Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte - eine magere Halbzeitbilanz 20.12.2018 - DGB
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Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz 20.12.2018
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz Am 21.12.2016 hat die Bundesregierung nach einem zweijährigen Prozess den Nationalen Aktions- plan Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedet. Das Forum Menschenrechte, VENRO, der DGB sowie das CorA-Netzwerk für Unternehmensver- antwortung haben sich intensiv in die Entstehung und die Umsetzung des NAP eingebracht. Die Zwischenbilanz dessen, was mit dem NAP bisher an konkreten Verbesserungen erreicht wurde, fällt jedoch ernüchternd aus. Ein Interministerieller Ausschuss (IMA) unter Federführung des Auswärtigen Amtes ist für die Umsetzung des NAP zuständig. Die AG Wirtschaft und Menschenrechte des CSR-Forums begleitet die Umsetzung, wird vom IMA informiert und unterbreitet ihm Vorschläge. Der AG Wirtschaft und Menschenrechte gehören u. a. das Forum Menschenrechte, VENRO und der DGB an. Diese umfang- reiche Beteiligung der Ministerien und der Stakeholder begrüßen wir. Im Folgenden gehen wir auf einige zentrale Elemente des NAP ein und bewerten die bisherige Umsetzung. Wir orientieren uns dabei an den drei Säulen der UN-Leitprinzipien, die auch dem NAP zugrunde liegen: der Schutzpflicht des Staates; der Verantwortung der Unternehmen, die Menschen- rechte zu achten; sowie dem Zugang zu Abhilfe. I. Die staatliche Schutzpflicht Öffentliche Vergabe In Bezug auf die öffentliche Beschaffung hat IAO-Übereinkommens Nr. 94 über die Arbeits- es die Bundesregierung bei der - parallel zur klauseln in den von Behörden abgeschlossenen NAP-Entwicklung - stattfindenden Umsetzung Verträgen gefordert. Danach müsste die öffent- der entsprechenden EU-Richtlinie vermieden, liche Hand bei der öffentlichen Vergabe vom menschenrechtliche Mindestkriterien für die bietenden Unternehmen die Einhaltung von öffentliche Vergabe verbindlich zu machen. Sie Sozialstandards (orientiert an repräsentativen versprach aber im NAP einen Stufenplan, um Tarifverträgen und staatlichen Regelungen) dieses Ziel zu erreichen. Das CorA-Netzwerk verlangen. Aufgegriffen hat die Bundesregie- unterbreitete detaillierte Anforderungen an eine rung bisher keinen dieser Vorschläge. Für 2019 sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung1: plant sie im Rahmen des „Maßnahmenpro- So sollte die Bundesregierung konkrete Zielvor- gramms Nachhaltigkeit“, Zielsetzungen für gaben für die Auftragsvergabe in menschen- weitere Produktgruppen aufzunehmen. Mit der rechtlich kritischen Produktgruppen beschließen Entwicklung des angekündigten Stufenplans und über deren Erreichung jährlich berichten. hat sie zwei Jahre nach Verabschiedung des NAP Unternehmen sollten zu einer besseren Nach- nicht einmal begonnen. Wirtschaftsministerium weisführung über die Einhaltung menschen- und Auswärtiges Amt haben lediglich ange- rechtlicher Kriterien verpflichtet werden. kündigt, zu diesem Thema eine interne Sitzung Verstöße gegen menschen- oder arbeitsrecht- anzuberaumen – das Ergebnis ist noch offen. liche Verpflichtungen in globalen Lieferketten sollten in das deutsche Wettbewerbsregister Außenwirtschaftsförderung aufgenommen werden, so dass Verstöße auch Die Achtung der Menschenrechte bei der zum Ausschluss von der öffentlichen Vergabe Vergabe von Exportkreditversicherungen führen können. Der DGB hat bereits im Entste- (Hermesbürgschaften) stand mehrfach auf der hungsprozess des NAP die Ratifizierung des Tagesordnung von IMA und AG Wirtschaft und 1 https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/03/CorA_Anforderungen-Beschaffung-NAP_2018-03.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz Menschenrechte. Von zivilgesellschaftlicher Seite Unternehmen zu vergeben, die menschen- wurden konkrete Vorschläge zur Umsetzung rechtliche Sorgfaltsverfahren unternehmens- der NAP-Maßnahmen bei der Außenwirtschafts- weit etabliert haben, prüft die Bundesregierung förderung2 eingebracht. Das Wirtschaftsminis- Menschenrechte weiterhin nur projektbezogen. terium weigert sich jedoch weiterhin, die über- fällige Ausrichtung der staatlichen Garantien an Handels- und Investitionsschutzabkommen den Menschenrechten glaubhaft vorzunehmen. Um die menschenrechtliche Kohärenz von Zwar haben Menschenrechtaspekte nun - wie Handels- und Investitionsabkommen zu sichern, vorab zugesichert - größere Sichtbarkeit auf hatte die Bundesregierung im NAP angekün- der Website und in den Projektfragebögen; digt, innerhalb der EU für eine Weiterentwick- dies hatten die Exportkreditversicherungen auf lung der Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen OECD-Ebene jedoch schon vor Verabschiedung einzutreten: „Insbesondere sollen umfassende des NAP vereinbart. Auch die Aufwertung der Folgenabschätzungen vor Verhandlungsbeginn Nationalen Kontaktstelle (NKS, siehe Abschnitt durchgeführt werden, um so zu garantieren, III) als zentrale Beschwerde-Instanz, die im NAP dass die Ergebnisse der Prüfung in Verhand- angekündigt worden war, hat wenig Effekt, da lungen einfließen können.“ In der AG Wirtschaft bereits zuvor Hermesbürgschaften betreffende und Menschenrechte stellte das BMWi diese Beschwerden bei der NKS eingereicht werden Formulierung jedoch als ein Missverständnis konnten. Die große Intransparenz über bewil- dar. Die Folgenabschätzungen sollten nicht vor ligte Bürgschaften, über die daran geknüpften Verhandlungsbeginn, sondern während der Auflagen sowie über Monitoringberichte wurde Verhandlungen durchgeführt werden. Statt der aber aufrechterhalten. Inwieweit die eigentlichen versprochenen Reform hält die Bundesregierung Prüfverfahren verbessert wurden, lässt sich von demnach an dem Status Quo fest, so dass die außen nicht nachvollziehen, da das Wirtschafts- Ergebnisse der Folgenabschätzung erst kurz vor ministerium die angeblich verbesserten Prüfkri- Unterzeichnung bekannt werden und folgenlos terien immer noch nicht veröffentlicht hat. bleiben. In seinen Abschließenden Beobach- tungen hat der UN-Sozialausschuss die Bundes- Die Praxis bleibt derweilen problematisch: So regierung im Oktober 2018 explizit aufgefordert, bewilligte die Bundesregierung im Mai 2017 ihre Reformankündigung aus dem NAP zu den eine Hermesbürgschaft für die Beteiligung eines Folgenabschätzungen umzusetzen. deutschen Exporteurs an einem Gasprojekt auf der Yamal-Halbinsel im Norden Russlands, Darüber hinaus wollte die Bundesregierung obwohl dieses die nomadische Lebensweise und laut NAP innerhalb der EU für „ambitionierte die Lebensgrundlagen der dortigen indigenen Nachhaltigkeitskapitel“ in Handelsabkommen Rentierzüchter*innen zu zerstören droht. Dass eintreten. Noch deutlicher forderte sie im Koaliti- dieses Projekt für förderungswürdig befunden onsvertrag „verbindliche soziale, menschenrecht- wurde, zeigt die mangelnde Bereitschaft der liche und ökologische Standards in EU-Handels-, Bundesregierung, die UN-Leitprinzipien ernst- Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsab- haft auf die Außenwirtschaftsförderung anzu- kommen“. Dennoch versäumte sie es, sich früh- wenden. Zudem vernachlässigt die Bundesregie- zeitig in eine 2017/18 durchgeführte Konsulta- rung bei ihrer Entscheidung die politischen und tion der EU-Kommission zur Verbesserung der bürgerlichen Rechte in der jeweiligen Region. bisherigen Nachhaltigkeitskapitel einzubringen und sprach sich erst nachträglich für mehr Zugleich versäumt sie es nach wie vor, die Außen- Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitskapitel aus. wirtschaftsförderung als Hebel anzusetzen, um Die EU-Kommission hielt jedoch an ihren unver- die Achtung der Menschenrechte insgesamt bindlichen 15 „konkreten und praktikablen Akti- voranzubringen: Statt Garantien nur noch an onen“ vom Februar 2018 fest. Ausnahmeklauseln 2 https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/11/2017-05-24_NAP-Umsetzung-AWF_Vorschl%C3%A4ge-NGOs_k.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz zum Schutz der Menschenrechte, menschen- 2019 und von Januar bis April 2020 die repräsen- rechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, tativen Erhebungsphasen, bei denen die zuvor Beschwerdeverfahren für Betroffene und Sank- entwickelten Bewertungskriterien auf repräsen- tionsmöglichkeiten, wie von den NRO3 vorge- tative Stichproben von 375 - 400 Unternehmen schlagen wurde, gehören nicht dazu. angewandt werden sollen. Entscheidend für eine Gesetzesinitiative ist laut NAP allein das Ergebnis der Erhebung von 2020. II. Die Verantwortung der Der DGB, das CorA-Netzwerk für Unternehmens- Unternehmen, die Menschenrechte verantwortung, das Forum Menschenrechte zu achten und VENRO befürchten, dass das Monitoring auf Grundlage der Methodik des Konsortiums und Monitoring der Intransparenz des Prozesses keine ausrei- Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und chende und belastbare Grundlage zur Beurtei- Menschenrechte beschreibt die menschen- lung der menschenrechtlichen Sorgfalt deut- rechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen scher Unternehmen liefern wird. Wir bedauern, gemäß den UN-Leitprinzipien. Er formuliert dass das Konsortium und der zuständige Inter- die klare Erwartung, dass alle Unternehmen ministerielle Ausschuss (IMA) der Bundesregie- entsprechende Prozesse einführen und auch in rung viele Verbesserungsvorschläge zu einem ihren Auslandsgeschäften auf die Einhaltung der früheren Entwurf des Inception Reports abge- Menschenrechte achten. Bis 2020 sollen mindes- lehnt haben. Die Aussagekraft, Wissenschaft- tens die Hälfte aller Unternehmen mit mehr als lichkeit, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit 500 Mitarbeiter*innen die menschenrechtlichen des Monitorings stellen wir aufgrund folgender Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmenspro- Schwachpunkte in Frage: zesse integriert haben. Dies soll ab 2018 stichpro- benhaft überprüft werden. Bei Verfehlung der • Die Anonymität der befragten Unternehmen Zielmarke sollen weitere Schritte, einschließlich macht es der Zivilgesellschaft unmöglich, ihre gesetzlicher Vorgaben, geprüft bzw. laut Koali- Informationen über die Unternehmen ein- tionsvertrag eingeführt werden. Unterstützung fließen zu lassen und die Bewertung zu über- erhalten Unternehmen durch einen Helpdesk, prüfen. den das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingerichtet • Es werden nur Unternehmen einbezogen, die hat. freiwillig an der Befragung teilnehmen, was zu einer systematischen Verzerrung der Ergeb- Im Mittelpunkt der bisherigen NAP-Umsetzung nisse führen kann. stand daher das Monitoring, inwieweit die großen Unternehmen bis 2020 die Erwartungen der • Es werden nur die Verfahren der Unternehmen Bundesregierung erfüllen. Ein Konsortium aus überprüft, wobei bislang offen ist, inwiefern die Ernst & Young (EY), Systain Consulting, adelphi bloße Existenz eines Verfahrens ausreicht oder und focusright erhielt von der Bundesregierung ob auch dessen Qualität erfasst wird. Die zen- im Frühsommer 2018 den Auftrag, eine Methode trale Frage, ob die Verfahren vor Ort Wirksam- zu entwickeln und die Erhebung durchzuführen. keit entfalten, wird überhaupt nicht betrachtet. Das Konsortium hat Ende August 2018 die vierte und finale Fassung des sogenannten Inception • Das Format des Fragebogens mit starkem Reports vorgelegt, in dem die Methodik für das Fokus auf Multiple-Choice-Fragen macht es Monitoring beschrieben wird. Auf die laufende Unternehmen einfach, „erwünschte“ Ant- explorative Phase folgen von März bis September worten zu geben. Welche individuellen Risiken 3 www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/04/2018-04-06_Positionspapier-NRO-zu-Nachhaltigkeitskapiteln_final.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz ein Unternehmen identifiziert hat und wie es lungsanleitungen zu befördern, wird u. a. davon diesen konkret begegnet, wird nach derzei- abhängen, ob die Workshops auf Grundlage kon- tigem Stand nicht abgefragt. kreter Lösungsvorschläge der Bundesregierung stattfinden. • Ob die Plausibilität der Unternehmens- antworten ernsthaft geprüft wird, bleibt Parallel zu den Dialogveranstaltungen haben die zweifelhaft. Zwar will das Konsortium die Un- Bundesministerien für wirtschaftliche Zusam- ternehmen auf die Möglichkeit hinweisen, menarbeit (BMZ) und für Ernährung und Land- Dokumente zur Erläuterung ihrer Aussagen wirtschaft (BMEL) – ohne vorherige Absprache einzureichen. Dies bleibt jedoch optional. So mit dem IMA oder der AG Wirtschaft und Men- werden Widersprüche zur Realität nur in den schenrechte – Dialogprozesse zu Nachhaltigen wenigen Fällen auffallen, in denen öffentlich Agrarlieferketten und Nachhaltigen Agrarroh- zugängliche Dokumente vorliegen. stoffen initiiert. Der Nutzen dieser Veranstal- tungen erscheint bisher zweifelhaft, da völlig • Es ist noch vollkommen ungeklärt, wie die unklar ist, wie daraus Handlungsanleitungen verschiedenen Umsetzungsniveaus bewertet entstehen und wie verbindlich diese sein sollen. werden, und es steht zu befürchten, dass Zudem besteht bei der Zivilgesellschaft die Unternehmen das Monitoring selbst dann Sorge, dass so Prozesse gedoppelt werden. Da bestehen können, wenn sie zu einzelnen Ele- die Teilnahme an einer Flut von Dialogprozessen menten der Sorgfaltspflicht überhaupt nichts und Multi-Stakeholder-Foren weder für die Zivil- vorzuweisen haben. gesellschaft noch für die Wirtschaft zu bewäl- tigen ist, schlagen wir vor, dass die Bundesminis- Eine ausführliche Kritik des Monitorings ist zu terien sich zunächst untereinander abstimmen finden unter: www.cora-netzwerk.de 4 und an vorhandene Prozesse anknüpfen. In Bereichen, wo bereits national oder international Branchenspezifische Handlungsanleitungen akzeptierte Leitfäden vorliegen (zum Beispiel Zur Identifikation von besonders relevanten Risi- Due Diligence Guidances der OECD), sollte die kobranchen und –regionen in den Liefer- und Bundesregierung keine zusätzlichen Dialog- Wertschöpfungsketten der deutschen Wirt- prozesse initiieren. Auch in anderen Sektoren ist schaft soll laut NAP eine Studie durchgeführt immer sorgsam zu prüfen, ob Dialogprozesse werden. Diese soll vom Bundesministerium für das effektivste Mittel sind, Verbesserungen für Arbeit und Soziales (BMAS) in Auftrag gegeben die Betroffenen von Menschenrechtsverstößen werden; die Ergebnisse sollen im Sommer 2019 zu erreichen. vorliegen. Auf deren Basis sollen mit Hilfe von Multi-Stakeholder-Foren branchenspezifische Handlungsanleitungen und Best-Practice-Bei- spiele erarbeitet werden. Im Vorfeld griff die Bun- III. Zugang zu Abhilfe desregierung die Anregung der AG Wirtschaft und Wiedergutmachung und Menschenrechte auf, Querschnittsthemen wie den Rohstoffbezug über Börsen, Beschwer- Bereits der NAP selbst ist in Bezug auf den demechanismen, Fragen des Kartellrechts und Zugang zu Abhilfe, die sogenannte dritte Säule der Vertragsgestaltung in vorgelagerten Dialog- der UN-Leitprinzipien, sehr schwach. Es wurde veranstaltungen zu diskutieren. Die erste Ver- die Stärkung der Nationalen Kontaktstelle (NKS) anstaltung, zum Thema Börsen und Rohstoff- als außergerichtliche Beschwerde-Instanz ange- handel, hat inzwischen stattgefunden. Inwiefern kündigt, die zwischenzeitlich erfolgt ist. Doch diese Fachveranstaltungen den Anspruch wurden die Vorschläge der Zivilgesellschaft, die erfüllen werden, branchenübergreifende Hand- NKS aus dem Wirtschaftsministerium auszuglie- 4 http://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2018/12/2018-12-20_NAP_Stellungnahme-Monitoring_CorA-DGB-ForumMR-VENRO.pdf
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz dern oder ein Stakeholder-Aufsichtsgremium Fazit einzurichten, nicht aufgegriffen. Inwiefern bis Bereits mit dem NAP selbst hat die Bundes- 2019 nur der Beschwerdeleitfaden überarbeitet regierung keinen Mut zu Verbindlichkeit bei und ein Interministerieller Ausschuss einge- der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirt- richtet wird oder ob weitere strukturelle Verän- schaft und Menschenrechte aufgebracht, wie derungen vorgenommen werden, ist offen. Die NRO8 und DGB9 kritisierten. Nun zeigt sich neu eingeführte Hinterbliebenenentschädigung auch bei der Umsetzung des NAP mangelnde wird nur in den seltensten Fällen für Betroffene Konsequenz. In zentralen Bereichen der staat- aus dem Ausland zugänglich sein. lichen Schutzpflicht – Außenwirtschaftsförde- rung, öffentliche Beschaffung, Handelsabkom- Darüber hinaus plant das Justizministerium men – erfolgten bisher nur Trippelschrittchen derzeit eine Reform des Sanktionsrechts für in Richtung Sichtbarmachung der menschen- Unternehmen. In Fällen, in denen aus dem Unter- rechtlichen Verantwortung. Weitergehende nehmen heraus Straftaten wie Betrug, Korrup- Maßnahmen scheiterten bisher am Widerstand tion oder Umweltdelikte begangen werden, soll oder der Inaktivität der beteiligten Ministerien, künftig das Unternehmen selbst belangt werden insbesondere des Bundeswirtschaftsministeri- können, anstatt nur einzelne Personen im Unter- ums. Verbesserungen beim Rechtszugang sind nehmen. Dies könnte ein Schritt in die richtige auch nach zwei Jahren noch nicht einmal dis- Richtung sein. Die Zurechnung von Straftaten kutiert worden. Das Monitoring, inwieweit die sollte jedoch auch bei typischen Gefahren für großen Unternehmen Deutschlands ihre men- Betroffene im Ausland gewährleistet sein, wie schenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen, soll in Körperverletzungen, fahrlässige Tötung, sexuelle völliger Anonymität erfolgen, beschränkt sich Übergriffe etc. Die meisten weiteren Maßnahmen auf formale Verfahren und klammert die Frage des NAP umfassen vor allem Öffentlichkeitsar- nach deren Wirksamkeit aus. Zu branchenspezi- beit. Diese reicht jedoch bei weitem nicht aus, wie fischen Handlungsanleitungen, die den Unter- das Verfahren gegen KiK5 wegen des Brandes nehmen Orientierung geben könnten, gibt es bei ihrem Zulieferer Ali Enterprises in Pakistan parallele Dialogprozesse von mehreren Minis- zeigt, das möglicherweise wegen Verjährung6 terien, die augenscheinlich wenig abgestimmt eingestellt werden wird. sind und sich teilweise doppeln. Im NAP fehlen dringend notwendige Maßnah- Statt weiterhin auf Dialogforen und die Suche men, um die hohen Hürden beim Rechtszugang nach Konsens mit der Wirtschaft zu setzen, abzubauen. Dazu gehören z. B. die Möglichkeit erwarten wir von der Bundesregierung, dass von Kollektivklagen, Beweislastumkehr, verbes- sie klare und verbindliche Vorgaben macht, die serte Prozesskostenhilfe und die Einführung (abgestuft nach Größe und Sektor) für alle Unter- eines Unternehmensstrafrechts (vgl. Steckbrief nehmen gelten. Diese Empfehlung10 richtete im Schutzlücken schließen7). Für Januar 2019 steht Oktober 2018 auch der Sozialausschuss der Ver- das Thema Rechtszugang nun auf der Tagesord- einten Nationen an die Bundesregierung. Auch nung der AG Wirtschaft und Menschenrechte. Es unabhängig vom Monitoring empfahl der bleibt abzuwarten, ob das BMJV bei der Vorstel- VN-Ausschuss der Bundesrepublik, Unterneh- lung der geplanten Informationsbroschüre auch men gesetzlich zur menschenrechtlichen Sorg- Lücken einräumt oder weiterhin die Ansicht ver- falt zu verpflichten. tritt, dass in Deutschland keine Reformen im Pro- zessrecht erforderlich sind. 5 http://ohrh.law.ox.ac.uk/anyone-can-make-claims-is-the-kik-case-proof-of-access-to-remedy-against-corporate-human-rights-violations/ 6 https://www.ecchr.eu/nc/pressemitteilung/anhoerung-im-kik-verfahren-vor-dem-landgericht-dortmund/ 7 https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2015/02/CorA-ForumMR_Steckbrief-Schutzlu%CC%88cken.pdf 8 https://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/2017/03/2017-02-06_CorA-ForumMR-VENRO_NAP-Kommentar_%c3%bcberarb.pdf 9 https://www.dgb.de/themen/++co++8874ecf2-c831-11e6-82ad-525400e5a74a 10 https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2fC.12%2fDEU%2fCO%2f6&Lang=en
Zwei Jahre Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – eine magere Halbzeitbilanz KONTAKT CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung Stresemannstr. 72, 10963 Berlin Heike Drillisch: heike.drillisch@cora-netz.de Tel. 030 – 2888 356 989 DGB Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Frank Zach: frank.zach@dgb.de Tel. 030 – 240 60 531 Forum Menschenrechte Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Cornelia Heydenreich: heydenreich@germanwatch.org Tel. 030 – 2888 356 4 VENRO Stresemannstr. 72, 10963 Berlin Armin Paasch: armin.paasch@misereor.de Tel. 0241 – 442 515
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