Pigment Darkening-
Was kann man sich unter                                                                           oder PPD-Methode: UV-A-PF) sein.
„chronischen Sonnenschädigungen“                                                                  Die Auslobung des UV-A-Schutzes
                                                                                                  (mindestens 1/3 des LSF) erfolgt
der Haut vorstellen?                                                                              mit einem Logo, das die Buchstaben
FARTASCH: Dies sind zum einen kosmeti-                                                            UV-A in einem Kreis zeigt.
sche Veränderungen – wie zum Beispiel
das Auftreten von zahlreichen tiefen Fal-                                                         Schutzmaßnahmen, die nach
ten durch Veränderungen des Bindege­                                                              einer Diagnose empfohlen
                                                                                                  werden:
webes, aber auch die Veränderungen der
                                                                                 Foto: IPA

Hautdicke und der Pigmentierung mit                                                               ∙ konsequentes Lichtschutzver­
                                                                                                     halten, das heißt: jeden unnötigen
sichtbaren hellen und dunklen Flecken.                                                               Aufenthalt in der Sonne ohne
Diese chronische Schädigung wird über-                                                               Schutz vermeiden und Schatten
wiegend durch den langwelligen Anteil             Prof. Dr. Manigé Fartasch, Leiterin
                                                                                                     aufsuchen.
der UV-Strahlung (UV-A), der tiefer in die                                                        ∙ Insbesondere für die Zeiten der
                                                   der Abteilung für klinische und                   intensiveren Sonneneinstrahlung
Haut eindringt, ausgelöst. Zum anderen
                                                 experimentelle Berufsdermatologie                   von 11 bis 15 Uhr eine Kopfbede-
können sich im Laufe der Jahre auch Ver-                                                             ckung mit Schirm, langärmelige
änderungen im Erbgut der Hautzellen                 am Institut für Prävention und                   Kleidung tragen.
durch die UV-Strahlung ergeben. Dadurch            Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)                  ∙ Anwendung von UV-Schutzcremes
können sich bösartige Zellen entwickeln,                                                             bei den Körperstellen, die durch
die sich dann zunächst in der Oberhaut                                                               Kleidung nicht ausreichend
                                                                                                     geschützt sind – wie zum Beispiel
vermehren und zur Entstehung der Früh-        Die erwähnten Plattenepithelkarzinome                  die seitlichen Gesichtspartien,
formen des sogenannten hellen Hautkreb-       nehmen mit einer Neuerkrankungsrate                    Unterlippe, Ohren, Nacken,
ses führen. Diese Veränderungen sind zu-      von 30 und Basalzellkarzinome, eine                    Handrücken etc.
nächst auf die Oberhaut beschränkt und        andere Form des hellen Hautkrebses, mit                                                          ▸
                                                                                                                DGUV Forum 4/2017         11
Titelthema

„Häufig wird der Nacken nicht
richtig geschützt. Hier kommt es
dann zum Sonnenbrand.“

Keratosen – auch Vorstufen oder In-Situ-      Haare, blaue Augen und eine geringe oder      zu Flächen zusammenfließen. Auch nach
Plattenepithelkarzinome – genannt. So         unregelmäßige Bräunungstendenz – meist        Entfernung der Schuppen, zum Beispiel
haben zum Beispiel englische Studien          mit Sommersprossen – haben.                   durch unprofessionelles Abkratzen, bildet
zeigen können, dass sich bei 34 Prozent                                                     sich die raue Stelle nach einiger Zeit wieder.
aller 70-Jährigen bereits aktinische Kera-    Welche Körperstellen entwickeln Ihrer
tosen nachweisen lassen. Zusätzlich ist       Erfahrung nach die meisten aktini-            Welcher Unterschied besteht zwischen
bekannt, dass auch Basalzellkarzinome         schen Keratosen und Plattenepithel-           den aktinischen Keratosen und dem
zu einem gewissen Prozentsatz durch UV-       karzinome?                                    Plattenepithelkarzinom?
Strahlung entstehen können.                   FARTASCH: Aktinische Keratosen finden         FARTASCH: Die atypischen Zellen sind bei
                                              sich überwiegend in den Hautbereichen,        den aktinischen Keratosen noch auf die
                                              sogenannten Sonnentrassen, die während        Oberhaut beschränkt. Im Laufe der Jahre
„Der helle Hautkrebs ist in der               des ganzen Lebens dem Licht beziehungs-       können diese atypischen Zellen jedoch in
Bevölkerung – unabhängig vom                  weise der UV-Strahlung ausgesetzt sind.       tiefere Hautschichten eindringen. Durch
Beruf – sehr weit verbreitet.“                Hierbei handelt es sich um den Kopfbe-        Hautentnahme und feingewebliche Unter-
                                              reich mit Ohrmuscheln und Unterlippe –        suchung kann ein solches Fortschreiten
                                              speziell der Glatze bei Männern – sowie       festgestellt werden. Durch eine rechtzeiti-
Diese Entartungsprozesse werden generell      den Dekolleté-Bereich, oberer Rücken und      ge operative Entfernung mit Kontrolle des
auch durch eine weitere Eigenschaft der       die Arme – hier meist die Unterarme und       Randbereichs geht man von einer Heilung
UV-Strahlung begünstigt oder beschleu-        Handrücken.                                   an dieser Stelle aus. Dennoch kann es auf-
nigt: Die chronische Einwirkung der                                                         grund von Lichtschädigungen an anderen
Strahlung und hier insbesondere des UV-       Durch welche Symptome und Anzei-              Hautarealen gleichzeitig oder später wei-
A-Anteils der UV-Strahlung führt zusätz-      chen können Betroffene erkennen,              terhin zum Auftreten von aktinischen Ke-
lich zur Schwächung des Abwehrsystems         dass sie an Plattenepithelkarzinomen          ratosen und Plattenepithelkarzinomen
der Haut.                                     oder aktinischen Keratosen leiden?            kommen – insbesondere wenn die Haut
                                              FARTASCH: Es handelt sich um leicht bis       weiterhin der UV-Strahlung ausgesetzt ist.
Die kosmetischen – aber noch gutartigen       stärker gerötete beziehungsweise pigmen-      Aus diesem Grunde sollte man sich kon-
– Veränderungen sind bereits als Warnzei-     tierte Flecken mit festhaftender Schuppung    sequent vor der Sonne schützen.
chen für Schädigungen der Haut durch zu       auf einer verdickten Hornschicht. In der
viel Sonne zu werten. Diese Veränderun-       Frühphase kann man eine aktinische Kera-      Wie kann man den hellen Hautkrebs –
gen entwickeln hellhäutige Menschen im        tose aufgrund der schmiergelpapierar-         ist er erst einmal entstanden –
Laufe des Lebens schneller, da der entspre-   tigen Rauigkeit eher ertasten als optisch     behandeln?
chende Pigmentschutz geringer ausgeprägt      wahrnehmen. Die Größe kann dabei von          FARTASCH: Zur dermatologischen Be-
ist. Dazu gehören Menschen mit dem Licht-     einem Millimeter bis zwei Zentimeter betra-   handlung der aktinischen Keratosen gibt
typ I und II, die oft blonde oder rötliche    gen. Aktinische Keratosen können auch         es mehrere Verfahren. Die Auswahl der

12   DGUV Forum 4/2017
Interview mit Dr. Manigé Fartasch

                                                                 heißt jeden unnötigen Aufenthalt in der            dass der UV-Schutz mehrfach aufgetragen
                                                                 Sonne ohne Schutz vermeiden. Das gilt ins-         wird, da es durch Schwitzen und Abrieb des
                                                                 besondere für die Zeiten der intensiveren          UV-Schutzmittels zu einem verminderten
                                                                 Sonneneinstrahlung von 11 bis 15 Uhr.              Schutz kommen kann. Dies bedeutet aber
                                                                                                                    nicht, dass die angegebene Gesamtschutz-
                                                                                                                    zeit dadurch verlängert werden könnte.
                                                                 „Aktinische Keratosen finden sich
                                                                 überwiegend in den Hautbereichen,                  Können UV-Schutzmittel zu
                                                                 die während des ganzen Lebens                      Nebenwirkungen führen?
                                                                 UV-Strahlung ausgesetzt sind.“                     FARTASCH: Die UV-Schutzmittel werden
                                                                                                                    weltweit sehr häufig im Freizeitbereich
                                                                                                                    eingesetzt. Sie kommen zudem in zahl-
                                                                 Zu empfehlende Schutzmaßnahmen sind:               reichen Kosmetika vor. Nebenwirkungen
                                                                 Schatten aufsuchen, wann immer mög-                von UV-Schutzmitteln sind jedoch selten.
                                Foto: hikdaigaku86/fotolia.com

                                                                 lich, Kopfbedeckung, langärmelige Klei-            Es können Reizungen und allergische
                                                                 dung und die Anwendung von UV-Schutz-              oder photoallergische Reaktionen der
                                                                 cremes in den Regionen, die nicht durch            Haut auftreten. Photoallergische Reakti-
                                                                 Kleidung oder Kopfbedeckung mit Schirm             onen sind kontaktallergische Reaktio-
                                                                 ausreichend geschützt sind – wie zum               nen, die sich in Kombination mit einwir-
                                                                 Beispiel die seitlichen Gesichtspartien,           kender UV-Strahlung manifestieren. Für
                                                                 Unterlippe, Ohren, Nacken, Handrücken.             bestimmte Inhaltsstoffe ist im Tierver-
                                                                                                                    such und/oder in Zellversuchen eine ös-
                                                                 Welche Schwierigkeiten ergeben                     trogenartige Aktivität gezeigt worden, die
                                                                 sich bei der Nutzung von UV-Schutz-                allerdings für den Menschen als nicht re-
                                                                 präparaten?                                        levant eingestuft wird.1               •
individuell geeigneten Vorgehensweise                            FARTASCH: Meistens wird das UV-Schutz-
hängt ab: von der Ausdehnung und An-                             mittel nicht in einer ausreichenden Menge          Das Interview führte Jasmin
zahl der aktinischen Keratosen, der erfor-                       aufgetragen. Optimalerweise müssten 2 mg           Auf dem Berge
derlichen Behandlungszeit und von den                            pro Quadratzentimeter Haut aufgetragen
möglichen Nebenwirkungen der Therapie                            werden. Für den Kopf- und Halsbereich ist
und wird im Einzelnen genau abgestimmt.                          das so viel, wie auf die Länge des Zeige- und            Was sagt der LSF über die Schutz-
                                                                 Mittelfingers passt. Bei einem LSF 50 wäre               leistung des Produktes aus?
Sind die Veränderungen kleiner und flä-                          bei einem Außenarbeiter mit Hauttyp I und
                                                                                                                          Der Lichtschutzfaktor ist ein Maß
chenmäßig begrenzt, können zum Beispiel                          einer 5-10-minütigen Eigenschutzzeit der                 für die Stärke des Schutzeffektes
Maßnahmen wie die Kryotherapie, auch                             Haut dann eine Schutzzeit von ca. 500 min.               vor den ultravioletten B-Strahlen der
Vereisung genannt, chirurgische oder La-                         gegeben. In der Realität wird jedoch häu­­-              Sonne (295 bis 320 nm), die für die
ser-Abtragung und/oder eine Behandlung                           fig eine wesentlich geringere Menge UV-                  Entstehung eines Sonnenbrandes
                                                                                                                          (Sonnenerythem) verantwortlich
mit sogenannten Lokaltherapeutika mit                            Schutzmittel aufgetragen. Die Folge ist, dass            sind. Daher müsste man korrekter-
chemischer oder immunologisch wirkender                          die erreichte Schutzwirkung dramatisch                   weise von einem Sonnenbrand-
Zubereitung eingesetzt werden. Bei groß­                         sinkt, da wissenschaftlich ein exponentiel-              oder Erythemschutzfaktor sprechen.
                                                                                                                          Die Bestimmung des Lichtschutz-
flächiger Ausdehnung – insbesondere im                           ler Abfall angenommen wird und so nach
                                                                                                                          faktors erfolgt direkt am Menschen
Kopfbereich – setzen sich zunehmend die                          19 min. theoretisch ein Sonnenbrand bei ge-              (In-vivo-Testung nach der COLIPA
fotodynamischen Therapien als sogenann-                          ringer aufgetragener Menge auftreten kann.               International Sun Protection Factor
te Feldtherapie durch. Allerdings zeigen die                     Aktuelle Studien aus Deutschland berichte-               Test Method). Dazu wird zunächst
                                                                                                                          die ungeschützte Haut mit einer
Verfahren alle eine gewisse Rezidivrate –                        ten auch, dass selbst unter Studienbedin-                künstlichen Lichtquelle bestrahlt,
soll heißen, dass die aktinischen Keratosen                      gungen – nach praktischem Training mit                   die ein sonnenähnliches Spektrum
erneut an dieser Stelle auftreten können.                        jedem einzelnen Teilnehmer – die empfoh-                 aussendet. Man ermittelt die Zeit
                                                                 lene Menge von 2 mg UV-Schutzprodukt/                    beziehungsweise die UV-B-Dosis,
                                                                                                                          die zu einer Hautrötung führt (MED =
Die Behandlung von beruflich bedingtem                           cm2 deut­­­lich unterschritten wird. In der Pra-         Minimale Erythemdosis). Danach
Hautkrebs folgt den gleichen Prinzipien.                         xis werden noch weitaus geringere Mengen                 wird die mit einem UV-Schutzmittel
Da es sich hierbei um eine chronische Er-                        appliziert. Die Spannweite reicht hier von               geschützte Haut in gleicher Weise
                                                                                                                          behandelt. Der Lichtschutzfaktor
krankung der Haut handelt, ist die regel-                        0,4–0,8 mg/cm2. Auch ist darauf zu achten,
                                                                                                                          ergibt sich aus der Beziehung: LSF =
mäßige Kontrolle der Haut notwendig.                                                                                      Zeit bis zum Erythem mit UV-Schutz-
                                                                                                                          mittel/Zeit bis zum Erythem ohne.
Welche Schutzmaßnahmen empfehlen                                        Fußnote                                           Der LSF erlaubt dem Konsumenten
                                                                                                                          einen direkten Vergleich der Schutz-
Sie den Betroffenen nach der Diagnose?                                  [1] Bundesinstitut für Risikobewer-               leistung von UV-Schutzmitteln. Für die
FARTASCH: Bei bereits Erkrankten muss                                   tung, BfR. Stellungnahme                          Messung wird eine Menge von 2 mg
auf jeden Fall ein konsequentes Licht-                                  Nr. 035/2005 vom 22.08.2005                       UV-Schutzcreme/cm2 verwendet.
schutzverhalten eingehalten werden, das

                                                                                                                                         DGUV Forum 4/2017         13
Titelthema

Interview mit Gerald Rehme

„Wir setzen auf Einsicht“
In der Bauwirtschaft spielen seit jeher Wetter- und Witterungseinflüsse eine große Rolle. Deshalb ist auch
die Präventionsarbeit wichtig, um Gesundheitsgefahren durch ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung)
sowie die Berufskrankheit (BK) Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinom und aktinische Keratosen“ zu vermeiden.
DGUV Forum sprach darüber mit Gerald Rehme, Bereichsleiter Prävention Berufskrankheiten der
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU).

Herr Rehme, wenn Sie Unternehmerin-             Prozent der Entscheidungen um Anerken-         beitgeberinnen und Arbeitgeber, der Mitar-
nen und Unternehmer auf die Schutz-             nungen. Von diesen anerkannten Fällen          beiterinnen und Mitarbeiter entstehen.
maßnahmen zur Prävention von Platten-           sind wiederum etwa fünf Prozent mit ei-        Und genau das ist auch der springende
epithelkarzinomen und aktinischen               ner Rentenzahlung verbunden. Zu den Al-        Punkt: Vorschriften helfen uns hier nicht
Keratosen aufmerksam machen, wie                tersgruppen lässt sich sagen, dass circa       weiter – Einsicht ist das, worauf wir setzen.
oft hören Sie dann: „Das geht nicht“?           80 Prozent der versicherten Personen das
REHME: Zumindest weniger häufig als noch        Rentenalter bei Eingang der BK-Meldung
im Jahre 2015, als der Hautkrebs durch sola-    bereits überschritten hatten. Die Vertei-      „Die Aufklärung über die
re UV-Strahlung als neue Berufskrankheit        lung bei den restlichen 20 Prozent hatte       möglichen Schädigungen durch
in die Berufskrankheiten-Verordnung auf-        einen Schwerpunkt bei den über 55-Jähri-       solare UV-Strahlung muss
genommen wurde. Aber Sie haben Recht,           gen. Das bestätigt, dass sich die Schäden      so früh wie möglich beginnen.“
das Thema ist noch gar nicht in der Breite      durch die UV-Strahlung der Sonne erst re-
bei unseren Mitgliedsunternehmen an-            lativ spät deutlich zeigen.
gekommen. Es ist aber – insbesondere am                                                        Der Punkt Können ist dabei noch der ein-
Bau – auch gar nicht einfach zu vermitteln.     Wissen, Wollen und Können – das sind           fachste: Schutzmaßnahmen gegen solare
Wenn Sie beispielsweise versuchen, den          die Voraussetzungen für den erfolg-            UV-Strahlung sind nicht kompliziert und
Beschäftigten zu erklären, dass sie bei einer   reichen Schutz gegen UV-Strahlung.             können von jedem angewandt werden.
Außentemperatur von 30 Grad oder mehr           Welche Grundkompetenzen benötigen              Man kann es auch so formulieren: Mit ge-
in langer Kleidung arbeiten sollen, stößt       die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber,          sundem Menschenverstand und dem Wis-
das im ersten Anlauf auf wenig Verständnis,     aber auch die Beschäftigten, um sich           sen, möglichst wenig Haut der direkten
geschweige denn auf Begeisterung.               zu schützen?                                   Sonneneinstrahlung auszusetzen, lässt
                                                REHME: Sie nennen die Grundkompeten-           sich hier sehr viel erreichen.
Die Relevanz der Prävention von                 zen genau in der richtigen Reihenfolge.
UV-Strahlung wurde auch in ersten               Zunächst einmal ist aus Sicht der BG BAU       Dass auch heute noch viele Beschäf-
Ergebnissen des Forschungsprojekts              die Information über die möglichen Ge-         tigte ohne Oberbekleidung im Freien
GENESIS-UV bestätigt. Unter den                 fährdungen durch solare UV-Strahlung           arbeiten, ist nicht zu übersehen.
Top 10 der am meisten belasteten                das A und O. Dies gilt nicht nur für Arbeit-   Mit welchen Maßnahmen unterstützt
Berufe finden sich auch einige der              geberinnen und Arbeitgeber, sondern            die BG BAU die Unternehmen und
Bauwirtschaft. Wie häufig ist die               gerade auch für die betroffenen Mitar-         Beschäftigten, um die Kompetenzen
Berufskrankheit Nr. 5103 bei der BG             beiterinnen und Mitarbeiter. Nur durch         aller Beteiligten zum Schutz vor
BAU angezeigt und anerkannt worden              fundiertes Wissen über die möglichen           UV-Strahlung zu fördern?
und in welchen Altersgruppen be-                Gefährdungen und deren Ursachen lässt          REHME: Information und Aufklärung auf
finden sich die Betroffenen?                    sich hier etwas bewegen. Von daher hat die     allen zur Verfügung stehenden Ebenen.
REHME: Die BK 5103 war bei der BG BAU           BG BAU auch für das Jahr 2017 den Schutz       Ob in der Presse, den sozialen Medien, im
im Jahr 2015 die am häufigsten angezeigte       gegen solare UV-Strahlung ganz oben auf        direkten Gespräch – wo auch immer. Die
Berufskrankheit von allen. Die Größen-          ihre Prioritätenliste gesetzt.                 Vermittlung von Wissen findet zum Bei-
ordnung lag bei knapp 2.800 Verdachts-                                                         spiel über unsere Mitgliederzeitschriften,
anzeigen. Das entsprach in etwa einem           Der zweite Punkt, das Wollen, liegt nur in-    das Internet, Vorträge auf Innungsveran-
Viertel aller BK-Verdachtsanzeigen. Im          direkt in unserer Hand. Aber wir können        staltungen, aber auch direkt in den Betrie-
Jahr 2016 beobachteten wir einen sehr           das beeinflussen. Hier ist es unsere Auf-      ben vor Ort auf den Baustellen statt. Un-
leichten Rückgang der Meldungen. Bei            gabe als Unfallversicherungsträger, die        sere Aufsichtspersonen sind gehalten, mit
den Entscheidungen liegt der Schwer-            Betroffenen von der Notwendigkeit der          gutem Beispiel voranzugehen, was den
punkt ganz klar auf den Anerkennungen.          Schutzmaßnahmen zu überzeugen. Nur             UV-Schutz betrifft, und sich entsprechend
Im 1. Halbjahr 2016 handelte es sich bei 73     dann kann ein Wollen auf Seiten der Ar-        zu kleiden. Auch der Arbeitsmedizinisch-

14   DGUV Forum 4/2017
Interview mit Gerald Rehme

                                Tätigkeiten wenn möglich im Schatten ausführen und
                                direkt Sonneneinstrahlung meiden
                                (besonders zwischen 11 Uhr und 15 Uhr)
                                                                                                                  Kopfbedeckung und körperbedeckende,
                                                                                                                        luftdurchlässige Kleidung tragen

                                                                                                                              Sonnenschutzbrille tragen
                                                                                                                        (nach DIN EN 166 und DIN EN 172)

                                Ausreichend trinken: Mineralwasser,
                                Fruchtschorle (mind. 2,5 Liter)

                                Alkohol meiden
                                                                                                               Unbedeckte Haut vor Arbeitsbeginn mit
                                                                                                              Sonnenschutzcreme (LSF 30) eincremen,
                                Leichte Mahlzeiten bevorzugen                                                         alle zwei Stunden wiederholen

                                                                                                                                 Regelmäßige Pausen im
                                                                                                                                      Schatten machen
 Foto: H.ZWEI.S DESIGN/BG BAU

Schutzmaßnahmen gegen UV-Strahlung

Sicherheitstechnische Dienst der BG BAU                               Wieso ist gerade diese Zielgruppe             Der Arbeitsmedizinisch-Sicherheits-
konzentriert seine Aktivitäten verstärkt                              so wichtig hinsichtlich der Sensibilisie-     technische Dienst, der ASD, ist bei
auf Information im Rahmen seiner be-                                  rung zum Thema UV-Strahlung?                  Ihnen eine Möglichkeit, die Beschäftig-
triebsärztlichen bzw. sicherheitstechni-                              REHME: Unserer Meinung nach muss die          ten zu erreichen. Was könnte eine
schen Betreuung.                                                      Aufklärung über die möglichen Schädi-         konkrete Hilfe des ASD sein?
                                                                      gungen durch solare UV-Strahlung so früh      REHME: Im Rahmen von betrieblichen
Die BG BAU wird in allen Schulungen und                               wie möglich beginnen. Dies wird zugege-       Veranstaltungen oder auch auf Baustellen
Lehrgängen, beispielsweise bei Sicher-                                benermaßen ein langwieriger Prozess           beraten wir die Unternehmen und deren
heitsbeauftragten oder Fachkräften für                                werden. Wir haben hier das Problem, dass      Beschäftigte branchenspezifisch sowie
Arbeitssicherheit dieses Thema aufgrei-                               in unserer heutigen Gesellschaft gebräun-     im Hinblick auf ihre konkreten Gefähr-
fen. Aber auch die Berufsanfängerinnen                                te Haut immer noch positiv belegt ist und     dungen. Neben dem bereits Genannten
und Berufsanfänger in der Lehrlingsaus-                               nicht als erste Abwehrreaktion der Haut       bietet der ASD der BG BAU praxisgerechte
bildung haben wir im Auge.                                            auf die UV-Strahlen verstanden wird.          Lösungen für die Beschäftigten der Bau-     ▸
                                                                                                                                      DGUV Forum 4/2017    15
Titelthema

            „Bei den meisten Tätigkeiten in der Baubranche müssen wir auf
               Schutzmaßnahmen direkt an der Person zurückgreifen.
         Technische Maßnahmen greifen infolge der sich stetig verändernden,
              nicht stationären Arbeitsplätze nur in begrenztem Maße.“

wirtschaft an. Dabei helfen wir zum Bei-      den Maßnahmen zur Prävention von              Auch organisatorische Maßnahmen wie
spiel mit einer Bewertung der Schutz­         UV-Strahlung im Bereich der Tätigkeiten       das Verlegen der Tätigkeit in weniger UV-
maßnahmen. Im Klartext: Was ist sinnvoll      der Versicherten der Berufsgenossen-          intensive Tages- oder Jahreszeiten sind il-
und was ist weniger sinnvoll. Nehmen Sie      schaft der Bauwirtschaft?                     lusorisch. Das ist auf Baustellen nur sehr
zum Beispiel die Beschäftigten im Dach-       REHME: Die ehrliche Antwort an dieser         begrenzt möglich. Klassisch beginnen
deckerhandwerk. Technische Schutzmaß-         Stelle lautet: Bei den meisten Tätigkeiten    wir beim Bau eines Gebäudes mit der Fun-
nahmen wie Verschattung sind auf Dä-          müssen wir auf Schutzmaßnahmen direkt         damentierung und arbeiten uns dann in
chern kaum umzusetzen. Damit sind wir         an der Person zurückgreifen. Technische       die Höhe. An diesen Abläufen lässt sich
an einem Punkt, an welchem wir genau          Maßnahmen greifen infolge der sich stetig     nichts ändern. Im Detail gibt es natürlich
genommen nur noch die Person direkt                                                         immer Lösungsansätze. So zum Beispiel,
schützen können. Hier können wir Hilfe-                                                     dass ein Installateur seine Rohrleitungen
stellung geben, welche Art von Kleidung                                                     auf seiner Werkbank nicht ausgerechnet
Sinn macht. Im Rahmen von arbeitsme-                                                        in der prallen Sonne zurichtet, sondern
dizinischen Untersuchungen werden ins-                                                      sich dafür einen Schattenplatz sucht.
besondere Beschäftigte mit vermehrter                                                       Aber letztendlich bleibt uns häufig nur,
Outdoortätigkeit sensibilisiert und zu per­                                                 ganz direkt die Mitarbeiterinnen und Mit-
­sönlichen Schutzmaßnahmen beraten.                                                         arbeiter selbst auf den Baustellen vor der
 Altersabhängig erfolgt zudem eine Unter-                                                   Sonneneinstrahlung zu schützen.
 suchung der Haut des Beschäftigten, ins
 besondere der Hautstellen, die der Sonnen-                                                 Dass die Umsetzung technischer und
 strahlung am stärksten ausgesetzt sind.                                                    organisatorischer Schutzmaßnahmen
 Zeigen sich bei einer Untersuchung erste                                                   Vorrang hat, ist selbstverständlich.
 Verdachtsmomente auf ernste Hautschä-                                                      Sollten diese Möglichkeiten ausgereizt
 den, beraten die Betriebsärzte zu mögli-                                                   sein, kommen persönliche Schutz­
 chen Handlungsoptionen.                                                                    maßnahmen ins Spiel. Welche Schutz-
                                                                                            maßnahmen empfehlen Sie konkret
Haben Sie konkrete Anreize für die                 Gerald Rehme ist Bereichsleiter          für einen wirksamen Schutz vor
Unternehmen, die Umsetzung der                    Prävention Berufskrankheiten der          UV-Strahlung?
Präventionsmaßnahmen gegen                                     BG BAU.                      REHME: Ausgehend von der Überlegung,
UV-Strahlung in der Praxis zu fördern?                                                      möglichst wenig oder gar keine Hautfläche
REHME: Ja, seit dem vorigen Jahr. Ne­­-                                                     der direkten Sonnenstrahlung auszuset-
ben hochsichtbarer Warnkleidung mit           verändernden, nicht stationären Arbeits-      zen, ergibt sich hier ein einfach anzuwen-
UV-Schutz fördern wir auch Kühlwesten,        plätze nur in begrenztem Maße. Natürlich      dendes Konzept. Lange Hosen und langär-
Kopfbedeckungen und UV-Schutz-Brillen.        könnte man eine Baustelle unter ein Wet-      melige Hemden schützen den größten Teil
Fördern heißt hier konkret: Die BG BAU        terschutzdach oder ein Zelt packen, aber      des Körpers. Dabei ist zu erwähnen, dass
übernimmt circa 25 Prozent der Anschaf-       mit einer solchen Lösung werden nur wei-      nach derzeitigem Kenntnisstand die nor-
fungskosten. Die von uns geförderten          tere Probleme geschaffen. Abgesehen von       male Arbeitskleidung völlig ausreicht. Das
Arbeitsschutzprämien – so nennen wir          den Kosten bekommen wir Probleme mit          Tragen von geschlossenen Schutzschuhen
das – müssen natürlich bestimmten An-         dem Krantransport – einer der wesentli-       setzen wir voraus. Schauen wir uns die
forderungen genügen. Diese finden sich        chen Arbeitsabläufe und Hilfsmittel auf       Stellen an, an welchen wir den Hautkrebs
auf der Website der BG BAU.                   unseren Baustellen. Was man auch nicht        bevorzugt finden, so müssen Kopf, Ohren
                                              außer Acht lassen darf, ist, dass UV-Strah-   und Nacken unbedingt geschützt wer-
Dass bei der Gefährdungsbeurteilung           lung im Sommer auch mit Hitze einher-         den. Möglich ist dies durch einen Hut mit
und den daraus resultierenden Maß-            geht. Somit würde sich beispielsweise zu-     breiter Krempe oder durch Kappen mit
nahmen nach dem TOP-Prinzip vorge-            sätzlich das Problem eines Hitzestaus         Nackentüchern. Besteht Helmpflicht, so
gangen wird, darüber sind wir uns             oder der erforderlichen Lüftung ergeben.      sollte auch der Bauhelm über ein Tuch
einig. Welche realistischen Möglichkei-       Aber ein Sonnenschirm für einen Pflaste-      verfügen, welches den Nacken und die
ten sehen Sie in diesem Kontext bei           rer ist eine perfekte Lösung.                 Ohren schützt. Für alle anderen Hautpar-

16   DGUV Forum 4/2017
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