9 Gesundheit Auszug aus dem Datenreport 2021 - Statistisches ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
9 Gesundheit Auszug aus dem Datenreport 2021 Die Inhalte des Datenreports werden unter der Creative Commons Lizenz »CC BY-NC-ND 4.0 – Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0« veröffentlicht.
Gesundheit 9.1 Das Jahr 2020 hat auf eine bisher bei- spiellose Weise gezeigt, wie wichtig Ge- und der Länder: Krankenhausstatistiken, fallpauschalenbezogene Krankenhaussta- Gesundheits sundheitsdaten sind und auch künftig tistik (DRG-Statistik), Statistik schwer zustand der sein werden. Durch die unerwartete Co- ronakrise rückten Fragen zur Gesundheit behinderter Menschen, Pf legestatistik, Todesursachenstatistik, Schwangerschafts- Bevölkerung der Bevölkerung und zu den Ressourcen, abbruchstatistik und Mikrozensus. und Ressourcen die für die gesundheitliche Versorgung zur Verfügung stehen, in den Mittel- 9.1.1 Diagnose und Behandlung der Gesund- punkt des Interesses. Diese verlangen da- im Krankenhaus heitsversorgung nach, zeitnah beantwortet zu werden. Eine wichtige Quelle für Gesundheitsda- Diagnosen ten sind die Statistiken der Statistischen Über die Gründe der Behandlung von Karin Böhm Ämter des Bundes und der Länder über Patientinnen und Patienten im Kranken- Krankenhäuser, Gesundheitspersonal haus informiert die Diagnosestatistik, und Todesursachen. Die Zahl der (Inten- die zu den Krankenhausstatistiken ge- Statistisches Bundesamt siv-)Betten in Krankenhäusern und ihre hört. Sie erfasst alle Krankenhausfälle (Destatis) Auslastung, die Zahl der Beschäftigten einschließlich Sterbe-, Stundenfälle und im Gesundheitswesen nach Berufen oder gesunde Neugeborene. Stundenfälle sind die Sterbefälle nach Todesursachen sind Patientinnen und Patienten, die vollstati- nur einige Beispiele, bei denen die amtli- onär in ein Krankenhaus aufgenommen, che Statistik wichtige Daten für faktenba- jedoch am gleichen Tag wieder entlassen sierte Entscheidungen beitragen kann. werden oder am Aufnahmetag versterben. Die Gesundheitsstatistiken bilden die Bei Frauen ist die Zahl der Behandlungs- B asis zur Ermittlung wichtiger Gesund- fälle von 9,4 Millionen Fällen (2007) um heitsindikatoren und stellen wesentliche 11 % auf 10,4 Millionen Fälle (2017) ge- Informationen für gesundheits- und sozi- stiegen. Bei Männern stieg die Zahl der alpolitische Planungen und Einschätzun- Behandlungsfälle sogar um 16 % von gen bereit. Mit den Daten werden länder- knapp 8,2 Millionen Fällen (2007) auf bezogene Auswertungen und Analysen 9,5 Millionen Fälle (2017). u Info 1 durchgeführt, um Gemeinsamkeiten und Die häufigste Ursache für einen Unterschiede abzubilden. Krankenhausaufenthalt waren 2017 – Die Angaben in diesem Kapitel zu den wie bereits in den Vorjahren – Krankhei- Berichtsjahren 2017, 2018 und 2019 stam- ten des Kreislaufsystems. Rund 15 % aller men aus folgenden Gesundheitsstatisti- Fälle waren dieser Krankheitsgruppe zu- ken der Statistischen Ämter des Bundes zuordnen. Im Vergleich zu 2007 ist die 325
9 / Gesundheit 9.1 / Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung Zahl dieser Behandlungsfälle um 11 % dar. Gegenüber 2007 war ihre Zahl im Der höchste Anstieg mit 37 % war bei angestiegen. An zweiter Stelle folgten Ver- Jahr 2017 um 17 % höher. An dritter Stel- den Diagnosen »Symptome und abnorme letzungen und Vergiftungen sowie ande- le lagen die Krankheiten des Verdauungs- klinische und Laborbefunde« zu beob- re Folgen äußerer Ursachen. Sie stellten systems mit einem Anteil von ebenfalls achten. Hierzu gehören zum Beispiel nach den Krankheiten des Kreislaufsys- rund 10 % an allen Diagnosen. Im Ver- Kreislaufkollaps oder Ohnmacht, Hals- tems die zweitwichtigste Diagnosegrup- gleich zu 2007 ist hier die Zahl um 12 % und Brustschmerzen. Die Behandlungen pe mit 10 % an allen Behandlungsfällen gestiegen. von Infektionen erhöhten sich innerhalb des gleichen Zeitraums um 31 %, die Krankheiten der Haut und Unterhaut ha- ben um 26 % zugenommen und auch die u Info 1 Krankheiten des Atmungssystems stie- Die Diagnosestatistik und ihre Erweiterung um die fallpauschalenbezogene gen um ein Fünftel (20 %) ihres Wertes K rankenhausstatistik (DRG-Statistik) von 2007. Die Zahl der Behandlungen Die Diagnosen der Krankenhauspatientinnen und -patienten zeigen das gesamte vollstationäre von Krebs und gutartigen Neubildungen eschehen in den deutschen Krankenhäusern. Alle Krankenhäuser in Deutschland sind auskunfts- G blieb im Zehnjahresvergleich konstant. pflichtig und melden jährlich die Diagnosen aller Patientinnen und Patienten, die im Berichtsjahr aus der vollstationären Behandlung entlassen wurden. Bei mehrfach im Berichtsjahr vollstationär behandelten Personen erfassen sie jeden einzelnen K rankenhausaufenthalt als einen Fall (Fallzahlen- Operationen und medizinische statistik). Nicht nachgewiesen werden die vor- und nachstationären, teilstationären und ambulanten Behandlungsmaßnahmen Behandlungsfälle. Die Diagnoseangaben umfassen die Hauptdiagnosen, Alter, Geschlecht, Ver weildauer und die Fachabteilungen des Krankenhauses. Nach den Ergebnissen der fallpauscha- Die fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik ergänzt die Krankenhausstatistik der Kranken- lenbezogenen K rankenhausstatisti k hauspatientinnen und -patienten. Das auf Fallpauschalen basierende DRG-Vergütungssystem (DRG-Statistik) führten die Krankenhäu- e ntstand bei der Novellierung der Krankenhausfinanzierung im Jahr 2000 (DRG steht für »Diagnosis ser 2018 bei den vollstationär versorgten Related Groups«). Die jährliche Statistik umfasst alle Krankenhäuser, die nach dem DRG-Vergütungs system abrechnen und dem Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltg esetzes unterliegen Personen insgesamt 61,4 Millionen Ope- (ohne psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen). Das Institut für das Entgeltsystem im rationen und medizinische Prozeduren Krankenhaus erhebt die Daten und stellt sie dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung durch. Im Vergleich zum Vorjahr ent- (Sekundärstatistik). spricht dies einer Zunahme um 2,2 %. Auf Gegenstand der DRG-Statistik sind die von den berichtspflichtigen Krankenhäusern erbrachten eine in einem Krankenhaus behandelte Leistungen. Die vom Statistischen Bundesamt ausgewerteten Daten beziehen ebenfalls alle im Lauf des Berichtsjahrs aus den oben genannten Einrichtungen entlassenen vollstationären Patien- Person entfielen damit im Durchschnitt tinnen und Patienten ein. Nicht nachgewiesen werden vor-, nach-, teilstationär oder ambulant be- 3,3 Maßnahmen dieser Art. In allen Alters- handelte Personen. gruppen war die durchschnittliche Zahl u Abb 1 Durchschnittliche Anzahl der Operationen und Behandlungsmaßnahmen je Krankenhausfall 2018 5 4 3 2 1 0 unter 1 1– 4 5–9 10–14 15–19 20–24 25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 50–54 55–59 60–64 65–69 70–74 75–79 80–84 85–89 90–94 95 und älter männlich weiblich insgesamt im Alter von … bis … Jahren 326
Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung / 9.1 Gesundheit / 9 der Operationen und Behandlungsmaß- u Abb 2 Operationen und Behandlungsmaßnahmen der nahmen je Krankenhausfall bei Männern Krankenhauspatientinnen und -patienten 2018 — in Prozent höher als bei Frauen. u Abb 1 Die Operationen lagen bei den Be- Medikamente Operationen handlungsmaßnahmen mit 28 % an ers- (z. B. bei Krebsimmuntherapie) (z. B. an den Bewegungsorganen) ter Stelle, an zweiter Stelle folgten mit 0,6 27,7 25 % nicht operative therapeutische Maß- ergänzende Maßnahmen nahmen. An dritter Stelle stand mit 22 % (z. B. geburtsbegleitende Maßnahmen) die bildgebende Diagnostik, beispielswei- 8,0 se Computertomografie. u Abb 2 diagnostische Maßnahmen Bei den durchgeführten Operationen (z. B. Endoskopie) lagen auch im Jahr 2018 Operationen an 17,3 61,4 Millionen nicht operative den Bewegungsorganen mit Abstand an therapeutische erster Stelle, also Operationen an Wirbel- bildgebende Diagnostik Maßnahmen (z. B. Computertomografie) (z. B. Patientenmonitoring) säule, Hüfte, Gelenken und nach Kno- 24,9 chenbrüchen. Danach folgten Operatio- 21,5 nen am Verdauungstrakt sowie Opera tionen an Haut und Unterhaut. Eine detailliertere Analyse der Operations daten zeigt, dass bei Frauen am häufigs- u Abb 3 Die zehn häufigsten Operationen von Krankenhauspatientinnen ten die Rekonstruktion weiblicher Ge- und -patienten 2018 — in Tausend schlechtsorgane nach einer Ruptur / Dammriss durchgeführt wurde, gefolgt vom Kaiserschnitt und der Position »An- Andere Operationen am Darm dere Operationen am Darm«. 200 222 (z. B. Lösen von Verwachsungen) »Andere Operationen am Darm« la- gen bei den Männern an erster Stelle, an Wiederherstellung weiblicher Geschlechts- 359 organe nach Dammriss während der Geburt zweiter Stelle folgte der Zugang zur Len- denwirbelsäule, zum Kreuz- oder Steiß- Operatives Freilegen eines Zugangs zur Lendenwirbelsäule, 157 159 bein sowie an dritter Stelle der Ver- zum Kreuzbein oder zum Steißbein schluss eines Leistenbruchs (Hernia in- Endoskopische Operationen guinalis). u Abb 3 an den Gallengängen 131 147 9.1.2 Schwerbehinderung Kaiserschnitt 257 Im Unterschied zu einer akuten Krank- heit oder einer Unfallschädigung mit Implantation einer Endoprothese 93 146 kurzer Heilungsdauer ist eine Behinde- am Hüftgelenk rung eine Beeinträchtigung der Teilhabe Chirurgische Wundtoilette am gesellschaftlichen Leben für längere (Wunddebridement) und Entfernung von 134 96 erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut Zeit, möglicherweise für das ganze Leben. Stellungskorrektur eines mehrteiligen Als schwerbehindert gelten Menschen, (offenen) Knochenbruchs ohne intakte 72 154 denen ein Grad der Behinderung von 50 Weichteilbedeckung (= offene Reposition) oder mehr von den Versorgungsämtern Arthroskopische Operation am 115 95 zuerkannt wurde. Am 31. Dezember 2019 Gelenkknorpel und an den Menisken waren 7,9 Millionen amtlich anerkannte Andere Operationen an der Wirbelsäule schwerbehinderte Menschen mit gülti- (z. B. Implantation einer 91 110 Bandscheibenendoprothese) gem Ausweis bei den Versorgungsämtern registriert. Das entsprach einem Anteil von rund 10 % an der Bevölkerung. Männer Frauen Behinderungen treten vor allem bei äl- Operationen- und Prozedurenschlüssel, OPS Version 2018. teren Menschen auf: So war etwa ein Drit- tel der schwerbehinderten Menschen 75 327
9 / Gesundheit 9.1 / Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung Jahre und älter. Knapp die Hälfte gehörte Schwerpunkt der Leistungen des Schwer- ernde Schäden im Krieg, im Wehr- oder der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren an. behindertenrechts Regelungen zur Teilnah- im Zivildienst erlitten. Die übrigen Be- Dagegen fielen der Anteil der 15- bis me am Arbeitsmarkt oder für einen frühe- hinderungen (5,8 %) beruhten auf sonsti- 24-Jährigen mit 2,2 % sowie der Anteil der ren Übergang zur Rente betrifft, könnten gen, mehreren oder ungenügend bezeich- unter 15-Jährigen mit 1,9 % gering aus. u Tab 1 Erwerbstätige beziehungsweise Arbeit neten Ursachen. Die Schwerbehindertenquote steigt suchende ein größeres Interesse an einer Am häufigsten war eine körperliche demzufolge mit zunehmendem Alter an. Anerkennung der Behinderteneigenschaft Behinderung (58 %) der Grund für eine Während bei den 25- bis 34-Jährigen 2,4 % haben als Nichterwerbspersonen. Schwerbehinderung. Bei 25 % aller Men- schwerbehindert waren, hatte in der Grup- Die weitaus meisten Behinderungen schen mit Behinderungen waren die inne- pe der ab 80-Jährigen jede / jeder Dritte (89 % der Fälle) waren krankheitsbedingt. ren Organe beziehungsweise Organsyste- einen Schwerbehindertenausweis. u Abb 4 In 3,3 % der Fälle war die Behinderung me betroffen. Bei 11 % waren Arme und / Männer waren – insbesondere in der angeboren beziehungsweise trat im e rsten oder Beine in ihrer Funktion einge- Gruppe der ab 55-Jährigen – eher schwer- Lebensjahr auf, bei 1,4 % wurde das Lei- schränkt, bei weiteren 10 % Wirbelsäule behindert als Frauen. Dies ist zu einem den durch einen Unfall oder eine Berufs- und Rumpf. In 4,4 % der Fälle lag Blind- gewissen Teil ein Effekt des höheren Män- krankheit verursacht. Weitere 0,2 % der heit beziehungsweise eine Sehbehinde- neranteils an den Erwerbstätigen: Da ein schwerbehinderten Menschen hatten dau- rung vor, bei rund 3,8 % Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen. Auf geistige oder seelische Behinderungen entfielen zusammen 13 % der Fälle, auf ze- u Tab 1 Schwerbehinderte Menschen 2019 rebrale Störungen 9,0 %. Bei den übrigen Davon im Alter von … bis … Jahren Personen (19 %) war die Art der schwers- Insgesamt ten Behinderung nicht ausgewiesen. u Abb 5 unter 15 15 – 24 25 – 54 55 – 64 65 – 74 75 und älter in 1 000 in % Männlich 3 984 2,3 2,6 17,9 21,9 24,2 31,1 Weiblich 3 919 1,5 1,8 17,5 20,2 21,1 37,9 Insgesamt 7 903 1,9 2,2 17,7 21,1 22,7 34,5 u Abb 4 Schwerbehindertenquote 2019 — in Prozent 40 30 20 10 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 und älter männlich weiblich insgesamt Alter in Jahren Bevölkerungsstand: 31.12.2019 – Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus 2011. Schwerbehindertenquote = Anteil der schwerbehinderten Menschen an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. 328
Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung / 9.1 Gesundheit / 9 u Abb 5 Schwerbehinderte Menschen 2019 nach Art 9.1.3 Pflege der schwersten Behinderung — in Prozent Pflegebedürftigkeit Pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversi- Beeinträchtigung der Funktion innerer Organe 25,3 cherungsgesetzes (Sozialgesetzbuch SGB beziehungsweise Organsysteme XI) sind Menschen, die im täglichen Le- Geistige Behinderungen, seelische Behinderungen 13,3 ben auf Dauer – wegen einer Krankheit oder Behinderung – in erheblichem oder Funktionseinschränkung von Gliedmaßen 11,2 höherem Maße der Hilfe bedürfen. Im Dezember 2017 waren 3,4 Millionen Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und 10,4 Menschen in Deutschland pflegebedürf- des Rumpfes, Deformierung des Brustkorbes tig. Vier von fünf Pflegebedürftigen wa- Zerebrale Störungen 9,0 ren 65 Jahre und älter. Gut ein Drittel war älter als 85 Jahre. Knapp zwei Drittel der Blindheit und Sehbehinderung 4,4 Pflegebedürftigen waren Frauen. Im Ver- Sprach- und Sprechstörungen, Taubheit, 3,8 gleich zu 2007 ist eine Zunahme der Zahl Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen der Pflegebedürftigen zu beobachten: Im Verlust einer Brust oder beider Brüste, 2,3 Jahr 2007 betrug sie 2,2 Millionen und Entstellungen und anderes stieg auf knapp 3,4 Millionen im Jahr Verlust oder Teilverlust 0,7 2017 an. Ein großer Teil des Anstiegs ist von Gliedmaßen allerdings auf die Einführung des neuen Querschnittlähmung 0,2 Pf legebedürftigkeitsbegriffs zurückzu- führen, der im Hinblick auf den berech- sonstige Behinderungen 19,3 tigten Personenkreis ab dem 1. Januar 2017 weiter gefasst wurde: Von 2015 bis 2017 erhöhte sich die Zahl der Pflegebe- dürftigen deutlich um 19 % (554 000). Ein weiterer Faktor für den Anstieg ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung. u Abb 6 Pflegequoten von Seniorinnen und Senioren 2017 — in Prozent Im Jahr 2007 waren 3,9 Millionen Men- schen 80 Jahre und älter; 2017 waren es 80 bereits 5,2 Millionen. Mit zunehmendem Alter sind Men- 70 schen in der Regel eher pflegebedürftig. Während bei den 70- bis 74-Jährigen je- 60 der zwanzigste Mensch (6,4 %) in Deutsch- 50 land dieser Altersgruppe pflegebedürftig war, wurde für die ab 90-Jährigen die 40 höchste Pflegequote ermittelt: Der Anteil der Pflegebedürftigen an allen Menschen 30 dieser Altersgruppe betrug 71 %. Auffal- lend ist, dass Frauen etwa ab dem 80. Le- 20 bensjahr eine deutlich höhere Pflegequo- te aufwiesen – also eher pflegebedürftig 10 waren als Männer dieser Altersgruppen. 0 So beträgt zum Beispiel bei den 85- bis 60 – 64 65 – 69 70 –74 75 –79 80 –84 85 – 89 90 und älter 89-jährigen Frauen die Pflegequote 49 %, Männer Frauen im Alter von … bis … Jahren bei den Männern gleichen Alters hinge- gen lediglich 36 %. u Abb 6 Neben Unterschieden in der gesund- Die Pflegequote beschreibt den Anteil der Pflegebedürftigen an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Ergebnisse zum 31.12.2017 auf Grundlage des Zensus 2011. heitlichen Entwicklung bei Frauen und Männern kann ein Faktor für den unter- 329
9 / Gesundheit 9.1 / Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung schiedlichen Verlauf der Pf legequoten u Abb 7 Pflegebedürftige nach Versorgungsart 2017 auch das Antragsverhalten bei Frauen und Männern sein: Ältere Frauen leben häufiger allein als Männer. Bei Pflege bedarf kann somit schneller die Notwen- digkeit bestehen, einen Antrag auf Leis- tungen zu stellen, während die pflegebe- dürftigen Männer zunächst häufiger beispielsweise von ihren Frauen versorgt werden. Insofern wird bei Männern eher zunächst auf eine Antragstellung verzich- tet. In diesem Fall werden sie auch nicht in der Pflegestatistik erfasst. Gut drei Viertel der Pflegebedürftigen in Deutschland wurden im Dezember 2017 zu Hause versorgt. Etwas mehr als die Hälfte erhielt ausschließlich Pflege- geld, das bedeutet, sie wurden in der R egel zu Hause durch Angehörige ge- pflegt. Inwieweit sich die Angehörigen durch privat bezahlte Hilfen unterstützen lassen, ist nicht bekannt. Bei ungefähr einem weiteren Viertel der Pflegebedürf- tigen erfolgte die Pflege in Privathaus halten zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. Vollstati- 1 Entspricht den Empfängerinnen und Empfängern von ausschließlich Pflegegeld. Empfänger/-innen von Kombinations- onär in Pf legeheimen betreut wurden leistungen sind dagegen in den ambulanten Pflegediensten enthalten. Teilweise mit privat finanzierter Unterstützung. 2 Einschließlich teilstationärer Pflegeheime. rund 818 000 Bewohnerinnen und Be- wohner. u Abb 7 Bundesweit gab es im Dezember 2017 rund 14 500 zugelassene voll- beziehungs- weise teilstationäre Pf legeheime. Gut die Hälfte der Heime befand sich in f reigemeinnütziger Trägerschaft. Im schlüsse. Von den im Bereich Pflege und 9.1.4 Todesursachen Durchschnitt wurden in einem Pflege- Betreuung Tätigen hatte zusammen fast heim 64 Pf legebedürftige betreut. Die jede/jeder Zweite entweder einen Abschluss Allgemeine Sterblichkeit meisten Heime boten vollstationäre Dauer- als Altenpfleger /-pflegerin, Gesundheits- Im Jahr 2018 verstarben in Deutschland pflege an. und Krankenpfleger /-pflegerin oder Ge- insgesamt 954 874 Menschen, davon 49 % sundheits- und Kinderk rankenpf leger/ Männer und 51 % Frauen. Die Zahl der Personal in Pflegeeinrichtungen -pflegerin. Zum Jahresende 2017 arbeite- Sterbefälle insgesamt ist im Vergleich zu In den Heimen waren zum Jahresende ten in den insgesamt 14 100 zugelassenen 2008 um 13 % gestiegen. Bei einem Ver- 2017 insgesamt 765 000 Menschen be- ambulanten Pflegediensten 390 000 Men- gleich der Männer und Frauen zeigt sich, schäftigt. Teilzeitkräfte machten dabei schen. Etwa zwei Drittel davon waren dass die Geschlechter unterschiedlich knapp zwei Drittel aus. Die Mehrzahl in Teilzeit beschäftigt; der Frauenanteil stark betroffen sind: Während die Zahl a ller Beschäftigten (84 %) waren Frauen. lag bei 86 % aller Beschäftigten. Im Alter der verstorbenen Frauen im Jahr 2018 nur Rund 42 % der Beschäftigten waren von 50 Jahren und älter waren 40 % der um 9 % höher als 2008 lag, stieg die An- 50 Jahre und älter. Die meisten Beschäf- Beschäftigten. Auch hier war der zahl der verstorbenen Männer im gleichen tigten hatten ihren Arbeitsschwerpunkt Haupteinsatzbereich des Personals die Zeitraum um 18 %. Die Gründe hierfür im Bereich der körperbezogenen Pflege. körperbezogene Pflege. Zwei von drei Be- sind vielfältig und reichen beispielsweise Altenpfleger /-pflegerin oder Gesundheits- schäftigten hatten hier ihren Arbeits- von der bei Frauen höheren Lebenserwar- und Krankenpf leger /-pf legerin waren schwerpunkt (Pf legeberufe siehe auch tung über das höhere Risikoverhalten der d abei die wichtigsten Ausbildungsab- Kapitel 3.1, Seite 109). Männer bis hin zu einem unterschiedli- 330
Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung / 9.1 Gesundheit / 9 u Abb 8 Krankheitsbedingte Todesursachen — in Prozent 6,1 % angestiegen. Insbesondere die De- menz trug zu diesem Zuwachs bei. u Abb 8 Krankheiten des 36,2 9.1.5 Schwangerschaftsabbrüche Kreislaufsystems 42,2 Im Jahr 2019 wurden 100 893 Schwanger- schaftsabbrüche in Deutschland gemeldet, 25,0 Neubildungen 26,3 zehn Jahre zuvor waren es 110 694 Ein- griffe. Bezogen auf die Zahl der Frauen Krankheiten des 7,5 zwischen 15 und 49 Jahren waren dies Atmungssystems 7,0 58 Abbrüche je 10 000 Frauen im Jahr 2019 und damit gleich viele wie 2009. Knapp Krankheiten des 4,3 Verdauungssystems 5,2 drei Viertel (72 %) der Frauen, die 2019 ei- nen Schwangerschaftsabbruch durchfüh- Psychische und 6,1 ren ließen, waren zwischen 18 und 34 Jah- Verhaltensstörungen 2,2 re alt, 18 % zwischen 35 und 39 Jahre. Rund 8 % der Frauen waren 40 Jahre und Verletzungen und 4,4 Vergiftungen älter. Die unter 18-Jährigen hatten einen 3,7 Anteil von 3 %. Nach einer vorgeschriebenen vorheri- 2018 2008 gen Schwangerschaftskonf liktberatung Definition nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheits- wurden 96 % der gemeldeten Schwanger- probleme ICD-10. schaftsabbrüche vorgenommen. Medizi- nische und kriminologische Indikationen waren in 4 % der Fälle die Begründung für den Abbruch. chen Gesundheitsbewusstsein. Auch bei Bluthochdruck) sowie Vorhofflattern und 9.1.6 Stationäre Versorgung den Altersgruppen gab es in den letzten Vorhofflimmern. Allein an diesen fünf Drei große Akteure prägen die medizini- zehn Jahren große Verschiebungen: Der E rkrankungen starben 2018 insgesamt sche Versorgung in Deutschland: die Anteil der Verstorbenen, die 90 Jahre und 96 000 Männer und 109 000 Frauen. Wei- E rbringer ambulanter Leistungen (bei- älter waren, stieg seit 2008 um 5 % an und tere häufige Todesursachen waren Krebs- spielsweise in Praxen niedergelassener lag im Jahr 2018 bei 19 %. leiden (Bösartige Neubildungen). Bei den Ärztinnen und Ärzte sowie in Apothe- Männern waren Krebserkrankungen der ken), die Erbringer stationärer Leistun- Häufigste Todesursachen Bronchien und Lunge, der Prostata, des gen (in Krankenhäusern, Vorsorge- oder Die häufigste Todesursache (Einzeldiag- Dickdarms und des Pankreas die Ursache Rehabilitationseinrichtungen und Pflege- nose) war bei Männern wie Frauen gleich: für 61 000 Sterbefälle. Bei den Frauen heimen) sowie die Leistungserbringer Es handelte sich um die chronische ischä- waren es Brustkrebs und Lungenkrebs: s ogenannter vorgelagerter Marktstufen mische Herzkrankheit. Sie wird meist Insgesamt 35 000 Frauen verstarben daran. (Hersteller von medizinisch-technischen durch eine Arteriosklerose (»Arterienver- Geräten und von Arzneimitteln). Letztere kalkung«) verursacht und war wie 2018 Todesursachen im Zeitvergleich kommen dabei in der Regel nicht direkt auch in den Vorjahren die meistbenannte Die Bedeutung bestimmter Krankheits- mit den Nachfragenden gesundheitlicher Todesursache. An ihr verstarben 76 300 gruppen am Sterbegeschehen hat sich im Güter und Leistungen in Kontakt. Personen, davon waren 40 600 männlich Zeitraum von 2008 bis 2018 verschoben. Der folgende Abschnitt beschreibt das und 35 700 weiblich. Der Anteil der Krankheiten des Kreislauf- Leistungsangebot der Krankenhäuser im Fünf der zehn häufigsten Todesur systems an allen Todesursachen ist um Bereich der stationären Gesundheitsver- sachen waren dem Bereich der Herz- 6,0 Prozentpunkte zurückgegangen. Star- sorgung (Betten und personelle Ausstat- Kreislauf-Erkrankungen zuzuordnen. ben im Jahr 2008 noch 42 % aller Ver tung) sowie deren Inanspruchnahme. Es handelte sich dabei um die chronische storbenen an einer solchen Erkrankung, Krankenhäuser sind Gegenstand der ischämische Herzkrankheit, den akuten betrug der Anteil im Jahr 2018 nur noch jährlichen Krankenhausstatistik. Erfasst Herzinfarkt, die Herzinsuffizienz, die Hy- 36 %. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil werden in erster Linie Angaben über die pertensive Herzkrankheit (eine Erkran- der psychischen Erkrankungen an allen sachliche und personelle Ausstattung der kung des Herzmuskels durch chronischen Todesursachen von 2,2 % im Jahr 2008 auf Krankenhäuser (Anzahl der Krankenhäu- 331
9 / Gesundheit 9.1 / Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung u Tab 2 Krankenhäuser, Betten und Patientenbewegungen tigungsmodelle wie Teilzeit- oder gering- fügige Beschäftigung. Die Zahl der Voll- Veränderung 2017 2007 kräfte im ärztlichen Dienst lag im Jahr 2017 – 2007 in % 2017 bei 161 200 (+ 28 %). Im nichtärzt Krankenhäuser Anzahl 1 942 2 087 – 6,9 lichen Dienst wurden 733 200 Vollkräfte Betten Anzahl 497 182 506 954 – 1,9 (+ 10 %) und im Pf legedienst 328 300 je 100 000 Einwohner / -innen ¹ 602 616 – 2,3 (+ 10 %) gezählt. u Tab 3 Fälle in 1 000 19 443 17 179 + 13,2 Berechnungs-/ Leistungen und Auslastung in 1 000 141 152 142 893 – 1,2 Belegungstage der Krankenhäuser Durchschnittliche Tage 7,3 8,3 – 12,0 Rund 19,4 Millionen Patientinnen und Verweildauer Patienten wurden 2017 vollstationär im Durchschnittliche Bettenauslastung in % 77,8 77,2 + 0,8 Krankenhaus behandelt. Die Zahl der B erechnungs- / Belegungstage lag bei 1 Mit der Durchschnittsbevölkerung auf Grundlage des Zensus 2011 berechnet. 141,2 Millionen. Gegenüber 2007 ist die Fallzahl um 13,2 % gestiegen – zugleich u Tab 3 Personal in Krankenhäusern ist die Zahl der Berechnungs- / Bele- 2017 2007 Veränderung gungstage um 1,2 % zurückgegangen. 2017 – 2007 in % Die durchschnittliche Verweildauer Beschäftigte am Stichtag 31.12. lag im Jahr 2017 bei 7,3 Tagen. Im Jahr Ärztlicher Dienst ¹ 186 021 136 267 + 36,5 2007 dauerte ein Aufenthalt noch durch- Nichtärztlicher Dienst ² 967 439 858 151 + 12,7 schnittlich 8,3 Tage. Die Liegezeiten Pflegedienst 437 648 392 896 + 11,4 haben sich also weiter verkürzt. Die Ver- Vollkräfte im Jahresdurchschnitt weildauer im Krankenhaus wird wesent- Ärztlicher Dienst ¹ 161 208 126 000 + 27,9 lich von der Diagnose der Patientinnen und Patienten und damit der Fachab Nichtärztlicher Dienst ² 733 193 666 299 + 10,0 teilung, in der diese sich aufhalten, be Pflegedienst 328 327 298 325 + 10,1 einf lusst. Während ein Aufenthalt in 1 Hauptamtliche Ärzte / Ärztinnen, ohne Zahnärzte / -ärztinnen. der Fachabteilung Augenheilkunde im 2 Ohne Personal der Ausbildungsstätten und ohne Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Durchschnitt 2,9 Tage dauerte, mussten Patientinnen und Patienten in der Fach abteilung Herzchirurgie mit 10,9 Tagen ser, aufgestellte Betten sowie ärztliches 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner annähernd viermal so lange im Kranken- und nichtärztliches Personal). Darüber weniger als im Jahr 2007. Ein Kranken- haus bleiben. Die längste durchschnitt hinaus ermöglichen patientenbezogene haus in Deutschland verfügte im Jahr liche Verweildauer in einer allgemeinen Daten (Fallzahl und Berechnungs- / Bele- 2017 über durchschnittlich 256 Betten Fachabteilung betrug 15,3 Tage in der gungstage) zum Beispiel Aussagen über (2007: 243 Betten). Geriatrie. Der Aufenthalt in einer psych- die Auslastung der Betten und die durch- Für die Versorgung der Patientinnen iatrischen Fachabteilung dauerte zwi- schnittliche Verweildauer. und Patienten standen 186 000 Ärztinnen schen 23,8 Tage in der Psychiatrie und und Ärzte zur Verfügung. Gegenüber 2007 Psychotherapie und 42,9 Tage in der Ausstattung der Krankenhäuser nahm das ärztliche Personal um rund Psychotherapeutischen Medizin / Psycho Im Jahr 2017 standen in insgesamt 1 942 50 000 Beschäftigte (37 %) zu. Die Zahl somatik. Krankenhäusern rund 497 200 Betten für der im nichtärztlichen Dienst Beschäftig- Die insgesamt steigende Zahl der die stationäre Versorgung der Bevölke- ten lag bei rund 967 400. Das entspricht Patientinnen und Patienten ist ein Indiz rung zur Verfügung. Gegenüber 2007 einer Zunahme um gut 109 000 Beschäf- für den zunehmenden Anteil älterer war die Zahl der Krankenhäuser infolge tigte (13 %) gegenüber 2007. Die meisten Menschen an der Bevölkerung mit ent- von Schließungen und Fusionen um 6,9 % Beschäftigten im nichtärztlichen Dienst sprechend erhöhter Krankheitsanfällig- niedriger, die Anzahl der Krankenhaus- (45 %) gehören zum Pf legedienst. Hier keit. Die kürzere durchschnittliche Ver- betten war um 1,9 % geringer. u Tab 2 wurden 437 600 Beschäftigte (+ 11 %) im weildauer beruht einerseits auf dem medi- Je 100 000 Einwohnerinnen und Ein- Jahr 2017 gezählt. zinischen Fortschritt und andererseits wohner standen 602 Krankenhausbetten Die Beschäftigtenzahl berücksichtigt auf den Maßnahmen zur Kostendämp- zur Verfügung. Das waren 14 Betten je jedoch keine unterschiedlichen Beschäf- fung im Gesundheitsbereich. 332
Gesundheitszustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung / 9.1 Gesundheit / 9 u Tab 4 Krankenversicherung nach Art des Versicherungsverhältnisses 2019 — in Tausend Ohne Mit Insgesamt Männlich Weiblich Migrations Migrations hintergrund hintergrund Zur Krankenversicherung befragte Personen 79 079 39 075 40 003 58 770 20 308 (hochgerechnet) Krankenversicherte 79 017 39 036 39 981 58 744 20 273 g esetzlich versichert 69 753 33 634 36 119 50 740 19 013 selbst versichert 53 519 26 902 26 618 41 132 12 387 a ls Familienange- 16 234 6 733 9 501 9 608 6 625 hörige/r mitversichert privat versichert 8 835 5 134 3 701 7 709 1 125 ausschließlich sonstiger Anspruch auf 140 111 28 126 14 Krankenversorgung¹ keine Angabe zur Art des Versicherungs 290 156 134 169 121 verhältnisses Nichtkrankenversicherte ² 61 39 22 26 35 1 Anspruch auf Krankenversorgung als Sozialhilfeempfänger /-in, Kriegsschadenrentner /-in oder Empfänger /-in von Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich, Beamtinnen / Beamte, Richterinnen / Richter, Freie Heilfürsorge der Polizei und Bundeswehr. 2 Hierzu zählen Personen, die die Frage »Sind Sie krankenversichert?« verneint und keinen sonstigen Anspruch auf Krankenversorgung haben. Datenbasis: Mikrozensus – Bevölkerung in Familien / Lebensformen am Hauptwohnsitz Im Jahr 2017 waren die Krankenhaus- 2.1, Seite 52, Info 1) Angaben zu ihrer betten zu 78 % ausgelastet. Dieser Wert Krankenversicherung gemacht haben. Die bildet das Verhältnis aus tatsächlicher gesundheitsbezogenen Fragen werden im Bettenbelegung und maximaler Betten- vierjährlichen Abstand, zuletzt 2019, ge- belegung ab. In den psychiatrischen stellt. Dabei waren Frauen etwas häufi- Fachabteilungen lag die Bettenauslastung ger (90 %) gesetzlich krankenversichert bei über 90 % (maximal 94 % in der als Männer (86 %). Privat krankenversi- »Psychiatrie und Psychotherapie«). Im chert waren 11 % der Einwohnerinnen Bereich der allgemeinen Fachabteilungen und Einwohner, Männer etwas häufiger hatte die Geriatrie mit gut 89 % die (13 %) als Frauen (9 %). Allerdings gab höchste, die Nuklearmedizin mit 46 % es – trotz g esetzlicher Krankenversiche- die geringste Bettenauslastung. rungspflicht – auch 61 000 Menschen, die nicht krankenversichert waren und auch 9.1.7 Krankenversicherung keinen Anspruch auf Krankenversorgung In Deutschland ist eine Absicherung im besaßen. Das entspricht einem Anteil von Krankheitsfall in Form eines Versiche- 0,1 % der Bevölkerung. Von den Personen rungsverhältnisses für alle gesetzlich vor- ohne Krankenversicherungsschutz waren geschrieben. Unter dem Schutz der ge- 39 000 männlich und 22 000 weiblich. setzlichen Krankenversicherung standen Rund 35 000 der Personen ohne Kranken- 88 % der Menschen, die im Jahr 2019 im versicherung hatten einen Migrations Rahmen des Mikrozensus (siehe Kapitel hintergrund. u Tab 4 333
9 / Gesundheit 9.2 / Gesundheitliche Ungleichheit 9.2 Der Begriff »gesundheitliche Ungleichheit« beschreibt soziale Unterschiede im Ge- Koch-Instituts, um das Ausmaß und die Entwicklung der gesundheitlichen Un- Gesundheitliche sundheitszustand, im Gesundheitsverhal- gleichheit in Deutschland zu beschreiben. Ungleichheit ten und in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Mit der Sozialepidemiologie 9.2.1 Einkommen und Gesundheit hat sich in den vergangenen Jahren eine Das Einkommen vermittelt den Zugang Thomas Lampert, Niels Michalski, eigenständige Forschungsdisziplin eta- zu den meisten Bedarfs- und Gebrauchs- Stephan Müters, Benjamin Wachtler, bliert, die den Schwerpunkt auf die Analyse gütern und ist eine wichtige Grundlage Jens Hoebel der gesundheitlichen Ungleichheit legt. der Vermögensbildung, der Vorsorge und Robert Koch-Institut (RKI) Auch die Gesundheitsberichterstattung der sozialen Absicherung. Neben den ma- präsentiert regelmäßig Daten und Fakten teriellen Aspekten ist das Einkommen für zur gesundheitlichen Ungleichheit. Im die soziale Integration und soziokultu WZB / SOEP Folgenden wird auf verschiedene Daten- relle Teilhabe sowie für das psychosoziale quellen zurückgegriffen, zum Beispiel auf Wohlbefinden und die gesundheitsbe das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) zogene Lebensqualität bedeutsam. So und das Gesundheitsmonitoring des Robert lässt sich zeigen, dass Personen, die einem u Abb 1 Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands (»weniger gut« oder »schlecht«) nach drei Einkommensgruppen 2018 — in Prozent Männer Frauen 43,3 40,5 36,3 31,5 30,4 24,2 20,7 20,7 21,3 18,6 18,6 15,8 15,4 13,7 14,6 13,2 11,7 9,4 9,0 6,0 5,2 5,3 3,3 4,4 18–29 30–44 45–64 ab 65 18–29 30–44 45–64 ab 65 Jahre Jahre Jahre Jahren Jahre Jahre Jahre Jahren < 60 % 60 bis
Gesundheitliche Ungleichheit / 9.2 Gesundheit / 9 Armutsrisiko ausgesetzt sind (siehe dazu ner und Frauen, die einem Armutsrisiko dung des 65. Lebensjahres starben, bei die Kapitel 6.2, Seite 222, und 6.3, Seite ausgesetzt sind, vermehrt von chroni- den Frauen der höchsten Einkommens- 229), ihren allgemeinen Gesundheitszu- schen Krankheiten wie Herz-Kreislauf- gruppe waren es lediglich etwa 8 %. Bei stand häufiger als weniger gut oder Erkrankungen, Diabetes, chronischer Männern war die vorzeitige Sterblichkeit schlecht bewerten. Allerdings bestehen in Bronchitis oder Depressionen betroffen. in allen Einkommensgruppen deutlich dieser Hinsicht auch Unterschiede zwi- Aufschluss über Einkommensunter- höher und die Unterschiede zwischen schen den Angehörigen der mittleren und schiede in der Mortalität und Lebenser- der niedrigsten und der höchsten Ein- höheren Einkommensgruppe. Diese Ein- wartung geben Daten des Sozio-oekono- kommensgruppe fielen mit 27 % gegen- kommensabhängigkeit zeichnete sich bei mischen Panels (SOEP). Demnach lag die über rund 14 % stärker aus. Auch in der Männern und Frauen im Jahr 2018 deut- mittlere Lebenserwartung von Männern ferneren Lebenserwartung ab einem Alter lich ab. Bei statistischer Kontrolle des Al- der niedrigsten Einkommensgruppe un- von 65 Jahren zeichnen sich die Unter- terseffekts zeigt sich, dass bei Männern terhalb der Armutsrisikogrenze bei Ge- schiede zwischen den Einkommensgrup- aus der armutsgefährdeten Gruppe das burt 8,6 Jahre unter der von Männern der pen deutlich ab: Die Differenz zwischen Risiko eines weniger guten oder schlech- hohen Einkommensgruppe. Bei Frauen der höchsten und der niedrigsten Ein- ten allgemeinen Gesundheitszustands im betrug diese Differenz 4,4 Jahre. Auffal- kommensgruppe betrug bei Männern Verhältnis zu Männern aus der hohen lend ist dabei, dass sich auch zwischen 6,6 Jahre und bei Frauen 3,7 Jahre. Die Einkommensgruppe um den Faktor 3,2 den mittleren Einkommensgruppen Un- Differenzen in der ferneren Lebenserwar- erhöht war. Bei Frauen betrug das ent- terschiede zeigen, sodass von einer gra- tung lassen sich zum Teil auf eine erhöh- sprechende Verhältnis 3,0 zu 1. u Abb 1 duellen Abstufung der Lebenserwartung te psychische und physische Belastung Wie die Daten der Studie zur »Ge- ausgegangen werden kann. u Tab 1 im L ebenslauf sowie auf geringere mate- sundheit in Deutschland aktuell« (GEDA, Weitere Analysen derselben Daten zei- rielle, kulturelle und soziale Ressourcen www.geda-studie.de) aus den Jahren gen, dass rund 13 % der Frauen der nied- in der untersten Einkommensgruppe zu- 2014/2015 deutlich machen, waren Män- rigsten Einkommensgruppe vor Vollen- rückführen. Ergebnisse aus Trendanaly- sen sprechen dafür, dass die sozialen Un- terschiede in der Lebenserwartung in den vergangenen 25 Jahren relativ stabil u Abb 2 Zusammenhang zwischen mittlerer Lebenserwartung bei Geburt und Armuts geblieben sind. risikoquote auf NUTS-2-Ebene (Regierungsbezirke, statistische Regionen) 2017 Auf sozialräumlicher Ebene ist der Zusammenhang zwischen Einkommen Lebenserwartung in Jahren und Lebenserwartung ebenfalls zu be obachten. Im Allgemeinen gilt, dass die 86 mittlere Lebenserwartung bei Geburt in den Regionen mit den niedrigsten Ar- mutsrisikoquoten am höchsten ist und 84 dass dieser Zusammenhang umso stärker sichtbar wird, je kleinräumiger die Be- trachtung erfolgt. Die Armutsrisikoquote 82 misst den Anteil der Personen mit einem Nettoäquivalenzeinkommen unterhalb 80 der Armutsgefährdungsschwelle von 60 % des Medians aller Nettoäquivalenzein- kommen in der betrachteten Population. 78 Bei Männern betrug die Differenz in der Lebenserwartung auf NUTS-2-Ebene (Regierungsbezirke beziehungsweise Armuts 76 risikoquote statistische Regionen nach der »Nomen- 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 in Prozent clature des unités territoriales statis- Männer Frauen tiques«) zwischen den Regionen mit den höchsten und niedrigsten Armutsrisiko- Datenbasis: Lebenserwartung bei Geburt: Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung, INKAR 2020; Armutsrisikoquote: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2020, Regionalatlas Deutschland quoten etwa drei Jahre, bei Frauen etwa zwei Jahre. u Abb 2 335
9 / Gesundheit 9.2 / Gesundheitliche Ungleichheit u Abb 3 Einschränkungen in Arbeit und Alltag aufgrund körperlicher und u Info 1 seelischer Probleme nach Bildung 2018 — in Prozent Bildungsniveau Zur Ermittlung des Bildungsniveaus wird im Folgenden auf die CASMIN-Klassifikation Weniger geschafft aufgrund körperlicher Probleme (»Comparative Analyses of Social Mobility in Männer Frauen Industrial Nations«) zurückgegriffen, die in den 1970er-Jahren für international ver gleichende Analysen zur sozialen Mobilität 31,5 entwickelt wurde. Im Jahr 2003 wurde eine überarbeitete Version vorgestellt, die a ktuellen Entwicklungen der Bildungs 26,1 systeme, insbesondere in Großbritannien, 24,3 23,9 Frankreich und Deutschland, Rechnung trägt. Die CASMIN-Klassifikation ist an Bildungs- zertifikaten orientiert, wobei sowohl schulische 19,5 18,8 als auch berufsbildende Abschlüsse be 17,2 18,0 rücksichtigt werden. Die Bildungsabschlüsse 15,0 werden entsprechend ihrer funktionalen Äquivalenz im Ländervergleich neun Katego- 12,2 11,9 rien zugeordnet, von denen ausgehend ein 11,0 niedriges, mittleres und hohes Bildungsniveau 9,5 8,1 8,1 (»primary / low secondary«, »mediate / high 6,8 7,0 6,1 6,3 secondary« and »tertiary« education) abge- 4,9 grenzt werden kann. 3,6 4,1 3,3 1,7 18–29 30–44 45–64 ab 65 18–29 30–44 45–64 ab 65 Jahre Jahre Jahre Jahren Jahre Jahre Jahre Jahren 9.2.2 Bildung als Ressource für Gesundheit Weniger geschafft aufgrund seelischer Probleme Neben dem Einkommen besitzt auch die Männer Frauen Bildung einen hohen Stellenwert für die Gesundheit. Durch den Zusammenhang zwischen formalen Bildungsabschlüssen 13,7 und der Stellung in der Arbeitswelt erge- 11,0 ben sich Bezüge zu berufsbezogenen Be- 10,0 9,6 8,8 8,6 8,7 lastungen und Ressourcen sowie zur Ein- 7,5 7,1 6,9 7,3 7,6 6,4 6,8 kommenssituation. Bildung drückt sich 6,0 5,5 5,1 4,6 5,1 4,2 4,0 4,1 außerdem in Wissen und Handlungs- 3,4 2,8 kompetenzen aus, die eine gesundheits- förderliche Lebensweise und den Um- 18–29 30–44 45–64 18–29 30–44 ab 65 45–64 ab 65 gang mit Belastungen und Gesundheits- Jahre Jahre Jahre Jahren Jahre Jahre Jahre Jahren problemen unterstützen. Eine wichtige Bildung: niedrig mittel hoch Rolle spielen dabei Einstellungen, Über- zeugungen und Werthaltungen, die sich Datenbasis: SOEP v35 bereits früh im Leben unter dem Einfluss der elterlichen Erziehung und der Bil- dungsinstitutionen entwickeln. u Info 1 Gesundheitliche Probleme und Krank- heiten, die die Ausübung arbeitsbezoge- ner oder alltäglicher Aktivitäten dauer- Daten des Sozio-oekonomischen Panels zu sein. Im Verhältnis zur hohen Bil- haft einschränken, sind mit negativen (SOEP) gaben im Jahr 2018 Personen mit dungsgruppe drückte sich dies bei Män- Konsequenzen für die Lebensqualität der niedriger Bildung in jeder Altersgruppe nern mit niedriger Bildung in einem um Betroffenen verbunden, haben Auswir- häufiger als Personen mit hoher Bildung das 2,3-fach und bei Frauen in einem um kungen auf ihr soziales Umfeld und stel- an, aufgrund körperlicher oder seelischer das 2,2-fach erhöhte Risiko für Ein- len zudem die sozialen Sicherungssyste- Probleme in ihren arbeits- oder alltagsbe- schränkungen aufgrund körperlicher me vor große Herausforderungen. Nach zogenen Beschäftigungen eingeschränkt Probleme aus. Das Risiko für Einschrän- 336
Gesundheitliche Ungleichheit / 9.2 Gesundheit / 9 kungen aufgrund seelischer Probleme u Abb 4 Starke körperliche Schmerzen in den letzten vier Wochen war bei Männern und Frauen in der nied- (»immer« oder »oft«) nach Bildung 2018 — in Prozent rigen Bildungsgruppe um das 2-Fache erhöht. u Abb 3 Männer Frauen Personen mit niedriger Bildung be- richteten signifikant häufiger, in den ver- gangenen vier Wochen immer oder oft unter starken Schmerzen gelitten zu ha- 28,9 27,1 ben, als Personen mit mittlerer und hoher 25,0 Bildung. Der Zusammenhang zwischen einem niedrigeren Bildungsgrad und der 21,3 Zunahme der Häufigkeit von Schmerzen 20,0 19,5 19,0 ist bei Männern und Frauen in allen Al- 16,8 17,0 tersgruppen zu beobachten. Kontrolliert man den Alterseinfluss, hatten Männer 13,4 12,9 der niedrigen im Vergleich zu denen 12,0 11,0 10,2 der hohen Bildungsgruppe ein 3,2-mal so 9,6 hohes Risiko, von starken körperlichen 7,8 7,8 Schmerzen betroffen zu sein. Bei Frauen 5,2 5,5 5,4 4,3 4,1 betrug das entsprechende Verhältnis 2,5 3,6 zu 1. Auch zwischen der mittleren und 1,1 hohen Bildungsgruppe sind signifikante 18–29 30–44 45–64 ab 65 18–29 30–44 45–64 ab 65 Unterschiede im Vorkommen von Jahre Jahre Jahre Jahren Jahre Jahre Jahre Jahren Schmerzen festzustellen. u Abb 4 Bildung: niedrig mittel hoch Die Bedeutung der Bildung für das Gesundheitsverhalten lässt sich mit Be- Datenbasis: SOEP v35 funden zum Tabakkonsum verdeutlichen. Nach Daten der GEDA-Studie rauchten im Jahr 2014/2015 Personen mit niedriger Bildung weitaus häufiger als Personen mit u Tab 2 Rauchverhalten nach Bildung 2014 — in Prozent mittlerer Bildung und insbesondere als Personen mit hoher Bildung. Bei statis Männer Frauen tischer Kontrolle des Alterseffekts war Ex- Nie- Ex- Nie- Rauche- das Risiko zu rauchen bei Männern und Raucher Rauche- Rauche- Raucher Raucher rinnen rinnen rinnen Frauen mit niedriger Bildung im Ver- 18 – 29 Jahre gleich zu denen mit hoher Bildung um Niedrige Bildung 48,8 11,0 40,2 37,3 17,4 45,3 den Faktor 1,9 beziehungsweise 2,5 er- Mittlere Bildung 33,2 13,1 53,7 29,1 15,9 55,0 höht. Am Verhältnis von ehemaligen und Hohe Bildung 25,7 9,3 65,0 15,6 14,6 69,8 aktuellen Raucherinnen und Rauchern 30 – 44 Jahre wird zudem deutlich, dass Personen mit Niedrige Bildung 43,7 29,3 27,0 37,9 27,2 34,9 niedriger Bildung seltener beziehungs- Mittlere Bildung 36,4 30,0 33,6 28,7 26,6 44,7 weise später das Rauchen wieder auf Hohe Bildung 25,9 23,1 51,0 13,1 28,0 58,8 gaben (siehe dazu auch Abschnitt 9.2.7, 45 – 64 Jahre Seite 343). u Tab 2 Niedrige Bildung 34,3 39,4 26,3 27,9 33,9 38,2 Auch in Bezug auf gesundheitsförder- Mittlere Bildung 28,8 38,4 32,8 24,9 31,8 43,3 liche körperliche Aktivität in der Freizeit Hohe Bildung 17,9 33,4 48,7 13,1 32,3 54,5 treten Unterschiede nach dem Bildungs- Ab 65 Jahren niveau zutage. Personen mit hoher Bil- Niedrige Bildung 8,0 55,5 36,5 6,2 22,4 71,5 dung erreichten deutlich häufiger die von Mittlere Bildung 11,1 55,7 33,2 7,4 28,4 64,2 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hohe Bildung 9,8 54,4 35,9 7,6 32,9 59,5 empfohlene Bewegungsempfehlung ent- sprechender Ausdaueraktivitäten von Datenbasis: GEDA 2014/2015-EHIS 337
9 / Gesundheit 9.2 / Gesundheitliche Ungleichheit mindestens 2,5 Stunden pro Woche als Personen mit mittlerer und niedriger Bil- dung. Dies gilt für alle betrachteten Al- tersgruppen. Während nach den Daten der GEDA-Studie rund 57 % der Männer und 54 % der Frauen mit hoher Bildung diese Bewegungsempfehlung erreichten, waren es bei Männern und Frauen der niedrigen Bildungsgruppe nur 41 bezie- hungsweise 34 %. Unter Berücksichti- gung der unterschiedlichen Alterszusam- mensetzung der Bildungsgruppen lässt sich feststellen, dass Männer mit niedri- ger Bildung im Vergleich zu Männern mit hoher Bildung ein 1,8-mal höheres Risiko aufwiesen, die Empfehlungen zur gesundheitsförderlichen Ausdauerakti Lebenserwartung. Verschiedene Studien Daten zeigen außerdem, dass Mitglieder vität nicht einzuhalten. Bei Frauen lag belegen, dass ein höheres Bildungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung das Verhältnis der beiden Vergleichs- mit einer verringerten Sterbewahrschein- im Jahr 2018 durchschnittlich 12 Tage gruppen bei 2,2 zu 1. lichkeit und einer höheren Lebenserwar- krankheitsbedingt fehlten. Bildungsunterschiede zeigten sich in tung assoziiert ist. Dieser Zusammen- Auswertungen auf Basis der Daten zu weiteren Studien auch in Bezug auf die hang ist für Männer stärker ausgeprägt Fehlzeiten von erwerbstätigen Versicher- Inanspruchnahme von Präventionsange- als für Frauen. ten der AOK zeigen zudem regelmäßig, boten, das Gesundheitswissen und die dass Männer und Frauen mit manuellen Krankheitsbewältigung. Beispielsweise 9.2.3 Arbeitsweltbezogene Tätigkeiten oder in einfachen Dienstleis- nahmen Personen mit niedriger Bildung E inflüsse auf die Gesundheit tungsberufen deutlich häufiger und län- seltener Krebsfrüherkennungsuntersu- Krankheits- oder unfallbedingte Fehlzei- ger arbeitsunfähig sind als Männer und chungen und andere Präventionsangebo- ten sind ein zentraler Indikator arbeits- Frauen in hoch qualifizierten und wis- te wahr, die größtenteils zum Leistungs- weltbezogener Einflüsse auf die Gesund- sensbasierten Berufen (siehe dazu etwa katalog der gesetzlichen Krankenkassen heit. Sie machen auf Gesundheitsrisiken den AOK-Fehlzeitreport aus dem Jahr gehören, also ohne Zuzahlungen in An- und Belastungen aufmerksam, bevor Be- 2019). Allerdings ist zu beachten, dass in spruch genommen werden können. Dies rufskrankheiten entstehen oder es zu diese Statistik nur Arbeitsunfähigkeits- galt zum Beispiel für die zahnärztliche vorzeitigen krankheitsbedingten Renten- zeiten von mehr als drei Kalendertagen Kontrolluntersuchung oder den Gesund- eintritten kommt. Die Fehlzeiten lassen eingehen, wodurch das tatsächliche Aus- heits-Check-up ab 35. Dies traf ebenso sich zudem nach Diagnosen differenzie- maß der Fehlzeiten unterschätzt wird. auf die Teilnahme an Bonusprogrammen ren und geben dadurch einen Überblick Krankheitsbedingte Fehlzeiten stehen der gesetzlichen Krankenkassen zu, die über die Krankheitslast in der erwerbstä- in engem Zusammenhang mit Arbeits zu einer gesundheitsbewussten Lebens- tigen Bevölkerung. Im Jahr 2018 gingen belastungen. Beschäftigte mit niedrigem führung und Gesundheitsvorsorge moti- nach Ergebnissen der Bundesanstalt Berufsstatus sind häufiger sowohl körper- vieren sollen. Personen mit niedriger Bil- für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz lichen als auch psychosozialen Belastun- dung kannten zudem deutlich weniger (BAuA) 23 % der krankheitsbedingten gen ausgesetzt als Beschäftigte mit höhe- der typischen Symptome für Schlaganfall Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft rem Berufsstatus. Dies wird unter ande- und Herzinfarkt als Personen mit mittle- auf Muskel- und Skeletterkrankungen zu- rem auf ein Ungleichgewicht zwischen rer und hoher Bildung. Interessant ist rück, 13 % auf psychische und Verhaltens- Verausgabung und Belohnung bei der Ar- auch, dass Diabetikerinnen und Diabeti- störungen, 15 % auf Atemwegserkrankun- beit sowie zwischen Arbeitsanforderun- ker mit niedriger Bildung seltener an Di- gen, 12 % auf Unfälle und Verletzungen gen und Einflussmöglichkeiten der Er- abetikerschulungen teilnahmen und sowie jeweils 5 % auf Herz-Kreislauf- werbstätigen zurückgeführt. weitaus größere Schwierigkeiten hatten, Erkrankungen und Krankheiten des Ver- Auswertungen der GEDA-Studie zei- die Behandlung der Erkrankung im All- dauungssystems. Die Kosten des durch gen für die Jahre 2014/2015, dass Männer tag umzusetzen. die Arbeitsunfähigkeit bedingten Pro- und Frauen aus niedrigen Berufsstatus- Die Relevanz der Bildung für die Ge- duktionsausfalls werden für Deutschland gruppen ihren Gesundheitszustand deut- sundheit zeigt sich auch hinsichtlich der auf 85 Milliarden Euro geschätzt. Die lich schlechter einschätzten, häufiger An- 338
Gesundheitliche Ungleichheit / 9.2 Gesundheit / 9 u Abb5 Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit mit der Arbeit nach Brutto niveau der Beschäftigten. Die Ergebnisse stundenlohn bei 30- bis 64-jährigen Erwerbstätigen 2018 — in Prozent der GEDA-Studie zeigen, dass in den Jah- ren 2014/2015 etwa 41 % der Männer in Männer Frauen Helfer- und Anlerntätigkeiten ihre Arbeit als stark oder sehr stark gesundheitsge- 40,9 fährdend beurteilten, während der Anteil bei Männern mit fachlich ausgerichteten 36,5 Tätigkeiten nur etwa 34 % betrug. Bei Männern, die komplexe Spezialistentätig- keiten oder hoch komplexe Tätigkeiten 28,2 ausführen, fiel der Anteil mit etwa 24 be- 27,5 ziehungsweise 20 % deutlich niedriger 24,0 aus. Bei Frauen zeigen sich die Unter- schiede nach dem beruflichen Anforde- rungsniveau vor allem im Vergleich zu 17,8 16,3 den Helfer- und Anlerntätigkeiten. Etwa ein Drittel der Frauen in Helfer- und An- lerntätigkeiten gab an, mit starken bis 10,6 11,4 10,3 9,7 10,4 9,7 9,2 sehr starken gesundheitsgefährdenden 8,3 Arbeitsbedingungen konfrontiert zu sein. In den Vergleichsgruppen lag dieser An- 3,8 3,6 teil zwischen 21 und 24 %. 0,1 9.2.4 Arbeitslosigkeit und Niedriglohn mittlerer Lohn hoher Lohn Niedriglohn mittlerer Lohn hoher Lohn (
9 / Gesundheit 9.2 / Gesundheitliche Ungleichheit u Tab 3 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherte nach Diagnose und Versicherungsstatus 2018 Männer Frauen Diagnosen pflichtversicherte pflichtversicherte Arbeitslose ¹ Arbeitslose ¹ Beschäftigte Verhältnis in % Beschäftigte Verhältnis in % Tage je 100 Tage je 100 Infektiöse und parasitäre Krankheiten 96 58 60 95 52 55 Neubildungen 56 137 245 97 184 189 Endokrine, Ernährungs- und 13 43 322 13 37 294 Stoffwechselk rankheiten Psychische und Verhaltensstörungen 255 1381 542 373 1669 448 Krankheiten des Nervensystems 46 113 248 54 122 227 Krankheiten des Auges 15 13 88 13 16 124 Krankheiten des Ohres 15 20 133 18 19 106 Krankheiten des Kreislaufsystems 100 202 202 55 109 198 Krankheiten des Atmungssystems 302 136 45 334 167 50 Krankheiten des Verdauungssystems 100 112 112 79 77 97 Krankheiten der Haut und der Unterhaut 31 29 43 19 33 175 Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems 533 939 176 426 896 210 und des Bindegewebes Krankheiten des Urogenitalsystems 21 24 118 42 44 105 Symptome und abnorme klinische 83 128 154 99 130 131 und Laborbefunde Verletzungen und Vergiftungen 275 257 93 173 190 110 Faktoren, die den Gesundheitszustand 38 89 235 48 93 195 beeinflussen Insgesamt 1979 3681 186 1936 3837 198 1 Empfänger/-innen von ALG I; Verhältnis von Tagen je 100 Versicherte im Vergleich von Arbeitslosen und beschäftigten Pflichtmitgliedern. Quelle: BKK, Gesundheitsreport 2019 willig versicherte Beschäftigte mit 13,0 beitslose Versicherte fast doppelt so viele von Arbeitslosigkeit und Gesundheit in beziehungsweise 11,7 Tagen. Im Ver- Arbeitsunfähigkeitstage verzeichnet wie der Regel größer ist als die der Selektion. gleich zum Jahr 2016 ist vor allem bei den für beschäftigte Pflichtversicherte. u Tab 3 Nach den Ergebnissen der GEDA-Studie arbeitslosen Versicherten eine deutliche Nicht erst Arbeitslosigkeit, sondern gab von den Personen mit Arbeitslosig- Zunahme zu verzeichnen. bereits Arbeitsplatzunsicherheit ist mit keitserfahrungen in den vergangenen Eine diagnosespezifische Betrachtung einem häufigeren Auftreten von Gesund- fünf Jahren jeder vierte Mann (25 %) und verdeutlicht, dass Unterschiede zwischen heitsproblemen assoziiert. Beschäftigte, etwa jede fünfte Frau (22 %) an, dass ihre arbeitslosen und beschäftigten Versicher- die ihren Arbeitsplatz als gefährdet anse- beeinträchtigte Gesundheit ein Grund ten insbesondere bei Arbeitsunfähig- hen, sind häufiger stressbelastet und wei- für den Verlust ihres Arbeitsplatzes war. keitstagen infolge von psychischen und sen ein deutlich erhöhtes Risiko für psy- Außerdem berichteten 83 % der Männer Verhaltensstörungen (inklusive Suchter- chische Erkrankungen auf als erwerbstä- und 85 % der Frauen, dass sich ihr Ge- krankungen), Stoffwechselkrankheiten, tige Männer und Frauen in ungefährdeten sundheitszustand nach Eintritt in die Ar- Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems Beschäftigungsverhältnissen. beitslosigkeit nicht wieder verbessert oder und Krankheiten des Nervensystems, des Eine Vielzahl von Studien belegt so- sogar noch weiter verschlechtert habe. Kreislaufsystems sowie von Neubildun- wohl die negativen gesundheitlichen Fol- gen hervortraten. Der größte Unterschied gen von Arbeitslosigkeit (Verursachung) 9.2.5 Kinder- und findet sich bezüglich psychischer und als auch schlechtere Beschäftigungs Jugendgesundheit Verhaltensstörungen. Diese waren bei ar- chancen für gesundheitlich beeinträchtig- Im Kindes- und Jugendalter werden die beitslosen Frauen etwa 4,5-mal und bei te Personen (Selektion). Dabei spricht die Weichen für die gesundheitliche Ent- arbeitslosen Männern 5,4-mal häufiger internationale Studienlage insgesamt da- wicklung im späteren Leben gestellt. Stö- der Grund für Arbeitsunfähigkeitstage für, dass die Bedeutung der Verursachung rungen während der frühen Phasen des als bei pflichtversicherten Beschäftigten. negativer gesundheitlicher Folgen von Körperwachstums und der Organreifung Insgesamt wurden im Jahr 2018 für ar- A rbeitslosigkeit für den Zusammenhang machen sich nicht nur unmittelbar be- 340
Sie können auch lesen