Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte - eine magere Halbzeitbilanz 20.12.2018 - DGB

Die Seite wird erstellt Franziska Specht
 
WEITER LESEN
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
für Wirtschaft und Menschenrechte –
eine magere Halbzeitbilanz

20.12.2018
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
             für Wirtschaft und Menschenrechte –
             eine magere Halbzeitbilanz

Am 21.12.2016 hat die Bundesregierung nach einem zweijährigen Prozess den Nationalen Aktions-
plan Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedet.
Das Forum Menschenrechte, VENRO, der DGB sowie das CorA-Netzwerk für Unternehmensver-
antwortung haben sich intensiv in die Entstehung und die Umsetzung des NAP eingebracht. Die
Zwischenbilanz dessen, was mit dem NAP bisher an konkreten Verbesserungen erreicht wurde,
fällt jedoch ernüchternd aus.

Ein Interministerieller Ausschuss (IMA) unter Federführung des Auswärtigen Amtes ist für die
Umsetzung des NAP zuständig. Die AG Wirtschaft und Menschenrechte des CSR-Forums begleitet
die Umsetzung, wird vom IMA informiert und unterbreitet ihm Vorschläge. Der AG Wirtschaft und
Menschenrechte gehören u. a. das Forum Menschenrechte, VENRO und der DGB an. Diese umfang-
reiche Beteiligung der Ministerien und der Stakeholder begrüßen wir.

Im Folgenden gehen wir auf einige zentrale Elemente des NAP ein und bewerten die bisherige
Umsetzung. Wir orientieren uns dabei an den drei Säulen der UN-Leitprinzipien, die auch dem NAP
zugrunde liegen: der Schutzpflicht des Staates; der Verantwortung der Unternehmen, die Menschen-
rechte zu achten; sowie dem Zugang zu Abhilfe.

I. Die staatliche Schutzpflicht

Öffentliche Vergabe
In Bezug auf die öffentliche Beschaffung hat                         IAO-Übereinkommens Nr. 94 über die Arbeits-
es die Bundesregierung bei der - parallel zur                        klauseln in den von Behörden abgeschlossenen
NAP-Entwicklung - stattfindenden Umsetzung                           Verträgen gefordert. Danach müsste die öffent-
der entsprechenden EU-Richtlinie vermieden,                          liche Hand bei der öffentlichen Vergabe vom
menschenrechtliche Mindestkriterien für die                          bietenden Unternehmen die Einhaltung von
öffentliche Vergabe verbindlich zu machen. Sie                       Sozialstandards (orientiert an repräsentativen
versprach aber im NAP einen Stufenplan, um                           Tarifverträgen und staatlichen Regelungen)
dieses Ziel zu erreichen. Das CorA-Netzwerk                          verlangen. Aufgegriffen hat die Bundesregie-
unterbreitete detaillierte Anforderungen an eine                     rung bisher keinen dieser Vorschläge. Für 2019
sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung1:                     plant sie im Rahmen des „Maßnahmenpro-
So sollte die Bundesregierung konkrete Zielvor-                      gramms Nachhaltigkeit“, Zielsetzungen für
gaben für die Auftragsvergabe in menschen-                           weitere Produktgruppen aufzunehmen. Mit der
rechtlich kritischen Produktgruppen beschließen                      Entwicklung des angekündigten Stufenplans
und über deren Erreichung jährlich berichten.                        hat sie zwei Jahre nach Verabschiedung des NAP
Unternehmen sollten zu einer besseren Nach-                          nicht einmal begonnen. Wirtschaftsministerium
weisführung über die Einhaltung menschen-                            und Auswärtiges Amt haben lediglich ange-
rechtlicher     Kriterien   verpflichtet werden.                     kündigt, zu diesem Thema eine interne Sitzung
Verstöße gegen menschen- oder arbeitsrecht-                          anzuberaumen – das Ergebnis ist noch offen.
liche Verpflichtungen in globalen Lieferketten
sollten in das deutsche Wettbewerbsregister                          Außenwirtschaftsförderung
aufgenommen werden, so dass Verstöße auch                            Die Achtung der Menschenrechte bei der
zum Ausschluss von der öffentlichen Vergabe                          Vergabe    von    Exportkreditversicherungen
führen können. Der DGB hat bereits im Entste-                        (Hermesbürgschaften) stand mehrfach auf der
hungsprozess des NAP die Ratifizierung des                           Tagesordnung von IMA und AG Wirtschaft und

1
    https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/03/CorA_Anforderungen-Beschaffung-NAP_2018-03.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
             für Wirtschaft und Menschenrechte –
             eine magere Halbzeitbilanz

Menschenrechte. Von zivilgesellschaftlicher Seite                   Unternehmen zu vergeben, die menschen-
wurden konkrete Vorschläge zur Umsetzung                            rechtliche Sorgfaltsverfahren unternehmens-
der NAP-Maßnahmen bei der Außenwirtschafts-                         weit etabliert haben, prüft die Bundesregierung
förderung2 eingebracht. Das Wirtschaftsminis-                       Menschenrechte weiterhin nur projektbezogen.
terium weigert sich jedoch weiterhin, die über-
fällige Ausrichtung der staatlichen Garantien an                    Handels- und Investitionsschutzabkommen
den Menschenrechten glaubhaft vorzunehmen.                          Um die menschenrechtliche Kohärenz von
Zwar haben Menschenrechtaspekte nun - wie                           Handels- und Investitionsabkommen zu sichern,
vorab zugesichert - größere Sichtbarkeit auf                        hatte die Bundesregierung im NAP angekün-
der Website und in den Projektfragebögen;                           digt, innerhalb der EU für eine Weiterentwick-
dies hatten die Exportkreditversicherungen auf                      lung der Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen
OECD-Ebene jedoch schon vor Verabschiedung                          einzutreten: „Insbesondere sollen umfassende
des NAP vereinbart. Auch die Aufwertung der                         Folgenabschätzungen vor Verhandlungsbeginn
Nationalen Kontaktstelle (NKS, siehe Abschnitt                      durchgeführt werden, um so zu garantieren,
III) als zentrale Beschwerde-Instanz, die im NAP                    dass die Ergebnisse der Prüfung in Verhand-
angekündigt worden war, hat wenig Effekt, da                        lungen einfließen können.“ In der AG Wirtschaft
bereits zuvor Hermesbürgschaften betreffende                        und Menschenrechte stellte das BMWi diese
Beschwerden bei der NKS eingereicht werden                          Formulierung jedoch als ein Missverständnis
konnten. Die große Intransparenz über bewil-                        dar. Die Folgenabschätzungen sollten nicht vor
ligte Bürgschaften, über die daran geknüpften                       Verhandlungsbeginn, sondern während der
Auflagen sowie über Monitoringberichte wurde                        Verhandlungen durchgeführt werden. Statt der
aber aufrechterhalten. Inwieweit die eigentlichen                   versprochenen Reform hält die Bundesregierung
Prüfverfahren verbessert wurden, lässt sich von                     demnach an dem Status Quo fest, so dass die
außen nicht nachvollziehen, da das Wirtschafts-                     Ergebnisse der Folgenabschätzung erst kurz vor
ministerium die angeblich verbesserten Prüfkri-                     Unterzeichnung bekannt werden und folgenlos
terien immer noch nicht veröffentlicht hat.                         bleiben. In seinen Abschließenden Beobach-
                                                                    tungen hat der UN-Sozialausschuss die Bundes-
Die Praxis bleibt derweilen problematisch: So                       regierung im Oktober 2018 explizit aufgefordert,
bewilligte die Bundesregierung im Mai 2017                          ihre Reformankündigung aus dem NAP zu den
eine Hermesbürgschaft für die Beteiligung eines                     Folgenabschätzungen umzusetzen.
deutschen Exporteurs an einem Gasprojekt
auf der Yamal-Halbinsel im Norden Russlands,                        Darüber hinaus wollte die Bundesregierung
obwohl dieses die nomadische Lebensweise und                        laut NAP innerhalb der EU für „ambitionierte
die Lebensgrundlagen der dortigen indigenen                         Nachhaltigkeitskapitel“ in Handelsabkommen
Rentierzüchter*innen zu zerstören droht. Dass                       eintreten. Noch deutlicher forderte sie im Koaliti-
dieses Projekt für förderungswürdig befunden                        onsvertrag „verbindliche soziale, menschenrecht-
wurde, zeigt die mangelnde Bereitschaft der                         liche und ökologische Standards in EU-Handels-,
Bundesregierung, die UN-Leitprinzipien ernst-                       Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsab-
haft auf die Außenwirtschaftsförderung anzu-                        kommen“. Dennoch versäumte sie es, sich früh-
wenden. Zudem vernachlässigt die Bundesregie-                       zeitig in eine 2017/18 durchgeführte Konsulta-
rung bei ihrer Entscheidung die politischen und                     tion der EU-Kommission zur Verbesserung der
bürgerlichen Rechte in der jeweiligen Region.                       bisherigen Nachhaltigkeitskapitel einzubringen
                                                                    und sprach sich erst nachträglich für mehr
Zugleich versäumt sie es nach wie vor, die Außen-                   Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitskapitel aus.
wirtschaftsförderung als Hebel anzusetzen, um                       Die EU-Kommission hielt jedoch an ihren unver-
die Achtung der Menschenrechte insgesamt                            bindlichen 15 „konkreten und praktikablen Akti-
voranzubringen: Statt Garantien nur noch an                         onen“ vom Februar 2018 fest. Ausnahmeklauseln

2
    https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/11/2017-05-24_NAP-Umsetzung-AWF_Vorschl%C3%A4ge-NGOs_k.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
             für Wirtschaft und Menschenrechte –
             eine magere Halbzeitbilanz

zum Schutz der Menschenrechte, menschen-                               2019 und von Januar bis April 2020 die repräsen-
rechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen,                         tativen Erhebungsphasen, bei denen die zuvor
Beschwerdeverfahren für Betroffene und Sank-                           entwickelten Bewertungskriterien auf repräsen-
tionsmöglichkeiten, wie von den NRO3 vorge-                            tative Stichproben von 375 - 400 Unternehmen
schlagen wurde, gehören nicht dazu.                                    angewandt werden sollen. Entscheidend für eine
                                                                       Gesetzesinitiative ist laut NAP allein das Ergebnis
                                                                       der Erhebung von 2020.

II. Die Verantwortung der                                              Der DGB, das CorA-Netzwerk für Unternehmens-
Unternehmen, die Menschenrechte                                        verantwortung, das Forum Menschenrechte
zu achten                                                              und VENRO befürchten, dass das Monitoring auf
                                                                       Grundlage der Methodik des Konsortiums und
Monitoring                                                             der Intransparenz des Prozesses keine ausrei-
Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und                           chende und belastbare Grundlage zur Beurtei-
Menschenrechte beschreibt die menschen-                                lung der menschenrechtlichen Sorgfalt deut-
rechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen                         scher Unternehmen liefern wird. Wir bedauern,
gemäß den UN-Leitprinzipien. Er formuliert                             dass das Konsortium und der zuständige Inter-
die klare Erwartung, dass alle Unternehmen                             ministerielle Ausschuss (IMA) der Bundesregie-
entsprechende Prozesse einführen und auch in                           rung viele Verbesserungsvorschläge zu einem
ihren Auslandsgeschäften auf die Einhaltung der                        früheren Entwurf des Inception Reports abge-
Menschenrechte achten. Bis 2020 sollen mindes-                         lehnt haben. Die Aussagekraft, Wissenschaft-
tens die Hälfte aller Unternehmen mit mehr als                         lichkeit, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit
500 Mitarbeiter*innen die menschenrechtlichen                          des Monitorings stellen wir aufgrund folgender
Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmenspro-                            Schwachpunkte in Frage:
zesse integriert haben. Dies soll ab 2018 stichpro-
benhaft überprüft werden. Bei Verfehlung der                           • Die Anonymität der befragten Unternehmen
Zielmarke sollen weitere Schritte, einschließlich                        macht es der Zivilgesellschaft unmöglich, ihre
gesetzlicher Vorgaben, geprüft bzw. laut Koali-                          Informationen über die Unternehmen ein-
tionsvertrag eingeführt werden. Unterstützung                            fließen zu lassen und die Bewertung zu über-
erhalten Unternehmen durch einen Helpdesk,                               prüfen.
den das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung eingerichtet                            • Es werden nur Unternehmen einbezogen, die
hat.                                                                     freiwillig an der Befragung teilnehmen, was zu
                                                                         einer systematischen Verzerrung der Ergeb-
Im Mittelpunkt der bisherigen NAP-Umsetzung                              nisse führen kann.
stand daher das Monitoring, inwieweit die großen
Unternehmen bis 2020 die Erwartungen der                               • Es werden nur die Verfahren der Unternehmen
Bundesregierung erfüllen. Ein Konsortium aus                             überprüft, wobei bislang offen ist, inwiefern die
Ernst & Young (EY), Systain Consulting, adelphi                          bloße Existenz eines Verfahrens ausreicht oder
und focusright erhielt von der Bundesregierung                           ob auch dessen Qualität erfasst wird. Die zen-
im Frühsommer 2018 den Auftrag, eine Methode                             trale Frage, ob die Verfahren vor Ort Wirksam-
zu entwickeln und die Erhebung durchzuführen.                            keit entfalten, wird überhaupt nicht betrachtet.
Das Konsortium hat Ende August 2018 die vierte
und finale Fassung des sogenannten Inception                           • Das Format des Fragebogens mit starkem
Reports vorgelegt, in dem die Methodik für das                           Fokus auf Multiple-Choice-Fragen macht es
Monitoring beschrieben wird. Auf die laufende                            Unternehmen einfach, „erwünschte“ Ant-
explorative Phase folgen von März bis September                          worten zu geben. Welche individuellen Risiken

3
    www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/04/2018-04-06_Positionspapier-NRO-zu-Nachhaltigkeitskapiteln_final.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
             für Wirtschaft und Menschenrechte –
             eine magere Halbzeitbilanz

     ein Unternehmen identifiziert hat und wie es                   lungsanleitungen zu befördern, wird u. a. davon
     diesen konkret begegnet, wird nach derzei-                     abhängen, ob die Workshops auf Grundlage kon-
     tigem Stand nicht abgefragt.                                   kreter Lösungsvorschläge der Bundesregierung
                                                                    stattfinden.
• Ob die Plausibilität der Unternehmens-
  antworten ernsthaft geprüft wird, bleibt                          Parallel zu den Dialogveranstaltungen haben die
  zweifelhaft. Zwar will das Konsortium die Un-                     Bundesministerien für wirtschaftliche Zusam-
  ternehmen auf die Möglichkeit hinweisen,                          menarbeit (BMZ) und für Ernährung und Land-
  Dokumente zur Erläuterung ihrer Aussagen                          wirtschaft (BMEL) – ohne vorherige Absprache
  einzureichen. Dies bleibt jedoch optional. So                     mit dem IMA oder der AG Wirtschaft und Men-
  werden Widersprüche zur Realität nur in den                       schenrechte – Dialogprozesse zu Nachhaltigen
  wenigen Fällen auffallen, in denen öffentlich                     Agrarlieferketten und Nachhaltigen Agrarroh-
  zugängliche Dokumente vorliegen.                                  stoffen initiiert. Der Nutzen dieser Veranstal-
                                                                    tungen erscheint bisher zweifelhaft, da völlig
• Es ist noch vollkommen ungeklärt, wie die                         unklar ist, wie daraus Handlungsanleitungen
  verschiedenen Umsetzungsniveaus bewertet                          entstehen und wie verbindlich diese sein sollen.
  werden, und es steht zu befürchten, dass                          Zudem besteht bei der Zivilgesellschaft die
  Unternehmen das Monitoring selbst dann                            Sorge, dass so Prozesse gedoppelt werden. Da
  bestehen können, wenn sie zu einzelnen Ele-                       die Teilnahme an einer Flut von Dialogprozessen
  menten der Sorgfaltspflicht überhaupt nichts                      und Multi-Stakeholder-Foren weder für die Zivil-
  vorzuweisen haben.                                                gesellschaft noch für die Wirtschaft zu bewäl-
                                                                    tigen ist, schlagen wir vor, dass die Bundesminis-
Eine ausführliche Kritik des Monitorings ist zu                     terien sich zunächst untereinander abstimmen
finden unter: www.cora-netzwerk.de 4                                und an vorhandene Prozesse anknüpfen. In
                                                                    Bereichen, wo bereits national oder international
Branchenspezifische Handlungsanleitungen                            akzeptierte Leitfäden vorliegen (zum Beispiel
Zur Identifikation von besonders relevanten Risi-                   Due Diligence Guidances der OECD), sollte die
kobranchen und –regionen in den Liefer- und                         Bundesregierung keine zusätzlichen Dialog-
Wertschöpfungsketten der deutschen Wirt-                            prozesse initiieren. Auch in anderen Sektoren ist
schaft soll laut NAP eine Studie durchgeführt                       immer sorgsam zu prüfen, ob Dialogprozesse
werden. Diese soll vom Bundesministerium für                        das effektivste Mittel sind, Verbesserungen für
Arbeit und Soziales (BMAS) in Auftrag gegeben                       die Betroffenen von Menschenrechtsverstößen
werden; die Ergebnisse sollen im Sommer 2019                        zu erreichen.
vorliegen. Auf deren Basis sollen mit Hilfe von
Multi-Stakeholder-Foren branchenspezifische
Handlungsanleitungen und Best-Practice-Bei-
spiele erarbeitet werden. Im Vorfeld griff die Bun-                 III. Zugang zu Abhilfe
desregierung die Anregung der AG Wirtschaft                         und Wiedergutmachung
und Menschenrechte auf, Querschnittsthemen
wie den Rohstoffbezug über Börsen, Beschwer-                        Bereits der NAP selbst ist in Bezug auf den
demechanismen, Fragen des Kartellrechts und                         Zugang zu Abhilfe, die sogenannte dritte Säule
der Vertragsgestaltung in vorgelagerten Dialog-                     der UN-Leitprinzipien, sehr schwach. Es wurde
veranstaltungen zu diskutieren. Die erste Ver-                      die Stärkung der Nationalen Kontaktstelle (NKS)
anstaltung, zum Thema Börsen und Rohstoff-                          als außergerichtliche Beschwerde-Instanz ange-
handel, hat inzwischen stattgefunden. Inwiefern                     kündigt, die zwischenzeitlich erfolgt ist. Doch
diese Fachveranstaltungen den Anspruch                              wurden die Vorschläge der Zivilgesellschaft, die
erfüllen werden, branchenübergreifende Hand-                        NKS aus dem Wirtschaftsministerium auszuglie-

4
    http://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/12/2018-12-20_NAP_Stellungnahme-Monitoring_CorA-DGB-ForumMR-VENRO.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
           für Wirtschaft und Menschenrechte –
           eine magere Halbzeitbilanz

dern oder ein Stakeholder-Aufsichtsgremium                             Fazit
einzurichten, nicht aufgegriffen. Inwiefern bis                        Bereits mit dem NAP selbst hat die Bundes-
2019 nur der Beschwerdeleitfaden überarbeitet                          regierung keinen Mut zu Verbindlichkeit bei
und ein Interministerieller Ausschuss einge-                           der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirt-
richtet wird oder ob weitere strukturelle Verän-                       schaft und Menschenrechte aufgebracht, wie
derungen vorgenommen werden, ist offen. Die                            NRO8 und DGB9 kritisierten. Nun zeigt sich
neu eingeführte Hinterbliebenenentschädigung                           auch bei der Umsetzung des NAP mangelnde
wird nur in den seltensten Fällen für Betroffene                       Konsequenz. In zentralen Bereichen der staat-
aus dem Ausland zugänglich sein.                                       lichen Schutzpflicht – Außenwirtschaftsförde-
                                                                       rung, öffentliche Beschaffung, Handelsabkom-
Darüber hinaus plant das Justizministerium                             men – erfolgten bisher nur Trippelschrittchen
derzeit eine Reform des Sanktionsrechts für                            in Richtung Sichtbarmachung der menschen-
Unternehmen. In Fällen, in denen aus dem Unter-                        rechtlichen Verantwortung. Weitergehende
nehmen heraus Straftaten wie Betrug, Korrup-                           Maßnahmen scheiterten bisher am Widerstand
tion oder Umweltdelikte begangen werden, soll                          oder der Inaktivität der beteiligten Ministerien,
künftig das Unternehmen selbst belangt werden                          insbesondere des Bundeswirtschaftsministeri-
können, anstatt nur einzelne Personen im Unter-                        ums. Verbesserungen beim Rechtszugang sind
nehmen. Dies könnte ein Schritt in die richtige                        auch nach zwei Jahren noch nicht einmal dis-
Richtung sein. Die Zurechnung von Straftaten                           kutiert worden. Das Monitoring, inwieweit die
sollte jedoch auch bei typischen Gefahren für                          großen Unternehmen Deutschlands ihre men-
Betroffene im Ausland gewährleistet sein, wie                          schenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen, soll in
Körperverletzungen, fahrlässige Tötung, sexuelle                       völliger Anonymität erfolgen, beschränkt sich
Übergriffe etc. Die meisten weiteren Maßnahmen                         auf formale Verfahren und klammert die Frage
des NAP umfassen vor allem Öffentlichkeitsar-                          nach deren Wirksamkeit aus. Zu branchenspezi-
beit. Diese reicht jedoch bei weitem nicht aus, wie                    fischen Handlungsanleitungen, die den Unter-
das Verfahren gegen KiK5 wegen des Brandes                             nehmen Orientierung geben könnten, gibt es
bei ihrem Zulieferer Ali Enterprises in Pakistan                       parallele Dialogprozesse von mehreren Minis-
zeigt, das möglicherweise wegen Verjährung6                            terien, die augenscheinlich wenig abgestimmt
eingestellt werden wird.                                               sind und sich teilweise doppeln.

Im NAP fehlen dringend notwendige Maßnah-                              Statt weiterhin auf Dialogforen und die Suche
men, um die hohen Hürden beim Rechtszugang                             nach Konsens mit der Wirtschaft zu setzen,
abzubauen. Dazu gehören z. B. die Möglichkeit                          erwarten wir von der Bundesregierung, dass
von Kollektivklagen, Beweislastumkehr, verbes-                         sie klare und verbindliche Vorgaben macht, die
serte Prozesskostenhilfe und die Einführung                            (abgestuft nach Größe und Sektor) für alle Unter-
eines Unternehmensstrafrechts (vgl. Steckbrief                         nehmen gelten. Diese Empfehlung10 richtete im
Schutzlücken schließen7). Für Januar 2019 steht                        Oktober 2018 auch der Sozialausschuss der Ver-
das Thema Rechtszugang nun auf der Tagesord-                           einten Nationen an die Bundesregierung. Auch
nung der AG Wirtschaft und Menschenrechte. Es                          unabhängig vom Monitoring empfahl der
bleibt abzuwarten, ob das BMJV bei der Vorstel-                        VN-Ausschuss der Bundesrepublik, Unterneh-
lung der geplanten Informationsbroschüre auch                          men gesetzlich zur menschenrechtlichen Sorg-
Lücken einräumt oder weiterhin die Ansicht ver-                        falt zu verpflichten.
tritt, dass in Deutschland keine Reformen im Pro-
zessrecht erforderlich sind.

5
  http://ohrh.law.ox.ac.uk/anyone-can-make-claims-is-the-kik-case-proof-of-access-to-remedy-against-corporate-human-rights-violations/
6
  https://www.ecchr.eu/nc/pressemitteilung/anhoerung-im-kik-verfahren-vor-dem-landgericht-dortmund/
7
  https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2015/02/CorA-ForumMR_Steckbrief-Schutzlu%CC%88cken.pdf
8
  https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2017/03/2017-02-06_CorA-ForumMR-VENRO_NAP-Kommentar_%c3%bcberarb.pdf
9
  https://www.dgb.de/themen/++co++8874ecf2-c831-11e6-82ad-525400e5a74a
10
   https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2fC.12%2fDEU%2fCO%2f6&Lang=en
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan
für Wirtschaft und Menschenrechte –
eine magere Halbzeitbilanz

                                      KONTAKT

                                      CorA-Netzwerk für
                                      Unternehmensverantwortung
                                      Stresemannstr. 72, 10963 Berlin
                                      Heike Drillisch:
                                      heike.drillisch@cora-netz.de
                                      Tel. 030 – 2888 356 989

                                      DGB
                                      Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
                                      Frank Zach:
                                      frank.zach@dgb.de
                                      Tel. 030 – 240 60 531

                                      Forum Menschenrechte
                                      Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
                                      Cornelia Heydenreich:
                                      heydenreich@germanwatch.org
                                      Tel. 030 – 2888 356 4

                                      VENRO
                                      Stresemannstr. 72, 10963 Berlin
                                      Armin Paasch:
                                      armin.paasch@misereor.de
                                      Tel. 0241 – 442 515
Sie können auch lesen