Akzente. 01/2022 Das Leben mit & nach Corona - "Der Weckruf Corona darf nicht ungehört bleiben" - bsa.at
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Akzente. 01 /2022 Schwerpunkt Andreas Mailath-Pokorny Wohin geht es mit Österreich und Das Leben Europa mit & nach Corona Günther Sidl „Der Weckruf Corona darf nicht ungehört bleiben“ Dieter Boyer Das Ende des Tellerrandes
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3 Editorial Wohin geht es mit Österreich und Europa? von BSA-Präsident Andreas Mailath-Pokorny Pandemie, Krieg, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische und der Europäischen Union darstellt. Doch alleine Worte sind Verwerfungen – Österreich steht vor multiplen Herausforderungen. nicht genug. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine- Nicht nur, dass die krisen- und skandalgeschüttelte Krieges und die Nachwehen der Pandemie werden Österreich Bundesregierung aus ÖVP und Grünen von einem personellen und die Gesellschaft noch über Jahre hinweg beschäftigen. Die Wechsel in den nächsten Taumelt, beim Krisenmanagement der im Lebenshaltungskosten sind teilweise dramatisch gestiegen und Frühjahr erneut steigenden Covid19-Infektionszahlen versagt hat, es zeigt sich eine weitere Vertiefung der Kluft zwischen Arm und spitzt sich durch den Krieg in der Ukraine die Situation für Europa Reich. Nicht nur, dass die Energiepreise und die Probleme globaler weiterhin zu. Anstelle einer klaren außenpolitischen Linie ist die Lieferketten zu Ressourcenknappheit führen, gibt es in einigen Regierung, vor allem die ÖVP, mit sich und ihren Skandalen selbst Bereichen bereits Kriegsgewinnler, die aus der Not der Menschen beschäftigt. An konkreten Lösungsvorschlägen, seien diese für die Profit schlagen und durch eine teilweise absurde Preisentwicklung Entlastung der Angestellten in den Gesundheits- und Pflegeberufen, die Teuerung weiter anheizen. Für die Sozialdemokratie ist es für die Lehrkräfte und die vielen Helferinnen und Helfer in der daher umso wichtiger, gerade hier anzusetzen und Maßnahmen Corona-Pandemie, oder aber auch die Verfolgung diplomatischer zur Bekämpfung der Inflation zu ergreifen. Die Pandemie, obschon Schritte als neutrales Land, mangelt es der Spitze der politischen die sinkenden Inzidenzen eine kurzzeitige Verschnaufpause Entscheidungsträger:innen. Diese Fehlentwicklungen und die versprechen, ist nicht vorüber! Die Politik täte gut daran, bereits offenen Fragen auf die Herausforderungen unserer Zeit hat der BSA jetzt die notwendigen Vorkehrungen für eine neue Infektionswelle zum Anlass genommen, am heurigen 1. Mai ein starkes Zeichen für im Herbst zu setzen. Es braucht eine Neuauflage und Ausdehnung Solidarität und Friede zu setzen. An der Seite der SPÖ ist es unsere der Impfkampagne und die Schaffung eines gemeinsamen Aufgabe, inhaltliche Impulse zu setzen und ein Forum für die Bewusstseins über die Gefahren von Covid19 und die Belastungen Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragen zu bieten. durch Long COVID. Gleichzeitig ist es umso notwendiger, die Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert und die Gesellschaft versprochenen Entlastungen durch höhere Löhne und die vollzieht eine schrittweise Anpassung an die neuen Gegebenheit, Ausdehnung an Ausbildungsplätzen für Gesundheits-, Sozial- und wie wir sie in Österreich nach zwei Jahren des Oszillierens zwischen Lehrberufe zu schaffen. Die vielen Herausforderungen unserer wiederkehrenden Lockdowns und (Teil-)Öffnungsschritten Zeit lassen sich nämlich nicht einfach wegapplaudieren, sondern erlebt haben. Die Menschen sind müde und ausgebrannt. Die bedürfen entschlossener sozialdemokratischer Antworten. Anforderungen an jede und jeden von uns, sei es beruflich oder privat, sind nach wie vor enorm. Die Sozialdemokratie hat in ihrer Geschichte bewiesen, dass sich in Zeiten der Erschütterung eine verlässliche Politik des zwischenmenschlichen Miteinanders bewährt hat. Gleichzeitig lehnen wir es ab, in die medial um sich greifende Kriegsrhetorik einzustimmen. Der Angriffskrieg in der Ukraine und die militärische Intervention für die Verteidigung westlicher Werte, lassen manchen vor der Gefahr einer atomaren Eskalation erblinden. Entgegen der sich ausbreitenden Tendenz autoritärer Politikgestaltung, wie wir sie etwa in Ungarn unter Viktor Orban erleben, müssen in Österreich Demokratie und Neutralität Stabilität bieten. Die Ereignisse der Jahre 1956 mit dem Ungarnaufstand, die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, sowie der Jugoslawienkrieg 1991 haben uns vor Augen geführt, dass die Neutralität keine leere Worthülse ist, sondern im Gegenteil ein integraler Garant für Sicherheit und Stabilität in Zentraleuropa DOLESCHAL Dr. Andreas Mailath-Pokorny
Akzente. 01 /2022 4 privat Generalleutnant i. R. Mag. Freyo Apfalter (1951-2022) Traurig und betroffen verabschieden wir uns von unserem Freund GenLt i.R. Mag. Freyo Apfalter, der im 71. Lebensjahr unerwartet von uns gegangen ist. Schon früh bekannte sich Freyo zur Sozialdemokratie. 1977 trat er gemeinsam mit einigen Kameraden der Theresianischen Militärakademie dem BSA bei. Seit 1978 war er auch Mitglied der SPÖ. Im BSA war der Verband sozialdemokratischer Offiziere (VSO) seine Heimat, wo er von 1978 bis 2014 Vorstandsmitglied war und von 1990 bis 2002 die Funktion des Vorsitzenden innehatte. Freyo Apfalter war nicht nur der längst dienende Vorsitzende der Fachgruppe VSO im BSA, sondern auch Gründungsmitglied und Obmann des Klubs kritischer Offiziere, der später im VSO aufging. Nach der Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt folgte ein Studium der Höheren militärischen Führung (Generalstabsausbildung) an der Landesverteidigungsakademie in Wien. Freyo diente u. a. als Lehrgruppenoffizier an der TherMilAk, als Chef des Stabes der 9. Panzergrenadierbrigade und als stellvertretender Leiter der Inspektionsabteilung im BMLV. In den 2000ern war er mehrere Jahre als Verteidigungsattaché ich China tätig und konnte dabei zahlreiche wertvolle Beziehungen aufbauen, die auch für den wirtschaftlichen Austausch der beiden Länder wichtig waren. Wie angesehen der ehemalige österreichische Verteidigungsattaché im Reich der Mitte war, zeigt sich auch daran, dass anlässlich seines Ablebens sowohl der chinesische Botschafter in Österreich wie auch das Auswärtige Amt der nordostchinesischen Stadt Harbin persönliche Kondolenzschreiben an die Familie des Verstorbenen gerichtet haben. 2007 wurde Freyo Apfalter mit der Neuorganisation der Sektion Rüstung und Logistik im BMLV beauftragt, und im Februar 2008 wurde er zum Nationalen Rüstungsdirektor und Leiter der Sektion III für Bereitstellung, die damals größte Sektion im BMLV, ernannt. Durch sein Schaffen und seinen unermüdlichen Einsatz konnte er maßgebliche und nachhaltige sicherheitspolitische Akzente setzen. Die bestmögliche Ausrüstung und die Sicherheit unserer Soldaten im Einsatz waren ihm in seiner Funktion als Nationaler Rüstungsdirektor oberstes Gebot. Seine Tätigkeiten gingen dabei weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Neben seiner fachlichen Kompetenz haben Freyo immer seine Menschlichkeit, sein Charme, sein vielfältiges Interesse an unterschiedlichen Themen und seine Lebensfreude ausgezeichnet. Immerwährend war er um das Personal und um das Wohl des ÖBH bemüht. Dieser Einsatz umfasste auch viele Nächte und Wochenenden. Mit Freyo Apfalter verlieren wir einen besonderen Menschen, Weggefährten, ein BSA-Urgestein - und nicht zuletzt einen Freund. Wir werden Dich nie vergessen und Deine Gesinnung hochhalten! Ein letztes Freundschaft! Unsere ganze Anteilnahme gilt in dieser schweren Zeit seiner Gattin und seinen drei Kindern.
5 Inhalt 6 Corona und die sozialen Folgen 16 Impflicht: Zwischen individueller von Doris Kampus | BSA Steiermark Freiheit und staatlichem Zwang von Ernst Eypeltauer 8 „Der Weckruf Corona darf nicht ungehört bleiben“ 17 Welt nach Corona – von Günther Sidl | EU-Abgeordneter der „Post-Neoliberalismus“ von Kilian Franer 10 Lange Wege – kleine Schritte von Heinrich Himmer | Bildungsdirektor 18 Psychische Gesundheit in Zeiten von Covid-19 12 Interview mit von Katharina Gruber Dr.in Miriam Hufgard-Leitner 19 Buchtipp: Weckruf Corona 14 Die Geschichte vom Ende des Tellerrandes von Dieter Boyer 16 Wie ein Virus eine Gesellschaft verändert von Nora Waldhör w en mehr zum leben. Ihre LEBENSQUALITÄT ist unsere Aufgabe. Kultur, Immobilien, Logistik und Medien: Die Wien Holding schafft Lebensqualität für unsere Stadt. 365 Tage im Jahr zu jeder Zeit an jedem Ort. Für alle Wienerinnen und Wiener. www.wienholding.at 178x120,3_wh_image_0921_rz.indd 1 21.09.21 15:39
Akzente. 01 /2022 6 BSA Steiermark Corona und die sozialen Folgen von Doris Kampus Wer hätte vor knapp mehr als zwei Jahren – im Februar 2020 – Wirtschaftswelt, die sowohl regional und global in einer Weise für möglich gehalten, dass erst ein Textilstück den Zugang zum vernetzt sind, wie es bisher in der modernen Geschichte noch nie öffentlichen Leben ermöglicht – ein Bild, das vielfach nur aus der Fall war. Das hat zum einen die rasante weltweite Ausbreitung Asiens Smogmetropolen bekannt war? Für wen war es vorstellbar, der Krankheit sicherlich begünstigt, zum anderen aber gerade dass Begriffe wie Infektiosität, FFP2-Maske, Sieben-Tages-Inzidenz im Bereich der Entwicklung von Impfstoffen und allgemein im oder PCR-Test in den allgemeinen Wortschatz eingegangen sind medizinischen Kampf gegen COVID-19 zu weltumspannenden und wie selbstverständlich verbreitet in der Alltagskommunikation Forschungsinitiativen – und kooperationen geführt, die binnen verwendet werden? unerwartet kurzer Zeit gleich mehrere, sehr zuverlässige Impfstoffe - wenn auch nicht im gewünschten Umfang, so doch als Signal des Aufbruchs – ermöglicht haben. Was bedeutet dieses Szenario, das auch einem Science Fiction-Roman entnommen sein könnte, für die Politik, egal ob verantwortlich für eine Supermacht, die Europäische Union oder eine Region wie die Steiermark? Vermutlich tritt man niemandem zu nahe, wenn man feststellt, dass tatsächlich niemand in Regierung oder Parlament auch nur im Ansatz zu Beginn der Pandemie eine Vorstellung von jenen Herausforderungen hatte, die entstehen würden. Daher trifft zu, dass vieles, was in den vergangenen Monaten, ganz gleich in welchem Bereich, gegen die Pandemie und ihre Folgen getan wurde, auch Neuland und Lernprozess Peter Drechsler war, bei dem sich Fehlschläge und Erfolge abgewechselt haben. Jedenfalls am Anfang und jedenfalls für die Steiermark kann man allerdings zusammenfassen, dass es eine alle politischen Lager Und weiter: In wessen Fantasie hatte es Platz, dass sich ein großer umfassende Bereitschaft zur Zusammenarbeit gegeben hat, die – Teil der Bevölkerung nicht an seinem bisherigen Arbeitsplatz ebenso natürlich – im Verlauf der Entwicklung von differenzierten befindet, sondern den Arbeitsplatz nach Hause verlegt hat? Zugangsweisen zunehmend geprägt wurde. Wer hielt landesweit geschlossene Schulen für einen in Summe monatelang anhaltenden „Normalzustand“? In welchem Szenario Um im Detail auf die Sozialpolitik einzugehen, sei zunächst darauf fand sich zum damaligen Zeitpunkt die Vorstellung, dass sich verwiesen, dass der Begriff des „Sozialen“ hier durchaus im besorgte Bürgerinnen und Bürger in einer unheiligen Allianz angelsächsischen Sinne weiter gefasst verstanden wird, nämlich mit Verschwörungstheoretikern und politisch Randständigen als Synonym für Gesellschaftspolitik im Ganzen. zu Tausenden zu einem illegalen Spaziergang in der Wiener Innenstadt vereinen und den Sturm auf das Parlament nach Es kann dabei nicht oft und intensiv genug betont werden, dass US-amerikanischem Vorbild herbeifantasieren? Und letztlich sowohl die Gesundheitskrise als auch die Herausforderungen – mit Blick auf das Sozialwesen im Besonderen: Wer hat im im Sozialen besonders Frauen getroffen haben. Es waren und Februar des Jahres 2020 mit einem historischen Einbruch der sind die Frauen, die einen großen Teil der Last dieser Pandemie Wirtschaftsleistung und damit zusammenhängend mit ebenso auf ihre Schultern geladen haben – denken wir dabei nur an den historisch hohen Arbeitslosenzahlen gerechnet? überproportional hohen Anteil von Frauen in Sozial-, Gesundheits- Ohne auch nur im Entferntesten Anspruch auf Vollständigkeit zu und Pflegeberufen, die in den vergangenen Monaten in besonderer erheben, beschreiben diese blitzlichtartigen Betrachtungen, dass Weise gefordert waren und den Staat am Laufen gehalten die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus einen epochalen haben. Hinzu kommt, dass Frauen in vielen Fällen in einem Einschnitt darstellt, dessen Ausmaß sicherlich erst im Rückblick monatelangen Kraftakt ihre berufliche Verpflichtungen mit den tatsächlich zur Gänze erfasst und bewertet werden kann. Betreuungsnotwendigkeiten für ihre Kinder, einschließlich von Home-Schooling und –Teaching, und anderen sozialen Aufgaben Waren die Terroranschläge des 11. September und ihre politischen wie der Pflege von Familienangehörigen unter einen Hut zu bringen Konsequenzen zuallererst auf politisch und militärische Aspekte versuchen mussten. konzentriert, so traf die Spanische Grippe auf eine weitgehend kriegsgeschädigte und –geschwächte Bevölkerung, das aber Zudem waren Frauen besonders von den Folgen der Pandemie fokussiert im Wesentlichen auf Europa, wenngleich die USA der am Arbeitsmarkt betroffen, dies auch deshalb, weil Frauen in Ursprung dieser Pandemie gewesen sein dürften. besonders betroffenen Branchen wie dem Handel, der Gastronomie Das Corona-Virus hingegen traf auf Gesellschaften und eine und der Hotellerie beschäftigt waren oder sind. Gerade die
7 Arbeitsmarktanalysen im Corona-Winter des Jahres 2020/21 mit wochenlangem Lockdowns verdeutlichen diese Entwicklungen in einer drastischen Art und Weise. Keineswegs darf an dieser Stelle auf eine weitere Entwicklung vergessen werden, die alle Sozialpolitikerinnen und –politiker mit großer Sorge erfüllen muss: Frauen wurden auf Grund der spezifischen Situation im Lockdown samt Ausgangssperren öfter zum Opfer häuslicher Gewalt, was sich auch in den Zahlen der Gewaltschutzeinrichtungen und der Frauenhäuser widerspiegelt. Natürlich ist der Arbeitsmarkt jenes Politikfeld, in dem sich die massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie am stärksten zeigen: So war am vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung nahezu jede/r dritte ArbeitnehmerIn durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen, während in den Jahren zuvor regelmäßige neue Rekordwerte bei der Beschäftigung erreicht werden konnten. Bereits zu Beginn der Pandemie hat das Sozialressort ein Maßnahmenpaket für den Peter Drechsler steirischen Arbeitsmarkt geschnürt, das gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice mit 40 Millionen Euro dotiert ist. Zwei Landesrätin Mag. Doris Kampus große Ziele sind damit verbunden: Mit verschiedenen Stiftungsmodellen (Pflege-, die durch die Kinder- und Jugendhilfe Leider haben sich der Vorrat an Klima- und Regionalstiftungen sowie Unterstützung brauchen. In allen Gemeinsamkeiten und die Bereitschaft, unternehmensspezifischen Stiftungen) Bereichen mussten – in unterschiedlicher Einschränkungen zu folgen, erschöpft stehen wirksame Instrumente für eine Intensität – Maßnahmen gesetzt werden, und (zum Teil fragwürdigen) aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung, um trotz der Einschränkungen volle Partikularinteressen Platz gemacht. Es die in Summe mehr als 5.000 Menschen zu Versorgungssicherheit zu gewährleisten. erfüllt jedenfalls mit Sorge, dass das neuen beruflichen Perspektiven verhelfen Corona-Virus nicht nur Schmerzen, können. Mit Blick auf die angeführten Beispiele, Leid und Trauer in Tausenden Familien Zurückblickend auf diese beiden Corona- die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hinterlassen hat, sondern dass es ihm auch Jahre soll freilich ebenso vermerkt werden, erheben, darf resümierend festgestellt zunehmend gelungen ist, wie ein Spaltpilz dass das Sozialsystem zu jedem Zeitpunkt werden, dass dank des großen in unsere Gesellschaft einzudringen und abgesichert und funktionstüchtig war – Engagements aller Beteiligten der Menschen und Meinungen gegeneinander für Menschen in sozialen Notlagen (zum Sozialstaat die Bewährungsprobe der aufzubringen. Wieder mehr Zuhören und Beispiel durch vereinfachte Beantragung Corona-Pandemie gut gemeistert hat. Aufeinander-Zugehen, mehr Argumente von sozialen Leistungen), für Menschen Ebenso ist es freilich zutreffend, darauf und weniger Emotionen wären ein soziales mit Behinderung (u.a. durch Etablierung hinzuweisen, dass der anfängliche Rezept, dass wir uns alle, die guten Willens von Krisenplänen und engster Kooperation Gemeinsinn zur Corona-Bekämpfung einer sind, gegen diese zentrifugalen und mit den Partnerinnen und Partner der immer größer werdende Skepsis in der zerstörerischen Kräfte verschreiben sollten. Behindertenhilfe), aber auch für Kinder Gesellschaft gewichen ist. und Jugendliche in der Steiermark,
Akzente. 01 /2022 8 BSA Niederösterreich Sidl: „Der Weckruf Corona darf nicht ungehört bleiben“ Interview mit Günther Sidl Unser SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Corona hat gezeigt, dass wir uns im Ernstfall Welt von morgen aussehen wird und diese Sidl legt mit seinem Buchprojekt nicht auf die internationalen Produktions- Verantwortung muss sie wahrnehmen. den Finger auf die offenen und Transportketten verlassen können. Da gesellschaftlichen Wunden nach der müssen wir uns in Europa überlegen, welche Die EU-Kommission hat den Corona-Krise. Wie er auf die Idee zu Produktion wieder bei uns stattfinden Klimaschutz mit dem Green Deal schon diesem Buch gekommen ist, was er muss, um die Versorgungssicherheit zu zur Chefsache erklärt – reicht das aus unter echtem Vorsorgedenken versteht gewährleisten. deiner Sicht noch nicht? und welche Chancen die EU jetzt Der Green Deal ist ohne Frage ein wichtiges nutzen muss, verrät er im Interview. Heißt das, wir brauchen Vorhaben, das ich voll unterstütze. Aber ein gesamtwirtschaftliches der Klimawandel endet nicht einfach an Lieber Günther, wie ist die Idee zum Vorsorgedenken? den EU-Außengrenzen – schon gar nicht Buch „Weckruf Corona“ entstanden? Ja, so könnte man es ausdrücken. Im wenn man weiß, dass die EU für rund 16 Die Idee hat sich über längere Zeit Gesundheitssektor ist allen klar, dass Prozent des abgeholzten Regenwaldes aufgebaut, weil sich die gesamte wir keine Pandemie überstehen können, verantwortlich ist. Auch das ist für mich Berichterstattung und auch die politische wenn nicht vorher Krankenhäuser gebaut eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wem Diskussion nur um die akuten Probleme und Personal ausgebildet wurde. Das nützt es, wenn wir uns hier in Europa zum in der Pandemie gedreht haben. Natürlich gilt natürlich genauso im Bereich der Klimaschutzweltmeister erklären, wenn steht es außer Frage, dass das allererste Produktion. Niemand kann innerhalb dafür am anderen Ende der Welt für uns Augenmerk darauf liegen muss, die weniger Wochen eine neue Produktion für die natürlichen Ressourcen ausgebeutet Gesundheit der Menschen zu schützen, Arzneimittel, medizinische Güter oder sogar werden? aber inzwischen liegen mehr als zwei Jahre Impfstoffe aufbauen. Dazu braucht es die Corona hinter uns und es ist höchste Zeit, richtige Infrastruktur und das notwendige dass wir uns mit den langfristigen Folgen Know-how. Und das alles müssen wir jetzt sowie mit den Lehren aus der Pandemie wieder aufbauen, damit es in der nächsten auseinandersetzen. Krise zur Verfügung steht. Ist das nicht auch eine Aufgabe, der Wird der Sonderausschuss wirklich alle sich die EU widmen sollte? diese Probleme lösen können? Ja und da passiert jetzt auch endlich was. Ich hoffe, dass der Sonderausschuss dazu Ich habe schon seit dem Frühjahr 2020 beiträgt, Europa krisensicherer zu machen gefordert, dass das EU-Parlament einen und zur besseren Abstimmung zwischen eigenen Sonderausschuss einsetzt, um den Mitgliedsstaaten führt. Aber es gibt alle Aspekte der Pandemie – von den viele Aspekte denen er sich nicht widmen fehlenden medizinischen Gütern bis zu den kann. Deshalb ist mir „Weckruf Corona“ unkoordinierten Grenzschließungen und ein echtes Anliegen, weil hier viele Aspekte den zahlreichen nationalen Alleingängen beleuchtet werden können, die für unsere – aufzuarbeiten. Dieser Ausschuss wurde Gesellschaft immens wichtig sind, aber jetzt endlich eingesetzt und ich freue nicht durch Schnellschüsse gelöst werden mich, dass ich als einziger österreichischer können. Büro Sidl Abgeordneter die Gelegenheit habe, in diesem Gremium mitzuarbeiten. Denn es Du hast selbst natürlich auch einen Dr. Günther Sidl, MEP gibt grundlegende Probleme aufzuarbeiten. Artikel für das Buch verfasst. Worum geht es da? Welche Probleme müssten aus deiner Mit meinem Beitrag möchte ich einen Anstoß Wie könnte man es besser machen? Sicht am dringendsten gelöst werden? dazu geben, dass die EU wieder mehr Aus dem Green Deal kann man viel Wir haben vor allem zu Beginn der Pandemie Glaubwürdigkeit gewinnt. Das beginnt bei machen. Schließlich sollen da insgesamt gesehen, dass wir uns in Europa nicht mehr transparenten, demokratischen Prozessen 1.000 Milliarden Euro für den Klimaschutz selbst mit den wichtigsten Gütern versorgen und der Aufwertung des Parlaments und mobilisiert werden. Das müssen wir nutzen können. Da haben wir viel zu lange daran geht bis zu einer glaubwürdigen Rolle im um die Infrastruktur zukunftsfit zu machen geglaubt, dass wir alles bestellen können globalen Klima- und Umweltschutz. Die und den kommenden Generationen etwas und innerhalb weniger Tage ist es schon da. EU ist mitbestimmend dafür, wie unsere Nachhaltiges zu hinterlassen. Dazu gehört
9 auch, dass wir mehr in Forschung und und geht genauso auf demokratiepolitische Du hast auch demokratiepolitische Entwicklung investieren. Damit könnten Aspekte, Ernährungssicherheit, den Aspekte angesprochen. Haben wir die wir die Arbeitsplätze und den Wohlstand in Umgang mit neuen Technologien oder Demokratie in der Krise verlernt? Europa auch für die kommenden Jahrzehnte neue wirtschaftliche Ideen mit starkem Wir sind dabei wichtige Grundlagen für absichern. Aber dazu muss auch endlich Regionalbezug ein. Die Vielfalt der Beiträge unsere Demokratie zu vergessen. Aus die soziale Dimension des Klimaschutzes ist aus meiner Sicht auch die Stärke des meiner Sicht zählen dazu die Bereitschaft beachtet werden. Buches und hoffentlich ein guter Anstoß zu zum Dialog, zur Zusammenarbeit und nicht weiteren Diskussionen. Denn die brauchen zuletzt der Wille dazu, auf die Argumente Wie kann das gelingen? wir, um unsere Gesellschaft im Sinne aller des jeweils anderen einzugehen. Was Wenn die Klimaschutzpolitik nur Menschen zu verbessern. passiert, wenn wir aufhören miteinander Preissteigerungen bringt und dazu führt, zu reden und alle in die Entscheidungen dass nur noch Gutverdienende reisen Liegt der Ursprung dieser einzubinden, sehen wir an der wachsenden können oder sich ein Auto leisten können, Entwicklungen nicht noch vor dem Skepsis vieler Menschen gegenüber der wird die Zustimmung in der Bevölkerung Ausbruch der Corona-Krise? Politik, staatlichen Instanzen, Medien enden wollend sein – insbesondere weil die Corona hat Systemschwächen offengelegt, und der Wissenschaft. Das wurde in der aktuelle Teuerung bei den Energiekosten die nicht erst durch diese Pandemie Pandemie sehr deutlich sichtbar. Diese schon jetzt dazu führt, dass viele Familien entstanden sind. Die wachsende Entwicklung kann und darf uns nicht egal vor der Entscheidung stehen, ob sie Zukunftsangst der Menschen wirft etwa sein, wenn wir die langfristige Stabilität Lebensmittel kaufen oder die Heizung auch die Frage auf, ob unsere sozialen unserer demokratischen Strukturen nicht aufdrehen. Bei solchen Entwicklungen muss Sicherungsmodelle wirklich allen den gefährden wollen. die öffentliche Hand regulierend in den Markt notwendigen Schutz bieten. Ist es eingreifen und die Versorgungssicherheit für überhaupt in Zukunft noch möglich, sich Welchen Beitrag findest du selbst am alle sicherstellen. Die Politik muss aber auch mit eigener Leistung einen ordentlichen spannendsten? über Lenkungsinstrumente nachdenken. Wohlstand zu schaffen? Oder ist die Da kann ich nicht einen einzelnen Welchen Gestaltungsspielraum hat die Wahrscheinlichkeit bei persönlichen herauspicken, weil sie alle spannend sind. Politik eigentlich noch? Rückschlägen nach unten zu rutschen Alle Beiträge haben ja auch gemeinsam, „Weckruf Corona“ handelt aber nicht inzwischen größer geworden? dass sie von Expertinnen und Experten nur vom Klimaschutz? verfasst wurden, die in der Praxis verwurzelt Nein. Der Klimaschutz ist sicher eine der sind und von dieser Warte aus auf die dringendsten Aufgaben auch nach Corona, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge aber das Buch ist thematisch breit gefächert blicken. Danke für den unermüdlichen Einsatz! www.fsggoed.at Ob KrankenpflegerInnen, PolizistInnen, LehrerInnen, SoldatInnen oder KollegInnen in der Verwaltung – die MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst leisten auch in dieser herausfordernden Zeit großartige Arbeit für die Republik. Dafür sagen wir DANKE! BILDUNG SICHERHEIT 29.000 PolizistInnen VERWALTUNG 121.000 LehrerInnen machen 1,11 Mio. SchülerInnen in sind immer für uns da und federführend bei der 91.000 MitarbeiterInnen 5.700 Schulen fit für die Zukunft. Aufklärung von Verbrechen. in der Verwaltung von Bund und 40.000 Lehrende an 22 öffentlichen Ländern* tragen entscheidend Universitäten führen 280.000 zum reibungslosen Ablauf des Studierende zur Exzellenz. öffentlichen Lebens bei. GESUNDHEIT 64.000 MitarbeiterInnen SCHUTZ & HILFE in den Krankenanstalten der Länder* sowie die zahlreichen Beschäftigten in den Pflege-, 13.500 SoldatInnen Alten- und Kinderheimen der des österreichischen Bun- Länder kümmern sich um das desheeres leisten Schutz und Wohlbefinden der Menschen. Hilfe für Österreich. facebook.com/FSG.GOED * ohne Wien (Gemeindebedienstete) Quellen: BMOEDS, BMBWF Schluss mit den Einsparungen! Mehr Fairness für den öffentlichen Dienst. Damit wir ALLE nicht zu kurz kommen.
Akzente. 01 /2022 10 BMHS-Lehrer*innen Lange Wege – kleine Schritte von Heinrich Himmer Mit diesen Worten beschreibt meine beste Sitznachbarin aus Wien als Motor menschenorientierter Bildungspolitik der Schulzeit, Susanne Boesch, die Herausforderung in der Wien hat mit Otto Glöckel, dem ersten Präsidenten des Wiener internationalen Entwicklungszusammenarbeit Mikrokredite in Stadtschulrats, und vielen engagierten WissenschafterInnen, Ostafrika zu vergeben. Nicht der Sprint, sondern ein großer Marathon dabei vor 100 Jahren einen Neubeginn und Kontrapunkt zum ist das Ziel. Im Auftrag der österreichischen Entwicklungsbank oft reaktionären Weltbild österreichischer Bildungspolitik gelegt. war sie rund um den Globus im Einsatz. Es geht um die „Hilfe zur In 19 Monaten als Unterstaatssekretär für Unterricht konnte er Selbsthilfe“. Niemand soll an den Tropf von dauernder Abhängigkeit erste Grundlagen seines Reformprogramms schaffen. Nach der gelegt werden. Jeder Mensch soll die Grundlagen erhalten selbst das Niederlage der Sozialdemokratie bei Bundeswahlen 1920, konnte er eigene Leben – lebenswert – zu gestalten. anschließend noch für zwölf Jahre als Leiter der Wiener Schulbehörde Dieser große Plan passt deckungsgleich auf die Zielsetzungen in der eine große Neuausrichtung bewirken und viele Innovationen auf den Bildung. Die Wirksamkeit jeglicher Bildungsmaßnahme muss sich in Weg bringen. Er sah sich dabei nicht nur als Verwalter von Schulen, der Stärkung der Menschen zeigen. Im Mittelpunkt muss das Wohl sondern vor allem auch als Gestalter moderner Bildungspolitik. In des Kindes als Maßstab stehen. dieser Tradition folgten ihm alle nachfolgenden Leiterinnen und Oder wie es die Gründerin von „Schule im Aufbruch“ und ehemalige Leiter des Wiener Stadtschulrats bzw. der Wiener Bildungsdirektion. Schulleiterin in Essen und Berlin Margret Rasfeld beschreibt: Was in Wien geschaffen wurde, strahlte weit über die Grenzen „Schulen sind wirkmächtig, denn sie prägen maßgeblich des Bundeslands hinaus. Wien wurde zum Musterbeispiel für das Einstellungen und Haltungen. Dies tun sie vor allem durch den Zusammenspiel von Bildungsforschung und Schulentwicklung. heimlichen Lehrplan, die gelebte Kultur. Steht der Mensch im Dabei wurde die Wiener Schulpolitik anhand neuester Erkenntnisse Mittelpunkt oder das Abarbeiten von Stoffplänen? … Kinder werden der Individualpsychologie von Alfred Adler, Aline und Carl Furtmüller, früh zu Gewinnern und Verlierern und nicht zu Meistern ihrer der empirischen Psychologie von Charlotte und Karl Bühler und der Talente.“ Oder wie es Otto Glöckel bereits 1917 ausdrückt: „Die Psychoanalyse von Anna und Sigmund Freud sowie Siegfried Bernfeld Welt darf nicht in den Kopf des Kindes in das Verhältnis kommen, wie gestaltet . Sie alle prägten ganz entscheidend die Entwicklung eines ein schön geordnetes Herbarium gegenüber der durch ihre bunte modernen Schulwesens in Wien. Schulpolitik war damit zentraler Teil lebensvolle Pracht das Herz erfreuenden Wiese.“ der großen Reformprojekte im „Roten Wien“ der Zwischenkriegszeit. Sie ist daher auch nicht als reine „Schulmaßnahme“ zu verstehen und hatte ihren Fokus vom Zeitpunkt der Geburt an auf Gesundheit, Wohnbau, Sozialverwaltung und Arbeit gelegt. Dieser integrative Ansatz war ein enormer Fortschritt. Auch heute noch ist Schulpolitik auch Gesellschafts-, Arbeitsmarkt-, Frauen- und Sozialpolitik. Mit Beginn des austrofaschistischen Ständestaats unter Dollfuß wurde Glöckel 1934 nicht nur aus dem Wiener Stadtschulrat entfernt, sondern auch verhaftet. Ende Oktober 1934 wurde er unter Polizeiaufsicht gestellt und verstarb im Juli 1935 als „gebrochener Mann“ an einem Herzinfarkt . Die langen Jahre von autoritärem und anschließend nationalsozialistischem Regime legten auch einen tiefen Schatten über das Schulsystem. Tausende, vor allem jüdische Schülerinnen und Schüler, Pädagoginnen und Pädagogen, Wissenschafterinnen und Wissenschafter wurden vertrieben, inhaftiert oder ermordet. Erst wieder nach 1945 konnte die Wiener Schulpolitik mit vielen prägenden Persönlichkeiten auf dem Erbe Glöckels und seiner MitstreiterInnen aufbauen. Von Leopold Zechner, Max Neugebauer, Hermann Schnell über Hans Matzenauer, Kurt Scholz, Susanne Schicker (Brandsteidl) und Jürgen Czernohorszky reichen die wichtigen und prägenden GestalterInnen Wiener Schulpolitik. Mit großer Leidenschaft haben sie als ehemalige geschäftsführende PräsidentInnen dabei die Wiener Schullandschaft geprägt. Gleichzeitig haben die jeweiligen Bürgermeister und Landeshauptmänner von Wien als Präsidenten die politische Umsetzung ermöglicht. Von Jakob Reumann bis Michael Ludwig sind sie stets Garant für die Umsetzung großer Reformprojekte. Josef Zinner Dabei haben viele unter ihnen selbst eine große Nähe zu Bildung und Bildungspolitik. So ist mit Michael Ludwig selbst ein versierter Bildungsdirektor Professor Mag. Heinrich Himmer Bildungspolitiker an der Spitze der Wiener Stadtpolitik.
11 Sieben Wiener Handlungsfelder Elternarbeit Konservative Bildungspolitik im Bund nimmt auf die Notwendigkeiten Eine Schule ohne Eltern ist nicht vorstellbar. Mit verschiedenen urbaner Lebensräume wenig Rücksicht. Dabei wird Struktur, Inhalt, partizipativen Modellen werden sie in die konkrete Arbeit Finanzierung und PädagogInnen-Bildung weitgehend vom Bund der Schulen einbezogen. Wichtiger Teil dabei sind auch die verantwortet. Wien ist das einzige Bundesland das in den letzten Wiener Campusstandorte und Wiener Bildungsgrätzl mit zehn Jahren bei der Anzahl der SchülerInnen gewachsen ist; und Elementarpädagogik, Erwachsenenbildung und außerschulischen das um mehr als 10 Prozent. Durch Pandemie, geopolitische Krisen PartnerInnen. und sozioökonomische Entwicklungen braucht es grundsätzliche Weichenstellungen im Schulsystem. Umso wichtiger war und Nachhaltigkeit/Klima ist es die Stärke des Wiener Stadtschulrats – der seit 2019 Schule ist ein offenes Haus und muss alle lebensrelevanten Themen Bildungsdirektion heißt – für die Gestaltung von zukunftsweisenden mitbetrachten. Die Wiener Bildungsdirektion hat sich als Leitbild für Modellen, Inhalten und Reformprojekten zu nutzen. Hoffentlich kann ihr Handeln die strategischen Entwicklungsziele (SDG) gesetzt und vieles davon auch in die Bundespolitik einfließen. die Kooperation mit Organisationen und NGOs (zB. Ban Ki-Moon Im diesem Jahr ist durch 100 Jahre Wiener Stadtschulrat Centre for Global Citizens) verstärkt. eine gute Möglichkeit gegeben auf Erreichtes zurückzublicken und Schulentwicklung aus urbaner Sicht zu gestalten. Sieben Mitgestaltung zentrale Handlungsfelder wurden in der Wiener Bildungsdirektion Schulen sind Lern-, Arbeits- und Lebensräume für viele erarbeitet. Wien ist auch hier wieder Vorreiterin und ganz in der tausend Menschen. Sie alle sollen an der Wiener Schule der Tradition, dass Schule nicht losgelöst von allen anderen politischen Zukunft mitgestalten. Daher ist die stärkere Beteiligung von Schnittmengen wie Arbeit, Wohnen oder Kultur weiterentwickelt SchulpartnerInnen und relevanten Gruppen wichtiges Ziel. werden kann. Die ausgewählten Wiener Handlungsfelder werden daher in allen politischen Bereichen übergreifend gestaltet. Die Inklusion Wiener Landesregierung wird sich aus dem jeweiligen Ressort in die Wien bietet jedem Kind Platz im Bildungssystem und gibt Umsetzung des 100 Jahre Projekts einbringen. allen gerechte Chancen. Um diesen Auftrag langfristig und mit pädagogischer Qualität abzusichern, braucht es neue Modelle und Die sieben Handlungsfelder der Wiener Bildungsdirektion sind: Kooperationen. Ganztagspädagogik Finanzbildung & Digitalisierung Weiterentwicklung bestehender pädagogischer Modelle für Der Wiener Finanzführerschein ist gemeinsam mit der Wiener ganztägige Schulen unter Einbindung von Freizeit-, Hort- und Schuldnerberatung ein wichtiger Baustein für eine positive inklusiver Pädagogik. Daraus soll ein neues, durchgängiges und Gestaltung des eigenen Lebens. Durch einen Wiener Beirat qualitätsvolles urbanes Schulkonzept entstehen. Die kostenfreie qualitätsgesichert gibt es für Finanzbildung weitere Modelle für alle verschränkte Ganztagesschule war und ist dabei ein großer Schritt Schularten. Zusätzlich bietet die Digitalisierung Möglichkeiten die den die Stadt Wien ermöglicht und finanziert, um Chancen gerechter wir mit der Zielsetzung von Kostenfreiheit auch stärker einsetzen zu verteilen. werden. Mehrsprachigkeit Wien ist eine Weltstadt. Daher ist die Stärkung der jeweiligen Muttersprachen, das Erlernen von Deutsch als Unterrichtssprache und von mindestens einer Fremdsprachen zentrales Ziel. Bereits heute bietet Wien ein seit Jahrzehnten umfassendes, pädagogisch wirksames Angebot, das wissenschaftlich begleitet und ausgebaut wird.
Akzente. 01 /2022 12 BSA Ärzt*innen Interview mit Dr.in Miriam Hufgard- Leitner Wir blicken auf zwei Jahre Pandemie Wien im Sommer beschlossen hat, die Wir haben gelernt, dass es Sinn macht zurück. Du bist als Ärztin im AKH tätig. Maßnahmen noch nicht aufzuheben. ExpertInnen zu haben, die sich mit Wie geht es dir? Und Wien muss hier auch immer ganz aktiv Pandemien auskennen (lacht), dass es Sinn Miriam Hufgard-Leitner: Ich würde sagen, hervorgehoben werden. macht, die Spitäler für den Krisenmodus gestählt in jeder Hinsicht (lacht). regelmäßig zu schulen. Die letzten zwei Jahre waren mit Hochs Wie ist es jetzt gerade? Die Menschen haben sehr viel über Viren und Tiefs. Wir haben auf jeden Fall sehr viel Gerade ist durch den von Putin initiierten und Immunität gelernt. Die Medizinblogs gelernt. Jetzt geht es darum, die richtigen Krieg die Pandemie in den Hintergrund sind aus dem Boden geschossen, Christian Ableitungen zu treffen. getreten. Wir dürfen aber nicht vergessen, Drosten wurde ein Star. Im besten Sinne was hier politisch alles vergeigt wurde, hat es dazu geführt, dass die Wissenschaft Wie hast du die letzten zwei Jahre beziehungsweise was noch auf uns und die WissenschafterInnen aus ihrem persönlich in den Spitälern erlebt? zukommen kann. Elfenbeinturm herausgekommen sind. Es Am Anfang war dieses unwirkliche Gefühl, hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass dass eine Welle kommen wird, und man Du hast gesagt, ihr habt viel gelernt. „die Bevölkerung“ und „die Wissenschaft“ bereitet sich vor, zu schwimmen, was Was meinst du genau? beginnen so zu kommunizieren, dass sie das Zeug hält. Ehrlicherweise habe ich Es ist so deutlich, dass die Errungenschaften einander verstehen. Da ich mich schon oft wach gelegen und viel über meinen des Sozialstaates unsere Gesellschaft in der lange diesbezüglich engagiere, genieße ich Beruf nachgedacht. Hinzu kam der erste Krise aufrechterhalten. Diejenigen, die für das sehr. Lockdown und die X-fache Belastung durch das Gemeinwohl arbeiten, wurden zwar Homeschooling und Co. beklatscht, aber es ist deutlich geworden, Und im schlechtesten? dass es zu wenige sind. Hier ist ENDLICH Naja, Christian Drosten ist nicht nur ein Es war ein unglaubliches Gefühl, als die die Pflege in den Vordergrund getreten. Es Star, sondern erhielt hunderte Drohungen. Impfung gekommen ist. Das Foto von Prim ist essentiell, dass wir diesen Bereich um- Das wissenschaftsfeindliche Klima, das Wenisch ging um die Welt. Ich war sehr und ausbauen und diese wichtige Funktion mißtrauische Verteidigen von Meinungen ist stolz auf die Wissenschaft! JedeR konnte in der Medizin und in der Gesellschaft eben auch sehr präsent. theoretisch tracken, wie das Fortschreiten im Allgemeinen ressourcenbezogen des Know-Hows ist. anerkennen. Was muss getan werden? Initial war das eine professionelle Debatte, Ich bin wie gesagt überzeugt, dass es einer wo man gesehen hat, wie Wissenschaft Wir haben schmerzlich gelernt, dass die kontinuierlichen Übersetzungsleistung arbeitet und was sie bewirken kann. 50er-Jahre noch ganz nahe sind – Frauen bedarf. Wir brauchen klarerweise einen Angefangen mit Papers die da am Anfang waren in der Krise besonders belastet und guten Grundstein an Bildung, sodass die rausgekommen sind und top publiziert die Ungleichbehandlung der Care-Arbeit Menschen lernen, wie Wissenserwerb wurden, aber vor allem deskriptive Statistik wurde überdeutlich. Hier dürfen wir nicht funktioniert. In weiterer Folge müssen waren - wir haben alles gelesen, was wegschauen! WissenschafterInnen aber unbedingt den vorhanden war. Bei mir in der Ambulanz ist jede zweite Dialog suchen, damit die Bevölkerung Patientin auf die Frage „wie geht es Ihnen?“ „mitkommen“ kann. Dass hier ein riesiges Leider ist diese Auseinandersetzung relativ in Tränen ausgebrochen. Ich habe noch nie Vakuum vorhanden war oder ist, zeigen die schnell in einen Glaubenskrieg ausgeartet. so viele Taschentücher verteilt. derzeitigen Konflikte deutlich. Wissenschaft Ich war hiervon extrem enttäuscht. arbeitet ja für die Menschen, für den Durch unfassbar schlechte politische Besonders dramatisch ist die Situation im gesellschaftlichen Fortschritt - sie darf sich Performance, fehlende Kampagnen, psychiatrischen Kinder- und Jugendbereich. nicht abkoppeln. keine Unterlagen zum Aufklären und Auch dort wussten wir vorher, dass Mangel einer populistischen Aufhetzung mit besteht. Wie dramatisch die Situation wird, Aber das kann ja Wissenschaft nicht gleichzeitiger Konzeptlosigkeit in beinahe hätten wir uns am Beginn der Pandemie nur alleine, oder? jedem Bereich haben dazu geführt, dass nie gedacht. Unsere KollegInnen in den Selbstverständlich müssen da Kanäle sich am Ende niemand mehr ausgekannt Abteilungen sind ausgebrannt, aber der vorhanden sein auf denen diese Begegnung hat oder auskennt. Bedarf reißt nicht ab. Hier muss rasch stattfinden kann. investiert, ausgebaut und unterstützt Der BSA zum Beispiel schafft ja ebensolche Ich erinnere mich gut an die Erleichterung, werden. und es ist wichtig, dass diese Begegnung in die bei uns durchs Haus gegangen ist, als redlichen Händen liegt.
13 Welche Erkenntnisse der der geschlechtsspezifischen Medizin und Pandemie sind für dich besonders warum und wie sie helfen kann. hervorzuheben? COVID wurde zum Glück von Anfang Wie soll es jetzt weitergehen? an geschlechtsspezifisch untersucht. Die Pandemie hat auch aufgezeigt, dass Von Beginn der Pandemie zeigte sich, wir in vielen Fragen am Holzweg sind. Wir dass Männer und Frauen gleich häufig brauchen einen starken sozialen Staat, erkranken, dass Männer aber öfter einen dessen VertreterInnen selbstbewusst genug schwereren Verlauf haben und sogar sind mit ExpertInnen zusammenzuarbeiten. häufiger versterben. Hierzu wurden schon Die Menschen die für das Gemeinwohl zahlreiche Mechanismen diskutiert und arbeiten, müssen gute Arbeitsbedingungen untersucht. Ein Mechanismus auf zellulärer vorfinden. Die Solidarität unter den Ebene sowie geschlechtsspezifische Menschen muss aktiv gestärkt werden. Unterschiede der Immunantwort scheinen Populisten zerstören die Gesellschaft ursächlich zu sein. Gleichzeitig sind Frauen empfindlich. Die Kommunikation von Philipp Oberhaidinger von den Auswirkungen der Pandemie mehr Wissenschaft muss in den Mainstream. betroffen. Häusliche Gewalt, Care-Arbeit auf allen Ebenen. Die Pandemie bietet einen sehr guten Einblick in den Bereich Dr.in Miriam Hufgard-Leitner Meine Weiterbildung. Sicher. Gut. Lernen Sie mit uns – wie Sie wollen! Präsenz-Kurse Online-Kurse ch Glei en! Hybrid-Kurse h buc Fachbücher, Skripten und E-Books E-Learning-Programme Blended-Learning Livestreams Neue Chancen. tuv-akademie.at akademie@tuv.at
Akzente. 01 /2022 14 BSA Künstler*innen und Kulturschaffende Die Geschichte vom Ende des Tellerrandes von Dieter Boyer Am Anfang der aktuellen Krise stand die Die Bundesregierung hat im Jänner 2022 nach den Kriterien der Kunst in all ihrer Gesellschaft wie David gegen Goliath einer gerade wieder einmal beschlossen, dass die gesellschaftlichen Wirkkraft. In diese Falle Pandemie gegenüber und es schien fast Pandemie vorbei wäre. Die Hoffnung vieler dürfen wir nicht tappen! gewiss, dass - einem großen Kinofilm gleich ist, dass es ein Zurück zur „Normalität“ – - am Ende das Gute siegen werde. Heute also zurück zum Leben vor der Pandemie - Die Kunstwelt hat sich schon nach wissen wir, dass die ganze Geschichte geben möge. der Finanzkrise 2008 viel zu oft einer doch mehr Vorstadtweiber und Mundl kapitalistischen Logik ergeben. Es wurde geworden ist als Hollywoodschinken mit Das wird es nicht spielen! in teuren Studien errechnet, wieviel Starbesetzung. Geld Staatsopernbesucher*innen vor Dieser verheißungsvollen Hoffnung und nach ihrem Opernbesuch in den Begonnen hat das große solidarische muss man mit großer Nüchternheit benachbarten Restaurants ausgeben, Zusammenstehen mit großartigen gegenübertreten, denn was mit Gewissheit wieviel Taxiunternehmen durch einen Initiativen. Auch viele Künstler*innen auf uns zukommt, ist eine Wirtschaftskrise. Opernabend einnehmen und Hotels daran haben zu dieser Zeit ihre Arbeit dem Eine Wirtschaftskrise, die sich aus den verdienen. Allzu oft wurde das schwache Gemeinwohl verschrieben und ihr Schaffen Folgen der immer noch herrschenden Argument der Umwegrentabilität bemüht, oftmals verschenkt. Es war die Zeit, etwas Pandemie und verschärfend aus den als wäre Umwegrentabilität das, was der zurückzugeben, die Zeit beizutragen, Folgen des Angriffskrieges Russlands Kunstsektor zur Gesellschaft beitragen es war auch die Zeit zu verzichten und auf die Ukraine ergeben wird. Es folgt die würde. In diese Falle sind wir nach der für viele Künstler*innen war es ein oft Zeit der Ernüchterung und ich befürchte, letzten Wirtschaftskrise allzu oft getappt existenzbedrohender Verzicht. So gut für die Kunstwelt wird das Schlimmste und haben sogar angefangen, diese Logik wie alle Menschen haben zurückgesteckt, erst kommen. Daher ist die Zeit für einen auf das eigene Feld anzuwenden. Ein um die zu schützen, deren Leben von klaren Kopf gekommen. Nach zwei Jahren kapitalistisches Starwesen, das nach dem der Pandemie am stärksten bedroht Pandemie müssen wir mit klarem Blick auf Prinzip „The winner takes it all“ funktioniert, war. Wir waren im Angesicht der großen das schauen, was da auf Künstler*innen hat sich in immer breiteren Feldern der Gefahr alle ein bisschen Held*innen. und Kulturarbeiter*innen zukommt. Kunst und Kultur etabliert. Solist*innen Von der romantischen Idee, dass kleine Wie müssen uns aus der Position sozial verdienen bei klassischen Konzerten an ohnmächtige Menschen sich erfolgreich distanzierter Erfüller*innen unserer einem Abend manchmal so viel wie das gegen das scheinbar Unabwendbare Pflichten herausarbeiten. Denn es wird gesamte Orchester, das sie trägt und ihnen stemmen, vom so wunderschönen etwas Neues folgen, es gibt keine Rückkehr ihren Auftritt ermöglicht. Man hat bei Bild von David gegen Goliath war die zu einem Davor. manchen Filmdrehs den Eindruck, dass sich Gesellschaft berauscht, fast schon am Set mehr Praktikant*innen als bezahlte beglückt, Teil davon zu sein. Es wurde Wirtschaftskrisen führten schon immer zu Mitarbeiter*innen tummeln. Theater trotzdem Kunst gemacht. Obwohl da kein einem verstärkten Rechtfertigungsdruck scheinen Positionen seit Jahren nur noch zu Publikum war, wurden Theaterstücke im Kultursektor. Dabei wurde noch nie geringeren Gagen auszuschreiben als diese geprobt. Obwohl es keine Vernissagen darauf Rücksicht genommen, dass Kultur zuvor dotiert waren. Der ganze Sektor steht gab, wurden sie konzipiert. Obwohl man ohnehin schon häufig unter so prekären unter hohem Druck, einer allgemeinen nicht auftreten konnte, wurde kreiert. Es Bedingungen stattfindet, dass jede auch kapitalistischen Logik zu folgen, die gab Balkon- und Innenhofkonzerte für die nur kleine Krise zur Existenzbedrohung vermeintlich alternativlos ist. Hier ist Nachbar*innenschaft, viel Kunstschaffen für die Menschen in diesem Bereich durchaus eine kritische Selbstbetrachtung wurde in den digitalen Raum verlegt und wird. Man wird sich aber dessen angebracht. der Öffentlichkeit sehr oft frei zugänglich ungeachtet der Frage gegenübersehen: gemacht. Es wurden Wege erfunden „Welche Kulturangebote wollen wir Es gibt aber im Kulturbereich auch Felder, und Möglichkeiten erschaffen, Kunst zu noch finanzieren?“. Kulturinstitutionen welche diese wirtschaftsliberale Politik den Menschen zu bringen, wo immer werden aufgefordert sein, sich in einen weniger trifft. Es sind vor allem die Bereiche sie sind. Künstler*innen, Kunst- und dramatischen Wettbewerb um Förder- der großen Künstler*innenkollektive, in Kulturinstitutionen haben alles getan, um und Sponsorengelder zu begeben. denen Künstler*innen gewerkschaftlich zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. Kulturinstitutionen werden nochmal mehr organisiert sind und in der younion eine aufgefordert sein, Ausstellungen oder starke Vertreterin finden. Ein weiterer Teil Man könnte also auch sagen, für uns hat Spielpläne nach Einnahmenkriterien und der Kunst- und Kulturschaffenden ist durch sich nichts geändert. Auslastungszahlen zu planen anstatt Interessengemeinschaften vertreten,
15 die miteinander und zuweilen auch weit mehr als bürgerlicher Zeitvertreib. gegeneinander ihre Interessen vertreten. Gerade die Orte und Ereignisse, die der Das wird aber nicht genügen, wenn es Kultursektor bietet, können uns helfen, darum geht, einen ganzen Sektor vor Mut zu fassen und um etwas zu tun, was massiven Einschnitten zu bewahren. dringend Not tut: eine bessere Welt zu Von Seiten der österreichischen denken. Was auf uns zukommt, wird hart. Bundesregierung ist wenig Hilfreiches Wir werden derartige Orte brauchen, zu erwarten. Die Kulturagenden wurden an denen wir die Grenzen des eigenen von einem desinteressierten Minister begrenzten Denkens sprengen. Wir werden an ein Staatssekretariat delegiert. Die um Gerechtigkeit kämpfen müssen. Wir Kanzlerpartei scheint nicht einmal an den werden dafür kämpfen müssen, dass repräsentativen Teilen der etablierten Kultur diejenigen, denen diese Krise den Boden wirklich interessiert zu sein und ist von der unter den Füßen weggezogen hat (und Erkenntnis, dass Kunst- und Kulturarbeit noch wegziehen wird) aufgefangen werden. das Fundament einer solidarischen, Wolfgang Simlinger empathischen Gemeinschaft sein könnte Lasst uns nicht diejenigen sein, die am weit entfernt. Viel schlimmer, es birgt Rande stehen und nur applaudieren! Lasst die Gefahr, dass sich ein überkommenes uns alle (!) Künstler*innen sein, die über Künstler*innenbild wieder etabliert. eine kapitalistische Verwertungslogik Das arme, darbende Künstler*innen hinaus eine starke Solidargemeinschaft Dieter Boyer, MA MAS erst durch Entbehrungen große Kunst bilden, die niemanden zurücklässt – keine schaffen könnten. Diese Gleichgültigkeit Künstler*innen, keine prekär Beschäftigten, Musik – alleine oder besser gemeinsam. gegenüber dem Leben derer, die für die keine verachtete Minderheit. Kunst und Kultur helfen den Gedanken beim Gemeinschaft arbeiten, beschränkt sich Wir brauchen eine Solidargemeinschaft, Fliegen, geben Mut und bringen Menschen natürlich nicht nur auf Künstler*innen und die grenzüberschreitend das Wohl der zusammen. Kulturarbeiter*innen. Aus dem Ohrensessel Menschen denkt, eine Gemeinschaft, die des bürgerlichen Kunstgenusses heraus Ideen hervorbringt, wie Krieg und Gewalt Lasst uns Solidarität über den eigenen betrachtet, bringt die Armut und ohne erneute Gewalt entgegengetreten Tellerrand hinaus leben! Und bezahlt die Ausgesetztheit der Künstler*innen ein werden kann, eine Solidargemeinschaft, die Menschen fair, die uns ihre Kunst schenken. wohliges Schauern in die warme sichere Reichtum und Wohlstand nur als solchen Stube. Diesem voyeuristischen Blick auf sehen kann, wenn es ein Wohlstand aller die Kunst bei gleichzeitiger Gleichgültigkeit ist und nicht auf Kosten ausgebeuteter gegenüber den Menschen, die in diesem Menschen geht. Für all das wird das Sektor arbeiten, muss entschlossen Kunstschaffen keine einfache kurzfristige entgegengetreten werden, denn Kunst und Lösung bieten können, aber schaut einen Kultur sind für eine solidarische Gesellschaft Film an, geht in Galerien und Theater, hört
Akzente. 01 /2022 16 BSA Oberösterreich Wie ein Virus eine Gesellschaft verändert von Nora Waldhör Seit etwa Mitte März 2020 ist das Corona Virus endgültig und FreundInnen dermaßen einstellen werden und dass eine App in den meisten Ländern der Welt angekommen und unser Bewegungsdaten von Infizierten sammeln und speichern soll. Leben hat sich seither drastisch geändert: Wir wurden mit Die Corona Pandemie führt – wie auch viele andere Krisen davor Ausgangsbeschränkungen konfrontiert, das wirtschaftliche – zu einer enormen Unsicherheit in der Gesellschaft, da ungewiss Leben wurde auf ein Minimum heruntergefahren und soziale ist, wie oder wann sie enden wird. Doch unterscheidet sich die Kontakte wurden eingestellt. Uns wurde gezeigt, wie derzeitige Krise von anderen Krisen, da ihre Ursachen – obwohl die schnell ein Virus eine Gesellschaft und ihre Gewohnheiten Krise den Flugrouten des globalen Kapitalismus folgt – außerhalb grundlegend verändern und lähmen kann. Doch wie geht es der Wirtschaft liegen. Das Ausmaß und die Verheerung, die sie nach Corona weiter? mit sich bringt, sind jedoch zweifelsohne im globalen Kapitalismus begründet: starke Internationalisierung sowie die starke Der Ökonom Stephan Schulmeister spricht von der schwersten Abhängigkeit vieler Menschen vom Arbeitsmarkt. Die Corona Krise Krise der letzten 150 Jahren. Es droht eine starke globale Rezession, fühlt sich zudem weniger wie eine Rezession an. Vielmehr ist sie Unternehmen entlassen im Eiltempo ihre MitarbeiterInnen, mit Kriegsszenarien vergleichbar, da Regierungen am Ende danach die Arbeitslosigkeit in Österreich ist mit mehr als 550 000 beurteilt werden, wie viele Tausend Todesopfer die Krise gefordert arbeitssuchenden Menschen auf einem historischen Rekordhoch hat und wie viele Leben hätten gerettet werden konnten. und weitere Arbeitsplätze sind derzeit akut gefährdet. Menschen Die Folgen dieser Krise werden uns noch lange Zeit nach Corona fürchten um ihre Existenz, die österreichische Bundesregierung beschäftigen. Wer wird die Hilfspakete zurückzahlen müssen, wird versucht mit Aussagen wie „Wir lassen niemanden zurück, koste wirklich niemand zurückgelassen und wo wird gespart? Debatten, es was es wolle“ zu beruhigen. Innerhalb kürzester Zeit werden die jetzt verschoben werden, müssen danach geführt werden Hilfspakete und Härtefonds in Milliardenhöhe bereitgestellt. Ebenso und beschränkte Freiheitsrechte dürfen nicht zur Realität werden. wurden und werden Freiheitsrechte massiv beschränkt, um die Ebenso müssen wir vermutlich über unser Wirtschaftssystem Kurve der Infektionen zu verlangsamen. Anfang 2020 hätte sich reden. Die unsichtbare Hand des Marktes regelt nämlich derzeit wohl niemand vorstellen können, dass wir uns an ein Leben in nichts. Selbstisolation gewöhnen werden, dass wir den Kontakt zu Familie Impflicht: Zwischen individueller Freiheit und staatlichem Zwang von Ernst Eypeltauer Am 01.02.2022 veranstaltete die Fachgruppe JuristInnen ein gegen die Einschränkung von Grundfreiheiten als grundsätzlich Zoom-Meeting über das brisante Thema „Impflicht: Zwischen zulässig ansah. Es entwickelte sich im Anschluss an den Vortrag individueller Freiheit und staatlichem Zwang“. Vortragender eine lebhafte Diskussion, an der sich auch ein Impfskeptiker war Univ. Prof. Dr. Thomas Olechowski, der dieses Thema nicht und Coronaleugner beteiligte. In dieser Debatte wurde betont, primär aus juristischer Sicht, sondern aus rechtshistorischer, dass es wichtig sei die Motive jener zu analysieren, die in den politischer und sozialer Perspektive beleuchtete. Er verwies Coronademos federführend sind. Aufkommender Antisemitismus, darauf, dass beispielsweise bereits bei den Pocken eine Impfpflicht Rechtsextremismus, Geschichts- und Staatsverweigerungen stellen eingeführt wurde. Bei Vorliegen entsprechender medizinischer keinen kleinen Teil der Bewegung dar, sondern werden von den Notwendigkeiten zum Schutz der Bevölkerung sei eine Impfpflicht, InitiatorInnen der Coronademos vorgegeben. Allgemeiner Tenor wie im Fall von Corona, gerechtfertigt. Die Freiheit einzelner könne war aber ansonsten, dass im Fall von Corona eine medizinische zum Gesamtwohl eingeschränkt werden. Der Vortragende zeigte Notwendigkeit für eine Impfpflicht besteht. wenig Verständnis für Impfgegner*innen, auch wenn er Vorbehalte
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