Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion - Diversity Management in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen - Charta der Vielfalt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion Diversity Management in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen
Liebe Leserinnen, liebe Leser, lange Zeit ist Diversity Management in Deutschland als rein wirt- Deutschland ist vielfältiger geworden. Den Verwaltungen von Bund, schaftlich orientiertes Unternehmenskonzept wahrgenommen wor- Ländern und Kommunen kommt bei der Gestaltung der wachsenden den. Dabei hat Diversity seinen Ursprung in der US-amerikanischen gesellschaftlichen Vielfalt eine entscheidende Rolle zu. Als größter Bürgerrechtsbewegung und wurde in vielen Ländern schon lange von Arbeitgeber Deutschlands haben sie eine Vorbildfunktion und müs- zivilgesellschaftlichen Organisationen, Hochschulen sowie vor allem sen sich stärker als bisher für alle Bürgerinnen und Bürger – unab- auch öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen aufgegriffen und hängig von ihrer Herkunft – öffnen. Unsere plurale Gesellschaft entsprechend angepasst. sollte sich in einer vielfältigen Verwaltung widerspiegeln. Davon Im Zeitalter von Internationalisierung und demografischem Wan- haben alle Vorteile, denn vielfältig zusammengesetzte Verwaltungs- del, die in allen gesellschaftlichen Bereichen zu einem mehr an Viel- belegschaften können oft viel zielgerichteter auf die Bedürfnisse und falt im Handeln nach innen und außen geführt haben, wurde Diver- Anliegen unterschiedlicher Bürgerinnen und Bürger eingehen. sity in den letzten Jahren auch hierzulande von immer mehr öffent- Verwaltungen müssen soziale Verantwortung übernehmen und lichen Verwaltungen und Einrichtungen als zeitgemäße und erfolgs- wichtige demokratische Werte wie „Chancengleichheit“, „Gleichbe- versprechende Antwort auf eine Gesellschaft im Wandel erkannt rechtigung“ und „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ im Alltag leben und entsprechende Veränderungsprozesse eingeleitet. Das drückt und stärken. In den vergangenen Jahren konnte vieles angestoßen sich auch bei der als Unternehmensinitiative gestarteten Charta der und umgesetzt werden, um Behörden und Verwaltungen zu attrakti- Vielfalt aus. Inzwischen kommt schon mehr als ein Drittel unserer ven Arbeitgebern für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschied- Unterzeichner/-innen aus dem öffentlichen Sektor – Tendenz stei- lichster Herkunft zu machen. Dies geschieht jedoch nicht von allein, gend – , darunter viele öffentliche Verwaltungen und Einrichtungen sondern erfordert aktives Handeln mit unterschiedlichen Maßnah- des Bundes, der Länder, Landkreise und Kommunen. men. Auf den vielen guten Erfahrungen und Ansätzen lässt sich Bei Ihrem Ziel, Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion zu fördern aufbauen und weitere gemeinsame Schritte auf dem Weg zu und zu gestalten, möchte der Charta der Vielfalt e.V. Sie gerne wei- vielfältigen, offenen und inklusiven Verwaltungen gehen. Diese ter unterstützen. Wir hoffen, dass Sie durch diese Broschüre einige Broschüre des Charta der Vielfalt e.V. wird hierzu einen wichtigen gute Impulse für Ihre Alltagspraxis erhalten und freuen uns auf einen Beitrag leisten. Austausch mit Ihnen. Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre Ihre Aletta Gräfin von Hardenberg Aydan Özoguz Geschäftsführerin Charta der Vielfalt e.V. Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration Vorwort 4
Inhaltsverzeichnis Die Charta der Vielfalt: 6 Das größte Netzwerk für Diversity Management in Deutschland Mehr Vielfalt nach innen und außen: 8 Warum Diversity Management für öffentliche Verwaltungen und Einrichtungen immer wichtiger wird Vielfalt als neues Leitziel: 13 Was mit dem Perspektivwechsel zu Diversity verbunden ist Neue Wege gehen: 16 Herausforderungen, Ziele und Visionen von Diversity in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen Diversity ist unsere Stärke: 21 Welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteile mit mehr Vielfalt verbunden sind Mehr Vielfalt erwünscht: Wie Sie bei der Gestaltung von Diversity Management 24 in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen erfolgreich sein können Schritt um Schritt zum Erfolg: 28 Diversity Management mit Konzept systematisch umsetzen Unser Angebot: 36 Wie der Charta der Vielfalt e.V. Sie unterstützt Ausgewählte Literatur 38 5 Inhalt
Die Charta der Vielfalt: Das größte Netzwerk für Diversity Management in Deutschland Seit 2006 gibt es die Charta der Vielfalt. Mit ihrer Unterzeichnung Wortlaut der Charta der Vielfalt verpflichten sich Unternehmen und Institutionen, ein wertschätzen- Die Vielfalt der modernen Gesellschaft, beeinflusst durch die Globa- des und vorurteilfreies Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich alle lisierung und den demografischen Wandel, prägt das Wirtschaftsle- Talente optimal entwickeln und entfalten können. Vorreiter dafür ben in Deutschland. Wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, waren vier Großkonzerne mit der tiefen Überzeugung, dass nur eine wenn wir die vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen. Das betrifft Kultur der Vielfalt den Herausforderungen begegnen kann, die den die Vielfalt in unserer Belegschaft und die vielfältigen Bedürfnisse Wirtschaftsstandort Deutschland in den kommenden 20 Jahren ver- unserer Kundinnen und Kunden sowie unserer Geschäftspartner. ändern werden. Dieser Überzeugung haben sich bis heute mehr als Die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren unter- 2.700 Unternehmen und Institutionen angeschlossen. schiedlichen Fähigkeiten und Talenten eröffnet Chancen für innova- tive und kreative Lösungen. Alle Informationen zum größten deutschen Netzwerk für Diversity Management lesen Sie unter Die Umsetzung der „Charta der Vielfalt“ in unserer Organisation hat » www.charta-der-vielfalt.de. zum Ziel, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung erfah- ren – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Ganzheitlicher Ansatz, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orien- „ Die Charta der Vielfalt steht für einen ganzheitlichen tierung und Identität. Die Anerkennung und Förderung dieser vielfäl- Ansatz und Umgang mit Vielfalt. Der Verein konzentriert tigen Potenziale schafft wirtschaftliche Vorteile für unsere sich auf sechs Diversity-Dimensionen, die Identität Organisation. und Verhalten von Menschen bestimmen: Geschlecht, kulturelle oder nationale Herkunft, Religion oder Welt- Wir schaffen ein Klima der Akzeptanz und des gegenseitigen Ver- anschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle trauens. Dieses hat positive Auswirkungen auf unser Ansehen bei Orientierung und Identität. Geschäftspartnern, Verbraucherinnen und Verbrauchern, sowohl in » www.charta-der-vielfalt.de/diversity-verstehen/ Deutschland als auch in anderen Ländern der Welt. diversity-dimensionen Netzwerk 6
Selbstverpflichtung: Jede Institution soll und kann einen eigenen Weg finden, eine offene, wertschätzende Verwaltungskul- tur umzusetzen. Deshalb ist die Charta der Vielfalt eine freiwillige Selbstverpflichtung – ein Symbol für eine wichtige Entscheidung. Wie Sie die Charta der Vielfalt mit Leben füllen, steuern Sie selbst. Wir bestehen aber darauf, dass uns unsere Unterzeichner/ -innen über den Fortschritt auf dem Laufenden halten. Im Rahmen dieser Charta werden wir: Leitlinien: Der Wandel zu mehr Vielfalt im Handeln nach innen und außen ist mit einem mehrfachen Perspektivwechsel verbun- 1. eine Organisationskultur pflegen, die von gegenseitigem Res- den. Lesen Sie mehr dazu ab Seite 13. pekt und Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Werte erkennen, teilen und leben. Dabei kommt den Führungskräften bzw. Vorgesetz- Zielgruppen: Diversity Management muss, um erfolgreich zu sein ten eine besondere Verpflichtung zu. als Querschnittsstrategie bereichsübergreifend auf allen Hierarchie- ebenen verankert und im Alltag gelebt werden. Wie Sie das gestal- 2. unsere Personalprozesse überprüfen und sicherstellen, dass die- ten können, finden Sie auf den Seiten 24 und 28. se den vielfältigen Fähigkeiten und Talenten aller Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter sowie unserem Leistungsanspruch gerecht werden. Strukturen: Mit einer diversity-orientierten Bestandsaufnahme können Sie (oft unbewusste) Barrieren für mehr Vielfalt erkennen 3. die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb der Insti- und so zukünftig Vielfaltspotenziale besser erschließen. Wie Sie hier tution anerkennen, die darin liegenden Potenziale wertschätzen vorgehen können, lesen Sie ab Seite 28. und für das Unternehmen oder die Institution gewinnbringend einsetzen. Chancen nutzen: Die Anerkennung und Wertschätzung von Viel- 4. die Umsetzung der Charta zum Thema des internen und exter- falt ist nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern zugleich nen Dialogs machen. mit vielen konkreten Vorteilen verbunden. Mehr dazu finden Sie ab Seite 21. 5. über unsere Aktivitäten und den Fortschritt bei der Förderung der Vielfalt und Wertschätzung jährlich öffentlich Auskunft geben. 6. unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Diversity infor- Kommunikation: Diversity Management wendet sich von Beginn mieren und sie bei der Umsetzung der Charta einbeziehen. an an alle Mitarbeiter/-innen. Um alle im Veränderungsprozess mit- zunehmen, ist es wichtig, die Ziele, Vorgehen und Vorteile Ihres Diversity-Konzepts umfassend zu kommunizieren. Dazu finden Sie einige Impulse auf den Seiten 26 und 31. Wir sind überzeugt: „ Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine Service: Wie wir Sie dabei unterstützen, erfahren positive Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland. Sie ab Seite 36. 7 Netzwerk
Mehr Vielfalt nach innen und aussen: Warum Diversity Management für öffentliche Verwaltungen und Einrichtungen immer wichtiger wird Unsere Gesellschaft ist in vielerlei Hinsich- geprägt. Dieser Wandel zu mehr Vielfalt ver- Millionen Beschäftigten der größte Arbeit- ten im Wandel und von einer zunehmen- dient auch in öffentlichen Verwaltungen und geber Deutschlands, eine starke Aufmerk- den Vielfalt an Lebens- und Arbeitsformen Einrichtungen, mit rund viereinhalb samkeit und erfordert neue Blickwinkel und Ansätze, um — ein Teil dieser Entwicklungen zu sein. Deutschland schrumpft und wird älter: Entwicklung in den nächsten 20 Jahren — mit einer an Vielfalt orientierten Hal- Quelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsstatistik 2012 tung und entsprechendem Handeln für nicht-staatliche Einrichtungen eine Vor- 24 Mio. Arbeitskräfte max. 15 Mio. Arbeitskräfte reiterrolle einzunehmen. — die vielfältige Gesellschaft in der Perso- nalstruktur widerzuspiegeln. verlassen den Arbeitsmarkt treten in den Arbeitsmarkt ein (Jahrgänge 1947 – 1967) (Jahrgänge 1992 – 2012) — den Bedarfen vielfältiger Bürger/-innen mit unterschiedlichen Lebenskonzepten und Arbeits- und Lebenslagen so ge- recht zu werden, dass sie die Dienstleis- tungen der öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen adäquat in Anspruch nehmen können. — die wirtschaftlichen Chancen, die mit der Förderung weltoffener und inklusiver Gesellschaften verbunden sind, zu er- schliessen. Der Diversity-Ansatz ist in der Lage, zu all diesen Trends und Fragestellungen neue Perspektiven und neue Antworten zu geben. Es empfiehlt sich dabei, fol- Niemand bleibt außen vor: Größerer Pool an potenziellen Arbeitskräften durch gende Rahmenbedingungen und Ent- diversity-orientierte Personalplanung. wicklungen genauer in den Blick zu neh- men. Rahmenbedingungen & Motive 8
A) „Weniger, älter, bunter“: De- im Jahr 2025 mehr als 6,5 Millionen Arbeits- Dem anstehenden Nachwuchs- und Fach- mografischer Wandel und vielfäl- kräfte fehlen.2 kräftebedarf können öffentliche Verwaltun- tiger Arbeitsmarkt gen und Einrichtungen zunächst einmal so Der demografische Wandel ist in Deutsch- Die Schrumpfung, Alterung und vielfältiger begegnen, indem sie sich eine für Diver- land insbesondere durch eine älter werdende werdende Gesamtbevölkerung hat bereits sity Management zentrale Frage stellen: Wer Gesamtbevölkerung, sinkende Geburten- heute erkennbare Auswirkungen auf die Per- fehlt uns in Bezug auf zentrale Diversity- raten und zunehmende Migration gekenn- sonalstruktur des öffentlichen Dienstes. Bei Dimensionen – Geschlecht, Nationalität/ zeichnet. Zwischen 1992 und 2012 wur- den Beschäftigten von Bund, Ländern und ethnische Herkunft, Religion oder Weltan- den ca. 15 Millionen Kinder geboren. In den Kommunen dominieren derzeit die höhe- schauung, Behinderung, Alter, sexuelle Ori- kommenden 20 Jahren werden rund 24 Mil- ren Altersgruppen. Der öffentliche Dienst ist entierung und Identität – heute schon? Es lionen Menschen in Rente gehen, was eine daher gut beraten, Strategien zu entwickeln, gilt, diesen wichtigen Aspekt in die aktive deutliche Verringerung des Arbeitskräftepo- um einem Wissens- und Erfahrungsverlust Personalplanung mit einzubeziehen und tenzials bedeutet.1 Prognosen zufolge wer- durch das Ausscheiden der Dienstälteren zukünftig stärker Mitarbeitende aus bisher den deutschen Arbeitgebern ohne Einwan- entgegenzuwirken. unterrepräsentierten gesellschaftlichen Ziel- derung und bei konstanter Erwerbstätigkeit gruppen zu gewinnen, ihnen bessere Auf- stiegsmöglichkeiten zu bieten und sie durch bedarfsgerechte und lebensphasenorien- Wie gehen wir mit dem demografischen Wandel um? tierte Arbeitsbedingungen zu binden. Die 4 Erfolgsfaktoren. Stärkere Einbindung von B) Wertewandel, neues Selbstbe- unterrepräsentierten wusstsein und Vielfalt an Lebens- gesellschaftlichen Gruppen weisen Die individuelle Entfaltung, ein neues Ver- 1 ständnis von Familie bzw. die Erweiterung von Familienbildern sowie die Auseinander- setzung mit der Balance zwischen Beruf und Privatleben sind kennzeichnende Faktoren 4 2 der heutigen Arbeitnehmer/-innenschaft, die es in jeder Arbeitsmarktbranche – so auch im öffentlichen Sektor – immer stärker zu Vorurteilsfreies und berücksichtigen gilt: Vielfalt Wertschätzung und — 58 % der Bevölkerung versteht unter Fa- wertschätzendes 3 Förderung des milie auch eine alleinerziehende Mut- Arbeitsumfeld Wissenstransfers ter oder einen alleinerziehenden Vater von Dienstälteren mit Kindern. Für 42 % bedeutet Familie auch eine feste Lebensgemeinschaft mit zwei Frauen oder Männern mit Kindern.3 Förderung und Kompetenzaufbau der Mitarbeitenden 1 Vgl.: Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsstatistik 2012 2 Vgl.: Bundesagentur für Arbeit 2011 3 Vgl.: BMFSFJ 12/2012; zit. n. Allensbacher Archiv 10/2012 9 Rahmenbedingungen & Motive
— 71 % der jungen Beschäftigten ohne Kinder stimmen der Aus- C) Moderne Verwaltung und sage zu, dass bei der Wahl des Arbeitgebers die Vereinbarkeit Diversity Management zwischen Familie und Beruf eine wichtigere oder eine ebenso Seit den 1990er Jahren zeichnet sich in Verwaltungen – auf wichtige Rolle spielt wie das Gehalt. Bei den jungen Beschäftig- kommunaler, Landes- oder Bundesebene6 – ein starker Moder- ten mit Kindern unter 18 Jahren liegt dieser Anteil sogar nisierungstrend ab. Neben den bereits genannten Faktoren wie bei 91 %.4 demografischer Wandel, veränderter Dienstleistungsanspruch der Bürger/-innen oder der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Ein selbstbewussterer Umgang mit der sexuellen Orientierung und steht hierbei vor allem auch die Frage im Vordergrund, wie Res- Identität geht auch mit einer differenzierteren Erwartungshaltung sourcen gespart und gebündelt werden können. der Bürger/-innen als Arbeitnehmer/-innen, Dienstleistungsnut- Bei einem Vergleich von Bundes -, Landes- und Kommunalpro- zende und Kunden/Kundinnen einher. Einrichtungen, die sich für die grammen, die eine weitere Verwaltungsmodernisierung zum Akzeptanz sexueller Orientierung und Identität einsetzen, können Ziel haben, wird deutlich, dass viele Ansätze deckungsgleich sind mit einer bevorzugten Wahl rechnen, da oder zumindest große Schnittmengen mit Zielen und Maßnah- — 69,7 % der homosexuellen Menschen diese Einrichtungen bei men des Diversity-Konzepts – etwa in Bezug auf eine verbes- Bewerbungen, serte Bürger/-innenorientierung – haben. Die Umsetzung von — 79,0 % bei der Nutzung von Dienstleistungen und Diversity Management in der Verwaltung wäre daher keine zu- — 72,5 % bei Kaufentscheidungen vorziehen.5 sätzliche Belastung, sondern eine Unterstützung und Ergänzung eines fortlaufenden Modernisierungsprozesses. Diversity Ma- Weiterhin ist ein Wandel des Selbstverständnisses von Menschen nagement mit den Modernisierungsprogrammen zu verknüpfen immer präsenter, die in vielen Bereichen der Gesellschaft benach- bedeutet auch, von einem breiteren Pool an Methoden, Erfah- teiligt sind. Ein Ausdruck des (neuen) Selbstbewusstseins ist die rungen sowie Expertinnen und Experten zu profitieren. vielfältige Landschaft an zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen – getragen von Menschen mit eigener oder fami- liärer Migrationserfahrung, unterschiedlichen religiösen und welt- anschaulichen Orientierungen oder Menschen mit Behinderungen. Immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen spiegeln zudem die Mehrfachzugehörigkeiten eines jeden Menschen wider, indem sie sich gezielt für mehr Teilhabechancen von und diskriminierungs- freien Umgang mit z.B. jungen Frauen mit Behinderung einsetzen und somit Bedarfe, Empfehlungen und Forderungen differenzierter artikulieren können. 4 Vgl.: BMFSFJ 2012 5 Vgl.: Frohn 2007 6 Für weitere Informationen Vgl.: Website BMI – Bereich „Moderne Verwaltung und Öffentlicher Dienst“, verfügbar über: http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/ Moderne-Verwaltung/moderne-verwaltung_node.html Rahmenbedingungen & Motive 10
Die Verwaltung als Dienstleisterin Eine moderne Verwaltung, unterstützt durch Diversity Management Im Sinne eines diversity-orientierten Han- delns gilt es für die Verwaltung, die gesell- schaftliche Vielfalt bzw. soziale Gruppen- zugehörigkeiten von Bürgerinnen und Bür- gern für eine bessere Ermittlung von Zugän- Moderne Verwaltung gen, Bedarfen und Angeboten stets im Blick zu behalten, z.B. durch diversity-orien- tierte Befragungen. Es sollte überprüft wer- den, welche Wirkungen Abläufe und Regeln Beteiligung von Bürokratieabbau Digitalisierung Bürgerinnen – wie etwa bestimmte Sprechzeiten oder und Bürgern die Online-Terminvergabe – auf Menschen haben können oder wer in welchem Umfang Angebote der Verwaltung in Anspruch Fokus auf unter- Bessere Kommuni- Barrierefreier nimmt und wer nicht und warum (nicht). schiedliche kation von Abläu- Online-Zugang Vor dem Hintergrund, dass Bürgerinnen und Lebenslagen der fen und Zuständig- Bürger über unterschiedliche Wissensstände Bürgerinnen und keiten nach außen und unterschiedlich leichte Zugänge zu Bürger Informationen und Angeboten der Verwal- tung verfügen, sollten öffentliche Einrich- Diversity Management tungen im Sinne eines modernen Verständ- nisses von Dienstleistung in Betracht ziehen, evtl. fehlende Ressourcen von Bürgerinnen und Bürgern zu kompensieren. D) Die Verwaltung in unterschiedlichen Rollen – vielfaltorientiertes Die Verwaltung als Ausführungsorgan Handeln gefragt von Rechtsvorschriften und Partnerin Im Zusammenhang mit der skizzierten gesellschaftlichen Vielfalt ergeben sich für Verwaltun- von Strategien gen diverse Aufgabenfelder, die sie in verschiedenen Rollen ausführen könnten und sollten. Für Diversity Management gibt es keine direkt verbindliche rechtliche Grundlage. Die Verwaltung als Arbeitgeberin Ein positiver Umgang mit gesellschaftlicher Der öffentliche Dienst verkörpert den Staat und ist größter Arbeitgeber in Deutschland. Dies Vielfalt wird aber immer flächendeckender erhöht viele Ansprüche und Erwartungen. Einerseits ist zu erwarten, dass die gesellschaftli- auch durch gesetzliche Regelungen und poli- che Vielfalt bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes widergespiegelt wird, anderer- tische Initiativen forciert. Die Verwaltung seits erfüllt der öffentliche Dienst in Bezug auf den Umgang mit Vielfalt eine Vorbildfunktion übernimmt dabei sehr wichtige Aufgaben. für andere Arbeitgeber/-innen. Mit einer optimierten Nutzung von Hand- lungsspielräumen können Verwaltungen Die Verwaltung als somit einen entsprechend großen Beitrag „ Arbeitgeberin für eine inklusive Gesellschaft leisten. „ Dienstleisterin „ Ausführungsorgan von Rechtsvorschriften „ Auftrag- und Fördermittelgeberin 11 Rahmenbedingungen & Motive
— Abschätzung von Gesetzesfolgen auf vielfältige Bürgerinnen und Bürger; ggf. Empfehlungen an politische Entscheidungsträger/- Auswahl an Gesetzen und Strategien für Gleichbehand- innen, Gesetzes(entwürfe) entsprechend zu überarbeiten oder zu lung und Vielfalt – gegen Diskriminierung: novellieren. — Bekanntmachung von Gesetzen in einer vielfaltsorientierten Be- Gesetze auf Bundesebene: ratungs- und Öffentlichkeitsarbeit. „ Grundgesetz (Art. 3 Absatz 3) — Dokumentation von Einzelfällen aus Beratungen und Beschwer- „ Betriebsverfassungsgesetz den von Mitarbeitenden sowie Bürgerinnen und Bürgern mit Di- „ Bundesgleichstellungsgesetz versity-Fokus. „ Behindertengleichstellungsgesetz — Rückmeldung der Rechtspraxis und bestehenden Rechtsunsi- „ Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz cherheiten an die Politik hinsichtlich verschiedener gesellschaft- licher Gruppen. Strategien auf Bundesebene: — Systematische Überprüfung von Verwaltungspraktiken und -vor- „ Unterzeichnung der Charta der Vielfalt schriften entlang der Diversity-Dimensionen im Hinblick auf die „ Deutsche Islamkonferenz Mitarbeitenden. „ Koalition gegen Diskriminierung der Antidiskriminie- — Erfahrungs- und Meinungsaustausch in strategischen Netzwer- rungsstelle des Bundes (ADS) ken mit Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft. „ Nationaler Integrationsplan „ Bundesinitiative „Gleichstellung von Frauen in der Wirt- Die Verwaltung als Auftrag- und Fördermittelgeberin schaft" In unserer pluralistischen Gesellschaft, die sich durch eine große „ Europäische Städtekoalition gegen Rassismus (mit mehr Diversität an sozialen Trägern, Unternehmen und Interessensorgani- als 20 deutschen Städten) sationen kennzeichnet, ist von öffentlichen Verwaltungen und Ein- „ Demografiegipfel der Bundesregierung richtungen zu erwarten, dass sie diese Vielfalt in ihren Kooperationen auch dahin gehend überprüfen, wie die ihnen zur Verfügung stehen- Gesetze auf Landesebene: den Haushaltsmittel zielgerichtet und angemessen für bestimmte „ Landesgesetze zur Gleichstellung/Gleichberechtigung Zielgruppen eingesetzt werden. Die Auftrags- und Fördermittelver- von Frauen und Männern gabe kann zudem als starkes Instrument dienen, Auftragnehmende „ Landesgesetze zur Gleichstellung/Teilhabe von Men- für ein vielfaltsorientieres Handeln zu motivieren oder gar zu binden. schen mit Behinderungen „ Gesetz zur Gleichberechtigung von Menschen unter- schiedlicher sexueller Identität (Berlin) „ Staatsvertrag mit muslimischen Religionsgemeinschaf- ten (Hamburg, Bremen) „ Integrations-/Partizipationsgesetz (Fokus: Menschen mit Migrationshintergrund; NRW, Berlin) „ Gesetze zur Stärkung der Mitwirkungsrechte von Senio- rinnen und Senioren (Mecklenburg-Vorpommern, Ham- burg, Berlin, Thüringen) Rahmenbedingungen & Motive 12
Vielfalt als neues Leitziel: Was mit dem Perspektivwechsel zu Diversity verbunden ist Mit dem Übergang von traditionellen 4 Layers of Diversity Gleichbehandlungsstrategien zum ganzheit- Quellen: Loden, Marilyn and Rosener, Judy: Workface America!, 1991 und Gardenwarts & Rowe: From Diverse Team at work, 2003 lichen Personal- und Organisationsentwick- lungskonzept Diversity Management sind einige grundlegende Paradigmenwechsel Organisationale Dimension verbunden: Funktion/Einstufung Von der Defizit- zur Ressourcenorien- Äußere Dimension tierung Management Geografische Lage Arbeits- Herkömmliche Gleichbehandlungsstrate- Status inhalte/ Familien- -feld gien waren häufig von einem defizit- und Einkommen problemorientierten Ansatz geprägt, der als stand Innere Dimensionen Alter gesellschaftlich benachteiligt betrachtete Gruppen („Menschen mit Migrationshinter- Eltern- Religion und Weltan- Geschlecht Gewohn- grund“, „Menschen mit Behinderung“) ins- schaft heiten schauung Abteilung besondere als Zielgruppen sozial- oder per- Persönlichkeit Einheit sonalpolitischer Fördermaßnahmen gesehen Ethnische Freizeit- Gruppe Sexuelle hat, die Hilfe und Unterstützung benötigen. Auftreten Zugehörigkeit Orientierung verhalten Gewerk- Diversity Management verfolgt hingegen schafts- einen ressourcen- und kompetenzorientier- Physische Fähigkeiten zugehörigkeit Berufs- ten Ansatz, der in der Vielfalt der Fähigkei- erfahrung Religion ten, Sichtweisen, Erfahrungen und Talente vielfältiger Menschen eine wichtige gesell- Ausbildung schaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Chance sieht. Dauer der Arbeitsort Zugehörigkeit Die Vielfalt der Dimensionen des ganzheitlichen Diversity-Konzepts kann auch als Brille im Blick auf Individuen und auf Organisationsstrukturen gesehen werden. 13 Perspektivwechsel Diversity
Vom Minderheitenansatz zu „Vielfalt sind wir alle“ Von Integration zu Diversity und Inklusion Traditionelle Gleichbehandlungsstrategien gingen häufig von einem Ausgehend von diesen veralteten Vorstellungen gingen herkömm- Verständnis von „Minderheiten“ (z.B. Migrantinnen und Migranten, liche Gleichbehandlungsstrategien oft mit der Erwartung einher, Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen etc.) aus, die dass der/die einzelne Mitarbeitende oder Bürger/-in sich in beste- sich einer „Mehrheit“ anpassen sollten und für die daher entspre- hende Strukturen bzw. die Gesellschaft „integrieren“ müsse. Diver- chende Fördermaßnahmen umgesetzt werden müssten. Das Ver- sity Management macht hingegen eine gelungene Mitarbeit und ständnis von „Mehrheit“ war dabei oft (meist unbewusst) an der gesellschaftliche Teilhabe weniger von der individuellen „Integrati- Norm des männlich, deutschstämmigen, weißen, mittelalten, hete- onsleistung“ oder Anpassung an eine Norm abhängig. Es versucht rosexuellen, christlich geprägten Vollzeitarbeitnehmers ohne Behin- in einem umfassenderen Verständnis von Inklusion, Rahmenbedin- derung orientiert. In einer hoch-individualisierten, globalisierten gungen so zu gestalten und bestehende Strukturen entsprechend zu und äußerst pluralen Gesellschaft stimmen diese Vorstellungen von verändern, dass jede/r Einzelne in ihrer/seiner individuellen Vielfalt „Mehrheit“ und „Minderheit“ jedoch schon lange nicht mehr – wir von Anfang an als zugehörig betrachtet werden kann.7 alle sind vielfältige Menschen. Diversity Management richtet sich daher mit dem breiteren Verständnis von „Vielfalt sind wir alle“ von Anfang an an alle Mitarbeiter/-innen und Bürger/-innen. Von Integration zu Diversity und Inklusion 7 Zum erweiterten Inklusionsbegriff vgl.: Alicke 2013 Perspektivwechsel Diversity 14
Paradigmenwechsel Diversity Ressourcen Defizite Vielfalt sind wir alle Maßnahmen für Minderheiten Vielfalt und Inklusion Integration Ganzheitlicher Ansatz Eindimensionale Strategien Vielfalt als Alltagsnormalität Vielfalt als Besonderheit Von der Besonderheit zur Alltagsnormalität In herkömmlichen Gleichbehandlungsansätzen wurden bestimmte Zielgruppen oft als „fremd“, „anders“ oder „besonders“ betrachtet. Diversity Management geht dagegen davon aus, dass angesichts der enormen Vielfalt an Lebens- und Arbeitsformen in unserer sehr plu- ralen Gesellschaft Vielfalt eher die Alltagsnormalität als eine Beson- derheit darstellt. Ein gelassenerer Blick und eine unaufgeregte All- tagspraxis in einem nach innen und außen von zunehmender Viel- falt geprägten Umfeld sind daher wichtige Grundlagen eines guten Diversity Managements. 15 Perspektivwechsel Diversity
Neue Wege gehen: Herausforderungen, Ziele und Visionen von Diversity in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen A) Herausforderungen für Diver- Diversity Management hat drei zentrale Wurzeln 8 sity Management in öffentlichen „ Ethisch-moralische Werte und als politische Praxis. Verwaltungen und Einrichtungen „ Ökonomische Wettbewerbsvorteile, insbesondere durch ein verändertes Personalmanagement. Demografischer Wandel, Personalstruk- „ Proaktive und positive Gestaltung rechtlicher Anforderungen, tur und Unterrepräsentationen vor allem aus der Antidiskriminierungsgesetzgebung.9 Der öffentliche Dienst sieht sich – wie viele Unternehmen und Organisationen ebenso – in den kommenden Jahren vor allem durch die demografischen Entwicklungen vor Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, 2000 und 2010 große Herausforderungen gestellt: Quelle: Statistisches Bundesamt — Schon bis 2020 werden mehr als eine Million Beschäftigte von Bund, Ländern 2000 2010 Alter in Jahren Alter in Jahren und Kommunen aus dem Dienst aus- 65+ 65+ scheiden. 61 61 — Bereits heute sind mehr als 50 % der 57 57 Beschäftigten 45 Jahre oder älter, eine 53 53 zunehmende Überalterung zeichnet sich 49 49 ab. 45 45 — 56 % der heute 45 Jahre oder älteren 41 41 scheiden in den kommenden 20 Jahren 37 37 aus, ein enormer Wissens- und Erfah- 33 33 rungsverlust droht. 29 29 — Zu erwarten ist ein zunehmender Fach- 25 25 und Nachwuchskräftemangel bei gleich- 21 21 zeitig wachsender Konkurrenz mit der
In Bezug auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen bestehen zugleich zum Teil massive Unterrepräsentationen und Missverhält- nisse: Herausforderungen durch Diversity Management — Frauen sind bei den Führungskräften mit einem Anteil von rund erfolgreich gestalten einem Drittel weiterhin nicht entsprechend ihres Gesamtanteils Um zukunftsfähige und moderne öffentliche Verwaltun- von inzwischen mehr als 50 % vertreten. gen und Einrichtungen zu erhalten und gestalten, gilt es — Der Frauenanteil in der Teilzeit ist mit mehr als 90 % immer insbesondere noch sehr hoch. — Besonders eklatant ist die Unterrepräsentation von Bürger/- — die Potenziale derjenigen gesellschaftlichen Gruppen innen mit Migrationshintergrund. Obwohl bereits jede/r fünf- stärker zu erschließen und zu nutzen, die bisher eher te Bürger/-in bundesweit einen Migrationshintergrund hat und am Rande des Arbeitsmarkts stehen, unterrepräsen- deren Anteil in vielen Kommunen schon bei rund 40 % liegt, ist tiert oder benachteiligt sind. ihr Anteil im öffentlichen Dienst nur knapp 10 %. Viele Beschäf- — die Beschäftigungsfähigkeit und Motivation der Mit- tigte mit Migrationshintergrund sind zudem eher in „Arbeiter- arbeitenden insgesamt zu fördern und erhalten. bereichen“ wie Gartenbau, Küchendienst und Straßenreinigung — die Effizienz und Leistungsfähigkeit des öffentlichen und auf unteren Ebenen zu finden, weniger etwa im Personalamt Dienstes weiterhin zu sichern.11 oder bei den Führungskräften.10 „ Diversity Management ist als Personal- und Orga- Beschränkte Finanz- und Personalressourcen nisationsentwicklungsansatz das strategische Ge- In Zeiten von Haushaltskonsolidierung und knappen Kassen sind die samtkonzept zur Gestaltung der zentralen Her- Rahmenbedingungen des Personalmanagements im öffentlichen ausforderungen und Ziele mit einer chancen- und Dienst häufig von Personalabbau, Wiederbesetzungssperren und Ein- potentialorientierten Perspektive für alle Beteiligten. stellungsstopps geprägt. Der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist seit 1991 um ca. 1,6 Millionen oder rund 30 % zurückge- gangen. Die dadurch zunehmende Arbeitsverdichtung, Arbeitsbün- delung und wachsende Aufgabenkomplexität haben die Belastungen für viele Beschäftigte deutlich erhöht. Insgesamt bestehen oft nur geringe Handlungsspielräume für eine veränderte Personalgewin- nung und -entwicklung. 10 Zu den Zahlen vgl. insbesondere dbb beamtenbund und tarifunion 2014 11 Vgl.: Behrens 2012 Verwaltungskultur und fehlende Akzeptanz bei den Mitarbeitenden Wie alle Veränderungsprozesse kann auch Diversity Management mit einer sich wandelnden Personal- und Organisationsentwicklung, z.B. mit einer Personalgewinnung, die sich in der Tendenz als „jünger, weiblicher und bunter“ umschreiben lässt, viele bewusste und (noch viel mehr) unbewusste Ängste wecken und offene oder verdeckte Widerstände hervorrufen. Hierarchien, Statusprivilegien und lang- jährige Gewohnheiten werden hinterfragt und geraten in Bewegung. Widerstände sind dabei als Teil des Veränderungsprozesses zu sehen, von Anfang an aufzugreifen und konstruktiv zu gestalten. 17 Herausforderungen & Ziele
Diversity Management ist ein Querschnittsthema der öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen Leitbild & Leitlinien Personalgewinnung Organisationsentwicklung Personalentwicklung Personalerhaltung & Personalbindung Arbeitsorganisation und -gestaltung Kundinnen/Kunden, Dienstleis- tungen, Angebote & Produkte Führung & Organisationskultur Zusammenarbeit mit externen Partnern Kommunikation, Information, Marketing Diversity Management Verwaltungsstruktur Diversity-Dimensionen. Dadurch wird zum einen oft die interne In vielen öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen besteht Heterogenität der „Zielgruppen“ etwa in Bezug auf soziale Lebensla- noch ein eher loses und fragmentiertes Nebeneinander verschie- gen, Bildungsgrad, Alter, Geschlecht, familiäre Situationen oder wei- dener Gleichbehandlungsstrategien und Vielfalt fördernder Maß- tere Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt. Zum anderen wer- nahmen wie etwa Gender Mainstreaming, interkulturelle Öff- den im Hinblick auf Mehrfachzugehörigkeiten (z.B. von älteren Mig- nung, Teilhabe behinderter Menschen oder Maßnahmen für rantinnen) bestehende Schnittmengen zu wenig in entsprechenden ältere Menschen. Hintergründe sind vor allem das Ressortprin- zielgruppenübergreifenden Projekten, Initiativen und Maßnahmen zip und die Säulenstruktur der Verwaltung (bei gleichzeitig oft gemeinsam gestaltet. Doppelarbeiten sowie Konkurrenzen und Kon- räumlicher Dezentralisierung) und unterschiedliche Dynamiken flikte zwischen den für die jeweiligen Diversity-Dimensionen verant- durch die bereits etablierten Verantwortlichkeiten für einzelne wortlichen Akteurinnen und Akteuren können die Folge sein. Herausforderungen & Ziele 18
Diversity-Kompetenz: Verschiedene Bausteine aus Wissen, Haltungen und sozialen Fähigkeiten Perspektivenwechsel Vorurteile und Diskriminierungen erkennen und verstehen Umgang und Toleranz mit Widersprüchlich- keiten Denken in Zusammenhängen Diversity- Kompetenz Flexibilität Konfliktfähigkeit Analysefähigkeit Kooperationsfähigkeit Reflexionsfähigkeit B) Ziele und Visionen von Diversity Management Veränderung der Verwaltungskultur – die offene und inklusive Diversity Management verfolgt verschiedene Ziele und Visionen, die Verwaltung insbesondere auf die Ebenen des Individuums, der Verwaltungskul- Ein Kerngedanke von Diversity Management ist es, ein Arbeitsum- tur und der Organisationsentwicklung abzielen. feld zu schaffen, in dem alle Beschäftigten ihre individuellen Poten- ziale und Leistungsfähigkeiten in einem von Wertschätzung, Aner- Veränderung von Individuen – Entwicklung von Diversity- kennung und Offenheit geprägten Arbeitsklima unabhängig von per- Kompetenz sönlichen Merkmalen voll entfalten und einbringen können. Vor- Auf einer individuellen Ebene ist ein zentrales Ziel im Rahmen von handene Unterschiede aufgrund persönlicher Merkmale sollen Diversity Management, eine Diversity-Kompetenz bei Führungskräf- nicht mehr Anlass für Ungleichbehandlungen bieten oder als Mit- ten und Mitarbeitenden zu entwickeln. Dies soll vor allem dazu die- tel der Hierarchisierung dienen. Unterschiedlichkeit soll durch eine nen, für die Chancen und Barrieren vielfältiger Belegschaften sowie Umkehrung zur Wertschätzung der vorhandenen personalen Viel- die eigene persönliche Vielfalt zu sensibilisieren. In einem zweiten falt führen, bestehende Gemeinsamkeiten zwischen Beschäftigten Schritt sollen die Beschäftigten zu einem qualifizierten Umgang mit über zunächst wahrgenommene Gruppenzugehörigkeiten („Frauen“, und einer gezielten Gestaltung von Vielfalt befähigt werden. „Behinderte“, „Musliminnen“ etc.) hinweg nutzbar gemacht werden. 19 Herausforderungen & Ziele
Veränderung der Organisationsentwicklung – von eindimensi- Merkmale einer offenen und inklusiven Organisation: onalen Strategien zum ganzheitlichen Diversity-Ansatz „ Pluralismus/Wertschätzung von Vielfalt. Diversity Management bündelt in einem zielgruppenübergreifen- „ Strukturelle und informelle Integration aller Beschäftigten. den, horizontalen und stärker an individuellen Lebens- und Arbeits- „ Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen, insbesonde- situationen ausgerichteten Gesamtkonzept die bereits bestehen- re vorurteils- und diskriminierungsfreie, (nicht nur) perso- den Strategien wie z.B. Gender Mainstreaming, interkulturelle Öff- nalpolitische Kriterien, Verfahren, Praktiken. nung, Inklusion von Menschen mit Behinderung, Demografiekon- „ Minimale Intergruppenkonflikte.12 zept, Aktionsplan sexuelle Orientierung und Identität, Runder Tisch religiös-weltanschauliche Vielfalt, Work-Life-Balance und Maßnah- men für Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft, etc. Die bereits vorhandenen „Säulen“ bleiben weiterhin wichtige Bestand- 12 nach Cox 1993 teile unter dem „Dach“ Diversity, werden jedoch stärker vernetzt gedacht und auch zielgruppenübergreifend angewandt. Diversity Management – ein ganzheitliches Gesamtkonzept RSIT Y MANAGEMENT D IV E T DIV M EN ER S E IT Ru ltans AG we lfalt pt nd V ie Y nze N M e r c ha u MA AN o Tis lich fiek IT Y AG ch gr a ERS EM re l e mo A k ti ENT igiö DIV se x u onspl an g De min s- und elle Or in s trea I d e n ie n t i r Ma t it ä t e r u n de g Gen ANAGEMENT DIVERSIT Y M f ür r- Wo a h men it unte r rk- Life a ß n n m a l e M sche r sozi -B al a ANA Men edliche TY M n ce I n k lu schi kunf t Öffn kulturelle M e n d e r u ng Inte B e hi G Her R SI E si o n m i t ME sche r u ng n IV E NT D von n D IV T EN ER M IT Y S GE MA NA MA NAG IT Y EMEN DIVERS T Herausforderungen & Ziele 20
Diversity ist unsere Stärke: Welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteile mit mehr Vielfalt verbunden sind Das Potenzial und die Stärke des Diver- gute Weiterbildungsmöglichkeiten zuneh- gestalten und diese bewusst und effektiv in sity-Konzeptes liegen in seinem ganzheitli- mend stärker nachgefragt als nur die Ent- der Öffentlichkeit zu vertreten, können sie chen Ansatz, seiner Übertragbarkeit auf alle lohnung. Wenn öffentliche Verwaltungen ihr Image weiter verbessern und somit ihre Organisations- und Unternehmenstypen und Einrichtungen es schaffen, eine auf Position auf dem konkurrenzreichen Arbeits- sowie seiner Anpassungsfähigkeit zu laufen- gesellschaftlicher Vielfalt, Ressourcen und markt als Arbeitgeberin deutlich stärken. den Maßnahmen der Organisationsführung Potenzialen basierende Personalpolitik zu und Organisationsentwicklung. Öffentliche Verwaltungen und Einrich- Einschätzungen zur Stellung des öffentlichen Dienstes, gegenüber der Privatwirtschaft beim Werben von Berufseinsteigern und Fachkräften tungen als attraktive Arbeitgeberinnen Quelle: Deutscher Beamtenbund und Tarifunion 07/2013:61 Mit dem Diversity-Ansatz kann eine Verbes- (Basis: öffentliche Bedienstete) insgesamt Beamte Tarif- serung des gesamten Personalmanagements beschäftigte erreicht und damit eine größere Attraktivi- % % % tät der Verwaltung als Arbeitgeberin herge- Beim Werben um Berufseinsteiger und Fachkräfte ist der stellt werden. Es können mehr Menschen öffentliche Dienst gegenüber der Privatwirtschaft angesprochen werden, wodurch sich ein im Vorteil, wegen : *) 22 19 24 größerer Pool an potenziellen Beschäftig- - Sicherheit 78 82 76 - Entlohnung 13 10 14 ten eröffnet. Die Förderung und Nutzung - Arbeitsbedingungen 12 12 12 - Vielfalt und Aufstiegsmöglichkeiten 8 6 9 der vorhandenen vielfältigen Potenziale der - generelle Attraktivität 3 2 3 Beschäftigten und ein Arbeitsumfeld, das - Status 2 2 1 vom gegenseitigen Respekt geprägt ist, tra- im Nachteil, wegen: **) 55 61 50 - schlechtere Entlohnung 52 52 51 gen auch zur Steigerung der Mitarbeiter/- - nicht so vielfältig und weniger Karrieremöglichkeiten 34 37 32 innenmotivation bei und lassen damit mehr - mangelnde Flexibilität 14 13 14 - geringerer Status 13 15 12 Leistungsfähigkeit der Verwaltung erwarten. - mangelnde Kommunikation des öffentlichen Dienstes 10 8 12 - generelle Unattraktivität 8 7 9 In Bezug auf die Vergütung hat der öffent- - schlechtere Arbeitsbedingungen 8 7 8 liche Dienst als potenzieller Arbeitge- - wachsende Unsicherheit im öffentlichen Dienst 6 5 7 ber gegenüber der Privatwirtschaft meist weder noch 23 20 26 das Nachsehen. Wie viele Untersuchungen jedoch zeigen, werden von Arbeitnehmen- *) Basis: Befragte, die den öffentlichen Dienst im Vorteil sehen den so genannte „weiche Faktoren“ wie kol- **) Basis: Befragte, die den öffentlichen Dienst im Nachteil sehen legiale Arbeitsatmosphäre, Flexibilität und 21 Chancen & Vorteile
Ausschlaggebende Eigenschaften für Studierende bei ihrer Entscheidung für eine/n Arbeitgeber/-in Quelle: Kienbaum 2010: Absolventenstudie Entwicklungsmöglichkeiten 67 % Kollegiale Arbeitsatmosphäre 51 % Work-Life-Balance 42 % Vergütung 31 % Standort 25 % Zukünftige Karriereoptionen 25 % Beständigkeit des Unternehmens 15 % Respekt 13 % Ethische Prinzipien 9% Qualität des Managements 8% Leistungsprinzip 8% Professionelles Personal-Management 6% Sonstiges 2% 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Standortfaktor Vielfalt – auch für öffentliche Verwaltungen Kompetenter und flexibler Umgang mit Vielfalt und und Einrichtungen Veränderungen Der Wettbewerb um Fachkräfte spielt sich heute nicht mehr nur Wie alle Akteure auf dem Arbeitsmarkt, muss auch die Verwal- auf den lokalen und regionalen Arbeitsmärkten ab, in denen sich tung (regelmäßig) auf Veränderungen reagieren. Gerade nach einem die jeweiligen Verwaltungen befinden. Die (Wirtschafts-)Standorte Wechsel der politischen Führung gehören strukturelle Maßnahmen befinden sich insgesamt in einem zunehmenden Konkurrenzverhält- wie die Zusammenlegung von Ressorts, die Konstituierung neuer nis. Viele Studien zeigen, dass die in einem Standort gelebte Kultur (Verwaltungs-)Einheiten oder die Abschaffung von Abteilungen zu des gegenseitigen Respekts, der Gleichbehandlung und Wertschät- einer gewohnten Praxis. Diversity Management fördert einen effizi- zung von Vielfalt eine nachhaltig hohe Anziehungskraft für Menschen enten Umgang mit Veränderungssituationen sowie die Zusammen- hat, die (weiterhin) dort wohnen, arbeiten und leben möchten.13 arbeit und den Austausch von Mitarbeitenden, die unterschiedli- che Arbeitserfahrungen, Qualifikationen und Expertisen mitbringen. Verwaltungen und die Politik können durch diversity-orientierte Diese Faktoren können dem öffentlichen Dienst vor allem in Phasen Maßnahmen und Initiativen „Hand in Hand“ einen großen Beitrag der Veränderungen eine wertvolle Stütze sein. Auch im öffentlichen dazu leisten, gerade jüngere Fachkräfte am Standort zu halten, sie Dienst gilt: Je vielfältiger Arbeitsbereiche und Teams zusammenge- bei sich zu beschäftigen und Auszubildende, Studierende oder Fach- stellt sind, desto kreativer und flexibler sind und arbeiten sie. kräfte aus anderen Regionen zu gewinnen. 13 Vgl. etwa: Steinhardt/Stiller/Damelang 2008 Chancen & Vorteile 22
Bessere und bedarfsgerechtere Orientierung an die vielfältigen Bürger/-innen Diversity fördert Kooperationen mit Moderne öffentliche Verwaltungen und Einrichtungen müssen versuchen, den heterogenen vielfältigen Partnerinnen und Partnern Erwartungen und Bedürfnissen an öffentliche Dienstleistungen gerecht zu werden. Wie diese Innerhalb der öffentlichen Verwaltungen und Erwartungen und Bedarfe den Arbeitsalltag und die Planungen von öffentlichen Verwaltun- Einrichtungen, ihren Organisationseinhei- gen und Einrichtungen prägen, hängt von vielen Aspekten wie dem (in)direkten Bürger/- ten sowie den Organisationen, die der sehr innenkontakt, der Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und in den Medien sowie der personellen heterogenen Zivilgesellschaft zuzuordnen Ausstattung ab. Ziel sollte dabei sein, dass die Dienstleistungen der Verwaltungen und Ein- sind, gibt es einen sehr variablen Erfahrungs- richtungen für alle Bürger/-innen gleichermaßen zugänglich sind und genutzt werden kön- schatz hinsichtlich der Implementierung nen. Ein diversity-orientiertes Dienstleistungsverständnis ermöglicht bessere individuelle von Gleichstellungskonzepten. Diversity för- Zugänge zur Verwaltung und eine zielgerichtetere Gestaltung z.B. für Bürger/-innen unter- dert hierbei die Kooperationsfähigkeit und schiedlicher körperlicher und psychischer Befähigungen – von der barrierefreien Gestaltung Kooperationen erweitern die Handlungs- von Räumen bis hin zur barrierefreien Website. spielräume und Perspektiven der öffentli- chen Verwaltungen und Einrichtungen. Die öffentlichen Verwaltungen und Einrich- Vorteile einer Kooperation zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft tungen können dabei u.a. von der Exper- tise, den Zugängen zu den jeweiligen Ziel- gruppen – ob potenzielle Arbeitskraft oder „Kundschaft“ – und den z.T. deutlich flexi- bleren Handlungsmöglichkeiten der zivilge- Zusammenarbeit zwischen sellschaftlichen Akteurinnen/Akteure und Verwaltung und Zivilgesellschaft Organisationen profitieren. Zivilgesellschaft- liche Organisationen können wiederum z.B. von der Expertise, den Ressourcen und den Bündelung von Kompetenzen Möglichkeiten der Verwaltungen, strukturelle Veränderungen voranzutreiben, unterstützt Teilung von Ressourcen werden.14 Handlungsspielräume Dies kann in etwa so aussehen, dass Ver- eine, in der Beratung auf eine rechtliche Erweiterung der Frage stoßen, die sie nicht behandeln kön- nen, diese an eine Verwaltungseinheit wei- tergeben, die dann eine juristische Fachein- schätzung erstellt und den Handlungsbe- darf an die politische Führung meldet. Somit können wichtige Ressourcen wie Beratungs- Vertrauen, Erfahrungsaustausch und Handlungsorientierung kapazitäten, Zugang zu Ratsuchenden, juris- tisches Know-how und Bedarfsermittlung gebündelt werden. 14 Vgl.: Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2012 23 Chancen & Vorteile
Mehr Vielfalt erwünscht: Wie Sie bei der Gestaltung von Diversity Management in öffentlichen Verwaltun- gen und Einrichtungen erfolgreich sein können Eine gelingende Umsetzung von Diversity Management in öffent- lichen Verwaltungen und Einrichtungen geht grundlegend mit dem Verständnis einer querschnittspolitischen Strategie mit prozesshaf- tem Charakter einher. Einige zentrale Erfolgsstrategien können auf verschiedenen Ebenen und hinsichtlich verschiedener Zielrichtungen besonders stark dazu beizutragen, die mit Diversity Management ANDREA NAHLES, verbundenen Chancen erschliessen und nutzen zu können. BUNDESMINISTERIN FÜR ARBEIT UND SOZIALES A) Diversity Management und Führungsverant- Bundesministerium für Arbeit und Soziales wortung Es ist zunächst nicht entscheidend, woher eine erste Thematisie- „Behörden sind nicht um ihrer selbst willen da. Sie sind für rung, Impulse und erste Aktivitäten zu Diversity in öffentlichen Ver- die Menschen da, und zwar für alle Menschen. Deshalb ist es waltungen und Einrichtungen kommen. Diese können z.B. von ein- wichtig, dass sich in unserer öffentlichen Verwaltung unsere zelnen Beauftragten, Personalverantwortlichen, (Gesamt)Personal- Gesellschaft in ihrer ganzen Breite widerspiegelt. Für uns rat oder auch von außen von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ganz klar: bzw. Akteurinnen und Akteuren erfolgen (bottom-up). Für einen län- Jeder und jede Beschäftigte erfährt die gleiche Wertschät- gerfristig erfolgreichen Veränderungsprozess ist allerdings die ein- zung und hat die gleichen Aufstiegschancen. Mit verschiede- deutig erkennbare und dauerhafte Führungsverantwortung der Ver- nen Initiativen fördern wir die soziale Vielfalt unserer Beleg- waltungs- bzw. Einrichtungsleitung und/oder der politisch Verant- schaft ganz gezielt: Wir erhöhen z.B. den Frauenanteil auf wortlichen unabdingbar (top-down). Ein hohes Maß an klarer Füh- allen Führungsebenen, auf denen sie unterrepräsentiert sind. rungsverantwortung sichert die Verbindlichkeit und die notwendigen Wir haben einen hauseigenen Aktionsplan entwickelt, mit Ressourcen in der Umsetzung. Mit der Unterzeichnung der Charta dem wir die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen. der Vielfalt kann diese Führungsverantwortung symbolisch deutlich Wir haben familienfreundliche und lebensphasengerech- gemacht werden. Weitere Möglichkeiten sind die Verankerung von tere Arbeitszeitregelungen entwickelt. Bei Stellenausschrei- Diversity im Leitbild oder der Abschluss einer Dienstvereinbarung bungen bemühen wir uns ausdrücklich um Bewerber/-innen „Chancengleichheit und Vielfalt“. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 33. aller Nationalitäten. Unser Ziel ist: gute Arbeit für die Men- schen leisten, indem wir Vielfalt im Kleinen vorleben.“ Erfolgsfaktoren 24
B) Diversity Management und vielfältige und interkulturellen Kompetenzen oder das Infragestellen, ob für Mitarbeiter/-innen jede Stelle tatsächlich perfekte Deutschkenntnisse oder uneinge- Sichtweisen ändern schränkte zeitliche Verfügbarkeit erforderlich sind, können diesen In Deutschland wird weiterhin im Gegensatz zu Ländern wie etwa Perspektivwechsel einleiten. Weitere Aktivitäten für eine veränderte dem Vereinigten Königreich sehr viel Wert auf formale und zer- Personalgewinnung und -entwicklung finden Sie ab Seite 30. tifzierte Qualifikationen gelegt. Auch die Sprache („Amtssprache Deutsch“) wird hierzulande viel stärker als Entscheidungskriterium Differenzierte Angebote gesehen. Die aufgrund der demografischen Herausforderungen drin- Menschen haben in ihrer Arbeits- und Lebensgestaltung sehr unter- gend notwendigen Veränderungen im Personalmanagement anzu- schiedliche Voraussetzungen, Bedingungen und Bedürfnisse, die sich stossen, erfordert vor dem Hintergrund von oft noch recht homo- je nach Lebensphasen und -situationen auch immer wieder verän- genen Organisationskulturen vor allem viel Mut, neue Sichtwei- dern. Diversity Management versucht, auf die jeweiligen Bedarfe sen zu entwickeln und umzusetzen. Ein anderer Blick auf Qualifika- unterschiedlicher Mitarbeiter/-innen mit einer entsprechend flexib- tionen, der eher kompetenzbasiert als nur auf formale Nachweise len, dynamischen und differenzierten Angebotspalette einzugehen. ausgerichtet ist, eine stärkere Gewichtung von Mehrsprachigkeit Überlegen Sie, wie ein entsprechendes Gesamtkonzept für Ihre Insti- tution aussehen könnte. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 35. C) Diversity Management und Kundenorientierung für vielfältige Bürger/-innen In vielen Studien oder Befragungen von öffentlichen Verwaltungen/ Einrichtungen und Unternehmen zu den positiven Effekten ihres DR. PETER KURZ, Diversity Managements steht die konkrete Verbesserung der Service- OBERBÜRGERMEISTER qualität und der Kundenzufriedenheit vielfältiger Bürger/-innen weit Stadt Mannheim oben bei den erreichten Zielen.15 Die verbesserte Kundenorientie- rung und ein diversity-orientiertes Dienstleistungsverständnis sor- „Mannheim ist eine bunte Stadt, die die Vielfalt der Men- gen nicht zuletzt vor dem Hintergrund oft knapper Kassen für einen schen, die hier leben, bewusst wahrnimmt und als beson- effizienteren Ressourceneinsatz. Um die Erwartungen und Bedürf- deren Reichtum wertschätzt. Wir möchten die Vielfalt der nisse vielfältiger Bürger/-innen noch besser einschätzen und bedie- Menschen, die in Mannheim leben, auch in der Beschäftig- nen zu können, verhelfen entsprechende Kundinnen- bzw. Kunden- tenstruktur der Stadtverwaltung auf allen Ebenen repräsen- befragungen sowie die Einbeziehung von Milieustudien und Bevölke- tieren. rungsstrukturanalysen (im Hinblick etwa auf Alter, Geschlecht, eth- nische Herkunft/Nationalitäten, soziale Schichtung, Sprachen und Die erfolgreiche Gestaltung des Zusammenlebens und der weitere Faktoren) oft zu hilfreichen Informationen. Der Austausch Zusammenarbeit in dieser Vielfalt ist wesentlich für die und die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt und daher ein wichtiges die Interessen verschiedener Diversity-Dimensionen vertreten ist Thema für die Führungskräfte und das Personalmanage- auch hier sehr wertvoll. Weitere Möglichkeiten sind etwa, eine an ment unserer Verwaltung. Es geht uns darum, ein Klima der den Diversity-Dimensionen orientierte Struktur auf den Services- Offenheit und der respektvollen Toleranz zu fördern, um die eiten der eigenen Website anzulegen und dazugehörige Feedback- Potentiale und Möglichkeiten, die in der Vielfalt der Mitar- Boxen einzurichten, um die Kommentare, Kritik und vor allem guten beiterinnen und Mitarbeiter liegen, zu erschließen und sie Ideen vielfältiger Bürger/-innen besser einbeziehen zu können. zum Vorteil der Beschäftigten, der Stadtverwaltung und der Stadtgesellschaft einzusetzen.“ 15 Vgl.: So gaben dies etwa 64 % der befragten Organisationen einer EU-Studie (Archibong 2009) an. 25 Erfolgsfaktoren
Sie können auch lesen