Aktionsprogramm Integration im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg
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Aktionsprogramm Integration im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg Das Ziel einer erfolgreichen Integrationspolitik ist es, einen langfristigen ge- samtgesellschaftlichen Zusammenhalt in der Bevölkerung sicherzustellen. Die Herausforderung bei dieser Querschnittsaufgabe liegt vor allem darin, zielgerichtet auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen, langfristig Rahmenbedingungen zu verbessern, sowie durch kontinuierliche Sensibili- sierung die öffentliche Wahrnehmung zum Thema Integration zu verändern: von einer eher defizitorientierten Debatte hin zur Wahrnehmung der Chan- cen und Möglichkeiten, die eine gelebte Vielfalt mit sich bringt. Dieser Per- spektivenwechsel findet in einer Gesellschaft statt, die sich durch zuneh- mende Pluralisierung, Individualisierung sowie kulturelle Heterogenität aus- zeichnet. Baden-Württemberg ist das Flächenland mit dem höchsten Migrantenanteil: 2,9 Millionen Menschen haben ausländische Wurzeln, das sind rund 27 Pro- zent der Bevölkerung. Bei den Jugendlichen unter 20 Jahren sind es 38 Prozent, bei den Unter-Dreijährigen sogar rund 44 Prozent (Quelle: Mikro- zensus 2012). Für Menschen aus etwa 170 Nationen ist Baden-Württemberg also längst zur neuen Heimat geworden. Diese Menschen haben unsere Gesellschaft und Kultur jünger und bunter, die Wirtschaft und den Sport erfolgreicher und den interkulturellen und interreligiösen Dialog ernsthafter gemacht. Mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen, mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung tra- gen sie zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes mit bei und stellen eine Bereicherung für Baden-Württemberg dar.
Diese Tatsache verleiht der Integrationspolitik ein besonderes Gewicht. Wir können es uns aus wirtschaftlichen, demografischen und gesellschaftspoliti- schen Gründen nicht leisten, große Teile der Bevölkerung auszuschließen. Integrationspolitik ist daher Zukunftspolitik, sie sichert den Wohlstand und den sozialen Zusammenhalt und ist per se nachhaltig angelegt. Beim Thema Integration geht es in erster Linie um die soziale, aber auch um die ökonomische Dimension nachhaltigen Handelns. Die Grundregel des Managementkonzepts der Nachhaltigkeitsstrategie besagt, dass jede Gene- ration ihre Aufgaben selber lösen muss und diese nicht den kommenden Generationen aufbürden darf. Zugleich muss sie Vorsorge für absehbare Belastungen treffen. Nachhaltigkeit zielt auf die Erreichung von Generatio- nengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Lebensqualität und Wahrneh- mung internationaler Verantwortung. In diesem Sinne sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und sozia- le Verantwortung so zusammenzuführen, dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind. Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, sollen Armut und sozialer Aus- grenzung soweit wie möglich vorgebeugt, die Teilhabe an wirtschaftlichen Entwicklungen sowie am gesellschaftlichen und politischen Leben ermöglicht und die dazu notwendigen Anpassungen frühzeitig von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft getroffen werden – auch im Hinblick auf den demografischen Wandel. Bildung und Ausbildung, Integration in den Arbeitsmarkt, Bekämpfung von Extremismus und Diskriminierung, eine humane Flüchtlingspolitik sowie die Förderung der kommunalen Integrationsarbeit sind nur einige der Schwer- punkte des Ministeriums für Integration. Das Ziel ist einerseits, die Men- schen zu motivieren, sie zu mobilisieren und für eine aktive Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Wandel zu begeistern. Andererseits geht es uns darum, Akzente zu setzen, Grundlagen zu schaffen und nicht zuletzt
auch die notwendigen Hilfestellungen dafür anzubieten – finanziell, aber auch strukturell. Der Politik kommt dabei die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen anzupas- sen, um beispielsweise die Teilhabe an Bildung und Arbeit zu verbessern – sie kann das Gelingen von Integration jedoch nicht verordnen. Integration findet vor allem vor Ort in den Kommunen statt. Im Kindergarten und in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Freizeit leben und erleben wir täglich sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfalt. Es geht letztendlich um gesell- schaftliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger 1 in Baden-Württemberg unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Religion – und um die damit zusammenhängende objektive und subjektiv empfundene Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. In den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung heißt es unter der Überschrift Kulturelle Vielfalt und Integration: „Durch Zuwanderung, Säkulari- sierung und Wertewandel verändert sich unsere Gesellschaft. Die Anerken- nung und der Respekt vor der wachsenden kulturellen Vielfalt schaffen eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung unseres Gemeinwesens.“ Daraus folgt der Leitsatz einer nachhaltigen Entwicklung: „Nachhaltig handeln in Baden-Württemberg heißt, gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt als Be- reicherung anzuerkennen und jeglichen Formen von Ausgrenzung effektiv entgegenzutreten.“ Im Rahmen einer nachhaltigen Integrationspolitik sind Bürgerinnen und Bür- ger mit Migrationshintergrund selbstverständlich bei allen Herausforderungen und Leitsätzen gleichermaßen mit angesprochen. Im Sinne einer gesamtge- sellschaftlichen Betrachtungsweise ist es aus unserer Sicht auch nicht in je- dem Fall zielführend, Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund von 1 Der Begriff „Bürger“ wird in diesem Dokument im weiteren Sinne (Einwohner, Bewohner) verstanden und nicht nur als Staatsbürger.
Bürgerinnen und Bürgern ohne Migrationshintergrund sprachlich (und somit auch gedanklich) zu unterscheiden und damit in der öffentlichen Wahrneh- mung eine Sondergruppe zu verfestigen, die im Alltag oft gar nicht mehr exis- tiert. Zugleich sehen wir in zahlreichen Bereichen noch konkreten und dringenden Handlungsbedarf. Das Aktionsprogramm Integration des Ministeriums für In- tegration Baden-Württemberg konzentriert sich vor diesem Hintergrund im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes zunächst auf folgende Ziele: • Stärkung der Integrationskraft vor Ort • Akzeptanz kultureller Vielfalt in sämtlichen Lebensbereichen • Effektive Bekämpfung von Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit und Rassismus Konkrete Programme und Projekte, die im Folgenden näher vorgestellt wer- den, sollen zur Erreichung dieser Ziele beitragen. Sie sind auf Nachhaltigkeit angelegt und lassen sich durch die finanzielle Unterstützung mit Mitteln der Nachhaltigkeitsstrategie realisieren bzw. verstärken.
Stärkung der Integrationskraft vor Ort Angesichts des demografischen Wandels und der wachsenden Vielfalt der Gesellschaft hängt die Zukunftsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden des Landes maßgeblich von einer erfolgreichen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe aller ihrer Bürgerinnen und Bürger ab. Viele Kommunen in Baden-Württemberg stellen sich bereits seit Jahren mit großem Engagement diesen aktuellen Herausforderungen. Andere haben sich erst vor kurzem auf den Weg gemacht, eine zielgerichtete Integrationsar- beit zu betreiben. Es gibt eine Vielzahl an erfolgreichen Projekten und Initiativen. Allerdings en- den diese oftmals nach ein oder zwei Jahren, wenn die Finanzierung nicht mehr gesichert ist. Zudem entwickeln sich Integrationsangebote manchmal unkoordiniert und erlangen nicht die verdiente Aufmerksamkeit. Teilweise existieren Projekte nebeneinander her und sind nicht aufeinander abgestimmt. Mangelnde Koordination und Transparenz sind jedoch Hürden in der täglichen Integrationsarbeit vor Ort. Dieser Zustand wird zu Recht auch immer wieder von den Kommunen beklagt. Integration als langfristige Herausforderung für das gesamte Gemeinwesen bedarf der Entwicklung verbindlicher Strukturen, die beteiligungsorientiert sind, nachhaltig das friedliche und demokratische Zusammenleben sichern sowie Chancengerechtigkeit herstellen und bewahren. Das Land unterstützt die Kommunen deshalb bei der strukturellen Veranke- rung ihrer Integrationsaufgaben. Nachhaltige Strukturen können zum Beispiel durch zentrale Ansprechstellen, Netzwerke oder Informationsangebote ge- schaffen werden. Kommunale Integrationskonzepte tragen ebenfalls der er- forderlichen strategischen Ausrichtung kommunaler Integrationspolitik Rech- nung, insbesondere wenn sie eine Bestandsaufnahme, einen Leitziele- und Maßnahmenkatalog oder ein Monitoring beinhalten. Die Vorsorgefunktion im
Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wird durch diese Maßnahmen auch in der Fläche perspektivisch angestoßen. Ein nachhaltiger Ansatz besteht darü- ber hinaus durch die gewünschte Einbeziehung und Beteiligung möglichst al- ler relevanten lokalen Akteure der Integration. Des Weiteren verfolgt das Ministerium für Integration das langfristige Ziel, die Beteiligung der Eltern am Bildungsweg ihrer Kinder dauerhaft zu stärken. El- terninitiativen und -projekte sollen stärker als bisher an die Regelstrukturen der Kommunen und des Bildungswesens herangeführt werden. Denn eine er- folgreiche Bildungskarriere kann nur gelingen, wenn wir die Eltern dabei „mit- nehmen“. In diesem Bereich geht es insbesondere um eine bessere Qualifi- zierung und stärkere Vernetzung der Haupt- und Ehrenamtlichen, die zum Beispiel als Bildungs- und Elternlotsen oder als Elternmentoren fungieren. Um darüber hinaus das Zusammenleben, den gesellschaftlichen Zusammen- halt sowie die Teilhabe und Mitwirkung am politischen und gesellschaftlichen Leben von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu vertiefen, sind vielfältige Maßnahmen denkbar. Neben den Kommunen spielen bei der Integ- ration vor Ort oft wechselnde Akteure aus Vereinen oder Verbänden eine tra- gende Rolle. Auch hier ist es zum Aufbau nachhaltiger Strukturen sinnvoll, Qualifizierungsmaßnahmen und Veranstaltungen, wie beispielsweise Vor- trags-, Podiums- oder Fortbildungsveranstaltungen, ideell und finanziell stär- ker zu unterstützen. Zur Umsetzung dieser Ziele hat das Ministerium für Integration ein Programm zur Förderung der Integrationsarbeit in den Kommunen entwickelt. Aus zahl- reichen Gesprächen mit Akteuren vor Ort gewonnene Erkenntnisse sind in unser Förderprogramm mit einer Laufzeit von sieben Jahren eingeflossen. Die entsprechende Verwaltungsvorschrift (VwV-Integration) ist am 29. August 2013 in Kraft getreten. Dies ist der Startschuss für eine neue Kultur in der In- tegrationsförderung des Landes: Kreise, Städte und Gemeinden werden dabei unterstützt, ihre Integrationsarbeit nachhaltig auszurichten und noch stärker
vor Ort zu verankern und zu vernetzen. Hierfür steht ein Finanzvolumen von über drei Millionen Euro jährlich bereit. Die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes kann – gerade in der Startphase – dazu beitragen, die Wirkungen des Förderprogramms zu verstärken. Hierzu könnten in Ihrer Nachhaltigkeit und hinsichtlich des Landesinteresses heraus- ragende Projekte mit Mitteln aus der Nachhaltigkeitsstrategie gefördert wer- den. Außerdem sollen die Bekanntheit und Präsenz des Programms durch die Erstellung und Verbreitung eines Flyers gesteigert werden.
Akzeptanz kultureller Vielfalt in sämtlichen Lebensbereichen Integration ist gemeinhin ein wechselseitiger Prozess, für den die kulturelle Offenheit aller Teile der Gesellschaft eine unabdingbare Voraussetzung dar- stellt. Diese Aufgeschlossenheit setzt eine generelle Bereitschaft zur Integra- tion bei allen Beteiligten voraus. Die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, ist eher gegeben, wenn die Selbstvergewisserung der eigenen kulturellen Identität geklärt sowie Akzeptanz, Respekt und Freude an kultureller Vielfalt vorhanden sind. Mit der durch das Ministerium für Integration initiierten repräsentativen Bevöl- kerungsumfrage „Gelebte Vielfalt“ (2012) liegt erstmals für Baden- Württemberg eine Bestandsaufnahme des subjektiven Stands der Integration vor. Die überwiegende Mehrheit der baden-württembergischen Bevölkerung ist sich bewusst, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Zuwanderin- nen und Zuwanderer werden positiv mit kultureller Vielfalt konnotiert und es wird von den meisten Befragten nicht erwartet, dass Zuwanderinnen und Zu- wanderer ihre kulturelle und religiöse Lebensweise aufgeben. Zwei Drittel der Bevölkerung stört sich zum Beispiel nicht an Moscheebauten, wenn Muslimas Kopftuch tragen oder fremde Sprachen in der Öffentlichkeit gesprochen wer- den. Allerdings stimmt rund ein Viertel der Aussage zu, dass durch die Zu- wanderinnen und Zuwanderer die christlichen Werte und Traditionen gefähr- det seien. Das Ministerium für Integration hat ein Konzept entwickelt, das der Komplexi- tät interkultureller Öffnungsprozesse Rechnung trägt und Vielfaltskompetenz in Baden-Württemberg fördert. Wesentliche Bereiche sind die Landesverwal- tung, die Unterstützung der Kommunen und die Förderung von Vereinen, Ver- bänden und Nichtregierungsorganisationen in ihren Öffnungsprozessen sowie die Sensibilisierung und Öffnung der gesamten Gesellschaft. 2011 hat die Mi- nisterin für Integration darüber hinaus mit dem Runden Tisch Islam eine Dia-
logrunde ins Leben gerufen, in der mit Muslimen konkrete politische Frage- stellungen und Herausforderungen besprochen werden. Der interkulturelle und interreligiöse Dialog bietet sowohl die Chance für ein besseres Miteinander der Kulturen als auch Möglichkeiten zur Entstehung ei- nes neuen, erweiterten und vielfältigeren kulturellen Selbstverständnisses und kann dabei helfen, Vorurteile abzubauen. Das Ziel einer nachhaltigen Ent- wicklung in Baden-Württemberg muss es daher sein, ein gemeinsames Ver- ständnis der Legitimität kultureller Vielfalt und gemeinsamer Grundwerte zu erreichen, das alle Bürgerinnen und Bürger einschließt, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer sozialen Lage, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion oder ihrem Alter. Ein konkretes Beispiel, das die Akzeptanz kultureller Vielfalt in sämtlichen Le- bensbereichen verdeutlicht, ist die islamische Krankenhausseelsorge. Eine wie von den christlichen Kirchen flächendeckend angebotene Seelsorge ist unter Muslimen noch weitgehend unbekannt. Noch immer wird in Krisensitua- tionen auf die Unterstützung aus dem Kreis intakter Familienverhältnisse ver- traut. Da sich aber die Lebenswirklichkeiten auch in diesem Bereich immer weiter denen der Mehrheitsbevölkerung annähern, sind Musliminnen und Muslime hierzulande zunehmend auf die Unterstützung professionell ausge- bildeter Dritter angewiesen. Das Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e.V. hat im Rahmen eines Modellprojekts seit 2011 in den Krankenhäusern, Kliniken und psychiatrischen Anstalten der Metropolregion Rhein-Neckar 19 Ehrenamtliche zu „Islamische KrankenhausseelsorgerInnen“ ausgebildet. Die Ausbildung ori- entiert sich an den bewährten Standards der christlichen Krankenhausseel- sorge. Ein islamischer Theologe vermittelt den angehenden SeelsorgerInnen während der Ausbildungsphase spezifisch islamische Kenntnisse beim Um- gang mit kranken Menschen.
Mit Hilfe einer finanziellen Unterstützung aus Mitteln der Nachhaltigkeitsstra- tegie könnte eine islamische Krankenhausseelsorge flächendeckend in ganz Baden-Württemberg eingeführt werden. Hierfür müsste mit insgesamt neun weiteren Ausbildungsdurchgängen im Laufe von drei Jahren ein Netz von rund 200 muslimischen KrankenhausseelsorgerInnen aufgebaut werden. Die Ba- sisausbildung ist dabei so konzipiert, dass darauf aufbauend weitere Speziali- sierungsausbildungen, wie zum Beispiel die Notfall-, die Gefängnis- oder die Telefonseelsorge, ergänzt werden können. Die Kosten für jeden einzelnen der geplanten neun Ausbildungsdurchgänge in fünf durch das Mannheimer Institut definierten Regionen (Stuttgart [2 Kurse], Freiburg im Breisgau [2 Kurse], Schwäbisch Gmünd [2 Kurse], Rhein-Neckar [1 Kurs], Bodensee [2 Kurse]) belaufen sich auf rund 45.000 Euro. Das Minis- terium für Integration fördert aus eigenen Mitteln bereits einen Ausbildungs- durchgang in der Bodensee-Region. Die Förderung bezieht sich dabei nicht auf die Ausbildung selbst, sondern auf die Anlauf- und Akquisephase sowie die Betreuung und Fortbildung der Ehrenamtlichen während des zweijährigen Verpflichtungszeitraums.
Effektive Bekämpfung von Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit und Rassismus Sozialer Zusammenhalt, wirtschaftliche Entwicklung und ein besseres Mitei- nander von Menschen unterschiedlicher Herkunft wird dauerhaft nur gelingen können, wenn es langfristig weniger Benachteiligung ausländisch stämmiger Menschen gibt: Ob bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einem Aus- bildungs- oder Arbeitsplatz oder bei dem Eintritt in eine Diskothek. Gruppen- bezogene Menschenfeindlichkeit muss weiterhin umfassend und entschieden bekämpft werden – auch im Alltag, damit einem fremdenfeindlichen Klima von vornherein jede Grundlage entzogen wird. Studien auf Bundes- und Landesebene belegen, dass Maßnahmen zum Ab- bau von Diskriminierung und die Bekämpfung von Rassismus notwendig sind. Sie zeigen, dass Diskriminierungserfahrungen erhebliche negative Auswir- kungen haben. Sie beeinträchtigen beispielsweise das Selbstwertgefühl des Einzelnen und können die Integrationsbereitschaft senken. Sie können Reethnisierungsprozesse auslösen und die Gefahr der Gewaltbereitschaft sowie der Viktimisierung erhöhen. Des Weiteren können Diskriminierungser- fahrungen die Integration in den Arbeitsmarkt verhindern und die soziale Teil- habe erschweren, was dazu führt, dass sich das Armutsrisiko erhöht. Durch die mangelnde Arbeitsmarktintegration werden Potenziale verschenkt. Außer- dem führt sie zu beträchtlichen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftli- chen Kosten. Das Ministerium für Integration hat bereits eine Reihe von Maßnahmen in die- sem Bereich ergriffen. So unterstützt es die landesweite „Vernetzungs- und Anlaufstelle gegen Rassismus, andere Formen gruppenbezogener Menschen- feindlichkeit und Rechtsextremismus“ bei der Landesarbeitsgemeinschaft Of- fene Jugendbildung Baden-Württemberg e.V. (LAGO). Außerdem fördert es mit dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und den Projekttagen „Instant Acts gegen Gewalt und Rassismus“ eine kontinuierliche
Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit an Schulen und verfolgt damit einen besonders nachhaltigen Ansatz zur Verhinderung der Entstehung von Alltags- rassismus. Um Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt abzubauen, führen wir ein Pilotpro- jekt zum anonymisierten Bewerbungsverfahren durch. Studien belegen, dass Bewerberinnen und Bewerber mit ausländisch klingendem Namen in Bewer- bungsverfahren oftmals benachteiligt sind und nicht zu Auswahlgesprächen eingeladen werden. Angaben, die Rückschlüsse auf Geschlecht, Alter, Her- kunft oder Familienstand ermöglichen, bleiben bei einer anonymisierten Be- werbung zunächst ausgeblendet. Das Ministerium für Integration ist auch Anlaufstelle für Personen, die wegen ihrer ethnischen Herkunft oder aus rassistischen Gründen benachteiligt wer- den. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt seit 2006, doch vie- le Betroffene kennen ihre Rechte nicht. Das Ministerium informiert hierüber und unterstützt im Bedarfsfall die Suche nach einer wohnortnahen Bera- tungsmöglichkeit. Diese Suche gestaltet sich mitunter schwierig. Denn in Baden-Württemberg ist eine AGG-Beratungsstruktur kaum vorhanden; es gibt hier nach Aussage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch viele „weiße Flecken“. Ziel muss es daher sein, landesweit eine qualifizierte und effektive Beratung von Betroffenen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck soll – mit finanzieller Unter- stützung durch die Nachhaltigkeitsstrategie – der Auf- und Ausbau eines Anti- diskriminierungsnetzwerks für Baden-Württemberg vorangetrieben werden. In einem ersten Schritt sollen dazu bereits bestehende Beratungsangebote (örtliche Netzwerke gegen Diskriminierung) erfasst und miteinander vernetzt werden. Dies kann beispielsweise durch regelmäßige Treffen erfolgen, in de- nen die Möglichkeit zum Austausch und zur fachlichen Fortbildung geboten wird. In einem zweiten Schritt sollen ideelle und finanzielle Anreize für neue
Initiativen vor Ort geschaffen werden, um die Beratungsstruktur zu erweitern und die Zahl der Beratungsangebote zu erhöhen. Flankierend sollten Maß- nahmen hinzutreten, um die Beratungsstruktur und die Anlaufstellen bekannt zu machen. Aufgrund von Erfahrungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist mit jährlichen Kosten in Höhe von rund 18.500 Euro pro örtlichem Netzwerk zu rechnen. Bei einer angepeilten Förderung von zehn Netzwerken über drei Jahre belaufen sich die Gesamtkosten damit auf rund 555.000 Euro.
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