Die Personalentwicklung der Bundeswehr zwischen Wehrpflicht und Berufsarmee
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Detlef Buch Die Personalentwicklung der Bundeswehr zwischen Wehrpflicht und Berufsarmee Ideen für eine aktuelle Lösungsstrategie Im Sommer 2010 überschlagen sich die Ereignisse um die Entscheidungen für oder gegen die Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland. Im gleichen Atemzug wird offen über eine Verkleinerung der Bundeswehr nachgedacht. Mehrere Modelle werden diskutiert. Von einem grundsätzlichen Modell ist die Rede, welches etwa 160 000 Soldatinnen und Soldaten umfassen soll. Eine Herkulesaufgabe, die in Verbindung mit der Frage nach Aussetzung oder Fortführung der Allgemeinen Wehrpflicht die Gesamtstruktur der Bundeswehr reformieren wird. Demografische Entwicklung All dies findet vor dem Hintergrund der viel zitierten, aber bisher wenig beachteten demografischen Entwicklung statt. Dabei gerät nämlich der vormals positive Nebeneffekt der Nachwuchsgewinnung aus dem Pool an Grundwehrdienstleistenden zu einer entscheidenden Bestimmungsgröße der Wehrpflicht. Er erhält sogar eine so große Bedeutung, dass von einer Einschränkung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands durch Wegbrechen dieses Pools gesprochen werden kann. Somit wird der Nebeneffekt zu einem sicherheitspolitischen „Must“ des Wehrdienstes. Alles das sind Parameter, die eine gründliche Analyse einer möglichen neuen Personalpolitik der Bundeswehr erfordern. Demografie in Zahlen und Fakten Die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland lässt sich insbesondere durch Alterung, Schrumpfung und ethnisch-kulturelle Heterogenisierung kennzeichnen. Was jedoch die Bundeswehr an Rekruten- sowie Freiwilligenpotential benötigt, sind junge deutsche Staatsbürger in einer verhältnismäßig großen Anzahl – also die zu diesen Entwicklungstrends diametrale Zielgruppe.1 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 1 Vgl. Wenke Apt: Demographischer Wandel als Rekrutierungsproblem? Regionale Ungleichheit und unerschlossene Potentiale bei der Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr, swp-aktuell 41/2010, Berlin 2010, S.1. ! 1
Die Bevölkerungsentwicklung im Allgemeinen Die im November 2009 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung2 dokumentiert die absehbaren Veränderungen im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung. Diese bis zum Jahr 2060 reichende Vorausberechnung verdeutlicht sehr gut den auf Deutschland und die Bundeswehr zukommenden absoluten und relativen Bevölkerungs- und Jugendrückgang. Gemäß der Prognosen wird sich die Bevölkerung der Bundesrepublik bis zum Jahr 2060 auf weniger als 65 Millionen Menschen reduzieren. Dabei wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von heute anähernd 46 Millionen auf dann nur noch 27 Millionen Menschen zurückgehen. Dies entspricht einer Reduzierung von über 40 Prozent. Das Durchschnittsalter in Deutschland wird um das Jahr 2050 bei mehr als 52 Jahren liegen. Bereits in den kommenden zehn Jahren wird sich gerade im Bereich der jungen Menschen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, viel tun. Diese Gruppe wird sich um über 15 Prozent reduzieren. Der demografische Faktor wirkt sich negativ auf die Nachwuchsgewinnung der Streitkräfte aus. Schwindende Geburten- zahlen bedeuten ein schrumpfendes Reservoirs an potentiellen Berwerbern. Deshalb sind neue Strategien zu entwickeln, um quantitativ und besonders qualitativ geeignete Bewerber zu finden. © Bundesregierung Die dramatische Nachwuchslage der Bundeswehr Quantität Gemäß dem aktuellen Personalstrukturmodell der Bundeswehr (PSM 2010) werden jährlich etwa 20 000 Neueinstellungen im Bereich der Zeitsoldaten (SaZ) benötigt. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 2 Vgl. Statistisches Bundesamt: 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden 2009. ! 2
Dieser einerseits hohe Bedarf sieht sich andererseits einem sinkenden Bewerber- aufkommen gegenüber. Jedes Jahr zählt das Personalamt der Bundeswehr inzwischen weniger Bewerber für Zeit- und Berufssoldaten. Waren es 2002 noch knapp 56 000 Kandidaten, so sank diese Zahl im vergangenen Jahr auf 42 500. Beispielsweise hat sich die Zahl der Bewerbungen für die Laufbahn der Offiziere um mehr als 16 Prozent verringert. Bei den Unteroffizieren bewarben sich 15 Prozent weniger als noch 2006. Mit einem weiter sinkenden Bewerberaufkommen muss gerechnet werden, da sich in den kommenden Jahren die Jahrgangsstärken um ebenfalls zweistellige Prozentsätze reduzieren werden. Auch unter einem neuen denkbaren „Personalstrukturmodell 160 000“ wird man mit einem jährlichen Neueinstellungs-bedarf von ungefähr 15 000 Soldaten rechnen müssen. Außerdem ist die Bundeswehr mittlerweile auch von dem im zivilwirtschaftlichen Bereich bekannten Problem des Fachkräftemangels betroffen. Für die Bundeswehr bedeutet dies: Sie sieht sich einerseits dem gesamtgesellschaftlichen Trend des Bevölkerungsrückganges, verbunden mit einer erhöhten Beschaffungskonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt – zwischen der privaten Wirtschaft und dem öffentlichen Sektor – aber auch zwischen den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes untereinander gegenüber. Dies in Korrelation gebracht mit dem nachweislich nachlassenden Interesse junger Menschen an technisch-naturwissenschaftlichen Studien- und Ausbildungsgängen, zeigt bereits jetzt schon große Auswirkungen. Es wird immer schwieriger, qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu rekrutieren. Die Bundeswehr sieht sich einem beginnenden Fachkräftemangel bereits in drei Bereichen besonders gegenüber: im Bereich der Bundeswehrärzte, beim fliegenden Personal sowie bei den Bewerbern für den gehobenen und höheren technischen Verwaltungsdienst. Bis 2010 wollte man 3 500 Ärzte in den Reihen der Bundeswehr halten. Von diesem Ziel ist man derzeit weit entfernt. Ähnlich sieht die Lage im Bereich des fliegenden Personals aus. Bei den Transport- und Kampfgeschwadern herrscht bei den Crews eine Unterdeckung von 20 bis 30 Prozent. Egal ob Jet-Pilot, Transall-Flieger oder Angehöriger der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums – Lücken gibt es in allen Bereichen. Anlass zur Sorge macht auch die immer schwieriger werdende Nachwuchssituation im gehobenen und höheren technischen Dienst der Bundeswehrverwaltung. Hier können pro Jahr bis zu 50 Prozent der Bewerber nicht rekrutiert werden. Gerade im Hinblick auf die Nachwuchsgewinnung technischer Fachkräfte sieht sich die Bundeswehrverwaltung in direkter Konkurrenz zum ebenfalls hohen Einstellungsbedarf der Industrie. Diese ! 3
schwierige Situation wird sich angesichts des umschriebenen demografischen Wandels weiter verstärken. Qualität: Der Kampf um die Besten Das Problem geht jedoch noch weiter: Der demografische Wandel, verbunden mit dem „Kampf um die Besten“ kennt auch noch eine andere Einflussgröße. Dieses ist die nachweislich nachlassende Qualität des potentiellen Bewerberpools. Die Kinderarmut in Deutschland ist auf einem Höchststand angelangt. Fast 20 Prozent aller deutschen Kinder leben inzwischen von Hartz IV, die Tendenz ist steigend. Dabei sind die Zusammenhänge von sozialer Herkunft sowie Bildungsstand der Eltern und eigenem Lernvermögen und Bildungsstand spätestens seit den PISA-Studien wissenschaftlich belegt. So schätzt beispielsweise die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass 50 Prozent aller Erstklässler in zehn Jahren unter Legasthenie leiden werden. Gleichzeitig haben wir es mit einem frühen Beginn gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen zu tun. Das führt unter anderm dazu, dass etwa zehn Prozent aller deutschen Kinder unter 14 Jahren bereits unter Adipositas (Fettleibigkeit) leiden. Alles in allem sind das keine Indikatoren, die die Hoffnung nähren, dass sowohl quantitativ als auch qualitativ die Bundeswehr auf längere Sicht auf das Potenzial in Anzahl und Fähigkeiten zurückgreifen kann, das sie für ihre Aufgaben benötigen wird. Der Kampf um die Besten beginnt sehr früh. In Kindergarten und Grundschule schälen sich schon Begabungen und Fähigkeiten heraus. Bundeswehr und gewerbliche Wirtschaft stehen in konkurrenzum den besten Nachwuchs. © Stephanie Hofschlaeger _pixelio.de. ! 4
Innovative Vorschläge Attraktive Wehrpflicht als Anreiz Das Besondere am System der Wehrpflicht ist, dass sie der Bundeswehr im Kampf um den talentierten Nachwuchs und qualifiziertes Personal mit einer Art „Pflicht- Volontariat“ einen unglaublichen Standortvorteil gegenüber dem Rest des zivilwirtschaftlichen und öffentlichen Sektors beschert. Dieses Vorteils beraubt man sich natürlich, wenn die Wehrpflicht ausgesetzt oder gar abgeschafft wird. Natürlich wird es auch bei den Wehrpflichtigen zu einem signifikanten Rückgang der Jahrgangsstärken kommen. Nach einer Hochrechnung des Wehrersatzwesens wird dieser bis zum Jahr 2030 etwa 38 Prozent betragen. Man könnte also durchaus behaupten, dass aus dem Personalpool der Wehrpflichtigen eher eine Personalpfütze wird. Dennoch ist es besser, wenigsten aus dieser Pfütze schöpfen zu können als aus gar keinem Reservoir. Dabei kommt es natürlich in besonderem Maße darauf an, den sechsmonatigen Grundwehrdienst so zu gestalten, dass dieser weiterhin die Attraktivität besitzt, um als Rekrutierungsgrundlage dienen zu können. Die zur Zeit diskutierten und inzwischen getroffenen Entscheidungen zur Dauer der Wehrpflicht spiegeln diesen Zweck bisher nicht in ausreichendem Maße wider, weil das grundsätzlich mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Wehrpflicht einhergeht. Verkürzter Grundwehr- dienst oder freiwilliger Wehrdienst sind Optionen, das Bewerberpotential der Grundwehrdienst- leistenden für die Nachwuchsgewinnung zu erhalten. Die Attraktivität der Bundeswehr ist zu steigern, um den jungen Leuten eine planbare und sichere Berufspersspektive zu vermitteln. © Bundeswehr/Mediendatenbank ! ! ! ! 5
Hierzu gehört eine Ausrichtung auf die wahrscheinlichsten und für junge Menschen vorstellbaren Einsatzszenarien, wie die Hilfe bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen, die das Grundgesetz zulässt. Darüber hinaus sorgen die anberaumten acht Einberufungstermine im Jahr in ihrer Außenwirkung eher für Verwirrung und Planungsunsicherheit. Junge Menschen, die sehr bewusst ihre berufliche Perspektive planen und diese aus unterschiedlichen Modulen zusammensetzen, wollen den Sinn und Zweck sowie die Planbarkeit jedes einzelnen Moduls für ihre berufliche Vita verstanden wissen. In die gleiche Richtung gehen die unterschiedlichen Ansätze eines teilstreitkraftspezifischen Grundwehrdienstes. Es ist für junge Menschen nicht nachvollziehbar, was sie bei welcher Teilstreitkraft konkret erwartet und ob das vermittelte Bild zu dem passt, was sie im Anschluss daran in einer Laufbahn als Freiwilliger in dieser Teilstreitkraft erwartet. Zudem legt der internationale Vergleich aller NATO- und EU-weit getroffenen Entscheidungen zur Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht nahe, dass es eines umfassenden Kommunikationskonzeptes zur nachvollziehbaren Sinnvermittlung des Wehrpflichtgedankens in einer Zeit bedarf, in der eher kleine, spezialisierte und professionalisierte Streitkräfte gefragt sind. Unterbleibt diese Sinnvermittlung, misslingt in der Regel nicht nur die unter der demografischen Perspektive so notwendige Nachwuchsgewinnung mittels Wehrpflicht, sondern die Wehrpflicht verliert stark an gesellschaftlicher und politischer Relevanz und könnte im Endeffekt zwischen den Mühlsteinen politischer Entscheidungsmechanismen zermahlen und abgeschafft werden. Dann hätte man erst recht nichts mehr von ihrem positiven Effekt auf die Nachwuchsgewinnung.3 Ideen, Maßnahmen und Strategien einer modernen Personalentwicklung Öffnung und Flexibilisierung der Nachwuchsgewinnung Mehr als bisher müsste darüber nachgedacht werden, die Bundeswehr für ausländische Fachkräfte zu öffnen. Auch wenn die Einstellungsvoraussetzungen für Zeit- und Berufssoldaten derzeit noch vorschreiben, dass man Deutscher im Sinne des Grundgesetzes sein muss, scheint sich die Notwendigkeit der Einstellung ausländischer Fach- und Führungskräfte zur Aufrechterhaltung der zukünftigen Einsatzfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Bundeswehr fast aufzudrängen. Ein unkonventioneller Weg wäre, !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 3 Vgl. Detlef Buch: Der Kampf um die Besten erreicht die Bundeswehr, in: Europäische Sicherheit, Nr. 7/2009, S. 89f. ! 6
das Beamtensystem der Zeit- und Berufssoldaten aufzuweichen und teilweise in ein Angestelltensystem zu überführen. So würde man ausländischen Fachkräften die Möglichkeit anbieten können, mit einem Zeitvertrag versehen den Dienst in der Bundeswehr zu leisten, flexibel das Beschäftigungsverhältnis zu beenden und auf jeden Fall der Bundeswehr über eine bestimmte Zeit lang gedient zu haben. Dies würde auch dem seit Jahren andauernden Trend der Internationalisierung der Bevölkerung in der Bundesrepublik entsprechen. Personalbindung verstärken Der Bundeswehr muss es gelingen, auch über nicht-monetäre Anreize die Bewerber noch stärker als bisher an das „System Bundeswehr“ zu binden. Gerade von Fach- und Führungskräften – das sind die Unteroffiziere und Offiziere der Bundeswehr – ist bekannt, dass Berufszufriedenheit weniger über finanzielle Aspekte erreicht wird als durch flexible Arbeitszeitmodelle und die Verwertbarkeit des Dienstes im Hinblick auf die gesamte Lebensarbeitszeit. Häufigste Forderungen sind demnach ein Ausstieg auf Zeit in Form eines Sabbaticals, die Erlangung akademischer Zusatzqualifikationen und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch eben solche flexiblen Arbeitszeitmodelle. Zivile Unternehmen stellen sich darauf ein, indem sie systematisch Programme entwickeln, die klare Voraussetzungen für die Nutzung und Laufzeiten und damit hohe Transparenz für das Personal schaffen. Weiterbildungsprogramme, Arbeitszeitkonten, unkomplizierte Ausstiege und Wiedereinstiege sorgen für eine Gesamtflexibilisierung der Belegschaft. So muss es gerade für Fach- und Führungskräfte möglich werden, sich flexibel für einen Ausstieg aus dem Unternehmen Bundeswehr zu entscheiden. Das würde das notwendige professionelle Arbeitgeberimage durchaus beflügeln und dafür sorgen, dass in der Außenwirkung der moderne und professionelle Arbeitgeber Bundeswehr auch als solcher wahrgenommen wird.4 Kooptation – Sicherheitspolitik ins Private tragen Ein Verfahren, welches diesen Ansprüchen gerecht werden könnte, ist das der Kooptation. Dieses beruht darauf, dass wir Freunde und unser privates Umfeld quasi in den Beruf mit einbringen. Der Vorteil ist, dass diese dem aktiven Bundeswehrangehörigen oft nahe stehen und meist auch über ähnliche Kompetenzen verfügen. Das soll heißen, ein IT-Fachmann hat oft Freunde, die sich auch für Computer !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 4 Vgl. Hauke Moje/ Maren Hauptmann: Jenseits der Wehrpflicht! Eine Human-Resources- Strategie für die deutschen Streitkräfte, in: Griephan spezial Nr.2/09, Bonn 2009. ! 7
interessieren, ein Arzt oft solche, die ebenfalls Medizin studieren oder studiert haben. Es wird dann darauf ankommen, diese Freunde zu rekrutieren, nicht im Sinne von Überzeugen, sondern im Sinne von erfolgreich Vermitteln. Das private Umfeld jedes Einzelnen eignet sich nämlich hervorragend, um das Unternehmensimage des Unternehmens Bundeswehr weiterzutragen. Es könnte beispielsweise eine Broschüre erstellt werden, in der die Bundeswehr in aller Kürze vorgestellt wird. Auf der letzten Seite dieser Broschüre könnte sich dann ein abtrennbarer Lebenslauf finden, der schnell ausgefüllt und abgesandt ist. Darüberhinaus müsste es möglich gemacht werden, angemessene Prämien für erfolgreiche Vermittlungen zu bezahlen, um die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen. Kooptation kann aber auch noch einen Schritt weiter gehen. Bereits bei der Bundeswehr tätige, also erfolgreich angeworbene Mitarbeiter, könnten als Botschafter des Unternehmens Bundeswehr gegenüber den Leitungen ihrer bisherigen Bildungseinrichtung auftreten. Es ließen sich so qualitätsvolle Beziehungen entwickeln, Vertrauen aufbauen und ein Netzwerk innerhalb einzelner Bildungseinrichtungen etablieren.5 Tutoring Eine weitere Methode könnte die des Tutoring sein. Die Idee des Tutoring geht weiter als die bisher von Seiten der Bundeswehr angewendete Wehrdienstberatung. Tutoren in diesem hier verstandenen Sinne sollen identifizierte, anerkannte und ausgebildete Wissensvermittler, Anwerber und Personalmanager in einem sein. Ihr Aufgabenfeld beginnt ähnlich wie das der Wehrdienstberater in den berufsbildenden Schulen. Dabei sollten interessierte Schüler von der Schule bis zum Studium begleitet und betreut werden. Daraus folgend sollte man die Möglichkeit eines mehrmonatigen Praktikums im Bereich der Bundeswehr ausbauen. Um das längerfristige Vertrauen von Schulen oder Hochschulen zu gewinnen, sollten darüber hinaus Partnerschaften mit den einzelnen Bildungsträgern angeboten werden. Hier könnten dann zu deren Ausgestaltung unterschiedlichste Aktionen stattfinden, wie zum Beispiel Präsenz bei Schulforen mit Unternehmenspräsentationen des modernen Unternehmens Bundeswehr oder auch Partnerschaften zu Klassen oder Kursen. Von den Tutoren verlangt dies eine enorme Beziehungspflege und pädagogische Arbeit. Gleichzeitig sollten sie als Werbeträger der Bundeswehr im Umfeld oder der Region aktiv tätig !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 5 Vgl. Detlef Buch: 5 plus 1 weiter gedacht: Die Wehrpflicht zwischen Glaubwürdigkeitslücke und Pattsituation! Wege zur höheren Akzeptanz und besseren Verständlichkeit der Wehrpflicht, in: Andreas Ahammer/ Stephan Nachtigall: 5 plus 1: Wehrpflicht der Zukunft im Gesellschaftsdienst, Baden-Baden 2009, S. 133ff. ! 8
werden. So könnten sie beispielsweise verantwortlich sein für gezielte Kommunikationskampagnen in beliebten Radiosendern oder in bekannten Restaurantketten. Ausgestattet mit einem ausreichenden Budget, gestalten sie den kompletten Werberaum ihrer Region. Denn nur sie wissen, welche Tankstellen, Jugendklubs oder Uni-Treffs von den Zielgruppen präferiert werden. Dies impliziert ein flächendeckendes System, angelehnt an die Regierungsbezirksorganisation einiger Bundesländer. Insgesamt müssten sicherlich 100 bis 200 dieser Tutoren bundesweit im Einsatz sein. Potentiale erschließen Die angedeuteten Schwierigkeiten in der militärischen Personalbedarfsdeckung werden zu einer noch stärkeren Überlappung der zivilwirtschaftlichen und militärischen Personalnachfrage führen. Mögliche Anpassungsstrategien, die auch zur Erschließung neuer Rekrutierungspotentiale führen könnten, wären demnach: o Ein Absenken der intellektuellen und körperlichen Anforderungen an Bewerber.6 o Die Anwerbung von Personal, welches noch nicht, die eigentlichen physischen und kognitiven Voraussetzungen erfüllt. Dieses Personal könnte und müsste dann auf Kosten der Bundeswehr durch eine Ausbildung auf das soldatische Anforderungsprofil angehoben werden.7 Diese Ausbildung könnte eine Win- Win-Situation begünstigen. o Eine Ausweitung der Personalwerbung auf die Zielgruppe Angehörige und Eltern. Gerade Eltern und das familiäre Umfeld nehmen erheblichen Einfluss auf die Berufsentscheidung junger Menschen. Wenn sie überzeugt sind vom Soldatenberuf, unterstützen sie ihre Tochter oder ihren Sohn bei der Entscheidung, zur Bundeswehr zu gehen. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 6 Vgl. Detlef Buch: Wehrpflichtverkürzung als Chance für inhaltlichen Neubeginn nutzen, swp- aktuell 63/2009, Berlin 2009. 7 Vgl. Wenke Apt: a.a.O., S.8. ! 9
o Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine damit verbundene Erhöhung der Verweildauer von Soldatinnen und Soldaten in den Streitkräften und auf dem Dienstposten.8 Ausblick Die Personalentwicklung der Bundeswehr steht derzeit am Scheideweg. Getrieben von einer Reihe von Rahmenbedingungen wird es nicht einfach, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es sollte daher deutlich gemacht werden, dass es eigentlich für die Personalgewinnung der Bundeswehr derzeit kontraproduktiv ist, die Wehrpflicht auszusetzen oder abzuschaffen. Ob und wie sicherheitspolitische Erwägungen dann doch diesen Schritt notwendig machen, bleibt davon unberührt. Sollte man dennoch bei einer sechsmonatigen Wehrpflicht bleiben, sollte diese so attraktiv und sinnvoll ausgestaltet sein, dass sie auch weiterhin als Grundlage für eine erfolgreiche Rekrutierung dienen kann. Darüber hinaus sind eine ganze Reihe von Maßnahmen der Personalgewinnung und -bindung vorgeschlagen worden, die aus dem zivilen und oder halbstaatlichen Sektor bekannt sind und dort erfolgreich praktiziert werden. Diese werden in der Bundeswehr nur Erfolg haben, wenn man sich von bestimmten Parametern verabschiedet oder diese zumindest aufweicht. Dazu gehören beispielsweise der sogenannte geschlossene Personalkörper, das quasi Beamtensystem, die notwendige Einstellung von ausländischen Fachkräften aber auch die Flexibilisierung von Verträgen für Zeit- und Berufssoldaten. Diese Maßnahmen, eingebettet in ein attraktives Berufsfeld, könnten die Bundeswehr in eine personaltechnisch gesicherte Zukunft führen. !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 8 Vgl. ebd. ! 10
Autor Dr. phil. Detlef Buch, Oberstleutnant i.G., Jahrgang 1974, Militärsoziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Seine aktuellen Schwerpunkte sind Strategische Kommunikation und Image von Streitkräften. Literatur Andreas Ahammer/Stephan Nachtigall, 5 plus 1, Wehrpflicht der Zukunft im Gesellschaftsdienst, Baden-Baden 2009 Wenke Apt, Demografischer Wandel als Rekrutierungsproblem? Regionale Ungleichheit und unerschlossene Potentiale bei der Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr, swp- aktuell 41/2010, Berlin 2010 Detlef Buch, Der Kampf um die Besten erreicht die Bundeswehr, in: Europäische Sicherheit, Nr. 7/2009, S. 89-90 Detlef Buch, Wehrpflichtverkürzung als Chance für inhaltlichen Neubeginn nutzen, swp- aktuell 63/2009, Berlin 2009 Detlef Buch, Wohin mit der Wehrpflicht? Weisen die Partner wirklich den richtigen Weg? Frankfurt/M. 2010 Hauke Moje/Maren Hauptmann, Jenseits der Wehrpflicht! Eine Human-Resources- Strategie für die deutschen Streitkräfte, in: Griephan spezial Nr.2/09, Bonn 2009 Weiterführende Links www.swp-berlin.org www.bundeswehr-karriere.de www.arbeitsagentur.de ! 11
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