Accurate Positioning by Low Frequency (ALF)
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Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) Eine Chronologie und Reminiszenz zu Entwicklung und Betrieb des ersten Johannes Dittrich, flächendeckenden DGPS-/RTCM-Rund- Elke Kühmstedt strahldienstes in Deutschland rection“ und einer „range rate correction“. Erstere gibt die Seit März 1996 bietet das Bundesamt für Kar- Differenz zwischen der berechneten und der gemessenen tographie und Geodäsie in Kooperation mit der Entfernung zum Satelliten an. Die „range rate correction“ Deutschen Telekom AG auf Langwelle den Real ist ein Maß für deren Änderung mit der Zeit. Alle Fehler- Time DGPS-Service „Accurate Positioning by einflüsse, die am Satelliten entstehen – einschließlich „Se- Low Frequency“ (ALF) an. ALF ermöglicht lective Availability“ (SA) – werden in den Korrekturdaten Positionierungen im Meterbereich. Der Dienst erfasst und so bei der DGPS-Messung berücksichtigt. stellt für viele Nutzer (zeitweise bis zu 3000) einen Ebenfalls erfasst und bei der Positionsbestimmung mit DGPS weitgehend eliminiert werden atmosphärische Feh- wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Er hat sich u. a. lereinflüsse, von denen die der Ionosphäre die größten Be- als Basistechnologie für weitere Entwicklungen träge erreichen. Sie sind über große Flächen korreliert, bewährt. d. h. sie haben über große Flächen etwa die gleiche Grö- ßenordnung. Die meisten GPS-Empfänger übernehmen während der Messung die Korrekturdaten im RTCM-For- 1 DGPS – Hintergrund, Status mat direkt über die RS-232-Schnittstelle, verarbeiten sie gemeinsam mit den empfangenen Satellitensignalen und Anfang der 90er Jahre hielt in immer größerem Maße das ermitteln verbesserte Positionen. vom US Department of Defense (DoD) betriebene Satel- Da eine Alterung der Korrekturdaten Genauigkeitsver- litennavigationssystem „Navigation Satellite Timing And luste verursacht, ist es eine der wichtigsten Aufgaben, Ranging Global Positioning System“ (NAVSTAR GPS) sie mit möglichst wenig Zeitverzögerung von der Refe- Einzug in die Bereiche Geodäsie und Navigation. renzstation zum Messpunkt zu übertragen. Vor allem differentielle Verfahren setzten sich wegen ih- Hausinterne Studien zeigen, dass sich die Langwelle (LW) res günstigen Fehlerbudgets durch. Militärisch motivierte besonders gut für die Telemetrie eignet, da sie sich als Bo- absichtliche Verfälschungen der Satellitensignale durch denwelle der jeweiligen Topographie anschmiegt, wenig das DoD verwehrten zivilen und kommerziellen Nutzern störanfällig ist und eine große Reichweite hat [1]. den Zugang zur realen Systemgenauigkeit. Durch syn- chrone Registrierungen der Messsignale auf mehreren Po- sitionen aber auch durch Techniken zur Generierung und Übertragung von Korrekturdaten können diese Verfäl- 2 Potentielle Anwendungsgebiete schungen und eine Anzahl weiterer Fehlereinflüsse elimi- von Langwellen-DGPS niert werden. Vor diesem Hintergrund begann im Herbst 1992 die Arbeit Navigationsaufgaben zu Land, wie z. B. Flottenmanage- am Pilotprojekt zur bundesweiten Ausstrahlung von ment, Verkehrsleitsysteme, Positionierung von Sonder- DGPS-/RTCM-Korrekturdaten. Das Verfahren war zwar fahrzeugen, Taxis und Werttransporten; bekannt, praktikable Umsetzungen befanden sich jedoch Schiffsführung in küstennahen und Binnengewässern, in noch im Anfangsstadium. Die Messungen basieren auf Hafenanlagen und auf Flüssen; dem C/A-Code (C/A – „Clear Acquistion“, auch „Clear Flugnavigation, insbesondere Landeanflug; Access“ oder „Coarse Access“), so dass das Genauigkeits- Navigation in der Landwirtschaft zur Führung von level im Meterbereich liegt. landwirtschaftlichen Maschinen, gezielte Ortung von Auf einer hinreichend genau eingemessenen Referenzpo- Ernteerträgen bzw. Ausbringen von ertragsabhängigen sition generiert die Firmware eines GPS-Empfängers Kor- Düngergaben; rekturdaten im Format RTCM SC-104 (Radio Technical Navigation in der Bauwirtschaft und im Braunkohlentage- Commission for Maritime Service, Special Committee bau; 104), Version 2.0, die an einer RS-232 Schnittstelle abge- Navigation im Bereich der Sicherheitsdienste, wie Polizei, griffen werden. Sie bestehen aus einer „pseudorange cor- Feuerwehr, Rettungs- und Hilfsdienste; AVN 3/2005 93
Johannes Dittrich, Elke Kühmstedt – Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) Positionierungen in geodätischen und kartographischen Für die letzten 3 Tage des Experiments dienten die Koor- Bereichen, z. B. Schaffung und Laufendhaltung von topo- dinaten der DREF-Punkte „Knüll“, „Bischofsrode“ und graphischen Karten und von Geoinformationssystemen „Fuchsberg“, deren Entfernung von Mainflingen (GIS), Einmessung von Kabeln und Rohren; 110 km, 250 km und 330 km betrug, als Vergleichswerte. Anwendungen im Umweltschutz und bei Forschungsauf- Die mit DGPS ermittelten Koordinaten wichen von denen gaben; der DREF-Punkte nur 1 m – 2 m in Lage und Höhe ab. Aufgaben im militärischen Bereich; Dieses Ergebnis übertraf unsere Erwartungen und gab An- Nutzung im Bereich Tourismus und Expedition. lass zu weiteren Untersuchungen. 3 Erste Experimente und Messungen, 4 Großexperiment Dezember 1993 1992 – 1994 Wegen der hohen Kosten für die Bereitstellung des Sen- In der Außenstelle Potsdam des damaligen Instituts für ders ( 300 DM/Std.) wurde das Großexperiment im De- Angewandte Geodäsie (IfAG), später Bundesamt für Kar- zember 1993 gemeinsam mit Partnern anderer Einrichtun- tographie und Geodäsie (BKG), wurden erste praktische gen durchgeführt, so dass in der Zeiteinheit eine große DGPS-Experimente mit 2 GPS-Empfängern TRIMBLE Anzahl von Messungen anfiel. 4000 SSE in einem Versuchsfeld von 5 koordinatenmäßig Ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärten die LVA Bran- bekannten Punkten durchgeführt. Die Übergabe der Kor- denburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vor- rekturdaten erfolgte über Direktverbindungen. Die Ab- pommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, das weichungen der mit DGPS gemessenen Distanzen vom IfAG – heute BKG –, seine Außenstellen Leipzig, Wett- Sollwert betrugen bei Entfernungen von 50 m maximal zell und Potsdam, das Amt für Militärisches Geowesen 40 cm. Ein Versuch über eine große Entfernung sollte Euskirchen und „Aerodata“ Braunschweig. Die Organisa- diese Ergebnisse bestätigen. tion lag beim IfAG, Außenstelle Potsdam. Vom Forschungs- und Entwicklungszentrum der Deut- Wegen Verzögerungen bei der Herstellung von LW-Emp- schen Telekom AG (DTAG) Berlin erhielten wir die Li- fängern im DeTeWe Funkwerk Köpenick GmbH mussten zenz für die zeitweilige Nutzung des Langwellen-Senders LW-Empfänger der Fa. Meinberg, Bad Pyrmont, verwendet 140,3 kHz, (50 kW, F1-Modulation, „Frequency Shift werden. Sie hatten keine Quarzstabilisierung und waren Keying“ – FSK, Frequenzhub 150 Hz) an der Sende- folglich wenig selektiv aber extrem richtungsabhängig – funkstelle Mainflingen bei Frankfurt/Main. Für den Funk- eine „Notlösung“. Die DGPS-Positionen von 45 DREF- empfang stand ein Langwellenempfänger EKD 700 zur Punkten wurden erfasst, z. T. mehrfach, jeweils etwa 30 Mi- Verfügung. nuten (600 Messungen). Nach 5 Tagen (6. – 10.12.1993) la- Die Untersuchungen fanden in der Nähe der Sendestation gen mehr als 100 000 Einzelmessungen vor [2]. Mainflingen statt. Den prinzipiellen Aufbau von Refe- Die ausreichende Verfügbarkeit der DGPS-Korrekturda- renz- und Mobilstation zeigt Abb. 1. ten, auch in Städten wurde von „Aerodata“, Braunschweig Über den Langwellensender wird für jeden sichtbaren Sa- nachgewiesen, ebenso die Möglichkeit ihrer Nutzung auf telliten alle 3 s ein kompletter Korrekturdatensatz ausge- dynamischen Plattformen und an Bord eines Forschungs- strahlt. flugzeuges. Im Juli 1993 wurden auf der DREF-Station Hösbach, etwa Nach der umfassenden Analyse aller 1993 vorliegenden 15 km von der Sendestation Mainflingen entfernt, DGPS- GPS-Messungen war klar geworden, dass DGPS über Positionen mehrfach bestimmt. Anschließend erfolgten Langwelle ein Verfahren ist, dass deutschlandweit für Testmessungen auf „freien“ Stationen bei Entfernungen Aufgaben der Navigation und Ortung eingesetzt werden von 5, 45 und 60 km. Die Resultate waren reproduzierbar kann. und zeigten Metergenauigkeit. Erste Abschätzungen erga- Das DeTeWe Funkwerk Köpenick GmbH arbeitete im ben eine „Ausfallrate“ von 0,2 %, d. h. nur jeder 500-ste Auftrag der Energieversorgung an der Entwicklung von Wert war unbrauchbar. LW-Empfängern (FSK, 140,3 kHz) für automatische Schaltungen. Wir partizipierten an dieser Entwicklung und im November 1994 standen mit einiger Verzögerung 5 quarzgesteuerte, hochempfindliche Festfrequenzemp- fänger zur Verfügung. Im Dezember 1994 wurden in Potsdam Low Cost GPS- Empfänger auf ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässig- keit untersucht. Der Pathfinder Pro XL, der Scoutmaster GPS (beide TRIMBLE) und der Magnavox 4200 D, auch der für nautische Aufgaben konzipierte Nav Trac XL, er- wiesen sich als leistungsfähige Geräte, deren Ergebnisse mit denen des Referenzempfängers TRIMBLE 4000 SSE im Rahmen der mit Code-Messungen erreichbaren Ge- nauigkeit übereinstimmten ( 2 m). Abb. 1: Prinzipieller Aufbau von Referenz- und Mobilsta- Im gleichen Zeitraum nutzte das Institut für Flugführung tion der TU Braunschweig im Rahmen einer länger andauern- 94 AVN 3/2005
Johannes Dittrich, Elke Kühmstedt – Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) den Zusammenarbeit die Korrekturdaten zur DGPS-Posi- über die Frequenz 140,3 kHz, um die Ergebnisse verglei- tionierung bei Flugnavigationsversuchen in der Nähe chen zu können. Für den LW-Empfang auf 123,7 kHz war von Straubing und im Altmühltal. Dabei wurden NovAtel zu dieser Zeit noch ein experimenteller Aufbau von Ge- Cards verwendet. Inertialvermessungssysteme (INS), die räten erforderlich (Allbandempfänger EKD 500, Demo- Positionsdaten mit einer Frequenz von 25 Hz abgaben, er- dulator, Antenne, Stromversorgung 220V). Die Referenz- möglichten die Flugführung. INS-Daten neigen zum „Weg- punkte (DREF) befanden sich in der Nähe der Grenzen der laufen“. Das konnte durch DGPS-Positionierungen vermie- BRD. Die DGPS-Positionen wichen bis max. 2 m von den den werden, da aller 3 s erneuerte, aktuelle Korrekturdaten Sollpositionen ab, wobei die benutze Frequenz / der be- DGPS-Positionen im Sinne einer „Referenz“ lieferten. nutzte Mode keinen Einfluss hatte [4]. Auf dem „International Symposium on Precision Ap- proach and Automatic Landing“ (ISPA 95) in Braun- schweig wurde die Blindlandung eines Flugzeuges nach 5 Teilnahme an der Internationalen oben beschriebenen Prinzip vorgeführt. Die Orientierung Funkausstellung (IFA) 1995 in Berlin erfolgte dabei in einem virtuell-digitalen Geländemodell, realisiert in einer Art Bildschirm im Gesichtsfeld des Pi- Die am Projekt Long Wave Real Time DGPS (LWR loten. Die Abweichung von der vorgegebenen Landeposi- TDGPS) beteiligten Mitarbeiter des IfAG/BKG und der tion betrug < 2 m [3]. DTAG stellten sich nach den erfolgreichen Testmessungen Durch die Publikation unserer Ergebnisse, vor allem unter (Mai/Juni 1995) das Ziel, LWRTDGPS auf der IFA 1995 in dem „Dach“ der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Berlin zu präsentieren. Die Technik zur Aufbereitung und Navigation (DGON), kam es in der Folge zu Anfragen und Übergabe der Korrekturdaten an den Sender in Mainflingen Kooperationsangeboten. Das Angebot der Energieversor- wurde weiter vervollkommnet. Ein zweiter GPS-Empfän- gung, die DGPS-Korrekturdaten neben anderen Daten ger, vorbereitet für die Generierung der Korrekturdaten, über ihren Langwellensender auszustrahlen, scheiterte stand zur Verfügung. In der Messehalle in Berlin war der am zu geringen Kapazitätsüberhang des Senders Empfang der LW-Signale wegen der großen Menge an (140,3 kHz). Elektro-Smoke nicht möglich. Der LW-Empfänger musste Im November 1994 erreichte uns eine Information des in geeigneter Weise außerhalb der Halle in Position ge- Projektteams „Zusatzdienste“ der Deutschen Telekom bracht werden. Der Datentransfer in die Halle erfolgte AG, Fernmeldeamt Dresden. Dieses Team prüfte Fragen mit einem Modem. Die GPS-Antenne war auf einem aus- der Modernisierung und effektiven Nutzung bzw. Mehr- fahrbaren Mast ( 25 m hoch) montiert. Sie überragte das fachnutzung der von der DTAG verwalteten Langwellen- Dach der Messehalle. Im Ergebnis konnte in der Halle „on- sender in Mainflingen. Es wurde u.a. ein neues Phasenmo- line“ die LWRTDGPS-Messung vorgeführt werden. dulationsverfahren (2 Phase Shift Keying Single Site Weit über 100 überwiegend geladene Besucher im nicht Band – 2 PSK SSB) entwickelt, das es erlaubt das Radio öffentlichen Teil der IFA äußerten ihr Interesse, sowohl Data Systems (RDS) auf Langwelle zu realisieren. Gleich- als potentielle Nutzer aber auch als Produzenten von zeitig konnte durch diese Entwicklungen die Datenüber- LW-Empfängern. Viele von ihnen bekamen später die tragungsrate erhöht werden. Das Projektteam „Zusatz- Möglichkeit, das Verfahren in unterschiedlichster Weise dienste“ der DTAG nahm mit dem damaligen Institut zu testen. für Angewandte Geodäsie (IfAG) Arbeitskontakte auf. Noch vor Beendigung der IFA 95 wurde die Telekomtoch- Später erwuchs daraus eine enge Zusammenarbeit auf ter Deutsche Textfunk GmbH, Darmstadt, (DeTex GmbH) dem Gebiet Long Wave Real Time DGPS, die in einem mit der Vermarktung von Long Wave Real Time DGPS „Memorandum of Understanding“ MoU festgeschrieben beauftragt. wurde (Nov, 1995 / Jan. 1997). Beide Partner verfolgten das Ziel, einen DGPS-Service mit einem Langwellensen- der in Mainflingen abzusichern. Im MoU ist die Aufga- benverteilung zwischen IfAG und DTAG festgelegt. 6 Testmessungen verschiedener Die Verantwortung für die geodätische Betreuung des Einrichtungen, Institutionen und Firmen künftigen DGPS-Service übernahm das IfAG. Die DTAG ist für die Aussendung der Signale, die Standardi- Nach der IFA 95 hatte die DeTex GmbH 30 Testpartner sierung der LW-Empfänger, die Vergabe von Lizenzen festgelegt, die jeweils für 4 – 8 Wochen einen LW-Empfän- und die Vermarktung zuständig. ger erhielten. Damit war die Bitte um Überlassung der Test- Bis etwa Mai 1995 wurde für alle DGPS-Messungen und ergebnisse und der Beantwortung eines Fragespiegels ver- Präsentationen der LW-Sender 140.3 kHz genutzt. Paral- bunden. Mehrere Testpartner, die bereits Erfahrung mit lel dazu wurden Vorbereitungen und Untersuchungen zur GPS und DGPS hatten, übergaben z. T. sehr fundierte Aus- Nutzung der Frequenz 123,7 kHz (2 PSK SSB, RDS) sagen über ihre Messungen und deren Bewertung. Stellver- durchgeführt. tretend für eine größere Anzahl von Testpartnern seien hier Die ersten hochempfindlichen LW-Empfänger, entwickelt genannt GEOsat GmbH, Amt für Militärisches Geowesen, vom Projektteam „Zusatzdienste“ der DTAG, baute die Institut für Flugführung der TU Braunschweig, Institut für Fa. Götting bei Hannover. Ein deutschlandweiter vier- Landtechnik der TU München, Communication Technolo- zehntägiger DGPS-Messeinsatz startete im Mai/Juni gy GmbH Altomünster. Die Bewertungen waren grund- 1995. Die Messungen erfolgten über die Frequenz sätzlich positiv und enthielten Hinweise für Verbesserun- 123,7 kHz und – wenn der Sender aktiviert war – auch gen. Von Bedeutung für die Gesamteinschätzung von AVN 3/2005 95
Johannes Dittrich, Elke Kühmstedt – Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) LWRTDGPS waren auch umfangreichen Messungen und Auswertungen der DeTex. Sie enthalten fundierte Aussa- gen über Verfügbarkeit und Reichweite. Der hohe Wert der Untersuchungen von GEOsat GmbH ist vor allem darin begründet, dass sowohl für statische als auch für dynamische Messungen eine „Referenz“ vorhan- den war. Die Ergebnisse der LWRTDGPS-Messungen wurden direkt mit denen von „carrier phase“ Messungen ( 10 cm) verglichen. Die Abhängigkeit der Genauigkeit von der Anzahl und der Konstellation der Satelliten wurde untersucht. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass 99,9 % der ausgeführten DGPS-Messungen Abweichun- gen < 5 m und 95 % Abweichungen < 2 m von der Refe- renz haben. Im mobilen Messungsmode traten in einigen Fällen größere Fehler auf. Sie wurden durch gestörten LW-Empfang, Mehrwegeempfang bei GPS, Effekte bei Abb. 2: Hauptkomponenten von „Accurate Positioning by Unterführungen und Reflexionen verursacht. Low Frequency“ (ALF) Sehr interessant waren die Untersuchungen des Instituts für Landtechnik der TU München. Dort standen die Kor- rekturdaten von 3 DGPS-Diensten als Referenz zur Ver- werden dann an der Monitorstation generiert und nach fügung, DCI über Bayern 5, RASANT über Bayern 3 und dem Transfer in Mainflingen eingespeist. IfAG/Telekom über LW Mainflingen. Beim Vergleich der Im März 1996 wurde der Produktname „Accurate Positio- Anzahl empfangener Korrekturdaten über die Zeit zeigte ning by Low Frequency“ – ALF – eingeführt. Damit war sich die hohe Leistungsfähigkeit der LW. gleichzeitig die Testphase von LWRTDGPS beendet. Das Marketing des „neuen“ DGPS-Dienstes ALF oblag bis Ende1997 der DeTex GmbH, danach der DTAG, t-Sy- 7 DGPS-Service „Accurate Positioning stems International GmbH. by Low Frequency“ – ALF Lizenznehmer zur Herstellung der LW-Empfänger sind u. a. die Two-Way-Communication GmbH Flensburg Die Impulse der IFA 95 förderten die weitere Entwicklung 2Wcom, die CT Communication Technology GmbH Wöll- und den weiteren Ausbau des Long Wave Real Time stadt, die FMN-Fernmeldetechnik GmbH Nordhausen. DGPS-Dienstes. Auch kombinierte Geräte GPS-/LW-Empfänger eroberten Die Aktivitäten des IfAG zielten auf die weitere Erhöhung den Markt, z. B. GPS- & GIS-Lösungen Philipsburg. der Datensicherheit, der Empfangsqualität, sowie der Sta- Die GEOsat GmbH Mühlheim an der Ruhr stellte mit dem bilität bei der Bereitstellung der Korrekturdaten und der GEOmeter 12 L und dem GEOmeter 24 neuartige, hand- zugehörigen Integritätsinformationen. GPS-Empfänger, liche Vermessungsgeräte vor, die als Basistechnologie Antennen und alle wichtigen funktionalen Geräte wurden DGPS nutzen. Sie sind für Messungen im Meterbereich gedoppelt. In der damaligen Außenstelle Potsdam des geeignet und bieten einfache Lösungen für die Herstel- IfAG wurde die Monitorstation ausgebaut, ebenfalls mit lung und Ergänzung topographischer und thematischer der erforderlichen Redundanz. Kartenwerke (GIS), Aufgaben in der Hydrologie, der Um- Eine umfangreiche Kontroll- und Steuersoftware ist für welt- und Landschaftsgestaltung. das Zusammenspiel von Referenz- und Monitorstation Das GEOmeter misst je nach Verfügbarkeit mit dem verantwortlich und überwacht somit das gesamte System. DGPS-Service ALF, mit Rasant, OmniSTAR oder Küs- Sie wurde von der Flensburger 2Wcom GmbH in enger tenfunk. Das GEOmeter 24 – eine Weiterentwicklung Zusammenarbeit mit dem IfAG/BKG, erstellt. Der Test, des GEOmeters 12 L – nutzt zusätzlich die Azimuth das „Einfahren“ und die Weiterentwicklung, verbunden Distance Correction ADCo. Es kann damit Submeterge- mit der Verbesserung des gesamten Systems, dauerte nauigkeit erreichen. ca. 2 Jahre (Abb. 2). In seiner ersten Form war das Gesamtsystem zu komplex aufgebaut. Es erfolgten z. B. zu viele Umschaltvorgänge 8 ALF ADCo (AZIMUTH DISTANCE CoRRECTION) zwischen den verschiedenen Einzelkomponenten. Diese große Zahl anstehender Schaltvorgänge führte mehrfach Publikationen über LWRTDGPS stießen auf großes Inter- zu Havarien. Deshalb war es erforderlich, das System esse, u. a. bei Wissenschaftlern der Technischen Univer- transparenter zu gestalten. Es wurde ein Hauptsystem sität Prag. Dort wurde ebenfalls an Varianten von Real und ein Reservesystem definiert, die beide völlig autark time DGPS gearbeitet, sowohl unter Nutzung von arbeiten, sich aber wechselseitig kontrollieren bzw. sich UKW-Sendern für Prag, als auch über den Langwellen- wechselseitig ersetzen können. Bei Wartungs- oder In- sender in Poděbrady, 50 km östlich von Prag, mit der standsetzungsarbeiten kann eines der beiden Systeme au- für die LW üblich großen Reichweite. Dieser Sender ist ßer Dienst genommen werden. Hinzu kommt noch ein veraltet und unrentabel, er wäre zu erneuern und zu ver- „Havariesystem“. Es wird aktiviert, wenn an der Sende- ändern gewesen. Da es im östlich der BRD gelegenen stelle kein GPS-Empfang möglich ist. Die Korrekturdaten Ausland nur wenige Nutzer von DGPS gibt, hatte die 96 AVN 3/2005
Johannes Dittrich, Elke Kühmstedt – Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) DTAG ein derartiges Projekt verworfen. Im Rahmen der Damit verringerte sich die Zahl der Interessenten an ALF. bilateralen Kontakte eröffnete sich aber die Möglichkeit, Die Zahl der verkauften LW-Empfänger, die bis Mai 2000 bei kurzzeitig erhöhter Sendeleistung des tschechischen etwa die Zahl 3000 erreichte, stieg langsamer. Senders Messreihen auf 4 DREF-Punkten in Mecklen- Durch den ALF-Service konnte neben atmosphärischen burg-Vorpommern aus Synchronmessungen zu erhalten, und einigen anderen Einflüssen SA eliminiert werden mit Korrekturdaten von Poděbrady über einen LW-Emp- und die Genauigkeiten der DGPS-Messungen im Mode, fänger aus Prag und dem ALF-System. Die Ergebnisse „stand alone“ von 50 m – 150 m verbesserten sich auf zeigten eine interessante Fehlerverteilung. Alle gemesse- 1 m – 5 m. Nach Wegfall von SA musste im Mode „stand nen Distanzen von der Referenzstation zum Messpunkt alone“ mit Fehlern bis max. 20 m gerechnet werden. Feh- waren zu groß. Die Hauptkomponente dieser Abweichung ler dieser Größenordnung treten aber nicht immer auf, so liegt in Richtung des Azimutes Referenzstation – Mess- dass viele Nutzer, die nicht zwingend hohe Genauigkeiten punkt, d. h. für ALF in Nord-Ost-Richtung und für Prag benötigten, den GPS-Mode „stand alone“ für ausreichend in Nord-West-Richtung. Diese eindeutig azimutale Ab- erachteten. Erfreulicherweise wurde gerade in dieser Zeit hängigkeit der gemessenen DGPS-Positionen war Anlass, der Wunsch laut, den ALF-Dienst als Basistechnologie für aus den zweidimensionalen Messfehlern (2D) die azimu- eine Reihe von Entwicklungen zu erhalten. Nicht zuletzt tale Komponente abzuspalten und der Entfernung zur Re- durch ALF/ADCo blieb der Service attraktiv, auch wenn ferenzstation gegenüberzustellen. Der Korrelationskoeffi- ADCo nur für einem kleinen Nutzerkreis interessant war. zient zwischen diesen beiden Größen erreicht þ 0.75 bzw. þ 0.78. Diese Größe des Korrelationskoeffizienten er- laubt die Berechnung einer Regressionsgeraden zur Kor- 10 Umsetzung der Monitorstation rektur der DGPS-Positionen. Der mit den korrigierten Messgrößen berechnete Korrelationskoeffizient betrug Die Monitorstation des ALF-Dienstes hat die Aufgabe der þ 0.40, d. h. die verbleibenden Fehler können als „zufäl- ständigen Kontrolle/Überwachung von ALF. Hier erfolgt lig“ eingeordnet werden. Die Restabweichungen der kor- die Bewertung der Qualität der gesendeten Korrekturda- rigierten Werte von den Sollwerten betrugen im allg. ten durch Vergleich der gemessenen Positionen mit den 0.2 m bis 1,2 m (Abb. 3a, 3b) [5]. „Sollwerten“. Entsprechend den Abweichungen werden Dieses Korrekturverfahren, einschließlich seiner techni- die Farbsignale festgelegt. „GRÜN“ bedeutet: DGPS- schen Realisierung, wurde 1999 als Patent eingereicht. Messung ist mit einer Genauigkeit < 3 m zu erwarten. ADCo findet im Geometer 24 von GEOsat Anwendung. „GELB“ bedeutet: Die zu erwartende Genauigkeit beträgt < 5 m. „ROT“ bedeutet: Die Fehler der Messung sind > 5 m zu erwarten, darüber hinaus können keine Aussa- 9 Zur mittel- und langfristigen Entwicklung gen gemacht werden. Die jeweils festgesetzte Farbe wird des Global Positioning Systems nach Mainflingen übermittelt und gemeinsam mit den Korrekturdaten als Integritätsinformation gesendet. Bis Im Mai 1996 erklärte der Präsident der USA, dass die für Januar 2002 befand sich die Monitorstation in der Außen- nicht autorisierte Nutzer bestehende Verfälschung der stelle Potsdam des BKG, 350 km von der Referenzsta- GPS-Positionierungsgenauigkeit (Selective Availability tion entfernt. Im Zuge struktureller Veränderungen im SA) innerhalb von 10 Jahren aufgegeben wird. Im Mai BKG musste die Monitorstation im Februar 2002 in die 2000 wurde SA abgeschaltet. Außenstelle Leipzig des BKG umgesetzt werden. In der Abb. 3a) ,3b): Darstellung der 2D-Ablage (ohne Höhe) a) vor Anbringen und b) nach Anbringen der Azimuth Distance Correc- tion ADCo. AVN 3/2005 97
Johannes Dittrich, Elke Kühmstedt – Accurate Positioning by Low Frequency (ALF) Phase der Umsetzung der Monitorstation gab es keine Ausfälle des Dienstes. Durch einige technische Eingriffe Zusammenfassung konnte die Arbeit der Monitorstation in Leipzig auf ho- 1992/93 begannen im damaligen Institut für hem Niveau und mit großer Stabilität abgesichert werden. Angewandte Geodäsie (IfAG) Untersuchungen zu Differential GPS. Ziel war es, in einer anspre- 11 Die aktuelle Entwicklung des ALF-Dienstes chenden Form DGPS für die Bedürfnisse von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik nutzbar zu Nach der Abschaltung von SA ist der Markt für ALF klei- machen. Erfolgreiche, viel beachtete Testmes- ner geworden. Die Telekomtochter t-Systems Internatio- sungen waren der Anstoß zu einer langjährigen nal GmbH informierte darüber, dass die betriebswirt- fruchbaren Zusammenarbeit mit der Deutschen schaftliche Situation für den ALF-Dienst sich so ver- Telekom AG (DTAG). So konnte bereits zur In- schlechtert hat, dass ALF nicht mehr kostendeckend be- trieben werden kann. T-Systems International GmbH un- ternationalen Funkausstellung IFA 95 ein für terrichtete daraufhin die ALF-Lizenznehmer, und das Mitteleuropa flächendeckendes Langwellen Real BKG von der Absicht, den Sender Ende 2005 abzuschal- Time DGPS-System für Messungen mit Meter- ten. genauigkeit vorgestellt werden. Die Zahl der Das BKG empfiehlt den ALF-Kunden den EUREF Ntrip- Nutzer bewegt sich um die 3000. Seit 1996 heißt Broadcaster zu nutzen (Internet). dieses System Accurate Positioning by Low Ntrip (Networked Transport of RTCM via Internet Pro- Frequency (ALF). In diesem Paper werden die tocol) ist ein von der Universität Dortmund und dem Entwicklung und die Funktion von ALF darge- BKG entwickeltes Kommunikationsformat. Als eine weitere Alternative gilt EGNOS (European Geo- stellt. Die Verbesserung durch die Azimuth Di- stationary Navigation Overlay Service), dass sich aber stance Correction (ADCo), der Wegfall von Se- noch im Ausbau befindet. lective Availability (SA), die Umsetzung der Monitorstation von Potsdam nach Leipzig und Literatur die aktuelle Entwicklung sind weitere Schwer- punkte. [1] KOLB, W.: Vergleich der Eignung von Langwellen und Ultrakurzwellen zum Betrieb eines DGPS-Positions- dienstes (Studie, IfAG-intern, 1995). Abstract [2] DITTRICH, J., KüHMSTEDT, E., LECHNER, W.: Untersuchun- In 1992/93 the former Institute of Applied Geo- gen zur bundesweiten Ausstrahlung von DGPS-Korrek- turdaten für Echtzeitanwendungen – Ergebnisse, desy (IfAG) started investigations on “Differen- Schlussfolgerungen, weitere Vorhaben. In: DGON Semi- tial GPS”. It was intended to find a practicable nar SATNAV 94 (Tagungsband). way for using DGPS in economy, science, and [3] SACHS, G., DITTRICH, J., DIEROFF, M.: Long Range Diffe- technology. Experimental measurements using rential Correction Transmission for Airborne GNSS- long waves for telemetry showed that Low Fre- based Guidance Systems. ION National Technical Meeting, „Technology and Operations: Partnership for quency Real Time DGPS cover an area larger Success in Navigation“, Santa Monica, Jan. 1996. than Germany. The success of this experiments [4] DITTRICH, J., KÜHMSTEDT, E., ANDRESS, R.-P.: Langwellen- was the reason for a cooperation offer by the Real-Time-Differential-GPS zur Lösung von Navigati- German Telecom (DTAG). Both institutions, ons- und Ortungsaufgaben. In: DGON Seminar SATNAV IfAG, later called BKG (Federal Office for 95 (Tagungsband). [5] DITTRICH, J., KÜHMSTEDT, E.: A higher DGPS-accuracy by Cartography and Geodesy), and DTAG, pre- means of a new correction (The Azimuth Distance sented this system at the fair “Internationale Correction ADCo). In: DGON-Symposium ETT99/SAT- Funkausstellung” IFA 95 at Berlin. On this basis NAV 99 (Tagungsband). the service “Accurate Positioning by Low Fre- quency” (ALF) was initiated in 1996. It can solve Autoren: all measurement problems that require a position Dr.-Ing. JOHANNES DITTRICH, accuracy of 1 to 3 meters online. The number of Dipl.-Phys. ELKE KÜHMSTEDT, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, ist users is now almost 3000. Außenstelle Leipzig The topics of this paper are the development and functionality of ALF, the improvement of the Anschriften: position accuracy through “Azimuth Distance Dr.-Ing. JOHANNES DITTRICH, Correction” (ADCo), the turning off of “Selective Dipl.-Ing. für Geodäsie, Availability” (SA), changing the position of the Rosa-Luxemburg-Straße 17a, 14482 Potsdam monitoring station from Potsdam to Leipzig, and Dipl.-Phys. ELKE KÜHMSTEDT, some remarks on current problems. Am Wiesenbach 20, 07751 Jena 98 AVN 3/2005
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