Alter, Gesundheit und Teilhabe - Hag
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AUSGABE 01 | Mai 2017 Informationen Informationen zur THEMA zur Gesundheitsförderung Gesundheitsförderung Thema Alter, Gesundheit und Teilhabe Aus dem Inhalt Antje Richter-Kornweitz Susanne Kümpers et al. Ulrike Petersen Ende gut? Alles gut? Age4Health – Gesunde Wohn-Pflege-Gemein- Stadtteile für Ältere schaften fallen nicht vom Himmel
Liebe Leserinnen und Leser, zu keiner Zeit wurden die Menschen so alt wie heute. Und zu kei- stellt die soziale Lage in den Fokus ihres Beitrages und fordert ner Zeit waren es so viele. Und es werden immer mehr. Denn die für Senior_innen in belasteten Lebenslagen umfassende Teilha- Baby-Boomer – die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre – bechancen. Wie Teilhabe auf kommunaler Ebene herzustellen kommen bald ins Rentenalter. Die demografische Entwicklung und zu gewährleisten ist, beschreiben Prof. Dr. Susanne Kümpers Editorial führt dazu, dass schon heute mehr als 25 Prozent der Bevölke- et al. im Beitrag über das Projekt „Age4Health – Gesunde Stadt- rung in Deutschland der Generation 60+ angehört. Für das Jahr teile für Ältere“ und Prof. Dr. Monika Habermann im Beitrag über 2050 wird ein Anteil von 33 bis 40,1 Prozent prognostiziert, Indikatoren für die Integration von zugewanderten Menschen abhängig von der Entwicklung des Wanderungsverhaltens, der in die kommunale Altenhilfe. Empfehlungen zu Gesundheit und Geburtenrate und der Lebenserwartung. Die durchschnittliche Teilhabe aus dem Siebten Altenbericht unter dem Blickwinkel der Lebenserwartung eines heute geborenen Mädchens beträgt 83, Kompetenzerweiterung für Kommunen steuern Dr. Christine Ha- für einen Jungen 78 Jahre. Betrachtet man die Generation 65+, gen und Dr. Jenny Block bei. Eine Betrachtung des aktuellen For- so fühlen sich die meisten Menschen in dieser Altersgruppe ge- schungsstandes bezüglich der Gesundheitsförderung in der stati- sundheitlich wohl. Erst in hohem Alter steigt der Pflegebedarf onären Altenpflege am Beispiel psychischer Beeinträchtigungen erheblich an: auf etwa 10 Prozent in der Altersgruppe der 75- bis liefern Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert und Dr. Johanna Buchcik. 79-Jährigen bis hin zu rund zwei Dritteln bei den über 90-Jäh- Hinweise, wie behinderte Menschen „selbstbestimmt in den Ru- rigen. Im eigenen Haushalt leben noch 85 Prozent der Personen hestand“ gehen können, gibt Marion Theisen. Die Körber-Stiftung ab 85 Jahren und 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu hat in einer Umfrage Wünsche und Sorgen von Menschen in einer Hause betreut – meist vom/von dem/der (Ehe-)Partner_in oder Zeit des langen Lebens erfragt. Andreas Geis plädiert in seinem von Familienangehörigen. Das sind „durchschnittliche“ Befunde, Beitrag für eine neue Lebensarbeitszeit. Warum Wohn-Pflege- veröffentlicht im Siebten Altenbericht der Bundesregierung, der Gemeinschaften ein gutes Praxisbeispiel für Selbstbestimmung Ende letzten Jahres erschienen ist. und Selbstständigkeit auch in hohem Alter sind, berichtet Ulrike Dass die Gesundheitschancen auch im Alter ungleich verteilt Petersen. Wie Quartiersbotschafter_innen ältere, zurückgezogen sind, zeigen folgende Daten: Männer der untersten Einkommens- lebende Menschen in ihrer direkten Nachbarschaft erreichen, gruppe haben bei Geburt eine Lebenserwartung von 70,1 Jahren beschreibt Line Kippes. Der Bericht über das aufsuchende, nied- (Frauen: 76,9 Jahre). Ab 65 Jahren haben sie eine Lebenserwar- rigschwellige Bewegungsangebot „Mach mit – bleib fit“ von Eli- tung von weiteren 12,3 Jahren (Frauen: 16,2). Männer der obers- sabeth Rahn beschließt diese Stadtpunkte Ausgabe zum Thema ten Einkommensgruppe werden durchschnittlich 80,9 Jahre alt „Alter, Gesundheit und Teilhabe“. (Frauen: 85,3). Ab 65 Jahren haben Männer eine mittlere Lebens- erwartung von weiteren 19,7 Jahren (Frauen: 22,5). Eine interessante Lektüre wünschen Hier knüpft der Beitrag von Dr. Antje Richter-Kornweitz an. Sie Petra Hofrichter und Team Inhalt 2 Editorial 10 Gesundheitsförderung in der stationären Altenpflege 3 Thema Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert, Dr. Johanna Buchcik 3 Ende gut? Alles gut? 11 Selbstbestimmt in den Ruhestand Dr. Antje Richter-Kornweitz Marion Theisen 4 Der Siebte Altenbericht: Empfehlungen zu Gesundheit 13 Plädoyer für eine neue Lebensarbeitszeit und Teilhabe Andreas Geis Dr. Christine Hagen, Dr. Jenny Block 14 Wohn-Pflege-Gemeinschaften fallen nicht vom Himmel 5 Age4Health – Gesunde Stadtteile für Ältere Ulrike Petersen Prof. Dr. Susanne Kümpers, Christina Kühnemund, 16 Quartiersbotschafter in Hamburg-Bergedorf Miguel Nemelka Line Kippes 7 Integration von zugewanderten Menschen in die 16 Mach mit – bleib fit! kommunale Altenhilfe – wie kann das gelingen? Elisabeth Rahn Prof. Dr. phil. Monika Habermann 17 Mediothek 19 Impressum Bestellen Sie unseren Newsletter „Stadtpunkte AKTUELL“: newsletter@hag-gesundheit.de oder unter www.hag-gesundheit.de. Er informiert Sie sechs Mal im Jahr über Aktivitäten und Veranstaltungen der HAG sowie über gesundheitspolitische Themen und Termine in Hamburg und auf Bundesebene. 2| Stadtpunkte 01/ 2017
Ende gut? Alles gut? Alter, Gesundheit, Teilhabe und der Auftrag für Kommunen Was bestimmt das Wohlbefinden im Alter? Umfassende Teilhabechancen. Wie in allen anderen Lebensphasen auch. Besonders einflussreich sind die Chancen auf einen guten Gesundheitsstatus, auf materielle Sicherung, auf soziokulturelle Teilhabe. Nichts Thema davon ist selbstverständlich, nichts ist singulär zu verstehen. Ihr Zusammenspiel entscheidet über Autonomie als wesentliches Kriterium für Lebensqualität im Alter. Gesundheit im Alter hat eine Vorgeschichte. Sie ist abhängig von lesen ist: Während Frauen im Alter von 65+ in Hamburg im Jahr den Lebensbedingungen im Verlauf von Kindheit, Jugend und 2005 zu 9,3 % (Männer: 9,7 %) armutsgefährdet waren (60 % Erwachsenenalter, den (kumulierten) Belastungen im Lebensver- des Landesmedians der Äquivalenzeinkommen), betraf dies 2015 lauf, dem Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Dabei beste- bereits 16,2 % dieser Altersgruppe (Männer: 15,3 %) (vgl. www. hen vielfältige Wechselwirkungen mit dem sozio-ökonomischen amtliche-sozialberichterstattung.de). Status (SES). Menschen mit niedrigem SES sind durchschnittlich früher von Mehrfacherkrankungen betroffen und – selbst bei gleichem Auftreten chronischer Krankheiten und vergleichbarem gesundheitsrelevantem Verhalten – stärker gesundheitlich ein- geschränkt. Sie erleiden früher im Lebensverlauf Mobilitätsein- bußen sowie chronische Erkrankungen und Behinderungen. Au- ßerdem kommt es häufiger zu dauerhafter Pflegebedürftigkeit, Chronifizierung, Funktionseinschränkungen bzw. Behinderungen, die die Alltagsbewältigung belasten. Ältere mit niedrigem SES bewerten ihren individuellen Gesundheitszustand seltener als gut. Sie kaufen aus Kostengründen seltener Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen bzw. Zuzahlungen erforderlich machen. Der Einsatz notwendiger Hilfsmittel, wie Brillenanpassung, Batterien für Hörgeräte, nicht- verschreibungspflichtige Salben wird möglichst aufgeschoben. Abhängig von der sozialen Lage sind darüber hinaus oft auch ihr Aufgabenspektrum der Kommunen zur Sicherung Habitus und damit der Erfolg, mit dem sie ihren Bedarf gegen- von Gesundheit und Teilhabe für Ältere über dem medizinischen System vertreten können. Daraus ergibt sich eine eindeutige Botschaft an die Kommunen: Besonders prekär ist die Lage älterer, alleinlebender Frauen. Ihre Angebote und deren Erreichbarkeit bestimmen Gesundheit Sie sind in höherem Lebensalter nicht nur häufiger und schwe- und Teilhabe im Alter erheblich und der Erfolg ihrer Lösungsan- rer krank, sondern auch eher von materieller Armut betroffen sätze wird sich nicht nur entscheidend auf die Lebensgestaltung als andere, unter anderem wegen der gravierenden Benachtei- Älterer auswirken, sondern auch auf die materielle Situation der ligung bei den Erwerbseinkommen von Frauen sowie höheren Kommunen. Um diese Aufgabenlast zu stemmen, brauchen sie Teilzeitquoten wegen ihres höheren Anteils an Kindererzie- Unterstützung aus anderen Politikbereichen: Eine Politik, die hung und Pflege von Angehörigen und den daraus resultie- ein Einkommen ermöglicht, das Menschen aus der Armut holt, renden niedrigen Renten. die wohnortnahe gesundheitliche Versorgung älterer Menschen Neben dem psychophysischen Gesundheitsstatus und SES ent- (auch in ländlichen Regionen) sichert, eine mobilitätsfördernde scheiden Erfahrungshintergrund, Informations- und Vernetzungs- Verkehrsinfrastruktur garantiert, neue Konzepte für Wohnen im grad über Teilhabechancen älterer Menschen. Diese liegen eben- Alter in Nachbarschaft und Quartier fördert und vieles mehr. Das so wie die nicht weniger wichtigen Bedingungen des Wohnens Aufgabenspektrum für Kommunen umfasst dabei so Grundle- und des Wohnumfeldes im kommunalen Verantwortungs- und Ge- gendes wie: staltungsbereich. Für die bundesdeutschen Kommunen führt dies Erhalt von Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter im Kontext des demografischen Wandels mit steigendem Anteil Erreichbarkeit der gesundheitsbezogenen Angebote für ALLE an älteren Bürger_innen, veränderten Haushaltsstrukturen und Begleitung, Vernetzung, Kooperation und koordinierte Auf- zunehmender Singularisierung zu erhöhten Anforderungen an gabenteilung der Akteure aus kommunaler Verwaltung, Wirt- die Ausgestaltung ihrer Dienste und ihrer Infrastruktur. Ihre Auf- schaft und Zivilgesellschaft gabenlast wächst aber auch, weil wirtschaftliche Entwicklung so- Verankerung einer ressourcenorientierten Sicht auf das Alter. wie arbeitsmarkt- und rentenpolitische Entscheidungen der Ver- Außerdem sind verschiedenste gesundheitsrelevante Dienst- gangenheit zu konstant hohen Langzeitarbeitslosigkeitsquoten leistungen zur Unterstützung im Alltag zu initiieren und zu und steigenden prekären Arbeitsverhältnissen führ(t)en, die sich koordinieren (wie ambulante Pflegedienste, Apotheken, Essen in ansteigender Altersarmut niederschlagen. Eine Entwicklung, auf Rädern, Ärzt_innen oder Physiotherapeut_innen, Liefer-, Be- die für die Stadt Hamburg beispielsweise an den seit dem Jahr suchs- und Begleitservice, Mittagstische, Seniorentreffs und 2005 ansteigenden Armutsquoten bei Männern wie Frauen abzu- Ausflüge, etc.). Stadtpunkte 01/2017 |3
Strukturen schaffen und Beziehungen stiften! Beziehungen entwickeln können, das heißt: Die existentielle Bedeutung des unmittelbaren Wohnumfeldes – a) die Rahmenbedingungen für (kleinräumige) Strukturbildung zu der Nachbarschaft – wächst, je weniger Bezugsgruppen jemand garantieren, entsprechend den Bedürfnissen älterer Frauen insgesamt hat und je weniger öffentliche Infrastrukturen oder pri- und Männer, die in sozial benachteiligter Lage leben, in ihrer vat-kommerzielle Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Kommu- Mobilität eingeschränkt sind und/oder einen Pflegebedarf Thema nales Handeln – gestützt auf fachlich begründeten Bedarf und die etc. haben; Artikulierung der Bedürfnisse durch die Betroffenen – muss daher b) Orte und Gelegenheiten zur persönlichen Ansprache besonders in benachteiligten Nachbarschaften gute Bedingungen dieser Gruppe auf der individuellen Ebene zu bieten, die für Strukturbildung, Aktivität und Selbstorganisation garantieren. das „Stiften von Beziehung“, von identitätsvermittelnder Dazu gehören erreichbare alltagstaugliche Angebote mit Infor- Verbundenheit mit der Umgebung ermöglichen. mation, Begleitung und Beratung zu Fragen der gesundheitlichen Empathie und sensibles, situationsadäquates Handeln, gekenn- Versorgung, Pflege, soziokulturellen Teilhabe, zu Wohnen und zeichnet durch die Anerkennung der individuellen Besonder- Mobilität und zu materieller Existenzsicherung. Neben dem po- heiten, die Vermeidung von Stigmatisierung oder Polarisierung litischen Willen vor Ort erfordert dies sorgfältig ausgearbeitete kennzeichnen die professionelle Haltung, die Voraussetzung Konzepte, ausreichend Ressourcen (wie Zeit, Personal, die Ver- für erfolgreiches „Stiften von Beziehung“ ist. Diese Form der fügung über kleinere Summen, die ohne hohen Verwaltungsauf- Haltung zu erwerben und zu erhalten, erfordert gute Weiterbil- wand eingesetzt werden können), aber auch persönliches Engage- dungsmaßnahmen, einen regelmäßigen kollegialen Austausch ment und die Entschlossenheit, sogar geringste Handlungs- und und Gelegenheit zur Selbstreflexion. Die dazu erforderlichen Gestaltungsspielräume zu nutzen. Leicht erreichbare, deutlich Fach- und personalen Kompetenzen können nicht punktuell und erkennbare Anlaufstellen – dort, wo viele Ältere wohnen, wo sich nicht selbstverständlich im Rahmen der formalen beruflichen ihre täglichen Wege kreuzen – sind eine wichtige Voraussetzung. Qualifikation erworben werden. Sie sollten im Rahmen einer Differenzsensible Zugangsweisen, ressort-übergreifende Vernet- prozesshaft angelegten Weiterbildung vermittelt werden, als un- zung, genaue Kenntnis der lokalen Situation bezüglich der sozial- verzichtbare Voraussetzung für erfolgreiche kommunale Gesund- räumlichen Daten und der Aktivitäten lokaler Träger eine weitere. heitsförderung. Entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, Entsprechende Rahmenbedingungen ergänzt durch Methoden- ist Aufgabe von Kommunen und anderen Angebotsträgern, die kompetenz gehören zu den wesentlichen Voraussetzungen ge- qualifizierte Vermittlung ist Auftrag für Bildungsinstitutionen. lingender Beteiligungsprozesse, denn genau daran entscheidet sich die Qualität der kommunalen Strategie. Gelingt es Ältere zu Autorin und Literatur: Dr. Antje Richter-Kornweitz, Landes- erreichen und zu beteiligen, ebenso wie andere, die bereit sind, vereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin sich nachbarschaftlich zu engagieren? Welche Gruppen werden Niedersachsen e. V., antje.richter@gesundheit-nds.de (nicht) erreicht? Ziel ist, Strukturen zu schaffen, in denen sich www.gesundheit-nds.de Der Siebte Altenbericht: Empfehlungen zu Gesundheit und Teilhabe Der Siebte Altenbericht, der den Titel „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“ trägt, erfährt seit seiner Veröffentlichung im Herbst 2016 eine breite Aufmerksamkeit. Der Fokus des Berichtes liegt auf der Kommune und erörtert die Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen, damit eine soziale und kulturelle Teilha- be sowie ein selbstbestimmtes Leben älterer Menschen an deren Wohnort sichergestellt ist. Von Prävention bis Palliation: Gesundheit weit legt. Der Anteil älterer Frauen und Männer, die ökonomisch, sozi- verstehen, Teilhabe ermöglichen al und in der Folge auch gesundheitlich beeinträchtigt sind, wird Das Verständnis von Gesundheitsversorgung beschränkt sich in in Zukunft in erheblichem Maße ansteigen. Insbesondere der diesem Kontext für die Siebte Altenberichtskommission nicht Zugang dieser benachteiligten Menschen zu sozialer Teilhabe, zu auf die medizinische Versorgung und die Behandlung von Krank- gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung sowie zu Möglich- heiten. Es geht vielmehr auch darum, eine selbst- und mitverant- keiten bürgerschaftlichen Engagements ist häufig eingeschränkt. wortliche Lebensführung bis ins hohe Alter hinein zu ermögli- Bei abnehmender physischer und psychischer Widerstandsfähig- chen und damit älteren Menschen Teilhabechancen zu eröffnen. keit im Alter bedeutet das eine Situation erhöhter Verletzlichkeit. So gehören auch Gesundheitsförderung und Prävention, soziale Aus der Perspektive der Altenberichtskommission ist die Schaf- Arbeit, Rehabilitation, Pflege und Palliation zu einem sinnvollen fung von Teilhabestrukturen, die allen Frauen und Männern den System der Gesundheitsversorgung und sind daraufhin zu befra- Zugang zum öffentlichen Raum und zu entsprechenden Unterstüt- gen, inwieweit sie auf die Bedarfe und Bedürfnisse der älteren zungsstrukturen eröffnet, als eine zentrale Aufgabe politischer Menschen abgestimmt sind. Akteure zu verstehen. Die Siebte Altenberichtskommission hat in ihrem Bericht ein Der Bericht erhält eine politische Relevanz, weil von der Siebten besonderes Gewicht auf soziale sowie regionale Ungleichheiten Altenberichtskommission insbesondere auch die Frage behan- und deren Bedeutung für Gesundheits- und Teilhabechancen ge- delt wurde, welche Verantwortung die Politik auf ihren verschie- 4| Stadtpunkte 01/ 2017
denen Ebenen – nämlich der kommunalen, der Landes- und der Aus Sicht der Altenberichtskommission sind tragfähige Sorge- Bundesebene – übernehmen muss, um zukunftsfähige Sorge- arrangements erst durch ein Ineinandergreifen unterschiedlicher strukturen, von denen die Gesundheitsversorgung ein Teil ist, vor Hilfen zu realisieren. Die Segmentierungen zwischen Gesund- Ort aufzubauen. Ein zentrales Thema ist dabei die Überwindung heitswesen und Pflegeversicherung, die Schnittstellen zwischen von Segmentierungen, Schnittstellenproblemen und Fehlanrei- Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Kommunen wirken zen, die ein zielführendes Ineinandergreifen unterschiedlicher hier derzeit eher verhindernd. Gerade in den Handlungsfeldern Thema Hilfeleistungen derzeit erschweren. Gesundheit, Pflege und Wohnumfeld vollzieht sich lokale Politik in komplexen Akteurskonstellationen. Die Kommunen sind aus Mehr Kompetenzen für Kommunen Perspektive der Kommission hier in einer besonderen Rolle ge- Die Kommunen sind aus der Perspektive der Kommission am be- fordert: Sie sollten in der Lage sein, Impulse für Entwicklungen sten dafür geeignet, die örtlichen Rahmenbedingungen für das Äl- zu setzen, Akteure zusammenzubringen, die jeweiligen Interes- terwerden zu gestalten. Aus diesem sen und Handlungsmotive der be- Grund sollte ihnen auch ein größerer teiligten Akteure zu reflektieren und Einfluss bei der Ausgestaltung von Anreize zur Kooperation zu schaffen. Infrastrukturen der Daseinsvorsorge Dazu gehört auch, die höchst unter- eingeräumt werden. Dies gilt insbe- schiedlichen Bedürfnisse der hete- sondere in den Feldern, in denen vor rogenen Gruppe Älterer zu berück- allem die Sozialversicherungsträger sichtigen und die verschiedenen eine starke und dominierende Rolle Gruppen der Älteren inklusiv und einnehmen: im Gesundheitswesen gesundheitsförderlich an der Ge- aber auch in der Langzeitpflege. staltung der eigenen Lebensorte zu Bei der Planung und Weiterentwick- beteiligen. Diese zusätzlichen und lung der Versorgungsstrukturen im für die Kommunen neuen Aufgaben Gesundheitsbereich sind die Kom- sind durch entsprechende finanzi- munen derzeit eher randständige elle Ressourcen und Kompetenzen Akteure, ihre Handlungsmöglich- zu sichern. keiten sind stark begrenzt und der Die Siebte Altenberichtskommissi- planerische Bezug zu den örtlichen Bedingungen sehr gering. Die on spricht sich schließlich dafür aus, die im Bericht entwickelten Kommission empfiehlt, in der ambulanten gesundheitlichen Ver- Analysen und Empfehlungen in einer neuen Konzeption für eine sorgung eine gesetzlich verankerte Mitwirkung der Kommunen Politik für und mit älteren Menschen zusammenzuführen und mit sicherzustellen. Die Kommunen sollten partnerschaftlich mit den Hilfe eines Altenhilfestrukturgesetzes umzusetzen. Sie fordert die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zusammen- Bundesregierung dazu auf, die kompetenzrechtlichen Vorausset- arbeiten. Dafür müssen die Kommunen mit den entsprechenden zungen für ein solches Gesetzesvorhaben zu prüfen und zu klären. rechtlichen und finanziellen Kompetenzen ausgestattet werden. Der Altenbericht sowie eine Broschüre, die die wichtigsten Er- Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention müssen in gebnisse und Handlungsempfehlungen zusammenfasst, stehen stärkerem Maße lebensweltorientiert gestaltet werden. Hierzu allen interessierten Leser_innen unter folgendem Link zur Verfü- ist eine engere Kooperation zwischen Bildungs-, Sport- und am- gung: www.siebter-altenbericht.de bulanten Rehabilitationseinrichtungen, Sozialarbeit und Pflege- diensten, Hausärzt_innen sowie den Zielgruppen hilfreich. Die Autorinnen: Dr. Christine Hagen (christine.hagen@dza.de) und Strukturen sollten dabei so verändert werden, dass diejenigen Ak- Dr. Jenny Block (jenny.block@dza.de), Geschäftsstelle für die teure, die von einer gesünderen Bevölkerung finanziell profitieren, Altenberichte der Bundesregierung, Deutsches Zentrum für auch an den Kosten für Präventionsmaßnahmen beteiligt werden. Altersfragen, www.dza.de „Age4Health – Gesunde Stadtteile für Ältere“ Suchprozesse und Strategieentwicklung in einem partizipativen Forschungsprojekt Der Artikel stellt ein Projekt partizipativer Gesundheitsforschung (PGF) für und mit älteren Menschen vor, das auf die Entwicklung ge- sundheitsförderlicher Wohnquartiere abzielt. Im Zentrum stehen Kooperationen mit Akteuren aus Verwaltung und Zivilgesellschaft. Die Beteiligung benachteiligter Gruppen erfordert vielfältige Bemühungen und lässt sich nicht einfach umsetzen. Gemeinsame Reflexions- prozesse von Wissenschaftler_innen, professionellen Praktiker_innen und bürgerschaftlich Engagierten erlauben lokale Lernprozesse. Einleitung Ältere mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und/oder gerin- Der Stadtteil bzw. die unmittelbare Wohnumgebung ist wesent- gen finanziellen Mitteln. Für ein menschenwürdiges Dasein (nicht licher Sozialraum für ältere Menschen. Das gilt insbesondere für nur) älterer Menschen sind selbstbestimmte und gestaltende Stadtpunkte 01/2017 |5
soziale Teilhabe entscheidend – diese wirken gleichzeitig Aus den Runden Tischen haben sich Peerforschungsprozesse gesundheitsförderlich. Kenntnisse über lebensweltbezogene entwickelt; das heißt, Wissenschaftler_innen unterstützen partizipative Gesundheitsförderungsstrategien im Stadtteil, zivilgesellschaftlich Engagierte und Bürger_innen dabei, Ein- insbesondere auch mit marginalisierten Älteren, sind noch zelinterviews mit weiteren Bürger_innen vorzubereiten und begrenzt. zu führen. Auf diese Weise soll das Wissen über schwierige Thema Das Projekt „Age4Health – Gesunde Stadtteile für Ältere“ Lebenssituationen im Stadtteil, aber auch über Ressourcen, (Teilprojekt im Forschungsverbund für gesunde Kommunen/ Bedarfe und Bedürfnisse hinsichtlich eines ‚guten Alterns im PartKommPlus, siehe http://partkommplus.de/) wendet einen Quartier‘ vertieft werden. Daraus wiederum können weitere partizipativen Forschungsansatz an. Zusammen mit Praxis- Initiativen für die Gestaltung der Quartiere hervorgehen. partner_innen aus der kommunalen Verwaltung und weiteren Akteuren vor Ort sollen in einer ländlichen (Witzenhausen im Werra-Meißner-Kreis) und einer städtischen Fallstudie (Kassel-Bettenhausen) exemplarisch gesundheitsförderliche Quartiersentwicklungsprozesse mit und für ältere Menschen erarbeitet werden. Lokale Steuerungsgruppen aus Wissen- schafts- und Praxispartner_innen gestalten Handlungs- und Forschungsprozesse gemeinsam. Diese finden sowohl auf der Ebene der zivilgesellschaftlichen und professionellen Akteure als auch auf der Ebene der Zielgruppen statt; konkret sind sie oft eng miteinander verbunden bzw. gehen zumindest teilwei- „Age4Health – Gesunde Stadtteile für Ältere“ wird als Teil- se ineinander auf. projekt des Forschungsverbundes für gesunde Kommunen (PartKommPlus) vom Bundesministerium für Bildung und Anfangssituationen Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Präventi- In den Fallstudiengebieten wohnen jeweils sozioökonomisch onsforschung“ unter dem Förderkennzeichen 01EL1423G gemischte, in Teilen auch benachteiligte Bevölkerungen. So- seit 01.02.2015 für eine Laufzeit von drei Jahren gefördert. ziale und zivilgesellschaftliche Netzwerkstrukturen Älterer waren in beiden Orten erkennbar. Allerdings ließen sich an- ders als ursprünglich erwartet unmittelbare Anschlüsse an Nächste Schritte: Die Peerforschungsprozesse werden ausge- marginalisierte Zielgruppen durch das Forschungsteam nicht wertet. Es muss geklärt werden, inwieweit die Ergebnisse der realisieren. Auch konnten Multiplikator_innen vor Ort einen Befragungen bisherige Erkenntnisse bestätigen, differenzie- direkten Zugang zu marginalisierten Einzelnen und Gruppen ren bzw. erweitern. Auch wird sich herausstellen, ob es ge- nicht herstellen. Diese beschrieben vielmehr, dass es, zum lingt, über die Peerbefragungen weitere ältere Bürger_innen Teil aus Scham angesichts eigener Armut, mit erheblichen zu bewegen, sich im Forschungsprojekt einzubringen. Zudem Schwierigkeiten verbunden sei, bereits isolierte ältere Men- sollen gemeinsam mit lokalen Multiplikator_innen zusätzliche schen für die Teilnahme an sozialen und/oder kulturellen An- Wege für den Zugang zu und die Beteiligung von älteren Men- geboten zu gewinnen. schen, die eher marginalisiert leben, entwickelt werden. Im Ergebnis sollen in den Runden Tischen weitere Ideen und Suchprozesse Handlungsoptionen aufgenommen und weiterentwickelt wer- Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, zunächst lokale den, um Alltagsleben und soziale Teilhabe in den Fallstudien- Runde Tische mit den vielfältigen Akteuren des Bereichs der gebieten zu verbessern. Altenhilfe und Pflege ins Leben zu rufen. Beteiligt waren dabei auch entsprechende zivilgesellschaftliche Initiativen sowie in Erste Zwischenergebnisse – neue Fragen KS-Bettenhausen von Anfang an auch Bürger_innen. Die Run- In beiden Fallstudien hat sich die Erwartung zu Beginn der Ar- den Tische wurden genutzt, um das Projekt und seine Ziele beit vor Ort, dass man an bestehende Gemeinschaften („com- bekannt zu machen und gleichzeitig eine Reflektion der Le- munities“) von benachteiligten Älteren anknüpfen könnte, benssituationen marginalisierter und benachteiligter Älterer nicht bestätigt. Eine – vielleicht nicht neue – Erkenntnis ist, in Gang zu bringen. Die Runden Tische entwickelten sich als dass dort, wo solche Communities wenig entwickelt sind, Zu- Vernetzungs-, Kommunikations- und Informationsplattformen gänge besonders voraussetzungsvoll sind. Dies wirft weitere und werden kontinuierlich dazu genutzt, dass sich neue Ak- Forschungsfragen auf: Gibt es bei älteren Menschen mit einer teure vorstellen, Möglichkeiten zur Zusammenarbeit ausge- Lebensgeschichte, die nur wenig Chancen zu Partizipation und lotet und mögliche neue Initiativen auf den Weg gebracht Mitbestimmung bot, eine Wahrscheinlichkeit für individuell werden können; gemeinsam mit lokalen Akteuren wurden Ver- getroffene Entscheidungen, Isolation und Marginalisierung hin- anstaltungen geplant und durchgeführt. Auch wurden durch zunehmen und Risiken von Veränderungen nicht mehr auf sich die Kooperation mit örtlichen Initiativen tiefere Einblicke ei- nehmen zu wollen? Entsprechende Einstellungen und Hand- nerseits in bestehende Netzwerke und ihre Arbeitsweisen, an- lungsmuster müssen in ihrer biografischen Entstehung und in dererseits in die Lebenssituationen und -geschichten älterer ihrem aktuellen Kontext verstanden werden. Hierzu sind unter Bürger_innen gewonnen. anderem biografische Forschungsansätze geeignet. Auch lässt 6| Stadtpunkte 01/ 2017
sich vorsichtig eine weitere Frage formulieren, ob nämlich zesse wurden initiiert, Ideen und Pläne für neue kooperative solche Entwicklungen in sozial gemischten Quartieren unter Aktivitäten entwickelt. Frühere Untersuchungen haben ver- Umständen häufiger oder wahrscheinlicher sind als in ausge- deutlicht, dass eine erfolgreiche Vernetzung professioneller prägteren Armutsgebieten, in denen individuelle Armut bzw. und zivilgesellschaftlicher Akteure auf Quartiersebene bewirkt, Benachteiligung als gemeinsam geteilte Erfahrung und dadurch dass Unterstützungsangebote auch marginalisierten älteren eventuell weniger stigmatisierend wahrgenommen wird. Menschen leichter zugänglich werden – weil die Akteure sich Thema Für den Handlungszusammenhang des aktuellen Projekts er- untereinander kennen und darum zwischen den Angeboten wächst daraus ebenso die Frage, ob das Interventionsspek- sinnvoller aufeinander verweisen. Für das Projekt Age4health trum erweitert werden sollte, ob nämlich neben gruppen- ist entscheidend, wie und auf welche Weise gemeinsam mit den bezogenen/kollektiven Strategien, die für die partizipative Multiplikator_innen, den professionellen und zivilgesellschaft- Gesundheitsforschung (PGF) als typisch gelten können, auch lichen Akteuren, die soziale Teilhabe der älteren Bürger_innen, individuelle Zugangswege entwickelt und genutzt werden kön- auch derjenigen, die marginalisiert leben, inklusiv und parti- nen, um Beziehungen aufzubauen und Beteiligungschancen zipativ erweitert werden kann und die Quartiere dadurch ein für isolierte ältere Menschen (wieder) zu entwickeln, die mit ‚gutes Leben im Alter‘ für möglichst alle Älteren ermöglichen. gruppenbezogenen Zugängen nicht erreicht werden. Die Runden Tische als Ansatz der Akteursvernetzung haben sich Autor_innen: Prof. Dr. Susanne Kümpers, Christina Kühnemund, in beiden Fallstudien als fruchtbar erwiesen; die vorhandenen Miguel Nemelka, Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Ressourcen der Quartiere konnten sichtbar und damit besser Gesundheit, susanne.kuempers@pg.hs-fulda.de nutzbar gemacht werden. Informations- und Reflexionspro- http://partkommplus.de/?id=26 Integration von zugewanderten Menschen in die kommunale Altenhilfe – wie kann das gelingen? Kommunen haben die Aufgabe, wohnumfeldnahe Dienstleistungen der Altenhilfe und deren Vernetzung zu gewährleisten, um den Verbleib alter Menschen in der eigenen Häuslichkeit zu sichern. Eine besondere Herausforderung ist die Einbindung der wachsenden Zahl älterer Menschen mit Migrationshintergrund. Bundesweite und regionale Erhebungen zeigen, dass diese noch unzureichend ist. Auch eine Bremer Studie des Zentrums für Pflegeforschung und Beratung (KUSTIS, siehe www.zepb.de) hat diese Befunde bestätigt. Auf der Grundlage von Gesprächen mit kommunalen Expert_innen der Altenhilfe und der Integrationsar- beit in Bremen und weiteren zehn Großstädten wurden daher 18 Indikatoren für die kommunale Altenhilfe in 9 Themengruppen identifiziert, die eine Partizipation älterer Menschen mit Zuwanderungsgeschichte abbilden können. Exemplarisch werden einige der Indikatoren vorgestellt. Indikatoren zum Integrationsmonitoring in der Migrationsbevölkerung in ihrem Leistungsnachweis aufführen Altenhilfe und Daten zu den betreuten Menschen mit Migrationshinter- Alte Menschen mit geringen finanziellen Mitteln sind beson- grund vorhalten. Eine festgestellte, unzureichende Teilhabe deren Risiken wie sozialer Isolation und Vereinsamung ausge- von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte an Beratungs- setzt und haben in der Folge auch höhere Risiken für physische leistungen könnte dann gezielt bearbeitet werden. Die bis- Beeinträchtigungen. Die ersten beiden Indikatoren betreffen herigen Evaluationen der Pflegestützpunkte weisen keine daher die Grundsicherung und Hilfe zur Pflege (nach SGB XII). Menschen mit Migrationshintergrund aus oder verweisen auf Wenn diese durch die prüfenden und bewilligenden Stellen mi- eine sehr geringe, dem tatsächlichen Bevölkerungsanteil nicht grationssensitiv ausgewiesen werden, können für die ältere Be- entsprechende Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe an den völkerung mit Migrationshintergrund im kommunalen Monito- Beratungsleistungen. ring „Vermutungsgebiete“ als Gebiete mit besonderem Bedarf Auch die Wohnberatung kann in das Integrationsmonitoring dargestellt werden. Aufsuchende Altenarbeit könnte in diesem einbezogen werden. Wohnberatung wird in den befragten Gebieten dann gezielter auch migrationssensitiv geplant und Kommunen an unterschiedlichen Servicestellen geleistet. Ne- eingesetzt werden. Ebenso könnte über diese Kennzahl eine ben den Pflegestützpunkten gibt es zum Beispiel auch speziell Einschätzung erfolgen, ob Menschen mit Migrationshintergrund auf Wohnberatung fokussierte, kommunale Stellen wie auch in Relation zur Bevölkerungsverteilung im Einzugsgebiet an der bei Beratungsangeboten von Wohnungsbaugesellschaften. Grundsicherung angemessen partizipieren. An diesen Stellen gibt es bislang kaum Erkenntnisse, ob und Ein zweites Beispiel für einen migrationssensitiven Indikator mit welchem Anteil alte Menschen mit Migrationshintergrund betrifft kommunal gesteuerte Beratungsleistungen im drohen- und ihre Angehörigen profitieren und etwa mit Blick auf Leis- den oder schon eingetretenen Pflegefall (nach SGB XI,§ 7a, 40). tungen nach § 40 SGB XI (wohnumfeldverbessernde Maßnah- Pflegestützpunkte der kommunal geförderten Dienstleister, men/Pflegehilfsmittel) beraten werden. die solche Beratungen anbieten, sollten die Teilhabe der Die dritte Indikatorengruppe bezieht sich auf kommunal geför- Stadtpunkte 01/2017 |7
derte Projekte im Altenhilfebereich. Diese müssen die wach- Umsetzung von Bildungsangeboten. In der Gesundheits- und sende Zahl (potenziell) bedürftiger älterer zugewanderter Pflegeversorgung und in der kommunalen Altenhilfe stehen Menschen berücksichtigen. Längst nicht alle Projekte weisen entsprechende Daten nicht zur Verfügung. Die verfügbaren den Einbezug von Menschen mit Migrationshintergrund aus. Daten des Mikrozensus zum Migrationshintergrund sind für Entsprechende Maßnahmen einzubringen und Daten vorzu- kommunale, stadtteilbezogene Steuerungs- und Entwick- Thema halten, unterstützen auch die Steuerung der interkulturellen lungsanliegen nicht geeignet. Möchte man die Partizipation Entwicklung der beteiligten Organisationen. Über Zielverein- von älteren Menschen und ihren Angehörigen mit Migrati- barung und Auftragsgestaltung in der Kommune wird damit onshintergrund befördern, bedarf es daher zunächst migrati- eine interkulturelle Altenarbeit auch über die aktuelle Pro- onssensitiver Daten zur aktuellen Teilhabe. Es bedarf weiter jektgestaltung hinaus befördert. Auch kommunal geförderte einer Entscheidung in der Kommune, welche Leistungen und Angebote im Kulturbereich und der offenen Altenhilfe wie Ta- Angebote prioritär migrationssensitiv weiter entwickelt wer- gesstätten und Nachbarschaftshäuser könnten Kennzahlen zur den sollen. Dies sollte unter Einbezug von kommunalen Mi- thematischen Vielfalt von Kulturangeboten und der Nutzung grantenorganisationen geschehen, um Akzeptanz und nach- von Gruppen bereitstellen. haltige Umsetzung von Maßnahmen zum stärkeren Einbezug zu sichern. Perspektiven Die kommunalen Aufgaben werden dadurch nicht einfacher. In Im Bildungsbereich und der Kinder- und Jugendhilfe wur- Anbetracht der Ergebnisse der KUSTIS-Studie und unter dem den in den letzten Jahren vermehrt Daten erhoben, die den Vorzeichen des schnell wachsenden Anteils der älteren Mi- Migrationshintergrund mit einschließen. Gerade im Bil- grantenbevölkerung in Deutschland ist es aber nicht empfeh- dungsbereich hatten die Ergebnisse (die sogenannten PISA- lenswert, die kommunale Altenhilfe auch weiterhin nicht oder Studien der OECD) erheblichen Einfluss auf die Planung und nur oberflächlich in die Integrationsarbeit einzubeziehen. Integrationsindikatoren für die kommunale Altenhilfe Thema Indikator Datengrundlage Einbezug in Teilhabe- und Bedarfs- Indikator 1a: Grundsicherung mit Merkmal Ämter für Soziale Dienste (Um- analysen (in einigen Kommunen: so- Migrationshintergrund (Mh) stellung Software) genannte „Vermutungsgebiete“, Bevöl- kerung 65+) Indikator 1b: Hilfe zur Pflege mit Merkmal Mh Indikator 2a: Kommunale Stellen zur Pflegeberatung (nach § 7a SGB XI) – Teilhabequote von Menschen mit Mh Teilhabe an Beratung im drohenden oder schon eingetretenen Pflegefall Indikator 2b: Pflegeberatung (nach § 7a SGB XI) muttersprachliche Angebote / Nutzung von profes- sionellen Dolmetscherdiensten bei Verständigungs- Statistiken der Anbieter und problemen Dienstleister Teilhabe an altengerechter Indikator 2c: Kommunale Wohnberatung und Teilhabe Wohnberatung – Anteil der Menschen mit Mh in Relation zur Gesamt- verteilung der Altersbevölkerung mit und ohne Mh Teilhabe an Wohnumfeldgestaltung Indikator 2d: Barrierefreie Wohnumfeldgestaltung – (§ 40 SGB XI Pflegehilfsmittel und Quote der Menschen mit Mh wohnumfeldverbessernde Maßnahmen) Teilhabe an kommunal geförderten Pro- Indikator 3a: Anteil der älteren Menschen mit Mh, jekten im Altenhilfebereich die an projektbezogenen und nicht thematisch ein- gegrenzten Vorhaben für ältere Menschen teilnehmen Statistiken der Anbieter und Dienstleister Teilhabe an Angeboten kommunal ge- Indikator 3b: Anteil der älteren Menschen mit Mh, förderter Einrichtungen wie Bürgerhäu- die an Dienstleistungen / Kulturangeboten von kom- ser, Kulturangebote etc. munal geförderten Einrichtungen als Nutzer_innen teilnehmen 8| Stadtpunkte 01/ 2017
Thema Indikator Datengrundlage Migrantenorganisationen als Träger Indikator 4a: Migrantenorganisationen (MO) und / von Beratungsangeboten oder Dachverbände (DV) sind selbst Träger von Be- ratung – ggf. in Kooperation mit etabliertem Träger Anzahl der MO in diesem Bereich Thema Professionalisierungsschritte von MO Indikator 4b: MO / DV nehmen am Landespflegeaus- in wohlfahrtsverbandliche Anbieter- schuss teil / sind Mitglied strukturen Indikator 4c: Anzahl von Förderprogrammen zur Anzahl von Förderprogrammen nachhaltigen (mindestens dreijährige Projekte) strukturellen Unterstützung von MO und entspre- chender Netzwerke im Bereich Altenhilfe Unterstützung der Altenhilfe als Indikator 4d: Vertretung des Seniorenbereichs bei Anzahl der hauptamtlich Aktionsfeld der MO / DV MO / DV-Unterstützung durch kommunale Förderung Beschäftigen im Bereich Altenhilfe in MO und DV Teilhabe an Seniorenvertretung Indikator 5a: Anzahl der Menschen mit Mh in der Seniorenvertretung /Statistik Seniorenvertretung Gesetzliche Grundlage / Richt- Indikator 5b: In die „delegationsberechtigten Organi- linien der Kommunen sationen“ der Seniorenvertretung werden auch MO / DV aufgenommen Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe Indikator 6: Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe: Statistiken der Anbieter und Anzahl der migrantenspezifischen Veranstaltungen Dienstleister zu spezifischen Themenstellungen (z.B. Betreuungs- recht, Demenz) für Menschen mit Mh Interkulturelle Vorhaben stadtteilbezo- Indikator 7: Anzahl der organisierten interkultu- Statistiken der Anbieter und gen in der Wohnungswirtschaft rellen Veranstaltungen im Stadtteil / in der kommu- Dienstleister nal verantworteten Wohnungswirtschaft Teilhabe Freiwilligenarbeit Indikator 8: Anzahl der Fachveranstaltungen für MO Statistiken der Anbieter und zum Thema Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft Dienstleister Teilhabe an Bildungsangeboten in öf- Indikator 9: Anzahl der Bildungsangebote in öffent- Statistiken der Anbieter und fentlichen, kommunal finanzierten Ein- lichen, kommunal finanzierten Einrichtungen (VHS / Dienstleister richtungen Stadtbibliotheken), die Material in besonders leichter Sprache und / oder in verschiedenen Sprachen für Se- nior_innen / Angehörige mit Mh vorhalten bzw. Ange- bote für Senior_innen mit Mh anbieten Eine nur punktuelle Aufmerksamkeit, etwa durch einzelne auch nur die Teilhabe an Serviceleistungen wie Notruf- Projekte für ältere Migranten und Migrantinnen ist nicht systeme und Nachbarschaftshilfe, um ein möglichst langes mehr ausreichend. Es ist der generelle Einbezug der Migran- Leben ihrer Angehörigen in der eigenen Häuslichkeit zu si- tenbevölkerung in Planung und Steuerung von Angeboten chern. Auch Nachbarn möchten ältere Menschen in der Um- der kommunalen Altenhilfe gefordert. Dies ist wichtig, nicht gebung – auch diejenigen mit Migrationshintergrund – in nur für die älteren Menschen selbst, sondern auch für de- ausreichender Absicherung der alltäglichen Lebensgestal- ren Angehörige und relevante Andere in der Nachbarschaft tung erfahren. Integrationserfolge werden sich zukünftig und der Kommune. Auch Familien zugewanderter Menschen auch daran bemessen lassen müssen. benötigen zunehmend Unterstützung in der Versorgung ihrer Angehörigen, Information und Teilhabe an generellen Bera- Autorin: Prof. Dr. phil. Monika Habermann, Zentrum für tungsleistungen, an Wohnberatung und Tageseinrichtungen, Pflegeforschung und Beratung, Hochschule Bremen, an migrationssensitiven Kurzzeitpflegeeinrichtungen oder monika.habermann@hs-bremen.de, www.zepb.de Stadtpunkte 01/2017 |9
Gesundheitsförderung in der stationären Altenpflege Am Beispiel psychischer Beeinträchtigungen Thema Anhaltend geringe Geburtenraten und steigende Lebenserwartungen führen zu veränderten Altersstrukturen, die unter dem de- mografischen Wandel bekannt sind. 2011 lebten ca. 80 Millionen Menschen in Deutschland, von denen 17 Millionen 65 Jahre oder älter waren (Statistisches Bundesamt, 2013). Aus diesem Grund hat jede fünfte in Deutschland lebende Person bereits das Rentenalter erreicht. Ende 2009 waren, definiert nach dem Sozialgesetzbuch (SGB XI), 2,3 Millionen Personen pflegebedürf- tig. Somit ist der Anteil derer, die Langzeitpflege benötigen, von 2,5 Prozent auf 2,9 Prozent angestiegen (im Zeitraum 1999 bis 2009 von 2 auf 2,3 Millionen; Stelzner et al., 2001). Das Risiko einer Pflegeabhängigkeit steigt mit zunehmendem Alter. 31 Prozent aller pflegebedürftigen Personen (717.000) sind Patient_innen in Pflegeheimen (Stelzner et al., 2001). Heimbewohner_innen sind häufiger von psychischen Ein- schränkungen bzw. Erkrankungen betroffen. Deutsche Stu- dien zeigen höhere Einnahmen an Psychopharmaka in der Gruppe älterer Heimbewohner_innen verglichen mit älteren Personen, die zu Hause leben (Stelzner et al., 2001). Hart- wig et al. (2010) untersuchten die Häufigkeit psychischer Erkrankungen von Personen in Alteneinrichtungen und geriatrischen Einrichtungen und zeigten, dass drei Viertel der Bewohner_innen substanzielle und unterschiedliche psychiatrische Symptome aufwiesen. Zu den häufigsten psychischen Auffälligkeiten zählen Ängste und depressive Symptome. Das neue Präventionsgesetz zielt unter anderem auf die Prä- vention und Gesundheitsförderung älterer Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben (Petersen-Ewert und Wehowsky, 2015). Somit müssen weitere Erkenntnisse gewonnen wer- den, um systematische und qualitativ hochwertige gesund- faktoren für schlechtere mentale Gesundheit sind unter heitsförderliche Programme für ältere pflegebedürftige Per- anderem das Alter, weibliches Geschlecht, geringes Ein- sonen entwickeln und implementieren zu können. Mit der kommen, geringer sozioökonomischer Status, Erkran- folgenden Darstellung des wissenschaftlichen Forschungs- kungen und Einsamkeit. Depressionen wirken sich negativ standes möchten wir den Erkenntnisstand bezüglich Förde- auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität aus (Hoey et rung der psychischen Gesundheit in der stationären Alten- al., 2006), und selbstberichtete Ängste stehen im Zusam- pflege ausführlicher beschreiben. menhang mit geringerer Lebensqualität (Shrestha et al., 2015; Samra and Byrne, 2014; Gerolimatos et al., 2013). Wissenschaftlicher Forschungsstand Folglich sollten hier Maßnahmen zur Förderung der psy- Zur Beschreibung des aktuellen wissenschaftlichen For- chischen Gesundheit ansetzen. schungsstandes wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Zu Beginn der Recherche wurden Einschluss- Interventionsansätze und Ausschlusskriterien definiert, um alle relevanten Studi- In der Literatur werden einige Interventionsansätze be- en zu identifizieren, die sich direkt oder indirekt mit Depres- schrieben. Volkers und Scherder (2011) ermittelten einen sionen und Ängsten von älteren Heimbewohner_innen be- positiven Effekt auf die körperliche Funktionsfähigkeit und schäftigen. Artikel, in denen die Begriffe Depression, Angst der Ausprägung von Depressionen und Ängsten bei älteren und Interventionen entweder im Titel, Abstract, Text oder in Heimbewohner_innen, wenn sie regelmäßig (spazieren) gin- ihrer Analyse auftraten, wurden in die Analyse einbezogen. gen. Die Ergebnisse einer Studie von Meeks et al. (2014), in Die Suche erfolgte in der Datenbank Medline (Pubmed). der Bewegung eine Hauptrolle spielte, zeigen, dass depres- Insgesamt betonen die Autor_innen der Studien, dass das sive Symptome bei Heimbewohner_innen vermindert und die Auftreten von Depressionen und Ängsten ein häufig uner- Funktionsfähigkeit verbessert werden konnte. Eine Studie in kanntes Problem in Pflegeeinrichtungen ist (Dozeman et den Niederlanden zeigte, dass Interventionen in Form von al., 2007). Ältere Pflegebedürftige haben ein höheres Risi- Trainingsprogrammen die Häufigkeit von Depressionen sen- ko an Depressionen oder Ängsten zu erkranken (Ahmed et ken konnte (Leontjevas et al., 2013). Dies wurde ebenfalls al., 2014; Dozeman et al., 2007; Bell und Goss, 2001). Ah- von Smith et al. (2014) bestätigt. Eine weitere Studie in Al- med et al. (2014) stellen dar, dass Depressionen und/oder tenheimen wurde von Underwood et al. (2013) in zwei Regi- Ängste bei mehr als 80 Prozent der in geriatrischen onen Englands durchgeführt. Sie berichteten von positiven Heimen lebenden Älteren auftraten. Relevante Einfluss- Effekten durch ein Training von professionell Pflegenden, die 10 | Stadtpunkte 01/ 2017
für die Erkennung von Depressionen bei Heimbewohner_in- wichtige Maßnahme darstellt, um Depressionen und Ängste zu nen geschult bzw. sensibilisiert wurden. reduzieren. Die Studien unterstreichen aber auch die Notwen- digkeit der Anpassung und Entwicklung weiterer Maßnahmen Schlussfolgerung im Setting Altenheim, um die gesundheitsbezogene Lebens- Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass deutsche und qualität langfristig aufrechtzuerhalten. Die Entwicklung von internationale Studien einen positiven Effekt von Interventi- Maßnahmen sollte dabei wissenschaftlich begleitet werden. Thema onen auf die psychische Gesundheit älterer Heimbewohner_in- nen aufzeigen konnten. Die Ergebnisse der Literaturrecherche Autorinnen und Literatur: Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert, weisen darauf hin, dass eine Intervention, beispielsweise in Dr. Johanna Buchcik, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Form von Schulungen, sowohl für die Heimbewohner_innen Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Department Pflege und ihre Angehörigen als auch für professionell Pflegende eine und Management, corinna.petersen-ewert@haw-hamburg.de Selbstbestimmt in den Ruhestand Der Übergang in den Ruhestand stellt eine Herausforderung dar. Das gilt auch für Menschen mit einer Behinderung. Denn viele Dinge und Abläufe müssen dann neu organisiert werden. Doch mittlerweile gibt es gute Konzepte und Angebote zur Unterstützung für den Übergang ins Rentenalter. Unsere Gesellschaft wird immer älter. Das Durchschnittsal- ter der deutschen Bevölkerung ist das höchste in Europa. Im Zuge dieser Veränderung steigt auch die Zahl der äl- teren Menschen mit Behinderung. 2015 waren 76 Prozent aller behinderten Menschen älter als 55 Jahre. Für sie alle ist es wichtig, selbstbestimmt in den Ruhestand zu starten. Erste Anlaufstelle für die Gestaltung des Übergangs in die Pensionierung ist häufig der Arbeitgeber. Mit ihm können Ar- beitnehmer_innen besprechen, welche Gestaltungsmöglich- keiten es gibt, zum Beispiel durch Verkürzung der Arbeitszeit Verlängerte oder zusätzliche Pausen Veränderung der Arbeitsinhalte (zum Beispiel weniger an- strengende Tätigkeit) die auch auf dem Mobiltelefon für eine übersichtliche Darstel- Veränderung des Arbeitsplatzes lung der Inhalte sorgt. Als erstes mobiles Angebot seiner Art Speziell für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist können Interessierte den Service und die Adressdatenbank des diese Umgewöhnung an ihre neue Freizeit oft wichtig. Man- Familienratgebers damit jederzeit und überall nutzen. che Werkstätten zum Beispiel richten dazu auch Gruppen für ältere Mitarbeiter_innen ein, in denen sie sich austauschen Finanzielle Unterstützung und Ideen teilen können. Auch im Ruhestand haben Menschen mit Behinderung An- spruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemein- Familienratgeber mit vielen Infos Senior_innen mit Behinderung sollen möglichst selbst ent- scheiden, wie sie den eigenen Tagesablauf gestalten wollen. Der Familienratgeber der Aktion Mensch ist eine Internet- Sozialdienste können bei der Entscheidung helfen. Beratung Seite, die viele Informationen und Ansprechpartner_in- bieten auch die Spitzenverbände der freien Wohlfahrts- nen zum Thema Arbeit bzw. Ruhestand, barrierefreier pflege (Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Der Wohnraum und Behinderung sowie ein Forum zum Aus- Paritätische Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, tausch bietet: www.familienratgeber.de Diakonisches Werk, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Weiterführende Informationen finden sich beispielsweise Deutschland) an. Beratungsangebote und Ansprechpartner_in- zu den Themenbereichen nen in Wohnortnähe finden Interessierte zudem über den Fa- Das persönliche Budget milienratgeber der Aktion Mensch. Ehrenamt und Behinderung Als umfassendes Angebot im Internet bietet der Familienrat- Freiwilliges Engagement geber außerdem viele Tipps und Informationen dazu, wie ein Freizeit im Alter Übergang in den Ruhestand optimal verlaufen kann. Auch in Freiwilligen-Datenbank Einfacher Sprache abrufbar, gibt es seit Frühjahr des Jahres eine Beratungsangebote – Adressdatenbank aktualisierte Version des Serviceangebotes der Aktion Mensch, Stadtpunkte 01/2017 | 11
schaft. Rechtsgrundlage ist das 9. Sozialgesetzbuch, Kapitel 7, den eigenen Horizont und gibt das Gefühl, gebraucht zu wer- Paragrafen 55-59. Demnach steht älteren Menschen mit Be- den. In manchen Senioren-Tagesstätten gibt es auch Freizeit- hinderung zu, dass sie Hilfen bekommen, wenn sie zum Bei- Angebote für Senior_innen mit Behinderung. Ältere Menschen spiel eine Veranstaltung oder ein Museum besuchen wollen. mit Behinderung können zum Beispiel in Einrichtungen der Senior_innen mit Behinderung sollen am gesellschaftlichen Lebenshilfe, des Bundesverbandes für körper- und mehrfach- Thema Leben teilhaben. Jede_r soll die Leistungen bekommen, die behinderte Menschen (bvkm), der Caritas und der Diakonie er oder sie braucht. Der Leistungsanspruch besteht ohne Al- Freizeit-Angebote finden. tersbegrenzung. Als Bürger_innen einer Stadt oder Gemeinde müssen auch äl- Wohnen im Alter tere Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung Mit zunehmendem Alter lässt oft die Beweglichkeit nach. alle allgemeinen Begegnungsmöglichkeiten besuchen können. Manch eine_r muss dann in eine barrierefreie Wohnung um- ziehen. Beratungsstellen der Städte und Gemeinden vor Ort können dabei helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, zu verschiedenen Wohnformen (zum Beispiel: betreutes, ambu- lantes oder stationäres Wohnen) Ansprüchen oder Anträgen (zum Beispiel: Wohnberechti- gungsschein) Umbau-Möglichkeiten der Wohnung oder des Hauses Möglichkeiten, wie der Umbau nicht selbst bezahlt werden muss. Oft besteht die Möglichkeit, einen Beratungstermin zu Hause zu vereinbaren. Die Berater_innen kommen dann in die Woh- nung oder ins Haus. In ländlichen Regionen stehen dazu auch Berater_innen der Wohlfahrtsverbände oder ambulante Pfle- gedienste zur Verfügung. Viele Städte stellen zudem auf ihren Internetseiten Infor- mationen bereit. Bei allen Einschränkungen, die sich im Al- So sieht es jedenfalls die UN-Behindertenrechtskonvention ter ergeben: Es gibt viele Möglichkeiten, sich das Leben in- vor in teressant zu gestalten und Spaß zu haben. Wichtig ist, sich Artikel 9: Menschen mit Behinderung sollen Zugang zu Bus- die Unterstützung zu holen, die jedem und jeder einzelnen sen, Bahnen und öffentlichen Gebäuden wie Rathaus oder zusteht. Gemeindeverwaltung haben. Artikel 19: Menschen mit Behinderung sollen frei wählen kön- nen, wie und wo sie leben wollen. Sie sollen Zugang zu Unter- Zum Weiterlesen stützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen haben. Auf der Internetseite der Deutschen Rentenversiche- Artikel 30: Menschen mit Behinderung sollen am kulturellen rung finden sich Informationen zu Reha und Rente für Leben teilnehmen können, wie zum Beispiel an Freizeit- oder schwerbehinderte Menschen (PDF-Dokument) Sportangeboten. Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe Doch die Realität ist oft eine andere, denn es gibt noch immer (BeB) hat ein anschauliches Infopapier mit dem Titel viele Hindernisse. Ältere Menschen mit Behinderung können „Tagesstruktur für Rentner mit Behinderung“ in Leichter wegen verschiedener Barrieren nicht immer alleine an Frei- Sprache erstellt. zeit-Angeboten teilnehmen. Hier kann auch die persönliche Die Lebenshilfe Karlsruhe hat zusammen mit der Aktion Assistenz helfen. Mit der Hilfe von Assistenzen können ältere Mensch ein Buch erarbeitet, das sich mit dem Ruhestand Menschen mit Behinderung Barrieren überwinden. Mit dem für Menschen mit geistiger Behinderung beschäftigt. Im Persönlichen Budget können sie die persönliche Assistenz Buch finden sich Infos zur Freizeitgestaltung. Das Buch bezahlen. Denn dieses Geld kann auch für Unterstützung im „Ich will ein Rentner sein“ kann auf der Internetseite Freizeitbereich beantragt werden. der Lebenshilfe bestellt werden. Freizeit aktiv gestalten und Gutes tun: das Ehrenamt Wer viel Freizeit hat, der kann sehr gut ehrenamtlich tätig Autorin: Marion Theisen, freie Journalistin, Bonn werden. Viele ältere Menschen mit und ohne Behinderung marion.theisen@gmx.net, Aktion Mensch e. V. wollen ein Ehrenamt ausüben. Ehrenamtliche Arbeit erweitert www.aktion-mensch.de 12 | Stadtpunkte 01/ 2017
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