Allergien im Kindesalter - Österreichische Ärztezeitung
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S TAT E O F T H E A R T Allergien im Kindesalter Die Lebenszeitprävalenz für Asthma bronchiale, allergische Rhinitis und atopische Dermatitis liegt bei 23 Prozent. Besonders bei Nahrungsmittelallergien und Anaphylaxien zeigt sich eine steigende Tendenz. Bei der Therapie von Nahrungsmittelallergien sind neue Optionen zu bedenken wie etwa die orale Immuntherapie mit Nahrungsmitteln. Allerdings ist vieles davon noch off-label. Zsolt Szépfalusi* E Einleitung Allergien im Kindesalter nehmen zu. Das liegt zum Teil an der generell erhöhten Wahrnehmung dafür in der Gesell- schaft; jedoch gibt es bei Anaphylaxien und die Nahrungs- mittelallergien tatsächlich eine steigende Tendenz. In diesem Übersichtsartikel wird ein kleiner Einblick in die Vielfalt an allergischen Erkrankungen im Kindesalter gegeben. Eine differenzierte Darstellung finden die Allergieprävention, die atopische Dermatitis, die Anaphylaxie inclusive Insekten- giftallergie, die Nahrungsmittelallergie und das allergische Asthma bronchiale. therapie inclusive Biologikatherapien, Allergen-Immunthe- rapie (AIT), demnächst auch die Orale Immuntherapie mit Nahrungsmitteln (OIT) sowie Patientenschulungen. Die Betreuung von Kindern mit allergischen Erkrankungen erfordert die Erstellung von kurz- und mittelfristigen Thera- piekonzepten, die aufgrund der rasanten wissenschaftlichen Erkenntnisse einer ständigen Revision unterliegen. Neben wissenschaftlich geprüften Therapieformen sind alternati- ve Heilverfahren sehr beliebt, da sie den Nimbus genießen, nebenwirkungsarm und ganzheitlich zu sein. Ob dies so ist und obendrein eine Wirksamkeit Diagnostische Verfahren zur Abklärung von Allergien im vorliegt, lässt sich oft erst im Nach- Kindesalter umfassen die Anamnese, Hauttests, Lungen- funktionsdiagnostik inclusive exhalierte Stickstoffmonoxid (NO)-Messung, Provokationstestungen (nasal, oral, bron- chial), in vitro- und molekulare Diagnostik. Generell unter- scheidet sich das Spektrum der Allergie-diagnostischen Möglichkeiten im Kindesalter nicht von jenem des Erwach- senenalters. Allerdings ist dem erfahrenen Kliniker bewusst, dass bestimmte allergische Erkrankungen Häufigkeitsgipfel in unterschiedlichen Altersspektren haben (zum Beispiel atopische Dermatitis und Nahrungsmittelallergien im Säug- lings- und Kleinkindesalter, allergische Rhinokonjunktivitis ab dem Schulalter). Eine Besonderheit bei Kindern ist, dass sie häufig an mehreren Manifestationen von Erkrankungen des atopischen Formenkreises gleichzeitig oder sequentiell erkranken, sodass der Begriff „atopischer Marsch“ Einzug gefunden hat. Die Therapieprinzipien umfassen Primärprävention, Aller- © iStock genkarenz, allergenreduzierte Säuglingsnahrung, Pharmako- 34
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T hinein erfassen. Die wissenschaftliche Medizin tritt mit dem Vererbung Anspruch der nachweislichen Prüfung neuer Medikationen und Verfahren an – nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch Atopische Erkrankungen treten gehäuft familiär auf. Kinder bei Kindern und Kleinkindern. Dieser Weg sollte begrüßt mit zwei allergischen Elternteilen haben eine 50-prozentige und unterstützt werden, zumal erst dadurch die Sicherheit Wahrscheinlichkeit, an einer Allergie zu erkranken; bei einem und die Wirksamkeit von neuen Therapieformen an kleinen allergischen Elternteil nimmt man eine Erkrankungswahr- Kindern nachgewiesen werden kann. scheinlichkeit von circa 30 Prozent an. Liegt keine familiäre Allergieanamnese vor, bleibt ein Risiko von zehn bis 15 Pro- Pathophysiologie von Allergien zent. Neben der familiären Disposition tragen zur Entstehung der Sensibilisierung des Kindes auch die Allergenexposition, Die überschießende Antwort des Immunsystems auf einen virale Infekte, unspezifische Umweltfaktoren wie Zigaretten- Kontakt mit Allergenen – nach Clemens von Pirquet „Allergie“ rauch, Ozon und Dieselpartikel, Anzahl der Geschwister- bezeichnet – ist die Grundlage allergischer Erkrankungen. Im kinder und der sozioökonomische Status bei. Ein niedriger allgemeinen Umgang verwendet man den Ausdruck Allergie IgE-Spiegel wird offensichtlich dominant vererbt. Im Alltag hauptsächlich für die als Soforttypallergie bezeichnete immu- hilfreich und nützlich in der Beratung der Eltern ist die Fami- nologische Reaktion, der die Bildung von Immunoglobulin lienanamnese. E-Antikörpern zugrunde liegt. Allerdings ist das Nicht-Vor- handensein von IgE-Antikörpern nur ein Ausschluss einer Allergieprävention IgE-vermittelten allergischen Reaktion. Nicht-IgE-vermittelte Allergien werden zunehmend besser erkannt und müssen in Allergiepräventive Maßnahmen sollen verhindern, dass die Differentialdiagnose von allergischen Manifestationen ein- sich eine allergische Sensibilisierung und/oder eine Allergie fließen. Besonders augenscheinlich ist diese Entwicklung bei manifestiert. Man unterscheidet generell zwischen primärer Nahrungsmittel-assoziierten Allergien. Prävention – es liegen weder eine allergische Sensibilisie- rung noch eine Allergie vor –, sekundärer Prävention – es Als Allergene werden Antigene bezeichnet, die eine Soforttyp- liegt eine allergische Sensibilisierung ohne Allergie vor – und Reaktion hervorrufen. Es handelt sich um Proteine mit einem tertiärer Prävention – es liegen eine Sensibilisierung und eine Molekulargewicht von 5.000 bis 70.000 Dalton. Die Entstehung allergische Manifestation vor. In Folge werden nur die pri- der Sensibilisierung wird einerseits von der Reaktionsbereit- märpräventiven Maßnahmen abgehandelt. schaft des menschlichen Organismus, der genetischen Dispo- sition, andererseits durch die allergene Wirkung der Moleküle Untersucht wurden die Effekte von Stillen, mütterlicher Nah- bestimmt. Je nach Applikationsweg werden inhalative, orale rungskarenz in der Schwangerschaft und Stillzeit, hypoaller- und parenterale Allergene unterschieden. Zu den relevanten gene Säuglingsnahrung, Einführung von Beikost, felltragende inhalativen Allergenen im Kindesalter gehören Gräser-, Baum- Tiere im Haushalt, andere Allergenkarenz-Maßnahmen und Getreidepollen, Hausstaubmilben, tierische Epithelien (Milben, Schimmelpilze), Nikotinexposition, Impfungen, und Schimmelpilzsporen. Relevante nutritive Allergene Geburtsmodus, Präbiotika und Probiotika. Die systematische sind Proteine aus Kuhmilch, Eiklar, Getreide, Erd- Aufarbeitung der Evidenz-basierten Wirkungen der jewei- nuss, Baumnüssen und Fischen. Insektengifte von ligen Maßnahmen ist in Leitlinien-Empfehlungen des AWMF Bienen und Wespen sowie Antibiotika sind eingeflossen. In Abb. 1 finden Sie eine Zusammenfassung der häufige parenterale Allergene. von 2014 bis 2019 aktuell gültigen Leitlinienempfehlungen. Neue Empfehlungen werden erarbeitet und sollen 2021 zur Verfügung stehen. »
Allergien im Kindesalter » Klinische Manifestationen Die Behandlung der schubhaft verlaufenden Krankheit basiert auf der Verbesserung der Hautbarrierefunktion mittels regel- Atopische Dermatitis/Neurodermitis mäßiger Hautpflege sowie der Kontrolle der entzündlichen Diese mit 13 Prozent Prävalenzrate häufige Hauterkrankung Schübe mittels Entzündungshemmung. Meist – vor allem manifestiert sich früh im Säuglings- und Kleinkindesalter. Die im Säuglings- und Kleinkindesalter – stehen Kortikosteroid- Ausprägung kann mild (zu 80 Prozent), mittelschwer (zu 14 haltige Externa zur Verfügung; ab dem vollendeten zweiten Prozent) und schwer (zu sechs Prozent) ausfallen. Viele Kinder Lebensjahr sind andere nicht-steroidale Entzündungshem- weisen im Blut IgE-Antikörper gegen Nahrungsmittel-Allergene mer verfügbar (topische Calcineurin-Inhibitoren). Neuerdings und inhalative Allergene auf. Oft wird davon eine Nahrungsmit- stehen für schwer kontrollierbare Verlaufsformen Biologika telallergie abgeleitet; sie liegt jedoch nur in seltenen Fällen vor. (anti-IgE, anti-IL4/IL13 Rezeptor) neben systemischen Off- Lediglich bei mittelschwerer und schwerer Ausprägung der label-Produkten wie Cyclosporin A, Azathioprin, Mycopheno- Erkrankung haben 40 Prozent auch eine klinisch relevante Nah- latmofetil und Methotrexat zur Verfügung. rungsmittelallergie. Obwohl Hinweise für eine Überfunktion der IgE-Antwort, eine Erniedrigung der zellulären Immunant- Nahrungsmittelallergie wort der Haut und eine emotionale Beteiligung bestehen, ist die Erkrankung weder als rein allergisch noch als rein sebostatisch Nahrungsmittelallergien können zu lebensbedrohlichen oder rein psychisch verursacht zu betrachten. Symptomen führen und vermindern die Lebensqualität der betroffenen Kinder. Die Prävalenz der Nahrungsmit- Das klinische Bild ist durch eine chronisch verlaufende ent- telallergie nimmt zu. Die Häufigkeit bei Schulkindern liegt zündliche Veränderung der Haut – begleitet von starkem basierend auf neuesten Daten aus den USA bei schät- Juckreiz – geprägt. Im Frühkindesalter sind vor allem die zungsweise 7,6 Prozent und in Europa bei 1,4 bis 3,8 Pro- Streckseiten, ab dem späteren Vorschulalter überwiegend zent in der Schulkind-Population; bei Ekzematikern höher. die Beugestellen betroffen. Im Schulalter werden assoziierte Nur wenige Nahrungsmittel sind für die meisten IgE- und Beschwerden im Sinne von Asthma bronchiale oder Rhino- nicht-IgE-vermittelten Allergien verantwortlich (Kuh- konjunktivitis beobachtet. Starke Beanspruchung der Haut milch, Hühnerei, Weizen, Soja, Fisch, Meeresfrüchte, Nüs- wie mangelhafte Pflege, winterliches Klima oder eine Super- se und Erdnüsse). Nahrungsmittel-Intoleranzen (zumeist infektion verschlechtern den Verlauf. auf Laktose und Fructose-Basis) sind deutlich häufiger, weisen vorwiegend gastrointestinale Beschwerden auf und sind insgesamt nicht bedrohlich. Eine präzise Diag- Abb. 1: Allergieprävention* nostik ist jedenfalls für die Zuordnung Allergie oder Intoleranz essentiell. Fam. Vorbelastung Keine nein (mindest. 1 ja Ein positiver Sensibilisierungstest Elternteil/Geschwisterkind Risikoperson Risikoperson Asthma, Heuschnupfen oder allein beweist noch keine Allergie. Neurodermitis) Die Behandlung basiert auf Allergen- Ausschließliches Stillen Hypoallergene (HA) karenz (strikt oder Dosis-reduziert). Normale in den ersten vier Nahrung (partiell oder Medikamentöse Notfallmaßnahmen Lebensmonaten extensiv hydrolysiert, Säuglingsnahrung keine soya-basierte helfen, die Symptomatik zu kontrollie- Säuglingsnahrung Beikost mit dem vollendeten 4.LMo ren. Eine kurative Therapie steht zur- Ausgewogene Ernährung in SS/Stillzeit und 1. LJ zeit nicht zur Verfügung. Fisch in SS/Stillzeit und als Beikost empfohlen Vermeiden von Übergewicht An eine IgE-vermittelte Nahrungsmit- telallergie (NMA) ist bei raschem Auf- Keine allg. restriktive Diät für Mutter und Kind treten der Symptomatik (innerhalb Keine Vermeidung von Schimmelpilz-förderndem Klima Keine Anschaffung Einschränkung bei von Katze, von null bis zwei Stunden) nach Expo- Vermeidung der Aktiv- und der Tierhaltung Hundeanschaffung sition zu denken (Tab. 1). Eine nicht- Passivtabakrauchexposition(va in SS) möglich IgE vermittelte Nahrungsmittelallergie Minimierung der Exposition mit Luftschadstoffen kann bei verzögertem Auftreten der Impfung laut Impfplan Beschwerden (2 bis 24/48 Stunden) Cave! Kaiserschnitt S3 Leitlinie nach Exposition vermutet werden Allergieprävention 2014-2019 (Tab. 2, 3, 4). Bei einer IgE-vermittelten * gemäß Leitlinie 2014 bis 2019 Sofortreaktion können die Symptome 36 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 23/24 | 15. Dezember 2020
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T meist sehr genau geschildert werden; bei einer Spätreaktion telter Nahrungsmittelallergie ist gemäß Schweregrad die ist die Anamnese selten schlüssig (Tab. 1). Versorgung mit einem Adrenalin-Autoinjektor und weiteren Akutmedikamenten zu bedenken. Bei akuter nicht-IgE ver- Die Anamnese gibt die weiteren Abklärungsschritte vor mittelter Nahrungsmittelallergie ist für eine rasche Hydrie- (Tab. 5, 6). Ein einzelner Test (spezifisches IgE oder Haut- rung (oral, in vitro) im Akutfall zu sorgen (Tab. 7). Neue Prick-Test) reicht meist aus, um eine Sensibilisierung auf ein Therapieoptionen sind neuerdings zu bedenken und gege- Nahrungsmittel festzustellen. Ergibt sich aus der Anamnese benenfalls anzubieten (Orale Immuntherapie mit Nahrungs- ein klarer Verdacht für eine Reaktion auf ein Nahrungsmittel mitteln (OIT), präventive Nahrungsmittel-Exposition im und ergibt der Sensibilisierungstest ein passendes Ergebnis, Säuglingsalter, Pharmakotherapie mit Biologika – Anti-IgE). kann die Diagnose meist gestellt werden. Bleibt die Proble- Vieles davon ist noch off-label und soll nur nach sorgfältiger matik unklar, kann als weiterer Schritt eine diagnostische Prüfung bei schweren Verlaufsformen und in Zentren umge- Eliminationsdiät hilfreich sein. Wird dabei eine Symptomver- setzt werden. » besserung erzielt, sollte als letzter, aber wichtiger Schritt im Anschluss eine Nahrungsmittel-Provokation unter ärzt- licher Aufsicht – vorzugsweise unter Tab. 1: Einteilung der Nahrungsmittel-assoziierten Symptome* stationären Bedingungen – erfolgen. Soforttyp Symptome Verzögerte Symptome Zielorgan (0-2 Stunden) (> 2 Stunden) Aber auch der Nachweis von spezi- Haut Flush Erythem fischen IgE besagt lediglich eine Sen- Erythem Juckreiz Juckreiz Exanthem sibilisierung und ist keinesfalls mit Urtikaria Ekzemverschlechterung dem Beweis einer klinischen Aktua- Angioödem lität gleichzusetzen. Auch nach Ent- Exanthem wicklung einer Toleranz, das heißt Augen Juckreiz der Körper verträgt ein bisher nicht Konjunktivale Injektion Tränenfluss vertragenes Nahrungsmittel wieder, Periorbitale Schwellung können die IgE-Werte (zumindest) Obere Atemwege Nasale Schwellung über Jahre positiv bleiben. Viele rele- Juckreiz vante Nahrungsmittel sind moleku- Schnupfen (Rhinorrhoe) Niesen lar charakterisiert und es lassen sich Larynxödem zahlreiche Allergen-Moleküle auf Heiserkeit deren IgE-Reaktivität bestimmen. Mit- Trockener Husten hilfe des IgE-Erkennungsprofils soll Untere Atemwege Husten Asthma – Spätreaktion Thorakales Engegefühl die individuelle klinische Relevanz Atemnot einer Sensibilisierung und eine Risi- Pfeifende Atmung (Giemen) koabschätzung ermöglicht werden. Interkostale Einziehungen Einsatz von Atemhilfsmuskulatur Es wurden für einige Nahrungsmittel- Allergene Marker-Moleküle identifi- Oropharynx Lippen,- Zungen-, Gaumen- schwellung ziert, deren klinische Treffsicherheit Juckreiz noch zu prüfen ist. Gastrointestinaltrakt Übelkeit Übelkeit Koliken Bauchschmerzen Für die Ernährungstherapie – also für Erbrechen Erbrechen Durchfall Durchfall die Elimination des Symptom-auslö- Reflux Reflux, Hämatochezie (Blut senden Nahrungsmittels – spielt es im Stuhl) keine Rolle, ob eine IgE- oder nicht- Nahrungsmittel-Verweigerung IgE-vermittelte Ursache zugrunde mit Gedeihstörung liegt. Das zu meidende Nahrungs- Kardiovaskulär Tachykardie mittel muss bis zur Toleranzentwick- Hypotension lung strikt gemieden werden. Davon Schwindel abzugrenzen sind die Nahrungsmittel- Bewusstseinsverlust unverträglichkeiten (nicht immuno- *nach Organbeteiligung und Auftreten der Symptome logisch; siehe Tab. 2). Bei IgE-vermit- 23/24 | 15. Dezember 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 37
Allergien im Kindesalter Tab. 2: Unerwünschte Reaktionen auf Nahrungsmittel Primäre Nahrungsmittelallergie (nicht-allergische) Nahrungsmittelunverträglichkeit (immunologisch) (nicht immunologisch) Gemischt IgE-/ Enzymmangel, IgE-vermittelt nicht-IgE-vermittelt toxisch pharmakologisch irritativ nicht-IgE-vermittelt Malabsorption Urtikaria, Angioödem eosinophile Ekzem- Zum Beispiel Zum Beispiel Zum Beispiel Zum Beispiel Exanthem, Flush Ösophagitis/ Verschlechterung Fisch Laktose Histamin periorale Rötung Konjunktivitis, Rhinitis, Gastroenteritis Ösophagitis Fructose, Sorbit (Säure) Asthma bronchiale Asthma bronchiale Enteropathie Erbrechen, Diarrhoe Atopisches Ekzem Proktokolitis kolikartige FPIES (Erbrechen 1-4 Bauchschmerzen Stunden nach Auf- nahme, Lethargie) Anaphylaxie » Asthma bronchiale Tab. 3: Nahrungsmittel, die im Kindesalter am häufigsten IgE-vermittelte Symptome auslösen* Rezidivierende pfeifende Atmung im Vorschulalter Häufig transient Meist persistierend („preschool wheeze“) und Asthma bronchiale im Kindes- Kuhmilch Erdnuss und Jugendalter stellen heterogene Krankheitsentitäten dar. Hühnerei Baumnüsse Zum einen sind unterschiedliche Krankheitsverläufe zu beo- Weizen Fisch bachten (transient versus persistierend), zum anderen sind Soja Meeresfrüchte Samen die Auslöser unterschiedlich (Infekt, Rauchexposition, Aller- gen, etc.). Diesen Krankheitsbildern gemeinsam ist die rever- *Einteilung nach Prognose einer natürlichen Toleranzentwicklung sible Atemwegsobstruktion, welche durch variable Auslöser getriggert wird. Diese Auslöser umfassen Infekte, Allergen- exposition, Anstrengung, Wetterwechsel, Stress und Rauch- Tab. 4: Nahrungsmittel-assoziierte Symptome* exposition. Im Vorschulalter erschwert das Fehlen einer Haut Gastrointestinal Krankheits-objektivierenden Lungenfunktionsbestimmung - Urtikaria, Exanthem - Übelkeit, Erbrechen und der sichere Nachweis einer Atemwegsinflammation die - Quincke-Ödem - Durchfall Diagnostik. Vorschulkinder können meist keine Lungenfunk- - Juckreiz - Obstipation, Meteorismus tionsprüfung durchführen, da eine aktive Mitarbeit bei den - Flush - Kolikartige Bauchschmerzen - Ekzemverschlechterung - Gewichtsverlust, Dystrophie Atemmanövern nicht erzielbar ist. Eine Reversibilitätsprü- Respiratorisch Diverse fung in der Lungenfunktion und der Nachweis einer Atem- - Bronchiale Obstruktion - Kopfschmerzen (Migräne) wegsinflammation (Eosinophilie, NO) sind Grundlage der - Rhinokonjunktivitis - Müdigkeit entzündungshemmenden Behandlungsstrategie im Lang- - Larynxödem, Stridor - Fieber zeitmanagement. - Heiserkeit, Husten - Unruhe, Irritabilität Anaphylaktische Reaktion Obwohl im Vorschulalter die Lungenfunktionsbestimmung *gemäß Organbezug nicht herangezogen werden kann, ist die Akuttherapie der obstruktiven Episoden gut definiert und einsetzbar. Die Behandlung akuter Episoden einer Atemwegsobstruktion Tab. 5: Verdacht auf Nahrungsmittelallergie: diagnos- jedweder Genese besteht aus kurz wirksamen atemwegs- tische Möglichkeiten (IgE und nicht-IgE-vermittelt) erweiternden inhalativen Beta-2-Agonisten (eventuell 1. Anamnese durch Ipratropiumbromid ergänzt) und Verwendung syste- 2. Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuch mischer Steroide bei schwerem beziehungsweise persistie- 3. In vitro-Untersuchungen spezifische IgE-Antikörper rendem Verlauf. 4. In vivo-Untersuchungen Hautpricktest (incl. Prick-Prick) Die Langzeit- beziehungsweise Präventionstherapie neu- 5. Diagnostische Eliminationsdiät 6. Orale Provokation (offen, doppel-blind) er Episoden unterscheidet sich je nach Alter (Vorschulal- ter versus Schulalter/Jugendliche) und nach Zuordnung zu 38 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 23/24 | 15. Dezember 2020
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T einer spezifischen Diagnose (Episoden pfeifender Atmung Behandlungs-Management gehört außerdem eine Asthma- im Vorschulalter versus Asthma bronchiale oder Episoden schulung für Kinder und Jugendliche. pfeifender Atmung im Schulalter). Für das Vorschulalter und Schulalter ist bei gesicherter Diagnose Asthma bronchiale Anaphylaxie die Therapieempfehlung gut belegt (Evidenz-basiert) und beinhaltet die Verwendung von entzündungshemmenden Anaphylaxien insgesamt und speziell jene auf Nahrungs- inhalativen Steroiden kombiniert mit oralen Leukotrien- mittel im Kindesalter nehmen weltweit zu (zwischen 0,5 rezeptorantagonisten sowie Kombinationspräparate von und zwei Prozent; siehe Abb. 2). Ausgelöst werden Ana- inhalativen Steroiden und langwirksamen inhalativen Beta- phylaxien durch parenterale oder orale Allergen/Antigen- 2-Agonisten – sowie bei Bedarf den Einsatz von inhalativen zufuhr (Insektengifte, Nahrungsmittel, Medikamente; siehe Beta-2-Agonisten. Abb. 3). Als Frühzeichen werden Juckreiz, Hitzegefühl und Bauchschmerzen angegeben. Der anaphylaktische Schock Bei allergischem Asthma bronchiale ab dem Schulalter mit Kreislaufhypotonie ist die lebensbedrohliche Folge ist bei guter Krankheitskontrolle zusätzlich eine Allergen- der kardiovaskulären Reaktion. Systemische allergische spezifische Immuntherapie zu empfehlen. Zum optimalen bis anaphylaktische Reaktionen auf Bienen- und Wespen- » Abb. 2: Anaphylaxieprävalenz bei Kindern – nach Auslöser Nach Wang et al, Allergy 2019 Allergiepr 23/24 | 15. Dezember 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 39
Allergien im Kindesalter Tab. 6: Verdacht auf Nahrungsmittelallergie: strukturiertes Anamnesegespräch Bekannte allergische Erkrankungen Medikamente Eigenanamnese Körperliche Anstrengung Infekte Körperliche und psychische Belastung Fremdanamnese Allergische Erkrankungen bei Verwandten 1. Grades Wann Wo? Symptome bzw. Wodurch? spezifische Auslöser Wie lange? Wie oft? Wiederholt? Ernährungs- und Dokumentation (exakte Beschreibung der Nahrungsmittel/Getränke, Art der Zubereitung sowie verzehrte Menge) Symptom-Tagebuch der zugeführten Ernährung und das Auftreten von Beschwerden in zeitlichem Zusammenhang Manche Nahrungsmittelallergien neigen wiederum nicht Tab. 7: Therapie der Nahrungsmittelallergie dazu, in Remission zu gehen, sondern zu persistieren (Erd- nüsse, Baumnüsse, Fisch, Krebstiere). Eliminationsdiät und Instruktion durch allergologisch Ernährungstherapie versierten Diätologen Adrenalin (im Autoinjektor) Standardtherapie der Anaphylaxie ist das Meiden des Aus- lösers (Nahrungsmittel, Medikamente, Insektengift). Für die Antihistaminika Insektengiftallergie steht eine sehr effektive Allergenimmun- Pharmakotherapie bei Kortikosteroide therapie mit ausgezeichnetem Therapieerfolg zur Verfügung Notfall (durch Patienten/ Eltern/Betreuer (90 Prozent bei Wespengiftallergie; 75 bis 80 Prozent bei anzuwenden) Schulung für Notfall Bienengiftallergie). Für die Nahrungsmittelallergien ist eine Notfallplan orale, sublinguale oder epikutane Immuntherapie mit Nah- rungsmitteln in der Umsetzung. Rasche Hydrierung (oral, iv) Orale/sublinguale/epikutane Therapie allergischer Erkrankungen In Evaluierung Immuntherapie (Desensibilisie- rung/Toleranzinduktion) Die Therapie allergischer Erkrankungen ist mannigfaltig. Wo © alle Tabellen: Szépfalusi möglich wird man die Allergenquelle entfernen (zum Beispiel Tiere), die Allergenkonzentration reduzieren (zum Beispiel » stiche gehen mit kutanen Symptomen wie Urtikaria, Juck- Haustaubmilbendichte „Encasings“, Fenster schließen bei Pol- reiz, Angioödem oder mit Atemwegsbeschwerden einher. lenflug), der allergischen Ausrichtung des Immunsystem ent- Meist wurden vorangehende Stiche gut toleriert, sodass der gegenwirken (zum Beispiel Allergen-Immuntherapie bei Pol- Sensibilisierungsweg oft ungeklärt bleibt. Neben der Zuord- linose, Insektengiftallergie) und die Entzündungsreaktion an nung der Reaktion zu mild (lokal) bis schwer (bedrohlich den Zielorganen unterdrücken – beispielsweise durch topische – anaphylaktisch) muss die Allergenquelle identifiziert Steroide an der Haut, der Nase und den Bronchien. Nicht selten werden. Bei Insektenstichen muss zwischen Bienen und ist eine Kombination von mehreren Maßnahmen gleichzeitig Wespen unterschieden werden; bei Nahrungsmitteln kann erforderlich, um das Beschwerdebild zu kontrollieren. die Zuordnung schon viel schwieriger sein. Bei den stark im Zunehmen befindlichen Ursachen durch Nahrungsmit- Der Unterdrückung einer entstandenen allergischen Entzün- tel ist besonders zu beachten, dass viele Kleinkinder über dung kommt ein hoher Stellenwert zu. Auf diese Weise kann die ersten Lebensjahre ihre Allergie/Anaphylaxie wieder das Entstehen der Hyperreagibilität von Haut und Schleim- verlieren (das heißt tolerant werden; siehe Abb. 3). Diese häuten teilweise verhindert werden. Entwicklung muss in das Management der Anaphylaxie mit Betroffenen, Eltern, Hort, Kindergarten und Schulper- Die Allergen-Immuntherapie ist zu einem effektiven thera- sonal einfließen, damit Kinder nicht unnötigerweise eine peutischen Standbein der allergischen Rhinokonjunktivitis, Diät halten müssen, obwohl diese nicht mehr benötigt wird. des Asthmas bronchiale und der Insektengiftallergie gewor- 40 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 23/24 | 15. Dezember 2020
DFP-Literaturstudium S T A T E O F T H E A R T den und wird es vielleicht auch bald bei der Nahrungsmit- Literatur beim Verfasser telallergie werden. Die Pharmakotherapie hat sich erweitert. Neben abschwellenden Lokaltherapien (Antihistaminika, *) Univ. Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi, kurz-wirksame und langwirksame Beta-Mimetika, topische Klinische Abteilung für Pädiatrische Pulmologie, Steroide für die Haut, die Nase, die Bronchien) stehen zuneh- Allergologie und Endokrinologie, Universitätsklinik mend Biologika zur Verfügung. Diese binden an bestimmte für Kinder und Jugendheilkunde, Medizinische Zytokine oder Zytokin-Rezeptoren und blockieren somit die Universität Wien, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien; Entzündungskaskade (anti-IgE, anti-IL5, anti-IL4 und IL13 E-Mail: zsolt.szepfalusi@meduniwien.ac.at Rezeptor). Weitere Antikörper werden folgen und das Ange- bot erweitern. Lecture Board Priv. Doz. Dr. Fritz Horak, Ausblicke Allergiezentrum Wien West Univ. Prof. Dr. Angela Zacharasiewicz, MBA, Es ist damit zu rechnen, dass die Personalisierung der The- Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde/ Klinik Ottakring Wien rapie sich auch in der Pädiatrie weiter entwickeln wird und mit der Diagnosestellung (inclusive Phänotypisierung) Fortbildungsanbieter hochspezifische Therapieformen individuell angeboten Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde, werden können. Medizinische Universität Wien Abb. 3: Nahrungsmittel als Auslöser allergischer Reaktionen im Laufe des Älterwerdens Aus: Grabenheinrich et al, J Allergy Clin Immunol 2016 23/24 | 15. Dezember 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 41
DFP-Literaturstudium: Allergien im Kindesalter Im Rahmen des Diplom-Fortbildungs- Programms der Österreichischen Ärztekammer ist es möglich, durch das Literaturstudium in der ÖÄZ zwei Punkte für das DFP zu erwerben. 1) Die Lebenszeitprävalenz von Allergien im Kindesalter liegt bei: (eine Antwort richtig) Insgesamt müssen vier von sechs Fragen richtig a) einem Prozent beantwortet sein. Eine Frage gilt als korrekt b) fünf Prozent beantwortet, wenn alle möglichen richtigen c) zehn Prozent Antworten markiert sind. d) 23 Prozent e) 70 Prozent Schicken Sie diese Seite bis 26. Februar 2021 an: 2) Allergien können wie folgt auftreten: Verlagshaus der Ärzte GmbH, z. Hd. Claudia Chromy (vier Antworten richtig) Nibelungengasse 13, 1010 Wien, a) IgE-vermittelt Faxnummer: 01/376 44 86 b) nicht-IgE-vermittelt E-Mail: dfp@aerzteverlagshaus.at c) als Soforttypreaktion d) als verzögerte Reaktion e) als Intoleranz www.aerztezeitung.at/DFP-Literaturstudium 3) Allergie-präventive Maßnahmen sind: (zwei Antworten richtig) Bitte deutlich ausfüllen, da sonst die Einsendung a) Stillen nicht berücksichtigt werden kann! b) Nikotin-Karenz c) Vermeiden von Nüssen, Milch, Ei in der Name: Schwangerschaft d) Probiotika und Präbiotika in der Schwangerschaft ÖÄK-Arztnummer: e) Katzen als Haustiere 4) Anaphylaxien im Kindesalter werden Adresse: ausgelöst durch: (drei Antworten richtig) a) Medikamente b) Tonsillektomie und Adenotomie c) Nahrungsmittel d) Insektengifte E-Mail-Adresse: e) Pollen 5) Die Therapie von Asthma bronchiale im Kindesalter umfasst: (vier Antworten richtig) a) Beta-Mimetika Zutreffendes bitte ankreuzen: b) Inhalative Steroide Turnusarzt/Turnusärztin c) Anti-IgE-Antikörper Zwei Drittel der Fragen richtig beantwortet: Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin d) Leukotrienrezeptorantagonisten Facharzt/Fachärztin für e) Antihistaminika 6) Die Nahrungsmittelallergie behandelt man mit: (zwei Antworten richtig) Ich besitze ein gültiges DFP-Diplom. a) Allergenkarenz (Diät) Ich nutze mein DFP-Fortbildungskonto. b) Notfallmanagement bei unbeabsichtigter Bitte die DFP-Punkte automatisch buchen. Exposition c) Kortison-Dauertherapie Altersgruppe: d) Antihistaminika (systemisch) < 30 31–40 41–50 51–60 > 60 e) Inhalativen Steroiden 42 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 23/24 | 15. Dezember 2020
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