966 FMH - Schweizerische ...

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966 FMH - Schweizerische ...
SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

                      Schweizerische
                      Ärztezeitung
                       965 Editorial                                                     969 FMH                                                         1004 «Zu guter Letzt»
33–34 12. 8. 2020

                       von Michel Matter                                                 Teilzeit und Karriere –                                         von Christina Aus der Au
                       Der Kern unseres Berufs                                           Die Ärzteschaft fordert                                         «Informed consent»
                                                                                         die Spitäler

                         966 FMH
                         «Gesundheit2030»: Sehr viel Licht –
                         und ein sehr dunkler Schatten

                                                    Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch
                                                    Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch
                                                    Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services
                                                    Organ ufficial da la FMH e da la FMH Services
                    Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.       See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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Redaktion                                                                                          Redaktion Ethik
Dr. med. vet. Matthias Scholer (Chefredaktor);                                                     Prof. Dr. theol. Christina Aus der Au;
Dipl.-Biol. Tanja Kühnle (Managing Editor);                                                        Prof. Dr. phil., dipl. Biol. Rouven Porz
Julia Rippstein (Redaktorin Print und Online);                                                     Redaktion Medizingeschichte
Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. oec. Urs Brügger;                                   Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; Prof. Dr. rer. soc. Eberhard Wolff
Prof. Dr. med. Samia Hurst; Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH;                                    Redaktion Public Health, Epidemiologie, Biostatistik
Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH;                                                               Prof. Dr. med. Milo Puhan
Dr. med. Daniel Schröpfer, Mitglied FMH;                                                           Redaktion Recht
Charlotte Schweizer, Leitung Kommunikation der FMH;                                                Dr. iur. Ursina Pally, Leiterin Rechtsdienst FMH
Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH;

FMH
        EDITORIAL:Michel Matter
 965 Der Kern unseres Berufs

                                                       AKTUELL:Nora Wille, Jürg Schlup
 966                                                   «Gesundheit2030»: Sehr viel Licht – und ein sehr dunkler Schatten»
                                                       Das neue gesundheitspolitische Strategiepapier des Bundesrats «Gesundheit2030» findet
 		                                                    in der Ärzteschaft sehr viel Zustimmung. Insbesondere der Fokus auf Prävention wird g
                                                                                                                                           ­ ewürdigt.
 		                                                    Das in «Gesundheit2030» schlecht getarnte Globalbudget wird jedoch klar abge­lehnt, weil es
                                                       die medizinische Indikation in den Hintergrund rückt und in Rationierung mündet.

        AKTUELL:Mirjam Benaiah
 969 Teilzeit und Karriere – Die Ärzteschaft fordert die Spitäler

 973 Personalien

Weitere Organisationen und Institutionen
        SAMW: T
               rägerschaft «smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland»
 976 smarter medicine: «Top-5-Liste» für Infektiologie

        SPS: Konrad Maurer
 977 Chronische Schmerzen als eigenständige Krankheit neu im ICD-11

        SVV: B
              runo Soltermann
 979 Kommunikation zwischen Ärzteschaft und Versicherern

Briefe / Mitteilungen
 981 Briefe an die SÄZ
 982 Facharztprüfungen / Mitteilungen

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FMH Services
 984 Seminare / Séminaires / Seminari
 989 Stellen und Praxen (nicht online)

Tribüne
        INTERVIEW: A
                    drian Ritter
 998 Wenn Corona aufs Gemüt schlägt

Horizonte
1002 Preise und Auszeichnungen

        BUCHBESPRECHUNGEN: J
                            ean Martin
1003 Une fiction qui mérite de nous inspirer dans la vraie vie

Zu guter Letzt
        Christina Aus der Au
1004 «Informed consent»

ANNA

Impressum
Schweizerische Ärztezeitung                     «Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»:               Abonnementspreise: Jahresabonne-           ausdrück­licher vorgängiger Erlaubnis
Offizielles Organ der FMH                       Inserateannahme,                                  ment CHF 320.– zzgl. Porto.                von EMH und auf der Basis einer
und der FMH Services                            Tel. +41 (0)61 467 86 08,                                                                    schriftlichen Vereinbarung zulässig.
Redaktionsadresse: Nina Abbühl,                 stellenmarkt@emh.ch                               ISSN: Printversion: 0036-7486 /
                                                                                                                                             Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu­
Redaktionsassistentin SÄZ,                                                                        elektronische Ausgabe: 1424-4004
                                                                                                                                             blizierten Angaben wurden mit der
EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG,             «Stellenvermittlung»: FMH Consulting              Erscheint jeden Mittwoch
                                                                                                                                             grössten Sorgfalt überprüft. Die ange-
Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,             Services, Stellenvermittlung,
                                                                                                                                             gebenen Dosierungen, Indikationen
Tel. +41 (0)61 467 85 72,                       Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41            © FMH
                                                                                                                                             und Applikationsformen, vor allem von
redaktion.saez@emh.ch, www.saez.ch              (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86,         Die Schweizerische Ärztezeitung ist
                                                                                                                                             Neuzulassungen, sollten in jedem Fall
                                                mail@fmhjob.ch, www.fmhjob.ch                     aktuell eine Open-Access-Publikation.
                                                                                                                                             mit den Beipackzetteln der verwende-
Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte-                                                                FMH hat daher EMH bis auf Widerruf
                                                                                                                                             ten Medikamente verglichen werden.
verlag AG, Farnsburgerstrasse 8,                Abonnemente FMH-Mitglieder:                       ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis
4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55,         FMH Verbindung der Schweizer                      der Creative-Commons-Lizenz                Druck: Vogt-Schild Druck AG,
www.emh.ch                                      Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,             «Namens­nennung – Nicht kommer-            https://www.vsdruck.ch/
                                                3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11,           ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter­
Anzeigen:                                       Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch               national» das zeitlich unbeschränkte
Markus Süess,                                                                                     Recht zu gewähren, das Werk zu ver­
Key Account Manager EMH                         Andere Abonnemente: EMH Schweize-                 vielfältigen und zu verbreiten und
Tel. +41 (0)61 467 85 04,                       rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente,              ­öffentlich zugänglich zu machen.
markus.sueess@emh.ch                            Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz,                Der Name des Verfassers ist in jedem
                                                Tel. +41 (0)61 467 85 75,                          Fall klar und transparent auszuweisen.    Titelbild bearbeitet von Victor Hanisch
                                                abo@emh.ch                                         Die kommer­zielle Nutzung ist nur mit     (EMH): © Tang90246 | Dreamstime.com

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FMH Editorial                                                                                                                                                                          965

Der Kern unseres Berufs
Michel Matter
Dr. med., Vizepräsident der FMH, Departementsverantwortlicher Dienstleistungen und Berufsentwicklung

                                Die Medizin muss im Dienste aller stehen. Allerdings                               ment unseres Berufes sind. Diese Verpflichtung unter-
                                gibt es in unserem Alltag Ungleichheiten. Damit sich                               streicht die Bedeutung einer diskriminierungsfreien
                                diese Ungleichheiten nicht in unser tägliches Handeln                              Gleichbehandlung im Rahmen unserer Tätigkeit. Pa­
                                einschleichen, müssen wir immer auf der Hut sein. Der                              trick Bodenmann, Leiter des Bereichs Vulnerable Grup-
                                Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis                                pen und soziale Medizin von Unisanté Lausanne, be-
                                und die darauffolgenden Gefühls- und Wutausbrüche                                  tont: «Das Pflegepersonal ist nicht gegen Vorurteile
                                zeigen einmal mehr, wie wichtig der Kampf gegen jede                               gefeit.» Es gelte, kleinste Formen der Aggression anzu-
                                Art der Rassendiskriminierung ist. So zeigte auch der                              gehen, die zum «schleichenden Verlust des Wohlbefin-
                                Tod der amerikanischen Bürgerrechtsikone John Lewis                                dens und der Widerstandsfähigkeit der Betroffenen»
                                im Alter von 80 Jahren, glühender Verfechter der Ge-                               führen können, so Bodenmann.
                                waltlosigkeit und Mitglied des Repräsentantenhauses,                               Für alle da sein, seine Nächsten pflegen, alle gleich be-
                                auf, wie notwendig und aktuell dieser Kampf gegen                                  handeln; dies ist die gigantische Herausforderung der
                                Vorurteile ist.                                                                    COVID-19-Krise: Wie kann man allen Bürgerinnen und
                                                                                                                   Bürgern Chancengleichheit, Zugang zu Spitälern, Inten-
                           Diese Verpflichtung unterstreicht die Be­                                               sivstationen und Intermediärpflege gewähren? Un-
                           deutung einer diskriminierungsfreien Gleich­                                            gleichbehandlungen bei der Versorgung stellen eine
                           behandlung im Rahmen unserer Tätigkeit.                                                 Gefahr dar. Ein perfektes Beispiel hierfür ist das ange-
                                                                                                                   kündigte und gefürchtete Globalbudget. Es lässt einen
                                Ebenso aktuell ist der Kampf gegen die Ungleichbe-                                 verschieden raschen Zugang zur medizinischen Ver-
                                handlung der Geschlechter. Die angesehene franzö­                                  sorgung zu, bei der einige Privilegierte sofortige
                                sische Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Gisèle                                  ­Behandlungen erhalten, während andere auf einen
                                ­Halimi meinte dazu: «Wann werden die Frauen begrei-                               Termin für die Behandlung warten müssen.
                                fen, dass sie gemeinsam ungeheuer stark sind? Ein-
                                zeln sind sie verletzlich. Gemeinsam sind sie eine                            Die Gefahr liegt in der Ungleichbehandlung bei
                                unglaubliche Kraft.» Fragen von Ungleichheit und                              der Versorgung. Ein perfektes Beispiel hierfür ist
                                Sexismus auf institutioneller Ebene werden von                                das angekündigte und gefürchtete Globalbudget.
                                ­einer neuen Generation von Pflegekräften immer
                                häufiger thematisiert. Sie machen den Mund auf und                                 Gegen diese Rationierung der Versorgung werden wir
                                sprechen Totgeschwiegenes an. Diese neue Redefreiheit                              uns auflehnen, denn für alle da zu sein darf nicht
                                berührt alle Bereiche unserer Gesellschaft, ­sowohl im                             zur Herausforderung werden. Erwägungen von Alter,
                                Positiven als auch in all ihren Ausuferungen. Und im-                              Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer
                                mer stärker kommt sie auch in der Lehre zum Tragen.                                ­Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer
                                Die Fakultät für Biologie und Medizin der Universität                              Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer
                                Lausanne bietet derzeit einen Kurs zum Thema Rassis-                               Stellung oder jeglichen anderen Faktoren dürfen nicht
                                mus bei der medizinischen Arbeit an, wie Sylvie Logean                             zwischen die Pflichten der Ärztinnen sowie Ärzte und
                                am 28. Juli in der Tageszeitung Le Temps schreibt.                                 den Patientinnen und Patienten treten.
                                Der Kurs thematisiert alle Facetten des Rassismus                                  Wir müssen die Chancengleichheit bei der Behandlung
                                im Gesund­heitssystem. Wir alle kennen die Genfer De-                              gewährleisten und sozioökonomische Diskriminie-
                                klaration, welche die Ärzteschaft zur Einhaltung                                   rung bekämpfen. Darin liegt der Kern unseres Berufs,
                                bestimm­
                                       ter und doch eigentlich selbstverständlich                                  der gelehrt, geteilt, wertgeschätzt und geschützt wer-
                                erschei­
                                       nender Regeln verpflichtet, die das Funda-                                  den muss.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):965
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
966 FMH - Schweizerische ...
FMH Ak tuell                                                                                                                                                                           966

Was denkt die Ärzteschaf t über die neue gesundheitspolitische Strategie des Bundesrates?

«Gesundheit2030»: Sehr viel Licht
– und ein sehr dunkler Schatten
Nora Wille a , Jürg Schlup b
a
    Dr. phil., persönliche wissenschaftliche Mitarbeiterin des Präsidenten; b Dr. med., Präsident der FMH

                                Das neue gesundheitspolitische Strategiepapier des Bundesrats «Gesundheit2030»
                                findet in der Ärzteschaft sehr viel Zustimmung. Insbesondere der Fokus auf Prä­
                                vention wird gewürdigt. Das in «Gesundheit2030» schlecht getarnte Globalbudget
                                wird jedoch klar abgelehnt, weil es die medizinische Indikation in den Hinter­
                                grund rückt und in Rationierung mündet.

                                Mit dem Papier «Gesundheit2030» [1] legte der Bundes­                              Zehn angeschlossene Organisationen gaben Stellung­
                                rat am 6. Dezember 2019 seine neue gesundheitspoli­                                nahmen zur «Gesundheit2030» ab, darunter sieben
                                tische Strategie für die kommenden zehn Jahre vor.                                 stimmberechtigte Organisationen, die gemeinsam
                                Diese soll eine Aktualisierung und Weiterentwicklung                               über die Hälfte der FMH-Mitglieder vertreten: die Ärz­
                                der vorangehenden Strategie «Gesundheit2020» [2, 3]                                tegesellschaften der Kantone Bern, Luzern und Zürich,
                                leisten. Letztere hatte der Bundesrat im Januar 2013                               die Fachgesellschaften SGAIM und SGPP sowie der
                                verabschiedet und mündete in über 90 Projekte, «wo­                                VLSS und der VSAO. Zudem gaben mit mfe, der swimsa
                                von 23 bereits abgeschlossen sind» ( siehe [1] auf S. 7),                          und der UNION drei mitspracheberechtigte Organisa­
                                wie der Bundesrat ausweist.                                                        tionen Stellungnahmen ab.
                                Den inhaltlichen Kern von «Gesundheit2030» bildet
                                die Definition von vier Herausforderungen, aus denen
                                                                                                                   Allgemein positive Resonanz
                                acht Ziele abgeleitet werden, die wiederum in 16 Stoss­
                                                                                                                   der ­Ärzteschaft
                                richtungen der Gesundheitspolitik des kommenden
                                Jahrzehnts resultieren (siehe Tab. 1). Jede der in                                 Im Ergebnis zeigt die Vernehmlassung, dass die Ärzte­
                                ­«Gesundheit2030» definierten vier Herausforderun­                                 organisationen die «Gesundheit2030» als «insgesamt
                                gen betrifft die Ärzteschaft und ihre tägliche Arbeit;                             positiv», «richtungsweisend» oder zumindest als
                                von besonderer Bedeutung für die medizinische Ver­                                 «weitgehend sinnvoll» würdigen bzw. sich «mit der Vi­
                                sorgung in der Schweiz ist jedoch die dritte Heraus­                               sion, mit den Herausforderungen sowie mit den Zielen
                                forderung – «Qualitativ hochstehende und finanziell                                und Stossrichtungen im Grundsatz einverstanden er­
                                tragbare Versorgung».                                                              klären» können. Es wird begrüsst, dass sich die Strate­
                                                                                                                   gie nicht ausschliesslich auf das Gesundheitswesen im
                                                                                                                   engeren Sinne richtet, sondern auch Faktoren wie die
                                Vernehmlassung zu «Gesundheit2030»
                                                                                                                   Arbeitsbedingungen, das Klima oder die Digitalisie­
                                unter den Ärzteorganisationen
                                                                                                                   rung einbezieht und der Prophylaxe im weitesten
                                Um die Einschätzungen der Ärzteschaft zur «Gesund­                                 Sinne viel Raum gegeben wird.
                                heit2030» zu ermitteln, bat die FMH im Januar 2020
                                ihre Mitgliedsverbände um Stellungnahmen bis Ende
                                                                                                                   JA zu Prävention, eHealth, Qualität
                                März 2020. Für jede der 16 Stossrichtungen sollte ange­
                                                                                                                   und Versorgungssicherheit
                                geben werden, ob diese nach Auffassung der jeweiligen
                                Organisation zu befürworten ist und welche Priorität                               Fast uneingeschränkt befürwortet werden die Stoss­
                                diese geniessen sollte. Die Einschätzungen zu den ein­                             richtungen zur Herausforderung «Chancen auf ein
                                zelnen Stossrichtungen konnten kurz begründet wer­                                 Leben in Gesundheit», die sich auf die «Reduktion um­
                                den. Auch eine allgemeine Einschätzung des Papiers                                 weltbedingter Gesundheitsrisiken», den «Erhalt und
                                wurde erfragt.                                                                     Förderung von Natur- und Landschaftsqualitäten», das

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):966 –968
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966 FMH - Schweizerische ...
FMH Ak tuell                                                                                                                                                                           967

                                Tabelle 1: Stossrichtungen (SR) der «Gesundheit2030» und ihre Bewertung in der Übersicht.

                                Gesundheitspolitisches Strategiepapier des Bundesrats:                                           Position der FMH
                                Vier Herausforderungen, acht Ziele, 16 Stossrichtungen                                           bzw. der ihr angeschlossenen Verbände
                                Herausforderung Technologischer und digitaler Wandel
                                ZIEL 1 Gesundheitsdaten und Technologien nutzen
                                SR 1.1 Förderung der Digitalisierung und Nutzung der Daten                                       Zustimmung, aber Verbesserungsbedarf
                                SR 1.2 Definierter Umgang mit neuen Technologien                                                 Zustimmung, aber Verbesserungsbedarf
                                ZIEL 2 Gesundheitskompetenz stärken
                                SR 2.1 Optimierte Information der Bürgerinnen und Bürger                                         Zustimmung, aber Verbesserungsbedarf
                                SR 2.2 V
                                        erbesserter Umgang mit Informationen zu Gesundheit                                      Zustimmung, aber Verbesserungsbedarf
                                       und ­K rankheiten
                                Herausforderung Demographische und gesellschaftliche Entwicklung
                                ZIEL 3 Pflege und Finanzierung gewährleisten
                                SR 3.1 Mehr Langzeitpflegepersonal                                                               Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                SR 3.2 Optimierte Finanzierung der Langzeitpflege                                                Sehr grosse Zustimmung, hohe Priorität
                                ZIEL 4 Gesund älter werden
                                SR 4.1 Verstärkte Prävention nichtübertragbarer Krankheiten                                      Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                SR 4.2 Mehr Gesundheit für Kinder und Jugendliche                                                Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                Herausforderung Qualitativ hochstehende und finanziell tragbare Versorgung
                                ZIEL 5 Qualität der Versorgung erhöhen
                                SR 5.1 Verstärkung der Koordinierten Versorgung                                                  Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                SR 5.2 Verbesserung der medizinischen Behandlungen                                               Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                ZIEL 6 Kosten dämpfen und einkommensschwache Haushalte ­entlasten
                                SR 6.1 Beeinflussung der Kostenentwicklung                                                       JA zur Kostendämpfung, NEIN zum Globalbudget
                                SR 6.2 Optimierte individuelle Prämienverbilligung                                               Sehr grosse Zustimmung, mittlere Priorität
                                Herausforderung Chancen auf ein Leben in Gesundheit
                                ZIEL 7 Gesundheit über die Umwelt fördern
                                SR 7.1 Reduktion umweltbedingter Gesundheitsrisiken                                              Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                SR 7.2 E
                                        rhalt und Förderung von Natur- und Landschafts­qualitäten                               Sehr grosse Zustimmung, hohe Priorität
                                ZIEL 8 Gesundheit in der Arbeitswelt fördern
                                SR 8.1 V
                                        erhindern der negativen Gesundheitseffekte neuer A
                                                                                          ­ rbeitsformen                         Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität
                                SR 8.2 Förderung eines gesunden Arbeitsumfelds                                                   Sehr grosse Zustimmung, sehr hohe Priorität

                                «Verhindern der negativen Gesundheitseffekte neuer                                 eine breite gesellschaftliche Diskussion zu Nutzen und
                                Arbeitsformen» und die «Förderung eines gesunden                                   Gefahren erforderten. Auch die Kosten der Digitalisie­
                                Arbeitsumfelds» richten.                                                           rung und die Notwendigkeit, zusätzliche administra­
                                Auch die Reaktionen auf die Stossrichtungen zur Her­                               tive Belastungen zu vermeiden, werden angesprochen.
                                ausforderung «Demographische und gesellschaft­                                     Auch die anderen beiden Stossrichtungen der Heraus­
                                liche Entwicklung» fallen fast ausschliesslich positiv                             forderung «Technologischer und digitaler Wandel»,
                                aus. Diese fokussieren ebenfalls Präventionsanliegen                               die auf eine Stärkung der Gesundheitskompetenz
                                wie die «Verstärkte Prävention nichtübertragbarer                                  ­zielen («Optimierte Information der Bürgerinnen und
                                Krankheiten» und «Mehr Gesundheit für Kinder und                                   Bürger» und «Verbesserter Umgang mit Informationen
                                Jugendliche». Sie thematisieren aber auch die Situation                            zu Gesundheit und Krankheiten»), werden begrüsst.
                                im Pflegebereich und fordern «Mehr Langzeitpflege­                                 Einschränkend wird jedoch angemerkt, dass g
                                                                                                                                                             ­ erade bei
                                personal» sowie eine «Optimierte Finanzierung der                                  vulnerablen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeiten
                                Langzeitpflege».                                                                   der Digitalisierung diesbezüglich begrenzt seien und
                                Die Stossrichtungen der Herausforderung «Technolo­                                 ein Einbezug der Hausärzte wichtig sei.
                                gischer und digitaler Wandel» werden hingegen zwar                                 Von den unter der Herausforderung «Qualitativ hoch­
                                unterstützt, es werden jedoch häufiger Modifikationen                              stehende und finanziell tragbare Versorgung» auf­
                                gewünscht. Hinsichtlich der ersten beiden Stossrich­                               geführten Stossrichtungen werden diejenigen, die die
                                tungen «Förderung der Digitalisierung und Nutzung                                  «Qualität der Versorgung erhöhen» möchten, allge­
                                der Daten» sowie «Definierter Umgang mit neuen                                     mein als positiv beurteilt: Sowohl eine «Verstärkung
                                Technologien» verweisen die antwortenden Organisa­                                 der Koordinierten Versorgung» als auch die «Verbes­
                                tionen vor allem auf die Bedeutung des Datenschutzes                               serung der medizinischen Behandlungen» werden
                                und – damit verbunden – auch ethische Probleme, die                                unter­stützt und mit hohen Prioritäten versehen. Ko­or­

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):966 –968
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
966 FMH - Schweizerische ...
FMH Ak tuell                                                                                                                                                                           968

                                dination erfordere jedoch Zeit und damit auch Ent­­                                Qualität erfolgen. Die Bestrebung der «Gesund­
                                schädigung. Gleichzeitig verwahrt man sich klar gegen                              heit2030», «einen Rahmen festzulegen, damit das Kos­
                                die Forderung erfolgsabhängiger Entschädigungssys­                                 tenwachstum tragbar bleibt» (siehe [1] auf S. 22), rücke
                                teme. Solche führten zu Fehlanreizen und wider­                                    jedoch die medizinische Indikation in den Hinter­
                                sprächen dem Hippokratischen Eid. Es bestehe auch                                  grund, weshalb man ein Globalbudget ablehne. Im Ge­
                                kein allgemeines Problem mit der Versorgungsquali­                                 gensatz zu dieser teilweise sehr scharfen Kritik am ver­
                                tät, wie hier – ohne jede Evidenz – suggeriert würde.                              schleierten         Globalbudget            der       Stossrichtung
                                Zudem dürfe die Umsetzung von Qualitätsinitiativen                                 «Beeinflussung der Kostenentwicklung» wird die
                                den administrativen Aufwand nicht weiter erhöhen,                                  zweite Stossrichtung zu diesem Ziel – die «Optimierte
                                indem z.B. (Mehrfach-)Datensammlungen als Allheil­                                 individuelle Prämienverbilligung» – von der Ärzte­
                                mittel für Qualitätstransparenz betrachtet würden.                                 schaft allgemein begrüsst und nur wegen ihrer vagen
                                                                                                                   Formulierung kritisiert.

                                JA zur Kostendämpfung – NEIN zum
                                (verklausulierten) Globalbudget                                                     Fazit: Sehr viel Licht – und ein sehr
                                                                                                                   ­dunkler Schatten
                                Ebenfalls unter der Herausforderung «Qualitativ
                                hochstehende und finanziell tragbare Versorgung»                                   Insgesamt lässt sich also festhalten, dass die Ärzte­
                                findet sich die Stossrichtung «Beeinflussung der Kos­                              schaft den Anliegen der «Gesundheit2030» – mit
                                tenentwicklung». Die Kostenentwicklung erachten die                                nur einer Ausnahme – im Grundsatz sehr positiv ge­
                                Ärzteorganisationen zwar als wichtiges Thema, wie                                  genübersteht. Insbesondere der weite Blick und der
                                mehrere mit einem «Ja» zur Richtigkeit dieser Stoss­                               ­Fokus auf Prävention und die Rahmenbedingungen
                                richtung bzw. einem «Ja, aber mit Modifikationen»                                  für Gesundheit werden gewürdigt. Die neue «Be­r ück­
                                signa­lisieren. Die Ausführungen des Bundesrats zur                                sichtigung von Gesundheitsdeterminanten, die ausser­
                                «Beeinflussung der Kostenentwicklung» veranlassten                                 halb des engeren Gesundheitswesens liegen» (siehe [1]
                                mehrere andere Ärzteorganisationen jedoch, diese als                               auf S. 7) könnte die lange vernachlässigte Verhält­
                                grundsätzlich falsch zu bewerten. Diese Stossrichtung                              nisprävention gegenüber der Verhaltensprävention
                                der «Gesundheit2030» impliziert nämlich trotz aller                                stärken. Kritisiert werden hingegen die sehr vagen For­
                                vagen Umschreibungen klar erkennbar ein Globalbud­                                 mulierungen, die mögliche Umsetzungen bestenfalls
                                get. So kritisieren einige Ärzteorganisationen auch, es                            erahnen lassen. So wären z.B. zu einem zentralen
                                sei weder transparent noch ehrlich, dass die «Gesund­                              Thema wie Behandlungsqualität konkretere Aussagen
                                heit2030» geplante, entscheidende Veränderungen                                    erforderlich, um abschätzen zu können, ob hier ein
                                verschleiere, indem sie Formulierungen verwende wie                                echter Mehrwert oder nur zusätzliche Bürokratie ent­
                                u.a. dass «die Rahmenbedingungen der obligatorischen                               stünde. Stossend sind die vagen Umschreibungen be­
                                Krankenpflegeversicherung so angepasst werden [sol­                                sonders bei der Stossrichtung «Beeinflussung der Kos­
                                len], dass die Einhaltung einer annehmbaren Kostenzu­                              tenentwicklung», die ein Globalbudget ankündigt,
                                nahme sichergestellt werden kann» (siehe [1] auf S. 24).                           ohne dies transparent zu benennen. Ein solches Glo­
                                Die hier ­
                                         verklausuliert geforderte Zielvorgabe sei                                 balbudget, das medizinische Indikation und Qualität
                                schlicht eine Rationierungsmassnahme, unter der die­                               zugunsten einer Rationierung von Leistungen ver­
Dr. phil. Nora Wille            jenigen am meisten leiden, die Gesundheitsleistungen                               nachlässigt, lehnt die Ärzteschaft jedoch klar ab – un­
Nussbaumstrasse 29
Postfach 300
                                am meisten benötigen. Grundsätzlich dürfe eine posi­                               abhängig davon, unter welchem Tarnmantel es daher­
CH-3000 Bern 15                 tive Kostenentwicklung keinesfalls auf Kosten der                                  kommt. Sinnvoller wäre ein Fokus auf Qualität, der
                                                                                                                   auch die Kostenentwicklung positiv beeinflussen
                                                                                                                   könne. Der Nutzen eines Systems, das durch allgemein
                                                                                                                   und einfach zugängliche Versorgungsleistungen Pati­
                                                                                                                   entinnen und Patienten eine bessere Gesundheit er­
Nachtrag: Was bedeutet die Erfahrung mit der Corona-
                                                                                                                   möglicht, sollte gegenüber der einseitigen Kostenfo­
Pandemie für «Gesundheit2030»?                                                                                     kussierung mehr Gewicht erhalten.
Während des Vernehmlassungszeitraums erreichte die Corona-Pandemie die Schweiz, so
dass ein Kantonalverband (SMVS) mitteilte, seine Ressourcen seien zu stark beansprucht,                            Literatur
                                                                                                                   1   Die gesundheitspolitische Strategie des Bundesrates 2020–2030.
um eine Stellungnahme abgeben zu können. Es ist zu vermuten, dass es anderen Verbänden
                                                                                                                       Der Bundesrat, Bundesamt für Gesundheit (Hrsg.).
ähnlich ging. Die Pandemie hat jedoch nicht nur Teilnahmen verhindert, sondern auch den
                                                                                                                   2   Gesundheit2020: Die politischen Prioritäten des Bundesrats.
Blick auf unser Gesundheitswesen verändert und neue Fragen aufgeworfen. Hier bleibt ab-                            3   Wille N, Bütikofer AG, Schlup J. «Gesundheit2020»: ein tauglicher
zuwarten, inwieweit dies der Bundesrat in einer Aktualisierung der «Gesundheit2030» oder                               Wegweiser für das Gesundheitssystem? Schweiz Ärzteztg.
neuen Dokumenten berücksichtigen wird.                                                                                 2014;95(11):423–6.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):966 –968
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
966 FMH - Schweizerische ...
FMH Ak tuell                                                                                                                                                                          969

Teilzeit und Karriere – Die Ärzte-
schaft fordert die Spitäler
Mirjam Benaiah
Kommunikationsspezialistin FMH

                                Er weiss um die Bedürfnisse der Ärzteschaft. Er erkennt die neusten Entwicklungen
                                im Personalwesen, und er ist sich bewusst, dass er den Anforderungen der zu
                                Rekru­tierenden Rechnung tragen muss: Kristian Schneider ist Spitaldirektor im
                                Spitalzentrum Biel. Tag ein, Tag aus flattern ihm Bewerbungsschreiben auf den
                                Tisch, und immer wieder sieht er sich in seiner Einschätzung bestätigt: Spitäler
                                müssen sich von Grund auf neu organisieren und sich dem Bedürfnis ihrer Mitar-
                                beitenden nach Teilzeitarbeit anpassen.

                                                                                                                   Spitälern, betont Kristian Schneider. Dabei spiele vor
                                                                                                                   allem eine kulturelle Thematik eine immer wichtigere
                                                                                                                   Rolle: «Die Vereinbarkeit von Teilzeitarbeit und Karri-
                                                                                                                   ere ist ganz sicher ein Schlüsselthema für die Frage, ob
                                                                                                                   wir in Zukunft genügend und vor allem die richtigen
                                                                                                                   Fachkräfte finden, um unsere Leistungen erbringen zu
                                                                                                                   können.» Schon früh sei ihm klar gewesen, dass es
                                                                                                                   nicht die Spitalliste sei, die darüber entscheide, welche
                                                                                                                   Leistungen von einer Institution erbracht würden.
                                                                                                                   Entscheidend würde künftig sein, ob sich die benötig-
                                                                                                                   ten Fachkräfte für die angestrebten Leistungen finden
                                                                                                                   liessen. «Und genau hier stellt sich für mich die Frage,
                                                                                                                   welche Arbeitszeitmodelle wir unseren Mitarbeiten-
                                                                                                                   den anbieten», so Schneider.
                                                                                                                   Mit dem Wunsch nach Teilzeitarbeit wird Kristian
                                                                                                                   Schneider fast täglich konfrontiert. Ein Wunsch, der
                                                                                                                   eigent­lich alle Berufsgruppen innerhalb des Spitalbe-
Kristian Schneider, Spitaldirektor/CEO Spitalzentrum Biel.
                                                                                                                   triebs betreffe, aber sich als klarer Trend auch unter
                                Nein, er selbst habe noch nie das Bedürfnis gehabt,                                den Ärztinnen und Ärzten ausmachen liesse. Immer
                                Teilzeit zu arbeiten. Er liebe seine Arbeit und möchte                             mehr von ihnen würden gerne Teilzeit arbeiten; dabei
                                diese auch zu 100 Prozent ausüben. Auch seine Le-                                  spiele die Genderfrage kaum mehr eine Rolle. Sowohl
                                bensumstände erforderten keine Reduktion des Ar-                                   Frauen als auch Männer strebten im Spital ein Berufs-
                                beitspensums, wie Kristian Schneider gleich zu Be-                                 leben an, das ohne Dauerstress sei und ein wirkliches
                                ginn unseres Gesprächs in seinem Büro in Biel
                                zugibt. Doch der heute 49-jährige CEO des Spital-                             Ein Karriereschritt ist nicht mehr gleichbedeu-
                                zentrums Biel hat bereits bei seinem Amtsantritt                              tend mit einem überdimensionierten Zuwachs
                                vor drei Jahren versichert, dass er als Spitaldirek-                          an Zeitinvestition.
                                tor «die kommenden strategischen Weichenstel-
                                lungen dezidiert an die Hand nehmen und ebenso die                                 Familienleben zulasse, sagt Schneider weiter. «Wir
                                aktuellen wie die künftigen Herausforderungen ange-                                merken, dass sich auf Stellen, die wir als 100-Prozent-
                                hen und erfolgreich meistern will». Zu den dringlichs-                             Stellen betrachten und als solche ausgeschrieben ha-
                                ten Herausforderungen gehöre heute die Reorganisa-                                 ben, zunehmend Personen melden, die diese 100 Pro-
                                tion der Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft in den                                 zent eigentlich nicht mehr leisten möchten.»

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):969–970
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966 FMH - Schweizerische ...
FMH Ak tuell                                                                                                                                                                          970

                                Heute seien es noch meist die kleineren Spitäler, die in                           Spital und einen mit einer Universität. Hier müssten
                                dieser wichtigen Entwicklung eine Vorreiterrolle                                   sich die Universitäten überlegen, ob sie bereit sind, ei-
                                wahrnehmen und eine Karriereplanung trotz Teilzeit-                                nen 100-Prozent-Lehrstuhl zum Beispiel auf zwei nied-
                                pensen ermöglichten. Da sich der Trend zur Teilzeitar-                             rigprozentige Professuren zu verteilen, oder ob sie
                                beit aber stetig zuspitze, habe das Spitalzentrum Biel                             zwingend auf eine einzelne Professur setzen wollen.»
                                schon vor längerer Zeit reagiert, erklärt der Spital­                              Gefordert sei also nicht nur das Spital. Nur wenn alle
                                direktor.                                                                          Akteure – Spitalbetrieb, Forschung sowie Universität –
                                «Ich bin überzeugt, dass ein Karriereschritt heute                                 miteinander neue Strukturen ermöglichten, könne
                                nicht mehr zwingend gleichbedeutend ist mit einem                                  eine Karriere im Teilzeitpensum aufgebaut werden.
                                überdimensionierten Zuwachs an zeitlicher Investi-                                 «Die Forderungen der Ärztinnen und Ärzte, die heute
                                                                                                                   neue Anstellungen suchen und sich auch weiterent­
                           Sind die Universitäten bereit, einen 100-Pro-                                           wickeln möchten, sind unmissverständlich. Eine Spi-
                           zent-Lehrstuhl auf zwei niedrigprozentige                                               talleitung, die diese Menschen für sich gewinnen will,
                           Professuren zu verteilen?                                                               muss Antworten bereithalten, wie sie sie in ihren
                                                                                                                   Karriere­zielen unterstützen will und kann», ist sich
                                tion – auch nicht für Kader. Es bleibt aber unbestritten,                          Schneider bewusst. Das beginne schon bei der Kinder-
                                dass es in einem Spital Positionen gibt, die viel Zeit in                          betreuung und gehe weiter bis hin zur Möglichkeit, sei-
                                Anspruch nehmen.» Es stelle sich einfach die Frage, ob                             tens Spital auf Dienstverpflichtungen über Jahre hin-
                                die Institution eine bestimmte Funktion zwingend auf                               weg zu verzichten, zu denen längst nicht mehr alle
                                eine Person beziehe oder deren Aufgaben allenfalls                                 Ärztinnen und Ärzte bereit seien. «Im Spitalzentrum
                                auf mehrere Personen aufgeteilt werden könnten. Und                                Biel haben wir erste Modelle bereits umgesetzt, zum
                                ob es überhaupt eine 100-Prozent-Arbeitskraft für eine                             Beispiel in der ärztlichen Ausbildung. Wir haben etwa
                                bestimmte Position brauche? Dies müsse man sich                                    Ausbildungsstellen auf mehrere Köpfe verteilt. Dies
                                ebenfalls genau überlegen. «Teilzeitarbeit ist unser                               natürlich immer unter dem Vorbehalt, dass die Ausbil-
                                grosses Thema, und das ist das, was unsere künftigen                               dung sich dadurch verlängert und dass es auch länger
                                Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen, da                                      dauern wird, bis sich die Ärzte eine gewisse Erfahrung
                                kommen wir um flexible, clevere Lösungen gar nicht                                 angeeignet haben.»
                                drum herum», ist Kristian Schneider überzeugt.                                     Kristian Schneider sieht all diesen Entwicklungen opti-
                                Der erfahrene Manager zeigt aber auch Verständnis                                  mistisch entgegen und ist überzeugt, dass im Spital der
                                für die bis anhin eher zögerliche Entwicklung von Teil-                            Zukunft immer mehr leitende Stellen im Teilzeitpen-
                                zeitpensen in universitären Spitälern. Universitätskli-                            sum ausgeübt werden können. Selbst in einer zuneh-
                                niken stellen sehr differenzierte Anforderungen an die                             mend spezialisierten Medizin sollte es seiner Meinung
                                Ärzteschaft. Zum einen sind diese Häuser riesige Aus-                              nach möglich sein, die Ärzteschaft auf höchstem Ni-
                                bildungszentren für Ärztinnen und Ärzte. Zum ande-                                 veau auszubilden. «Vielleicht werden diese Ärztinnen
                                ren kommt die Forschung hinzu, die eine grosse Zeitin-                             und Ärzte ein weniger breites Spektrum an Aufgaben
                                vestition voraussetzt. Dies sei auch der Grund, weshalb                            wahrnehmen, so wie wir es bereits in grossen Häusern
                                sich gerade auch in Universitätsspitälern das neue Ärz-                            beobachten. Doch wird uns das längerfristig auch in
                                temodell des «Spitalarztes» entwickle. Diese Gruppe                                mittleren und kleineren Häusern helfen, Wissen und
                                von Ärztinnen und Ärzten kümmere sich hauptsäch-                                   Qualität aufrechtzuerhalten. Ich denke also: Ja, wir
                                lich um die direkte Behandlung der Patientinnen und                                werden uns anpassen, und wir werden diese Stellen
                                Patienten.                                                                         auch bieten.»
                                Nicht zu vergessen seien in dieser ganzen Problematik
                                die Universitäten selbst, sagt Schneider. «Viele Ärzte ha-                         Bildnachweis
mirjam.benaiah[at]fmh.ch        ben zwei Anstellungsverträge: einen Vertrag mit dem                                Spitalzentrum Biel, Marco Zanoni

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):969–970
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.           See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
966 FMH - Schweizerische ...
FMH Personalien                                                                                                                                                                         973

Personalien
Todesfälle / Décès / Decessi                                     Michel Thurler (1928), † 13.7.2020,                                 Bündner Ärzteverein
                                                                 Spécialiste en médecine interne générale,                           Zur Aufnahme in den Bündner Ärzteverein
                                                                 1806 Saint-Légier-La Chiésaz                                        haben sich angemeldet:
Aron Goldhirsch (1946), † 26.2.2020,
Facharzt für Medizinische Onkologie,
6830 Chiasso                                                     François-René Bornand (1929), † 14.7.2020,                          Frédéric Andreas Baumann, Facharzt für
                                                                 ­Spécialiste en chirurgie orthopédique et                           ­A llgemeine Innere Medizin und Facharzt für
                                                                  ­traumatologie de l’appareil locomoteur,                            Angiologie, FMH, Praxis Masanserstrasse 2,
Hans Rau (1928), † 29.2.2020,
                                                                   1806 Saint-Légier-La Chiésaz                                       7000 Chur
Facharzt für Neurologie, 8053 Zürich

                                                                 Jürgen Braaker (1930), † 22.7.2020, Facharzt                        Caterina Campisi, Fachärztin für Dermatologie
Nosrat Rochani (1929), † 14.4.2020,
                                                                 für Allgemeine Innere Medizin, 8610 Uster                           und Venerologie, FMH, Praxis Dr. Giovanni
Spécialiste en chirurgie, 1820 Montreux
                                                                                                                                     ­Grattarola, Via Rondo 3, 7504 Pontresina

Quintino De Barros (1932), † 17.4.2020,                          Praxiseröffnungen /
                                                                 Nouveaux cabinets médicaux /                                        Marco Eugster, Facharzt für Innere Medizin,
Spécialiste en médecine interne générale,
                                                                 Nuovi studi medici                                                  FMH, Spital Thusis, Alte Strasse 31, 7430 Thusis
2300 La Chaux-de-Fonds
                                                                 GE
                                                                                                                                     Nadine Haserück, Fachärztin für Allgemeine
Rolf Jucker (1929), † 18.4.2020, Facharzt für
                                                                                                                                     Innere Medizin und Fachärztin für Kardio­
­A llgemeine Innere Medizin, 8952 Schlieren                      Guillaume Jean-Philippe Arthur Altwegg,
                                                                                                                                     logie, FMH, Spital Davos AG, Promenade 4,
                                                                 ­Spécialiste en urologie, Centre médical
                                                                                                                                     7270 Davos
                                                                  ­Helvetic Care, Cours de Rive 2, 1204 Genève
Ursula Möhr-Buxtorf (1940), † 27.6.2020,
­Fachärztin für Psychiatrie und Psycho­
                                                                                                                                     Verena Heinicke, Fachärztin für Allgemeine
 therapie, 8820 Wädenswil                                        Ärztegesellschaft des Kantons Bern                                  Innere Medizin, FMH, Praxis am Bahnhof
                                                                 Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio                                 ­Cazis, Bahnhofstrasse 12, 7408 Cazis
Ulrich V. Egger (1941), † 28.6.2020,                             Zur Aufnahme als ordentliches Mitglied
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,                          haben sich angemeldet:
                                                                                                                                     Nadine Hollenstein, Fachärztin für Allge-
8712 Stäfa
                                                                                                                                     meine Innere Medizin, FMH, Spital Thusis,
                                                                 Dominic Decurtins, Facharzt für Psychiatrie                         Alte Strasse 31, 7430 Thusis
Zsuzsanna Csontos (1961), † 6.7.2020,                            und Psychotherapie, FMH, Kramgasse 35,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,                   3011 Bern
                                                                                                                                     Andreas Indermühle, Facharzt für Kardio­
3007 Bern
                                                                                                                                     logie, FMH, Kantonsspital Graubünden,
                                                                 Simone Heuscher, Fachärztin für Oto-Rhino-                          ­Loëstrasse 170, 7000 Chur
Hans Konrad Iselin (1949), † 6.7.2020,                           Laryngologie, Schwanengasse 8, 3011 Bern
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,
                                                                                                                                     Mirlind Kastrati, Facharzt für Kardiologie,
8240 Thayngen
                                                                 Meryem Judith Müller, Fachärztin für Psychia-                       FMH, Regionalspital Ilanz, Spitalstrasse 6,
                                                                 trie und Psychotherapie, Holligenstrasse 87,                        7130 Ilanz
Marco Pacozzi (1931), † 9.7.2020,                                3008 Bern
Spécialiste en médecine interne générale,
                                                                                                                                     Livia Antonia Küchler, Fachärztin für
3960 Sierre                                                      Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen
                                                                                                                                     ­A llgemeine Innere Medizin, FMH, Medizini-
                                                                 innerhalb 14 Tagen seit der Veröffentlichung
                                                                                                                                      sches Zentrum gleis d AG, Gürtelstrasse 46,
                                                                 schriftlich und begründet bei den Co-Präsi-
Alexandre Sekulic (1940), † 9.7.2020,                                                                                                 7000 Chur
                                                                 denten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern
Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie,
                                                                 Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der
1700 Fribourg
                                                                 Frist entscheidet der Vorstand über die                             Norina Messmer-Bergamin, Fachärztin für
                                                                 Aufnahme der Gesuche und über die                                   ­A llgemeine Innere Medizin, FMH, ­
Elena Jäggi-Schaefer (1965), † 12.7.2020,                        allfälligen Einsprachen.                                             Voa Principala 20, 7077 Valbella
­Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin,
 4105 Biel-Benken BL

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):973–974
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.             See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
FMH Personalien                                                                                                                                                                                                                       974

Martin Müller, Facharzt für Allgemeine                            Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz                                                         Unterwaldner Ärztegesellschaft
­Innere Medizin und Facharzt für Kardiologie,                     Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des                                                    Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft
 FMH, Regionalspital Schiers, Tersierstrasse 7,                   Kantons Schwyz hat sich angemeldet:                                                          hat sich gemeldet:
 7220 Schiers

                                                                  Veronika Mangold, Fachärztin für Allgemeine                                                  Patrick Deissler, Facharzt für orthopädische
Johannes Peter Naumann, Facharzt für Allge-                       Innere Medizin, Praxis 54, 8808 Pfäffikon SZ                                                 Chirurgie, FMH, ab 1.8.2020: Kantonsspital
meine Innere Medizin, FMH, Swissmountain-                                                                                                                      Nidwalden, Ennetmooserstrasse 19,
clinic AG, Strada Cantonale 53, 6540 Castaneda                    Einsprachen gegen diese Aufnahme rich-                                                       6370 Stans
                                                                  ten Sie schriftlich innert 20 Tagen an
                                                                  Dr. med. Uta Kliesch, Maria-Hilf-Strasse 9,                                                  Einsprachen gegen diese Aufnahme sind mit
Sancha Micheline Spörri, Praktische Ärztin,
                                                                  6430 Schwyz, oder per Mail an uta.kliesch[at]                                                Begründung innert 20 Tagen an die Präsiden-
FMH, Via dalla Staziun 6, 7188 Sedrun
                                                                  hin.ch                                                                                       tin der Unterwaldner Ärztegesellschaft,
                                                                                                                                                               Dagmar Becker, Mondmattli 3, 6375 Becken-
Ärztegesellschaft des Kantons Luzern                                                                                                                           ried, zu richten.

Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft                               Ärztegesellschaft Thurgau
Sektion Gäu hat sich gemeldet:                                    Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau
                                                                  haben sich gemeldet:

Kathrin Gschwendtner (geb. Schuster), Fach­
ärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe,                          Monika Fengler-Braun, Fachärztin für Allge-
ab 1.8.2020: Praxis Dr. Zwick,                                    meine I­ nnere Medizin, FMH, Rainstrasse 6,
­Bahnhofstrasse 13d, 6285 Hitzkirch                               9306 Freidorf

Einsprachen sind innert 20 Tagen nach der
                                                                  Annebärbel Grosskopf, Fachärztin für Gynäko-
Publikation schriftlich und begründet zu
                                                                  logie und Geburtshilfe, FMH, Rank 9,
richten an: Ärztegesellschaft des Kantons
                                                                  8595 Altnau
Luzern, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern

        EbM-Guidelines – Evidenzbasierte Medizin für Klinik und Praxis
                                                        Das Buch
                                                        Das gesamte Fachwissen der allgemeinmedizinisch-internistischen Grundversorgung.
                                                        Das Standardwerk – rund 1600 Seiten sicheres Wissen. 7., komplett überarbeitete Auflage.
                                                        Die Online-Version
                                                        Fortlaufend aktualisiert, noch mehr Inhalte, Bilder, Videos und Audiobeispiele.
                                                        Links zu den Cochrane-Library-Beiträgen, Evidence Summaries.
                                                        www.ebm-guidelines.ch

                                                        Die Mobile-Version                                        EbM-Guidelines
                                                                                                                  Evidenzbasierte EbM-Guidelines
                                                                                                                  Medizin für      Evidenzbasierte

                                                        Die EbM-Guidelines sind für alle mobilen                  Klinik und PraxisMedizin für
                                                                                                                                 Klinik und Praxis

                                                        Endgeräte wie Tablets und Smartphones
                                                                                                                                                     EbM-Guidelines
                                                                                                                                                                 EbM-Guidelines
                                                                                                                                                                         Evidenzbasierte
                                                                                                                                                     Evidenzbasierte     Medizin für
                                                                                                                                                     Medizin für         Klinik und Praxis
                                                                                                                                                     Klinik und Praxis

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               7. Auflage 2018
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               www.ebm-guidelines.ch
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               Buch- und Online-Version,
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        Verkauf der EbM-Guidelines durch EMH nur innerhalb der Schweiz.             Unterschrift

        EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz
        Tel. +41 (0)61 467 85 75, Fax +41 (0)61 467 85 76, E-Mail auslieferung@emh.ch, Internet www.emh.ch

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                                   2020;101(33–34):973–974
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.                                                           See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SAMW                                                                                                                                          976

smarter medicine:
«Top-5-Liste» für Infektiologie
Trägerschaft «smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland»

                                Wie andere medizinische Fachgesellschaften unterstützt                             3. Postoperative Antibiotikaprophylaxe
                                die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie (SGINF)                          nicht verlängern.
                                die Idee der «Choosing Wisely»-Listen. Infektiologinnen                            Eine Verlängerung der postoperativen Antibiotika­
                                und Infektiologen sind im Spital häufig mit älteren Men-                           prophylaxe verhindert chirurgische Wundinfektionen
                                schen mit komplexen Infektionen konfrontiert.                                      nicht effektiver als eine kürzere perioperative Prophy-
                                Immer wichtiger werden Infektionen bei liegenden                                   laxe. Ausserdem ist eine verlängerte Prophylaxe ein
                                Fremdkörpern, die oft unter hoher Kostenfolge aus­                                 Risikofaktor für erworbene Antibiotikaresistenzen.
                                gebaut und ersetzt werden müssen. Daneben ist die
                                ­Tätigkeit in der Infektionsprävention zentral. Ambu-                              4. Urinkatheter bei Inkontinenzbeschwerden
                                lant stehen Patienten mit chronischen Infektionen im                               oder mit dem alleinigen Zweck der Messung
                                Vordergrund. Circa 80% der in der Humanmedizin ver-                                der Urin-Ausscheidung bei nicht-schwerkranken
                                brauchten Antibiotika werden ambulant eingesetzt                                   Patienten vermeiden.
                                und oftmals durch Nicht-Infektiologen verschrieben.                                Die Notwendigkeit und der Nutzen von Urinkathetern
                                Dabei ist es gerade die Überbehandlung mit Antibiotika                             sollten regelmässig mit Patienten diskutiert und vom
                                der eher «einfachen» Infektionen wie Harnwegs- oder                                Gesundheitspersonal hinterfragt werden. Institutio-
                                respiratorischen Infektionen, die zur Selektion von re-                            nen sollten Richtlinien zu den Indikationen und Stra-
                                sistenten Organismen, zu ungewollter Koloni­
                                                                           sation                                  tegien für das Absetzen und Auswechseln der Urin­
                                und/oder Infektion mit multiresistenten Keimen führt.                              katheter haben.
                                Die hier vorgelegte Top-5-Liste ist evidenzbasiert, nach-
                                haltig und effizient. Dabei lehnt sich die SGINF als                               5. Ohne Symptome nicht für Clostridium difficile
                                kleine Fachgesellschaft an bereits von der Infectious                              testen.
                                Diseases Society of America (IDSA) publizierte Empfeh-                             Weil asymptomatisches Trägertum vorkommt, sollten
                                lungen an, bringt aber auch zwei eigene Punkte ein, die                            Patienten ohne Durchfall nicht getestet oder behan-
                                den Besonderheiten des schweizerischen Gesundheits-                                delt werden. Mikrobiologische Laboratorien sollten
                                wesens Rechnung tragen.                                                            Stuhluntersuchungen von geformtem Stuhl ablehnen.

                                Die Schweizerische Gesellschaft
                                für Infektiologie gibt die folgenden
                                fünf Empfehlungen ab:                                                              Die Kampagne «smarter medicine»
                                1. Gegen unkomplizierte Infekte der oberen                                         Der Trägerverein «smarter medicine – Choosing Wisely Switzer-
                                                                                                                   land», der nebst medizinischen Fach- und Berufsorganisationen
                                Luftwege keine Antibiotika verschreiben.
                                                                                                                   auch von Patienten- und Konsumentenorganisationen unterstützt
                                Antibiotika sind im Zeitalter der zunehmenden Anti-
                                                                                                                   wird, möchte die Öffentlichkeit für die Themen der Fehl- und
                                biotikaresistenz zurückhaltend einzusetzen. Da viele                               Überversorgung sensibilisieren. Die Kampagne knüpft an die
                                Infektionen der oberen Luftwege viraler Natur sind,                                amerikanische Initiative «Choosing Wisely» an, die zum Ziel hat,
                                nützen Antibiotika nichts.                                                         nicht nur «kluge Entscheidungen» herbeizuführen, sondern auch
                                                                                                                   die offene Diskussion zwischen Ärzteschaft, Patientinnen und
                                                                                                                   ­Patienten sowie der Öffentlichkeit zu fördern.
                                2. Ohne spezifische Symptome keine Borrelien-                                       Kernstück der Initiative sind die sogenannten «Top-5-Listen» der
                                Serologie durchführen.                                                              medizinischen Fachgesellschaften, die je fünf unnütze Behand-
Trägerverein                    Die Borrelien-Serologie erlaubt keine Aussage über                                  lungen in ihrem Fachbereich aufführen. Zudem sind die bisher
smarter ­medicine
                                eine allfällige Aktivität der Erkrankung. Patientinnen                              veröffentlichten Empfehlungen in einer für die Öffentlichkeit
c/o SGAIM
                                                                                                                    verständlichen Sprache verfügbar, um gemeinsame Entschei-
                                                                                                                    ­
Monbijoustrasse 43              und Patienten sollten das Risiko von Überdiagnostik
CH-3001 Bern
                                                                                                                    dungen zu treffen. Weitere Informationen zum Trägerverein und
smartermedicine[at]
                                und Überbehandlung verstehen, bevor sie sich einem                                  eine Übersicht über die bestehenden Top-5-Listen sind zu finden
sgaim.ch                        Test unterziehen.                                                                   unter www.smartermedicine.ch

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):976
Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission.            See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SPS                                                                                                                                          977

Die Swiss Pain Society (SPS) engagiert sich seit 30 Jahren zum Wohle von Schmerzpatienten

Chronische Schmerzen als eigen-
ständige Krankheit neu im ICD-11
Konrad Maurer
PD Dr. med., Institut für Interventionelle Schmerzmedizin Zürich, Präsident der SPS

                                Die bisherigen wissenschaftlichen Daten und Erhebungen zeigen seit Jahren, dass
                                chronischer Schmerz (definiert als Schmerz, der länger als drei Monate anhält oder
                                erneut auftritt) für die betroffenen Patientinnen und Patienten nicht nur eine er-
                                hebliche Beeinträchtigung bedeutet, sondern dass durch diese Erkrankung hohe
                                direkte und indirekte Kosten erzeugt werden.

                                Die Strukturen der nationalen Gesundheitssysteme                                   am Thema Schmerz zu stimulieren. Aktuell besteht
                                müssen endlich, auch in Hinblick auf eine gute abge-                               sie aus 360 Mitgliedern aus verschiedenen ärztlichen
                                stufte Schmerzversorgung, bedarfsorientiert ausge-                                 (Anästhe­siologie, Neurologie, Orthopädie, Rheumato-
                                staltet werden. In der aktuellen Version der Internatio-                           logie, Innere Medizin, Psychiatrie, Pharmakologie,
                                nalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) werden                               Zahnmedizin) und nichtärztlichen (Neurowissen-
                                chronische Schmerzdiagnosen jedoch nicht systema-                                  schaft, Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Psycho­
                                tisch dargestellt. Im Mai 2019 hat sich dies dramatisch                            logie, Chiropraktik) medizinischen Fachgebieten, ge-
                                                                                                                   führt von einem Vorstand von zwölf Mitgliedern.
                           Der neue ICD-11 ermöglicht erstmalig die                                                Entsprechend vielschichtig und thematisch abwechs-
                           Erfassung und Codierung von Schmerz als                                                 lungsreich ist der Höhepunkt des Jahres, der jährlich
                           eine eigenständige Erkrankung.                                                          durchgeführte nationale Kongress, dessen Organisa-
                                                                                                                   tion eine der Hauptaufgaben der Gesellschaft darstellt.
                                geändert, als die Weltgesundheitsorganisation WHO                                  Im Weiteren fördern wir ­aktiv die Ausbildung zum
                                die neue Ausgabe ICD-11 verabschiedete. ICD-11 wird die                            Thema Schmerzen mit jährlich angebotenen Kursen in
                                erste Version sein, die chronische Schmerzen enthält.                              Deutsch und Französisch, regelmässig abgehaltenen
                                Die Klassifikation chronischer Schmerzen basiert auf                               Fortbildungen sowie einer Website swisspainsociety.
                                den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und                                 ch, welche sowohl unseren Mitgliedern als auch Nicht-
                                dem biopsychosozialen Modell. Die Einführung des                                   Mitgliedern bzw. I­nteressenten ein Portal bietet, um
                                neuen ICD-11 erweitert die Datenbasis für eine ratio-                              sich dem Thema Schmerz als dem eines facettenrei-
                                nale Gesundheitssystemplanung und -gestaltung we-                                  chen Phänomens zu nähern.
                                sentlich. Diesbezüglich gilt es, den neuen ICD-11, der
                                erstmalig die Erfassung und Codierung von Schmerz
                                                                                                                   Wissen über Schmerz vermitteln
                                als eine eigenständige Erkrankung ermöglicht, rasch
                                in nationale medizinische Diagnose-/Codiersysteme                                  Die 80-stündigen Schmerzkurse haben das Ziel, den
                                zu übertragen [1].                                                                 Teilnehmern eine breite Sichtweise des Phänomens
                                                                                                                   Schmerz zu vermitteln. Sie erlauben nicht nur, die kom-
                                                                                                                   plexen Mechanismen der Entstehung von Schmerz zu
                                Der Schmerz im Mittelpunkt
                                                                                                                   verstehen, sondern gleichermassen das Phänomen
                                1990 wurde die Schweizerische Gesellschaft zum Stu-                                Schmerz und seine zahlreichen Facetten zu sehen. Sie
                                dium des Schmerzes (SGSS) als Kapitel der International                            ermöglichen, den chronischen Schmerz verstehen zu
                                Association for the Study of Pain (IASP) gegründet                                 lernen, daraus angepasste Strategien zu entwickeln
                                und vor einem Jahr umbenannt in Swiss Pain Society.                                und somit die Therapie der Patienten mit chronischen
                                Das Ziel der Gesellschaft ist, Wissenschaftler, Kliniker,                          Schmerzen zu verbessern. Der Unterricht besteht aus
                                Gesund­
                                      heitsdienstleister und politische Entschei-                                  traditionellen Ex-cathedra-Vorträgen und Seminaren
                                dungsträger zusammenzubringen, um das Interesse                                    mit Falldiskussionen. Praktische diagnostische Übun-

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):977–978
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WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN SPS                                                                                                                                             978

                                gen im neurologischen, rheumatologischen und anäs-                                 lungsgebühren im Gesundheitswesen. Die Gesell-
                                thesiologischen Bereich runden das Programm ab. In                                 schaft sieht in diesem Titel einen wichtigen Schritt zur
                                unseren SPS Brunches haben interessierte SPS-Mitglie-                              besseren Anerkennung der Schmerzmedizin in der
                                der im Weiteren die Möglichkeit, ihre klinischen Fälle                             Schweiz und zur Qualitäts­förderung.
                                oder ihre wissenschaftliche Tätigkeit zu präsentieren
                                und Forschungsprojekte oder andere interessante Ar-                                Literatur
                                                                                                                   1   Chronic pain as a symptom or a disease: the IASP Classification
                                gumente zu diskutieren. Die Brunches stellen eine                                      of Chronic Pain for the International Classification of Diseases
                                Gelegenheit dar, die örtlichen Schmerzspezialisten
                                ­                                                                                      (ICD-11). Treede, et al. PAIN. 2019 Jan;160(1):19–27.
                                ­sowie die Interessenten zu treffen und sich mit ihnen
                                über Ideen auszutauschen.
                                Ausgewiesene Spezialisten und Spezialistinnen in der
                                Schmerzmedizin werden zudem durch unsere Gesell-
                                                                                                                   Jahreskongress in Bern
                                                                                                                   Das Jahr 2020 ist ein besonderes Jahr für unsere Gesellschaft. Wir
                                schaft zertifiziert. Der Titel «SPS Schmerzspezialist/
                                                                                                                   feiern unseren runden Geburtstag zusammen mit der Schweizeri-
                                ­-in®» wird von der Swiss Pain Society ausgestellt und                             schen Kopfwehgesellschaft (SKG) am gemeinsamen Jahreskon-
                                ist für drei Jahre gültig. Therapeuten und Personen                                gress in Bern, welcher am 1. und 2. Oktober 2020 stattfindet. Die
                                mit diesem Titel werden auf einer Liste als «SPS                                   eingangs erwähnte neue Aufnahme von chronischen Schmerzen
                                                                                                                   als eine eigenständige Krankheit in den ICD-Code ist ein Meilen-
                                Schmerzspezialist/-in®» deklariert. Der Titel fördert
                                                                                                                   stein, auf welchen Schmerzspezialisten aus aller Welt jahrelang
                                die Anerkennung von spezifischen Qualifikationen
                                                                                                                   hingearbeitet haben. Er zeigt, dass wir und unsere Gesellschaft auf
SPS Swiss Pain Society
                                und Kompetenzen der SPS-Mitglieder im Bereich der                                  dem richtigen Weg sind, und wir würden uns freuen, viele neue
info[at]swisspainsociety.ch     Schmerzmedizin und beeinflusst nicht die Behand-                                   Gesichter zu sehen, welche Anfang Oktober mit uns feiern.

       Für die Arztpraxis und MPA-Lernende

       Ausbildungsprogramm für die Lehrbetriebe

                                                                           •   Pünktlich auf den Beginn des neuen Schuljahres
                                                                           •   Handlungskompetenzen-orientiert
                                                                           •   In Deutsch, Französisch und Italienisch
                                                                                                                                                                            !
                                                                           •   Gedruckt und als eBook
                                                                                                                                                                NEU

       Komplementär dazu und ebenfalls neu auf den Beginn des Schuljahres 2019

       Lehrplan für die Berufsfachschulen und das Ausbildungsprogramm
       für die überbetrieblichen Kurse

                                                                           •   Pünktlich auf den Beginn des neuen Schuljahres
                                                                           •   Hauptaugenmerk auf die Vernetzung des Lernstoffs
                                                                               «Berufsfachschule», «Betrieb» und «überbetriebliche Kurse»
                                                                           •   In Deutsch und Französisch
                                                                           •   Gedruckt und als eBook

                                                                           shop.emh.ch                                                                        Scan this!

   1920022-10_EMH_MPA_Ausbildungsprogramm_2019_210x148mm_d.indd 1                                                                                                               27.08.19 09:46

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI                                  2020;101(33–34):977–978
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