Aktuelles: Depression und Krebs: Achtung auf das richtige Antidepressivum - www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr - Krause und Pachernegg
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Aktuelles: Depression und Krebs: Homepage: Achtung auf das richtige www.kup.at/ Antidepressivum JNeurolNeurochirPsychiatr Fisch S Online-Datenbank mit Autoren- Journal für Neurologie und Stichwortsuche Neurochirurgie und Psychiatrie 2016; 17 (4), 149-150 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Mozar tgasse 10 Preis : EUR 10,–
Seggauer Fortbildungstage 2018 Entzündlicher Formenkreis, Therapieansätze und Pathophysiologie. Individualisierte Arzneimitteltherapie 13. bis 14. Oktober 2018 in Schloss Seggau bei Leibnitz zum Programm
Aktuelles Depression und Krebs: Achtung auf das richtige Antidepressivum S. Fisch für Psychiatrie und Psychopharmakolo- Tabelle 1: Prävalenz von Depression abhängig von der Tumorerkrankung gie in Berlin im Rahmen des Interakti- ven Herbstsymposiums für Psychophar- Tumor Prozentsatz makologie, am 8. Oktober in Wien. „Die Gehirntumor 41–93 % Auswahl sollte im Hinblick auf mög- Pankreaskarzinom bis 50 % lichst weitgehende Interaktionsfreiheit Bronchialkarzinom 11–44 % und geringste Nebenwirkungsrate opti- Mammakarzinom 4,5–37 % miert werden.“ Uterus-, Zervix-, Tubenkar- 23 % zinome Allerdings kann die Auswahl des geeig- Prostatakarzinom 15–24 % neten Antidepressivums das Behand- Kolonkarzinom 13–35 % lungsteam vor erhebliche Herausforde- Lymphom 8–19 % rungen stellen. Dies zeigte sich nicht zuletzt in einer großen kanadischen (adaptiert nach: Massie MJ et al. The prevalence of depression in people with Studie mit 25.000 Brustkrebspatientin- cancer. In: Issane D, Maj M, Sartorius N nen, die 2010 im British Medical Jour- (Eds): Depression and Cancer. Wiley, Chi- nal publiziert wurde [2]. Die Studien- chester 2010 [4]) teilnehmerinnen erhielten eine Therapie mit Tamoxifen, um das Rezidivrisiko Die Prävalenz psychischer Erkrankun- zu senken. Tamoxifen unterdrückt die gen ist bei onkologischen Patienten ge- Östrogenproduktion vollständig. Dies häuft (Tabelle 1). In erster Linie stellen führt zu einem unmittelbaren Eintritt in Depressionen und Angsterkrankungen die Menopause, was das Risiko für das schwerwiegende Probleme dar, die – im Auftreten einer Depression weiter ver- Vergleich zu organisch gesunden Men- stärkt. Studien zufolge erkrankt rund ein schen – zwei bis drei Mal häufiger bei Viertel aller Patientinnen mit Mamma- Tumorpatienten gefunden werden. Das karzinom an einer klinisch manifesten ist zum Einem der Erkrankung an sich Depression [3]. geschuldet, die mit belastenden Thera- pien, deutlichen Einschränkungen in der Exkurs: Cytochrom P450- gewohnten Lebensführung und nicht System selten Todesangst einhergeht. Aber auch che Depression verschlechtert, vielmehr bestimmte Tumoren, wie etwa ZNS-Tu- konnten mehrere wissenschaftliche Stu- Sämtliche fettlöslichen Medikamen- moren, können selbst eine depressive dien inzwischen zeigen, dass eine unbe- te werden über das CYP450-System, Symptomatik generieren, ebenso wie handelte Depression erhebliche Auswir- das hauptsächlich in der Leber ange- einige zur Tumortherapie verwendete kungen auf den somatischen Outcome siedelt ist, verstoffwechselt. Tamoxifen Medikamente (z. B. Tamoxifen). Zudem und die Mortalität zeigt. So wurden in ist zudem ein Prodrug, das erst, nach- produzieren bestimmte Tumoren proin- einer Metaanalyse der British Columbia dem es über die Isoenzyme CYP3A4 flammatorische Zytokine, die zu Verän- University aus 2009 mit rund 9.500 Pa- und CYP2D6 in die aktiven Metaboliten derungen im Hippokampus und am lim- tienten folgende Befunde erhoben [1]: 4-Hydroxytamoxifen sowie 4-Hydro- bischen System führen und Depressio- Die Mortalität bei jenen Krebspatienten, xy-Ndesmethyltamoxifen (Endoxifen) nen auslösen oder verstärken können. die eine depressive Symptomatik auf- verstoffwechselt wurde, therapeutisch wiesen, war gegenüber den Kontrollper- ausreichend wirken kann. „Fast alle an- Depression erhöht sonen um 26 Prozent erhöht. Lag eine tidepressiven Substanzen, die derzeit manifeste Major Depression vor, so er- auf dem Markt sind, insbesondere Se- Mortalität höhte sich die Mortalität auf 39 Prozent. lektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren Keinesfalls sollte eine depressive Symp- (SSRI), sind ebenfalls fettlösliche Sub- tomatik, die im Gefolge einer Krebser- „Depressionen verschlechtern den Ver- stanzen, von denen manche das Isoen- krankung auftritt, unbeachtet bleiben. lauf von Krebserkrankungen und sollten zym CYP2D6 hemmen, z. B. Fluoxe- Denn nicht nur ist die Lebensquali- daher immer behandelt werden“, erläu- tin, aber auch Bupropion, das kein SSRI tät der Erkrankten durch eine zusätzli- terte Dr. Gabriel Eckermann, Facharzt ist“, berichtete Eckermann. „Wird ein J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2016; 17 (4) 149 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Aktuelles Antidepressivum mit CYP2D6-blockie- xifen und Paroxetin während mehr als stellbar. Auch unter http://www.psiac.de render Wirkung wie Paroxetin gleich- 41 Prozent der Zeit der Behandlungs- und http://mediQ.ch finden Interessier- zeitig mit einer Tamoxifen-Behandlung dauer mit Tamoxifen – innerhalb von te eine umfangreiche Datenbank, die In- verabreicht, wird die Bildung des akti- fünf Jahren zu einem zusätzlichen To- teraktionen unterschiedlichster Medika- ven Metaboliten Endoxifen verhindert desfall unter 19,7 Frauen kommt. Die mente auflistet und optimale Substanz- und damit dessen Wirksamkeit bis zur „Number needed to harm“ beträgt 6,9. kombinationen vorschlägt. weitgehenden Wirkungslosigkeit herab- Für die anderen in dieser Studie ver- gesetzt.“ abreichten Antidepressiva konnte die- Das CYP450-System ses Ergebnis nicht nachgewiesen wer- umgehen Dies zeigte sich sehr deutlich in den Er- den. Aufgrund der absoluten CYP2D6- gebnissen der bereits zitierten retros- Hemmung, die von Paroxetin bei der Allgemein empfiehlt Eckermann bei Pa- pektiven Kohortenstudie mit 25.000 Pa- Verstoffwechslung verursacht wurde, tienten mit Polymedikation, so auch bei tientinnen. Alle Studienteilnehmerinnen wurde offenbar die therapeutische Wir- Krebspatienten, Milnacipran als First- waren zuvor noch nicht mit Tamoxifen kung von Tamoxifen praktisch außer line-Therapie: „Dieser Serotonin-Nor- therapiert worden. 7.489 Teilnehmerin- Kraft gesetzt. Wichtig ist hier noch an- adrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist nen erhielten während der Studie zu- zumerken, dass die Zahl der Fluoxetin- nicht primär fett-, sondern wasserlös- sätzlich mindestens ein SSRI. Von der Patientinnen (und das gilt auch für Flu- lich“, erklärt Eckermann. „Daher tan- Analyse ausgeschlossen wurden jene voxamin) in dieser Studie zu klein war, giert Milnacipran das CYP450-System Patientinnen, die mehrere SSRI einnah- um statistisch ein Signal zu generieren. nicht, die Ausscheidung erfolgt weit- men, deren Tamoxifen-Adhärenz ge- Denn es gilt unbestritten, dass auch Flu- gehend renal.“ Die Substanz weist kei- ring war und jene, bei denen die To- oxetin als starker CYP2D6-Inhibitor ne klinisch relevanten pharmakokineti- desursache nicht zu ermitteln war. Die nicht bei Tamoxifentherapie eingesetzt schen Interaktionen auf, sie hat keine in- Primäranalyse inkludierte 2.430 Frau- werden darf. hibitorischen Eigenschaften bzgl. einer en. Die Studienteilnehmerinnen waren Komedikation und auch keine Induk- mindestens 66 Jahre alt, zwischen 1993 Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie tionseffekte sowie keine QTc-verlän- und 2005 mit Tamoxifen behandelt und wird von Experten wie Gabriel Ecker- gernde Wirkung, die von vielen Onko- erhielten gleichzeitig mindestens ein mann, aber auch vom österreichischen logika ausgeht. SSRI-Präparat. Bundesamt für Sicherheit im Gesund- heitswesen explizit von der gleichzeiti- Dies ist auch insofern von Bedeutung, 25,9 Prozent der Frauen (n = 630), die in gen Verordnung von Tamoxifen plus Pa- als ältere Patientinnen und Patienten mit die Primäranalyse eingeschlossen wer- roxetin sowie anderer, stark CYP2D6- Krebs sich meist nicht nur einer onkolo- den konnten, erhielten den SSRI Paro- hemmender SSRI, wie etwa Fluoxetin, gischen Therapie unterziehen, sondern xetin zur Behandlung ihrer depressiven Chinidin, Cinacalcet oder Bupropion, auch Medikamente gegen eine Reihe Symptomatik. In dieser Studie war Pa- abgeraten. Die Fach- und Gebrauchsin- anderer Erkrankungen des höheren Le- roxetin das am häufigsten verordnete formation für Tamoxifen wurde eben- bensalters einnehmen müssen. „Je mehr Antidepressivum. An zweiter Stelle lag falls um diesen Passus ergänzt. Medikamente eine Patientin oder ein Sertralin (22,3 %), gefolgt von Citalo- Patient einnimmt, desto höher ist selbst- pram (19,2 %), Fluoxetin (10,4 %) und Eckermann fügt noch hinzu, dass auch verständlich das Interaktionsrisiko“, Fluvoxamin (7,2 %). der SNRI Duloxetin, der ein CYP2D6- so Eckermann abschließend. „Deshalb Inhibitor ist, nicht bei Tamoxifen einge- sollte bei jeder geplanten Neumedika- 30,2 Prozent der Patientinnen erhielten setzt werden sollte. tion das Risiko für Interaktionen und zusätzlich mindestens ein Antidepressi- unerwünschte Nebenwirkungen genau vum einer anderen Substanzgruppe. Der Wie soll nun aber eine depressive Symp- unter die Lupe genommen, und es soll- primäre Endpunkt der Studie war Tod tomatik, die im Rahmen einer Krebsthe- ten ganz primär, wann immer möglich, durch Brustkrebs oder Tod durch ande- rapie auftritt, richtig therapiert werden? interaktionsarme Medikamente gewählt re Ursache. Den Empfehlungen zufolge sollen Sub- und eingesetzt werden.“ stanzen zum Einsatz kommen, die wenig Das richtige Antidepres- oder gar nicht über das CYP450-Sys- Literatur: tem verstoffwechselt werden. „Es exis- 1. Satin JR et al. Depression as a predictor of disease progres- sivum wählen sion and mortality in cancer patients: a meta-analysis. Cancer tieren inzwischen mehrere Datenban- 2009; 115: 5349–61. Insgesamt verstarben 1.074 Frauen bis ken im Internet, die frei zugänglich sind 2. Kelly CM et al. Selective serotonin reuptake inhibitors and zum Ende des Follow-ups (mittleres und rasch zur richtigen Substanz lei- breast cancer mortality in women receiving tamoxifen: a popu- lation based cohort study. BMJ 2010; 340: c693. Follow-up 2,38 Jahre). Je nachdem, wie ten“, sagt Eckermann. Dazu gehört etwa 3. Fann JR et al. Major depression after breast cancer: a re- lange Tamoxifen und Paroxetin gleich- die Plattform http://depression-krebs.at, view of epidemiology and treatment. Gen Hosp Psychiatry zeitig eingenommen worden waren, er- die Ärzte, eine Pharmazeutin und Arz- 2008; 30-112-26. höhte sich das Mortalitätsrisiko auf- neimittelsicherheitsexperten aus Wien 4. Diplomfortbildung Psychoonkologie 1/2014, Seite 4. grund von Mammakarzinom unter die- erarbeitet haben und an der Eckermann ser Kombination je nach Dauer der Ein- ebenfalls mitwirkte. Die Datenbank nahme um 24, 54 und 91 Prozent. Die ist auf dieser Website auch als Book- Korrespondenzadresse: Studienautoren berechneten, dass es – let mit dem Titel „Antidepressivathe- Sabine Fisch bei gleichzeitiger Einnahme von Tamo- rapie bei onkologischen Patienten“ be- E-Mail: redaktionsbuero@sabinefisch.at 150 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2016; 17 (4)
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