ABLENKUNG VON ECHTEM KLIMASCHUTZ - Forum Umwelt ...
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Jp Valery/Unsplash ABLENKUNG VON ECHTEM KLIMASCHUTZ Wie REDD und Natural Climate Solutions zum Scheitern entworfen wurden Die Lösung zum Aufhalten des Klimawandels ist einfach: Fos- sile Brennstoffe müssen im Boden bleiben. Aber dazu gab es auf der COP26, der UN-Klimakonferenz in Glasgow, kaum Fortschritte. Die tragische Realität ist, dass die 26 UN-Klima- gipfel, die seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwick- lung im Jahr 1992 stattgefunden haben, den Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre nicht eindämmen konnten. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 werden fossile Brenn- stoffe nicht einmal erwähnt. 24 Schwerpunkt
B ei diesen UN-Treffen stellt sich ein seltsames Déjà- Projekte zwischen 2013-2020 wahrscheinlich keine zusätz- vu-Gefühl ein. 1995 bei der COP1, die in Berlin lichen Emissionsreduktionen bewirken konnten und über- stattfand, blockierten Hunderte von Demonstrie- schätzt wurden. 4 Wie Larry Lohmann von der britischen renden die Türen und forderten, dass die Delegier- Organisation The Corner House anmerkt, „sind die Kohlen- ten nicht gehen dürften, bevor sie nicht etwas Sinnvolles zur stoffmärkte […] nicht dazu da, Emissionen zu reduzieren. Lösung der Klimakrise erreicht hätten. „Kein Blabla mehr. Ihre Funktion […] ist es, das Leben der fossilen Brennstoff- Action now!“, skandierten sie. wirtschaft und indirekt ein ausbeuterisches und ungleiches 26 Jahre später, kurz vor Beginn der COP26, bezeich- System des Extraktivismus und der Naturzerstörung zu nete Greta Thunberg auf dem Youth4Climate-Gipfel die verlängern. Deshalb werden sie von so vielen, von fossilen Klimaversprechen der Regierungen als Blabla: „Build back Brennstoffen abhängigen Konzernen und kapitalistischen better. Bla, bla, bla. Grüne Wirtschaft. Bla, bla, bla. Netto- Staaten unterstützt. Die Kohlenstoffmärkte haben mehr als Null bis 2050. Bla, bla, bla. Das ist alles, was wir von unse- 20 Jahre lang sehr gut mit einem katastrophalen Anstieg der ren sogenannten Regierenden hören. Worte, die großartig Emissionen koexistiert.“ 5 klingen, aber bisher nicht zu Taten geführt haben. Unse- re Hoffnungen und Ambitionen ertrinken in ihren leeren Montreal, COP11: Einstieg in REDD Versprechungen“. 1 Doch die Vermeidung von Entwaldung wurde aus drei Nicht alles, was auf den UN-Klimatreffen beschlossen Gründen aus dem Kyoto-Protokoll ausgeschlossen. Ein wurde, sollte man als Worte abtun, denen keine Taten folg- Grund war die Befürchtung, dass reiche Länder einfach ten. Wahr ist aber, dass die getroffenen Maßnahmen nur den Kohlenstoffkompensationen kaufen würden, um eine Re- Anschein erwecken, die Klimakrise zu lösen, in Wirklichkeit duzierung der Emissionen im eigenen Land zu vermeiden. jedoch vermieden haben, das zu tun. Ein zweiter Grund ist die schlichte Tatsache, dass es eine riskante Strategie ist, sich auf den Schutz der Wälder zur Kompensierung: ein gefährliches Bewältigung der Klimakrise zu verlassen, denn Wälder Ablenkungsmanöver können abbrennen. Außerdem stoppt die Verlangsamung Das Kyoto-Protokoll war made in the USA. Nach seiner Ver- der Abholzung durch den Schutz eines Waldgebiets nicht einbarung auf der COP3 erklärte der damalige US-Präsident die Leckage, da die Waldzerstörer, z. B. Palmölkonzerne, Bill Clinton, dass dieser Erfolg „das Engagement der USA wi- die Waldzerstörung dann anderswo fortsetzen. Drittens derspiegelt, die Instrumente des freien Marktes zu nutzen, um lehnte Brasilien den internationalen Kohlenstoffhandel ab, dieses Problem zu bewältigen. Wir haben bekommen, was wir damit reiche Länder künftige Entwicklungsmöglichkeiten wollten: die gemeinsame Umsetzung, den Emissionshandel im Amazonas-Regenwald nicht einschränken könnten. und einen marktorientierten Ansatz.“ 2 Vor der Klimakonfe- Im Jahr 2005 wurde die Idee, die Emissionen aus renz von Kyoto wollte die EU die Treibhausgasemissionen bis der Abholzung zu reduzieren, von den Regierungen von 2010 um 15 % senken und eine Emissionssteuer einführen. Papua-Neuguinea und Costa Rica erneut in die UN-Kli- Al Gore, Hauptverhandlungsführer für die USA in Kyoto, maverhandlungen eingebracht. Zwei Jahre später in Bali und sein Verhandlungsteam, drückten das Ziel der EU für startete die Weltbank ihre Forest Carbon Partnership Faci- die Emissionsminderung auf 5,2 %. Und sie argumentierten, lity (FCPF). Ihr ultimatives Ziel sei es, „einen Waldkohlen- dass es den reichen Ländern erlaubt sein sollte, ihre Minde- stoffmarkt in Gang zu bringen“, verkündete die Bank. Um rungsleistungen von anderen Ländern zu kaufen. nicht außen vor zu sein, riefen drei UN-Organisationen (die Das US-Team drückte somit das gigantische Schlupf- Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, das loch für den Kohlenstoffhandel in das Kyoto-Protokoll. UN-Entwicklungsprogramm UNDP und das UN-Umwelt- Dieses Schlupfloch ermöglichte es z. B. Russland über den programm UNEP) das UN-REDD-Programm ins Leben. Joint Implementation Mechanismus riesige Mengen „heißer Und Norwegen sprang mit NICFI (Norway‘s Interna- Luft“ zu verkaufen. Das Land konnte dies tun, weil seine tional Climate and Forest Initiative) auf den Zug auf. Der Emissionen drastisch zurückgegangen waren, als seine In- damalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg dustrie nach der Auflösung der UdSSR zusammenbrach. kündigte an, dass Norwegen jährlich 500 Millionen US- Gleichzeitig ermöglichte der Mechanismus für umweltver- Dollar bereitstellen werde, um die Abholzung in den Ent- trägliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, wicklungsländern zu verhindern. Es folgten jahrelange Ver- CDM) Fabriken in Indien und China, durch den Verkauf handlungen auf UN-Ebene, die zum Warschauer Rahmen von Emissionsgutschriften aus der Unschädlichmachung für REDD-plus führten, der auf der COP19 angenommen von HFC-23-Treibhausgasen Milliarden von Dollar zu ver- wurde. dienen. Ohne den CDM wären diese Gase nie hergestellt 14 Jahren nach der COP in Bali kann keine dieser In- worden. 3 Ebenfalls führten CDM-Projekte zu schwerwie- itiativen einen einzigen Hektar vermiedener Entwaldung genden Menschenrechtsverletzungen: Dazu gehören unter als Ergebnis der Milliarden von Dollar vorweisen, die für vielen anderen hochproblematischen CDM-Projekten der REDD ausgegeben wurden. Zwar argumentiert Norwe- Alto-Maipo-Wasserkraftdamm in Chile, die Mülldeponie gen, dass die Verringerung der Entwaldung in Brasilien Bisasar Road in Südafrika, das Aguan-Biogasprojekt in von 2004 bis 2012 irgendwie ein Ergebnis von REDD war, Honduras und die industriellen Baumplantagen von Green aber die überwiegende Mehrheit der Verringerungen fand Resources in Uganda. statt, bevor irgendwelche REDD-Zahlungen an Brasilien Ein Bericht des Öko-Instituts aus dem Jahr 2016 kommt geleistet wurden. Die erste Zahlung erfolgte im Jahr 2009. zu dem Schluss, dass 85 % der in dieser Analyse erfassten Seit 2012 hat die Entwaldung in Brasilien zugenommen, Forum Umwelt & Entwicklung – Rundbrief 3/ 2021 25
und in den zwei Jahren unter Präsident Jair Bolsonaro hat sich das Problem weiter verschärft. Die Ärmsten der Armen zahlen für REDD Wenn REDD-Projekte durchgeführt wurden, geschah dies viel zu oft auf Kosten der ärmsten Gemeinschaften der Welt. In Kambodscha ist es dem REDD-Projekt Oddar Meanchey nicht gelungen, die Entwaldung zu stoppen, und auch die lokalen Gemeinden haben nicht davon profitiert. Einem Be- richt der Rights and Resources Initiative zufolge besteht die Gefahr, dass REDD den Lebensunterhalt der Menschen in der Provinz Mai Ndombe (Demokratischen Republik Kon- go), in der ein massives REDD-Programm der Weltbank geplant ist, beeinträchtigt. Geld für REDD in Mai Ndombe zu investieren, würde den Landkonflikt nur verschärfen, heißt es in dem Bericht. Die weit verbreitete Korruption und die schlechte Regierungsführung machen die Sache nur noch schlimmer. In Tansania stellten die norwegischen Wissenschaftler Hanne Svarstad und Tor A. Benjaminsen fest, dass das von Norwegen finanzierte Kondoa Irangi REDD-Projekt zu Be- lastungen für DorfbewohnerInnen geführt hat. Besonders Menschen, die in der Nähe des Waldes leben und kaum oder keinen Zugang zu anderen Waldgebieten haben und Dorf- bewohnerInnen mit kleinen Höfen oder ohne Ackerland waren stärker betroffen. Ebenfalls waren Frauen stärker und es gab deutliche Hinweise darauf, dass REDD seine betroffen als Männer, vor allem weil sie daran gehindert sozialen und ökologischen Ziele nicht erreicht. Die AutorIn- wurden, Brennholz zum Kochen zu sammeln. nen berichten, dass die ersten REDD+-Projekte vor großen Ein Bericht aus dem Jahr 2019 6, der sich mit „tatsäch- Problemen stehen: Neben der schwachen Durchsetzung der lich existierenden“ REDD-Projekten befasste, stellte eine nationalen Wald- und Landgesetze und Konflikten um Ei- Reihe von Problemen fest. Lokale Gemeinschaften waren gentumsrechte führte auch der mangelnde Schutz vor staat- „verwirrt“ über REDD, Einnahmen wurden nicht erzielt, licher Gewalt zu einer begrenzten Wirksamkeit. Aneta Pawlik/Unsplash 26 Schwerpunkt
Fossile Brennstoffe können nicht kohlenstoffneutral sein, und die Behauptung, die Emissionen seien durch den Kauf von Emissionsgutschriften ausgeglichen worden, ist reine Augenwischerei. Zu groß zum Scheitern? Trotz all dieser gut dokumentierten Probleme war REDD 1 https://www.theguardian.com/environment/2021/sep/28/blah- zu groß für die Regierungen, die Milliarden für REDD aus- greta-thunberg-leaders-climate-crisis-co2-emissions gegeben hatten, um ein Scheitern einzugestehen. Als Not- 2 https://redd-monitor.org/2013/09/10/hot-air-and-carbon- lösung diente eine Reihe von Umbenennungen: Natürliche crooks-the-reality-of-carbon-trading/ Klimalösungen (Natural climate solutions), Netto-Null, die 3 http://www.klimaretter.info/umwelt/hintergrund/6770- LEAF-Koalition (Lowering Emissions by Accelerating Fo- weltbank-ethischer-bankrott-mit-hfc-23 rest Finance) und die grüne Gigatonnen-Herausforderung. Diese Umbenennungen haben zwei Dinge gemeinsam: 4 https://ec.europa.eu/clima/system/files/2017-04/clean_dev_ Erstens sind sie alle Mechanismen für den Emissionshandel. mechanism_en.pdf Zweitens sind sie bei den großen UmweltverschmutzerIn- 5 https://redd-monitor.org/2020/10/22/interview-with-larry- nen sehr beliebt, weil sie es ihnen ermöglichen, so weiterzu- lohmann-the-corner-house-carbon-markets-do-not-need-to-be- machen wie bisher. Eine Reihe von Öl- und Gaskonzernen, fixed-they-need-to-be-eliminated/ darunter Shell, BP, Total, Gazprom, Eni, Petronas, Petro- 6 https://www.environmentandsociety.org/mml/learning-actually- China und Occidental, haben kürzlich Lieferungen von existing-redd-synthesis-ethnographic-findings „kohlenstoffneutralem“ Flüssigerdgas angekündigt. Fossile Brennstoffe können natürlich nicht kohlenstoff- neutral sein, und die Behauptung, die Emissionen seien durch den Kauf von Emissionsgutschriften ausgeglichen worden, ist reine Augenwischerei. Klimaschwindel wie REDD und natürliche Klimalösungen existieren genau zu diesem Zweck. Sie ermöglichen es der fossilen Brennstoff- industrie, sich selbst grün zu waschen. Chris Lang Der Autor ist ein Umweltaktivist mit einem MSc in Forst- und Landnutzung von der Universität Oxford. Seit 2008 betreibt er die Website REDD-Monitor.org. Aus dem Englischen von Ramona Bruck. Forum Umwelt & Entwicklung – Rundbrief 3/ 2021 27
RUNDBRIEF Forum Umwelt und Entwicklung 3/2021 ÜBERNUTZTE WÄLDER UNSER WIDERSPRÜCHLICHES VERHÄLTNIS ZUM WALD WEGWERFPRODUKT HOLZ BIO-KAPITALISMUS GRENZENLOSER KONSUM HOLZ ALS NEUE KOHLE? Von falschen Klima- Warum Europa Wälder Wie der Papierhunger Wie die Menschheit Wälder zerstört versprechen & Bioökonomie Wälder ins Burnout treibt aus aller Welt verfeuert als Brandbeschleuniger › Seite 28 › Seite 14 › Seite 7 › Seite 2 ISSN 186 4-0 982
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