Alles muss raus Stallbau - EIP-Rind
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28 Stallbau Nr. 46 20. November 2021 c Alles muss raus DOPPELFUNKTION Wenn das Wetter passt, halten sich Kühe gerne und viel im Freien auf. Da kann es auf dem Laufhof schnell mal eng werden. Die Strukturierung kann eine Lösung sein, die gleichzeitig zusätzliche Emissionen mindert. Das baden-württembergische Die aktuelle Bauausführung Agrarinvestitionsförderpro- angegliederter Laufhöfe bringt gramm (AFP) schreibt 1,5 m² frei also gleich mehrere Zielkonflik- nutzbare Laufhoffläche je Kuh te mit sich: vor. Ein angegliederter Laufhof • Das Flächenangebot ist für muss außerdem mindestens 5 m das Distanztier Rind zu bevor- breit sein. Zu Stoßzeiten geht es zugten Nutzungszeiten eigent- dort durchaus eng zu. Gerade die ersten und letzten Sonnenstun- den des Tages verbringen Kühe ausgesprochen gerne im Freien, sowohl im Sommer als auch im Winter. Laufhöfe größer zu bau- en, ist sicherlich keine Option. Die zusätzlichen Boxen auf dem Laufhof sind nicht über- Denn wo sich viele Kühe aufhal- dacht. Sie sind vergleichbar mit Liegestühlen auf einer Son- ten, fällt viel Gülle an. In der Re- nenterrasse. Wichtig dabei: Damit die Kühe in den Boxen gel gibt es für Laufhöfe kein Ent- auch bequem stehen können, ist ein niedrig positioniertes, mistungskonzept, die Schieber- flexibles Nackensteuer notwendig. Das Stabilisierungsrohr bahnen enden im Stallgebäude sollte oberhalb der Kuh angebracht sein. und die Außenfläche muss mobil oder von Hand entmistet wer- hen und sich kaum schon mehrere strukturierte den. Beides bedeutet, dass aus fortbewegen, bietet Laufhöfe geplant, die von den arbeitswirtschaftlichen Gründen es sich an, nach dem Betrieben gebaut wurden und in der Praxis im günstigsten Fall Vorbild des Liegebo- nun von der Hochschule für einmal täglich entmistet wird. xenlaufstalls auch auf Wirtschaft und Umwelt Nürtin- Aus dem Kot-Harn-Gemisch dem Laufhof eine gen-Geislingen (HfWU) wissen- entsteht aber Ammoniak: Jeder Strukturierung zu schaftlich untersucht werden. zusätzliche emissionsaktive schaffen. Boxen, welche die Tie- Quadratmeter schlägt mit lich zu niedrig, die Tiere drängen re wahlweise zum Stehen oder Stallachsen 8 g/Tier und Tag zu Buche. Das sich eher und gelaufen wird Liegen aufsuchen können, bie- im Freien fortsetzen summiert sich bei 1,5 m² pro kaum. ten einen geschützten Rück- Kuh jährlich auf über 4 kg zu- • Der Laufhof wird zur Arbeits- zugsort. Wie im Stall ermögli- sätzliche Ammoniakemissio- falle, die Reinigung ist meist chen Trennbügel eine geringere Die Entmistungsachsen werden nen. Wobei doch genau hier un- Handarbeit. Distanz und bieten so mehr Tie- auf diese Art und Weise auf den bedingt reduziert werden sollte, • Es entstehen pro Kuh über ren stressarmen Platz auf dem Laufhof fortgesetzt. Mistabwür- da die Rinderhaltung ungefähr 25 % höhere Ammoniakemissi- Laufhof. Das Projekt Bauen in fe können entweder weiter ge- die Hälfte der gesamten deut- onen. der Rinderhaltung im Rahmen schützt innerhalb des Gebäudes schen Ammoniakemissionen Wenn Kühe auf dem Laufhof der Europäischen Innovations- bleiben und Klappwendeschie- erzeugt. sowieso in der Regel herumste- partnerschaft (EIP-Agri) hat ber eingesetzt werden, oder
Nr. 46 20. November 2021 c Stallbau 29 Kurz & knapp • Laufhöfe bieten 365 Tage im Jahr mehr Tierwohl, er- höhen aber dabei die Am- moniakemissionen. • Zu Stoßzeiten drängen sich die Tiere auf dem Lauf- hof, dieser ist dann eigent- lich zu eng. • Strukturierung schafft Ab- hilfe: Kühe erhalten Rück- zugsorte, emissionsaktive Flächen werden reduziert, die Arbeitswirtschaft ver- bessert sich. • Auf baulich-technische Details bei der Konstruktion Bilder: Benz der erhöhten Fressstände und der Liegeboxen ist zu achten Die Futterachsen werden bei diesem 6-reihigen Laufstall des EIP-Betriebes Bunz in Schwendi • Beispiele gibt es unter südlich von Ulm bis in den Laufhof gezogen und die Entmistungsachsen fortgeführt. Dadurch www.eip-rind.de. ❑ verbleiben wenige Quadratmeter auf den Quergängen des Laufhofes für die manuelle Entmistung. auch ans Ende des Laufhofes den, wenn der letzte Quergang Strukturierte Laufhöfe er- man überdachen, damit das Fut- platziert werden. Dann bleiben anstatt innerhalb des Gebäudes möglichen den Tieren, alle Ver- ter vor Witterung geschützt ist. nur die Quergänge für die manu- außen über den Laufhof geführt haltensweisen auch auf dem Außerdem zählen die Fress- elle Reinigungsarbeit übrig. Ge- wird. Dann spart die Bauweise Laufhof auszuüben. So werden plätze dann für das Tier-Fress- gebenenfalls kann das Gebäude nicht nur Arbeitszeit, sondern auch die Futterachsen auf den platz-Verhältnis beim AFP. Ins- sogar etwas kürzer gebaut wer- zusätzlich noch Baukosten. Laufhof gezogen. Diese sollte gesamt führt das zusätzliche ➜ Den Tieren natürliches Verhalten ermöglichen Rinder vertragen tiefe Tempe- intensiverer Sonneneinstrah- gungen kaum geben. In der messene Sozialdistanz in Ab- raturen gut, zumindest, solan- lung den geschützten Stall ge- Regel werden trockenstehen- hängigkeit vom jeweiligen ge sie genügend Energie für genüber einem Laufhof. An de Kühe separat gehalten und Rang in der Herde. Knappe die Thermoregulation zur Ver- sonnigen Wintertagen drän- gefüttert. Auch bei der Be- Ressourcen müssen daher bei fügung haben. Im ursprüngli- gen sie nach draußen und ge- standsergänzung müssen im- Haltung und Management chen Lebensraum suchten sie nießen die Sonne. mer wieder neue Herdenmit- vermieden werden: Jedes Tier bei Bedarf Schutz in lichten Eine gewachsene Sozial- glieder integriert werden. hat einen Liegeplatz und Wäldern und waren ansons- struktur mit stabilen Domi- Als Distanztiere achten Rin- das Tier-Fressplatz-Verhältnis ten eher Bewohner offener nanzbeziehungen wie bei frei- der beim Liegen, der Fortbe- liegt in der Regel bei ständiger Landschaften. So bevorzugen lebenden Rinderherden kann wegung und der Nahrungs- Futtervorlage bei 1,2 zu 1 oder Kühe bei stärkerem Wind und es unter Stallhaltungsbedin- aufnahme auf eine ange- darunter. ❑
30 Stallbau Nr. 46 20. November 2021 c Platzangebot auf diese Weise zu einer lockereren Belegung der verfügbaren Stallplätze. Die Alternative Wissenschaft empfiehlt eine Hackschnitzel Unterbelegung von 10 %, die bei Neubauten aber fördertech- Im EIP-Agri wird derzeit er- nisch nicht realisierbar ist. Mit probt, ob Aufenthaltsberei- den Boxen auf dem Laufhof wird che auch mit Hackschnit- es für die Tiere leichter, einen zeln eingestreut werden mit Trennbügeln geschützten können. Die Idee dahinter Ruheort zu finden. ist, die erhöhten Baukosten Wenn es im Sommer heiß ist, für die Strukturierung zu re- bevorzugen die Kühe besonders duzieren und gleichzeitig in der Mittagshitze den wärme- eine mit organischem Mate- gedämmten Stall und gehen rial eingestreute Fläche an- eher vormittags oder abends zubieten. Inwiefern sich das raus. Abhilfe kann ein kühlendes System in der Praxis und bei Gründach schaffen, das auf der unterschiedlichen Wetter- südöstlichen Fressachse beson- verhältnissen bewährt, ist ders effektiv ist. Dachbegrünun- Die alternative Ausführung eines strukturierten Laufhofes: Statt derzeit noch offen, da sich gen speichern Regenwasser, das Liegeboxen werden Inseln tief mit Hackschnitzeln eingestreut. der Laufhof noch in Fertig- bei Hitze verdunstet und dann Die Entmistungsachsen können auch hier fortgeführt werden. stellung befindet. ❑ für kühlere Umgebungsluft Die Überdachung der Fressplätze ist noch nicht fertiggestellt. beim Fressen sorgt. Zudem ist die Dachfläche nicht versiegelt und stellt eine ökologisch wert- volle Fläche dar, die auch op- tisch positiv wirkt. Auf die Details achten An den Fressbereichen sollten die Kühe, wie im Stall auch, auf erhöhten Fressständen stehen können. Diese sind mit Trenn- bügeln mindestens an jedem zweiten Platz abgetrennt. So wird auch hier konsequent das Dachbegrünungen verringern nicht nur den Wärmeeintrag und speichern Wasser, sondern wirken durch die Ver- Prinzip des Liegeboxenlauf- dunstungskälte sogar kühlend. Die Perspektive rechts zeigt: Die Tiere können frei wählen zwischen Laufstall, stalls fortgeführt wird, durch Laufhof und überdachtem Wartehof des Melkhauses. Futtertischbrücken schaffen die notwendige Verbindung. Strukturierung geschützte Orte zu schaffen. Dadurch können schmutzte Fläche wird um rung des Nackensteuers ent- Zielkonflikt zwischen höherem die Tiere ungestört fressen und ca. 15 % reduziert. scheidend. Deshalb sollte ein Tierwohl und negativer Umwelt- die Entmistungsfrequenz kann Ein weiterer wichtiger Punkt Stabilisierungsrohr keinesfalls wirkung kann durch die Struktu- an den erhöhten Kot- und ist die Ausführung der Liegebo- eine Doppelfunktion ausüben. rierung des Laufhofes teilweise Harnanfall im Gang angepasst xenkonstruktion. Kühe sollten Ein niedriges flexibles Nacken- aufgelöst werden. Wenn bau- werden. Gleichzeitig sinken die die Boxen zusätzlich zum Liegen steuer ermöglicht es den Kühen, lich-technische Maßnahmen Ammoniakemissionen, denn auch immer zum Stehen nutzen mit allen vier Gliedmaßen inner- zur Reduktion von Ammoniak- die emissionsaktive ver- können. Dafür ist die Positionie- halb der Liegebox zu stehen und emissionen außerdem auch im ihre Klauen zu schonen. Dabei Stall eingebaut oder nachgerüs- können sie den Kopf gerade hal- tet werden, lassen sich die Mehr- ten und entspannt im Stehen Emissionen durch die zusätzli- wiederkäuen. Aufstehende Kühe che verschmutzte Laufhoffläche steuert das flexible Nackensteu- sogar vollständig kompensieren. er auch bei unterschiedlicher Zielführende Maßnahmen Körpergröße zuverlässig nach sind hier der Einbau erhöhter hinten, sodass die Verkotung der Fressplätze mit einem Minde- Boxen minimiert ist. rungspotenzial von rund 15 % und emissionsmindernde Lauf- Zielkonflikt ist lösbar gangbeläge, die derzeit mit rund 20 % Emissionsminderung ein- gestuft werden. Fazit: 365 Tage Strukturierte Laufhöfe können Freigeländezugang ist sogar oh- entweder direkt beim Stallkon- ne eine Verschlechterung der zept eingeplant oder nachträg- Umweltwirkung möglich und lich angebaut werden. So kön- verspricht dabei positive Effekte nen die Tiere selbst wählen, wo für das Tierwohl. sie sich aufhalten. Die Klimarei- Prof. Barbara Benz, ze verbessern das Tierwohl. Der HfWU Nürtingen-Geislingen
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