AKADEMIE DER BILDENDEN KÜNSTE WIEN - Sanierung und Restaurierung des Theophil-Hansen-Baus am Schillerplatz
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EIN PROJEKT DER BIG Die spektakulärste Entdeckung machten wir bei der Restaurierung des Anatomiesaals. AKADEMIE DER BILDENDEN KÜNSTE WIEN Sanierung und Restaurierung des Theophil-Hansen-Baus am Schillerplatz BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 3 02.06.2021 11:58:23
2 Die aufwendig renovierte Akademie der bil- Es ist ein denkwürdiger Moment: Die Akademie Der Theophil-Hansen-Bau am Schillerplatz ist denden Künste am Schillerplatz in Wien zählt der bildenden Künste am Schillerplatz ist nach ein starkes Statement für die Kunst. Welche zu den baulich attraktivsten Universitäten aufwendiger Sanierung eindrucksvoll zurück- Kunstakademie der Welt darf in einem sol- Österreichs. Mit gutem Grund investiert das gekehrt. chen Palast residieren? Wer hat so eine detail- Ministerium kontinuierlich und beträchtliche reich gestaltete Bibliothek, eine so prunkvolle Summen in den Neubau und in die Sanierung Gerade zum Zeitpunkt der Öffnungen im Kultur- Aula oder im Original erhaltene, historische von Universitätsgebäuden, denn die baulichen bereich wieder in neuem Glanz zu erstrahlen, Vortragssäle? Gegebenheiten sind einer der Schlüsselfaktoren ist ein besonders schönes Zeichen des Aufbruchs. für langfristige Erfolge im Hochschulbereich. Es markiert den freudigen Beginn, die kom- Die Akademie zieht nach der Sanierung durch Forschen und Studieren in einem funktionellen menden Aufgaben mit voller Kraft und im die BIG, die dankenswerterweise vom ehe- und attraktiven Ambiente ist das, was erreicht Interesse der kommenden Künstlerinnen- und maligen Rektor Stephan Schmidt-Wulffen in werden soll. Künstler-Generation anzugehen. die Wege geleitet und von Rektorin Eva Blim- linger in den ersten Jahren der Umsetzung Das Bundesministerium für Bildung, Wissen- Was mich besonders freut, ist, dass dieses wesentlich begleitet wurde, zurück in diesen schaft und Forschung hat einen Anteil in der Vorhaben exemplarisch für eine denkmal- prachtvollen Bau. Seine besondere Lage zwischen Höhe von mehr als 38 Mio. Euro für die Finan- pflegerisch höchstwertige, nachhaltige und Secession und MuseumsQuartier garantiert ihm zierung des Bauprojektes bereitgestellt. Dieses zeitgemäße Adaptierung steht. Das war nur einen prominenten Platz in der Wiener Kunst- Geld ist gut investiert: Der Effekt ist eine Quali- dank der engen Abstimmung zwischen der und Kulturlandschaft und ein hohes Maß an tätsverbesserung in allen Bereichen des laufen- BIG als Bauherrin, der Akademie als Nutzerin Sichtbarkeit. Zugleich ist die Rahmenerzäh- den Universitätsbetriebes. Konkret heißt das: und dem Bundesdenkmalamt möglich. lung, die in den Bau eingelassen ist, die helle- vollständige Umsetzung des Behindertengleich- nistische Architektur und der demonstrative stellungsgesetzes, Senkung des allgemeinen Nicht zu vergessen sind selbstverständlich auch Verweis auf Schiller, auch eine Herausforde- Energieverbrauchs und Schaffung zusätzlicher die herausragenden Leistungen der Handwer- rung. Büroflächen. Gleichzeitig wurden die denkmal- kerinnen und Handwerker sowie der Restaura- geschützten Teile des historischen Theophil- torinnen und Restauratoren. Wie kann sich die Gegenwartskunst zur huma- Hansen-Baus saniert und funktionell erneuert. nistischen Tradition verhalten? Die Metrik Ich danke daher allen, die an diesem Erfolg der idealisierten Körper und die Fiktion der Abschließend darf ich allen Studierenden, Leh- Anteil haben, für ihr Engagement und ihr be- nationalkulturellen Identität haben sich als renden und Mitarbeitenden der Akademie der harrliches Bemühen, dieses Bauvorhaben gut Bezugsgrößen für die Gegenwartskunst über- bildenden Künste Wien eine gelungene Rückkehr abzuschließen. holt, bieten aber auch eine Möglichkeit zur an ihre Universität am Schillerplatz wünschen ständigen Auseinandersetzung. Der ehrwür- und der Bundesimmobiliengesellschaft für die Ich wünsche dem gesamten Team unter Rektor dige Bau am Schillerplatz flößt Respekt ein, den professionelle Abwicklung des Bauvorhabens Johan F. Hartle eine gelungene Fortschreibung wir als Anreiz zur kritischen und kreativen Aus- danken! der Erfolgsgeschichte der Bildenden! einandersetzung nutzen. Heinz Faßmann Andrea Mayer Johan F. Hartle Bundesminister für Bildung, Kunst- und Rektor der Akademie Wissenschaft und Forschung Kulturstaatssekretärin der bildenden Künste Wien BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 2 02.06.2021 11:58:28
3 Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir vor dreieinhalb Jahren damit begonnen haben, die Heute erstrahlt das Haus am Schillerplatz wieder im origina- Akademie der bildenden Künste zu sanieren – diesen groß- len Glanz und hat auch das eine oder andere neue Element artigen, von Theophil Hansen für die Kunstuniversität als bekommen. Das bedeutendste ist ein 520 m² großes, unterirdi- Gesamtkunstwerk konzipierten Prunkbau am Wiener Schil- sches Depot, das Platz für das komplette Kupferstichkabinett lerplatz –, sollten die Arbeiten bis Herbst 2020 abgeschlossen der Akademie schafft. Zum ersten Mal kann die wertvolle sein. Sammlung geschlossen im Haupthaus untergebracht werden. Wir waren darauf vorbereitet, dass bei der Sanierung eines Dass das historische Akademiegebäude wieder zu einem 150 Jahre alten und fast 20.000 m² großen Gebäudes die modernen Kunstuni-Standort werden konnte, ist dem außer- eine oder andere Überraschung auftauchen wird. Als wir gewöhnlichen Engagement aller Akteure geschuldet. Ich be- entdeckten, dass ursprünglich fast alle Wände bemalt waren danke mich beim Wissenschaftsministerium, bei der Akademie und wir die Malerei zum Teil wiederherstellen können, waren der bildenden Künste Wien und beim Bundesdenkmalamt wir begeistert. Ein Beispiel dafür ist der Anatomiesaal, der für die großartige Zusammenarbeit. uns wie ein roter Faden durch diese Broschüre leiten wird. Das Auffinden eines großen Wasserschadens im Hauptstiegen- Gemeinsam wurde eine wichtige Institution in der Kunst- haus, der die Substanz und die Malerei gefährdete, hat uns und Kulturhauptstadt Wien baulich fit für die Zukunft weniger gefreut. Zusätzlich hat uns die Pandemie gerade in gemacht. der Intensivphase der Restaurierungsarbeiten getroffen. Insgesamt haben über 30 Gewerke auf der Baustelle zusam- Viel Vergnügen beim Durchblättern! mengearbeitet. Viele davon waren auf Restaurierungsarbeiten spezialisiert. Der Schlüssel zum Erfolg war das ständige ver- Hans-Peter Weiss antwortungsvolle Abwägen, wie Denkmalschutz, Barriere- freiheit und Baunormen zusammengehen. CEO der BIG BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 3 02.06.2021 11:58:34
4 Wo Titanen stürzen Ein Spaziergang von Christian Seiler Christian Seiler schreibt eine Es lohnt sich, aus verschiedenen Richtungen auf die Akademie Ich brauche ein bisschen, um die Details zu erfassen. Den wöchentliche Gehen-Kolumne der bildenden Künste zuzugehen. Aus dem Burggarten treten, geschliffenen Terrazzoboden. Die Wände und Säulen aus im Freizeit-Magazin des Kurier. Zuletzt erschien sein Buch ein paar Schritte entlang des Opernrings machen, dann in die (echtem?) Marmor, jede Maserung ein Einzelstück. Im Raum " Besser gehen in Wien. große Lücke des Robert-Stolz-Platzes vorstoßen. Im Vorder- steht ein Gerüst, das zu einer Ausstellung gehört. Auch in 89 Spaziergänge ins Innere der grund steht das fast zwanzig Meter hohe Schillerdenkmal. Zukunft wird der Raum für Veranstaltungen genutzt werden. schönsten Stadt der Welt". Dahinter offenbart sich die Front des Theophil-Hansen-Baus, Man hat extra die riesigen Türflügel neu angeschlagen, um breit, hoch und von monumentaler Eleganz. den entsprechenden Vorschriften zu genügen. Kommt man von der Seite durch die Nibelungengasse, Ich streiche jetzt durch die Gänge. Licht, Schatten, Farben, springt zuerst der nordwestliche Eckturm der Akademie ins Muster, eine ständige Verdichtung von Form und Schönheit. Auge. Er vermittelt etwas Strenges, fast Militärisches. Irgendwo an der Wand ein wildes Muster, das beim Ab- streichen überflüssiger Farben von Pinseln der Studierenden Nähert man sich dem Gebäude von der Secession kom- entstanden ist. Würde mir jemand sagen, Jackson Pollock mend, idealerweise auf dem grünen Zwickel zwischen den sei hier gewesen, ich würde es jedenfalls für möglich halten. Fahrbahnen, erfasst man intuitiv die vielschichtige Harmo- nie, mit der sich die Akademiefassade dem Getreidemarkt Im Anatomiesaal, der an ausgewählten Tagen besichtigt offenbart: die fein aufeinander abgestimmten Farben von werden darf, wurde unter weißer Farbe eine bunte Wandbe- Ziegeln und Verputz; die riesigen Fenster mit ihren fein- malung gefunden und freigelegt, so dass der ohnehin schon gliedrigen Sprossen und Verstrebungen, die so elegant ge- aus der Zeit gefallene Raum mit seinen runden, nach hinten fertigt sind, dass heutige Statik- und Sicherheitsvorschriften ansteigenden Sitzbänken wie eine Kunstinstallation aus der die Produktion gar nicht mehr zulassen würden. Renaissance wirkt. Ich umrunde das Haus, den Kopf weit im Nacken. Betrachte In der Bibliothek, unter der verschwenderisch gestalteten, die angedeuteten Terrakotta-Säulen, die vielgestaltigen aber nur vermeintlichen Holzkassettendecke, sitzt diese fast Figurinen, die Löwengesichter am Dachvorsprung. In der feierliche Ruhe, die nur in Bibliotheken wohnt. Holz, Parkett, Gauermanngasse bemerke ich am Gehsteigrand einen warme Farben, Konzentration. Im Nordwest-Turm ein spek- kleinen Buddha, der von Farbe bekleckert, aber gelassen wie takulärer, geschwungener Stiegenaufgang aus Stahl, skulp- immer, über die letzten Arbeiten am Hansen-Bau wacht. tural, massiv und neu. Es muss ein Abenteuer gewesen sein, ihn mit dem Kran hier hineinzuheben. Im Park vor der Akademie herrscht reger Betrieb. Studen- tinnen und Studenten der Akademie fertigen unter freiem In den Ateliers im obersten Stockwerk die Spuren künstle- Himmel Siebdrucke an. Durch den Haupteingang betrete ich rischen Alltags auf den Böden. Farben, Spritzer, Fantasie- die Akademie, grüße den Portier in seiner Loge und setze muster. Von den eingezogenen Galerien der Blick über den den ersten Schritt in die neoklassizistische Aula. Der Raum Schillerplatz, die siebdruckenden Studierenden, die mächti- hat die Aufgabe, zu beeindrucken, und ja, das gelingt. Tief gen Kronen der Kastanienbäume. Atem holen. Zuletzt steige ich hinauf in die Gemäldegalerie, diese in zartes, Eine Kolonne von Säulen hebt den Saal regelrecht in die indirektes Licht getauchten Säle, deren kleinster, mintgrün aus- Höhe. Durch die darüber platzierten Fensterreihen strömt gestaltet, das berühmte Weltgerichtstriptychon von Hiero- auf beiden Seiten Licht herein, geradezu verschwenderisch. nymus Bosch beherbergt. Auf dem monumentalen Deckengemälde Anselm Feuer- bachs, das nach der Renovierung in lauten Farben leuchtet, Hier öffnet sich eine virtuose Welt mitten in einer virtuosen stürzen die Titanen. Dass der Künstler dieses historische Drama Welt, und ich muss plötzlich an die beiden faustgroßen unter nicht minder dramatischen Umständen anfertigte, ist Klingeln denken, die im Innenhof der Akademie unter der eine der großartigen Geschichten, die unter der Oberfläche großen Uhr befestigt sind. Wie oft haben sie geläutet, wenn schlummern – ein Blick in Carsten Linckes Buch Der Titanen- gerade Großes gedacht, Ewiges bestaunt wurde? Zum Glück " sturz", und man weiß mehr. sind sie heute nicht in Betrieb. BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 4 02.06.2021 11:58:36
5 Fotografien von Helmut Wimmer. Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, Abteilung Film. Arbeiten im Bereich Film, Videoinstallation und Fotografie. Letzte Ausstellung: The Last Day" im Kunsthistorischen Museum Wien. " BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 5 02.06.2021 11:58:44
6 Operation: gelungen Nina Schedlmayer über die Sanierung und Restaurierung Im Zentrum des Bildes liegt ein Leichnam. Sein linker Arm Das Objekt, das in den vergangenen Jahren am Untersu- wurde aufgeschnitten und gibt sein Inneres preis. Ein Arzt chungstisch des Bundesdenkmalamts lag, war weitaus leben- hält mit einer Schere einen Muskel daraus empor. Sieben diger: Es handelte sich um das Gebäude der Akademie der weitere Männer blicken mit aufgerissenen Augen auf den bildenden Künste Wien am Schillerplatz. weißen Körper. 1632 malte Rembrandt seine Anatomie des " Dr. Tulp". Bereits 100 Jahre zuvor hatte Andreas Vesalius, Wie in Rembrandts Anatomie des Dr. Tulp" beschauten " ein flämischer Mediziner, die Obduktion revolutioniert. auch hier mehrere – sogar ziemlich viele – Personen den Erstmals erforschte er Körper Schicht für Schicht, Zentimeter Untersuchungsgegenstand, zusammengerufen von der BIG als für Zentimeter – anstatt wie seine Kollegen zuvor, ohne Rück- Bauherrin und Eigentümerin des Hauses. Auch sie erforschten sicht auf Verluste, direkt auf die jeweils zu untersuchenden das Gebäude Schicht für Schicht, Zentimeter für Zentimeter – Organe vorzustoßen. besonders den Anatomiesaal im Souterrain. Doch dazu später. BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 6 02.06.2021 11:58:49
7 Das Gebäude, 1872 bis 1877 nach Entwürfen des österrei- Wie in Rembrandts Anatomie des Dr. Tulp" analysierten Nina Schedlmayer ist " Kunstkritikerin in Wien chisch-dänischen Ringstraßenarchitekten Theophil Hansen viele Augenpaare das Gebäude noch vor kleineren oder grö- und Chefredakteurin des erbaut, imposante 17.800 m2, wuchs über die Jahre zu einem ßeren Eingriffen. Und es war erstaunlich, was dabei ans Kulturmagazins morgen". " Palimpsest. Es zeugt von Umbauten, Übermalungen, Ände- Licht kam: Malereien unter weißen Wänden, und zwar eine Kürzlich publizierte sie rungen, Einbauten und sonstigen Eingriffen seit der Entste- ganze Menge. Inschriften früherer Restauratorinnen und das Buch Art Biography. " Margot Pilz. Leben. Kunst." hungszeit. Restauratoren in der Aula. Alte Kabelschächte. Ein Raum, der völlig unscheinbar war, sich aufgrund von Notizen eines Bau- Wenn ein solches Haus saniert werden soll, dann muss man meisters aus Hansens Zeiten aber als Sitzungssaal entpuppte darüber erst einmal ganz genau Bescheid wissen. Was ent- und in dem prompt Engelchen an den Wänden auftauchten. stand wann? Was ist authentisch, original, also bauzeitlich", " wie die Fachleute es nennen? Was kam später dazu? An die- Eine der spektakulärsten Wiederentdeckungen machten die se Erkenntnisse ist eine Reihe von Entscheidungen geknüpft. Expertinnen und Experten an den Wänden des Anatomie- Und die sind, bei einem mit 70 Mio. Euro budgetierten und saals. Unter den weißen Wänden traten bei der Befundung überaus komplexen Vorhaben, mit Bedacht zu treffen. Von – Überraschung! – illusionistische Malereien zutage. Aller- Oktober 2017 bis Juni 2021 dauerte die Sanierung – fast so dings war nur noch wenig Originalmalerei vorhanden. Doch lang wie die Erbauung durch Theophil Hansen. Im Herbst die Farben hatten Schatten hinterlassen. Diese halfen, den 2021 kann die Akademie der bildenden Künste Wien das Objekt Zustand vor der Übermalung zu rekonstruieren. Nun laufen als dessen Nutzerin und Mieterin wieder in Betrieb nehmen. an vier Wänden Säulen und Balustraden um den Saal, er- weitern den Raum optisch. Sie sind nicht symmetrisch inner- Das Wichtigste ist, so viel wie möglich zu wissen oder aber halb der Felder eingepasst, sondern perspektivisch wiederge- " in Erfahrung zu bringen", sagt Katharina Roithmeier, die als geben, von einem Punkt in der Nähe des Pults aus gesehen. Expertin des Bundesdenkmalamts (BDA) mit dem Projekt betraut war. Roithmeier: Man bekommt mit so einem Ge- Ein Jahr lang tasteten sich die Fachleute an die Lösung heran. " bäude ja nicht den ursprünglichen, sondern den gewachsenen Wie der Anatomiesaal wurden fast alle Räume befundet – Zustand überliefert." und überall stieß man auf Wandmalereien. Die Anatomie des Dr. Tulp" ist ein " Am Anfang einer derart umfangreichen Sanierung steht die Doch an vielen Orten blieben diese von weißer Wandfarbe Gemälde des niederländischen Malers Rembrandt. Das 1632 sorgfältige Befundung: Schicht für Schicht, Zentimeter für bedeckt: zu teuer und langwierig wäre eine komplette Wieder- fertiggestellte Werk hängt heute Zentimeter. herstellung gewesen. Nicht überall lassen sich Malereien, im Mauritshuis in Den Haag. Source/Photographer: Mauritshuis online catalogue BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 7 02.06.2021 11:58:54
8 die überpinselt wurden, freilegen: Wenn sich die Farbschichten errichten möchte, dann werden gröbere Erdbewegungen miteinander verbinden, dann ist ein Auseinanderdividieren notwendig. Unter dem zweiten Hof entstanden dafür insge- schwierig bis unmöglich. Das war auch in der Bibliothek, ei- samt 520 m2 neue Grundfläche. Dazu gruben Arbeiter einen nige Stockwerke weiter oben gelegen, der Fall. In einem neuen Gang auf – nicht nur, um das Magazin, das auf dem Gang kamen Deckengemälde zum Vorschein, die eine Kons- neuesten Stand der Technik ausgestattet ist, besser zu er- truktion als Holzkassettendecke vortäuschten. Die Kuppeln schließen, sondern auch um Fluchtwege und bessere Ver- der Joche schienen, so hatte Hansens Entwurf es vorgesehen, bindungen zu gewährleisten. Zudem führt nun eine zusätzliche großflächig von einer feinen, aber sehr deutlichen Holzma- Treppe vom Souterrain ins Kellergeschoss. Jetzt kann das Kupfer- serung überzogen. So, als wären die Malereien – Engel, Putti, stichkabinett zum ersten Mal seine Schätze hausintern auf- Ornamente – auf Holz gemalt worden. Heute, nach der Res- bewahren und Interessierten sogar zur Ansicht anbieten – taurierung, zeigt ein rekonstruiertes Musterjoch diese aus- ein ungeheurer Mehrwert für die Forschung. geklügelte Gestaltung, um, wie Roithmeier sagt, einen Ein- " blick in die historische Ausstattung des Gangbereichs zu Altes erhalten, Neues integrieren: Diesen Spagat mussten geben". die Verantwortlichen machen. BDA-Mitarbeiterin Roithmeier erzählt: Eine der größten Herausforderungen bestand darin, " Die weitaus größere Aufgabe in der Bibliothek stellte jedoch die technische Ausstattung – Fluchtwegsbeleuchtung, Brand- die Möbelrestaurierung dar. Hier wird der Gesamtkunst- meldeanlagen, Haustechnik – auf den neuesten Stand zu werk-Charakter Theophil Hansens besonders deutlich: Der bringen, und das in einem Gebäude, dessen Oberflächen Raum ist bis ins Letzte durchdesignt, bis hin zur Türschnalle. sehr hochwertig ausgestattet sind." Als besonders aufwändig entpuppten sich die ornamentierten Felder, die oben die Regale dekorieren. Möbelrestauratorinnen Es ist ein wenig so, als würde ein etwas gealterter Körper einen und -restauratoren reinigten sie in zahllosen Arbeitsstunden Herzschrittmacher erhalten. Wie ein menschlicher Körper mit Gerät, das so fein ist wie chirurgische Instrumente. ist auch ein historischer Bau ein komplexes Wunderwerk an Organen und Bahnen, die miteinander eng verbunden sind. Doch die Arbeit an diesem Gebäude bestand nicht nur aus Schon bei der Errichtung des Hansen-Baus waren viele feinmechanischen Eingriffen, sondern auch aus einigen Um- Handwerker zugange, erklärt Roithmeier. Das spiegelt sich wälzungen. Kein Wunder: Wenn man ein neues Kupferstich- in der jetzigen Sanierung. Die BIG engagierte 33 Gewerke, depot mit großen Rollregalen und einem lichten Studiensaal davon acht verschiedene Fachrichtungen für Restaurierung. BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 8 02.06.2021 11:59:02
Wie sie zusammenwirken, illustriert Roithmeier an einem Bauherr und Liegenschaftseigentümer Mieter und Nutzer Beispiel: Bei jedem Eingriff müssen die Gewerke zusam- BIG Akademie der " menarbeiten. Wenn wir zu einer Deckenleuchte eine Strom- Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. bildenden Künste Wien leitung legen wollen und rundherum künstlerisch gestaltete Wandoberflächen sind, im Raum darüber aber sowieso ein Projektmanagement Projektleitung Akademie neuer Fußbodenaufbau hergestellt wird, dann können wir Andreas Stampfer Ann-Barbara Kessler die Leitung dort verlegen und die Deckenleuchte von oben anspeisen, ohne die Leitungen einstemmen zu müssen." Asset Management Projektverantwortung Georg Pauls, Christian Wagner Akademie Dort, wo technische Neuerungen notwendig waren, ver- Vizerektorin suchten die Verantwortlichen auf bereits vorhandene Än- Projekttechniker Celestine Kubelka derungen zurückzugreifen: So kamen alte Schächte zum Peter Wurzinger Einsatz, um Kabel und Elektroleitungen aufzunehmen, an- statt neue aufzubohren. Wenn ein Elektriker eine weiße Projekttechnikerin Hochbau " Wand sieht und dort eine Leitung legen will, dann muss er Carina Madl vorsichtig sein – es könnte sich darunter ja etwas verber- gen, das erhaltenswert ist. Wenn dem so ist, dann müssen Projektverantwortung wir uns überlegen, wie die neue Leitungsführung mög- Maximilian Pammer Baubeginn lichst substanzschonend verlegt werden kann", so Roith- Oktober 2017 meier. Fertigstellung Die Architekten Herbert Ablinger von Ablinger, Vedral & Juni 2021 Partner und Peter Rogl von Silberpfeil Architekten bringen es Generalplanung in einem Text auf den Punkt: Sanieren hat etwas mit Hei- ARGE Ablinger, Vedral & Partner ZT GmbH Inbetriebnahme " len zu tun. Eine gute Sanierung belebt das Haus, respektiert und Silberpfeil Architekten ZT GmbH Herbst 2021 das Vorhandene, greift dort ein, wo strukturelle Schwächen zu beseitigen sind, und erfüllt das Gebäude mit neuem Glanz." Örtliche Bauaufsicht Nettoraumfläche Die beiden Architekturbüros hatten als Arbeitsgemein- ARGE FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT GmbH 17.800 m² schaft die Generalplanung inne. und VCE Vienna Consulting Engineers ZT GmbH Investition Beim Gang durch die sanierte Akademie zeigt sich: Die Ope- Bundesdenkmalamt 70 Mio. Euro ration ist gelungen, der Patient äußerst lebendig. Friedrich Dahm, Katharina Roithmeier (brutto, inkl. Einrichtung) BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 9 02.06.2021 11:59:07
10 Blickwechsel Nina Schedlmayer spricht mit Absoventinnen der Akademie Die Künstlerin Julischka Stengele sitzt in der Aula der Aka- sammenarbeit mit Pêdra Costa, machte. Darin überschrieb demie der bildenden Künste am Schillerplatz. Ihr Körper ist sie den Bibliotheksraum buchstäblich, notierte auf Textilien, nackt und bemalt, als wäre er marmoriert. Sie thront zunächst unter denen Co-Performerin Costa lag, Worte und Satzteile, auf den Stiegen. Dann steht sie auf und stellt sich als Monu- drapierte kleine Steintafeln mit persönlichen Texten im Raum, ment vor: für die Widerständigen, die Depressiven, die Durch- stapelte Bücher von Autorinnen auf und warf schließlich " schnittlichen, die Looser, die Langweiler, die Langsamen" und skulpturale Elemente von der Treppe nahe der Bibliothek – eine Reihe anderer, die nicht so recht ins Klischeebild eines eine Arbeit, die das bis heute unterbelichtete Schaffen von erfolgreichen Lebens passen wollen. Das Video ist Teil der Autorinnen thematisierte, aber auch kulturelle Übermacht. Trilogie My teachers I am" von Stengeles Kollegin Magdalena " Fischer. Wie ihre Kolleginnen eignete sich Tatar damit einen Raum an, der ihr einst übermächtig erschien. Befragt man die Ich hatte die Idee von einem Monument, das sprechen kann, Künstlerinnen zu ihren Erfahrungen mit dem Gebäude, so " und den Wunsch, in dieser Architektur einen Kommentar zu ähneln sie sich. Jermolaewa etwa erinnert sich: Ich hatte " hinterlassen", sagt Fischer über ihre 2018 an der Akademie Angst und Respekt vor dem Haus, es schüchterte mich ein." entstandene Diplomarbeit. Es geht auch um ein Sprechen Tatar, die in Rumänien aufwuchs, sagt: Die Architektur der " " über unsichtbar gemachte Dinge." Das lebende Denkmal Akademie am Schillerplatz ist überfordernd. Als ich nach widersetzt sich der monumentalen Architektur der Halle. Wien kam, kam mir die Architektur generell als sehr ähnlich zu anderen Großstädten vor. Allerdings ist hier alles etwas Die Arbeit gehört zu einer ganzen Reihe von Kunstwerken übergroß. So empfand ich auch das Gebäude der Akademie." Die jüngerer Vergangenheit, die Absolventinnen der Akademie Bibliothek, in der sie später ihre Performance ansiedeln sollte, im Gebäude am Schillerplatz angesiedelt haben. Fischer und erschien ihr fast religiös, wie eine Kirche. Ein Raum, der die " Stengele machten ihr Video, als bereits saniert wurde. Anna Menschen auch unter Druck setzt, vielleicht aber auch verführt." Jermolaewa drehte noch vorher dort. Für die Videoarbeit Ecce Multitudo", 2017 als Teil einer größer angelegten Ins- Julischka Stengele schildert Ähnliches: Ich kam aus dem " " tallation entstanden, wechselte sie die Seiten: Anstatt wie proletarischen Berlin in das postimperiale Wien. Die Akade- als Studentin in den Bänken des Aktzeichensaals zu sitzen, mie am Schillerplatz, das waren heilige Hallen, Ehrfurcht schlüpfte sie selbst in die Rolle des Aktmodells und ließ sich erregend! Ich war beeindruckt von dem Prunk, der Größe, filmen. Komplettiert wurde das Video von Aktzeichnungen der Höhe und dachte: Wow, ich darf jetzt diesen Ort betreten." aus ihrer Zeit als Studentin und Schülerin an einer russischen Eines Tages entdeckte sie in der Aula ein Stück abgebröckelten Kunstschule. Zunächst musste sich die Künstlerin überwinden. Putz, dort, wo Scheinmalerei Steinoptik vortäuscht. Da ent- " Doch dann empfand sie den Blickwechsel als faszinierend". deckte ich, dass das gar kein echter Marmor ist. Ich musste " Von oben hatte ich die Kontrolle", erinnert sie sich. Ich wollte richtig laut lachen. Dieses Erlebnis stand exemplarisch dafür, " " mir den Raum vor der Sanierung noch einmal einprägen. Ich dass die Fassade mit der Zeit bröckelt – auch in Hinblick auf erlebte ihn ganz anders, als ich auf dem Podium saß: Ich hatte die Institution Akademie." das Gefühl zu schweben." Ein durchaus erlösendes Moment. So verloren die Räume Als Affäre mit dem Raum" bezeichnet Alexandra Tatar die irgendwann ihre Übermacht: Eine entspanntere Begegnung Bilder: Detail aus dem Deckengemälde " von Anselm Feuerbach in der Aula künstlerische Erfahrung, die sie, ebenfalls 2017, bei ihrer wurde möglich. Im Video von Magdalena Fischer zieht sich und Spuren der Kunst-Studierenden. Performance Imagination and Conceptual Life", einer Zu- Stengele irgendwann Schlapfen an: als wäre sie hier daheim. " BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 10 02.06.2021 11:59:11
11 Veranstaltungsprogramm der Akademie der bildenden Künste Wien Herbst 2021 Hungry for Time Eröffnung: 8. Oktober 2021, 19:00 Uhr Eröffnungsausstellung der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien kuratiert von Raqs Media Collective Eröffnungswochenende bei freiem Eintritt: Gemeinsam mit der Akademie der bildenden Künste Wien wirft das international tätige, aus einer Kuratorin und 9. und 10. Oktober 2021 zwei Kuratoren bestehende Trio einen externen Blick auf die Sammlungen der Akademie und ihre thematische Neuausrichtung und setzt sie zu aktueller zeitgenössischer Kunst in Bezug. Die Eröffnungsausstellung im Herbst 2021 Ausstellungsdauer: bietet die Chance für eine gemeinsam mit der Expertise des Hauses erarbeiteten Neuaufstellung der historischen 9. Oktober 2021 bis Kunstsammlungen unter Berücksichtigung des aktuellen Dekolonialismus-Diskurses in der Kunst und den Kultur- 30. Jänner 2022 wissenschaften. Akademie der bildenden Künste Wien Gemäldegalerie Schillerplatz 3, 1010 Wien Thicket of Ideas – Thicket of Times Eröffnung: 8. Oktober 2021, 19:00 Uhr Studierende der Akademie im Dialog mit dem Raqs Media Collective Ausstellungsdauer: Die Gruppenausstellung wird zur Wiedereröffnung der Akademie am Schillerplatz im zeitgenössischen 9. Oktober 2021 bis Ausstellungsraum gezeigt. Zu sehen sind Arbeiten von Studierenden aller Institute, die sich Werken aus 30. Jänner 2022 den Sammlungsbeständen der Gemäldegalerie, des Kupferstichkabinetts und der Glyptothek aus einer dekolonialen Perspektive widmen. Akademie der bildenden Künste Wien Exhibit. Galerie Schillerplatz 3, 1010 Wien Bitter Paradise / Un Paradiso Amaro Eröffnung: 8. Oktober 2021, 19:00 Uhr Die Ausstellung, initiiert von Valerie Habsburg und kuratiert von Elke Krasny, widmet sich dem Erinnern an das Vergessen der jüdischen Bildhauerin Teres Feodorowna Ries. Sie war eine der wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit, Ausstellungsdauer: deren Arbeiten in der Wiener Secession, bei der Biennale von Venedig und im Glaspalast von München gezeigt wurden. 9. Oktober 2021 bis 15. November 2021 Akademie der bildenden Künste Wien Exhibit. Studio Schillerplatz 3, 1010 Wien The Poiesis of Composting Eröffnung: 8. Oktober 2021, 19:00 Uhr Im Rahmen der Ausstellung beschäftigen sich die Kuratoren Guilherme Maggessi und Rafal Morusiewicz mit Gesten des Kompostierens" und stellen künstlerische Positionen vor, die das Bereits Vorhandene" überdenken. Ausstellungsdauer: " " Das Projekt stellt Situationen queerer Temporalitäten und rhizomatischer relationaler Synchronizitäten vor, 9. Oktober 2021 bis die, nachdem sie komponiert" wurden, wieder kompostiert" werden. 29. Jänner 2022 " " Akademie der bildenden Künste Wien Exhibit. Eschenbachgasse Hinweis: Pandemie-bedingt kann sich das Programm ändern. Bitte konsultieren Sie den Eventkalender auf Eschenbachgasse 11, www.akbild.ac.at, um über etwaige Änderungen im Veranstaltungsprogramm informiert zu sein. Stand: Juni 2021. 1010 Wien BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 11 02.06.2021 11:59:11
Impressum Medieninhaber & Herausgeber Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Trabrennstraße 2c, 1020 Wien Tel. 05 0244-0 office@big.at www.big.at Die prachtvolle Akademie der bildenden Künste am Wiener Schillerplatz ist eines von 350 denk- www.big-art.at malgeschützten Bauwerken im Portfolio der BIG. Wir haben das Haus, das Theophil Hansen vor nachhaltigkeit.big.at 150 Jahren für die Akademie entworfen hatte, mit viel Gespür, Können und Teamwork restauriert. Texte: Nina Schedlmayer, Christian Seiler Bald gehen hier wieder Kunst-Studierende ein und aus und die großartige Gemäldegalerie ist für Fotografie: Helmut Wimmer Lektorat: Brigitte Mayr Besucherinnen und Besucher geöffnet. Der Anatomiesaal ist jetzt wieder in jenen Farben erlebbar, Grafik: Heidemarie Schalk die Hansen erdacht hatte. Konzept: Emilie Brandl Druck Die historischen Gebäude, für die wir als BIG Verantwortung tragen, bedürfen unserer besonderen Medienfabrik Graz Umsicht. Ihre sorgsame und konsequente Erhaltung ist wesentlich für die Baukultur dieses Landes Dreihackengasse 20, 8020 Graz und bedeutet gleichzeitig die Schonung von Ressourcen. Das macht aus Denkmalschutz auch einen Juni 2021 wichtigen Faktor für den Klimaschutz. BIG Magazin_Schillerplatz_DRUCK.indd 2 02.06.2021 11:58:22
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