Supported Employment FOKUS - INSOS Schweiz
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Das Magazin ZUKUNFT GESTALTEN Juni 2019 - Nr. 58 FOKUS Supported Employment Die kulturelle Teilhabe stärken 3 Tricks für die interne Kommunikation Kulturelle Teilhabe ist eine zentrale Forderung der Intern erfolgreich zu kommunizieren, stellt eine echte UN-BRK. Wir zeigen, wie Sie die kulturelle Teilhabe Herausforderung dar. Wir stellen Ihnen drei konkrete stärken und innere Barrieren überwinden können. Tricks eines Kommunikationsprofis vor.
INHALT 03 EDITORIAL FOKUS 04 Supported Employment KULTURELLE TEILHABE SUPPORTED EMPLOYMENT 11 Und jetzt mal ordentlich Theater machen! Die Heimstätten Wil haben Suppported Employment 2016 systematisch eingeführt. In unserem Interview erfahren Sie, weshalb sich dieser Entscheid gelohnt hat. Seite 08 PRA 14 PrA-Lernende kämpfen gegen einen IVG-Artikel KOMMUNIKATION 16 3 Tipps für die erfolgreiche interne Kommunikation GESUNDHEITSSCHUTZ 18 Fragen, die es nach einer Krankheit zu klären gibt FAQ RECHT 19 Wie sieht das denn rechtlich aus? TEILHABEN Wir zeigen, wie Sie als Fachperson und Institution die kulturelle Teilhabe von Menschen mit 20 VERANSTALTUNGEN Behinderung stärken können. Seite 11 Mehr zum Thema unter www.blog.insos.ch KOMMUNIKATION Drei hilfreiche Tipps vom Kommunikationsprofi für eine bessere Kommunikation mit Ihren Mitarbeitenden. Seite 16 2 MAGAZIN 02|2019
EDITORIAL «Supported Employment schafft Zugang zum Arbeitsmarkt und komplettiert die Arbeitsangebote im geschützten Bereich.» Supported Employment – ein wichtiger Puzzlestein Menschen mit Behinderung haben das Recht auf die Mög- ellen Magazin lernen Sie das Handlungskonzept näher kennen. lichkeit, ihren Lebensunterhalt mit Arbeit zu verdienen und Sie erhalten fünf Tipps für die Einführung von SE in Ihrer Insti- diese Arbeit in einem offenen, integrativen Arbeitsmarkt frei zu tution. Und Sie lesen, welche Erfahrungen die Heimstätten Wil wählen. So steht es in Artikel 27 der UN-BRK. Er lässt viel Inter- mit dem Konzept gemacht und weshalb sich aus ihrer Sicht die pretationsspielraum. Der Fokus liegt jedoch eindeutig auf der Einführung von SE gelohnt hat. Chancengleichheit und Wahlfreiheit im Arbeitsmarkt. Für Dienst- leistungsanbieter bedeutet dies, unterschiedliche Arbeitsange- Kulturelle Teilhabe ist das Thema unseres zweiten Schwer- bote zur Verfügung zu stellen – intern wie extern. Ein wichtiger punkts. Auch sie ist eine zentrale Forderung der UN-BRK (Artikel Puzzlestein ist dabei Supported Employment: Das Handlungs- 30). Wir erklären, warum es einen grossen Unterschied macht, konzept schafft Zugang zu Arbeit im ungeschützten Bereich und ob jemand eine kulturelle Veranstaltung einfach besucht oder komplettiert andere Angebote auf entscheidende Weise. sie eigenständig und aktiv (mit)gestaltet. Und wir zeigen Punkt für Punkt, wie Fachpersonen und Institutionen die kulturelle Wie funktioniert Supported Employment? Welche Lern- Teilhabe von Menschen mit Behinderung stärken und Barrieren prozesse stösst es an? Und wie lässt es sich am besten in einer im eigenen Kopf überwinden können. – Ich wünsche Ihnen eine Institution für Menschen mit Behinderung einführen? Im aktu- interessante Lektüre! Peter Saxenhofer Geschäftsführer INSOS Schweiz Titelbild: Job Coach Roman Häsler (Heimstätten Wil) im Gespräch mit Marcel Gutknecht (rechts) Foto: Matthias Luggen MAGAZIN 02|2019 3
Job Coach Roman Häsler (links) unterstützt Marcel Gutknecht in seinem Job in der Buchhandlung Adhoc in Wil. Bild: M. Luggen Supported Employment geht uns alle an Mit Supported Employment gelingt es, Menschen mit unterschiedlichem Unterstützungs- bedarf erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Grund genug also, die Einführung von Supported Employment auch in Ihrer Institution zu prüfen. Wenn wir von der UN-Behinderten- wenn ihre Arbeitsmarktfähigkeit als wichtig, sich für die Einführung von rechtskonvention sprechen, von nicht besonders hoch eingeschätzt Supported Employment Zeit zu neh- Selbstbestimmung, Teilhabe und wird. Ein Paradigmenwechsel par ex- men und alle Beteiligten ins Boot zu Wahlfreiheit, dann sollten wir auch cellence! holen», betont Schaufelberger. über Supported Employment (SE) sprechen. Denn dieses Handlungs- Umdenken Personenzentriert arbeiten konzept der Arbeitsintegration (vgl. Supported Employment stellt tra- Wie wirkungsvoll ist Supported Em- Seite 5) stellt den stellensuchenden dierte Haltungen, Abteilungsdenken, ployment? Studien aus den USA und etablierte Strukturen und Abläufe in Deutschland kommen zum Schluss, Institutionen für Menschen mit Be- dass SE ein erfolgreiches Handlungs- «Bei SE verläuft jeder hinderung auf den Kopf: «SE orientiert konzept für die Arbeitsintegration Integrationsprozess individuell. sich an den Möglichkeiten und Wün- ist. «Entscheidend für seine positive Für Institutionen ist das oft eine schen der Klientinnen und Klienten. Wirkung ist der personenzentrierte grosse Umstellung.» Dadurch verläuft jeder Integrations- Ansatz», sagt Daniel Schaufelberger. prozess individuell. Für Institutionen Gemeint ist der Grundsatz, dass Job Menschen mit Behinderung konse- ist das oft eine grosse Umstellung», Coaches immer die individuelle Situ- quent in den Mittelpunkt: Die Per- sagt Organisationsberater Daniel ation der Person als Ausgangspunkt son wird zur Auftraggeberin, die Schaufelberger (vgl. Seite 6). nehmen und dann mit der Person ei- bestimmt, wohin die Reise geht. Der Dieses radikale Umdenken könne nen Arbeitsplatz suchen, der mit ihren Job Coach unterstützt die Person in- Ängste schüren, Widerstände aus- eigenen Möglichkeiten und Erwartun- dividuell auf ihrem Weg – auch dann, lösen und lähmen. «Deshalb ist es gen übereinstimmt. 4 MAGAZIN 02|2019
SUPPORTED EMPLOYMENT KURZ ERKLÄRT Warum SE wirkt Supported Employment (SE) ist mehr als Job Coaching: Es ist ein Hand- Gemäss Studien sind insbesondere fol- lungskonzept der Arbeitsintegration mit spezifischen Werten, Prinzipien gende Faktoren für einen nachhaltigen und Leitsätzen. Das Konzept geht von einer zeitlich unbeschränkten Be- Erfolg von SE wichtig: gleitung aus – und macht die Klientin zur Arbeitgeberin. OO eine rasche Jobsuche: «Das heisst: keine langen Abklärungen oder Trai- Wichtige Merkmale Unterstützungsprozess nings im Voraus. Wichtig ist, dass OO Ziel von SE ist es, eine bezahlte 1. Phase: Orientierung & Auftrag die Person möglichst direkt über die Arbeit (wieder) zu erlangen oder zu Der Job Coach und die Klientin klä- Erfahrung im Arbeitsmarkt lernen erhalten. ren gemeinsam Wünsche, Ängste, kann», erklärt Daniel Schaufelberger. OO Es gilt der Grundsatz «zero re- Erfahrungen etc. und schliessen eine OO die Begleitung nach Stellenantritt: ject»: SE steht allen Menschen Integrationsvereinbarung. Die Klien- «Sie dauert idealerweise so lange wie offen, die einer bezahlten Arbeit tin entscheidet selbstbestimmt, ob es für eine Person nötig ist», sagt nachgehen wollen. Eine möglichst sie das SE-Angebot nutzen will. Schaufelberger. Die entsprechende hohe Arbeitsmarktfähigkeit, wie es Finanzierung sei jedoch oftmals nicht die klassische Arbeitsvermittlung 2. Phase: Fähigkeitsprofil sichergestellt. (Wie die Heimstätten vorsieht, ist keine Voraussetzung. Der Job Coach erstellt ein differen- Wil ihr SE-Angebot finanzieren, er- OO SE basiert auf Werten und ziertes Bild ihrer Stärken, Erfahrun- fahren Sie auf Seite 8.) Prinzipien, die mit der UN-Behin- gen, beruflichen Wünsche etc. Er dertenrechtskonvention über- berücksichtigt dabei auch ihr per- Wichtig sind durchlässige Angebote einstimmen: Individualität, sönliches Umfeld und ihre Lebenssi- Was bedeutet der Erfolg von SE nun Selbstbestimmung, Empower- tuation. Daraus leitet er den Unter- für die Angebotspalette der Instituti- ment, fundierte Entscheidungen, stützungsbedarf ab und erarbeitet onen für Menschen mit Behinderung? Flexibilität, Barrierefreiheit der mit der Klientin eine Unterstützungs- «SE geht uns alle an. Es macht je- Dienstleistungen etc. strategie sowie einen Aktionsplan. doch keinen Sinn, SE gegen andere OO Ein zentraler Leitsatz lautet: Arbeitsangebote auszuspielen», sagt «Erst platzieren, dann trainie- 3. Phase: Arbeitsplatzsuche Annina Studer, Leiterin des Bereichs ren.» Ziel ist es, die Klientin ohne In der klassischen Personalvermitt- Arbeitswelt bei INSOS Schweiz. Je vorbereitende Aufbauprogramme lung werden passende Stellensu- nach Person sei das eine geeigneter direkt an einen Arbeitsplatz zu ver- chende auf offene Stellen vermittelt. als das andere. «Zentral ist vielmehr, mitteln. Sie wird am Arbeitsplatz Bei SE wird ein passender Arbeits- dass Menschen mit Behinderung aus qualifiziert und individuell unter- platz für die Klientin gesucht. Im Fo- verschiedenen Arbeitsangeboten stützt. kus stehen ihre Anliegen sowie die selbstbestimmt und freiwillig das für OO SE ermöglicht eine zeitlich Erwartungen und die Möglichkeiten sie passende auswählen können», be- unbeschränkte Unterstützung. von Arbeitgebern, eine Stelle anzu- tont sie. Entscheidend sei dabei die OO SE setzt auf interdisziplinäre passen (Job Carving). Durchlässigkeit der Angebote. «Sie Teams. Dazu gehören beispiels- erlaubt einer Person eine Rückkehr weise Ärzte, Versicherer, Psycho- 4. Phase: Unterstützung im Job sowie einen wiederholten Neustart», logen, Arbeitgeber und Personen SE ist mit dem Stellenantritt nicht erklärt Annina Studer. «Dadurch ist aus dem privaten Netzwerk. abgeschlossen. Der Job Coach un- eine fortlaufende berufliche Entwick- OO SE ist eine kontinuierliche «Ko- terstützt kontinuierlich die betrieb- lung möglich.» produktion». Der Unterstüt- liche Integration, begleitet die Per- zungsprozess orientiert sich kon- son, Vorgesetzte und Kollegen und Barbara Lauber sequent am individuellen Bedarf berät den Arbeitgeber. Form und Supported Employment ist auch ein der Klientin, die auch Auftragge- Intensität der Unterstützung hängen Schwerpunkt im Aktionsplan UN-BRK: berin ist. Er gliedert sich in vier ab vom Bedarf der Klientin und des www.aktionsplan-un-brk.ch Phasen. Unternehmens. (blb) MAGAZIN 02|2019 5
ZUKUNFT GESTALTEN FÜNF TIPPS FÜR DIE EINFÜHRUNG VON SUPPORTED EMPLOYMENT Immer mehr Institutionen überlegen sich, ihr Angebot mit Supported Employment (SE) zu ergänzen. Die Einführung von SE löst meist einen grundlegenden Veränderungsprozess aus. Wie ist dieser zu gestalten? TIPP 2 SEIEN SIE MUTIG UND BEKENNEN SIE FARBE Die Einführung von SE bedeutet für Institutionen in der Regel, unsicheres TIPP 1 Terrain zu betreten. Die Werte und Vorgehensweisen in SE können sich wesentlich von den bisherigen Arbeits- ORIENTIEREN SIE SICH weisen und Haltungen in der Institution AM BEDARF DER PERSONEN unterscheiden. Möglicherweise gibt es MIT BEHINDERUNG Bedenken, dass SE die Zukunft der in- ternen Betriebe gefährden könnte. Die Frage, was eine Person will und benötigt, Hinzu kommt die Unsicherheit bezüglich steht immer im Zentrum von SE. Die Finanzierung. Wie bei anderen Antwort zeigt, ob die Person überhaupt Innovationen braucht es auch bei SE braucht, und sie definiert die Form der Einführung von SE Mut. Wichtig ist, der Unterstützung. Oft setzen Institu- dass die Leitung ein klares Bekenntnis tionen auf SE, weil sich damit ein neuer abgibt und gewillt ist, den Prozess Markt erschliessen lässt oder die IV der Entwicklung und Einführung von danach fragt. SE funktioniert jedoch nur, SE aktiv zu gestalten. wenn dafür ein Bedarf besteht. Für die Die Tipps stammen von Einführung von SE ist es wichtig, dass die Daniel Schaufelberger. Institution, die Kostenträger und Er ist Organisationsberater (www.bueromorpho.ch) die Nutzer*innen einen Handlungsbedarf und Autor des Buches «Supported Employment - sehen und den Wunsch haben, die bis- Arbeitsintegration für Personen mit erschwertem herigen Angebote zu ergänzen und neue Zugang zum Arbeitsmarkt». Wege der Integration zu beschreiten. 6 MAGAZIN 02|2019
SUPPORTED EMPLOYMENT ZUKUNFT GESTALTEN TIPP 4 DENKEN SIE SE ALS PROZESS FÜR NUTZERINNEN UND NUTZER SE ist in der Praxis dann erfolgreich, wenn die Dienstleistung als umfassender Prozess – vom Erstkontakt bis zum Ende TIPP 5 der Zusammenarbeit – funktioniert. ERMÖGLICHEN SIE Es empfiehlt sich daher, SE aus Sicht der LERNPROZESSE FÜR (künftigen) Nutzer*innen zu konzipieren MITARBEITENDE UND FÜR – oder am besten mit Ihnen zusammen. DIE ORGANISATION Wie gelangen sie zum SE-Angebot? Was ist ihnen in der Zusammenarbeit Zuerst das Konzept und dann die mit dem Job Coach wichtig? Und wie wird Umsetzung? Oder besser gleich anfangen? die Dreiecksbeziehung zwischen Job SE-Angebote entstehen in der Praxis auf Coach, Nutzer*in und Auftraggeber bzw. unterschiedliche Weise. Bewährt hat sich, Kostenträger und später zusätzlich mit wenn sich Konzipierung und Erprobung dem Arbeitgeber gestaltet? Auch wenn abwechseln. Ein Angebotsentwicklungs- die Umsetzung im Einzelfall individuell prozess braucht wiederkehrende erfolgt, ist es in der Konzeptentwicklung Phasen der Entwicklung, Erprobung und TIPP 3 wichtig, Antworten auf diese Fragen zu finden. Die Auseinandersetzung führt dazu, dass SE als Dienstleistungsprozess Reflexion. Es empfiehlt sich, rasch erste Umsetzungsschritte anzugehen, die Er- fahrungen auszuwerten und in die weitere BEZIEHEN SIE VERSCHIEDENE für Kund*innen verstanden wird und sich Planung einfliessen zu lassen. SICHTWEISEN EIN nicht an bisherigen Zuständigkeiten oder Im Einführungsprozess geht es darum, Abteilungsgrenzen ausrichten muss. Lernschlaufen für Mitarbeitende und die Bei der Entwicklung eines neuen Angebots Organisation einzubauen. Mitarbeitende treffen verschiedene Sichtweisen und müssen für SE qualifiziert werden. Ansprüche aufeinander. Kostenträger, Die Qualität steht und fällt mit den Arbeitgeber, Stiftungsräte, das Fach- Kompetenzen der Job Coaches. personal und Mitarbeitende mit Das Know-how sollte aber nicht nur an Behinderung: Sie alle haben berechtigte die Mitarbeitenden gebunden, sondern Anliegen. SE funktioniert längerfristig auch konzeptionell verankert sein. nur, wenn diese berücksichtigt werden. Eine offene Kultur und die Bereitschaft, Entsprechend ist es sinnvoll, die die Abläufe und Muster der Organisation verschiedenen Anspruchsgruppen zu hinterfragen und flexibel zu bleiben, und ihre Sichtweisen bereits bei der unterstützen diesen Prozess. Entwicklung und Konzipierung von SE SE-Grundsätze lassen sich nicht alle aktiv einzubeziehen. Gemischte Teams von heute auf morgen umsetzen. erzielen in Entwicklungsprojekten bessere Die Implementierung von SE braucht Ergebnisse als Einzelpersonen. Zeit und erfolgt meist Schritt um Schritt. MAGAZIN 02|2019 7
SUPPORTED EMPLOYMENT «Nachhaltig arbeiten heisst, nichts zu erzwingen» Die Heimstätten Wil entschieden 2016, ihre Werkstätte zu öffnen und Supported Employment einzuführen. Im Interview spricht Christina Huber, Leiterin Berufliche Entwicklung, über den erfolgten Paradigmenwechsel, anfängliche Widerstände und Missverständnisse, den gemeinsamen Lernprozess sowie Klienten als Prozessgestalter und Auftraggeber. Die Heimstätten Wil haben Suppor- Wie sind Sie mit Supported Employ- Wie gut arbeiten Gruppenleiter und ted Employment 2016 systematisch ment gestartet? Job Coaches heute zusammen? eingeführt. Weshalb? Ich las mich ins Thema ein, absolvier- Anfänglich kam es zu Missverständ- Der Hauptgrund waren Mitarbeiten- te den CAS Supported Employment nissen, weil wir die Kommunikation de, die in ihrer Entwicklung in der und begann, in Ergänzung zu den ge- im Sinne von Empowerment an die Werkstätte anstanden: Sie wünschten schützten Arbeitsplätzen die neuen Klienten delegiert haben. Aber die sich eine berufliche Veränderung. Uns Strukturen aufzubauen. Wir profitier- Klärungsprozesse haben sich gelohnt, wurde bewusst: Unsere Werkstätte ten dabei sehr von der Zusammenar- die Koordination ist heute eingespielt. beit mit einer anderen Einrichtung, die Ein Vorteil ist, dass das SE-Büro und SE bereits anbot. Am Anfang war SE die Werkstätte im gleichen Haus sind. bei uns eine One-Woman-Show. Heu- Diese Nähe fördert die Durchlässigkeit te arbeiten drei Job Coaches in unserer und das gegenseitige Lernen sehr. Abteilung. Und wir verfügen über of- Christina Huber ist fene, moderne Beratungsräume. Wie hat sich Ihre Arbeit mit Suppor- Leiterin Berufliche ted Employment verändert? Entwicklung bei den Hat die Einführung von SE intern Wir müssen flexibel und agil sein und Heimstätten Wil. Widerstände ausgelöst? können nicht mher weit vorauspla- In der Literatur wird erwähnt, die nen. Wir verfügen über keine Arbeits- war ein zu geschlossenes System. Gruppenleiter könnten befürchten, plätze bei Unternehmen und suchen Die Mitarbeitenden brauchten einen dass ihnen mit SE die besten Mitarbei- deshalb auch nicht nach Klienten, die Ausgang, eine Perspektive. Als Tobias tenden weggenommen würden. Bei dort hineinpassen. Wir gestalten jeden Lindeke 2016 die Leitung des Bereichs uns waren solche Befürchtungen nur Prozess neu und im Tempo des Klien- Arbeit übernahm, beauftragte ihn die anfänglich ein Thema. SE wurde sehr ten und schauen gemeinsam, welche Geschäftsleitung, die Werkstätte wei- schnell durchgehend als Bereicherung Begleitung gewünscht und gut ist. Wir terzuentwickeln. Für Lindeke war klar: empfunden. Gruppenleiter erhielten erzwingen nichts, weil wir nachhaltig Er wollte die separierende Wirkung neu die Möglichkeit, Mitarbeitende, arbeiten wollen. Der Prozessgestalter der Werkstätte mit Supported Emp- die sich weiterentwickeln wollten, an ist der Klient. Er hat die Wahlfreiheit. loyment (SE) reduzieren. Er beauftrag- uns zu verweisen. Sie haben im Alltag Wenn aber von ihm nichts kommt, geht te daraufhin mich, Supported Employ- keine Zeit für ein Coaching oder eine auch nichts. Bei SE gibt es keine Rund- ment aufzubauen – im Rahmen einer Entwicklungsberatung – wir schon. umversorgung. Manchmal müssen wir neu geschaffenen Stelle. Das hat alle entlastet. da zuerst Klärungsarbeit leisten. > 8 MAGAZIN 02|2019
Marcel Gutknecht (rechts) gehört neu zum Team von Natal Müller, Mitinhaber der Buchhandlung Adhoc in Wil. Beide werden bei Bedarf von den Heimstätten Wil im Rahmen von Supported Emp- loyment unterstützt. Bild: Matthias Luggen
SUPPORTED EMPLOYMENT Marcel Gutknecht im Bücherlager seines neuen Arbeitgebers. Bild: Luggen Wie gross ist der Druck, Klienten möglichst rasch zu integrieren? Unser SE-Angebot wird im Rahmen der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton wie ein Werkstättenplatz fi- nanziert. Denn bei den meisten Klien- ten hat die Arbeit draussen keinen Einfluss auf die Rente. Wir haben somit fach. Vielfach kommen aber dann die Wie setzen Sie den Ansatz «first keinen Erfolgs- oder Zeitdruck. Hilf- Mitarbeitenden während des Prozes- place then train» um? reich ist, dass sich der Kanton St. Gal- ses selber zur Erkenntnis, dass sie die- Wir brauchen relativ viel Zeit, um eine len keine Integrationsquote, sondern sen Weg im Moment nicht weiterver- Stelle zu finden. Deshalb arbeiten ein- die Durchlässigkeit von Werkstätten folgen möchten und kehren zurück in zelne Klienten zunächst in der Werk- auf die Fahne geschrieben hat: Mitar- die Werkstätte. statt oder gehen schnuppern. «First beitende können etwas ausprobieren, place then train» setzen wir nicht in zurückkommen und es nochmals ver- Wie stellen Sie sicher, dass die Klien- Reinform um. Wir gewichten Durch- suchen. Aktuell nutzen 46 Personen ten den Prozess selber gestalten? lässigkeit und Individualität höher. unser SE-Angebot; sie sind entweder Wir arbeiten mit verschiedenen Tools, Weil wir mit Personen mit psychischer in der Beratungsphase oder arbeiten zum Beispiel mit Persönlicher Zu- Beeinträchtigung arbeiten, beginnen im Rahmen des Personalverleihs. kunftsplanung. Wichtig ist die acht- wir sehr oft mit einem dreimonatigen same Unterscheidung zwischen Be- Praktikum, auch wenn der Arbeitgeber Finanziert der Kanton also auch die ratung und Beeinflussung. Der Job für eine unbefristete Stelle offen ist. zeitlich unbeschränkte Begleitung? Coach muss die eigenen Präferenzen Nach drei Monaten gibt es eine Eva- Ja, und das ist zentral. So kann ein Ar- bewusst zurückstellen und soll ledig- luation. So können Arbeitgeber und beitgeber uns auch bei einer späteren lich Möglichkeiten oder Entschei- Klient das Arbeitsverhältnis beenden, Krise einbeziehen. Das gibt allen Be- dungshilfen anbieten. Ganz wichtig ohne dass der Einsatz gescheitert ist. teiligten Sicherheit und ist nachhaltig. ist auch, beim Klienten einen Auftrag Danach kann ein weiterer, unbefriste- abzuholen und zu erfahren, was er von ter Einsatz im Personalverleih folgen. uns erwartet. Der Klient wird zum Auf- «Es ist wichtig, dass die Job traggeber. Dies erfordert einen Hal- Würden Sie rückblickend etwas Coaches immer wieder achtsam tungswechsel in der Zusammenarbeit, anders machen? zwischen Beratung und der zuerst erlernt werden muss. Ich würde SE wieder ähnlich einfüh- Beeinflussung unterscheiden.» ren. Wir hatten die nötigen Stellenpro- Was ist in der Zusammenarbeit mit zente und die Zeit, um das Angebot Arbeitgebern herausfordernd? durchzudenken und zu konzeptuali- Gilt der Grundsatz «zero reject» Die grössten Herausforderungen sind sieren. Wir konnten etwas Neues auf- auch in den Heimstätten Wil? Absenzen, die schwankende Leis- bauen und wurden nicht von beste- Zugangskriterien waren bei uns im- tungsfähigkeit und das Stigma psychi- henden Strukturen gelähmt. Gelohnt mer wieder mal ein Thema. Doch sie sche Erkrankung. Der Job Coach muss hat es sich deshalb auf jeden Fall. würden SE widersprechen. Wir kamen hier immer wieder Übersetzungsarbeit deshalb stets zum Schluss, dass wir SE leisten. Absenzen gehören oft zu einer Interview: Annina Studer, Leiterin für alle offen lassen wollen. Das macht psychischen Erkrankung dazu. Für Ar- Bereich Arbeitswelt, INSOS Schweiz die Stellenfindung nicht immer ein- beitgeber sind sie ein grosses Thema. 10 MAGAZIN 02|2019
KULTURELLE TEILHABE Und jetzt mal ordentlich Theater machen! Kulturelle Teilhabe ist eine zentrale Forderung der UN-BRK und meint mehr als die blosse Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen. Johannes Schmuck, Organisationsberater und Sozialpädagoge, zeigt, wie Fachpersonen die kulturelle Teilhabe stärken und innere Barrieren überwinden können. Und wie die Institutionen sie dabei am besten unterstützen. Spätestens mit der UN-BRK ist die kulturelle Teilhabe auch Wie stärken Fachpersonen die in den Fokus der Institutionen gerückt. Teilhabe meint mehr kulturelle Teilhabe? als nur Teilnahme: Artikel 30 der UN-BRK weist ausdrücklich auf die Aufgabe hin, Menschen mit Beeinträchtigung die OO Sie bauen auf Fähigkeiten und Beiträge von Menschen Möglichkeit zu geben, «ihr kreatives, künstlerisches und mit Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen auf. intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht OO Sie richten sich am kreativen, künstlerischen und intel- nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Ge- lektuellen Potential der Menschen mit Beeinträchtigung sellschaft.» Entscheidend ist die Formulierung «auch zur und an dessen Stärkung aus. Bereicherung der Gesellschaft». Das bedeutet zum Beispiel: OO Sie kennen unterstützende Technologien und Techniken. OO Kulturelle Produktionen finden nicht abgeschottet und OO Sie verstehen sich nicht als Schlüsselperson oder emo- nur in und für Ateliers statt. tionalen Hafen, sondern als Begleitung und Assistenz OO Die Gesellschaft diskreditiert Beiträge von Menschen beim Arrangement gelingenden Lebens. mit Beeinträchtigung nicht von vornherein als nutz- OO Sie haben den Mut, vorgebahnte Spuren zu verlassen und wertlos. und absehbare Risiken einzugehen, und begreifen die OO Menschen mit Beeinträchtigung haben den An- ganze Breite und hohe Dynamik der kulturellen Vielfalt. spruch, dass ihre Beiträge nicht nur für sie selber OO Sie agieren kulturvermittelnd, kulturinvolvierend und einen Gewinn bedeuten. kulturermächtigend. Nur teilnehmen oder richtig partizipieren? Es gibt verschiedene Grade kultureller Teilhabe. Sie be- Beispiel Theater: Wie verbessern ginnt mit einem rein rezeptiven Zuschauen («Specta- Fachpersonen dort die Teilhabe? ting») und steigert sich dann über «Learning» (lernen), «Involving» (einbezogen werden), «Enabling» (ermäch- OO Sie ermöglichen den Besuch von Theaterproduktionen, tigt werden) hin zur eigenen kreativ-künstlerischen die interessieren («Spectating»). Praxis («Inventing»). Die Begriffe stammen aus dem Po- OO Sie ermöglichen den Austausch mit Theatermachenden sitionspapier der Arbeitsgruppe Kulturelle Teilhabe des und unterstützen (z.B. durch Gespräche) die Auseinan- Nationalen Kulturdialogs. Kulturell teilhaben können dersetzung mit den Werken («Learning»). Menschen in Theatern, Museen, Bibliotheken oder on- OO Sie eröffnen den Zugang zu Theaterproduktionen, in line. Kulturell produktiv sind sie beispielsweise in Chören, denen ein Mitwirken und Mitentscheiden (z.B. über den Theaterstücken, Bands oder digitalen Produktionen. Fortgang des Stückes) möglich ist («Involving»). Eine gelingende kulturelle Teilhabe ermöglicht es, sich OO Sie ermöglichen den Zugang zur Mitwirkung in Theater- mit der eigenen kulturellen Identität und mit kulturellen produktionen (z.B. bei Laienbühnen) und unterstützen Prägungen auseinanderzusetzen. Und sie stärkt die Viel- andere dabei, Vorurteile zu überwinden («Enabling»). falt des kulturellen Ausdrucks in der Schweiz. Kulturelle OO Sie stärken die Entschlossenheit zu einer eigenen, unab- Teilhabe soll deshalb möglichst partizipativ sein und hängigen Theaterarbeit und zum Austausch mit ande- nicht nur rezeptiv. ren Kreativschaffenden («Inventing»). > MAGAZIN 02|2019 11
KULTURELLE TEILHABE Wann wird kulturelle Teilhabe OO Mit einer ermutigenden und aufgeschlossenen Team- schwierig oder gar unmöglich? kultur werden eher Chancen ergriffen als primär Risiken vermieden. OO Wenn Fachpersonen davon ausgehen, dass sie für die OO Mit einem agogischen Selbstverständnis, das sich selbst Planung, Umsetzung und Auswertung von Massnah- nicht als Zentrum der Lebensqualität von Menschen mit men zuständig sind. Wenn sie zu wenig sehen, wie Nach- Beeinträchtigung definiert (z.B. «unsere» Bewohnerin- barschaft, Angehörige oder Ehrenamtliche einbezogen nen und Bewohner). werden könnten oder wenn sie ihren Einbezug (Sozial- OO Mit einem Arbeitsverständnis, das die Zugehörigkeit zu raumorientierung) als «Aufwand» missverstehen. Teams nicht mit den Anliegen von Menschen mit Beein- OO Wenn Fachpersonen für andere denken und entschei- trächtigung verwechselt. den. Wenn die Frage, warum es nicht funktionieren wird, OO Mit Aufgeschlossenheit gegenüber neuen und unbe- ihr Denken und Handeln steuert. kannten Formen des kulturellen Ausdrucks. OO Wenn Fachpersonen in Bereichs- und Wohngruppenlo- giken denken. Dies führt dazu, dass übergreifende Akti- vitäten als untypische, aufwändige Sonderfälle betrach- Welche Chancen eröffnet die tet werden, die es zu vermeiden gilt. Dadurch werden kulturelle Teilhabe einer Institution? mögliche Ressourcen von vornherein verkannt. OO Wenn Fachpersonen den «reibungslosen Ablauf» über- OO Kulturelle Teilhabe kann das Bild der relevanten Stake- bewerten. Gerade wenn sich Menschen ausprobieren, holder einer Institution für Menschen mit Behinderung ist es wahrscheinlich, dass Dinge nicht immer nach Plan erweitern, indem z.B. auch Kulturschaffende als strategi- laufen. sche Partner wichtig werden. OO Wenn Fachpersonen eine zu enge Vorstellung von dem OO Sie kann Teil des Qualitätsmanagements und der Qua- haben, was zeitgemässer kultureller Ausdruck ist. For- litätsentwicklung sein, indem vorgegebene Standards mate wie Blogs, Podcasts oder Videos geraten dadurch um Dimensionen der kulturellen Teilhabe erweitert gar nicht in das Blickfeld. Oder nur noch. werden. OO Wenn Fachpersonen eine zu enge Vorstellung von dem OO Sie kann Teil der Freizeit- und Ferienplanung werden, haben, was kulturelle Teilhabe ist. So sind z.B. nicht nur indem die kulturellen Interessen der Menschen mit Be- Schauspielende, sondern auch Bühnenbildnerinnen, einträchtigung z.B. bei der Wahl von Ausflugszielen oder Regieführende oder Maskenbildner Teil der Theater- von Feriendestinationen berücksichtigt werden. arbeit. OO Sie kann eine Dimension der Weiterbildungsplanung sein, indem kulturelle Interessen und Fähigkeiten als ergänzende Impulse für die persönliche und berufliche «Kulturelle Teilhabe kann die Entwicklung von Menschen mit Beeinträchtigung ver- Freizeit- und Ferienplanung standen werden. beinflussen und Impulse für die OO Sie kann Anstoss für eine innovative Betriebskommuni- Betriebskommunikation liefern.» kation sein, indem diese nicht nur über kulturelle Akti- vitäten berichtet, sondern auch neue partizipative For- men der Kommunikation ausprobiert. Wie können Fachpersonen und Institutionen Barrieren überwinden? Johannes Schmuck Er ist Supervisor, Coach und Berater für soziale Institutionen OO Mit dem UN-BRK-Navigator (vgl. Text Seite 13) können (www.johannesschmuck.ch). Für INSOS Schweiz, Curaviva Fachpersonen, Teams und Abteilungen reflektieren, ob Schweiz und den Vahs hat Schmuck den UN-BRK-Navigator ihre Haltungen, Fähigkeiten und Kenntnisse die kulturel- entwickelt (vgl. Text Seite 13). len Teilhabe stärken. 12 MAGAZIN 02|2019
KULTURELLE TEILHABE Szene aus dem aktuellen Stück «Die Schwindler» des machTheaters. Es spielen Mirjam Gambon und Andres Landert . Bild: zvg UN-BRK-NAVIGATOR ZUGANG ZU KULTUR Die UN-Behindertenrechtskonvention verändert die Rol- Unterschiedlichste (Kultur)Institutionen bieten Menschen le und die Aufgaben der Fachpersonen. Der neue UN- mit Behinderung Zugang zu Kultur und ermöglichen ih- BRK-Navigator von INSOS Schweiz, Curaviva Schweiz und nen die kulturelle Teilhabe. Zwei Beispiele: Vahs liefert für ihre Arbeit vielfältige Impulse zu den fünf OO Label «Kultur inklusiv»: Rund 60 Kulturinstitutionen Dimensionen der Konvention: zu Teilhabe, Rechte, Mo- tragen heute das Schweizer Label «Kultur inklusiv». Sie bilität und Technik, Gesundheit und Diskriminierung. Er engagieren sich für die kulturelle Teilhabe von Men- zeigt, welche Haltungen, Kenntnisse und Fähigkeiten bei schen mit und ohne Behinderung und für einen mög- Fachpersonen entscheidend sind. Der UN-BRK-Navigator lichst hindernisfreien Zugang zu ihren Angeboten. Zu richtet sich an: den Labelträgern gehören Museen, Tanz- und Musik- OO Fachpersonen und ihre Teams, die sich mit den eige- festivals, Theaterbühnen, Bibliotheken etc. nen Stärken und Schwächen auseinandersetzen und www.kulturinklusiv.ch Perspektiven formulieren wollen. OO machTheater: Das machTheater in Zürich (vgl. Bild OO Dienstleistungsanbieter und Verbände, die sich mit oben) ermöglicht es Menschen mit Behinderung, sich der UN-BRK auseinandersetzen und Entwicklungsschrit- in Schauspiel, Kommunikation und verwandten Medi- te identifizieren wollen. en aus- und weiterzubilden. Das Angebot umfasst eine OO Bildungsanbieter, die Diskussionen zur agogischen professionelle Schauspielausbildung mit anschliessen- Arbeit anstossen wollen. dem Arbeitsplatz, Freizeitkurse und Begegnungsforen. www.aktionsplan-un-brk.ch > Hilfsmittel > Navigator www.machtheater.ch MAGAZIN 02|2019 13
PRAKTISCHE AUSBILDUNG 2 Jahre PrA sicherstellen Der Bundesrat will die Dauer nicht formaler beruflicher Ausbildungen nach seinem Gusto festlegen können. So könnte er zum Beispiel die PrA verkürzen. PrA-Lernende haben beschlossen, sich für ihre Zukunft zu wehren und wenden sich mit ihrer Botschaft direkt an die Mitglieder des Parlaments. Sie fordern: «Sichern Sie uns zwei Jahre für unsere Berufsausbildung zu!» 14 MAGAZIN 02|2019
PRAKTISCHE AUSBILDUNG WORUM GEHT’S? Im Rahmen der IVG-Revision soll es Art. 16/4 ermöglichen, die Dauer nicht formaler beruflicher Ausbildungen zu kürzen. Dies hat bereits einmal das BSV probiert. 2016 pfiff das Bun- desgericht das Amt wegen fehlender Gesetzesgrundlage zu- rück. Diese soll nun mit der IVG-Revision geschaffen werden. 1. AKTION: FLYER-ALARM Am 6. März verteilten 10 Lernende vor dem Bundes- haus Flyer. «Eine berufliche Zukunft – auch für mich!» stand dort. Sie forderten die Nationalrätinnen und Nationalräte auf, auch an sie zu denken und den Minderheitsantrag zu Art. 16/4 IVG zu unterstützen. Äusserst knapp, mit 92 zu 91 Stimmen, folgte der Nationalrat dann trotzdem dem Bundesrat. INSOS und Insieme unterstützten die Jugendlichen bei dieser Aktion. Möchten Sie das Video dazu an- schauen? Dann fotografieren Sie mit dem Handy den QR-Code rechts. Der «aufpoppende» Link führt sie dann direkt zum Video auf Facebook. 2. AKTION: VIDEOCLIP-ALARM Das Geschäft geht jetzt in den Ständerat. Die PrA-Lernenden lassen sich nicht einschüchtern und geben weiter Gas. Die- ses Mal werden sie sich mit einer Video-Botschaft direkt an die Mitglieder des Ständerats wenden. Zeitgleich mit dem Ständerat können Sie das Video auf unserer Facebook-Seite anschauen. Wir sind gespannt auf den Videoclip. Und Sie? WANN WIRD ABGESTIMMT? Der Ständerat wird sich voraussichtlich in der Herbstsession im September zum Geschäft äussern. Wir halten Sie via News- letter und Facebook auf dem Laufenden. Tschoff Löw, Leiter Bereich Politik, INSOS Schweiz MAGAZIN 02|2019 15
KOMMUNIKATION MIT MITARBEITENDEN 3 Tricks für eine bessere Kommunikation Liefern Sie zu wenig Informationen – oder zu viele? Sind Ihre Informationen gut aufbereitet, wer- den aber nicht gelesen oder nicht gefunden? Wie zeigen drei Tricks, wie Sie die interne Kommuni- kation, also die Kommunikation mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, verbessern können. Die Tricks stammen aus dem ERFA Kommunikation mit dem NPO-Kommunikationsexperten Joachim Tillessen. Intern erfolgreich zu kommunizieren, ist eine echte He- Studiengangleiter MAS in integrierter Unternehmens- rausforderung. Kommunikationsfachleute verschiedener kommunikation an der FHNW. Ergebnis des Austauschs: INSOS-Institutionen haben sich darüber einen Nach- keine Patentrezepte, aber einige interessante Ansätze für mittag lang ausgetauscht. Ein wichtiger Input kam von eine bessere interne Kommunikation. Drei davon stellen Joachim Tillessen, NPO-Kommunikationsexperte und wir Ihnen im Folgenden näher vor. 1 «BOTTOM-UP»-KOMMUNIKATION Die interne Kommunikation basiert wie andere Bereiche Vorbehalte und Motivation bestimmen auch auf einer «Top-down»-Planung. Das bedeutet: Die Joachim Tillessen präsentierte ein sehr einfaches, aber Themen werden von den vorgesetzten Stellen wie dem wirksames Tool für eine «empfängerorientierte Kommu- Management, den Personal- oder Kommunikationsver- nikation». Seine Tabelle hilft Ihnen, folgende Parameter antwortlichen festgelegt. zu bestimmen: Leider ist diese Art der Kommunikation sehr «absendero- OO die Mitarbeiterkategorien (drei bis fünf Charakter- rientiert» und lässt die Bedürfnisse, Erwartungen und die typen), Sicht der Mitarbeitenden ausser Acht. Dies obwohl man ja OO die Vorbehalte und Perspektiven (Motivation) jeder gerade mit den Mitarbeitenden kommuniziert. dieser Mitarbeiterkategorien und Es lohnt sich deshalb, das Ganze umzudrehen und einen OO die Botschaften, die auf diese Vorbehalte und Perspek- «Bottom-up»-Ansatz zu verfolgen. Dies geschieht, indem tiven eingehen. man von oben lediglich allgemeine Ziele für die interne Kommunikation vorgibt. Themen, Blickwinkel und To- Sie finden dazu ein konkretes Beispiel auf unserem Blog. nalität werden «von unten» bestimmt. Konkret geht es Der QR-Code unten führt Sie direkt zum Blog-Artikel. darum, sich nicht nur zu fragen, welche Informationen man weitergeben möchte, sondern auch, inwiefern diese Information für die Leserinnen und Leser relevant ist. Wel- che Fragen, Vorbehalte und Erwartungen haben sie zum jeweiligen Thema? 16 MAGAZIN 02|2019
KOMMUNIKATION MIT MITARBEITENDEN 2 WENIGER PUSH, MEHR PULL Oft gibt es viel zu sagen und zahlreiche Dokumente zu verteilen. Aber haben unsere Mitarbeitenden auch die Zeit, all diese Informationen zu verdauen? Selten. Soll man mationen direkt zu kommunizieren und den Rest allge- mein verfügbar zu machen. also weniger kommunizieren? Nicht unbedingt. Mit Pull-Informationen liefern Sie alles Wesentliche, Joachim Tillessen empfiehlt, ein Gleichgewicht zwischen ohne jemanden zu überfordern und ohne diejenigen Push und Pull zu schaffen. Das heisst, einige wenige Infor- zu frustrieren, die mehr wissen wollen. Diese Flexibilität ist heute unerlässlich. Im digitalen Zeitalter sind wir es gewohnt, unsere Informationen auszuwählen und abzu- Push und pull? rufen, wenn wir sie brauchen. Push steht für Informationen, die man anderen direkt zusendet (E-Mail, Briefe, Nachrichten). Pull steht für Die Herausforderung besteht darin, diese Pull-Informa- Informationen, auf die die Mitarbeitenden selbst tionen für alle leicht zugänglich und leicht auffindbar zugreifen können (Website, Intranet, Online-Dossier, zu machen. Joachim Tillessen empfiehlt, dafür eine Download-Dokumente etc.). Plattform oder einen Kanal zu wählen, der all diese Infor- mationen zusammenführt. 3 ROI-ANALYSE Informieren ist gut, analysieren ist besser! Die Wirksam- Kommunikationsprozess: 3 Stufen keit von Kommunikationsmassnahmen lässt sich anhand Stufe 1: Der Königsweg von zwei Werten beurteilen: Sie erreichen mit wenig Aufwand viel: Ihr Kommunikations- • Wirkung: Wird Ihre Information gelesen? Löst sie Reak- prozess zeigt grosse Wirkung und erfordert wenig Res- tionen und Handlungen aus? sourcen. • Ressourcen: Wie viel mussten Sie investieren, um die- Stufe 2: Verbesserungspotenzial se Wirkung zu erzielen? Sie erreichen mit viel Aufwand viel oder mit wenig Aufwand Das Verhältnis zwischen Wirkung und Ressourcen wird oft wenig: Ihr Ziel ist es, für alle Informationsprozesse entwe- als «Return on Investment» (ROI) bezeichnet. der den Ressourceneinsatz zu reduzieren oder die Wir- kung zu erhöhen. Stufe 3: Mut zum Verzicht Sie erreichen mit viel Aufwand wenig: Damit Sie die Wirkung Ihrer Kommunikation verbessern respektive Ihre Ressour- Ein ERFA nur für Sie cen effizienter einsetzen können, müssen Sie handeln – Im Erfahrungsaustausch Kommunikation tauschen sich zum Beispiel, indem Sie Ihre Kräfte fokussieren und gewis- Kommunikationsverantwortliche aus INSOS-Institutionen se Kommunikationsaktivitäten reduzieren oder einstellen. zu spezifischen Themen aus. Interessiert? Dann schicken Sie uns ein Mail (france.santi@insos.ch). France Santi MAGAZIN 02|2019 17
INSOS SECURIT Gespräch führen nach der Auszeit Wenn jemand nach einer Krankheit wieder zur Arbeit kommt, macht es Sinn, ein Rückkehrgespräch zu füh- ren. Das Expertenteam von INSOS SECURIT erklärt warum. Gesundheitliche Probleme, aber auch ungünstige Arbeitsbedingungen wie Teamkonflikte können zu Krankheitsausfällen führen. Bei Einschränkun- gen wie Rückenschmerzen oder psychischen Pro- blemen gehen Betroffene teilweise krank zur Ar- beit und arbeiten dann mit reduzierter Leistung. Bei Fehlzeiten gut hinschauen Wie sieht das denn Bei Fehlzeiten ist es für Vorgesetzte sinnvoll, in einem wertschätzenden Rückkehrgespräch nach den Gründen zu fragen. Die Mitarbeitenden haben das Recht, bei bestimmten Fragen (z.B. Diagnose) die Auskunft zu verweigern. Wenn In sozialen Institutionen tauchen immer Mitarbeitende wieder arbeiten, stellen sich für wieder rechtliche Fragen auf – zum Lohn Vorgesetzte folgende Fragen: etwa, zu Unfällen, Pikettdiensten oder OO Sind die Mitarbeitenden wieder vollständig einsatzfähig? Überstunden. Im Online-FAQ Recht finden OO Ist mit weiteren Ausfällen zu rechnen (Einsatz- Sie kurze, prägnante Antworten. planung)? OO Besteht ein Zusammenhang zwischen Ausfall Im FAQ Recht schalten wir für Sie fortlaufend neue Rechts- und Arbeit? Insbesondere bei Krankheiten wie fragen auf. Im Folgenden eine kleine Auswahl an Fragen, Rückenschmerzen oder bei psychischen Prob- die wir zusammen mit unserem Rechtsberater Hans- lemen ist ein Teil oft arbeitsbedingt. Ulrich Zürcher im FAQ ausführlich beantworten: OO Was können der Betrieb oder die Betroffenen unternehmen, um einem weiteren Ausfall vor- Besteht bei Krankheit ein Lohnanspruch? zubeugen? Ohne bessere Regelung im Arbeitsvertrag oder Personal- reglement (z.B. Abschluss einer Krankentaggeldversiche- Fehlzeitenmanagement für Grossbetriebe rung) besteht im ersten Dienstjahr eine Lohnzahlungs- In grösseren Betrieben lohnt es sich, die Gespräche pflicht von mindestens drei Wochen. In den folgenden in ein sogenanntes Fehlzeitenmanagement ein- Jahren steigt die Lohnzahlungspflicht kontinuierlich an. zubetten. Es umfasst eine systematische Datener- fassung, die Kommunikation mit Mitarbeitenden, Haben Mitarbeitende ein Anrecht auf eine Rückkehrgespräche nach jeder Abwesenheit und Entschädigung bei Pikettdiensten? Hilfestellungen zur raschen Wiedereingliederung Grundsätzlich gelten Pikettdienste als zusätzliche Ar- von Mitarbeitenden. beitszeit. Die grundlegenden Bestimmungen finden sich www.insos-securit.ch im Arbeitsgesetz. Doch die Regelung der Entschädigung überlässt das Arbeitsgesetz den Beteiligten. 18 MAGAZIN 02|2019
KURZ NOTIERT «Veränderungen prägen»: INSOS-Kongress 2019 in Thun Veränderungen beeinflussen uns. Doch auch wir können Veränderungen prägen: mit un- seren Ideen und Erfahrungen, mit unserem Engagement und unserer Leidenschaft. Am INSOS-Kongress 2019, der vom 27. bis 29. Au- gust in Thun stattfindet, machen wir diese Ver- änderungen zum Thema. Die Teilnehmenden erwartet ein vielseitiges, praxisorientiertes Kon- gressprogramm mit spannenden Referaten und Workshops. Mehr zum Programm und zu den Referierenden unter www.insos.ch > Veranstaltungen > Kongress Unterstützung für die professionelle Erstellung von Arbeitszeugnissen n rechtlich aus? Das Online-Tool Arbeitszeugnis swiss+ INSOS CURAVIVA Edition unterstützt Institutionen für Menschen mit Behinderung dabei, individuel- le, vollständige Arbeitszeugnisse zu erstellen. Haften urteilsunfähige Personen für Schäden? Das Tool nutzt 20 000 bewährte und rechtlich Verursacht eine dauernd urteilsunfähige, volljährige Person ei- geprüfte Textbausteine und ist an die Berufsfel- nen Schaden, kann sie in der Regel nicht haftbar gemacht wer- der, Fachfunktionen und Organisationsstufen in den. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Urteilsun- sozialen Institutionen angepasst. Weitere Infor- fähige ist nicht zwingend. mationen zum Tool und zu den Kosten unter: www.insos.ch/arbeitszeugnis Was müssen Sie wissen bei Unfällen von Mitarbeitenden mit Behinderung? Datenschutzgesetz: Das Parlament lässt Erleiden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mit Behinderung sich mit der Revision Zeit bei der Arbeit einen Unfall, können verschiedene Rechtsgebiete Der Nationalrat wird sich erst in der Herbstses- betroffen sein. Es ist davon auszugehen, dass bei einer gericht- sion mit der Revision des Datenschutzgesetzes lichen Beurteilung die Erfüllung der Fürsorge- respektive Sorg- befassen. Dieses wird somit frühestens Mitte faltspflicht des Arbeitgebers sehr hoch gewichtet wird. 2020 in Kraft treten. INSOS Schweiz und Curavi- va Schweiz verfolgen das Geschäft gemeinsam Wann dürfen Arbeitgeber Überstunden und werden ihren Mitgliedern entsprechende anordnen? Hilfsmittel wie Factsheets und Checklisten zur Der Arbeitgeber ist dazu berechtigt, wenn dies aus betriebli- Verfügung stellen. Im Blog von INSOS Schweiz chen Gründen notwendig und den Mitarbeitenden zuzumuten finden Sie schon jetzt vier Artikel zum Daten- ist. Die zusätzliche Arbeit darf pro Tag in der Regel zwei Stunden schutz. Die Themen: nicht übersteigen. OO Bringen Sie Ordnung in Ihre Daten OO Kennen Sie Ihre IT-Umgebung? Barbara Lauber OO Analysieren Sie Ihre IT-Risiken www.insos.ch > Dienstleistungen > FAQ Recht OO Wahren Sie die Rechte Ihrer Abonnent*innen Der QR-Code rechts führt Sie direkt zum FAQ. www.blog.insos.ch MAGAZIN 02|2019 19
VERANSTALTUNGEN 27. bis 29. August 2019 24. September 2019 VERÄNDERUNGEN PRÄGEN BROSCHÜRE SEXUALITÄT, INTIMITÄT INSOS-Kongress 2019 in Thun UND PARTNERSCHAFT Workshop in Olten 5. September 2019 GUARDING MINDS 26. September 2019 Workshop in Wabern/Bern HAFTUNGSFRAGEN IN SOZIALEN INSTITUTIONEN 12. September 2019 Weiterbildung Recht in St. Gallen TEILHABE-KONZEPTE Netzwerkplattform in Gwatt/Thun 14. November 2019 ARBEITSWELT 17. September 2019 Fachtagung in Biel CHARTA PRÄVENTION – EINRICHTEN EINER MELDESTELLE Kurs in Zürich Impressum Herausgeber Titelbild INSOS Schweiz Matthias Luggen Nationaler Branchenverband www.matthiasluggen.ch der Institutionen für Menschen mit Behinderung Abopreis CHF 30.– (im Mitgliederpreis Zieglerstrasse 53 enthalten) 3000 Bern 14 Einzelnummer CHF 15.– T. 031 385 33 00 info@insos.ch Gestaltung www.insos.ch Sandra Schwab www.s-at.ch Redaktion Monokini Barbara Lauber (Leitung) www.monokini.ch France Santi Layout und Druck Jordi AG www.jordibelp.ch Auflage 2000 Expl. deutsch 700 Expl. französisch Erscheint 3x jährlich
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