WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden

Die Seite wird erstellt Justin Mai
 
WEITER LESEN
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
WBZ
Wiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau
Nr. 2 / September 2021 39. Jahrgang

      Je stärker der Wind,

          je größer die Welle
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
INHALT                                                     Liebe/r WBZ-Leser*in,

02 Editorial                                               wir freuen uns, heute mit Dir unsere Sommer-Edition der WBZ zu tei-
                                                           len. Dank unserer kompetenten und vielseitig engagierten Autor*-
03 HGlG - Herzliche Ganz liebe Grüße, Dein                 innen können wir Dich heute an unseren derzeitigen Themen teilha-
   Frauenförderplan!                                       ben lassen. Brandaktuell natürlich die - leider nicht flächendeckend
                                                           erfolgte - Sommerferienbezahlung, der aktuelle Schulentwicklungs-
07 Inklusion geht besser - mehr                            plan für Wiesbaden sowie der neu erarbeitete Frauenförderplan.
   Ressource für die Sonderpädagogische                    Eine neue Welle, dieses Bild ruft seit Sommer 2020 nicht mehr die
   Förderung                                               Assoziation mit Sommerferien, Sonne und Sonnenschein hervor, son-
                                                           dern mit Corona die stetige Angst vor der nächsten Welle. Dennoch
09 IGS vor 50 Jahren                                       möchten wir diese Metapher im positiven Sinne nutzen im Hinblick
                                                           auf zunehmende Gleichberechtigung der Geschlechter, nicht nur im
                                                           Bildungswesen.
10 Die Wiesbadener Schullandschaft :
   Vielfältig oder ungerecht?                              Eine neue Welle der Unterstützung im Hinblick auf die Sommerferi-
   Gespräch mit Christian Lahr                             enbezahlung für TV-H und andere langfristig in Bildung und Erzie-
                                                           hung Beschäftigten - dafür werden wir weiter kämpfen und als GEW
14 Die Wiesbadener Schullandschaft                         einstehen.
   hat ein Problem - Stellungnahme                         Und da aller guten Dinge drei sind, möchten wir zu guter Letzt als
   zum Schulentwicklungsplan (SEP)                         Gewerkschaft auch auf Landesebene ordentlich (neue) Wellen schla-
                                                           gen - mit und für Euch!
16 Von der endlosen Suche nach                             Aber auch auf unseren „alten Wellen“ - Gutes Lehren und Lernen
   Befristungsgründen                                      und Inklusion an allen Schulformen - reiten wir weiterhin in Richtung
                                                           Verbesserung und Transparenz und hoffen, dass Dir unsere Artikel
                                                           hierzu einen guten Einblick in unsere Arbeit verschaffen.
18 GEW noch aktiver auf Landesebene
                                                           Feedback und Anmerkungen immer gern an uns, elektronisch, tele-
                                                           fonisch oder „in echt“ in unseren Kreisverbandssitzungen oder am
19 „Vor Allem: nicht schaden“ Für Anti-
                                                           Stammtisch (aktuelle Termine unter www.gew-wiesbaden.de).
   Covid-19-Maßnahmen, die im Einklang
   mit dem obersten Grundsatz der                          Everybody welcome, Wir leben Inklusion, Diversität und Individualität.
   Medizin stehen                                          Nun wünschen wir Dir viel Freude beim Lesen und einen guten Wie-
                                                           dereinstieg nach der Sommerpause - erholt und gestärkt für alles,
                                                           was kommen mag.
                                                           Achte gut auf Dich und bleib gesund!
                                                           GEW-erkschaftliche Grüße

                                                           Chris und Johanna

    Titelbild aus dem Buch „Zu Besuch bei Meister
    Hokusai in Japan“, Abenteuer Kunst, Prestel,
    verbunden mit dem Hintergedanken, je mehr
    die Angst vor den nächsten (Corona-)Wellen
    geschürt wird, desto unüberlegter und panischer
    reagiert die Bevölkerung, wobei eine gewisse
    Absicht nicht von der Hand zu weisen ist.

    Impressum:
    WBZ, Herausgeber ist die Gewerkschaft Erzie-
    hung und Wissenschaft, Kreisverband Wies-
    baden-Rheingau; Gneisenaustraße 22, 65195
    Wiesbaden, E-Mail: info@gew-wiesbaden.de;
    Homepage: www.gew-wiesbaden.de; Redaktion:
    Florian Pielert, Hajo Barth, Victoria Gulitz (Text),
    Thomas Eilers (Layout); Druck: Sheikh Digitalprin-
    ting Untere Albrechtstraße 5, 65185 Wiesbaden,
    Auflage: 1500. Namentlich gezeichnete Artikel ge-
    ben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion
    oder des Kreisvorstandes Wiesbaden-Rheingau
    der GEW wieder.

2                                                                                                                     WBZ     2 • 2021
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
HGlG - Herzliche Ganz liebe Grüße, Dein Frauenförderplan!
                                             Gespräch im Lehrer*innenzimmer
                               … eigentlich Hessisches
                            Gleichberechtigungsgesetz…
                           Short-version: Ü25, erwachsen
                           aber entwicklungsfähig (mhm…
                             ähnlich wie bei meinem Date
      1                    letzte Woche…), Grundlage für                                     Gleichstellung von Frauen
                           Gleichberechtigung von Frauen       4                             und Männern durchsetzen,
       HGlG, was            und Männern und zum Abbau                                           die Vereinbarkeit von
      ist denn das            von Diskriminierung in der       Du weichst aus…                    Familie und Beruf
     schon wieder?         öffentlichen Verwaltung sowie       Aber erzähl mal:               verbessern, Beseitigung
                          Grundlage für den Frauenförder-     Was soll der so, der            von Unterrepräsentanz
                               und Gleichstellungsplan.       Frauenförderplan?              von Frauen beispielsweise
                 V                                                                             in Leitungsfunktionen.
                                                     V                      V                          V

                            Noch nie gehört? Glaub, mir                                    Pass mal auf: Ich erklär’s an
                            es gibt ihn - auch an unserer                                  einem Beispiel: Aufgrund von
                                       Schule!                                           Daten werden Bereiche, in denen
      2                       Das Staatliche Schulamt                                       Frauen unterrepräsentiert
                            hat ihn mit der Frauen- und                                       sind, ermittelt, z.B. A14-
                            Gleichstellungsbeauftragten                                 Schulleitungsfunktionen in Haupt-
      Frauenförder-
                            und dem Gesamtpersonalrat                                   und Realschulen: 29% Frauenanteil.
         What?
                V           der Lehrerinnen und Lehrer
                                (GPRLL) aufgestellt.
                                                                                            Dann gibt es die Zielgröße
                                                                                              51% Frauenanteil in den
                                                 V                                         entsprechenden Funktionen.
                                                                                        Entwicklungen bei zu besetzenden
                                                                                             Personalstellen können so
                                                                                          verfolgt und begleitet werden.
                                                                                            Maßnahmen, um Frauen zu
                                                                                           stärken, werden entwickelt.
                                                                                                 z.B. Fortbildungen,
                                                                                       Potenzialerkennung und -förderung,
                                                                    5                 veränderte Personalauswahlkriterien,
                                                                                      Teilzeitermöglichung auf allen Stellen,
                                                                                          familienfreundliche Rückkehr-
                                                                   Okay…und                und Rotationsmöglichkeiten,
                                                                   wie soll das                geschlechtergerechte
                              Alle 6 Jahre gibt es eine              gehen?            „Führungskultur“ und Beurteilungen.
                              Neuaufstellung (aktuell:
                            2018-2023), alle 3 Jahre eine                       V                            V
                            Fortschreibung mit aktuellen
                              Daten und Prognosen. Bei
                            Bedarf sind auch Änderungen
      3                        in kürzeren Abständen
                              möglich. Maßnahmen sind
        Und? Hast du          anzupassen, wenn es sich
      auch schon wieder       herausstellt, dass es mit
         ‘nen Neuen?            der Frauenförderung
                                 im Schulamtsbezirk
                 V               nicht so gut klappt.

                                         V

                                                                   Karikaturen von Marie Marcks aus: Meister der ko-
                                                                   mischen Kunst, Verlag Antje Kunstmann, ISBN
                                                                   978-3-88897-717-6, Texte: Christine Dietz

WBZ 2 • 2021                                                                                                                    3
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
8
                                                                         Hey, dann kannst du mir
                                                                           vielleicht auch helfen:
                                                                            Ich bin ja gerade in
                                  Der Frauenanteil liegt aktuell          Elternzeit, war eben bei
                                 bei 44%, Zielgröße 51%. Es gibt          der Schulleitung wegen
                                    aber keinen Automatismus,            meiner Rückkehr zu euch.
                                  nach dem die Stelle mit einer            Ich dachte, alles sei in
                                    Frau besetzt werden muss,            trockenen Tüchern, aber                     Der
                                    da die „Bestenauslese“ gilt.            mir wurde jetzt eine              Frauenförder- und
                                     Sollen solche Stellen mit            Abordnung nahegelegt!               Gleichstellungsplan
                                     Männern besetzt werden,
                                   ist dies also nicht unmöglich.
                                   Aber der Frauenförder- und
                                                                                 V                              sichert Dir die
                                                                                                                 Rückkehr zu.
      6                            Gleichstellungsplan schreibt                          Danke! Schon mal
                                                                                          gut, zu wissen.
     Hör‘ mal, ich hab
                                 folgendes vor: Die Amtsleitung
                                  prüft, ob zur Erweiterung des                           Das macht mich                  V
     da ‚ne Freundin…                                                                     gleich stärker.
                                    Bewerber*innenfeldes eine
    die ist zufällig auch
    Berufsschullehrerin
                                    erneute Ausschreibung der
                                Stelle erfolgen soll. Der Verzicht
                                                                                               V
      und interessiert
                                    auf eine Neuausschreibung
        sich für eine
                                  bedarf einer Begründung. Bei
     Funktionsstelle in
                                    dreijähriger Nichterfüllung
    Schulleitung…ist die
                                     des Ziels muss bei jeder
     dann automatisch
                                    Stellenbesetzung mit einem
      drin, oder was?
                                    Mann das HKM zustimmen.
               V
                                                  V

                                                                              9
                                                                                                     GEW … da gibt’s noch viele
                                                                                                    interessante Sachen mehr…
                                                                             Äh, und woher           Zum Beispiel hat dich doch
                                                                              weißt du das             gestört, wie die letzte
                                                                                 alles?               Abstimmung in der GeKo
                                                                                                   gelaufen ist. Das könnten wir
                                                                                     V             mal bei ‘nem Kaffee als GEW-
                                                                                                     Schulgruppe besprechen.
                                                                                                      Da gibt’s nämlich ‘ne gute
                                           Probier’s doch einfach!                                     GEW-Info zu unseren
                                           Der Frauenförder- und               Klingt gut,
                                                                                                        Rechten der GeKo….
                                        Gleichstellungsplan schreibt           Montag in
                                            vor, dass alle Stellen
                                         grundsätzlich teilbar sind,
                                                                             einer Woche?
                                                                             Ich bring noch                        V
             7                            auch wenn sie als Vollzeit          Kuchen mit!               Prima, herzliche,
                                        ausgeschrieben werden. Bei                                      ganz liebe Grüße!
        Ja, auf Leitung habe          der Dienstlichen Beurteilungen
                                       sind zusätzlich übernommene
                                                                                     V                    Und bis dann!
       ich mittlerweile auch
       Lust, fühle mich aber          Aufgaben in Teilzeit in Relation                                       V
     chancenlos wegen meiner              zu Vollzeitbeschäftigten
       Teilzeitbeschäftigung              zu gewichten. Geleistete
           und erst wenig              Familienarbeit und Ehrenamt
          Berufserfahrung                werden positiv gewürdigt.
         wegen der ganzen               Geringe Berufsdauer wegen
      langwierigen familiären              Kindererziehungs- und
         Pflegetätigkeiten…           Pflegetätigkeiten dürfen keinen
                                      Bewerbungsnachteil darstellen.
                            V
                                            V

                                                                         Wichtig für Dich:
                                                                         Wenn Du etwas willst, kontaktiere Deine GEW
                                                                         (www.gew-wiesbaden.de). Wir beraten Dich zu Fra-
                                                                         gen der Frauenförderung, der Teilzeit und der Fra-
                                                                         gen des Einstiegs in den Beruf nach der Elternzeit.

                                                                         Christine Dietz, Martina Krämer und Katja Pla-
                                                                         zikowsky (Ansprechpartnerinnen für Frauenthe-
                                                                         men, Frauen- und Gleichstellungsförderung)

4                                                                                                                         WBZ   2 • 2021
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
Wenn Du weiterliest,
    findest Du die konkreten Forderungen der GEW                Schule vor Vergabe aufgeschlüsselt nach Ge-
    Fraktion im Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen und           schlecht aufzunehmen (wie in diesem Jahr).
    Lehrer am Staatlichen Schulamt des Rheingau-Tau-        b. Die Vergabe der A14-Stellen durch das Staatliche
    nus-Kreises und der Landeshauptstadt Wiesbaden.             Schulamt und den GPRLL berücksichtigt im An-
    Den zurzeit gültigen Frauenförderplan inkl. Zwischen-       schluss an die anderen Vergabekriterien (Anglei-
    bericht zur Zielerreichung zum 1.1.21 findest Du auf        chung des Anteils) auch folgenden Aspekt. Wenn
    https://schulaemter.hessen.de/sites/schulaem-               und soweit Schulen der Repräsentanz des Frau-
    ter.hessen.de/files/A.%20Textteil_0_0.pdf                   enanteils bereits entsprochen haben, wird durch
                                                                die bevorzugte Vergabe einer A14-Stelle dies über
    https://schulaemter.hessen.de/sites/schulaemter.hes-        die Setzung eines positiven Anreizes unterstützt.
    sen.de/files/2021_05_27_Zwischenbericht_0_1.pdf
                                                            c) Fortbildungsmaßnahmen
                                                            a. Regelmäßige Fortbildungen nicht nur für poten-
    Vorstellen können wir uns viel mehr.                        zielle Führungsaufgaben, sondern auch zu Themen
    Wir fordern die Weiterentwicklung und Konkreti-             der Vereinbarkeit von Familie/Karriere/Beruf
    sierung von Maßnahmen zur Frauenförderung, weil             z.B. Elternzeit Mutterschutz- und Stillverordnung
    die bisherigen Mechanismen nicht ausreichend                oder über den Frauenförder- und Gleichstel-
    Wirkung zeigen. Die Tendenz zeigt, dass Frauen in           lungsplan selbst sind anzubieten.
    Führungsposition zunehmend weniger zu finden            d) Übertragung von qualifizierenden Auf-
    sind. Hierzu schrieben wir in der letzten WBZ.              gaben, wie Leitungen von Arbeitsgrup-
    Wir stehen in Verhandlungen mit dem Staatli-                pen und Stellvertretungsfunktionen
    chen Schulamt über folgende Maßnahmen:                  a. Bei der Übertragung von qualifizierenden Aufga-
    1) Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeits-                  ben, wie Leitung von Arbeitsgruppen und Stell-
       bedingungen von Kolleg*innen in Teilzeit                 vertretungsfunktionen durch Schulleitung auf
    a) Teilung von Klassenleitungs-, Tutoren*innen-             Kolleg*innen sind die Prozesse so transparent zu
       und Mentor*innenämtern (Teamstrukturen),                 machen, dass mehrere Kolleg*innen die Chance
    b) Keine doppelte Klassenführung                            haben, sich zu bewerben. Schulleitungen sollen
       für Teilzeitkolleg*innen,                                Frauen i.S. des HGlG dabei besonders anspre-
                                                                chen. Zeitlich zur Berichtspflicht der Frauenför-
    2) Geschlechtergerechte Personalentwicklung
                                                                derung werden Schulleitungen aufgefordert,
    a) Potenzialerkennung und -förderung                        kurz ihre Bemühungen bekanntzugeben, damit
    a. In anonymisierter Form erfolgt die Publika-              diese dem Bericht angefügt werden können.
       tion von voraussichtlich freiwerdenden Stel-         e) Erprobung und Weiterentwicklung von Teil-
       len auf der Homepage-Seite der Frauen- und               zeitbeschäftigung in Führungsfunktionen
       Gleichstellungsbeauftragten für die kommen-
                                                            a. Der Satz „Alle Stellen sind grundsätzliche teilbar“
       den zwei Jahre und ist alle halbe Jahre zu ak-
                                                                ist in jede Ausschreibung explizit aufzunehmen.
       tualisieren (z.B. Jahr 2022: drei A15-Stellen
                                                                Ein Verweis auf eine Verlinkung reicht nicht aus.
       im Bereich Schulleitung Gesamtschule).
                                                            b. Neben der Formulierung Beschäftigungsumfang
    b. Bei Pensionierungen/Verrentungen oder ander-
                                                                „Vollzeit“ ist auch die Formulierung „Teilzeit“
       weitig freiwerdenden Funktionsstellen erfolgt
                                                                standardmäßig in Ausschreibungen aufzunehmen.
       unmittelbar nach Genehmigung des Gesuches
       das Stellenbesetzungsverfahren. Bei regulärer        c. Konkrete Modelle sind zu kommunizieren
       Pensionierung/Verrentung wird das Stellenbeset-          und bei Bedarf zu erproben: z.B. bei Teilung
       zungsverfahren ein Jahr im Voraus eingeleitet.           von Funktionsstellen „Leiten im Team“.
    c. Die im SSA an Lehrkräfte zu delegieren-              f) Familienfreundliche Rotationsmöglichkeiten
       den Aufgaben sind konsequent in Rund-                a. Anträge auf Versetzungen, die familienpolitisch
       verfügungen auszschreiben.                               oder mit Schwangerschaft/Elternzeit begründet
    b) Entwicklung von Personalauswahlkriterien                 werden, sind bei Ablehnung von Amtswegen
                                                                gesondert darzulegen (ca. ½ Seite, inhaltlich
    a. Verteilung der A14-Beförderungsstellen: Im
                                                                auf konkreten Fall bezogen). Das Amt macht
       Übersichtsplan ist routinemäßig die entspre-
                                                                es sich zur Aufgabe, diese Anträge besonders
       chende Frauen-/Männerquote jeweils für das
                                                                sorgfältig zu prüfen, so dass die Ablehnun-
       Gesamtkollegium der Schule (unabhängig
                                                                gen soweit wie möglich gar nicht notwen-
       von der jeweiligen Vergütung) zu erheben.
                                                                dig werden. Die Personallenkungslisten der
       Weiterhin ist der Anteil der A14-Stellen je

WBZ 2 • 2021                                                                                                         5
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
betroffenen Schulen sind in diesen Fällen dem         c. Die Information, dass bei Fragen zur Durchfüh-
       GPRLL unverzüglich zur Verfügung zu stellen.              rung des Mutterschutzgesetzes, Stillverord-
    g) Verbesserung der Integration während und                  nungen und Beratungsmöglichkeiten SSA und
       nach der Rückkehr aus Beurlaubungen zur                   Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte als
       Wahrnehmung von Familienaufgaben                          Ansprechpartner*innen unterstützend zur Ver-
                                                                 fügung stehen, ist mit Kontaktdaten und hilf-
    a. Personallenkungsmaßnahmen, die in die Berei-
                                                                 reichen Links auf die Homepage des SSA RTWI
       che „Familienpolitische Gründe/Schwanger-
                                                                 zu stellen. Willkommen wären auch konkrete
       schaft/Elternzeit“ fallen, sind, wenn das Amt
                                                                 Best-Practice-Beispiele oder praktische Tipps.
       entgegen den Vorgaben des Frauenförderplans
       diese zu realisieren beabsichtigt, von Amts-          h) Veränderung des Beurteilungswesens unter
       wegen gesondert zu begründen (ca. ½ Seite,                Anerkennung der Unterschiede in den Er-
       inhaltlich auf konkreten Fall bezogen). Die Per-          werbsbiografien von Frauen und Männern
       sonallenkungslisten sind in diesen Fällen dem         a. In die Begründung des Gesamturteils aller Kol-
       GPRLL unverzüglich zur Verfügung zu stellen.              leg*innen muss, wenn und soweit sie Famili-
    b. Bedarfsorientierte Stundenpläne in Teilzeit               en- oder ehrenamtliche Arbeit geleistet haben,
       müssen gewährt werden. So dürfen beispiels-               ein würdigender Textbeitrag eingearbeitet
       weise die Stundenpläne Springstunden (d.h.                werden. Dieser hat in die Beurteilung insofern
       Unterbrechungen im Stundenplan) nur im                    einzufließen, dass er die Bewertung positiv
       %-Anteil zur Vollzeitstelle enthalten (Vollzeit = 3       beeinflusst. Entsprechendes gilt für zusätz-
       Springstunden im Maximum pro Woche). Wird                 lich übernommene Aufgaben bei Teilzeitarbeit
       bei der Stundenplanung von dieser Vorgabe                 in Relation zum Vollzeitarbeitsverhältnis.
       abgewichen, ist dies mit dem örtlichen Perso-
                                                               Christine Dietz
       nalrat zu besprechen und ein Einvernehmen mit
       diesem über die Abweichung herzustellen.

6                                                                                                       WBZ       2 • 2021
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
Inklusion geht besser, mehr Ressourcen für
    die Sonderpädagogische Förderung
    Das Dogma der systemischen Zuweisung bei                  auch tatsächlich umzusetzen, ist aus Sicht der GEW
    gleichzeitig viel zu wenig hinterlegter Ressource         das Mindeste, um dieser besonderen Schülergruppe
    führt zu massiven Ungleichbehandlungen                    ein wenig gerecht zu werden.
    … nicht nur der BFZ-Beschäftigten, sondern                Aber der eigentliche Bedarf der einzelnen
    auch der Regelschullehrkräfte.                            Schüler*innen spielt kaum eine Rolle.
                                                              Der Bezug des Staatlichen Schulamts für seine Stun-
    Jahr für Jahr aufs Neue gehen Förderschulkolleg*innen     denverteilung ist im Wesentlichen die Anzahl der
    aus den jeweiligen Beratungs- und Förderschulzentren      Schüler*innen im Zuständigkeitsbereichs der BFZs.
    an die Regelschulen. Dies immer mit zu wenig Ressour-     Allerdings bedeutet, Schüler*in im Einzugsgebiet
    ce im Gepäck.                                             eines Beratungs- und Förderzentrums zu sein, nicht
    Wie viele Stunden das jeweilige BFZ erhält, legt das      gleichzeitig einen Bedarf an besonderer Förderung zu
    Staatlichen Schulamt fest. Mit dieser Vorentscheidung     haben. Die GEW hält diese Bezugsgröße für verfehlt.
    geht bereits die Entscheidung über die unterschiedli-     Der Bedarf ist das Entscheidende solange die Ressour-
    che Belastung der Kolleg*innen einher. Nach Angaben       ce knapp ist.
    des Staatlichen Schulamtes werden auf die vier BFZs       Daher sind die festgestellten Bedarfe (IB-SuS) /vM) im
    folgende Lehrer*innen- Stunden verteilt: Erich-Käst-      Einzugsbereich eines BFZ ein deutlich validerer Hin-
    ner-Schule 427,52 Stunden, Leopold-Bausinger-Schule       weis und sollten relevanter Bezugspunkt für die Ent-
    422,95 Stunden, Janusz-Korczak-Schule 475,77 Stun-        scheidung über die Aufteilung der Stunden aus der Zu-
    den und an die Albert-Schweitzer-Schule 2680,65.          weisung der sonderpädagogischen Ressourcen auf die
    Letztere ist zuständig für ganz Wiesbaden und hat ent-    unterschiedlichen BFZs im Schulamtsbezirk sein. Auch
    sprechend mehr Zuweisung.                                 die Verteilung der Ressource auf die Schulen sollte
    Auf der Grundlage der Beschlüsse der Inklusiven Schul-    dies beachten. Nur so können die Vorgaben der VOSB
    bündnisse – kurz ISB (im Wesentlichen ein Zusammen-       überhaupt umgesetzt werden.
    schluss von Schulleiter*innen, Staatlichem Schulamt       Ungleiche Belastung der Kolleg*innen
    und den BFZ-Leitungen) wird diese zugewiesene Ver-        Die Begründungen, die das Staatlichen Schulamt an-
    teilmenge nach einem Verteilschlüssel den Regelschu-      führt, um sich eben nicht an den konkreten Bedarfen
    len zugeordnet. Die Schulen erhalten im Wesentlichen      orientieren zu müssen, sind: Man wolle die Schüler
    70% für vorbeugende Maßnahmen (vM), 20% für die           nicht labeln, keiner solle mit einem Stempel versehen
    inklusiv zu beschulenden Kinder und Jugendlichen          werden etc. pp. Außerdem könnten Schulleitung und
    (Maßnahmenart IB) und 10% für Projekte.                   Kolleg*innen auf die Idee kommen, den Bedarf künst-
    Damit steht durchschnittlich jedem IB-Kind aus den ca.    lich hochzufahren, um mehr Ressource zu erhalten.
    20% für die Maßnahmenart IB im Einzugsgebiet der Al-      Letzteres unterstellt unzulässige Bedarfstreiberei, an-
    bert-Schweitzer-Schule 2,3 Stunden im Schnitt zur Ver-    statt von realem Bedarf, der mit zu wenig Ressource
    fügung (981,58 geteilt durch 420 SuS). Dies ergibt sich   gedeckt ist, auszugehen.
    aus dem zugewiesen Anteil für die inklusive Beschu-       Die GEW hält dagegen: Der Weisheit, dass gute Förde-
    lung geteilt durch die Anzahl der IB-SUS. Im Einzugs-     rung allen gut tut und deswegen auch nicht diagnos-
    gebiet der Janusz-Korczak-Schule stehen 2 Stunden         tizierte Kinder von Förderschullehrkräften profitieren,
    (82,56 Stunden geteilt durch 40 SuS), im Einzugsge-       können wir nachkommen, wenn so viel Ressource da
    biet der Leopold-Bausinger-Schule 1,8 (73,49 Stunden      ist, dass es für alle reicht. Die GEW fordert hierzu die
    geteilt durch 40 SuS) und im Einzugsgebiet der Er-        Formel 3:1:1: Pro drei Regelschulklassen, eine Förder-
    ich-Kästner-Schule 1,5 Stunden (39,6 geteilt durch 27     schullehrkraft und eine sozialpädagogische Vollzeit-
    SuS) zur Verfügung.                                       stelle, was beim Bildungsgipfel 2016 vom HKM als „un-
    Gegen bestehende Verordnungen                             bezahlbar“ abgetan wurde.
    Diese Unterversorgung, die sich aus dem Durchschnitt      Wenn aber nur der Mangel verteilt wird, dann benöti-
    der zugewiesenen Ressource für inklusiv zu beschulen-     gen es diejenigen Kinder, die diese Förderung am drin-
    de SuS ergibt, widerspricht eindeutig der Verordnung      gendsten brauchen, damit die Kolleg*innen so viel Zeit
    über Unterricht, Erziehung und sonderpädagogische         haben, wie sie brauchen, um gut zu unterstützen.
    Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Beein-        Denn dieses wohlklingende „Man wolle nicht labeln,
    trächtigungen oder Behinderungen (VOSB § 13 (2)).         nicht etikettieren“ führt in der Realität zu massiven
    Diese sieht vor, dass 3,9 Stunden (§13 (2)) pro IB-SuS    Ungleichgewichten und damit zu sehr unterschiedli-
    vorzusehen sind. Für den Förderschwerpunkt GE und         chen Belastungen sowohl von Förderschul- wie auch
    Sehen sind pro Kind 4,9 Stunden zu vergeben. Dies         von Regelschullehrkräften.

WBZ 2 • 2021                                                                                                             7
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
Wird mal rein mathematisch auf die Effekte der vom           vM-Maßnahmen bewusst „übersehen“ oder noch
    Staatlichen Schulamt weitestgehend im theoretischen          nicht bearbeitet werden, um den Mangel in die Zu-
    aufgeladenen Gießkannenprinzip verteilten Ressource          kunft zu verschieben.
    geschaut, bedeutet dies folgendes: Für die Kolleg*in-        In jedem Fall führt eine falsche Verteilung zur Belas-
    nen, die im BFZ Albert-Schweitzer-Schule arbeiten,           tung entweder der anderen BFZ-Kolleg*innen oder der
    stellt sich die Belastungssituation recht unterschied-       Regelschullehrkräfte. Es handelt sich nun einmal um
    lich dar. An der Konrad-Duden-Schule befinden sich           eine gedeckelte Ressource, die dann zumindest gleich
    beispielsweise nur 5 Schüler*innen im inklusiven Un-         schlecht zu verteilen wäre. Als „kommunizierende
    terricht (dies sind nur 2 % von der gesamten Schü-           Röhren“ führt die Zuweisung überdurchschnittlicher
    lerzahl). Somit stehen diesen Schüler*innen 342 min          Stunden an einer Stelle zur Zuweisung unterdurch-
    pro Woche Förderung zur Verfügung. An der Adal-              schnittlicher Stunden an anderer Stelle.
    bert-Stifter-Schule sind dagegen 44 Schüler*innen
                                                                 Inklusion geht besser
    (20% der gesamten Schülerzahl) im inklusiven Unter-
    richt. Für jede/n dieser Schüler*in stehen nur 27 min        Seit Jahren fordert die GEW bessere Bedingungen für
    pro Woche zur Verfügung. Für die Kolleg*innen der            die Inklusion. Ein zentraler Ansatzpunkt wäre, die Rah-
    Janusz-Korczak-Schule stellt sich die Situation wie          menbedingungen für diese Profession zu verbessern
    folgt dar. An der Astrid-Lindgren-Schule stehen für          und so zu gestalten, dass sie den Anforderungen an
    jede/n Schüler*in nur 59 min pro Woche zur Verfü-            den Beruf genügen und mensch so das Kind adäquat
    gung. Die NAOS hat dagegen hat 127 min pro Woche             unterstützen kann.
    zur Verfügung. Für die Kolleg*innen der Leopold-Bau-         Die Realität sieht anders aus: mangelnde Zeit für Ko-
    singer-Schule stellt sich die Situation wie folgt dar: Die   operation und Team-Teaching, viel zu viel Dokumenta-
    Wisperschule hat für jede/n Schüler*in 27 min pro            tion, Verwaltungsarbeit und Bürokratie. Dazu das brei-
    Woche zur Verfügung. Die Gutenbergschule in Eltvil-          te Aufgabenspektrum als Förderschullehrkraft und der
    le erhält dagegen für jede/n Schüler*in 201 min pro          ständige Wandel durch Veränderungen
    Woche. Für die Kolleg*innen der Erich-Kästner-Schule         der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Zufrie-
    stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Grundschule     denheit mit der eigenen Wirksamkeit ist vielfach
    auf der Au hat für jede/n Schüler*in 49 min pro Woche        beschädigt.
    zur Verfügung. Die Theißtalschule erhält dagegen für         In der Realität wird, um es den Kindern recht zu ma-
    jede/n Schüler*in 142 min pro Woche.                         chen und es überhaupt leisten zu können, geschaut,
    Zudem sind es die immer gleichen Schulen, in den             dass die unzureichende Ressource nicht rein mathe-
    immer gleichen Stadtteilen, die besonders viele IB-Kin-      matisch aufgeteilt wird. Aber wohin mensch die Decke
    der haben. Gleiches gilt für die Schulformen. Alle Kin-      auch zieht, sie ist immer zu kurz. Für die einen deutlich
    der mit besonderen Bedarfen werden vom Schulamt              zu kurz, für die anderen etwas weniger.
    jedes Jahr aufs Neue in die Gesamtschulen, wenige            Die GEW setzt sich für bedarfsgerechte Zuweisung der
    den HR-Schulen, zugewiesen. In Gymnasien findet die          Ressource ein. Sind mehr Kinder mit besonderen Be-
    Inklusion faktisch nicht statt.                              darfen an Schulen, so müssen diese auch mehr Res-
    Kommunizierende Röhren und                                   source erhalten. Ganz unabhängig davon, wie viele
    eine gedeckelte Ressource                                    Kinder sonst noch auf diese Schule gehen.
    Grundsätzlich gilt: Werden Kolleg*innen in die Inklusi-      Mehr Inklusion bitte
    ve Beschulung abgeordnet und verfügen sie über ein           Vielleicht ist es genau diese Verteilung, die immer wie-
    zu viel an Abordnungsstunden führt dies notgedrun-           der dazu führt, dass Kolleg*innen zerrieben werden.
    gen zu einem zu wenig für andere BFZ-Kolleg*innen,           Zerrieben zwischen ihren Ansprüchen und der Realität.
    die in den IB abgeordnet werden. Verfügen Kolleg*in-         Und vielleicht ist es genau dieser Umstand, dass gerade
    nen über zu wenig Ressource für die inklusive Beschu-        in unserem Schulamtsbezirk die Inklusion als Möglich-
    lung, so führt dies immer zur Belastung der Regel-           keit für das eigene Kind von den Eltern nicht gewählt
    schullehrkräfte (an der jeweiligen Schule, der der/die       wird. Schauen wir auch wieder auf Zahlen, so sehen
    Kolleg*in aus dem BFZ zugeordnet ist), die den Bedarf        wir, dass in Wiesbaden mit lediglich 30,6 % viel weni-
    kompensieren müssen.                                         ger Kinder inklusiv beschult werden als beispielsweise
    Dieser Mangel in der inklusiven Beschulung weitet sich       in Frankfurt mit 43,7%, oder auch im Rheingau-Taun-
    aber notwendig auch auf die vM-Maßnahmen aus. Ist            us-Kreis mit 22,5% im Vergleich zum Vogelsbergkreis
    zu wenig Ressource für den IB vorhanden, werden ei-          mit 60,3% (Statisches Landesamt 2020).
    gentlich notwendige vM-Maßnahmen nicht begleitet.
    Regelschulkolleg*innen (an der Schule mit zu gerin-          Manon Tuckfeld
    ger BFZ-Abordnung) werden dadurch benachteiligt.
    Teilweise führt dies schlicht dazu, dass notwendige

8                                                                                                             WBZ      2 • 2021
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
„IGS vor 50 Jahren“
    „Integrierte Gesamtschule“ als Schulform ist schon
    lange, immer noch und immer wieder ein Thema in der
    GEW Hessen....so auch im Kreisverband Wiesbaden/
    Rheingau z.B. am 13.7.21 im Zusammenhang mit der
    Frage, ob wir eine neue Gesamtschule in Wiesbaden
    brauchen und warum manche Gesamtschulen „über-
    wählt“, andere nicht nachgefragt sind. Ein spannen-
    des Thema für mich, Katja Plazikowsky, auch als Pen-
    sionärin noch gerne in der GEW aktiv und in der Zeit
    von 1965 bis 1971 selbst Schülerin an der Ernst-Reu-
    ter-Schule – zu Anfang noch eine additive Gesamt-
    schule, später eine IGS, - eine Zeit, die mich sehr ge-
    prägt hat.
    Die Ernst-Reuter-Schule in Frankfurt war die erste
    hessische IGS; als „Modellschule“ spielte sie v.a. in
    den 1970er- und 1980er-Jahren eine wichtige Rolle
    als Vorreiter für diese Schulform und stand deshalb
    oft im Kreuzfeuer der hessischen Bildungspolitik. So
    wurde im Jahre 1972 der Ernst-Reuter-Schule vom               Ernst-Reuter-Schule 1 in Frankfurt am Main
    hessischen Kultusministerium das Recht gewährt, eine
    eigene Schulverfassung zu beschließen, die vorsah,         • „... auch ich war ja in der 5./6. Klasse an einem Mäd-
    dass das Direktorium künftig auf Zeit vom Lehrerkolle-       chengymnasium in Frankfurt, bevor ich zu meinem
    gium gewählt wurde, anstelle des bisherigen Modells          Glück!! durch Umzug in die Nordweststadt an die
    von Schulleitungen auf Lebenszeit. Während dieses            ERS kam ... habe mich da ebenso immer sehr wohl
    Modell der Kollegialen Schulleitung an der Ernst-Reu-        gefühlt. „
    ter-Schule I in den 1980er-Jahren aufgrund innerer         • „... auch für mich war die Schulzeit in der ERS prä-
    und äußerer Konflikte scheiterte und für öffentlichen        gend.Vor allem hat sie mir den Übergang an die Uni
    Unmut sorgte, bestand die Kollegiale Schulleitung an         sehr erleichtert, da wir irgendwie gewöhnt waren,
    der Ernst-Reuter-Schule II bis zum Jahr 2004. Als dann       uns selbst zurecht zu finden ... In meinem Arbeits-
    der Landtag mit der absoluten Mehrheit der CDU das           bereich hatte ich mit Schüler*innen unterschied-
    „Dritte Qualitätssicherungsgesetz“ verabschiedete,           licher Schularten zu tun. Aufgefallen ist mir, dass
    wurde auch die kollegiale Schulleitung abgeschafft.          gerade Schüler*innen von Gesamtschulen eher
    Ab 1989 werden behinderte und nichtbehinderte                politisch oder sozial engagiert waren.“
    SchülerInnen inklusiv, also gemeinsam unterrichtet;        • „Ich kam 1964 an die ERS und wechselte vom ehr-
    ein Leitbild ist u.a. die individuelle Förderung der         würdigen humanistischen Ludwigsgymnasium in
    SchülerInnen sowie die multiprofessionelle Zusam-            München (nur Knaben) zur ersten Gesamtschule in
    menarbeit der Lehrkräfte. Hierfür wurden u.a. auch           Deutschland. Heute würde man sagen: ein echter
    die Räume der Schule bautechnisch entsprechend               Paradigmenwechsel!“
    umgestaltet.                                               • Wir haben damals selbständig denken gelernt und
    Zu meiner persönlichen Situation: Mit einigen meiner         nicht nur auswendig lernen. So etwas wie Mobbing
    ehemaligen MitschülerInnen stehe ich auch nach die-          gab es auch nicht unter uns, jeder wurde so ange-
    ser langen Zeit immer noch in Kontakt; so laden wir zu       nommen, wie er oder sie ist. Bis heute empfinde ich
    Treffen ein, um uns auszutauschen und natürlich auch         Wertschätzung unter einander.“
    von den „guten alten Zeiten“ zu sprechen ... hier eini-    • „Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe - kein Wett-
    gen Zitate von MitschülerInnen:                              bewerb um bessere Noten ... Gelassenheit im Um-
    • „Da ich von dem traditionellen Gymnasium „Zie-             gang mit eigenem Scheitern - wir wurden immer
       henschule“ kam, war ich das erste halbe Jahr etwas        ernst genommen und es gab eine Diskussion auf
       verwirrt, ich sollte plötzlich sagen was ich will und     Augenhöhe ….“
       mich dann eigenständig zu Kursen, oder Arbeits-         • „Bin bis heute fest davon überzeugt, dass mir diese
       gruppen entscheiden ... das hatte ich bis dahin nicht     Gesamtschule mein weiteres Leben vorbestimmt
       gelernt ...“                                              hat, auch deswegen, weil ich mehrmals vorher die
                                                                 gymnasiale Ausbildung abgebrochen habe, aus

WBZ 2 • 2021                                                                                                              9
WBZWBZWiesbadener Bildungszeitung, Zeitung des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau - GEW Wiesbaden
verschiedenen Gründen. Erstmals konnte ich nach-        Seiten des städtischen Schulamtes die Vielfalt der
        vollziehen, dass sich Engagement lohnt. Innerhalb       Wiesbadener Schullandschaft gelobt, aus dem Publi-
        kurzer Zeit besserten sich meine Noten entspre-         kum heraus aber auch fehlende Bildungsgerechtigkeit
        chend meinem Arbeitseinsatz. Das habe ich vorher        moniert. Die GEW Wiesbaden begrüßt nun einzelne
        so noch nie erlebt. Es gab mir Selbstvertrauen und      geplante Maßnahmen des mittlerweile vorliegenden
        das erstmals in meiner schulischen Laufbahn. Mein       SEP, wie zum Beispiel die beabsichtigte Oberstufe für
        weiterer akademischer Weg war nur so möglich. Ich       die Wilhelm-Leuschner-Schule oder den Vorschlag
        kann nur positiv auf die Gesamtschulzeit zurück bli-    für einen Sozialindex, kritisiert aber weiterhin beste-
        cken ...“                                               hende grundlegende Probleme in der Wiesbadener
     • Und zu guter Letzt ein ehemaliger Lehrer der ERS:        Schulstruktur.
        „Ich denke auch mit guten Gefühlen an die dama-                                   Der Schulplaner der Lan-
        lige Zusammenarbeit und Lehrtätigkeit zurück. Die                                 deshauptstadt Wiesbaden,
        Schülerinnen und Schüler, die ich damals erlebte,                                 Christian Lahr, lud Mitte Juli
        waren ein recht bunter Kreis in Hinsicht auf ihr                                  anlässlich der Veröffentli-
        schulisches Herkommen, zum Teil aus der Realschu-                                 chung des aktuellen SEP, der
        le und der neuen Sekundarstufe I und Gymnasien                                    für die Jahre 2022-2026 gel-
        kommend, auch manche Opfer einer festgefahre-                                     ten wird, eine Delegation der
        nen Bildungspolitik, manche persönlich belastet                                   GEW-Wiesbaden in das Städ-
        mit Entwicklungs- und Lernstörungen. Hinzu kam                                    tische Schulamt zur Diskussi-
        eine hochpolitisierte gesellschaftliche Umwelt, be-                               on ein. Für die GEW nahmen
        sonders im Raum der Universität und im Bildungs-                                  Jeanette Seib, Manon Tuck-
        wesen („die 68er“), die auch manche Schülerinnen                                  feld, Chris Hahn, Florian Pie-
        und Schüler in der ERS - neben den Lehrenden            lert und René Scheppler teil. Wir danken Herrn Lahr
        - erfasste, dort Bildung eines „Sozialistischen Leh-    für das konstruktive Gespräch.
        rerbundes“ und einer mehr sozial-liberalen freien
        Gruppierung ... die Schülerinnen und Schüler trafen
                                                                Florian Pielert: Insgesamt ist die Sicht der GEW Wies-
        sich in informellen linken Gruppen oder pflegten z.
                                                                baden, dass sich durch die einzelnen zum Teil durchaus
        T. einen individuellen halb-politischen Linksstil mit
                                                                positiven Maßnahmen des SEP nicht viel an der allge-
        spontanen Aufrufen und Klein-Demonstrationen.
                                                                meinen Schulstruktur ändern wird: Weiterhin wird fast
        Ich hatte mich zum staatlichen Schuldienst gemel-
                                                                die Hälfte der Kinder an den Gymnasien angemeldet,
        det, um am Aufbau einer Gesamtschule mitzuwir-
                                                                wahrscheinlich sogar in Zukunft noch mehr. Wenn es
        ken. Mir schien das Konzept für diesen neuen Schul-
                                                                für das Gymnasium nicht reicht, kommt die IGS als
        typ recht verlockend ...“
                                                                Alternative ins Spiel, Realschulen werden – mit weni-
     Ich bin auch heute noch froh, meine Schulzeit an einer     gen Ausnahmen – immer seltener angewählt. Für alle
     solchen Schule verbracht zu haben; sie hat mich positiv    Schulformen und auch für die Schüler*innen (Stichwort
     geprägt und vor allem: Ich bin auch deswegen gerne         Abschulung) hat diese Entwicklung negative Konse-
     zur Schule gegangen ...                                    quenzen. Unser Anliegen ist, dass das Städtische Schul-
                                                                amt stärker bildungspolitische Lenkungsfunktionen
     Katja Plazikowsky                                          übernimmt, um nicht nur passiv dem vermeintlichen
                                                                Elternwunsch entsprechend Schulbau zu betreiben
                                                                und bestehende Probleme, die wir ja jetzt bestimmt
                                                                konkretisieren werden, zu zementieren. Das mal vorab
                                                                sozusagen als Überschrift unseres Gespräches.
     Die Wiesbadener
     Schullandschaft: Vielfältig                                Christian Lahr: Der SEP setzt durchaus bildungspoliti-
     oder ungerecht?                                            sche Akzente. Aber sowohl die Lehrerinnen und Lehrer
                                                                als auch die Verwaltung sind in bestimmte Rahmen-
                                                                bedingungen eingebunden. Berechtigterweise sagen
     Ein Gespräch über den neuen Schulentwicklungsplan
                                                                Sie von der GEW nun von ihrem Standpunkt aus, dass
     und Bildungsgerechtigkeit in Wiesbaden
                                                                wir uns nicht nur auf rechtliche Vorgaben stützen,
                                                                sondern auch eine schulpolitische Funktion überneh-
     Im August vergangenen Jahres nahm die GEW Wies-            men sollen. Trotzdem können wir mit unserem SEP
     baden mit einer kleinen Gruppe an der Auftaktver-          nicht alle Widersprüche auflösen. Der Elternwille muss
     anstaltung für die Erarbeitung des zukünftigen Schul-      – so sieht es das Hessische Schulgesetzt vor - berück-
     entwicklungsplanes (SEP) teil. Damals wurde von            sichtigt werden und ist maßgeblich für die Wahl der

10                                                                                                           WBZ     2 • 2021
weiterführenden Schule. Wir haben uns basiert auf
    Zahlen und unter Maßgabe der politischen Überzeu-
    gungen von Schuldezernent Axel Imholz aber in eine
    bestimmte Richtung aufgemacht. Wir stärken die Idee
    der IGS mit der beabsichtigten Oberstufe für die Wil-
    helm-Leuschner-Schule oder dem Neubau einer wei-
    teren Gesamtschule in den nächsten Jahren. Der SEP
    entsteht darüber hinaus in einem offenen, partizipa-
    tiven Verfahren: Wir haben einen Aufschlag gemacht
    und Leitlinien gesetzt, nun sind Sie, die Interessenver-
    bände und Bürger*innen dran. Dann entscheidet die
    Stadtverordnetenversammlung und das HKM muss am
    Ende natürlich auch zustimmen.

    Die Rolle der Gesamtschulen und die                        Politik des Schuldezernenten, Gymnasialplätze künst-
    Wiesbadener Schulstruktur                                  lich zu verknappen.
    René Scheppler: Die Frage ist, ob die angedachten          René Scheppler: Es sollte schon klar werden, ob die
    Maßnahmen tatsächlich Förderungsmaßnahmen für              Stadt Wiesbaden sagt, die Gymnasien und die IGS als
    Gesamtschulen sind, oder nicht vielmehr direkt in die      Alternative dazu sind unsere starken Player, das wäre
    Zweigliedrigkeit führen: Der SEP diagnostiziert prak-      die de facto Zweigliedrigkeit, oder ob das städtische
    tisch das Ende für Real- und Hauptschulen. Das Modell      Schulamt ausreichend Signale sendet, um klarzustel-
    der integrativen Gesamtschulen, das eigentlich paral-      len, dass es einerseits das dreigliedrige Schulsystem
    lel und als Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem     gibt und andererseits daneben die IGS als Alternative.
    gedacht war, dient nun als Auffangbecken für alle Kin-     Im zweiten Falle müsste man die bestehenden Gesamt-
    der ohne Gymnasialempfehlung. Wenn nun in dieser           schulen attraktiver machen, als Leuchttürme in der
    sich anbahnenden Zweigliedrigkeit, die wir als GEW         Schullandschaft mit kleineren Klassen, multiprofessi-
    entschieden ablehnen, weitere Gesamtschulen gebaut         onellen Teams, mehr Schulsozialarbeit usw., anstatt
    werden, stärkt das nicht die eigentliche Idee dieser       nur neue zu bauen. Mit einer qualitativen Verbesse-
    Schulform, sondern degradiert sie vielmehr zum Aus-        rung steigen dann automatisch auch die Anwahlzah-
    putzer des dreigliedrigen Schulsystems. Wir haben          len. Ein qualitativer statt quantitativer Ausbau würde
    jetzt schon massive Abschulungstendenzen an den            also in die richtige Richtung weisen. Darüber hinaus
    Gymnasien mit sehr nachteiligen Folgen für die betrof-     müssten die drei daneben bestehenden Schulformen
    fenen Schüler*innen, das wird sogar noch zunehmen.         sich selbst tragen, anstatt die IGS als Ausputzer für Ab-
    Es würde mich nicht wundern, wenn wir 2026 hier ste-       schulungsprozesse zu nutzen. Das dreigliedrige System
    hen und 60% Anwahl für die Gymnasien feststellen.          würde damit sogar in sich stabilisiert. Alle Eltern wüss-
    Christian Lahr: Die knapp 50 Prozent für die Gymnasi-      ten dann, die IGS muss zur Klassenstufe 5 angewählt
    en sind schon eine ziemlich gesicherte und konstante       werden und diesen Platz hat man dann exklusiv und im
    Zahlenreihe. Für Abweichungen treffen wir selbstver-       Sinne des eigentlichen Modells der IGS, die dann nicht
    ständlich auch Vorkehrungen und schaffen zusätzli-         mehr für die Probleme der anderen Schulformen zu-
    che Kapazitäten an unterschiedlichen Schulformen.          ständig ist. Dann wäre auch die ursprüngliche Idee der
    Ich muss mich aber schon am Ist-Zustand ausrichten         Gesamtschulen als Alternative zur Dreigliedrigkeit wie-
    und kann keinen Wunschzustand formulieren. Das             der hergestellt und die Wiesbadener Schullandschaft
    kann die GEW machen und das ist auch legitim. Fakt         hätte mittelfristig weniger Probleme. Langfristig aber,
    ist aber, dass die Einrichtung einer Oberstufe für die     das wissen Sie, denn Sie sitzen hier ja mit Vertreter*in-
    Wilhelm-Leuschner-Schule eine Stärkung der Gesamt-         nen der GEW, ist unsere Forderung weiterhin die eine
    schulen bedeutet, das können Sie nicht abstreiten. Ich     Schule für alle.
    sage ganz offen, wir versuchen als Schulträger im Rah-     Christian Lahr: Das ist eine interessante These zur Rolle
    men der Dreigliedrigkeit, die durch landespolitische       der IGS, über diesen Vorschlag werde ich nachdenken.
    Vorgaben festgelegt ist, das Modell der IGS zu stärken,    Aber am qualitativen Ausbau der Gesamtschulen ar-
    um genau der von Ihnen beschriebenen Entwicklung           beiten wir ja auch jetzt schon. Die Wilhelm-Heinrich-
    entgegenzuwirken. Die Oberstufe ist für Eltern aus         von-Riehl-Schule hat zum Beispiel eine 1-zu-1-Aus-
    meiner Sicht schon ein Anreiz, sich bei der Anmeldung      stattung mit IPads, da hat uns einfach das IT-Konzept
    ihrer Kinder für diese Schulform zu entscheiden, weil      überzeugt und wir als Schulträger haben das trotz der
    es dort nun bessere Möglichkeiten gibt. Nichtsdesto-       finanziellen Anstrengung möglich gemacht. Da kämpft
    trotz gibt es die freie Schulwahl und es ist nicht die     das neue Gymnasium der Elisabeth-Selbert-Schule in

WBZ 2 • 2021                                                                                                               11
jedem Jahrgang noch für, weil dieses Konzept noch           werden für Kinder mit Schwerpunkt geistige Entwick-
     nicht stadtweit festgelegt ist. Es ist also doch so, dass   lung (GE) nach der Klasse 10. Aber wo sind die Stand-
     wir auch in schon bestehenden Gesamtschulen die             orte für den Schwerpunkt Körperliche und Motorische
     Qualität verbessern. Das Problem ist, wir haben trotz-      Entwicklung (KME)? Ich bin an der Friedrich-von-Bo-
     dem eine Abstimmung mit den Füßen, sodass wir ei-           delschwingh-Schule tätig, arbeite dort auch im BFZ
     gentlich gar kein richtiges dreigliedriges Schulsystem      und bin beim Gesamtpersonalrat, habe also einen
     mehr haben. Das Land Hessen hat die Hauptschulen            Überblick sowohl auf das stationäre als auch auf das
     ja abgeschafft.                                             Inklusionssystem. Ich versuche in den inklusiven
                                                                 Schulbündnissen immer durchzusetzen, dass endlich
                                                                 die Standorte für die KME-Schüler*innen festgelegt
     Inklusion – eine Aufgabe für alle Schulen?
                                                                 werden. Nur Barrierefreiheit reicht hier nicht aus. Wir
     Manon Tuckfeld: Ja, aber der Bildungsgang besteht           haben viele Schulneubauten ohne Konzepte für die In-
     ja noch. Letztes Jahr wurden ziemlich unvorbereitet         klusion, und auf einmal wird dann in einigen Räumen
     Haupt- und Realschulen gebildet, indem zwei Real-           festgestellt, dass gar keine Liege hineinpasst. Da müss-
     schulen einfach Hauptschulklassen zugeordnet wur-           ten endlich mal vorher ausgefeilte Konzepte aufge-
     den. Das hat zu keiner positiven Entwicklung geführt,       stellt werden, bevor die Neubauten beginnen. Hierzu
     was die Anwahlzahlen für die betroffenen Schulen be-        haben wir von der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schu-
     trifft, ganz abgesehen von der zusätzlichen Belastung       le und aus unserem BFZ heraus unsere Erfahrung
     für die Kollegien. Auch Oberbürgermeister Mende hat         und Expertise angeboten, auch für den Neubau von
     immer wieder darauf hingewiesen, dass es um Qua-            Schulen. Wir wurden nicht angehört und die Fried-
     lität der Schulen gehen muss, so wie René Scheppler         rich-von-Bodelschwingh-Schule verliert sogar immer
     das gerade beschrieben hat. Zu ergänzen wäre auch           mehr Differenzierungsräume, sodass ich mich frage,
     noch der baulich schlechte Zustand einiger Schulen,         wo die KME-Schüler*innen überhaupt noch beschult
     hier braucht es mehr Investitionen. Dann muss den           werden sollen. Bei jedem Neubau müssten eigentlich
     UBUS-Kräften ein eigener Raum zugestanden werden.           immer auch die KME-Schüler*innen berücksichtigt
     Das nächste Thema wären konkrete Lernkonzepte.              werden.
     Stattdessen wird aber den Real- und Gesamtschulen
                                                                 Manon Tuckfeld: Die Stadt müsste jedenfalls darauf
     noch die ganze Inklusion aufgebürdet, während die
                                                                 bestehen, dass in den inklusiven Schulbündnissen die
     Gymnasien sich aus dieser riesigen Aufgabe komplett
                                                                 Schulen für die verschiedenen Förderschwerpunkte
     heraushalten.
                                                                 festgelegt werden. Da müsste eigentlich der Schulträ-
     Christian Lahr: Das ist nicht ganz richtig. Inklusion im    ger tätig werden.
     weiteren Sinne findet auch am Gymnasium Mosbacher
                                                                 Christian Lahr: Ja, das machen wir. Die Standortfestle-
     Berg für Kinder mit Hörschädigung statt.
                                                                 gung soll nach den Ferien in der ersten Sitzung bei den
     Jeanette Seib: Das sind aber lernzielgleiche Schüler        inklusiven Schulbündnissen eingebracht und diskutiert
     und Schülerinnen.                                           werden. Sie wird von uns unterstützt. Die Festlegung
     Christian Lahr: Mag sein, aber wir als Schulträger ver-     von Schwerpunktschulen wäre wünschenswert, damit
     hindern keine Inklusion an Gymnasien aufgrund feh-          Schüler*innen mit entsprechender Beeinträchtigung
     lender Eignung oder anderer Lernziele. In dieser Frage      zugewiesen werden können. Entscheiden werden das
     sind wir gar nicht zuständig. Wir maßen uns kein Urteil     letztendlich aber natürlich die einzelnen Bündnisse.
     über die Eignung der Kinder für eine bestimmte Schul-
     form an, wir weisen die Schüler*innen nicht zu. Wenn
                                                                 Die Zukunft der Berufsschulen
     ein Kind mit Beeinträchtigung sagt, ich möchte im Re-
     gelunterricht beschult werden, wendet es sich an das        Chris Hahn: Im HKM wird gerade der Zukunftsplan
     Staatliche Schulamt. Unsere Aufgabe für die Inklusion       für Berufsschulen entwickelt. Die Überlegungen sind
     ist es, die Rahmenbedingungen durch den Schulbau zu         schon im Netz einsehbar und wir werden in Wiesba-
     verbessern. Wir planen jetzt Gebäude für die nächsten       den absehbar Ausbildungsberufe verlieren. Auch die
     30-50 Jahre. Und alle neuen Schulen, auch die neuen         ländlichen Berufsschulen werden geschwächt. Wenn
     Gymnasien, sind barrierefrei. Diese Schulen sind bau-       die Fachklassen zu klein sind, ist die Schließung ge-
     lich genauso für Inklusion geeignet und wir schreiben       plant. Beim Modellprojekt BÜA (Berufsfachschule
     auch im SEP fest, dass Gymnasien stärker in die Inklusi-    zum Übergang in Ausbildung) muss eine Überlastung
     on eingebunden werden sollen.                               der Berufsschulen verhindert werden. Der Ansatz ist
                                                                 sicherlich eine Alternative für Hauptschüler, wie sie
     Jeanette Seib: Der Schulträger ist schon noch an wei-
                                                                 nach dem Abschluss weitermachen können. Allerdings
     teren Stellen gefragt, nämlich wenn es konkret um
                                                                 sollten keine Schüler*innen nach Stufe 1 verlorenge-
     Standortfestlegung für die Inklusion geht. Die neue
                                                                 hen. Wenn sich die BÜA etabliert und auch stufenfrei
     gymnasiale Elisabeth-Selbert-Schule soll ja Standort

12                                                                                                            WBZ     2 • 2021
ist, kann man sie sicher gut mit dem Konzept der Mit-    Privatschulen und das Sonderungsverbot
    telstufenschule verbinden und kombinieren.               Florian Pielert: Im SEP wird auch das Thema Privat-
    Christian Lahr: Wir machen uns gerade gemeinsam mit      schulen angesprochen, die ja nicht ganz so privat sind,
    dem Rheingau-Taunus-Kreis zu einem gemeinsamen           weil sie durch das Land Förderung erfahren. 10% der
    SEP nur für die Berufsschulen auf den Weg. Da spielen    Wiesbadener Kinder- und Jugendlichen gehen schon
    genau diese Fragestellungen dann eine wichtige Rolle.    auf eine Privatschule, Tendenz steigend. Im Grundge-
    Sie haben meine volle Zustimmung, die Mittelstufen-      setz, in der hessischen Verfassung und auch im hessi-
    schule in Zusammenarbeit mit den Berufsschulen zu        schen Schulgesetz wird der Betrieb von Privatschulen
    stärken, ist ein sehr wichtiger Punkt.                   an das Sonderungsverbot geknüpft: Die Ersatzschulen
    Chris Hahn: Wir haben hier in Wiesbaden in den letz-     dürfen Kinder nicht nach den Besitzverhältnissen der
    ten Jahren ein massives Sterben von Ausbildungsbe-       Eltern aussuchen. Ein Argument, warum Privatschulen
    rufen: Maurer weg, Dachdecker weg, usw. Das freut        trotz hoher Schulgelder betrieben werden dürfen, sind
    natürlich auch die lokalen Gewerke nicht. Und genau      meist Regelungen zur Stipendienvergabe, die auch
    diese Entwicklung wir durch den Zukunftsplan des         einkommensschwachen Schüler*innen den Besuch
    HKM noch verstärkt werden. Zwar wird behauptet,          ermöglichen sollen. Aus der Antwort einer Anfrage
    dass bei größeren Klassen die einzelnen Ausbildungs-     der LINKEN im Landtag geht hervor, dass auch Wies-
    berufe wieder eingeführt werden könnten, aber da         badener Privatschulen das Sonderungsverbot kaum
    sind wir doch alle realistisch genug, um zu erkennen,    beachten: Bei Schulgeldern, die bei Zubuchung ver-
    dass einmal abgebaute Kapazitäten nicht so einfach       schiedener Nachmittagskurse schnell über 600 € mo-
    reaktiviert werden können. Was weg ist, wird wohl        natlich betragen können, haben im Schuljahr 2015/16
    auch nicht wiederkommen. Stattdessen bräuchte es         (neuere Zahlen liegen leider nicht vor) z.B. die Berufs-
    ein Konzept, zum Beispiel mit einer Modellregion, mit    schule Europaschule Dr. Obermayr oder die Montes-
    einer kleinen ländlichen Berufsschule, nach Möglich-     sorischule in Wiesbaden nur einen bzw. gar keinen
    keit unter Einbeziehung einer Mittelstufenschule, um     Schüler, der nicht das volle Schulgeld zahlt. Die Hum-
    bedrohte Ausbildungsberufe zu stärken.                   boldtschule erhebt solche Zahlen nicht einmal. Bei
                                                             einigen anderen der 12 Privatschulen im Stadtgebiet
    Christian Lahr: Ja, wir sehen diese Entwicklung. Ange-
                                                             sieht es ähnlich aus. Was tut die Stadt, damit hier das
    hende Dachdecker müssen nach Limburg-Weilburg.
                                                             Grundrecht auf Sonderungsverbot eingehalten wird?
    Das ist die Zentralisierung, völlig klar. Das kann man
                                                             Anscheinend gibt es keine Vorgaben zur Einhaltung
    nur bedauern. Diese Entwicklung ist allerdings nicht
                                                             des Sonderungsverbotes.
    spezifisch für Wiesbaden oder Hessen, sondern ein
    bundesweites Problem. In Wiesbaden sind die Proble-      Christian Lahr: Da bin ich inhaltlich völlig bei Ihnen, das
    me noch nicht so groß. Aber bitte machen Sie konkrete    ist aber eine Frage für die Schulaufsicht. Ersatzschu-
    Vorschläge. Wir sind da für neue Ideen offen, machen     len profitieren von der staatlichen Förderung und das
    Sie von der Mitbestimmungsmöglichkeit zum SEP Ge-        staatliche Schulamt hat demnach die Aufsichtspflicht.
    brauch und schicken uns Ihre Ideen.                      Wenn das Sonderungsverbot nicht eingehalten wird,
                                                             dann muss von dieser Stelle aus eingegriffen werden.

                                                             Verschriftlich von Florian Pielert

                                                                       Aus dem Peanuts Wochenplaner 2021, Athesia Kalenderverlag GmbH

WBZ 2 • 2021                                                                                                                        13
In diesem Schuljahr haben 1233 Kinder mit Erstwunsch
                                                                ein Gymnasium angewählt. 845 Schüler*innen wähl-
                                                                ten in erster Präferenz eine Gesamtschule. In 296 Fäl-
                                                                len war eine Realschule der Erstwunsch. Für die Haupt-
                                                                schule gab es noch 24 Erstanwahlen. Und die einzige
                                                                Mittelstufenschule erhielt 64-mal das Erstvotum der
                                                                Kinder.Der gymnasiale Erstwunsch macht mit 50,09%
                                                                somit mehr als die Hälfte der Schüler*innen aus.
                                                                2018 lag der Anteil der Schulabgänger*innen mit
                                                                Hochschulreife in Wiesbaden bei 38,1% (https://
                                                                de.statista.com/statistik/daten/studie/1190760/um-
                                                                frage/anteil-abiturienten-landkreise-metropolregi-
                                                                on-frankfurt-rhein-main). Daraus ergibt sich bereits
                                                                das erste Problem, dass die Gymnasien im Laufe der
                                                                Klasse 5-13 einen erheblichen Anteil der Schülerschaft
                                                                verlieren. Man spricht dabei vom „Abschulen“, dieser
                                                                Prozess erfolgt zu nicht unwesentlichen Teilen in den
                                                                Jahrgangsstufen 5-9. Im letzten Schuljahr wurde dies
                                                                besonders sichtbar, als Gesamtschulen im Jahrgang 9
                                                                plötzlich neue Klassen bilden mussten, um diese Schü-
                                                                ler*innen aufzufangen.

     Die Wiesbadener                                            Die zweite problematische Offensichtlichkeit ist ein
                                                                schnell schrumpfender Anteil der Anwahlen bei den
     Schullandschaft hat                                        Real- und Hauptschulen. Dieser Trend besteht seit
     ein Problem                                                Jahren. Den 320 Erstanwahlen der Haupt- und Real-
                                                                schulen (ohne Mittelstufenschule) stehen 529 ver-
                                                                fügbare Schulplätze in den 5. Klassen dieser Schulen
     Davon betroffen sind alle Schulformen                      gegenüber. Einzig überwählt ist die reine Realschule
                                                                Werner-von-Siemens (147 Erstwünsche auf 90 Plätze).
                                                                Andere Schulen erhalten im Extremfall bei 102 ver-
     Die aktuellen Anwahlzahlen im Übergang von Klasse          fügbaren Plätzen gerade einmal 17 Erstwünsche. Das
     4 der Grundschulen zur Klasse 5 der weiterführenden        kann man schon als existenziell bezeichnen.
     Schulen zeichnen das Bild einer aus den Fugen gerate-
     nen Schulstruktur. Die Entwicklung hat sich die letzten    Bei den Gesamtschulen sind für 45 Kinder nicht aus-
     Jahre bereits angedeutet, alle politisch Beteiligten und   reichend Schulplätze in den 5. Klassen vorhanden.
     Verantwortlichen waren sich dieser bewusst und die-        Hier steht diesen Schüler*innen eine Lenkung in eine
     ses Jahr überschreitet sie einen merklichen Kipppunkt.     Haupt- und/oder Realschule bevor. Die Überwahl der
                                                                Gymnasien beträgt im Verhältnis zu den verfügbaren
     Beschreibung                                               Plätzen 15 Kinder.
     Vorab gilt es einen Blick auf die hessische Schulstruk-    Dabei stehen drei überwählten Gesamtschulen fünf un-
     tur zu werfen:                                             terwählte Gesamtschulen gegenüber. Bei den Haupt-
     Die Grundschulen führen als echte Gesamtschulen            und Realschulen ist dies im Verhältnis eins zu vier ge-
     von Klasse 1 bis zur Klasse 4 alle Kinder nach dem         geben. Die Gymnasien sind in fünf Fällen über- und in
     Kriterium der Wohnortnähe zusammen . Die weiter-           vier Fällen unterwählt. Was hieraus deutlich wird, ist,
     führenden Schulen bilden drei Bildungsgänge ab: den        dass offenbar zu dem deutlichen Ungleichgewicht hin
     gymnasialen, den Real- und den Hauptschulgang. Für         zu den Gymnasien ein weiteres Missverhältnis zwi-
     diese Bildungsgänge gibt es jeweils eine gleichnamige      schen einzelnen Schulen der gleichen Schulformen
     Schulform (Gymnasien, Realschulen und Hauptschu-           hinzukommt. Offenbar gelingt es somit in Wiesbaden
     len). Die Gesamtschulen bilden eine Alternative zu         nicht mehr, die 2. und 3. Säule des Schulsystem attrak-
     diesem dreigliedrigen System, indem sie alle Bildungs-     tiv auszugestalten, so dass es sogar innerhalb der Bil-
     gänge abbilden. In Wiesbaden mit der Besonderheit,         dungsgänge unter den Schulen derselben Schulform
     dass es sich durchgehend um integrierte Gesamtschu-        zu einem erheblichen Gefälle kommt.
     len handelt, die erst zu den Abschlüssen in Klasse 9       Diese nun vorliegende Zahlenlage ist zudem dadurch
     (Hauptschule) und 10 (Realschule) überhaupt die Bil-       in diesem Jahr von besonderem Interesse, da die Hele-
     dungsgänge deutlich abbilden. Zuvor lernen dort alle       ne-Lange-Schule erstmalig am regulären Verteilverfah-
     Schüler*innen gemeinsam.                                   ren teilnimmt - ihr vorgezogenes Anmeldeverfahren

14                                                                                                          WBZ     2 • 2021
mit teils massiver Überwahl also verloren hat. Hinzu      keine einzige Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe
    kommt die Schulpolitik der Stadt Wiesbaden, die von       gibt. Für diejenigen Schüler*innen dieses nach Klasse 4
    jedem strukturellen oder steuernden Eingreifen ab-        angestrebten Bildungsgangs wird die Anwahl einer Ge-
    sieht und vollständig und einzig auf die Anwahlzahlen     samtschule mit Aussicht auf einen weiteren, unsiche-
    bezugnehmend Schulentwicklung betreibt.                   ren Schulwechsel nach Klasse 10 zusätzlich unattraktiv.
    Analyse                                                   Vor Jahren haben die Gesamtschulen auch das „Slow-
    Diese unregulierte Entwicklung führt für alle Schulfor-   Abi“ verloren, als die G8-Gymnasien vollständig zu G9
    men zu Konflikten. Die durchgehende Problematik in        zurückgekehrt sind. Hier konnten die Gesamtschulen -
    allen Säulen, dass einzelne Schulen offenbar deutlich     zusätzlich zu ihren oft besonderen Lernformen und pä-
    attraktiver wirken als andere mit den einhergehenden      dagogischen Ansätzen - mit der Möglichkeit des etwas
    Über- und Unterwahleffekten, steht über allem und         stressfreieren Wegs zum Abitur punkten.
    wird nicht mehr separat analysiert.                       Grundschulen:
    Gymnasien:                                                Die Grundschulen klagen bereits seit langem über den
    Für die Gymnasien zeichnet sich ab, dass die Erstan-      enormen Kampf in der 4. Klasse (teils schon in Klasse
    wahlen weiter steigen werden. Es ist hingegen nicht       3 beginnend) um die meist begehrte Gymnasialemp-
    damit zu rechnen, dass die Abiturient*innenquote in       fehlung, gepaart mit einer zunehmenden Entwertung
    den Jahrgängen im gleichen Verhältnis steigen wird.       eben dieser Empfehlungen der Grundschulen. Denn
    Damit wird der Abschulprozess intensiviert und die        letztlich entscheidet der Elternwille allein. Und of-
    Gymnasien werden sich dieser Herausforderung ver-         fenbar wird die Empfehlung der Grundschulen auch
    stärkt stellen müssen.                                    zunehmend ignoriert, was sich bereits vorab auf die
                                                              pädagogische Arbeit dort auswirkt und nicht selten zu
    Auch in den unteren gymnasialen Klassen werden sich
                                                              Konflikten mit den Eltern führt.
    für diese Schulen immer weitere Anforderungen einer
    zunehmend heterogen Schüler*innenschaft herausbil-        Schulentwicklungsplan
    den. Mit verstärkter Sogwirkung durch die Überreprä-      Die wesentliche Herausforderung wird somit sehr
    sentanz (>50%) werden es immer mehr Schüler*innen         grundlegend und schulstrukturell werden. Und Wies-
    dort zunächst versuchen wollen.                           baden wird dies teils deutlich früher treffen als andere
    Haupt- und Realschulen:                                   hessische Regionen. Denn wenn man diese Entwick-
                                                              lung derart ungesteuert weiterlaufen lässt, wie man
    Für diese Schulformen wird es zu einem existenziellen
                                                              dies in Wiesbaden mit dem Verweis auf den angebli-
    Kampf kommen, den sie bisher dadurch zu überstehen
                                                              chen Elternwillen tut, wird es zu massiven Problemen
    in der Lage sind, dass sie im Laufe der Jahrgangsstu-
                                                              zwischen den Schulformen kommen - aber eben auch
    fen weitere Schüler*innen hinzubekommen, die an
                                                              wie bereits erkennbar unter den einzelnen Schulen.
    anderen Schulformen absehbar nicht erfolgreich zum
                                                              Wenn diese damit allein gelassen werden, werden die
    Abschluss gelangen. Mit der Planung einer weiteren
                                                              Verdrängungskämpfe zunehmen.
    Gesamtschule ab 2024 wird dies aber immer proble-
    matischer, da zu erwarten ist, dass insbesondere die      Statt die Schulformen und ihre Rollen im (gescheiter-
    an den Gymnasien gescheiterten Schüler*innen die          ten) gegliederten Schulsystem schärfend in den Blick
    Gesamtschulen als attraktivere Schulform erkennen.        zu nehmen, statt die Schulen derselben Schulform mit-
    Hier treffen sie auf Mitschüler*innen, die von Anfang     einander zu harmonisieren, statt das Anmeldeverfah-
    an über den Gesamtschulweg den gymnasialen Ab-            ren nach Klasse 4 für die weiterführenden Schulen neu
    schluss anstreben.                                        zu strukturieren, werden seitens der Stadt Wiesbaden
                                                              Schulen isoliert auf sich selber gestellt, Schulformen
    Gesamtschulen:
                                                              zusammengelegt und die Schulstruktur funktional der-
    Für diese Schulform steht mit Überschreiten der 50%-      art überdehnt und -fordert, dass letztlich keine Schul-
    Marke der Erstanwahlen an Gymnasien und einem             form (selbst das Gymnasium in einer massiven Über-
    erkennbaren Abfallen der Anwahlen an Haupt- und           forderung insbesondere in den Jahrgängen 5-7) mehr
    Realschulen die Gretchenfrage bevor: Sind die Ge-         als solche erkennbar bleibt. Und noch schlimmer: dass
    samtschulen noch echte Gesamtschulen? Stellen sie         sogar innerhalb der Schulformen schulscharfe Ver-
    tatsächlich noch eine Alternative zum dreigliedrigen      drängungs- und Abgrenzungskämpfe entstehen.
    Schulsystem dar und können sie noch eine entspre-
                                                              Wir werden nicht bis zum Ende des aktuell vorgelegten
    chende Schüler*innenschaft abbilden? Oder werden
                                                              Schulentwicklungsplans 2026 warten müssen, um die
    sie zur Alternative zum Gymnasium in einem letztlich
                                                              Verschärfung der oben skizzierte Verschiebungen und
    zweigliedrigen Schulsystem?
                                                              Verzerrungen in der Wiesbadener Schullandschaft be-
    Die Gesamtschulen treffen die Probleme der Wiesba-        obachten zu können.
    dener Schulstruktur besonders intensiv, da es bisher
                                                              René Scheppler

WBZ 2 • 2021                                                                                                             15
Sie können auch lesen