Wisente zurück im Jura: Projektskizze
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Wisente zurück im Jura: Projektskizze 1 Die Vision Der Wisent wurde in der Schweiz schon im Mittelalter ausgerottet. Wenig hätte gefehlt, und das grösste verbleibende Wildtier Europas wäre vor rund hundert Jahren sogar endgültig verschwun- den. Seit einigen Jahrzehnten gibt es in Osteuropa (Polen, Weiss- russland, Ukraine, Russland, Litauen) wieder über 2000 komplett freilebende Wisente. In anderen Ländern werden Wisente zu ver- schiedenen Zwecken in Grossgehegen gehalten, wobei Land- schaftspflege und Tourismus im Vordergrund stehen. Die Erfahrungen mit Wisenten anderswo und der Rückzug der Land- und Forstwirtschaft aus Grenzertragsgebieten in der Schweiz machen uns Hoffnung, dass der Wisent auch bei uns wieder heimisch werden könnte. Wisente gehören zu unserer Fauna wie Bär, Rothirsch und Fuchs. Im Jurabogen wäre Lebens- raum für eine relativ grosse freilebende Wisentpopulation. Wir erwarten, dass wir mit Wisenten in geeigneten Wald-Weide-Mischgebieten des Juras die folgenden positiven Wirkungen erreichen könnten: – eine regional ausgerottete Tierart zurückgewinnen; – die Attraktivität von ansonsten wenig spektakulären Landschaften für Touristen erhöhen; – naturschützerisch wichtige Sonder-Waldstandorte offen halten. Der Wisent steht dabei stellvertretend für den Wildnis-Gedanken, mit dem Zulassen einer freien Dyna- mik in der Natur. Das Wisentschicksal zeigt deutlich, wie in kurzer Zeit eine Tierart an den Rand der Vernichtung gedrängt werden kann und wie viel Mühe seine Rettung bereitet. Für die Sicherung des Wisentbestandes braucht es weitere Initiativen. Eine davon sollte auch von der Schweiz ausgehen. Die lokal anfallenden Kosten freilebender Wisente, etwa für den Schutz landwirtschaftlicher Kulturen, für die Entnahme von einzelnen «Problemtieren» oder für die Überwachung der Tiere und ihres Einflus- ses auf die Landschaft, dürften durch den Nutzen (Landschaftspflege, touristische Attraktivität) längstens aufgewogen werden. Es braucht Ausgleichsmodelle, da Kosten und Nutzen bei verschie- denen Personengruppen anfallen (z.B. Nutzen für Tourismusbranche, Kosten für Waldeigentümer). Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 1/6 DW06 ProjektskizzeWisentV7DE.docx
2 Die Vision realisieren! Die Zeiten sind günstig für die Rückkehr des Wisents. Der land- und forstwirtschaftliche Nutzungsdruck ist in den Bergen Mitteleuropas so gering wie seit dem Mittelalter nie mehr. Es gibt wieder Raum für Wildtiere und sogar stellenweise für Wildnis. Touristische Landschaftsnutzungen stehen im Vorder- grund. Landschaftlich wenig spektakuläre Mittelgebirge können durch grosse Wildtiere attraktiv werden. Erste Wisent-Grossgehege sind in verschiedenen Ländern Mitteleuropas entstanden. In der Schweiz gibt es bereits landwirtschaftliche Halter von nordamerikanischen Bisons, engen Verwandten des europäi- schen Wisents. Die Tiere werden für die Fleischproduktion und als touristische Attraktion eingesetzt. Allfällige Probleme mit der Forst- und Landwirtschaft und dem Autoverkehr sind bei einer Auswilde- rung lösbar. Beispiele vom wildlebenden Wisenten aus anderen Ländern zeigen, wie es geht. In Deutschland ist auf private Initiative kürzlich ein Projekt gestartet worden, das wildlebende Wisente in ein Mittelgebirge zurückbringt: im Rothaar-Gebirge in Westfalen leben die ersten Wisente wieder in der freien Wildbahn. Wisente kommen nicht wie die Hirsche, Wildschweine, Wölfe und Bären von alleine zurück in die Schweiz. Zumindest nicht in den kommenden Jahrzehnten. Man muss sie aktiv wiederansiedeln, wie früher Steinböcke, Biber und Luchse. Was es jetzt braucht, sind Personen, welche die Vision umsetzen wollen und dazu das Nötige tun, mit Enthusiasmus, Fachkompetenz und Hartnäckigkeit. Immer im offenen Dialog mit allen Betroffenen. Mit den Initianten des vorliegenden Projektes sind die ersten Personen schon gefunden. Weitere müssen noch dazukommen. Ausserdem braucht es am Anfang Geld. Geld für Abklärungen, Werbung, Partnersuche, Grossgehege, Überwachung, wissenschaftliche Begleitung. Im Verlauf der Jahre werden die freilebenden Wisente aber finanziell selbsttragend werden. Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 2/6
3 Die einzelnen Schritte einer kontrollierten Auswilderung 3.1 Übersicht mit Zeitplan Jahr 1 Trägerschaft gründen, Partner gewinnen, Planen, Finanzierung der Startphase sichern, rechtliche Fragen klären, andere Projekte auswerten Jahr 2 Grossgehege Jahr 3 Interesse wecken – Wisent- Jahr 4 Begeisterung entfachen – technische Erfahrungen Jahr 5 machen – waldbauliche Erfahrungen machen – Jahr 6 landwirtschaftliche Herde(n) in Halbfreiheit Erfahrungen machen – Geld beschaffen – Herde Wisent-Gewöhnung – Jahr 7 landschaftliche Wirkung vergrössern erproben – land- und Jahr 8 forstwirtschaftliche Erfahrungen machen – Jahr 9 touristische Nutzung entwickeln – mögliche Probleme mit freilebenden Jahr 10 Herden erkennen – Lösungen für freilebende Jahr 11 Herden entwickeln – Herde freilebende Wisente im vergrössern Jura! 3.2 Vorbereitungsarbeiten Die Vorbereitung wird etwa ein Jahr dauern. Sie umfasst die folgenden Arbeiten: − Suche und Wahl geeigneter Lebensräume mit besonderem Augenmerk auf die Jurakette. − Suche nach einem institutionellen Partner in einem Gebiet, wo die Wisente ein touristisches Gütesiegel sein könnten, z.B. ein Naturpark von nationaler Bedeutung. − Aufbau einer Projektorganisation mit einer rechtlich verantwortlichen Trägerschaft. − Suche von Partnern für das Gesamtprojekt und für die einzelnen Elemente des Projektes. Dazu gehören auch Partner für die Begleitforschung. − Das Projekt ist sorgfältig zu planen, mit Einbau von Erfahrungen der Wisenthaltung und Beobachtung der laufenden Einbürgerungsversuche in verschiedenen Ländern. − Abklärung verschiedener rechtlicher Fragen der Wisenthaltung, z.B. nötige Bewilligungen. − Sicherung der Finanzierung der Startphase. 3.3 Grossgehege («Wisentzentrum») einrichten und betreiben Ein Wisent-Grossgehege mit rund einem Quadratkilometer Fläche dient verschiedenen Zwecken: − Interesse für Wisente und Begeisterung für die Wieder-Einbürgerung wecken. − Von Besuchern des Geheges Einnahmen generieren. Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 3/6
− «Technische» Erfahrungen mit der Wisenthaltung machen (Umgang mit den Tieren in Grossgehegen, Gruppenstrukturen, Zäune, veterinärmedizinische Fragen). − Wissenschaftliche Untersuchungen zur waldbaulichen Wirkung mit ihrem Einfluss auf die Vegetationsentwicklung. − Vergrössern der Wisent-Herde, damit möglichst viele Tiere für die weiteren Schritte des Projektes bereitgestellt werden können. Grossgehege werden voraussichtlich während ca. 10 Jahren betrieben werden müssen. Später sollten sie nicht mehr nötig sein, weil die verschiedenen Ziele besser und kostengünstiger mit der Haltung einzelner Herden in Halbfreiheit erreicht werden können. 3.4 Wisente in Halbfreiheit Unter «Halbfreiheit» verstehen wir Wisentherden, die sich in einem mehrere Quadratkilometer grossen Gelände, zum Beispiel einem Wald-Weide-Mischgebiet frei bewegen können. Eingezäunt sind allenfalls Flächen, die von den Wisenten nicht betreten werden sollen. Solche Herden stehen unter dauernder Überwachung (voraussichtlich durch GPS-Telemetrie). Bestehende natürliche und künstliche Barrieren begrenzen das Gebiet einer Herde mehrheitlich. Die Herde wird von einem Ranger «begleitet», der entstehende Probleme möglichst sofort löst und als «Hirt» dafür sorgt, dass die Tiere das für sie vorgesehene Gebiet nicht verlassen. Der Ranger ist für Auskünfte und Hilfe dauernd erreichbar. Solche Wisentherden können nur in Gebieten angesiedelt werden, in denen keine rentable Rinder- haltung (mehr) vorkommt. Derzeit sind dies im Jura hauptsächlich walddominierte Bergzüge mit geringem Weideflächenanteil. Die halbfreien Wisentherden müssen in den ersten Jahren aufmerksam beobachtet werden. Verschie- dene Fragen bedürfen einer sauberen wissenschaftlichen Klärung, beispielsweise: − Wie verändert sich die Landschaft unter extensiver Beweidung durch Wisente? − Wie wirken sich Wisente waldbaulich aus und wie muss waldbaulich reagiert werden? − Wie kann eine optimale touristische Wertschöpfung mit den Wisenten entwickelt werden? − Welche Probleme verursachen freilebende Wisente? − Wie können die Probleme praktisch gelöst werden und wie hoch sind die Kosten? Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 4/6
Wir erwarten, dass es mindestens fünf Jahre Erfahrungen braucht, bis die wichtigsten offenen Fragen klar beantwortet werden können. 3.5 Freilebende Wisente Wenn die Erfahrungen mit den halbfrei lebenden Wisentherden positiv und Lösungen für allfällige Probleme erprobt sind, werden Herden aus der Halbfreiheit gezielt in die Freiheit entlassen. Oder es können zu diesem Zweck neue Herden gegründet und angesiedelt werden. Damit wäre das hier vorgestellte Projekt erfolgreich been- det. Dies kann etwa 10 Jahre nach Projektstart möglich sein. 4 Kostenschätzung Gesamtprojekt, Laufzeit 11 Jahre Eine erste grobe Überschlagsrechnung ergibt die folgenden Kosten für das Projekt: Leistung Kalkulation Kosten CHF Vorbereitungsarbeiten (3.2) – 640 Stunden à CHF 130 90'000 – Reisespesen CHF 5'000 – Sachkosten CHF 1'800 Ein Grossgehege einrichten – 5 km Zaun CHF 800'000 1'000'000 – Einrichtungen für Tiere und Besucher, Didaktik-Erlebnismaterial CHF 200'000 Unterhalt und Betreuung Grossgehege 9 Jahre lang 540'000 (ohne Forschung) – jährlich 800 Stunden à CHF 65 – Material, Futter jährl, CHF 8'000 Projektleitung, Planung, 10 Jahre lang 450'000 Begleituntersuchungen organisieren, – jährlich 320 Stunden à CHF 130 Öffentlichkeitsarbeit etc. – jährlich Sachkosten 3'400 Überwachung der Herden in Halbfreiheit 7 Jahre lang 385'000 – jährlich 400 Stunden à CHF 100 – jährlich Sachkosten 15'000 Begleituntersuchungen 10 Jahre lang 820'000 – jährlich 320 Stunden à CHF 100 – jährl. Materialkosten CHF 50'000 Diverse Kosten, Unterstützung für 485'000 Landwirte, Reserve Total Projektkosten in 11 Jahren 3'770'000 Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 5/6
5 Die Initianten Darius Weber Dr. phil II, Wildtierbiologe Gutachter, Berater, Forscher im Umgang mit Wildtieren und Natur dw@dariusweber.ch Christian Stauffer Zoologe, MBA Geschäftsführer Netzwerk Schweizer Pärke c.stauffer@paerke.ch Karin Hindenlang Zoologin Geschäftsführerin Wildnispark Zürich karin.hindenlang@wildnispark.ch Mario Broggi PD Dr. nat. techn., Forstingenieur und Ökologe, Triesen (FL) Eh.Direktor der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), heute Experte für Wildnis und für Naturschutz-Stiftungen tätig mario.broggi@adon.li Wisente zurück im Jura – Projektskizze 16. März 2015 | Seite 6/6
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