Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at

 
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Alpha‐1‐Antitrypsinmangel

          N.Kaufmann
Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at
Welche Bedeutung hat Alpha‐1‐Antitrypsin?
• Das Schutzenzym Alpha1‐Antitrypsin steht aufgrund eines
  Gendefektes und reduzierter Expression aus den Leberzellen für den
  Schutz der fragilen Lungenalveolen nicht zur Verfügung.
  Makrophagen und neutrophile Granulocyten bauen exogene
  Schadstoffe ab. Die freigesetzte „neutrophile Elastase“ wird durch die
  Antiprotease „alpha‐1‐Antitrypsin“ neutralisiert. Bei Dysbalance
  dieses Proteasen/Antiproteasen Gleichgewichtes werden die
  elastischen Fasern der Lunge zerstört, mit der Folge eines primären
  (congenitalen) Lungenemphysems.

09.01.2023
Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at
Alpha‐1‐ Antitrypsinmangel
eine „rare disease“
              • Eine Domäne der Pneumologen
              • AATD als „underdiagnosed disease“
              • Andere Fachdisziplinen behandeln bis zur
                Diagnosestellung Pat. mit AATD
               (meist Ärzte für Allgemeinmedizin, Internisten, Nephrologen,
                Dermatologen und Kardiologen)

09.01.2023
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Wie wirkt sich der Mangel aus?
• Dramatische Verschlechterung der Lungenfunktion schon in jüngeren
  Jahren (bei Nikotinabusus oder inhalativen exogenen Schadstoffen)
  durch Lungenemphysem, Bronchiektasen und chronische
  Inflammation
• Hepatopathie (Alpha1‐Antitrypsinmangel ist de facto primär eine
  Lebererkrankung durch Akkumulation von fehlgefaltetem Alpha‐1‐
  Antitrypsin in den Hepatozyten – Zielorgan ist jedoch die Lunge)

09.01.2023
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Inflammation

• Das Z Alpha‐1‐AT, welches in die Lunge diffundiert oder durch das
  Bronchialepithel und Monocyten produziert wird, kann Polymere
  innerhalb der Alveolen und der kleinsten Atemwege formieren und
  diese werden von Neutrophilen abgeräumt.
• Diese Kaskade der Inflammation ist möglicherweise charakteristisch
  für Pat. mit AATD (David Lomas Cambridge)
• LTB4, IL6 und IL8 erhöht bei bakteriellem Infekt

09.01.2023
Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at
Historisches, Forschung, Evidenz

• Von der Detektion des „ Wikinger‐Gens“ bis zur Substitution

09.01.2023
Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at
AAT ‐ Chronologie
• vor 2000 Jahren: Z‐Punktmutation in der skandinavischen Bevölk.
• 8‐10 JH: Verbreitung des Z Gens durch die Wikinger in Europa
• 1838: Ätiologie des Emphysems nach Laennec (chron. Bronchitiden)
• 1955: path. Papierelphor. mit Kasuistiken nach Jacobsen
• 1958: Emphysem entsteht durch destruktive Prozesse (Wright)
• 1960: Antiobstruktive Therapie in Analogie zur COPD
• 1961: primäres Lungenemphysem bei jungen Erw. (Schneider)
• 1962: AFO durch Reduktion des „ elastic recoils“ (Laws)
• 1962: Rolle des Kollagens und Elastins beim LE (Pierce)

09.01.2023
Alpha 1 Antitrypsinmangel - N.Kaufmann - medONLINE.at
AATD ‐ Chronologie
•   1962: Isolierung des Glykoproteins AAT (Schultze, Behring Marburg)
•   1963: AATD medizinische Bedeutung (Carl Bertil Laurell)
•   1964: Erster Bericht der hereditären Erkrankung AATD
•   1969: Lebererkrankung bei AATD (Sharp)
•   1970: Assoziation zwischen AAT und neutrophiler Elastase (Travis)
•   1972: Assoziation zwischen AATD und Panniculitis (Warter)
•   1980: Erste Substitutionsversuche ( Gadek, Crystal NJH CC)
•   1992: Klinische Anwendung (Prolastin‐C, Aralast, Zemaira, Glassia)
•   1980: WATL (ARGE Th. Lungenerkr.) Arbeitsgruppe AATD, Deutsches Register
•   1984: Kristallisation AATD‐aktives Zentrum‐target enzym (R.Huber)
•   1985: LUTX
•   1997‐2005: Klinische Studien der Substitutionstherapie (Soersholm, Dirksen,
    Wencker, Chapmann, Stockley, Liebermann)

09.01.2023
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AATD ‐ Chronologie
• 1996: AIR (Alpha‐1 International Registry) 5000 p, 17c
• 1997: U.K. registry unter ADAPT ( Antitrypsin Deficiency Assessment
  and Programm for Treatment)
• 1999: Polymere und inflamm. Folgen (Lomas)
• 2007: Bronchiektasen zu 27 % in PiZZ Pat. UK cohort , Parr
• 2009: „lung densitometry“ RCT, Dirksen
• 2011: Österreichisches Alpha‐1‐Register (Schmid‐Scherzer)
• 2014: Schnelltest AlphaKit Quick Screen ( Chiesi)
• 2014: RAPID‐Studie (pub. in Lancet)

                                                                06/2019 N. Kaufmann
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Welche genetische Veränderung liegt vor?

• Mehr als 100 verschiedene Allele des SERPINA Gens, das für Alpha‐1‐
  Antitrypsin codiert, sind bekannt.
• Die häufigsten und klinisch relevanten sind
  ZZ, MZ und SZ Varianten
• Die Normvariante ist das M‐Allel
• Auch eine 0‐Variante liegt vor (< 1%)

                                                               06/2019 N. Kaufmann
Wie ist die Vererbung? Wo ist der Defekt?
• Autosomal kodominant
• Spontanmutation im Bauplan des Alpha‐1‐Gens (Chromosom 14)
• Das Glykopeptid AAT besteht aus 394 Aminosäuren mit komplexer
  globulärer Tertiärstruktur (aktives Zentrum Methionin)
• Glutamin wird durch Lysin an Position 342 ersetzt (Z‐Allel)
• Wird in den Hepatozyten produziert, sezerniert und in die Blutbahn
  abgegeben.
• HWZ 5 Tage
• Syntheserate 34 mg/kg/die
• Serumspiegel 90‐220 mg/dl

09.01.2023
Prävalenz –AATM/100.000 Einwohner
(Orphanet Report Series, Prevalence of rare disease Bibliographic data 2014)

09.01.2023
Prävalenz in Österreich
• Die österreichische Bevölkerung trägt zu 0,1% ein defektes Allel und
  weist meist ein heterozygotes Muster auf.
• Nur 10 % dieser 0,1 % mit AAT‐Gendefekt sind klinisch manifeste
  homozygote AATM‐Patienten.
• In Österreich ca. 2500 Patienten
• Bisher 385 im Österreichischem Alpha‐Register erfasst
• Hohe Dunkelziffer

09.01.2023
Welcher Spiegel ist ausreichend?

09.01.2023
Alpha‐1 Antitrypsinmangel

• Ist eine genetische Erkrankung mit
   Systemcharakter durch eine ständige neutrophile
   Inflammation mit Zytokinproduktion mit
   rascherer Verschlechterung der Lungenfunktion bei
   einer bakteriellen Infektion im Vergleich zur COPD
  (Robert Stockley, Birmingham)

09.01.2023
Primäres Lungenemphysem

• Haupterscheinungsbild mit
  panlobulärem basal betonten
  Lungenemphysem, respiratorischer
  Partialinsuffizienz durch
  Diffusionsstörung in der BGA,
  erhöhtes Residualvolumen und
  reduzierte Einsekundenkapazität in
  der Spirometrie sowie Reduktion
  der Lungendichte im CT.

                                       06/2019 N. Kaufmann
Alpha‐1‐Antitrypsinmangel

                            06/2019 N. Kaufmann
Prognostische Faktoren bei COPD und AATM
• Lungenfunktion
• Alter
• BMI
• Leistungsfähigkeit
• Inflammation
• Komorbiditäten
• Psychosoziale Situation

                                      06/2019 N. Kaufmann
Bronchiektasen als Inflammationstrigger

• Klinisch signifikant bei Befall von >4 Lungensegmenten mit
  Symptomatik
• 28 % Bronchiektasennachweis nach Kohortenstudie UK (Par)
• 14% zentrale und 24 % periphere Bronchiektasen in der NHLBI
  Obduktionsstudie.
• Keimspektrum im Vergleich zur COPD bei AATD ungünstiger. Im
  Sputum und BAL IL8, TNF alpha und neutrophile Elastasen vermehrt.

                                                              06/2019 N. Kaufmann
Weitere Erscheinungsbilder

                             06/2019 N. Kaufmann
Symptomatik

• Leitsymptom Dyspnoe
• Reduzierte Lungenfunktion und COPD Symptomatik schon in jungen
  Jahren
• Lebermanifestation
• Hauterscheinungen

09.01.2023
Wann daran denken?
Indikation zur quantitativen AAT‐Bestimmung (ATS/ERS‐Empfehlungen)
• Fehlen der Alpha‐1‐Bande in der Serumelektrophorese
• Früh aufgetretenes Lungenemphysem
• Bronchopulmonale Symptomatik bei mehreren Familienmitgliedern
  mehrerer Generationen
• Lebererkrankung unklarer Genese
• Alle COPD Patienten
• Erwachsene mit Bronchiektasen unklarer Genese
• Schlechtes Ansprechen einer Therapie auf late‐onset Asthma
• Unklare Pannikulitis oder Antiproteinase‐3‐Vaskulitis
• Angehörige ersten grades von AATD Patienten
09.01.2023
Diagnostik
• Bluttest (AAT im Serum mit ELISA) Grenzwert 11yM od. 1,1g/l für
  Alpha1‐Antitrypsin Mangel Genotypen (zeitgleich CRP‐Bestimmung)
• Schnelltests (Quick Screen Z Schnelltest, Alpha Kit, AlphaID)
• Spirometrie mit Bodyplethysmographie
• DLCO
• Thorax Röntgen,HR‐ CT Thorax (panlobuläres basales Emphysem)
• CT Thorax mit Densitometrie in „Houndsfield Einheiten“(15PD)
• Leberwerte, Lebersonographie inkl. Fiberscan (ARFI)
• 6MWD, SGRQ

09.01.2023
Aktuelle Empfehlung zur Diagnostik des AATM:
                erst Serumspiegel bestimmen, dann genetische
                Testung!
                                                                                                                                              Blutstropfen

                                                                                                                                                  DNA
                                                                                                                                                                                                     Diagnose
                                                                            Niedriger AAT‐                                                        nicht
                                                                                                                                                    zu        PCR‐Kopie

                                                                            Serumspiegel                                                        erkennen                  Millionen von DNA‐Kopien
                                                                                                                                                                          in einer Stunde

                                                                             1,1 g/l
                                                                            (110 mg/dl)                                      Isoelektrische                      PCR
                    Bestimmung der AAT‐                                                                                       Fokussierung                 (z.B. AlphaID®)
Foto: pixabay

                                                                                                             Foto: pixabay
                    Serumspiegel im
                    infektfreien Intervall
                                                                                                                             (unter bestimmten Voraussetzungen
                                                                                                                                   Sequenzierung möglich)
                        Die finale Diagnose ist immer eine Kombination zweier Testverfahren, die sich auf
                        unterschiedliche biologische Testverfahren (DNA‐ und Proteinebene) beziehen.1

                1. Greulich T et al. Alpha‐1‐Antitrypsin‐Mangel (AATM) – Ein Expertenstatement. Pneumologie 2020; 74: 436–442.
                09.01.2023
Testen mit AlphaID®

09.01.2023
AATM – eine unterdiagnostizierte
Erkrankung mit Verwechslungspotenzial
Ist der AAT‐Serumspiegel reduziert ( 1,1 g/l), sollte eine genetische Untersuchung erfolgen.1
   Der AlphaID® ist ein innovatives Testkit zur Diagnose der genetischen
   Erkrankung Alpha‐1‐Antitrypsin‐Mangel (AATM).
   Bei dieser nichtinvasiven Testmethode wird mittels Schwämmchen ein
   Wangenabstrich entnommen.
   Die gewonnene DNA wird mittels In‐vitro‐Diagnostik auf die 14 häufigsten
   Varianten des SERPINA1‐Gens untersucht.
   Das Stäbchen (OCR‐100) ist ein Medizinprodukt mit CE‐Zertifizierung und das
   Testkit enthält alle Bestandteile zur Entnahme des genetischen Materials.

                            Ein bakteriostatisches Reagenz hemmt das Wachstum von Bakterien. Die DNA‐Probe bleibt
                            bis zu 2 Monate lang stabil. Das Testkit ist bis zu 2 Jahre haltbar.

1. Schroth S et al. Alpha‐1‐Antitrypsin‐Mangel: Diagnose und Therapie der pulmonalen Erkrankung. Pneumologie 2009; 63: 335– 345.
09.01.2023
AlphaID®– per Wangenabstrich zur Diagnose des AATM
   Die Testung erfolgt nichtinvasiv – es ist keine Blutabnahme erforderlich!
     Es wird ein einfacher Wangenabstrich durchgeführt, über den Epithelzellen
     der Wangenschleimhaut entnommen werden.
      Es handelt sich dabei um eine etablierte Methode aus der Kriminologie und
      von Gentests zur Abschätzung von Krankheitsrisiken.

   Die Analyse der Proben erfolgt im Alpha‐1‐Antitrypsin‐Zentrum Marburg.
   Alpha‐1‐Antitrypsin‐Zentrum
   Leitung: Prof. Dr. Timm Greulich, Prof. Dr. Claus Vogelmeier
   Universitätsklinikum Gießen und Marburg
   E‐Mail: alpha1@med.uni‐marburg.de

   Der Befund ist ausschließlich vom Einsender auf www.AlphaID.at abrufbar.
09.01.2023
AlphaID®– Identifizierung der 14
häufigsten Varianten des SERPINA1‐
Gens
        Allel‐Variante      Assoziierte Allele
    1     c.187C>T          PI*I
    2     c.194T>C          PI*M Procida
    3     c.226_228delTTC   PI*M Malton, PI*M Palermo, PI*M Nichinan
    4     c.230C>T          PI*S Iiyama
    5     c.552delC         PI*Q0 Granite falls
    6     c.646+1G>T        PI*Q0 West
    7     c.721A>T          PI*Q0 Bellingham
    8     c.739C>T          PI*F
    9     c.839A>T          PI*P Lowell, PI*P Duarte, PI*Q0 Cardiff, PI*Y Barcelona
   10     c.863A>T          PI*S
   11     c.1096G>A         PI*Z
   12     c.1130dupT        PI*Q0 Mattawa, PI*Q0 Ourèm
   13     c.1158dupC        PI*Q0 Clayton, PI*Q0 Saarbrücken
   14     c.1178C>T         PI*M Heerlen

09.01.2023
Therapie

• Unspezifische Therapie entsprechend den Leitlinien für COPD‐
  Therapie. Zusätzlich Schutzimpfungen ( Hepatitis, Pneumokokken,
  Influenza). Vermeidung exogener Schadstoffe und Alkohol.
  Atemphysiotherapie, pneumologische Rehabilitation.
• Spezifische Therapie mit Substitutionstherapie (Indikation AAT unter
  35% vom Sollmittelwert, FeV1 zwischen 30 und 65% pred.,
  Nikotinkarenz >3Monate, FeV1 decline > 50 ml/Jahr)
• Weitere apparative Optionen wie LTOT, LVRS, Ventilimplantation,
  nächtliche Heimbeatmung, LUTX

                                                                 06/2019 N. Kaufmann
Substitution

• Gereinigtes AAT‐Konzentrat aus fraktioniertem humanen Plasma.

• Die zugelassenen Präparate von verschiedenen Pharmafirmen mit
  Handelsnamen „PROLASTIN“ und „RESPREEZA“ werden in der Regel
  1x/Woche intravenös in einer Dosis von 60mg/kg innerhalb 30
  Minuten appliziert.

                                                             06/2019 N. Kaufmann
Kasuistik
• 74 jähriger Pat. AATD homozygot ZZ, Substitution mit PROLASTIN
  6g/Woche seit 1995, LTOT, antiobstruktive Therapie, pneum. Rehab.
  Lungenfunktion: FeV1 1,21/s 36 % pred., DLCO 0,26 % pred., RV
  171%pred., BGA: pO2 53 mmHg, pCO2 37 mmHg, AaDO2 47, mobil
  relativ gute LQ, LUTX non vult, radiologische Progredienz in den
  letzten Jahren.

                                                              06/2019 N. Kaufmann
Awareness ‐ short facts
• Die Orphan Disease Alpha‐1‐Antitrypsinmangel (AATM) ist mit einer
  Prävalenz von 25 Betroffenen auf 100 000 Einwohner, nach der
  Amyloidose die häufigste unter den seltenen Erkrankungen.
  Vom pathophysiologischen Standpunkt aus ist die AATM eine Erkrankung
  der Leber, aufgrund der Symptomatik eine Lungenerkrankung. Der
  typische AATM Patient ist zwischen 30 und 50 Jahre alt, das Leitsymptom
  ist die Dyspnoe und die Diagnose erfolgt im Schnitt erst nach 8 Jahren.
  Als „undiagnosed disease“ sind in Europa weniger als 10 Prozent aller
  AATM Patienten erkannt. Ein Meilenstein der Behandlung war die
  Etablierung der Substitutionstherapie aus humanem Plasma. Schreitet
  die Erkrankung unerkannt und unbehandelt fort, rettet nur noch eine
  Doppellungentransplantation das Leben der Patienten.

09.01.2023
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