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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer jo u r n al Swiss Peer re d vie we Medical Forum 707 M. Morris 713 B. C. Rossier, P. Anderle, 722 L. Gros, O. Boulat, 30 Jahre seit der Entdeckung N. Debard, et al. A. Sarivalasis des Mukoviszidose-Gens Fernunterricht im Medizin Der Nutzen des CA125-Tests curriculum in der Schweiz 43–44 23.10. 2019 With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly” 709 B. Imthurn, K. Schiessl «Social Egg Freezing» Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Organe officiel de la FMH pour la formation continue Bollettino ufficiale per la formazione della FMH Organ da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 699 Redaktion Advisory Board Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); PD Dr. Daniel Franzen, Zürich; Dr. Jérôme Gauthey, Biel; Prof. Dr. Martin Krause, Münsterlingen (stellvertretender Chefredaktor); Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor); Dr. Daniel Portmann, Winterthur; Prof. Dr. Claudio Sartori, Lausanne; Prof. Dr. Stefano Bassetti, Basel; Prof. Dr. Idris Guessous, Genf; Prof. Dr. Sven Streit, Bern Prof. Dr. Reto Krapf, Liestal; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern; Prof. Dr. Gérard Waeber, Lausanne; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern Editorial D. Wunder 701 «Social Freezing» – die elektive Kryokonservierung von Eizellen Kurz und bündig R. Krapf 703 Kurz und bündig Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen. Aktuell M. Morris 707 30 Jahre seit der Entdeckung des Mukoviszidose-Gens Nach Jahrzehnten technischer und intellektueller Herausforderungen war die Entdeckung des für Mukoviszidose verantwortlichen CFTR-Gens ein genetischer und medizinischer Durchbruch. Übersichtsartikel B. Imthurn, K. Schiessl a r tic le 709 «Social Egg Freezing» Peer re v ie we Die Nachfrage nach «Social Egg Freezing», das heisst die Anlage einer Eizellreserve d aus nichtmedizinischen Gründen durch Kryokonservierung, steigt in den Industrie- ländern steil an. B. C. Rossier, P. Anderle, N. Debard, U. Huynh-Do, M. Rossier, J.-P. Kraehenbuhl a r tic le 713 Fernunterricht im Medizincurriculum in der Schweiz Peer re v ie we d Dieses Review, das auf den Erfahrungen der HSeT (Health Science and Training), einer privaten gemeinnützigen Stiftung, basiert, beschreibt Beispiele für digitales Lernen in der Schweiz auf Vor- und Nachdiplomstufe. Herausforderung für die Biomedizin: Das biopsychosoziale Konzept Rolf H. Adler Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Medizin dank Einbezug psychischer und sozialer Faktoren wesent- liche Fortschritte gemacht. Im Sinne der Vordenker in diesem Bereich, leistet Rolf H. Adler in seinem Buch einen Beitrag zum Paradigmenwechsel von einem biologischen zu einem biopsychosozialen Konzept der Medizin, das durch Techni- sierung und die Sparanstrengungen in eine Krise gerät. Mehr zu diesem Buch unter shop.emh.ch Ihre Bestellmöglichkeiten: T +41 (0)61 467 85 55, auslieferung@emh.ch, www.emh.ch, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 700 Was ist Ihre Diagnose? C. Cochet, L. Henchoz, P. Zufferey, R. Dreher a r tic le Peer 718 Status febrilis und merkwürdig weiches Ödem der Hände re v ie we d Eine 91-jährige Patientin befindet sich auf der geriatrischen Rehastation. Dort kommt es zu einem Status febrilis mit einer Schüttelfrostepisode und diffusen Myalgien. Wie deuten Sie diesen Befund? L. Gros, O. Boulat, A. Sarivalasis a r tic le 722 Der Nutzen des CA125-Tests Peer re v ie we d Ein Screening mittels CA125 und endovaginalen Ultraschalls wird zurzeit für die Allgemeinbevölkerung nicht empfohlen. Es gibt aber Patientinnen, die von einem Screeningprogramm profitieren können. Der besondere Fall S. Liniger, R. Viliger a r tic le 725 Herpes zoster ophthalmicus bei einem Kleinkind Peer re v ie we Wenig bekannt ist, dass ein Herpes zoster auch im Kindesalter auftreten kann, wobei komplizierte Verlaufsformen d bei immunkompetenten Kindern (wie im vorliegenden Fall) eine Rarität darstellen. Leserbrief R.-O. Mirimanoff 728 Diagnostic de complications actiniques: bien documenté ou posé à la légère? M. Mihalj, M. Pasic, T. Carrel 728 Replik Swiss Medical Weekly Abstracts of new articles from www.smw.ch are presented at the end of this issue. Swiss Medical Events Veranstaltungen aus dem Kongresskalender auf events.emh.ch. Impressum Swiss Medical Forum – ISSN: Printversion: 1424-3784 / wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur Marketing EMH / Inserate: Schweizerisches Medizin-Forum elektronische Ausgabe: 1424-4020 mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaub- Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Erscheint jeden 2. Mittwoch nis von EMH und auf der Basis einer Marketing und Kommunikation, und der Schweizerischen Gesellschaft schriftlichen Vereinbarung zulässig. Tel. +41 (0)61 467 85 49, für Innere Medizin Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte Fax +41 (0)61 467 85 56, verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, Abonnemente FMH-Mitglieder: kwuerz@emh.ch 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, FMH Verbindung der Schweizer a r tic le Fax +41 (0)61 467 85 56, Hinweis: Die angegebenen Dosierun- Peer re Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, v ie we www.emh.ch gen, Indikationen und Applikationsfor- d 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Das Swiss Medical Forum ist im Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch men, vor allem von Neuzulassungen, «Directory of Open Access Journals» © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG s ollten mit den Fachinformationen der (DOAJ) gelistet und erfüllt damit die (EMH), 2019. Das Swiss Medical Forum verwendeten Medikamente verglichen Vorgabe des SIWF an eine Zeitschrift ist eine Open-Access-Publikation Andere Abonnemente: EMH Schweize- werden. mit Peer reviewing. von EMH. Entsprechend gewährt EMH rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, allen Nutzern auf der Basis der Creative- Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Herstellung: Die Medienmacher AG, Redaktionsadresse: Samantha Commons-Lizenz «Namensnennung – Tel. +41 (0)61 467 85 75, Muttenz, www.medienmacher.com Badowski, Redaktionsassistentin SMF, Nicht kommerziell – Keine Bearbei Fax +41 (0)61 467 85 76, abo@emh.ch EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, tungen 4.0 International» das zeitlich Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, unbeschränkte Recht, das Werk zu ver Abonnementspreise: zusammen Tel. +41 (0)61 467 85 58, vielfältigen, zu verbreiten und öffentlich mit der Schweizerischen Ärzte- Fax +41 (0)61 467 85 56, zugänglich zu machen unter den Bedin- zeitung 1 Jahr CHF 395.– / Studenten Titelbild und S. 699 unten: office@medicalforum.ch, gungen, dass (1) der Name des Autors CHF 198.– zzgl. Porto; ohne Schweize- © Dr. M. Xie, Kinderwunschzentrum USZ www.medicalforum.ch genannt wird, (2) das Werk nicht für rische Ärztezeitung 1 Jahr CHF 175.– / Foto S. 699: kommerzielle Zwecke verwendet wird Studenten CHF 88.– zzgl. Porto © Raquel Camacho Gómez | Manuskripteinreichung online: und (3) das Werk in keiner Weise bear- (kürzere Abonnementsdauern: siehe Dreamstime.com http://www.edmgr.com/smf beitet oder in anderer Weise verändert www.medicalforum.ch) Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
EDITORIAL 701 Eine «Fertilitätsversicherung» der Frau? «Social Freezing» – die elektive Kryokonservierung von Eizellen PD Dr. med. Dorothea Wunder Centre de Procréation Médicalement Assistée et Endocrinologie Gynécologique (CPMA), Lausanne In der aktuellen Ausgabe des Swiss Medical Forum ist Aus meiner Sicht muss es schweizweit unbedingt ver- die elektive Kryokonservierung Thema [1]. Unter «So- lässliche Zahlen geben bezüglich der Entwicklung und cial Freezing» versteht man das Einfrieren der Eizellen des Outcomes dieser Technik: Wie viele Frauen pro der Frau aus nichtmedizinischen Gründen, als Fertili- Jahr frieren ihre Eizellen aus diesen Gründen ein? Wie tätsreserve, um damit die Möglichkeit zu haben, zu ei- viele greifen später zurück auf ihre Eizellen? Wie hoch nem späteren Zeitpunkt (mit den eigenen Eizellen) ist die Schwangerschaftsrate? Und wie ist der Outcome Mutter zu werden. Es wird als grosser Fortschritt für der daraus entstandenen Kinder? Ist diese Technik in die Autonomie der Frau gepriesen. der Schweiz wirklich so rasant im Zunehmen wie in Das Hinausschieben der Erfüllung des Kinderwun- den USA, wo «Egg Freezing Parties» (analog zu den sches und das Bedürfnis, Eizellen «zur Reserve» einzu- «Tupperware-Parties») veranstaltet und ausserdem die Dorothea Wunder frieren, hat mannigfaltige Gründe. In meiner klini- Kosten der Behandlung von Unternehmen wie Apple schen Tätigkeit erlebe ich vor allem Frauen, die Mitte und Facebook übernommen werden? Meines Erach- bis Ende 30 vor einem Aus der Partnerschaft stehen, tens nein. Aber niemand hat wirklich eine objektive oder Frauen, die sehr gut ausgebildet sind, einen ent- Antwort auf diese Fragen, denn es gibt kein nationales sprechend (zeitlich) anspruchsvollen Job haben und Register für diese spezifische Indikation, so wie es für keinen Partner finden. In allen Fällen macht sich bei die In-vitro-Fertilisation(IVF)-Behandlungen gesetz- diesen Frauen so langsam Panik und Verzweiflung lich gefordert ist. Das sollte geändert werden. breit, weil die biologische Uhr sehr laut tickt und ihr Wunsch, eine Familie zu gründen, immer wei- Die biologische Fertilitätsgrenze der Frau und ter in die Ferne rückt respektive unerreichbar die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin scheint. Und weil die Eizellspende (noch) keine Op- werden oft falsch eingeschätzt. tion für diese Frauen ist. Seit zirka 2011 ist es auch in der Schweiz möglich, dank der Technik der Vitrifika- Ein Problem ist, dass die biologische Grenze der Ferti tion Eizellen einzufrieren mit darauffolgend guten lität der Frau von den Frauen (und Paaren) oft völlig Chancen des Überlebens des Einfrier-Auftau-Prozes- falsch eingeschätzt wird. Viele denken, dass dank der ses, des Befruchtens, der Entwicklung eines Embryos Fortschritte der Reproduktionsmedizin heutzutage und des Erzielens einer Schwangerschaft. das Kinderkriegen über 40 kein Problem mehr ist. Die Für die Frauen ist in dieser verzweifelten Situation Meldungen des Mutterglücks von Stars wie Gianna diese Möglichkeit meist ein Segen. Denn sie können Nannini (54), Holly Hunter (47), Kim Basinger (41), Ni- aktiv etwas tun gegen das Horrorszenario, kinderlos cole Kidman (41) etc. in den Medien bestärken diese und allein zu bleiben und den Traum, Mutter zu wer- Fehleinschätzung, denn bei den meisten dieser promi- den, begraben zu müssen. Es bedeutet für die Frauen nenten Frauen kam es dank Eizellspende oder sogar eine Art «Fertilitätsversicherung». Eine Garantie gibt Leihmutterschaft zur Geburt des Kindes. Wissenschaft- es jedoch leider nie. Ganz besonders limitiert sind die liche Studien zum Thema «fertility awareness» bele- Chancen, wenn nur wenige Eizellen eingefroren wer- gen dieses Faktum der Fehleinschätzung. Aufklärung den und die Frau Ende 30 oder sogar schon ≥40 Jahre bezüglich der Fertilität der Frau sowie der Chancen alt ist zum Zeitpunkt der Kryokonservierung. Eine aus- und Grenzen der Reproduktionsmedizin sollte deshalb führliche Beratung mit einer realistischen Einschät- schon in der Schule stattfinden. zung der Chancen für eine spätere Schwangerschaft ist Last but not least möchte ich einen grundsätzlichen deshalb essentiell. Ebenfalls müssen die Kosten der Punkt anführen: Aufklären bezüglich der Fertilität Behandlung (Selbstzahler) und die potentiellen Risi- der Frau reicht nicht. Es braucht dringend gesellschaft- ken besprochen werden. liche Änderungen! Eine interessante Studie aus den SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):701–702 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Editorial 702 USA [2] zeigt, dass die Hälfte der ≥40-jährigen befrag- alle Berufsgruppen. Studien zeigen ausserdem, dass es ten Frauen, auch bei idealer Kenntnis bezüglich Fertili- gut ausgebildete Frauen schwerer haben, einen Partner tät der Frau etc., ihren Kinderwunsch nicht hätten er- zu finden. Kunststück, dass der Zeitpunkt der Familien füllen können aufgrund ihrer Lebensumstände. Und gründung immer weiter hinausgeschoben wird, manch- das gilt nicht nur für die USA. Das «Kinder haben» wird mal leider bis zum Sankt Nimmerleinstag. gerade in der Schweiz nicht ohne Grund immer weiter Es bleibt zu hoffen, dass ein gesellschaftliches Umden- hinausgeschoben: Der ideale Zeitpunkt ist eigentlich ken, konkret eine echte, konstruktive, partnerschaftli- nie. Denn Frauen, die Mütter sind, werden nicht gleich che Gleichstellung von Mann und Frau im beruflichen behandelt wie Männer, die Väter sind. Bei Männern und privaten Umfeld, endlich stattfindet. Denn nur sind Familie und Kinder ein Plus, auch für eine Beför- das kann zu einer echten Autonomie der Frau führen. derung, und durchaus mit einer höheren beruflichen Bis es so weit sein wird, bleibt der Frau die «Autono- Position zu vereinbaren. Wenn Frauen hingegen Kin- mie», die Kryokonservierung der Eizellen zur Fertili- der haben, können sie eine Beförderung zumeist ver- tätserhaltung aus nichtmedizinischen Gründen durch- gessen. Frauen praktisch aller Berufsgruppen sind in zuführen und zu bezahlen. höheren beruflichen Positionen statistisch gesehen klar untervertreten. Mütter führen laut der Schweize- Disclosure statement Korrespondenz: Die Autorin hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen rischen Konferenz der Schlichtungsstellen nach Gleich- PD Dr. med. im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Dorothea Wunder stellungsgesetz bis heute die Hitparade der Diskri Centre de Procréation minierung an. Auch ist es jeweils kompliziert, eine Médicalement Assistée Literatur et Endocrinologie Gynéco Kinderbetreuung zu finden, die zudem hoch bezahlt 1 Imthurn B, Schiessl K. «Social Egg Freezing». Swiss Med Forum. logique (CPMA) werden muss. Dazu kommt, dass Frauen für dieselbe 2019;19(43-44):709–712. Rue de la Vigie 5 2 Mac Dougall K, Beyene Y, Nachtigall RD. Age shock: Misperceptions CH-1003 Lausanne Arbeit in der Schweiz viel weniger verdienen als Män- of the impact of age on fertility before and after IVF in women who dorothea.wunder[at]cpma.ch ner! Das ist bis heute ein Faktum und gilt für praktisch conceived after age of 40. Hum Reprod. 2013;28(2):350–6. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):701–702 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
KURZ UND BÜNDIG 703 Das «Kurz und bündig» noch aktueller lesen: «online first» unter w w w.medicalforum.ch Kurz und bündig Prof. Dr. med. Reto Krapf mit 4000 mg «Erdnusseiweiss» zwei Jahre lang desen- Fokus auf … Lungenerkrankung bei «Vaping» sibilisiert. Bei einer Mortalität von 0 waren die Haupt- oder E-Zigaretten nebenwirkungen gastrointestinale Symptome. Eine Re- duktion der Zufuhr des Erdnusseiweisses auf 300 mg – Vorkommen vorwiegend bei 17–20-jährigen, männlichen Erwachsenen. oder gar 0 war von einer Reaktivierung der Allergie – Bislang nur in den USA (dort aber fast flächendeckend) beschrieben, gefolgt. Die Konstellation der Resultate der Baseline- häufig bei konkomitierender Cannabinoid-Inhalation. Untersuchung (höhere IgG4:IgE, höhere Erdnuss-spezi – Neben konstitutionellen Symptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber fische IgE und höhere Basophilenaktivierung) sagten sowie gastrointestinalen Symptomen dominieren respiratorische Sym effektiv ein schlechteres Ansprechen bei einer kleinen ptome. Anzahl von Patient(inn)en voraus. Die Studie zeigt, dass – Progrediente Entwicklung mit Husten und Dyspnoe über 3–5 Wochen. bei der Mehrzahl der Patient(inn)en eine Desensi – Radiologie: interstitielle Pneumonitis / organisierende Pneumonie, Aus- bilisierung oral sicher und wirksam vorgenommen sparung des subpleuralen Raumes, kein Pleuraerguss. werden kann. Die Parameter zu Beginn der Studie – Labormässig Leukozytose im Blut mit Entzündungszeichen, in der Bron- könnten Basis einer individualisierten Indikation der chiallavage Granulozytose ohne Eosinophilie. Therapie werden. – Ursachen noch unbekannt. Lancet 2019, doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31793-3. – Spekulationen: inhalierte Cannabinoide, ölige Lösungsmittel im Verfasst am 23.09.2019. «Vaping»-Konzentrat, Schwermetalle aus den verdampfenden Instru- menten, zugefügte Duftstoffe (Diacetyl, 2,3-Pentanediol), bakterielle Exo- toxine/Pilz-Glukane. Neues aus der Biologie N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1911614. Verfasst am 24.09.2019. Neue Hoffnung für Patient(inn)en mit Morbus Parkinson Eine Analyse von zwei klinischen Datenbasen zeigte, Praxisrelevant dass etwa 77-jährige Männer unter Therapie wegen Prostatahyperplasie eine geringere Chance für die Orale Desensibilisierung gegen Erdnussallergie Entwicklung eines Morbus (M.) Parkinson mit und 120 Patient(inn)en (7–51 Jahre) mit Erdnussallergie ohne Lewy-Body-Demenz aufwiesen, wenn sie mit (doppelverblindete – ! – Diagnostik mit Hauttest, Erd- dem alpha-adrenergen Hemmer Terazosin (5 mg) oder nuss-spezifischen IgE-Konzentrationen und einer Test- den strukturverwandten Doxazosin und Alfuzosin, exposition) wurden doppelblind, plazebokontrolliert aber nicht mit dem nicht strukturverwandten alpha- adrenergen Inhibitor Tamsulosin behandelt wurden [1]. Retrospektiv war aufgrund der Aufzeichnungen der Neurologen auch evident, dass sich die Parkinsonsym- ptome über ein Jahr unter Terazosin deutlich verbes- sert hatten. Terazosin stimuliert die neuronale Glyko- lyse (siehe Abbildung) und hat einen starken Einfluss auf die mitochondriale Biogenese (nach Massgabe der Messung mitochondrialer DNA). Insgesamt führt Tera- zosin vor allem via Pyruvatakkumulation zu einer erhöhten ATP-Produktion entlang der inneren mito- chondrialen Membran und damit zu einer verbesser- ten Energieversorgung extrapyramidaler Neurone. Auch in vitro erhöhte Terazosin die ATP-Produktion in Neuronen von Parkinson-Patient(inn)en und redu- zierte – bemerkenswert – in Neuronen mit der häufigs- © Andrey Maslakov | Dreamstime.com ten Mutante familiärer Parkinsonfälle (LRRK2) die SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):703–706 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Kurz und Bündig 704 thrombotika bei einer Beobachtungszeit von knapp 12 Jahren lediglich 2% im Vergleich zu den 12% der nicht behandelten Kontrollen (entsprechend einer Hazard Ratio von fast unglaublich tiefen 0,12!). Es wird nun sogar spekuliert, dass in den Kavernomen venöse Gefässschlingen mit niedrigem Blutfluss zu lokalen Thrombosen und sekundär zur Blutung prädisponie- ren, was durch eine Antikoagulation verhindert wer- den könnte. Die etwas undifferenzierte Behandlung von «Antithrombotika» in dieser Studie schwächen ihre Aussage für die konkrete klinische Situation. Eine Ursachen und Progression der Neurodegeneration bei Morbus Parkinson (aus: Cai R, Zhang Y, Simmering JE, Schultz JL, Li Y, Fernandez-Carasa I, et al. Enhancing glycolysis Interventionsstudie kann auf ihrer Basis aber durch- attenuates Parkinson›s disease progression in models and clinical databases. J Clin aus empfohlen werden. Invest. 2019 Sep 16. pii: 129987. doi: 10.1172/JCI129987. Copyright © 2019 American Lancet Neurol. 2019, doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30280-7. Society for Clinical Investigation [ASCI]; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung Verfasst am 23.09.2019. der ASCI). Diverse Faktoren hemmen die mitochondriale Energieproduktion, was zur Beschleunigung der neurodegenerativen Prozesse führt. Terazosin und strukturell verwandte alpha-adrenerge Inhibitoren (Doxazosin, Alfuzosin) stimulieren die mito- chondriale ATP-Produktion, primär durch Stimulierung des glykolytischen Enzyms Immer noch lesenswert Phosphoglycerat-Kinase 1 (PGK1). Diese ATP-Versorgung soll den neurodegenerativen Prozess verlangsamen. Non-A/Non-B wird zu C Die Bezeichnung Non-A/Non-B-Hepatitis war viele A kkumulation von Alpha-Synuklein, dem Hauptbe- Jahre lang ein deftiges Zeichen unserer Ignoranz über standteil der Lewy-Körper. Terazosin verbesserte auch den verursachenden Erreger, der durch Bluttransfusio- die motorischen Funktionen in genetischen Tiermo- nen und bei intravenösem Drogenkonsum übertragen dellen des M. Parkinson (Maus, Drosophila). Falls diese werden konnte. Die Hepatitiden A und B waren schon Beobachtungen in anderen Datenbasen und Tierexpe- in den 70er Jahren spezifisch diagnostizierbar. 1989, rimenten reproduziert werden, ist der Weg offen für vor 30 Jahren, konnte die Gruppe von M. Houghton in eine klinische Testung mit Glykolyse-Akzeleratoren, Kalifornien im Blut von Patienten mit Non-A/Non-B- wozu unter anderem auch die Klasse der sogenannten Hepatitis eine sogenannte komplementäre DNA isolie- HIF-Stabilisatoren (Prolyl-Hydroxylase-Inhibitoren ge- ren, die von einer zirkulierenden, viralen RNA stammte. hören [2]). Für die Anwendung letzterer müsste man ih- Der Grundstein für die Charakterisierung des Hepa ren Zell-energisierenden Effekt von der durch sie indu- titis-C-Virus und die spätere Entwicklung von viro zierten Polyzythämie trennen können. ziden Medikamenten war gelegt. Nur 30 Jahre später 1 J Clin Invest 2019, doi.org/10.1172/JCI129987. ist diese Erkrankung, Ressourcen vorausgesetzt, prin- 2 Swiss Med Forum 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08382. zipiell heilbar geworden. Verfasst am 23.09.2019. Science 1989, doi.org/10.1126/science.2523562. Verfasst am 24.09.2019. Vaskuläre Malformationen im Gehirn: Antikoagulation ja oder nein? Zerebrale kavernöse Malformationen kommen in Das hat uns weniger gefreut 0,2% der Allgemeinbevölkerung vor und können fo- kale neurologische Defizite und Anfälle induzieren. Nebenwirkungen einer zu früh beendeten Studie Bei asymptomatischen Malformationen liegt das in Die viel zitierte SPRINT-Studie [1] hatte gezeigt, dass trakranielle Blutungsrisiko zwischen 0,8 und 1,6%, bei Hypertoniepatient(inn)en eine Reduktion des sys- bei symptomatischen zwischen 3,6 und 6,2% pro Jahr. tolischen Blutdruckes auf
Kurz und Bündig 705 bei älteren Patient(inn)en bei systolischen Blutdru- cken 70 Jahre) das «Liquid biopsy» besser als Tumorhistologie ehrgeizige SPRINT-Blutdruckziel zu erreichen auch er- Der Terminus «liquid biopsy» wurde zunächst auf die strebenswert ist. Unter den fast 9400 randomisierten zytologischen Präparate angewendet, die in einer Flüs- Patient(inn)en fand sich – wie dieses Jahr publiziert sigkeitsuspension und nicht als Ausstriche auf einem (SPRINT-MIND) – zudem kein Effekt der «schärferen» Objektträger asserviert wurden. Heute versteht man Blutdruckeinstellung auf die Demenzentwicklung [4]. darunter den Nachweis zirkulierender, sogenannter Wegen des Mortalitätseffektes war die SPRINT-Studie zellfreier DNA. Bei 42 Patient(inn)en mit molekular vorzeitig nach 3,3 anstelle von 5 Jahren beendet wor- gut charakterisierten kolorektalen Karzinomen und den und bedingt nun eine eingeschränkte Interpreta- einer erworbenen Resistenz auf spezifische Tumor tion dieser Resultate. therapien wurde die diagnostische Aussagekraft von 1 N Engl J Med. 2015, doi.org/10.1056/NEJMoa1511939. zirkulierender, zellfreier DNA («liquid biopsy») mit der 2 Swiss Med Forum 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08345. molekularen Analyse im Tumorgewebe verglichen. 3 Eur Heart J. 2019, doi:10.1093/eurheartj/ehz071. Die «liquid biopsy» war der molekularen Analyse im 4 JAMA 2019, doi.org/10.1001/jama.2018.21442. Verfasst am 23.09.2019. isolierten Tumorgewebe bezüglich der Natur klinisch relevanter, molekularer Resistenzmechanismen deut- lich überlegen. Diese Resultate sind für die erworbe- nen Tumorresistenzen, zumindest bei diesen Tumo- Aus Schweizer Feder ren, und der Entwicklung neuer Medikamente von Relevanz. Die Überlegenheit der «liquid biopsy» könnte Systemische Komorbiditäten bei chronischer unter anderem damit zusammenhängen, dass erwor- Niereninsuffizienz bene Resistenzen zu Aggressivitätssteigerungen der Mit dem progredienten Abfall der Nierenfunktion ist Zellen und damit einer wahrscheinlicheren Absonde- auch eine Retention des Phosphates verbunden. In die- rung ins Blutsystem führen. sem Prozess vermag das in den Osteozyten gebildete Hormon FGF-23 («fibroblast growth factor») lange Zeit Nat Med. 2019, doi.org/10.1038/s41591-019-0561-9. in dem Sinne korrigierend zu wirken, als es via seinen Verfasst am 24.09.2019. Korezeptor (Alpha-Klotho) in den überlebenden Ne phronen die Phosphatausscheidung erhöht, aber auch die intestinale Aufnahme des diätetisch zugeführten Ein kurz und bündiger Fall Phosphates durch Suppression des 1,25(OH)2D hemmt. Bislang war es aber schwierig gewesen zu zeigen, dass Kunstklappen-Endokarditis im PET/CT die FGF-23-Produktion durch Phosphatrestriktion (wie Aus zeitlichen Gründen konnten wir leider diese mit Diät und sog. Phosphatbindern) auch effektiv ge- eindrückliche Demonstration einer PET-CT-Untersu- hemmt werden kann. Egli und Mitarbeiter von der chung einer Kunstklappen-Endokarditis nicht mit dem Universität Zürich haben nun gefunden, dass FGF-23 dazu gehörenden Hinweis aus der Literatur und dem nicht nur durch Phosphat, sondern auch durch die bei makroskopisch-pathologischen Bild der Endokarditis chronischen Nierenerkrankungen universell präsente einer nativen Aortenklappe publizieren (s. «Kurz und Entzündung, dabei namentlich den «tumor necrosis bündig», SMF 39/40, «Für Ärztinnen und Ärzte am Spi- factor» (TNF), stimuliert wird. Interessanterweise übt tal: Bildgebung bei infektiöser Endokarditis der Klap- der FGF-23 seinerseits einen stimulierenden Effekt auf penprothesen» [1]). Wir möchten Ihnen diese instruk die Sekretion des TNF und anderer Zytokine aus, was tiven PET-CT-Befunde an dieser Stelle nachliefern. Für quasi einen Teufelskreis in Gang setzen könnte. Somit den Fall und die Bilder bedanken wir uns ganz herzlich ergibt sich pathophysiologisch eine selbst unterhal- bei Herrn Prof. A. Rominger, Universitätsklinik für tende systemische Entzündung, wobei FGF-23 eine Nuklearmedizin, Inselspital, Bern. potenzierende Rolle spielt und selber durch seine ne- Der Fall: gativen Effekte auf Kardiomyozyten und glatte Gefäss- PET-CT (2019) bei Status nach Aortenwurzel-Ersatz mit muskelzellen zur linksventrikulären Hypertrophie und einem biologischen Composite-Graft (27 mm) bei bi- Progression der urämischen Arteriopathie beiträgt. kuspider Aortenklappe 2013 sowie Status nach mehr Wichtige Resultate für bessere Therapieansätze! fachen Bakteriämien bei jeweils unklarem Fokus. Ak- Kidney Int. 2019, doi.org/10.1016/j.kint.2019.04.009. tuell Sepsis mit beta-hämolysierenden Streptokokken Verfasst am 24.09.2019. Gruppe C mit Differenzialdiagnose (DD) Endokarditis SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):703–706 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Kurz und Bündig 706 lenta bei Status nach Bio-Aortenklappenersatz / Compo site und Verdacht auf paravalulären Abszess; DD Kunst klappen-Endokarditis Graft-Infekt. 1 Swiss Med Forum 2019, doi.org/10.4414/smf.2019.08388. Medizinische Depeschenagentur Welche Intervention bei Varizen? Die Lebensqualität in den fünf Jahren nach einer – falls indizierten – interventionellen Varizenbehandlung war besser nach Laserablation und Chirurgie als nach der Sklerotherapie. Bedingung (in Schottland) ist, dass man bereit ist, pro QALY («quality adjusted life year») mindestens 20 000 Pfund auszulegen. N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1805186. Verfasst am 24.09.2019. Pathogenere Streptkokken unter uns Wir hatten schon auf die Zunahme von Infekten mit Streptococcus pyogenes invasiverer Art und die Zu- nahme von Scharlachfällen (seit 2014) vor allem in den Monaten März bis Mai (betroffen insbesondere Kinder im Vorschulalter) hingewiesen («Scharlach wieder un- ter uns» [1]). Genotypische Analysen in Grossbritan- nien [2] zeigen nun, dass eine Reihe von genetischen Alterationen in diesen Streptokokken aufgetreten sind, die insgesamt die Expression und Produktion des Exotoxins SpeA erhöhen und somit die höhere Inva sionskraft erklären könnten. 1 Swiss Med Forum 2018, doi.org/10.4414/smf.2018.03252. 2 Lancet Infect Dis. 2019, doi.org/10.1016/S1473-3099(19)30446-3. Verfasst am 24.09.2019. Nicht ganz ernst gemeint Zu alt, um Präsident zu werden? Sollte Donald Trump (aktuell – im September 2019 – 73,4 Jahre alt) wiedergewählt werden, hätte er ab dem Inaugurationstag im Januar 2021 eine Chance von 15%, während der zweiten Amtszeit zu versterben. Im Sinne positiven Denkens, was sich hier nicht unbedingt spontan einstellt, wäre die Überlebenswahrscheinlich- keit dann 85%. Solche und ähnliche Fragen stellt sich die «American Federation for Aging Research». JAMA 2019, doi.org/10.1001/jama.2019.14329. Verfasst am 23.09.2019. A) PET in koronarer und seitlicher Projektion. B–D) PET/CT: B) Klappenebene Aorta paraaxial, C) Klappenebene Aorta paracoronal, D) Bulbus aortae sagittal; Matrix 400 × 400, PSF+TOF 4i5s, Gauss 2 mm. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):703–706 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
AK TUELL 707 Ein zweiter grosser Sprung für die Menschheit 30 Jahre seit der Entdeckung des Mukoviszidose-Gens Dr. Michael Morris Département de Génétique, Synlab Suisse, Lausanne Am 20. Juli dieses Jahres feierten wir den 50. Jahrestag der ersten Mondlandung durch die Apollo 11 und ihre Besatzung. Vor 30 Jahren, am 8. September 1989, er- folgte mit der Entdeckung des für Mukoviszidose verantwortlichen CFTR-Gens die Mondlandung der medizinischen Genetik in der Fachzeitschrift Science. Nach Jahr- zehnten technischer und intellektueller Herausforderungen war dies ein geneti- scher und medizinischer Durchbruch. Hintergrund Hinweis auf das Gen zu finden. Der erste Schritt er- folgte im Jahr 1985: Lap Chi Tsui [4] entdeckte einen Die eigentlich als zystische Pankreasfibrose bezeich- genetischen Marker auf dem Chromosom 7, der im nete Mukoviszidose («cystic fibrosis» [CF]) wurde im Zusammenhang mit der Erkrankung von Mensch zu Jahr 1938 [1] erstmals von Dorothy Anderson als klini- Mensch und über Generationen hinweg weitervererbt sche Entität beschrieben und rasch als häufigste tödli- wurde. Somit war das Gen mit einer Genauigkeit von che genetisch bedingte Erkrankung kaukasischer Kin- ca. 30 000 000 Basenpaaren lokalisiert! der anerkannt. In der Schweiz beträgt ihre Inzidenz bei Infolgedessen nahm die Jagd auf das Gen Fahrt auf. Kindern 1:2350 und 1 von 23 Personen ist ein gesunder Die Gruppe von Williamson in London nutzte die Träger der Mutation. konventionelle Technik, um das Chromosom ab dem Obgleich die Anzeichen und Symptome bereits gut entsprechenden Marker «entlangzuwandern» und bekannt waren (Pankreasfibrose, intestinale Malab- Schritt für Schritt nach einer Sequenz zu suchen, die sorption, rezidivierende und potenziell tödliche Lun- «das Gen» sein könnte. Auf der anderen Atlantikseite geninfektionen, salziger Schweiss), wurden die ersten schlossen sich zwei Gruppen zusammen und arbei Indizien über die zugrunde liegende Pathophysiologie teten an einer innovativen Technik, dem «Chromo der Erkrankung erst im Jahr 1982 mit der Entdeckung somenspringen», durch das die grossen Entfernungen einer verminderten epithelialen Chloridpermeabilität zwischen zwei genetischen Markern sehr viel rascher gefunden [2, 3]. Endlich bestätigte die medizinische überwunden werden konnten als beim «Chromo Forschung das alte Sprichwort «Wehe dem Kind, das somenwandern». Die Gruppe von Francis Collins (der beim Kuss auf die Stirn salzig schmeckt. Es ist verhext später der Leiter des Humangenomprojekts und der und muss bald sterben». Direktor der «National Institutes of Health» [NIH] wer- den sollte) sprang von Position zu Position und die Die Suche nach dem Gen Gruppe von Tsui in Toronto suchte nach Genen rund um die Marker. So begann die Suche nach dem verantwortlichen Gen, aber wie konnte es gefunden werden? In den 1980er Jahren war das menschliche Genom kaum erforscht Derweil in der Schweiz und ein für eine menschliche Erkrankung verantwort- liches Gen konnte nur mithilfe einer bereits bekann- Zu dieser Zeit wurden in den Laboren für medizinische ten Proteinsequenz oder eines anderen Indizes ent- Genetik in der Schweiz bereits Familienanalysen durch- deckt werden, aus welchem die Lokalisation des Gens geführt, vor allem um Träger mit einem hohen Risiko auf dem Genom ersichtlich wurde. für erkrankte Kinder zu identifizieren und pränatale Zahlreiche Forscher untersuchten an Mukoviszidose Diagnostikuntersuchungen durchzuführen. Vor der Michael Morris erkrankte Familien in der Hoffnung, im Genom einen Entdeckung des eigentlichen Gens waren unsere Ana- SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):707–708 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Aktuell 708 lysen jedoch mühevoll, mitunter nicht 100% genau Peter Goodfellow vorhergesehen, zahlreiche Neben- und nur einigen Familien vorbehalten. entdeckungen gemacht und sogar neue Forschungs Ab dem Frühjahr 1989 begann die Spannung in der ge- gebiete aufgetan: «The implications of this research are netischen Fachwelt zu steigen und im August wussten profound: there will be large spin offs in basic biology, wir, dass das Gen gefunden worden, seine Veröffentli- especially in cell physiology, but the largest impact will chung jedoch noch streng geheim war. Endlich wurde be medical.» das Geheimnis gelüftet: Die Veröffentlichung des Gens Es gibt zahlreiche und umfassende positive Auswir würde am 8. September in der Fachzeitschrift Science kungen mit neuen Forschungsfeldern, die rund um die erfolgen! So standen wir vor der nächsten Herausfor- Funktionsweise des Proteins, die Aktivität der Ionen derung: Wie an die Ausgabe kommen? Im Jahr 1989 kanäle, ihre Regulation und Pharmakologie entstan- ohne Internet hätten wir warten müssen, bis die Zeit- den sind sowie der zu Beginn mit grosser Hoffnung schrift uns im Papierformat per Post zugeschickt eingeschlagene neue Kurs zur Entwicklung einer Gen- würde, eine unfassbar lange Wartezeit! Wir nutzten therapie bei Mukoviszidose. Was könnte einfacher und unseren Joker und riefen Freunde in den USA an, mit eleganter sein, als bei einer Person, die aufgrund des der Bitte, uns die Sequenz zu faxen. Endlich bekamen Fehlens eines funktionellen Proteins erkrankt ist, die wir die Sequenz und die Artikel. In den darauf folgen- Proteinproduktion wieder anzuregen, indem dieses er- den Wochen wurden in der Schweiz sowie auf der gan- setzt wird? zen Welt die «Primer» bestellt und wir begannen da- mit, unsere Familien mithilfe der berühmten direkten Ausblick und präzisen PCR-Technik (Polymerase-Kettenreak- tion, die selbst erst weniger als vier Jahre zuvor erfun- Bedauerlicherweise war diese Herausforderung sehr den worden war) erneut zu analysieren. viel grösser als erwartet und auch 30 Jahre später ist die Gentherapie nach wie vor eine Hoffnung, die mög- licherweise nie in Erfüllung geht. Ein wenig später als Weshalb war alles so neu und bedeutend? erwartet hat die Zeit Goodfellow dennoch Recht gege- Science, 8. September 1989. Das Chromosomensprin- ben, denn vor Kurzem wurde eine zielgerichtete Phar- gen hatte gewonnen und die Gruppe aus Toronto veröf- makotherapie mit Medikamenten entwickelt, welche fentlichte drei Beiträge [5–7] über das «Mukoviszidose- die Aktivität des CFTR-Gens bei bestimmten Patienten Gen». Warum war dies so neu und bedeutend? Es han- modulieren und erhöhen können. Dank der Entde- delte sich schlicht und ergreifend um das erste für eine ckung des Mukoviszidose-Gens vor 30 Jahren werden menschliche Erkrankung verantwortliche Gen, das allmählich wirksame Therapien entwickelt. Dies ist je- allein mithilfe von Genomanalysen gefunden worden doch eine andere Geschichte … war. Damit war der Weg für 20 Jahre voller Entdeckun- gen im Bereich der medizinischen Genetik bereitet. Disclosure statement Der Autor ist Mitarbeiter und Leiter des Genetikdepartements bei Und das Gen selbst? Seine Sequenz und Struktur ent- SYNLAB Schweiz. sprachen genau der vermuteten Funktion eines trans- membranären Ionenkanals, weshalb es CFTR für «cy- Literatur 1 Anderson DH. Cystic fibrosis of the pancreas and its relation to stic fibrosis transmembrane conductance regulator» celiac disease. Am J Dis Child. 1938;56(2):344–399. genannt wurde. Die wichtigste Entdeckung, die Tsui 2 Knowles MR, Gatzy JT, Boucher RC. Increased bioelectric potential difference across respiratory epithelia in cystic fibrosis. N Eng J und Collins bereits im Mai 1989 überzeugt hatte, war Med. 1981;305:1489–1495. das Vorhandensein einer Deletion von drei DNA-Basen 3 Quinton PM. Chloride impermeability in cystic fibrosis. Nature. auf beiden Kopien des Gens bei vielen Patienten, die 1983;301:421–422. 4 Tsui L, Buchwald M, Barker D, Braman JC, Knowlton R, Schumm JW, zur Folge hat, dass eine von 1480 Aminosäuren des Pro- et al. Cystic fibrosis locus defined by a genetically linked teins fehlt. Bei nicht erkrankten Personen waren nie polymorphic DNA marker. Science. 1985;230:1054–1057. Korrespondenz: 5 Rommens JM, Iannuzzi MC, Kerem B-S, Alon N, Rozmahel R, beide Kopien des Gens betroffen. Dabei handelte es sich Dr. Michael Morris Grzelczak Z, et al. Identification of the cystic fibrosis gene: Director of Genetics, FAMH um die heute als häufigste Ursache der Erkrankung be- chromosome walking and jumping. Science. 1989;245:1059–1065. Medical Genetics kannte Mutation mit der Bezeichnung F508del. 6 Riordan JR, Rommens JM, Kerem B-S, Alon N, Rozmahel R, SYNLAB Switzerland Grzelczak Z, et al. Identification of the cystic fibrosis gene: cloning Department of Genetics Eine sofortige Auswirkung der Entdeckung des CFTR- and characterization of the complementary DNA. Science. Chemin d’Entre-Bois 21 Gens war die Möglichkeit, Familienanalysen durchzu- 1989;245:1066–1073. CH-1018 Lausanne 7 Kerem B-S, Rommens JM, Buchanan JA, Markiewicz D, Cox TK, michael.morris[at] führen und rasch und zuverlässig Diagnosen zu stel- Chakravarti A, et al. Identification of the cystic fibrosis gene: synlab.com len. Ferner wurden, wie im Jahr 1989 vom Genetiker genetic analysis. Science. 1989;245:1073–1080. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):707–708 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
ÜBERSICHTSARTIKEL 709 Die Anlage einer Eizellreserve zur Fertilitätserhaltung aus nichtmedizinischen Gründen «Social Egg Freezing» Prof. Dr. med. Bruno Imthurn a ; Dr. med. Katharina Schiessl b , klinische Dozentin a Klinik für Reproduktions-Endokrinologie, UniversitätsSpital Zürich; b Frauenpraxis55, Zürich Das «Social Egg Freezing», das heisst die Anlage einer Eizellreserve aus nichtmedi- zinischen Gründen, kann bei rechtzeitiger Planung den altersbedingten steilen Ab- a r tic le Peer fall der Fertilität kompensieren. Die Nachfrage steigt in den Industrieländern steil re v ie we an. Gründe sind gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen bei gestiegener d Lebenserwartung sowie die Einführung der Vitrifikation als Kryokonservierungs- methode. Einleitung Mit einem rechtzeitigen «Social Egg Freezing» kann eine Frau die ab 35 Jahren einsetzende, altersbedingte dramatische Reduktion der Fruchtbarkeit kompensie- ren. Dieser Rückgang wird verursacht durch die Ab- nahme von Zahl und Qualität der Eizellen. Sie kann später bei Bedarf auf die kryokonservierten Eizellen zurückgreifen und trotz des höheren Alters mit den gleichen Erfolgschancen rechnen wie zum Zeitpunkt des Einfrierens der Eizellen. Seit einigen Jahren steigt die Nachfrage nach elektiver Kryokonservierung von reifen, unbefruchteten Oozy- ten (Abb. 1) aus nichtmedizinischen Gründen nicht nur an unserem Kinderwunschzentrum im USZ, sondern in der entwickelten Welt kontinuierlich an. Da es dazu bisher noch keine verlässlichen Register gibt, kann die Abbildung 1: Reife, befruchtungsfähige Oozyte (Durchmesser Entwicklung geografisch aber unterschiedlich sein. Die 0,1 mm) mit 1. Polkörper im perivitellinen Raum, umgeben Gründe für die zunehmende Verbreitung des «Social von der Zona pellucida und einigen Granulosazellen (Dr. M. Freezing» sind mannigfaltig, die wichtigsten sind: Xie, Kinderwunschzentrum USZ). 1. Lebenserwartung und gesellschaftliche Veränderun- 2. Methodik: gen: Seit einigen Jahren steht die Kryokonservierungs- In den letzten hundert Jahren ist die Lebenserwar- methode der Vitrifikation zur Verfügung. Bei der tung einer Frau von 50 auf weit über 80 Jahre ange- Verwendung älterer Technologien war das Einfrie- stiegen. Die Lebensentwürfe – auch bezüglich der ren unbefruchteter Eizellen wenig aussichtsreich. Erfüllung des Kinderwunsches – haben sich stark Viele Oozyten waren nach dem Auftauen nicht verändert. Eine spätere Partnerwahl, bessere Aus- mehr befruchtungsfähig. Zudem wurde wegen bildungs- und Berufschancen, die Möglichkeit, die chromosomalen Veränderungen ein erhöhtes Fehl- eigene Fertilität zu kontrollieren und ein allgemein bildungsrisiko befürchtet. Das hat sich mit der Vit- späterer Eintritt ins Erwachsenenalter verschieben rifikation (Verglasung), dem ultraschnellen Einfrie- die Erfüllung des Kinderwunsches zunehmend in ren, geändert (Abb. 2). So können wir heute mit die Jahre über 35, somit in eine Zeitspanne, in der dieser Technik – in erfahrenen Händen – davon aus- die Fertilität der Frauen dramatisch schnell inner- gehen, dass die Schwangerschaftschancen gleich Bruno Imthurn halb von 10 Jahren auf beinahe Null abfällt. hoch sind und das kindliche Fehlbildungsrisiko SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):709–712 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Übersichtsartikel 710 nicht an eine andere Frau – ein ethisch sehr wichtiger Aspekt. «Last but not least» ist das Genom der Oozyten das eigene und nicht das einer fremden Spenderin. Indikation Beim elektiven «Egg Freezing» geht es darum, die al- tersbedingte Abnahme der Fruchtbarkeit zu kompen- Abbildung 2: Oozyte in Gefrierschutzlösung auf dem Träger sieren. Für eine gute Erfolgschance ist es wichtig, die unmittelbar vor der Vitrifikation (Dr. M. Xie, Kinderwunsch- zentrum USZ). Eizellen zu einem Zeitpunkt einzufrieren, an dem noch eine genügende Zahl von befruchtungsfähigen bei allerdings noch limitierten Zahlen wahrschein- Oozyten gewonnen werden kann. lich gleich tief ist wie bei Verwendung frischer Ei Den meisten Frauen, die sich in einer reproduktions- zellen [1]. medizinischen Praxis, auch am Kinderwunschzent- rum USZ, für ein «Social Freezing» melden, ist be- kannt, dass ihre Fertilität im Durchschnitt bis zum 35. Entwicklung Altersjahr stabil hoch bleibt, dann aber innerhalb von Der Begriff «Social Freezing» wurde von den Medien ge- 10 Jahren sehr schnell gegen Null abfällt. Bis vor kur- prägt. Weniger wertend spricht man besser von einem zem glaubten noch viele Betroffene, dass sich dieses al- «elektiven Egg Freezing» aus nichtmedizinischen Grün- tersbedingte Fruchtbarkeitshandicap mit dem Besuch den. Der Terminus «Social Freezing» und die anfangs eines Kinderwunschzentrums einfach beheben liesse. kolportierten Life-Style- und Karriereindikationen ha- Heute weiss eine zunehmende Anzahl von Frauen, ben das elektive «Egg Freezing» bei der breiten Bevölke- dass bei fehlenden befruchtungsfähigen Eizellen nur rung – und auch bei vielen ärztlichen Kolleginnen und eine Eizellspendenbehandlung geeignet ist. Dabei wer- Kollegen – schnell in ein schräges Licht gerückt. Entspre- den hoch fertile Eizellen von jungen Spenderinnen chend riefen Gegner des «Social Freezing» nach einem verwendet. Werden jedoch die eigenen Oozyten vor Verbot, dem einige Länder wie Frankreich oder Öster- dem 35. Geburtstag kryokonserviert, kann der natürli- reich folgten. Trotzdem stieg das Interesse der betroffe- che Alterungsprozess dieser Eizellen im –196°C-kalten nen Frauen in den letzten Jahren auch im USZ steil an. flüssigen Stickstoff fast vollständig gestoppt werden. Zwar sind die absoluten Zahlen derjenigen Frauen, die Dadurch bleibt die Fruchtbarkeit zum Zeitpunkt des sich nach einem Informationsgespräch dann auch wirk- Einfrierens bis zum Wiederauftauen erhalten. lich für das elektive «Egg Freezing» entscheiden, über- Die Gründe, die eigenen Oozyten einzufrieren, sind schaubar – aber nicht übersehbar. vielfältig. Bei uns sind es nur wenige Frauen, die ihrer Vom «Social Freezing» abzugrenzen ist das «Medical beruflichen Karriere eine höhere Priorität zuweisen als Freezing». Beim «Medical Freezing» werden zur Erhal- der Erfüllung ihres Kinderwunsches. Meistens interes- tung der Fertilität bei Krankheiten oder vor medizini- sieren sich für ein «Social Freezing» Mittdreissigerin- schen Interventionen mit irreversiblem Verlust der nen, bei denen es zum Bruch einer langjährigen Bezie- Gameten Spermien oder Eizellen kryokonserviert. Ein hung gekommen ist und die sich zu jung fühlen, um typisches Beispiel für solche Interventionen sind Che- ihren Kinderwunsch aufzugeben, oder der geeignete motherapien bei malignen Tumoren, die nicht nur zur Partner hat sich noch nicht gefunden. Zerstörung von Tumorzellen, sondern oft auch zur Ver- nichtung der empfindlichen Gameten führen. Information Das «Social Freezing» ist eine Eigeneizellspende und kann so die heute gebräuchliche – in der Schweiz jedoch Beim «Social Freezing» handelt es sich um ein hoch verbotene – klassische Eizellspende1 bei einem Teil der elektives Verfahren. Darum ist die ausführliche Vorin- Frauen ersetzen. Allerdings muss rechtzeitig an diese formation essentiell. Eine interessierte Frau muss de- Methode gedacht werden, nämlich dann, wenn noch tailliert und realistisch über den Ablauf, die Chancen, eine genügende Anzahl von befruchtungsfähigen Oozy- die Risiken, die Kosten und die gesetzlichen Vorgaben ten in den Ovarien vorhanden sind. Das ist in der Regel aufgeklärt werden. Nicht wenige Frauen stellen sich 1 Die Eizellspende wird bei vor dem abgeschlossenen 35. Altersjahr der Fall. Im Un- den Weg einfacher, kürzer, günstiger, zumindest jedoch Frauen mit Kinderwunsch terschied zur Eizellspendenbehandlung nimmt die po- mit der Garantie auf ein Kind vor. Darum entscheidet eingesetzt, die keine oder keine befruchtungsfähi- tentielle zukünftige Empfängerin die Belastung von Sti- sich ein Teil der Frauen nach dem Aufklärungsgespräch gen Eizellen mehr haben. mulation und Punktion auf sich selbst und delegiert sie gegen das elektive «Egg Freezing». 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Übersichtsartikel 711 Ablauf nur von einer ICSI ab, sondern in jedem Fall auch von Grundsätzlich entspricht der Ablauf eines «Social Free- einem elektiven «Egg Freezing». Das hat zur Folge, dass zing» dem einer ICSI-Therapie (intrazytoplasmatische wir über dem 40. Altersjahr nur bei günstigem Follikel- Spermieninjektion), einer Variante der In-vitro-Fertili- pool mit einer AMH-Serumkonzentration von über sationsbehandlung (IVF). Der Unterschied zur gängigen 10 pmol/l ein «Social Freezing» ins Auge fassen. Es ist ICSI-Therapie besteht darin, dass der Prozess nach der wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass in kei- Gewinnung der Oozyten mit deren Kryokonservierung nem Fall die Geburt eines Kindes garantiert werden unterbrochen – also im wahrsten Sinne des Wortes «auf kann. Es geht vielmehr um die Sicherung der individu- Eis gelegt» – wird. Erst wenn der Kinderwunsch aktuell ell zum Zeitpunkt der Kryokonservierung vorhande- wird und unerfüllt bleibt (siehe auch Abschnitt Rechtli- nen Fertilität bzw. – präziser – der Qualität der Eizellen. che Voraussetzungen), kommt es mit dem Auftauen der Eizellen und einer intrazytoplasmatischen Spermien Risiken injektion zur Fortsetzung sowie mit dem Embryotrans- Grundsätzlich unterscheiden sich die Risiken des «Social fer zur Komplettierung der ICSI-Therapie bzw. des «So- Freezings» nicht von einer IVF/ICSI-Therapie. Bei der cial Freezing». Aufklärung müssen daher nicht nur die Gefahren bis zur Kryokonservierung (wie das heute gelegentlich noch Vorabklärung auftretende Überstimulationssyndrom sowie das sehr Zur Vorabklärung gehört neben der Anamneseerhe- seltene Blutungs- und Infektrisiko), sondern auch die Ri- bung, einer gynäkologischen Untersuchung und ei- siken der Folgebehandlung thematisiert werden, wenn nem Vaginalultraschall die Bestimmung der Ovarial- die kryokonservierten Eizellen zum Einsatz kommen. reserve mit Hilfe von FSH, AMH (Anti-Müller-Hormon) Dazu gehören die physische und psychische Belastung und AFC (antral follicle count) sowie eine minimale In- einer Behandlung, die möglichen kindlichen Risiken ei- fektabklärung (Screening für Hepatitis B, Hepatitis C ner ICSI-Therapie und die erhöhten Schwangerschaftsri- und HIV). Eine weitergehende Abklärung des Cavum siken. So treten mit zunehmendem mütterlichem Alter uteri zu diesem Zeitpunkt erfolgt nur, falls die native Präeklampsie und Gestationsdiabetes häufiger auf. Es vaginale Ultraschalluntersuchung Uteruspathologien sollte daher gerade beim «Social Freezing» dazu geraten zeigt, die eine zukünftige Schwangerschaft ausschlie- werden, den Kinderwunsch nicht unnötig lang aufzu- ssen oder als sehr schwierig erscheinen lassen. schieben. Umgekehrt darf aber auch erwähnt werden, dass Schwangerschaften nach Eizellspende per se – im Chancen Unterschied zu den eigenen Eizellen beim «Social Free- Da sich – wie im natürlichen Zyklus auch – bei einer zing» – schon ein erhöhtes Präeklampsierisiko mit sich IVF nicht alle Oozyten befruchten lassen und sich nur bringen und dies kumuliert zur Altersproblematik [4]. ein kleiner Teil der befruchteten Eizellen bis zu einem lebensfähigen Kind entwickelt, müssen für eine opti- Kosten male Erfolgschance 20 bis 30 reife Oozyten gewonnen Die Kosten für einen abgeschlossenen «Social Freezing»- und eingefroren werden. Dies bedeutet, dass in der Re- Zyklus bis zur Kryokonservierung der unbefruchteten gel 2–3 Stimulations- und Punktionszyklen mit der Ge- Oozyten belaufen sich auf ca. 4000 CHF. Um 20–30 Eizel- winnung von durchschnittlich je 10 Eizellen notwen- len gewinnen zu können, muss mit 2–3 Zyklen und somit dig sind. Die Qualität der Oozyten nimmt mit dem einem Betrag von 10 000 CHF und mehr gerechnet wer- Alter durch die Zunahme von aneuploiden Eizellen ab, den. Diese Kosten können von Zentrum zu Zentrum insbesondere nach dem 35. Altersjahr [2]. Deshalb be- variieren und müssen von den Betroffenen selbst getra- nötigt eine jüngere Frau tendenziell weniger, eine Frau gen werden, da es sich wie bei der ICSI-Therapie selbst im fortgeschrittenen Fertilitätsalter mehr Eizellen. nicht um eine Krankenkassenleistung handelt. Dazu Theoretisch sind die Erfolgschancen im Bedarfsfall kommen die jährlichen Lagerkosten. Werden die Eizellen dann die gleichen wie bei einer ICSI-Therapie. Bis je- aufgetaut und für eine ICSI verwendet, entstehen weitere doch mehr Daten und Erfahrungen vorliegen, sollte Kosten in der Höhe von mehreren Tausend Franken. eine im Vergleich zur ICSI-Behandlung eher geringere Schwangerschaftschance kommuniziert werden. In Rechtliche Voraussetzungen unserem Zentrum können wir 7 von 10 Frauen unter 36 In der Schweiz regelt das eidgenössische Fortpflan- nach einer ICSI-Therapie zu einem Kind verhelfen. Un- zungsmedizingesetz (FMedG) das «Social Freezing». So terschreitet diese Erfolgsprognose den Wert von 1 Pro- dürfen gemäss Art. 15 Abs. 1 FMedG die unbefruchteten zent, raten wir – in Übereinstimmung mit der ASRM Oozyten beim «Social Freezing» maximal 10 Jahre kon- (American Society for Reproductive Medicine) [3], – nicht serviert bleiben (Abb. 3). Es macht daher nur selten Sinn, SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(43– 44):709–712 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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