TIERVERSUCHE an der Uni Bielefeld - AG gegen Tierversuche
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TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Inhalt Einführung Geheimhaltung, Irreführung und Ermüdungstaktik Informationssuche an der Uni Bielefeld: Was Sie in den Händen halten, ist das Ergebnis intensiver Ein Gespräch mit dem Forschungsbeauftragten 3 Recherchen zu den Tierversuchen, die an der Uni Bielefeld Der Uni auf ihre Zähne gefühlt im Rahmen der Forschung durchgeführt, oder den Studie- Umfassende Anfragen: Der Versuch renden abverlangt werden. Auch vom Maushaus, jenem alle Tierversuche aufzuspüren 7 3 Millionen Euro schweren Gebäude zwischen dem Biolo- Punktuelle Einblicke gietrakt der Universität und den Sportplätzen, möchten wir Gespräch mit den Leitern der Ihnen ein Bild vermitteln. Diese Broschüre versteht sich als Verhaltensforschung und Evolutionsbiologie 10 Beitrag zu einer kritischen Diskussion um Tierversuche, die Um mal ans Tier zu kommen so oft – ohne Präsentation grundlegender Informationen, Tierversuche im Studium der Biologie welche die Bildung einer fundierten Meinung ermögli- und Umweltwissenschaften 14 chen könnten – als notwendiges Übel hingestellt werden. Sie werden schnell feststellen, dass wir Ihnen bei weitem Hinter fensterlosen Wänden Erlebnisbericht von einer keine umfassenden Informationen liefern können. Auf Exklusiv-Führung im Maushaus 16 beabsichtigte und unbeabsichtigte Widerstände seitens der Tradition zu stoßen, liegt in der Natur von aufklärerischer Beispiele für Tierversuche an der Uni Bielefeld 18 und politischer Arbeit. Die Texte in dieser Broschüre fassen unsere ersten Erkenntnisse und Schritte in Richtung mehr Beschluss des Studierendenparlaments Transparenz zusammen, wie sie von uns und mehr als 2500 und Reaktion des Rektorats 20 Bürgerinnen und Bürgern auch für die Universität Bielefeld Nachwort 23 gefordert wird.
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Seit geraumer Zeit versucht die AG gegen Tierversuche Einzelheiten über die an der Universität durchgeführten Tierversuche in Erfah- Geheimhaltung, rung zu bringen. Den Anfang machten persönliche Anfragen an das Rektorat, die jedoch nicht beantwortet wurden. Der AG wurde Irreführung und schließlich ein Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Timmermann angebo- ten. In diesem Gespräch mit zwei AG-Mitgliedern äußerte der Rek- tor jedoch, dass ihn die Problematik der Tierversuche nicht interes- Ermüdungstaktik siere, da diese Dinge „nicht über seinen Schreibtisch gingen“. Es stellt sich die Frage, warum dann überhaupt ein Gespräch geführt Informationssuche an der Uni werden sollte, musste ihm diese Tatsache doch vorher klar gewe- Bielefeld: Ein Gespräch mit dem sen sein. Forschungsbeauftragten Herr Timmermann nannte Herrn Prof. Dr. Egelhaaf, Inhaber des Lehrstuhls für Neurobiologie, als Forschungsbeauftragten, der in der Lage sein sollte, unsere Fragen zum Thema Tierversuche zu be- antworten. An diesen richtete die AG folgende Anfrage: 1. In welchen Fachbereichen der Universität Bielefeld werden Tierversuche durchgeführt? 2. Welche Tierarten werden dafür benutzt und wie viele Individuen jeder Tierart werden pro Jahr benutzt? Wie hoch sind die jewei- ligen Tierzahlen für die Jahre 2000 bis 2005? 3. Nennen Sie uns bitte die Quellen, anhand derer wir uns unbürokratisch einen Überblick über sämtliche an der Universität Bielefeld durchgeführten Tierversuche von 2000 bis 2005 machen können. Ablauf, Erkenntnisse, nachweislicher Nutzen für die Gesundheit des Menschen?
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD 3. a) Sind alle an der Universität Biele- Versuchsprotokollen zu ergeben hat, unterliegen. Mit dem stereotyp wieder- feld durchgeführten Tierversuche in abgeglichen werden. Auch darüber holten Verweis auf Gesetze, Genehmi- der „Forschungsdatenbank“ erfasst? hätten wir gern die entsprechenden gungen und scheinbar Qualifiziertere Wer kann uns helfen, diese dort zu Informationen. (Prüfer_innen, Gesetzeshüter_innen, Tier- finden? 8. Müssen Tierexperimentator_innen alle ärzt_innen) wich er konkreten Fragen 4. Wie gestalten sich die laufenden ihre Versuche veröffentlichen? Gilt das konsequent aus. Der Stand der Infor- Kosten für die einzelnen Versuche, auch für jene Versuche, deren Aus- mationen war nach sechs Anfragen und Tierhaltung, Tierpfleger_innen etc? gang für die Wissenschaftswelt un- fünf Antworten weitgehend der gleiche, Wie hoch waren die anteiligen Kosten ergiebig verlief, die zu einem uner- wie zu Beginn der Kommunikation. Und in den Jahren 2000 bis 2005? wünschten Ergebnis geführt haben, das, obwohl bereits mehr als 1400 Unter- 5. Wir möchten Tierversuche der ver- oder deren Versuchskonzept sich als zeichnende die Forderung nach Transpa- schiedenen Belastungskategorien beo- unpraktikabel, fehlerträchtig oder renz bei Tierversuchen unterstützten. bachten. Wann und wo ist das anderweitig angreifbar heraus ge- Herr Egelhaaf verwies auch darauf, möglich? stellt hat? aus Datenschutzgründen „nicht alle“ ge- 6. Um die Aussagekraft der Tierversu- wünschten Auskünfte geben zu können, che nachvollziehen zu können, muss Herr Egelhaaf gab sich zunächst entge- was im Widerspruch zum „über alle […] man die Formulierung in den Ver- genkommend und sah „keinen Grund, Aspekte offen […] reden“ steht. Er kün- suchsanträgen zu den Versuchser- nicht über alle damit zusammen hän- digte an, weitere Informationen in einem gebnissen und dem tatsächlichen genden Aspekte offen zu reden“. So persönlichen Gespräch geben zu wollen. praktischen Nutzen der Versuche ins nannte er etwa beispielhaft einige Tier- Allerdings bestehe für Tierexperimenta- Verhältnis setzen. Wir bitten Sie um arten, bezeichnete als unmöglich, den toren keine Auskunftspflicht gegenüber die entsprechenden Daten in den Ver- Nutzen von Tierversuchen einem nicht dem Bürger. Die AG erwartet jedoch ver- suchsanträgen. belesenen Laien transparent zu machen, wertbare, d.h. dokumentierte und zitier- 7. Um überprüfen zu können, ob der hielt es für schwierig, Kosten zu erfassen fähige Auskunft. Sie sieht ihre Aufgabe Leidensgrad der Tiere korrekt ange- oder verwies auf die Forschungsdaten- darin, der Geheimhaltung von Tierversu- geben wurde, muss der im Antrag for- bank der Universität. Immer wieder wies chen und ihrer Hintergründe entgegen- mulierte mit dem tatsächlichen Lei- er darauf hin, dass alle Tierversuche ge- zuwirken, da der Status quo den Prin- densgrad, welcher sich aus den nehmigt werden müssen und Kontrollen zipien einer freiheitlich-demokratischen
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Gespräch vor. Was nicht speziell seine persönlichen Versuche an Fruchtfliegen betraf, sollten wir zumeist seine Kollegen und Kolleginnen fragen. Zur Frage, wie es sich mit der Ver- öffentlichung unliebsamer Tierversuchs- ergebnisse und misslungener Versuchs- konzepte verhalte, gab Herr Egelhaaf dann allerdings vor, genau zu wissen, dass Tierexperimentator_innen ihre Ver- suche nicht aus Eigeninteresse zurückhal- Das Gebäude der „Verhaltensforschung“ (VHF) oberhalb der Universität. ten. Folgende einfache und wahre Ant- Hier werden Versuche unterschiedlicher Art durchgeführt, neben Verhaltens- wort brachte er nicht über die Lippen: experimenten zum Beispiel auch toxikologische Forschung. Die Veröffentlichung von Tierversuchen liegt in der Hand der Tierexperimenta- Grundordnung widerspricht. Den Bür- Zu dem schließlich vereinbarten tor_innen; Misserfolge können zurück- ger_innen werden essentielle Informa- Gespräch erschien Herr Egelhaaf ent- gehalten werden. Diese Tatsache ist des- tionen über Tierversuche konsequent weder völlig unvorbereitet oder die Be- halb von so entscheidender Bedeutung, vorenthalten, obwohl sie als Steuerzah- hauptung, unserem Informationsbedürf- da sie die Basis dafür bildet, dass Nut- ler_innen regelmäßig in Milliardenhö- nis in einem persönlichen Gespräch zen, Schaden und Kosten von Tierversu- he dafür zur Kasse gebeten werden. Die nachkommen zu wollen, war von vorn- chen noch nie geprüft wurden. Deshalb Propaganda für Tierversuche wird mit herein eine Farce. Auf der einen Seite stellen Aussagen wie „Tierversuche sind Bürgergeld finanziert. Tierversuchsgeg- betonte er immer wieder seine Ge- notwendig“ unhaltbare und willkürliche ner_innen hingegen sind auf freiwillige sprächsbereitschaft, auf der anderen Sei- Behauptungen derjenigen dar, die da- Spenden angewiesen. Propaganda für te dürfe oder könne er zu vielen Dingen von profitieren, weil sie zum Beispiel ihre Tierversuche schürt geschickt die Angst nichts sagen, müsse – trotz vorheriger Karriere auf Tierversuchen gründen. vor Krankheit und Tod, denn verängstig- Kenntnis der Fragen – noch einmal Zentral war auch die Äußerung „da te Menschen stellen keine Fragen. nachgucken, und schlüge ein erneutes ist Forschung ohne Tierversuche schwie-
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD rig“. Triviale Lösungen werden von ei- an Informationen aus erster Hand und reiche wie unseriöse Strategie, die auch ner Universität aber selten erwartet. Die am Austausch von Argumenten. Die AG in verschiedenen politischen Kreisen üb- Tierexperimentator_innen der Universi- gegen Tierversuche beschimpfe viel- lich ist. Der bekannte und in der Regel tät ziehen es jedoch vor den einfacheren, mehr den vermeintlichen Gegner und erwünschte Nebeneffekt dabei ist, dass leider mit Qualen und Tod für viele Tiere leiere Argumente und Vorurteile herun- das Gegenüber ermüdet und seine Zeit verbundenen Weg zu wählen, und „das ter, ohne die andere Seite anzuhören. gebunden wird, damit es schließlich auf- unentdeckte Land“ tierfreier Methoden Dieses Urteil fällte Herr Ziesenis, ohne je- gibt. Denn alle Anfragen und Gespräche, unbetreten zu lassen. Wir hätten von mals Kontakt zu der AG aufgenommen sowie das gesamte Engagement für Tiere einer Institution, die Millionen von Steu- zu haben. Die Bitte eines AG-Mitgliedes, muss von Tierversuchsgegner_innen, in ergeldern für die biologische Grund- Tierversuchen der verschiedenen Belas- diesem Fall den Studierenden, ehren- lagenforschung erhält und Elitestatus tungskategorien beiwohnen zu dürfen, amtlich und neben Studium und Job ge- anstrebt, erwartet, dass sie „schwierigen“ wurde von ihm nicht beantwortet. Erst leistet werden, während die Universitäts Aufgaben nicht ausweicht. Gleichzeitig an dieser Stelle wich auch er auf das bediensteten für ihre Zeit auf Staatskos- wird eine Erfolgskontrolle verweigert, Angebot eines jener beliebten „Ge- ten entlohnt werden. wie sie in nahezu jedem anderen Bereich spräche“ aus. Dieselbe Taktik fiel auch menschlichen Handelns selbstverständ- bei weiteren Wissenschaftler_innen auf, Wie weit darf das Grundrecht auf lich ist. denen identische Anfragen vorlagen. Forschungsfreiheit strapaziert werden, Es scheint, dass Herr Prof. Dr. Egel- wenn es auf andere elementare Grund- haaf es weder für nötig hielt, sich auf Strategie der Universität in Sachen Tier- rechte und Pflichten stößt? Wir sehen das Gespräch vorzubereiten, noch ernst- versuche ist offenbar auf der Steuer- nicht den geringsten Anlass, Disziplinen haft vorhatte, die gestellten Fragen zu zahler_innen Kosten Gespräche ohne mit einem solchen Gefahrenpotential, beantworten. Abschließend sei noch Inhalt zu führen, wobei von vornher- wie es die Lebenswissenschaften be- erwähnt, dass Herr Dr. Ziesenis, Tierarzt ein klar ist, dass diese keine Antworten sitzen, die soviel Geld für beispiellose und Leiter des zentralen Tierhauses, im erhalten, was bloß nach Möglichkeit Grausamkeiten gegen leidensfähige Anschluss an eine Pro-Tierversuchsver- nicht auffallen soll. Vielmehr soll Offen- Lebewesen erhalten, irgendeinen Ver- anstaltung an einem Bielefelder Gym- heit vorgegeben und der Anschein von trauensvorsprung zu gewähren und von nasium einer Schülerin schrieb, die AG Auskunftsbereitschaft erweckt werden, Transparenz zu entbinden. gegen Tierversuche habe kein Interesse ohne etwas zu sagen – eine so erfolg-
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Wie erwartet verneinten die angeschrie- benen Vertreter der meisten Fakultäten beide obigen Fragen. Allerdings keines- wegs ohne Ausnahme: Herr Prof. Dr. Carstens (Dekan Mathema- Der Uni auf ihre Zähne gefühlt tik), Frau Siedlaczek (Dekanin Physik), Frau Prof. Dr. Fischer von Mollard und Umfassende Anfragen: Herr Prof. Dr. Dierks (Fakultät Chemie), sowie Herr Prof. Dr. Trockel (Institut für Der Versuch alle Tierversuche aufzuspüren mathematische Wirtschaftswissenschaf- Nachdem Herr Prof. Egelhaaf im Gespräch mit der AG jegliche Verantwortung zur ten) schickten auch nach einer zweiten Auskunft an seine Kolleg_innen übertrug und auch von keiner Fakultät mit Sicherheit E-Mail keine Antwort. sagen konnte, dass sie keine Tierversuche mache, blieb uns nichts anderes übrig als Sowohl Herr Prof. Dr. Carrier (Abteilungs- nachzuhaken – was wir umfassend getan haben. sprecher Philosophie) als auch Herr Möl- ler (i.A.v. Herrn Prof. Dr. Beckermann, Wir wandten uns mit den folgenden Fragen an jede Fakultät, Abteilung und eigen- Dekanat Geschichte) und schließlich ständige Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Uni Bielefeld: Frau Bodek (Cor-Lab) gaben uns zwar zu verstehen, dass sie keine Tierversuche Wurden an Ihrer Fakultät im Jahr 2007 im Rahmen der Forschung oder der Lehre durchführen, schlossen jedoch Unter- in irgendeiner Weise Tiere eingesetzt oder ist der Einsatz von Tieren für die stützungen oder Kooperationen mit an- Zukunft geplant? deren Einrichtungen nicht explizit aus. Auf eine spezifische Nachfrage erhielten Kooperiert Ihre Fakultät mit tierexperimentellen Projekten anderer Fakultäten, wir wiederum keine Antwort. Auch die Abteilungen oder sonstiger, auch nicht-universitärer, Einrichtungen, bzw. fördert Technische Fakultät ging nach mehreren solche in irgendeiner Weise? E-Mails nicht auf den Aspekt der Unter- stützung ein. Lediglich die Fakultäten der Biologie und Chemie, von denen bekannt ist, dass sie Nun mögen Tierversuche im Zusam- Tierversuche durchführen, erhielten einen differenzierteren Fragenkatalog. menhang mit einigen der aufgeführten
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Fakultäten unwahrscheinlich anmuten, ein zweiter Blick re- lativiert das jedoch. So gehört beispielsweise der Studi- engang „Bioinformatik und Genomforschung“ zwar zur technischen Fakultät, es besteht jedoch eine Kooperati- on mit der Fakultät der Biologie. Die Philosophie ist an den Ergebnissen moderner Hirnforschung interessiert. Und Bewe- gungen von Robotern (Cor-Lab) werden oft dem Tiermodell nachempfunden. Wir möchten an dieser Stelle niemanden an den Pranger stel- len, wir lassen lediglich die erhaltenen und insbesondere die nicht erhaltenen Auskünfte für sich sprechen. Da wir bereits darüber informiert waren, dass an der bio- logischen Fakultät Tierversuche durchgeführt werden, wand- ten wir uns mit gezielten Fragen an die Zuständigen der ein- zelnen Arbeitsbereiche. Wir fragten unter anderem nach den Tierarten, der Zahl der Tiere, den genauen Beschreibungen und Belastungskategorien der Versuche, ihrem Nutzen und der Möglichkeit für AG-Mitglieder, einzelnen Experimenten beo- bachtend beizuwohnen. Viele Arbeitsbereiche gaben an, tierversuchsfrei zu forschen, so die Genomforschung, experimentelle Ökologie, Zellbiologie und Genetik (genauer: alle Arbeitsbereiche der biologischen Fakultät, die im folgenden Text nicht unter „fehlende Aus- kunft“ oder „Angabe zu Tierversuchen“ aufgeführt werden). Angeschriebene Vertreter_innen der Arbeitseinheiten Algen- Biotechnologie, Theoretische Biologie / biologische Cybernetik, Junge Meerschweinchen in der Haltung der Verhaltens- biochemische Zellbiologie und Gentechnologie & Mikrobiolo- forschung. Die Tiere suchen Zuflucht unter einem einzigen gie hüllten sich in Schweigen. Unterschlupf. Es ist aufgrund der eingegangenen Rückmeldungen klar, dass
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Zu Ausbildungszwecken: Eines der Aquarien der Biologie. in den folgenden Arbeitsbereichen Expe- vorschlag unsererseits wurde leider nur migungspflichtigen Tierversuche beant- rimente an Tieren durchgeführt werden: von zweien der Verantwortlichen wahr- wortet wurde. Diese umfassen keinerlei Von der Biologiedidaktik wurden im genommen und wird im folgenden Bei- Experimente an Wirbellosen und auch Zusammenhang mit Schülerarbeit die trag ausführlicher dargestellt. Vonseiten nicht jede Art von Versuchen im weiteren Haltung und Beobachtung von „nie- der Tierökologie wurden Experimente an Sinne, wie die oben erwähnten Schüler- deren Meerestieren“, Hummern und Fi- Nematoden und Futterwahlversuche an projekte, die nur Haltung und Pflege be- schen, Bartagamen, Meerschweinchen Gründlingen und anderen Fischen ange- inhalten. und Mäusen genannt. führt. In mehreren Fällen wurde auf die So haben wir über das Ausschlussver- Die Verhaltensforschung, Evolutions- Genehmigungspflicht der Tierversuche fahren bereits einige potentielle Quellen biologie und die chemische Ökologie durch die Tierversuchskommission ver- von Tierversuchen abgehakt, sind von führen Tierversuche durch und signali- wiesen. der Transparenz über alle an der Uni in sierten Gesprächsbereitschaft, eine Be- Insgesamt muss angenommen wer- der Vergangenheit, gegenwärtig und zu- antwortung der Fragen erfolgte an dieser den, dass unsere Anfrage in vielen Fällen künftig durchgeführten Tierexperimente Stelle jedoch nicht. Ein Gesprächstermin- auch lediglich hinsichtlich dieser geneh- jedoch noch weit entfernt.
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Welche Tierarten wurden im Jahr 2007 an der Universität (zu For- schungszwecken) eingesetzt? Trillmich: Im Bereich der Verhaltensforschung hauptsächlich Meer- schweinchen, Feldmäuse und Zebrafinken, einige Fische und auch Gerbils (Rennmäuse) und Kerodons (wilde Meerschweinchen) zur Punktuelle Einblicke Ausbildung der Zootierpfleger. Reinhold: Im Bereich der Evolutionsbiologie hauptsächlich Heu- Gespräch mit den Leitern der schrecken und Saitenwürmer aber auch Wachsmotten im Rahmen einer Doktorarbeit. Verhaltensforschung und Evolutionsbiologie Derzeit werde auch eine (geliehene) Ratte als Vorversuchsobjekt für eine Arbeit bezüglich Risikobewertung/einschätzung gehalten. Herr Prof. Dr. Trillmich (Verhaltensforschung) und Herr Prof. Dr. Reinhold (Evolutionsbiologie) Wie viele Individuen der genannten Tierarten kamen im Jahr 2007 in erklärten sich zu einem Gespräch mit uns bereit, Versuchen zum Einsatz? um unsere Fragen zu beantworten. Dieses Trillmich: Derzeit werden an der Universität im Bereich der Verhal- Gespräch stellen wir im Folgenden zusammen- tensforschung circa 120 ausgewachsene Meerschweinchen gehal- gefasst dar. Herr Trillmich wie Herr Reinhold ten; hierbei handelt es sich etwa zur Hälfte um Wildmeerschwein- beurteilten die abgedruckte Wiedergabe als chen und Hausmeerschweinchen. Hauptsächlich werde an der zutreffend. Universität selbst gezüchtet, jedoch kämen gelegentlich auch eini- ge „frische“ Tiere aus Südamerika hinzu, um eine genetische Dege- neration zu verhindern. Auch glatthaarige Tiere aus deutschen Zoo- handlungen kämen gelegentlich hinzu. Ebenso werden im Bereich der Verhaltensforschung circa 300 bis 400 Finken gehalten, die vor Ort selbst gezüchtet werden. In geringerer Anzahl von unter 10 Individuen werden auch Fische gehalten, wobei die Anzahl hierbei stark variieren könne. Genutzt werden circa 50-70 % des Bestandes der jeweiligen Ver- suchstiere pro Versuch. 10
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Reinhold: Im Bereich der Evolutionsbiologie werden circa 100 Trillmich: Im Bereich der Verhaltensforschung werden Ver- bis 500 Heuschrecken gehalten, wobei die Anzahl stark von der suche hinsichtlich Mutter-Kind-Kommunikation als auch Kind- Saison abhinge. Kind-Kommunikation bei Meerschweinchen durchgeführt. Des Weiteren werden noch circa 600 bis 6000 Wachsmotten Außerdem Versuche zur Beeinflussung des Zeitpunkts der Ge- gehalten, wobei es auch hier eine starke Variabilität der An- schlechtsreife bei Wildmeerschweinchen. zahl gebe. Reinhold: Im Bereich der Evolutionsbiologie werde sexuelle Se- lektion und Kommunikation unter Heuschrecken untersucht, Beschreiben Sie bitte konkret alle Tierversuche, die im Jahr 2007 wobei den Tieren künstlich akustische Signale von Artgenos- an der Universität Bielefeld in Ihren Fachbereichen begonnen sen vorgespielt werden, um zu beobachten wie die Tiere da- und abgeschlossen wurden oder derzeit noch laufen. rauf reagieren. Reinhold/Trillmich: Sämtliche Tierversuche an der Universität Die bereits erwähnte Ratte werde in einem Käfig gehalten, können in der Universitätsbibliothek eingesehen werden, da in dem zwei Apparaturen zur Nahrungsaufnahme angebracht jeder Tierversuch dokumentiert werde. sind. Eine gibt durch Aktivierung immer die gleiche Menge an Futter, die andere dagegen mehr, jedoch nicht bei jeder Akti- Es können aber doch nur solche Tierversuche eingesehen wer- vierung. Dadurch soll getestet werden, ob die Ratte das Risiko den, die im Rahmen einer erfolgreichen Arbeit durchgeführt der Nahrungsaufnahme kalkuliert. Allerdings sei das nur ein wurden. Denn nur diese Arbeiten werden ja am Ende auch pu- Vorversuch, ob diese Art des Versuchs überhaupt funktioniere. bliziert. Bisheriges Ergebnis des Vorversuchs sei einzig, dass die Appara- Reinhold/Trillmich: Es sei zutreffend, dass „schlecht gemachte“ tur noch nicht funktioniere. oder ergebnislose Versuche nicht veröffentlicht werden. Au- ßerdem würden vor jedem Versuch Vorversuche gemacht, die Wie läuft die Genehmigung von Tierversuchen an der Univer- i.d.R. genau so ablaufen wie die Versuche der eigentlichen Ar- sität ab? Welche Rolle spielen die Tierschutzbeauftragten der beit, um zu testen, ob diese Art von Versuch überhaupt mit die- Universität dabei? sem Versuchstier funktioniert. Die Anzahl der dabei verwen- Trillmich: Der Antrag für einen Tierversuch werde den Tier- deten Tiere werde nicht publiziert und müsse sich zu jedem schutzbeauftragten der Universität vorgelegt, welche dazu veröffentlichten Versuch, als auch jedem unveröffentlichten, Stellung beziehen und ihn weiter zum Kanzler der Uni leiten. „dazugedacht“ werden. Dieser leitet den Antrag dann zum Regierungspräsidium wei- ter, welches über die Genehmigung entscheidet. 11
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Was passiert mit den Tieren, wenn sie nicht mehr für Versuche auch nicht vornehmen, da er diese mit seinem Gewissen nicht eingesetzt werden? vereinbaren könne. Grundsätzlich aber würden die individu- Reinhold/Trillmich: Die Tiere werden mit CO2-Gas getötet; Heu- ellen Grenzen jedes Menschen, hinsichtlich seiner ethischen schrecken werden dagegen in Alkohol getränkt oder eingefro- Einstellung, differieren. Er habe dabei höchsten Respekt für ren um ihre DNA zu konservieren. die Personen, die Versuche vornehmen, die er selbst mit seinem Trillmich: Teilweise nehmen Studenten Versuchstiere z.B. Mäu- Gewissen nicht vereinbaren könne. se, die sonst eingeschläfert würden, mit. Alle Versuchstiere wür- den generell, wenn der Versuch es zuließe und sich ein Abneh- Es ist aber doch so, dass ein Großteil der Menschen Tierver- mer fände, abgegeben und somit auch nicht eingeschläfert. suche nur dann als gerechtfertigt erachtet, wenn sich daraus ein erkennbarer Nutzen für die Menschheit ableiten lässt, wie Welcher konkret erfassbare Nutzen ist aus den Tierversuchen, zum Beispiel bei der Bekämpfung von gefährlichen Krank- die Sie bisher in ihren Arbeitsbereichen durchgeführt haben, heiten. Auch wenn die AG gegen Tierversuche diese Meinung hervorgegangen? nicht teilt, ändert das ja nichts an der Tatsache, dass dieses In- Reinhold/Trillmich: Diese Frage sei grundsätzlich schwer zu be- teresse allgemein besteht. Daher würden wir gerne wissen, ob antworten, da beide in der Grundlagenforschung tätig seien Sie irgendeinen praktischen Nutzen ihrer Tierversuche nachwei- und hierbei nur schwer ein tatsächlicher, direkter Nutzen ab- sen können? zuleiten sei. Reinhold/Trillmich: Es sei, wie bereits erwähnt, nur sehr schwer Trillmich: Das angestrebte Ergebnis dieser Art von Versuchen möglich einen praktischen Nutzen von Tierversuchen im Rah- sei es Verhalten von bestimmten Tieren besser zu verstehen men der Grundlagenforschung abzuleiten. Hier gehe es um und somit auch die evolutionären Schritte, die zu diesem Ver- prinzipiellen Erkenntnisgewinn, wobei diese Ergebnisse auch halten geführt haben. einmal dazu führen könnten, bestimmte Krankheiten zu ku- rieren. So könnte beispielsweise die Erforschung der Lungen- Sind die Ergebnisse dieser Tierversuche anwendbar? tätigkeit beim Tauchen von bestimmten Robbenarten vielleicht Reinhold/Trillmich: Die Ergebnisse dienen eher dem Erkennt- eines Tages dazu führen, das Auftreten von Herzinfarkten bes- nisgewinn und sind nicht primär auf eine mögliche Anwend- ser zu verstehen und die Behandlung somit zu verbessern. barkeit ausgerichtet. Trillmich: Er verstehe warum wir ein Problem mit bestimmten Wann und wo können wir uns Versuche der verschiedenen Be- Versuchen an Tieren hätten, er selbst würde invasive Versuche lastungskategorien ansehen? 12
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Reinhold/Trillmich: Es sei möglich die Haltungsbedingungen zu begutachten, jedoch sei es nicht möglich bei Versuchen anwesend zu sein, da man dann die Ex- perimentatoren stören und den gesam- ten Versuch gefährden würde. Hierfür wurde um Verständnis gebeten. Anmerkungen Die erhaltenen Angaben sind auf den Zuständigkeitsbereich der Befragten begrenzt. Angaben zu Versuchen sind Ein- zelbeispiele. Die gewünschte umfassende Auf- listung wurde nicht gegeben. Von dem Angebot die Haltungs- bedingungen zu besichtigen ha- ben wir Gebrauch gemacht. Die abgedruckten Bilder zeugen da- von. Die Versuche selbst bleiben Versuchsgelände, in dem erforscht werden soll, wie Populationen unterschied- jedoch unzugänglich und damit licher Mäuse auf die Gegenwart der anderen reagieren. Auswanderung ausge- intransparent. schlossen: mit seinen vielleicht 3 x 4 Metern begrenzt das Gehege die Möglich- keiten sehr eindeutig. 13
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Um mal ans Tier zu kommen Tierversuche im Studium der Biologie und Umweltwissenschaften Wer Biologie studieren will, kommt um Tierversuche nicht herum? Nicht ganz korrekt – man kann die aktive Teilnahme an den einzelnen Experimenten ver- weigern, in der Regel bleibt einem jedoch die Anwesenheit bei den von Kommiliton_innen durchgeführten Versuchen nicht erspart. Während der so genannten Bachelor-Basis- und Aufbau-Module begegnet man dabei Praktikumssituationen wie diesen: 1. Praktikum zur Tierphysiologie Abhängigkeit der Herzschlagfrequenz ohnehin keine Chance auf ein Weiterle- ben mehr hätten. testet (Laufen entlang der Kreisbahn). Einige Ameisen werden auf Eis gestellt von der Umgebungstemperatur (Hinweis der Dozenten_innen: nicht zu • Versuch mit einer Daphnie Der Wasserfloh wird mit Vaseline an einen Objektträger geklebt und unterschiedlich 2. Praktikum zur chemischen Ökologie • Pheromonspurfolge bei Ameisen lange, sonst erfrieren sie), jeweils der linke oder rechte Fühler wird amputiert, der Spurfolgetest wird wiederholt (funk- temperiertem Wasser ausgesetzt (Hinweis Bereits getötete Ameisen werden in tioniert das dann immer noch?). der Dozent_innen: nehmt kein zu heißes Kopf und Hinterleib getrennt, von je Einige Ameisenfühler werden mit Nagel- Wasser, das vertragen sie nicht so gut!), ca. 10 Köpfen und Gastern werden Ho- lack überkreuz verklebt, der Spurfolge- der Herzschlag wird durch das Mikroskop mogenisate hergestellt, die auf ein mit test wird wiederholt verfolgt und aufgezeichnet. Am Schluss einem Kreis bedrucktes Papier gestrichen des Versuches werden alle Daphnien, die werden. Lebende Ameisen werden nun • tierische Abwehr mit Larvensekret ihn überlebt haben (denkbar wenige) ge- nacheinander in vorgegebener Zeit auf Larven vom Meerrettichblattkäfer wer- tötet, da sie ihm vaselinisierten Zustand arteigene und artfremde Spurfolge ge- den auf einem Viertel eines auf Din-A4 14
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD gedruckten Kreises ausgequetscht, das Larvensekret bleibt auf dem Papier (Hin- weis: Nur ein bisschen Zwicken, die Larve nicht zerquetschen…). Es wird getestet, ob das Sekret auf Prädatoren (Ameisen), adulte Meerrettichblattkäfer oder an- dere Larven anziehend oder abstoßend wirkt. • Futterverwertung Diese riesigen Käfiganlagen Eine Rübselblattwespe wird auf unter- stehen leer. schiedlich gefärbten Futterpflanzen Sehr zum bestimmte Zeitabschnitte lang fressen Bedauern gelassen, dann tiefgekühlt und aufge- manches Bio- schnitten: Die Wanderungsgeschwin- logen. digkeit der Nahrung soll anhand der er- kennbaren Schichtung im Darm ermittelt werden. zwei Kreuzarme von Wänden umgeben wo sich die Tiere gerade befinden. Der und zwei offen sind; die Aufenhaltsdau- einzige geäußerte Grund: damit der Ba- 3. Praktikum zur Verhaltensforschung • Angst als Motivationsfaktor bei Mäusen er in den offenen bzw. geschlossenen Armen wird notiert) soll die Ängstlich- keit von Mäusestämmen miteinander chelorstudent auch mal ans Tier kommt! Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Im Open-Field-Test (von einem hohen verglichen werden. Die Student_innen Vollständigkeit. Sie soll lediglich einen Ein- Rand umgebenes „Schachfeld“, auf dem werden angewiesen, die Mäuse aus den blick geben, aufgrund dessen sich jeder beobachtet wird, wie viel Zeit eine Maus Makrolonboxen zu nehmen (Hinweis: ir- selber eine Meinung über den Sinn und am Rand und wie viel in der Mitte der gendwo am Schwanz anpacken!), in das die Notwendigkeit von Experimenten an Fläche verbringt) und im Elevated-plus- Testfeld zu setzen und nach Gutdünken Mitgeschöpfen in der Ausbildung von Le- Maze (ein Holzkreuz auf Stelzen, wobei ein paar Minuten lang aufzuschreiben, benswissenschaftler_innen machen möge! 15
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Hinter fensterlosen Wänden Erlebnisbericht von einer Exklusiv- Führung im Maushaus Aufgrund einer Schulveranstaltung bot sich mir 2007 die Gelegenheit, das Bielefelder Maushaus auch mal von innen anzugucken. Da meine Mitschüler_innen leider wenig Interesse an dieser freiwilligen Veran- staltung zeigten, traf ich mich an einem Nachmittag allein mit Herrn Dr. Ziesenis, Veterinär und Leiter des Maushauses. Die Tage vorher habe ich wirklich mit mir kämpfen müssen, um nicht zu kneifen, da ich Angst davor hatte, schreckliche Bilder wie man sie von geschändeten Tieren aus dem Internet kennt, nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen. Doch an meiner Feigheit sollte diese einmalige Gelegenheit echt nicht scheitern. Als ich nun im Büro von Dr. Ziesenis ankam, war dieser noch mit irgendwelchen Dingen am Schreibtisch beschäftigt. Beim Warten fiel mir direkt der dicke Harlan-Ordner auf (Harlan Winkelmann = Versuchs- tierzüchter für Mäuse etc.), der in einem Regal mit zig anderen Akten stand. Ziesenis beendete langsam seine Arbeit und wir konnten losgehen. Meine Ängste der vorherigen Tage kreisten weiter in meinem 16
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Kopf herum. Ich wollte zwar wissen, was de mit mindestens drei verschiedenen Lö- Eingriff getötet, damit die Organe auf in diesem kahlen Gebäude mit den Tieren sungen zu reinigen. Mit dem Mundschutz Schäden überprüft werden können. Alle vor sich ging, doch ein besonders gutes und der Haube kam ich mir vor wie ein Anderen sind letzten Endes auch zum Gefühl empfand ich bei der Sache nicht. Chirurg. Das Betreten des Maushauses Tode verurteilt, da sie nur an den ge- Es war beinahe so, als würde man bei sei- ist daher keine Sache von fünf Minuten. töteten Tieren ihre Ergebnisse ablesen nem Arzt sitzen, der einem jetzt mitteilen Abgesehen von der Umzieherei und der können. Es ist halt nur die Frage, ob sie würde, ob man nun an Krebs leide oder Wascherei, muss man noch durch etliche qualvoll an den zu testenden Substanzen nicht… ob man sein Leben normal weiter Türen gehen. Das Problem bei diesen ist, verenden oder qualvoll für Versuchs- führen könne oder ob die neue Erkennt- dass die Nächste erst aufgemacht werden zwecke vergast werden. nis alles Bisherige aus der Bahn werfen kann, wenn die Vorherige fest verschlos- Zum Zeitpunkt meines Besuchs befan- würde und man keine Möglichkeit hätte, sen ist, wie in einem Gefängnis halt. So den sich ca. 3000 Mäuse im Genlabor. das Geschehene rückgängig zu machen. war auch das Gefühl darin, zumindest Platz hat das Maushaus sogar für über Vor dem Eingang des Maushauses ange- für mich. Die Angestellten hingegen 10.000 Tiere… Lebewesen! kommen, berichtete mein Begleiter, dass schienen nichts davon wahrzunehmen... In einem mit weißem Licht beleuchte- dieses zwei Stockwerke habe, das obe- lag es vielleicht daran, dass dies ihr All- ten Raum standen regalartige Konstruk- re sei noch nicht in Betrieb und im Ers- tag war? Ich weiß es nicht. tionen mit nicht einmal DIN A4 großen ten würde schon seit 2005 gearbeitet, es In der Abteilung der Sicherheitsstufe I Schubladen: es waren Mäusekäfige. habe außerdem sehr wenige Fenster, da angekommen, war mein erster Eindruck: Wegen der Enge konnten sich die Tiere die Experimentator_innen die äußeren extrem steril, MINI-Plastik-Käfige stan- kaum natürlich bewegen und drehten Faktoren in den Tierräumen selber be- den frisch gereinigt im Gang, überall sich im Kreis oder nagten an den Gitter- einflussen wollen. Des Weiteren müsse Edelstahl, auch die Wände, alles! Ziesenis stäben. Es war einfach traurig… und so ich mich jetzt umziehen, da das Betreten zeigte mir eine Gruppe von Mäusen, an aussichtslos! Ich fragte den Veterinär, was dieser Einrichtung nur mit spezieller Klei- denen derzeit Forschung zu einem be- noch so an den Tieren erforscht würde. dung gestattet sei, was ich dann auch stimmten Enzym betrieben wurde, das, Eine seiner Antworten war Alzheimer. tat. wenn es Menschen fehlt, zu schweren Da ich mir nicht sicher war, ob Mäuse so In einem Umkleideraum übergab mir Schäden führt. Diese Knock-Out-Mäuse etwas auf natürlichem Wege überhaupt eine Frau die soeben erwähnten Sachen waren gerade mal 2 Monate alt und die bekommen können, fragte ich nach. Dr. und verwies mich darauf, mir meine Hän- ersten wurden 12 Stunden nach einem Ziesenis wusste dies selber nicht, zumin- 17
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD dest seien keine Fälle bekannt. Eine Alzheimer-Maus aus dem Labor kriegt diese Krankheit auf künstliche Weise (Alzheimerzellen werden direkt in das Gehirn ge- spritzt). Diesen Schmerz kann man sich sicherlich kaum vorstellen, wenn eine für eine Maus extrem dicke Nadel ins Gehirn geführt wird und die Schädeldecke durch- bricht…all die Nerven…Das alles zur „Gesundheit des Menschen“ – an Tieren, von denen kein einziger natür- Beispiele für Tierversuche lich entstandener Alzheimer-Fall bekannt ist. Aufgrund an der Uni Bielefeld 2007 / 2008 von etlichen Unterschieden zwischen Mensch und Tier scheint mir dieses wissenschaftliche Vorgehen mehr als zweifelhaft. Zelluläre Kardiomyoplastie: Verbesserung der Funktion der linken Wieder in der Umkleidekabine, kam ich mit einer Kammer geht einher mit der Ausschüttung von kardioaktiven Zy- Tierpflegerin ins Gespräch. Sie war noch relativ jung, tokinen eventuell in meinem Alter und wirkte sehr freundlich. Sie fragte mich, ob dies nun wirklich so schlimm sei, Bereich: Stammzellforschung wie ich es mir vorgestellt hatte. Was sollte ich schon Hintergrund: Verwendung von embryonalen Stammzellen bei darauf antworten. Ich meine, für mich gehören Tiere der Regeneration des Herzmuskels nach experimentellem Herz- nicht wie Messinstrumente behandelt, sie sollen auch infarkt. nicht vergiftet, vergast und nach einem kurzen und Tiere: 42 Mäuse (mindestens) freudlosen Leben getötet werden. Ich habe zwar kei- Veröffentlicht in: Stem Cells 2007: 25, 236-244 ne verstümmelten Tiere gesehen, doch es gehört nicht Versuchsbeschreibung: Der Brustkorb der Mäuse wird unter Nar- immer Blut dazu, um Grausamkeit zu erkennen. Im Üb- kose auf der linken Seite zwischen der 4. und 5. Rippe aufgeschnit- rigen galt mein Besuch lediglich der Sicherheitsstufe I, ten. Eine Herzkranzarterie wird mit einem Faden zugeschnürt. Ein was in den Bereichen V, VI oder VII gemacht wird, dürf- Teil des Herzens wird dadurch nicht mehr durchblutet, es kommt te wohl von anderer Qualität sein … denn da wurde zu einem Herzinfarkt. Scheinoperierte Tiere werden in der glei- ich als vermeintliche Tierschützerin nicht eingeladen. chen Weise operiert, nur dass der Faden nicht zugezogen wird. Warum nur? 18
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Sieben Tage später werden die Tiere mit Herzultraschall un- Am 90. Lebenstag werden die Tiere unter Narkose mit einer tersucht. Dann werden sie noch einmal aufgeschnitten. In den Fixierungslösung durchströmt und getötet. Die Gehirne der Infarktbereich des Herzens werden aus embryonalen Stamm- Tiere werden in Scheiben geschnitten und untersucht. zellen gezüchtete Herzzellen injiziert. Zwei weitere Gruppen von Mäusen erhalten Muskelzellen oder eine Kochsalzlösung in das Herz injiziert. 28 Tage nach dem Infarkt werden die Kontralaterale präfrontale Projektionen reifen bei Gerbils Tiere mittels Durchströmung mit Formalin getötet. Ihre Her- anormal nach einem frühen Methamphetamin-Trauma und zen werden untersucht. isolierter Aufzucht Bereich: Psychiatrie, Neurologie Veränderungen im GABAergen Netzwerk der präfrontalen Hintergrund: Entwicklung eines „Tiermodells“ für Schizo- Hirnrinde bei einem potentiellen Tiermodell für Psychose phrenie. Tiere: Gerbils (Anzahl unbekannt) Bereich: Psychiatrie, Neurologie Veröffentlicht in: Journal of Neural Transmission 2007: 114, Hintergrund: Entwicklung eines „Tiermodells“ für Psychose. 285-288 Tiere: 40 Gerbils Versuchsbeschreibung: Den Gerbils wird am 14. Lebenstag Veröffentlicht in: Journal of Neural Transmission 2007: 114, Methamphetamin injiziert. Die Substanz zerstört bestimmte 539-547 Strukturen im Gehirn. Ein Teil der Tiere wird ab dem 30. Le- Versuchsbeschreibung: Den Gerbils wird am 14. Lebenstag benstag isoliert gehalten, d.h. allein, ohne Kontakt zu Art- Methamphetamin in die Bauchhöhle injiziert. Die Substanz genossen und ohne jegliche Ausstattung des Käfigs. Andere zerstört bestimmte Strukturen im Gehirn. Ein Teil der Tiere Gerbils werden unter angereicherten Bedingungen gehalten. wird ab dem 30. Lebenstag isoliert gehalten, d.h. allein, ohne Vor ihrer Tötung wird den Tieren eine Substanz injiziert, die Kontakt zu Artgenossen und ohne jegliche Ausstattung des bestimmte Strukturen im Gehirn markiert. Es wird nicht er- Standard-Plastikkäfigs. Andere Gerbils werden unter ange- wähnt, zu welchem Zeitpunkt und wie die Tötung der Tiere reicherten Bedingungen gehalten. Ihre Käfige sind 1x1 Meter erfolgt. Die Gehirne der Gerbils werden in Scheiben geschnit- groß und mit Ästen und Versteckmöglichkeiten ausgestattet. ten und untersucht. 19
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Beschluss des Studierenden- Heuschrecken als „Versuchstiere“ (links) und als „Futtertiere“ für einige Salaman- der, von denen uns zu berichten man offenbar vergessen hatte. Erst als wir auf parlaments ein Plakat aufmerksam wurden, auf dem von Amphibien (nicht Salamandern) die und Reaktion des Rektorats Rede war, erinnerte man sich ihrer. Da die Salamander zu dieser Zeit alle in künstlicher Nacht gehalten wurden, konn- ten wir keine genauen Eindrücke gewinnen oder festhalten. Ein kurzer Einblick Am 19. Juni 2008 befasste sich das 34. ließ lediglich mehrere Regale mit kleinen Kästen erkennen, ähnlich der Massenhal- Studierendenparlament der Uni Bielefeld tung wie sie etwa im Maushaus herrscht. mit dem Thema Tierversuche und leitete schließlich folgenden Beschluss an das Meerschwein- Rektorat weiter: chengehege im Außengelände Das Studierendenparlament fordert die der VHF. Universitätsleitung auf … Wegen der mini- malen Deckung 1. Einen Verantwortlichen zu benennen, nutzen die scheu- der Kompetenz und Befugnis besitzt über en Tiere nur einen Tierversuche an der Universität Bielefeld Bruchteil des Auskunft zu erteilen. theoretisch gege- benen Platzes. 2. Eine vollständige Auflistung der an 20
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD der Universität Bielefeld durchgeführten 9 Herz-Kreislauf-Modelle Über ein halbes Jahr später, am 5.2.2009, Tierversuche zu erstellen. Diese muss 10 Endokrinologische Modelle/ bezog das Rektorat schließlich Stellung: enthalten: Stoffwechsel a) die durchführende Arbeitsgruppe 11 Modelle zu Nerven- und Geistes- Sehr geehrte Damen und Herren, b) die Tierart störungen sowie zur Verhaltens- das Rektorat hat Ihren Antrag zur Trans- c) die Anzahl der verwendeten Tiere biologie parenz bei Tierversuchen in den ver- d) gegebenenfalls die Belastungskate- 12 Tumor-Modelle gangenen Wochen ausführlich beraten gorie (Schweregrad 0-3, nach f) was nach Beendigung des Versuchs und nimmt hierzu wie folgt Stellung. Schweizer Bundesamt für Veterinär- mit den Tieren geschieht (weitere Bei allen an der Universität Bielefeld wesen) Haltung H / Tötung T / Abgabe an durchgeführten Tierversuchen wird ein e) die Art der Untersuchung (Eintei- Dritte D) strenger Maßstab angelegt und die Re- lung nach Schweizer Bundesamt für g) Art der Tötung gelungen der einschlägigen Gesetze Veterinärwesen) h) Link auf Literaturverzeichnis / For- werden selbstverständlich beachtet. Dies 1 Modelle mit Haltungs- und Füt- schungsdatenbank gilt insbesondere für die im Tierschutz- terungseinschränkungen gesetz festgelegten Voraussetzungen 2 Modelle mit reproduktionsbiolo- Die Liste muss ebenfalls die als „Über- für Tierversuche sowie die erforderlichen gischen Massnahmen zu Versuchs- schuss Ü“ produzierten Tiere enthalten. Genehmigungsverfahren. zwecken Diese Auflistung muss für jedes Semester 3 Modelle mit Probeentnahmen erstellt und archiviert werden. Auf Nach- Ihrer Forderung nach mehr Transparenz und operativen Eingriffen frage, muss jedem/jeder interessierten bei Tierversuchen in dem von Ihnen ge- 4 Modelle mit physikalischen Ein- Studierenden diese Auflistung zugäng- wünschten Umfang kann ich aber nicht flüssen lich gemacht werden. entsprechen. Die Offenbarung bzw. 5 Pharmakologische und toxikolo- Veröffentlichung der von Ihnen gefor- gische Modelle 3. Auf der Homepage der Uni in der Ru- derten Informationen stellen u.a. einen 6 Modelle der Mikrobiologie und brik „A bis Z“ unter T ein Link „Tierver- verfassungsrechtlich bedenklichen Ein- Parasitologie suche“ hinzu zu fügen, der auf die ent- griff in das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 7 Immunologische Modelle sprechenden Informationen verweist. 3 des Grundgesetzes dar. Durch die ge- 8 Modelle zu Analgesie und Entzün- mäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz garan- dung tierte Wissenschafts-, Forschungs- und 21
TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Lehrfreiheit wird Wissenschaftlerinnen suche durchführen, viele Informationen Leider wird in diesem Schreiben weder und Wissenschaftlern ein Freiraum bei zu ihren Tierversuchen auf den Internet- auf die dem Antrag hinzugefügte Be- der Gewinnung und Vermittlung wis- seiten der Universität selbst veröffent- gründung Bezug genommen, noch die senschaftlicher Erkenntnisse sowie deren licht. Darüber hinaus stehen sowohl ich vorgelegten 2500 Unterschriften für Deutung und Weitergabe eingeräumt. als auch der Prorektor für Forschung, wis- Transparenz bei Tierversuchen berück- Die von Ihnen geforderte Weitergabe senschaftlichen Nachwuchs und Transfer sichtigt. Ob die Universität in Sachen von Informationen stellt einen Eingriff in Herr Prof. Dr. Martin Egelhaaf weiterhin Tierversuche rechtlichen Vorgaben ge- dieses Grundrecht dar. gern für Gespräche zum Thema Tierver- nügt, war nie Inhalt des Antrags. Gesetze Auskunftsverpflichtungen sind im Tier- suche zur Verfügung. unterliegen allerdings einem steten schutzgesetz ausschließlich gegenüber Wandel, weil Meinungen, Wissen und den zuständigen Behörden in den ge- Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Umstände sich ändern. Nichts von dem setzlich vorgesehenen Fällen vorgesehen. Ihren Einsatz für den Tierschutz, bin aber ist aber ohne Kenntnis der Tatsachen Auch das Informationsfreiheitsgesetz persönlich davon überzeugt, das (sic!) in möglich. Die AG gegen Tierversuche ist findet auf Hochschulen lediglich einge- diesem Zusammenhang Forschung und weiterhin davon überzeugt, dass eine schränkt Anwendung. So fallen Hoch- Lehre an der Universität Bielefeld wissen- Universität, die ihre Tierversuche für schulen und Forschungseinrichtungen schaftlichen Standards und rechtlichen über jeden Zweifel erhaben hält, nicht nur dann in den Anwendungsbereich Bedingungen uneingeschränkt gerecht grundlegende Informationen über die- dieses Gesetzes, soweit sie u.a. nicht im werden. selben Versuche vorenthalten darf, und Bereich von Forschung und Lehre tätig wird sich mit der obigen Antwort nicht werden. Auch dies ist Ausfluss der durch Mit freundlichen Grüßen ruhig stellen lassen. das Grundgesetz normierten Forschungs- Prof. Dr. Dieter Timmermann und Lehrfreiheit. Dennoch zieht sich die Universität kei- neswegs auf die rechtlichen Vorgaben zurück. Aus diesem Grund haben die Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Universität Bielefeld Tierver- 22
AG GEGEN TIERVERSUCHE AN DER UNI BIELEFELD Nachwort Trotz oder gerade wegen des Widerstands aus dem Rektorat werden wir uns auch in Zukunft um Transparenz an der Uni Bielefeld und darüber hinaus bemühen. Um auf dem Laufenden zu bleiben über diese und andere bedeutsame Entwicklungen, können Sie sich auf unserer Internetseite (www.ag-gegen-tierversuche.de) für unseren Newsletter eintragen. Unabhängig davon lohnt sich ein Blick auf die Seite, wo wir Ihnen, neben Texten aus diesem Heft, viele weitere interessante Informationen zum Thema Tierversuch bieten. Ein Blick auf die Homepage der Ärzte gegen Tier- versuche (www.aerzte-gegen-tierversuche.de) ist ebenso zu empfehlen. An unseren Infoständen bieten wir neben Unterschriftenlisten für die Abschaffung von Tierversuchen auch eine an, mit deren Unterzeichnung Sie unserer Forde- rung nach Transparenz Nachdruck verleihen. An dieser Stelle Möwchen und Zebrafinken: Oben: Volierenhaltung möchten wir den mehr als 2500 Menschen danken, die diese Unten: Haltung in kleinsten Käfigen (i.d.R. zu viert in Liste bereits unterschrieben haben. Es ist äußerst bedauer- einem Käfig, mitunter aber auch Einzelhaltung). Die Kä- lich, dass sich die verantwortlichen Stellen der Universität im fige werden für Vögel verwendet, die aktuell für Versuche Angesicht dieser Zahl von Unterschriften so unbeeindruckt gebraucht werden. Die Haltung kann damit für viele geben und sich weiterhin weigern die geforderten Informati- Monate auf einen solchen Käfig begrenzt sein. onen bereitzustellen. 23
Interesse an weiteren Infos? Internet www.ag-gegen-tierversuche.de E-Mail info@ag-gegen-tierversuche.de Telefon 0521/3274639 AG gegen Tierversuche V.i.S.d.P.: AG gegen Tierversuche • Haferkamp 26 • 33613 Bielefeld • info@ag-gegen-tierversuche.de
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