AUSGABE 2019 - Grüne Liga
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Wir tun was, Mensch! H eulager im Erzgebirge, Filmfeste für freie Flüsse, Kohleprotest in der Lau- sitz, Streuobst-Ausbildung in Thüringen, eine selbstorganisierte Fahrraddemo quer durch Deutschland – das alles ist die GRÜNE LIGA, das Netzwerk ökologischer Bewegungen. Dieses Heft fasst einiges von dem zusammen, was unsere Mitglieder aktuell bewegt und was von ihnen bewegt wird. Für dieses großartige bunte Netzwerk möchten wir allen danken, die dazu beigetragen haben, egal ob als Aktivist*innen, Fachexpert*innen oder Spender*innen. Und habt bitte auch weiterhin Visionen, knüpft Netzwerke und handelt! René Schuster, Bundesvorsitzender Inhaltsverzeichnis FlussFilmFeste 2019 .................................................................................................. 3 Tour de Natur: 400 km für Frieden und Klimagerechtigkeit ............................................... 4 Kohleproteste bleiben nötig ....................................................................................... 6 Dürresommer 2018: Die Tier- und Pflanzenwelt im Ost-Erzgebirge nach sechs Monaten Trockenzeit ............................................................. 8 Kein Anreiz zum Neukauf: GRÜNE LIGA sammelt Althandys .............................................. 11 Ausbildung zur Streuobstfachwirtin in Thüringen ........................................................... 12 Johannishöhe lädt zum Tag der Artenvielfalt ein ........................................................... 13 Stummer Frühling - jetzt auch bei uns ......................................................................... 14 Begrünung für Wildbienen und Co ............................................................................... 16 Wer wir sind / Impressum .......................................................................................... 18 Fördermitglied werden .............................................................................................. 19 2
FlussFilmFeste 2019 A uch 2019 veranstaltet die GRÜNE LIGA wie- der Flussfilmfeste. An acht verschiedenen Orten in Deutschland hat das Publikum die spielt dabei eine große Rolle: Der Einsatz von Pestiziden, der Mangel an Pufferzonen und die Trockenlegung der Feuchtgebiete sind Ursa- Möglichkeit sich ganz anschaulich zu Gewäs- chen für die hohe Nährstoffbelastung der Ge- serschutzthemen zu informieren und direkt mit wässersysteme. Auch die Verschmutzung der Filmemacher*innen und Expert*innen ins Ge- Meere und Süßwassersysteme durch Plastik und spräch zu kommen. Neben drängenden Proble- Mikroplastik ist leider weiterhin ein aktuelles men werden dabei auch positive Beispiele des Thema. Gewässerschutzes thematisiert. Neben den weltweit bedeutsamen Themen grei- Der Schutz der letzten Wildflüsse Europas ist fen die Flussfilmfeste auch regionale Probleme fester Bestandteil des Programms. Viele von der jeweiligen Festorte auf. Dazu können zum ihnen werden aktuell von Staudammprojekten Beispiel Bergbaufolgen gehören. So wird beim bedroht. Besonders der Balkan ist ein Zentrum Flussfilmfest in Weimar erkundet, welche Un- des aktuellen Wasserkraftwachstums. Drei frei terschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der fließende Flüsse, der Vjosa in Albanien, der Versalzung der Werra durch den Kalibergbau Tara in Montenegro und der Begrava in Bos- und der Belastung der Spree mit Eisenocker aus nien sind für die Energiekonzerne von großem dem Braunkohleabbau bestehen. Interesse. Mehr als 3000 Wasserkraftprojekte sind insgesamt in der Balkanregion zwischen Die Filmfeste der GRÜNEN LIGA finden in Wei- Slowenien und Griechenland in Planung. Ein mar, Havelberg, Bremen, Cottbus, Dresden, Drittel davon in geschützten Gebieten, 188 in Rügen-Sassnitz, Berlin und Waldshut-Tiengen Nationalparks. statt. Die Flussfilmfeste werden unterstützt von der Naturstiftung DAVID und Patagonia sowie zahlreichen lokalen Partnern an den ver- schiedenen Aufführungsorten. Die Öffentlich- keitsarbeit unterstützt das Umweltbundesamt im Rahmen des Projekte „FreieFlüsse – wild, stark und natürlich“. www.flussfilmfest.org Botswana (©Wynand Uys) Aber nicht nur europäische Flüsse sind bedroht. Frischwasser-Ökosysteme im Allgemeinen zäh- len zu den am stärkst gefährdeten Ökosyste- men auf der Erde. Intensive Landwirtschaft 3
Tour de Natur 400km für Frieden und Klimagerechtigkeit D ie Umweltradtour führte 2018 durch die Mitte Deutschlands - von Kassel mit Start am 21. Juli über Göttingen und Halle/Saale Teilnehmer*innen des Klimacamps Leipziger Land. Der Abschluss für unseren Protest gegen weitere Kohleverstromung war eine Kundge- nach Leipzig, wo sie am 3. August endete. 243 bung an der Strombörse in Leipzig. Passend zu Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland und diesem Thema hatten wir als Schirmherrin die Nachbarländern waren mit dabei und demons- Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia trierten auf dem Rad. Die Tour de Natur fand Kemfert gewonnen, die sich sehr aktiv für die bereits zum 28. Mal statt und wurde wieder zu Energiewende einsetzt. 100% ehrenamtlich organisiert. Thematische Vielfalt von Frieden bis Klimaschutz Der Auftakt in Kassel stand unter dem Thema Frieden, gerade weil diese Stadt ein wichtiger Rüstungsstandort ist. Neben einem Friedens- fest mit vielen Initiativen direkt zum Start haben wir am Werkszaun von Kraus-Maffei Wegmann protestiert. In den folgenden zwei Wochen haben wir gemeinsam mit vor Ort ak- Klimacamp Pödelwitz (©Wolfgang Domeyer) tiven Umweltgruppen unterschiedliche Themen auf unsere Agenda genommen: Außergewöhnlich hohe Medienresonanz Wir haben uns gegen die Versiegelung von fruchtbarem Ackerboden durch ein nordhessi- Ein medienwirksamer Glücksfall war der Besuch sches Logistikzentrum und gegen die Zerstö- von Jürgen Trittin in Hann. Münden. Hier hat rung einzigartiger Naturräume für den Bau er im Rahmen unserer Kundgebung ein freies der A143 bei Halle/Saale eingesetzt. Von den Lastenrad an die Stadt zu übergeben. Dadurch Perspektiven des Ökolandbau über die Möglich- erreichte die Tour de Natur von Anfang an gro- keiten des regionalen Anbaus von Eiweißfutter ße Aufmerksamkeit und konnte ihre Anliegen bis hin zu ökologischer Erzeugung und Solida- in den unterschiedlichsten Medien öffentlich rischer Landwirtschaft haben wir spannenden machen – auch über das eigentliche Ereignis Input bekommen. In Nordhausen haben wir hinaus. Neben den regionalen Zeitungen galt uns kritisch mit dem eigentlich unnötigen das insbesondere für Radio und Fernsehen. Gipsabbau und seinen Folgen für die Biotope im Gipskarst befasst. Der Widerstand gegen Lastenräder statt Begleitbus den weiteren Braunkohletagebau südlich von Besonders stolz sind wir als Organisator*in- Leipzig war der Schwerpunkt der Tour. Im von nen, dass wir es endlich geschafft haben, ganz der Abbaggerung bedrohten Dorf Pödelwitz ohne Tourbegleitbus oder E-Auto unterwegs zu trafen die Radler*innen der Tour de Natur die sein. Wie viele Stunden der Grundsatzdiskussi- 4
onen gab es schon in den vergangenen Jahren: Angesichts der hohen Temperaturen und der „Wenn wir uns für eine Verkehrswende einset- Steigungen forderte die Strecke von den Mitra- zen, dann müssen wir es selber vormachen!“ delnden einiges an Schweiß und Anstrengun- Aber bislang scheiterte es einfach in der Pra- gen. Trotzdem hielten alle tapfer durch, ob xis. Auch dieses Mal hat es uns einen ziemli- jung oder alt, erfahrener Tourhase oder absolu- chen Kraftaufwand gekostet, aber wir konnten ter Neuling. Wiederum sind viele Familien mit zeigen: Es ist möglich! Kindern mitgeradelt. Die Altersspanne lag zwi- schen zwei Monaten und 77 Jahren. Mit durch- Ein großes Lastenrad namens „Tender“ diente schnittlich 136 Teilnehmer*innen war die Tour für den regensicheren Transport der Musikins- sehr gut besucht. Unverzichtbar war auch 2018 trumente, gleichzeitig haben wir das Fahrzeug die mobile Fläming Kitchen, die uns großartig nach Leipzig zu seinem eigentlichen Einsatzort bekocht haben, selbst wenn es mal wieder viele überführt und auf dem Weg auf „Herz und Nie- Esser*innen mehr waren als geplant! ren“ geprüft. Drei Carla Cargo-Lastenanhänger von der Lastenrad-Initiative aus Marburg, ei- Die Tour 2019 von Hamburg über nen Spezialanhänger für havarierte Räder und das Wendland nach Greifswald zwei Tandems für die dazu gehörigen Teilneh- Die kommende Tour startet am 20. Juli in Ham- mer*innen sowie weitere Lastenräder haben burg und endet am 3. August in Greifswald. Die das nötige Equipment transportiert. Strecke führt über das Wendland, Schwerin, Rostock und den Darß. Auf der Agenda stehen Wie in den Jahren zuvor gab es darüber hinaus u.a. die Themen Klimaschutz, Atommüll und zahlreiche Kinderanhänger, Trets, Follow-Me’s Tierfabriken. etc. - wer sich also über die Vielfalt und die Möglichkeiten auf zwei Rädern schlau machen Die Tour, das ist Urlaub auf dem Fahrrad mit wollte, war bei der Tour genau richtig! Großar- Kind und Kegel – ohne sich um Verpflegung tig war auf der anderen Seite auch wieder die oder Quartiere kümmern zu müssen. Das heißt Solidarität untereinander, so dass jede*r die aber nicht „all inclusive“! Denn ohne die Mit- nötige Unterstützung bekommen hat. hilfe aller Teilnehmer*innen etwa beim Schnip- peln oder Turnhalle putzen würde es nicht funktionieren. Bei unseren politischen Anlie- gen kann jede*r sich einbringen. Das gilt be- reits für die Vorbereitung, die ebenfalls zu 100 Prozent ehrenamtlich geschafft wird! Mitfahren kann jede*r, ob jung oder alt – auch einzelne Etappen. Mehr Infos gibt es unter www.tourdenatur.net oder unter Tel. 0351 - 49 433 54. Radlergruppe mit dem großen „Tender“-Lastenrad (©Susanne Timm) Susanne Timm 5
Kohleproteste bleiben nötig D ie GRÜNE LIGA setzt sich seit ihrer Grün- dungszeit mit den vom Braunkohleabbau verursachten Problemen auseinander. Mit der programmen der LEAG-Eigner ablenken und den Landtagswahlkampf der Ministerpräsidenten in Sachsen und Brandenburg retten. 1987 gegründeten Umweltgruppe Cottbus ist sie vor Ort im Lausitzer Kohlerevier verankert. Die Rettung des Dorfes Proschim vor der Um- Proteste gegen Umsiedlung, Landschaftszer- siedlung ist seit Jahren überfällig. Auf Druck störung und Zwangsenteignungen sind leider der sächsischen und brandenburgischen Lan- auch nach dem Bericht der „Kohlekommission“ desregierungen ließ die Kohlekommission die weiter nötig. betroffenen Menschen aber weiter in Unsi- cherheit über ihre Zukunft. Hannelore Wodtke, Vertreterin der Lausitzer Tagebaubetroffenen in der Kohlekommission, hat dem ausgehandelten Kommissionsbericht deshalb als einziges Kom- missionsmitglied nicht zugestimmt. Bleibt Proschim bestehen? Wann geht das Kraftwerk Jänschwalde vom Netz, das als eines der klimaschädlichsten in Europa bekannt ist? Dürfen Grundstücke weiter für Kohletagebaue ©ideengruen.de | markus pichlmaier enteignet werden? Diese von der Kommission offen gelassenen Fragen muss nun die Umset- Mutlose Kohlekommission zung in ein Bundesgesetz beantworten. Wir Am 26. Januar beschloss die von der Bun- werden dabei nicht locker lassen! desregierung eingesetzte „Kohlekommission“ ihre Empfehlungen. Das von ihr empfohlene Klage gegen Braunkohletagebau Ende der Kohleverstromung im Jahr 2038 ist Jänschwalde eher symbolischer Natur, es kann an mehreren Am 1. Februar 2019 reichte eine Klagegemein- Überprüfungszeitpunkten noch nach vorn oder schaft aus GRÜNE LIGA und Deutsche Umwelthil- hinten verschoben werden. Während im Rhein- fe beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage ge- land bis 2022 erste Schritte zum Kohleausstieg gen die Genehmigung des Hauptbetriebsplanes gegangen werden, bleibt im Lausitzer Revier zur Weiterführung des Braunkohlentagebaues unklar, ob die Kohleverstromung überhaupt Jänschwalde ein. Ein Weiterbetrieb des Tage- vor 2030 reduziert wird. Damit gibt es kaum baues droht mehrere geschützte Moorgebiete Unterschiede zum bisherigen Revierkonzept durch Entwässerung zu zerstören. Der beauf- des LEAG-Konzerns und die Steuermilliarden tragte Rechtsanwalt Dirk Teßmer, der im Herbst für Strukturwandel und Betreiber-Entschädi- 2018 einen Rodungsstopp zugunsten des Ham- gungen drohen in der Lausitz praktisch ohne bacher Forstes in Nordrhein-Westfalen erwirkt Gegenleistung zu fließen. Offenbar sollen die hat, ist zuversichtlich, dass die Vorgaben des Steuerzahler hier nicht die Folgen eines Koh- Umweltrechts auch gegenüber dem Tagebau leausstieges abfedern, sondern von den Spar- Jänschwalde durchgesetzt werden können. 6
Der Einfluss des etwa 100 Meter tiefen und vier Tagebaue angewiesen. Letztlich wird hier der Kilometer breiten Tagebaues Jänschwalde auf Staat erpresst, entweder langfristiger Kohlever- umliegende Feuchtgebiete hatte uns bereits stromung zuzustimmen oder auf den Folgekos- seit Jahren beschäftigt. In den geschützten ten sitzenzubleiben. Dabei hätte die Landesre- Feuchtgebieten in seinem Umkreis werden gierung die Sicherung der Rücklagen schon seit seit längerem Austrocknungserscheinungen den 1990er Jahren anordnen können! beobachtet. Bei der Prüfung des Weiterbetrie- bes ab 2019 äußerten die Fachbehörden für Teures Erbe der Tagebaue Wasser und Naturschutz erhebliche Bedenken Auch anderswo in der Lausitz droht der Bergbau gegen die Zulassungsfähigkeit des vorgeleg- seine Folgekosten dem Steuerzahler zu hinter- ten Hauptbetriebsplans. Trotzdem kam es im lassen. Kommt es zu einer Insolvenz der LEAG, Dezember 2018 zu einer Genehmigung. Noch haftet der Besitzer, zwei tschechische Milliar- zahlreiche weitere Entwässerungsbrunnen will däre und ihr verzweigtes Firmengeflecht, dafür die LEAG in Betrieb nehmen, die Entwässerung nicht. Trotzdem haben die Landesregierungen der Landschaft würde sich verstärken und auf in Sachsen und Brandenburg diesem Investor die geschützten Moore zu bewegen. den roten Teppich ausgerollt, als der frühere Betreiber Vattenfall sich aus der Braunkohle Zudem kann der Tagebau die Wiedernutzbar- verabschiedete. Die zwei Länder wollen die machung der abgebaggerten Landschaft selbst LEAG erst ab 2021 in eine Zweckgesellschaft nach Einschätzung der Bergbehörde nicht mehr einzahlen lassen, die von Vattenfall an EPH finanzieren. Laut Zulassungsbescheid ist er da- übergebenen Rückstellungen von ca. 1,7 Mil- für auf die Erlöse langfristig laufender anderer liarden Euro wurden dagegen nicht gesichert. Für die riesigen vor 1990 umgebaggerten Flä- chen ist der Steuerzahler bereits verantwort- lich. Hier sind die Kosten gegenüber früheren Schätzungen deutlich angestiegen. Wesentlich dazu beigetragen hat die durch den Bergbau bedingte chemische Veränderung des Grund- wassers. Eisenocker setzt sich in vielen Lau- sitzer Fließgewässern ab und erstickt nahezu alle Gewässerlebewesen. Die Bedrohung des Bi- osphärenreservates Spreewald durch den brau- nen Eisenschlamm ist noch immer nicht sicher gebannt, durch die Stadt Spremberg wird wohl noch für Jahrzehnte eine braune Spree fließen. René Schuster, Bundeskontaktstelle Braunkohle, www.kein-tagebau.de ©Freimut Wössner 7
Dürresommer 2018: Die Tier- und Planzenwelt im Ost-Erzgebirge nach sechs Monaten Trockenzeit S echs Monate Hochsommer mit Hitze, kaum Niederschlag und extremer Verdunstung - was genau ist zwischen April und Oktober 2018 weiter ansteigen werden. Dabei bildete der Sommer nur den dramati- tatsächlich passiert in der Pflanzen- und Tier- schen Höhepunkt eines sich bereits seit länge- welt, welche Auswirkungen hatte dieser Dürre- rem aufbauenden Niederschlagsdefizits. Voraus sommer auf Böden und Gewässer, auf Wiesen ging ein sehr schneearmer Winter. Stefan Wet- und Wälder? Die GRÜNE LIGA Osterzgebirge zel vom Zinnwalder Wetterverein konstatierte, lud im Oktober 2018 zu einer öffentlichen Dis- dass das Niederschlagsdefizit dieses Jahres in- kussion und knapp 20 Klimaexpert*innen, zwischen 400 l/m2 beträgt. Die Austrocknung Biolog*innen und Naturschutzpraktiker*innen der Böden hat teilweise "bereits ein Ausmaß trugen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen zu- angenommen wie zur Jahrtausenddürre in Ka- sammen. lifornien". Wassermangel in Biotopen aller Art Zu den offensichtlichen Folgen gehörten das komplette Austrocknen zahlreicher mittelgro- ßer Bäche wie der Pöbel in Schmiedeberg oder der Seidewitz in Pirna. Mindestens ebenso dra- matisch dürfte das seit Jahren immer häufigere und frühzeitigere Austrocknen all der kleinen Seitenbäche und vieler Laichtümpel sein. Das (weitgehende) Erlöschen etlicher Feuersala- mander-Vorkommen dürfte auch darauf zurück- zuführen sein. Nicht zu vergessen sei die Be- deutung der Kleingewässer für die Deckung des Wasserbedarfs von Tieren aller Art. Selbst die Wildschweine mussten zur Abkühlung die Müg- litz aufsuchen, weil ihre Suhlen in den Wäldern staubtrocken waren! ©Jens Weber Besonders eindrucksvoll präsentierte das Ge- Der Hydrologe Udo Mellentin verdeutlichte, orgenfelder Hochmoor die Folgen des Wasser- dass dieser Sommer tatsächlich jeglichen Rah- mangels. Fast weiß bedeckten die ausgetrock- men bisheriger Statistiken sprengte. Ereignisse neten Torfmoose die in den letzten Jahren wie dieses haben die Klimaprojektionen des noch nassen (oder aufwendig wiedervernäss- Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Land- ten) Moor-Restbereiche. Laut Moorexpertin wirtschaft und Geologie erst für Ende des Jahr- Karin Keßler sind die Torfmoose selbst durch hundert erwarten lassen, wenn die CO2-Kon- neue Feuchtigkeit wiederbelebungsfähig - aber zentrationen in der Atmosphäre noch deutlich als Ökosystem insgesamt sind die Moore des 8
Erzgebirges schwer gezeichnet. gemäht wurde, konnte man ab Ende Juni den Gräsern und Kräutern faktisch von Tag zu Tag Auf einen weniger auffälligen Beleg der Tro- beim Verdorren zusehen. Nach der Heumahd ckenheit wies Borges Neubauer vom Glashütter gab es dann so gut wie keinen Neuaufwuchs. Bergbauverein hin: viele alte Bergbaustollen Die Grünlandregion Ost-Erzgebirge mutete bis sind so wasserfrei wie wahrscheinlich seit Jahr- Ende August wie afrikanische Savanne in der hunderten nicht mehr. Trockenzeit an. Nur einige sehr tiefwurzelnde Arten schafften einen zweiten Aufwuchs, ins- Mitteleuropäische Vegetation kennt besondere Perücken-Flockenblumen, die im keine überlangen Trockenzeiten August wunderschön nochmal blühten und zu- Tiefgründige Austrocknung setzte seit Monaten mindest einigen Tagfalterarten Nahrung boten. den allermeisten Waldböden zu. Die Feinwur- zeln vieler Bäume dürften schwer geschädigt Graubraunes Grünland — sein, wie sich an einigen im Herbststurm ge- Insektenödnis worfenen Exemplaren deutlich zeigt. Buchen Für viele Kleintiere ist zu befürchten, dass sich reagierten teilweise mit Laubabwurf bereits An- das Ausbleiben des zweiten Aufwuchses auf fang August, lange bevor genügend Assimilate den Wiesen verheerend ausgewirkt hat. Wäh- für neue Knospen gebildet werden konnten. Die rend im April/Mai noch die Feldgrillen wunder- sehr reichliche Fruktifikation der Buchen, Ei- volle Konzerte gaben, fiel den ganzen Sommer chen, Fichten, Eschen sowie der meisten Obst- über das Schweigen der Heuschrecken auf. gehölze, dürfte die Bäume zusätzlich an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gebracht haben. Entomologe Matthias Nuss wies nachdrücklich auf die Konsequenzen der Insektenverluste hin: Eine weitere, nun schon seit einigen Jahren zu Für Fische, Amphibien, Vögel oder Fledermäuse beobachtende Entwicklung ist die sehr schnel- fehlt Nahrung in Größenordnungen. Der Rück- le Vegetationsentfaltung im Frühjahr. Zu Ostern gang der Insektenfauna hat zweifelsohne lange 2018 schaltete das Wetter unvermittelt von vor 2018 eingesetzt und bei weitem nicht nur Märzwinter (mit Barfrösten) auf Sommer um. klimatische Ursachen, aber der Trockensommer Brigitte Böhme, Hobbybotanikerin aus Dippol- wird unter anderem für etliche Tagfalterarten diswalde, demonstrierte diese fast explosions- sehr problematisch gewesen sein. Deren Rau- artige Entwicklung der Pflanzenwelt mit eini- pen fanden einfach keine Nahrung. gen Vergleichsfotos. Die Blütephase dauerte mitunter nur einige wenige Tage und bereits im Einstmals einer der häufigsten heimischen Juni trugen die Heidelbeeren sogar in fast 800 Tagfalter, hat sich der Kleine Fuchs bereits vor m Höhenlage reife Beeren. einigen Jahren rar gemacht. Warmes Winter- wetter lässt die Falter vorfristig aktiv werden. Das Grünland - in Form von Berg- und Feucht- Doch wenn noch einmal der Frost zurückkehrt, wiesen prägend für weite Teile des Ost-Erz- erfrieren die frisch geschlüpften Raupen. Ähn- gebirges - präsentierte sich im Sommer 2018 liches passiert beim Aurorafalter, der vor zwei alles andere als "grün". Wo nicht frühzeitig Jahren bereits kurz nach Weihnachten fliegend 9
beobachtet werden konnte. tremsommer 2018 hat bisher offenbar nicht dazu geführt, umfassende und tiefgründige Zu den Opfern des Klimawandels zählen höchst- Forschungsprojekte aufzulegen. wahrscheinlich auch die speziellen Schmetter- lingsarten der Hochmoore, für die es keine Aus- Dabei werden sich die Folgen erst in den nächs- weichmöglichkeiten gibt. Dies betrifft ebenso ten Jahren wirklich ermessen lassen: wenn den Moorlaufkäfer, wie Jörg Lorenz berichtete, Bäume zu sehr geschwächt wurden, um sich der sich mit dieser Art eingehend beschäftigt. zu erholen; wenn möglicherweise geschädigtes Das Moor, wo diese nach FFH-Richtlinie ge- Pilzmyzel seine Lebensnetzfunktionen unter schützte Art noch vorkommt, trocknet aus. In der Erdoberfläche nicht mehr erfüllt, wenn bei der ansonsten vom nasskalten Milieu gehemm- vielen Insektenarten der Nachwuchs fehlt. ten Vegetation entwickeln sich immer mehr Es ist außerordentlich wichtig, all dies zu doku- mentieren und zu analysieren. Ob dafür jedoch die ausgedünnte Personaldecke der Institute, Museen, Behörden ausreicht, darf bezweifelt werden. Um so wichtiger, die Erkenntnisse "normaler" Naturfreunde wahr- und ernstzu- nehmen! Noch wichtiger wäre es indes, den Extremsom- mer 2018 endlich zum Anlass zu nehmen, Jährliches Heulager der GRÜNEN LIGA grundsätzlich über Strategien zum Erhalt der Osterzgebirge im Jahr 2018 natürlichen Lebensgrundlagen nachzudenken. hochwüchsige Pflanzen, die Art verliert ihre Der Naturschutzdiskurs in Sachsen wird von speziellen Habitatbedingungen. Themen wie Wolf, Windkraft oder Wiederaus- bringung gefährdeter Pflanzenarten bestimmt - Diesen Verlusten an "Kältearten" steht das alles sicher nicht unwichtige Themen. Aber vor Neuauftreten an wärmeliebenden Insekten, den ganz großen Herausforderungen der kom- etwa der Großen Holzbiene, oder deren zuneh- menden Jahrzehnte stehen wir ziemlich ratlos. mende Höhenausbreitung gegenüber. Zum Bei- spiel habe der Goldlaufkäfer inzwischen sogar Jens Weber, GRÜNE LIGA Osterzgebirge die Kammlagen erreicht. www.osterzgebirge.org Und nun? Während der über dreistündigen Diskussions- runde wurde auch klar: Es herrschen nach wie vor große Wissensdefizite über die Auswir- kungen eines sich stark verändernden Klimas auf die heimische Natur. Doch selbst der Ex- 10
Kein Anreiz zum Neukauf: GRÜNE LIGA sammelt Althandys G anz ehrlich, am liebsten ist es uns, Du nutzt Dein Handy noch mindestens ein Jahr länger. Und man kann es auch mal regelrecht 80-90% der Handys können nicht wieder- verwendet werden. Sie werden an den zerti- fizierten Recyclingbetrieb Coolrec RDE wei- ausschalten und sich über angeborene analo- tergegeben, der alle enthaltenen Altmetalle ge Sinnesorganen mit der Welt um sich herum ordnungsgemäß verwertet. Nach mehrstufigen vernetzen. Die Praxis ist trotzdem, dass viele Trennungsprozessen ist es möglich, Sekundär- Menschen wissen, in welcher Schublade noch rohstoffe zu gewinnen, die der Industrie zur ein Zweit- oder Dritthandy aus alten Tagen un- Verfügung gestellt werden. genutzt seine seltenen Metalle parkt. Wer Sammelboxen aufstellen möchte, nimmt bitte Kontakt mit der Bundesgeschäftsstelle auf. Althandys können aber auch direkt per Post zu uns gesandt werden – Adresse siehe Seite 18. Mit jedem abgegebenen Gerät kommt eine klei- ne Spende der GRÜNEN LIGA zugute. Zusammen mit unserem Partner Mobile-Box sammelt die GRÜNE LIGA alte und kaputte Han- dys, um sie zurück in den Wirtschaftskreislauf einzuführen. Dabei prüft Mobile-Box zunächst 41 Handys enthalten bereits mehr Gold, die Funktionsfähigkeit der Handys. Etwa 10- als eine Tonne Gold-Erz 20% können davon technisch und optisch 100 Millionen Handys liegen in deutschen aufbereitet werden und nach einer gründlichen Schubladen. Würden diese recycelt wer- Reinigung personenbezogener Daten schließ- den könnte man 867 Tonnen Kupfer, 382 lich wiederverkauft werden. Die „Future Pho- Tonnen Kobalt, 26 Tonnen Silber und 2,4 nes“ kehren als nachhaltige Geräte in den Ge- Tonnen Gold wiedergewinnen – Rohstoffe, brauch zurück und bieten eine Alternative zum die nicht mehr klima – und umweltschäd- lich abgebaut werden müssten. Insbeson- Kauf eines neuen Handys. dere der Abbau von Seltenen Erden wie z.B. Neodym oder Dysprosium ist mit immensen Schäden für Mensch und Natur verbunden. Dies gilt aber auch beispielsweise für Col- tan (Tantalmineral), das in der Mikroelekt- ronik benötigt wird und auch für die Her- stellung von Mobiltelefonen unverzichtbar ist. (Text: Mobile box) 11
GRÜNE LIGA bildet zur „Streuobstfachwirtin in Thüringen“ aus D urch die wechselvolle Geschichte in der Nutzung und Pflege von Streuobstwie- sen sind das Wissen und die Erfahrung über Streuobstwiesenbewirtschaftung, Vermehrung und Pomologie vielerorts nicht mehr vorhan- den. Streuobstwiesen scheinen aus dem land- wirtschaftlichen Alltag rausgefallen zu sein. In den letzten Jahren etablierte sich jedoch ein ganz neuer Interessentenkreis und neue fach- liche Ansätze in der modernen Hochstammpf- lege. Die GRÜNE LIGA Thüringen hat aus den Ergebnissen eines europäischen Kooperati- Hierzu gehören ebenso Auszubildende und Stu- onsprojektes einen Lehrplan entwickelt, der dierende, die Interesse an einer Zusatzqualifi- Grundlage für den Ausbildungskurs „Streuobst- kation haben. Angesprochen werden aber u.a. fachwirtin in Thüringen“ ist. Der Kurs bietet auch Mitarbeiter*innen von Bauhöfen, Kom- eine umfangreiche und praxisorientierte Qua- munalservicen, Landschaftspflegeverbänden, lifizierung in den Bereichen: Obstgehölzpflege, Natura2000-Stationen, Unteren Naturschutz- Streuobstwiesenmanagement, Vermehrungsme- behörden und anderen Verwaltungsbereichen. thoden, Pomologie, Naturschutz, Auftragsver- Verantwortliche von Gartenbau- und Heimat- gabe (z.B. öffentliche Ausschreibungen) und vereinen und nicht zuletzt Besitzer*innen und ökonomischen Grundlagen. Im Rahmen einer Bewirtschafter*innen von Streuobstwiesen er- abschließenden Exkursion werden wertvolle halten eine wertvolle Qualifikation zum profes- sionellen Obstbaumwart. 2019 starten wir mit dem dritten Kursdurchgang. Es nehmen 10 bis 16 pro Durchgang an dem Kurs teil. Im Rahmen unseres Projektes „ObstNatur in aller Munde“ haben wir seit 2009 das Modell der Sammelzertifizierung entwickelt und in den letzten Jahren in Mittelthüringen etab- lieren können. Regionalen Streuobstsaft als biozertifizierten Streuobstsaft zu vermarkten, bietet die Chance, den naturschutzfachlichen Einblicke in obstbauliche Verarbeitungs- und Mehrwert der Streuobstwiese auch wirtschaft- Netzwerkstrukturen in Thüringen gegeben. lich anzuerkennen. Wir schließen mit den Be- Die Ausbildung zum Streuobstfachwirt richtet sitzer*innen und Bewirtschafter*innen einen sich an Personen mit einem „grünen“ Berufs- Nutzungsvertrag, der ihnen einen festen Preis abschluss in Landwirtschaft, Gartenbau, Natur- bei Abnahme des Streuobstes garantiert. Im und Landschaftspflege sowie Forstwirtschaft. Gegenzug verpflichten sich die Bewirtschafter 12
die Regeln der EU-Ökorichtlinie anzuwenden und einzuhalten. Die GRÜNE LIGA beauftragt eine anerkannte Öko-Kontrollstelle mit der Kontrolle der Flächen und übernimmt dafür vollständig die Kosten. Neben der Einhaltung der EU-Öko-Richtlinie hat der Besitzer*in- nen und Bewirtschafter*innen „nur noch“ die Verantwortung der Ernte. Sie erhalten ab Hof 25,00 Euro pro 100 kg. Wir kümmern uns um die Transportlogistik, Verarbeitung und Ver- marktung der Getränke. 2018 haben wir 31 Tonnen Obst aufgekauft und lassen es von re- Die GRÜNE LIGA Thüringen ist reif für Vielfalt! gionalen Firmen zu Saft und Schorlen verarbei- Sie auch? ten. Der Vertrieb erfolgt eigenständig durch die Tochtergesellschaft ObstNatur UG vorwiegend Grit Tetzel, GRÜNE LIGA Thüringen in Mittelthüringen. Johannishöhe lädt zum Tag der Artenvielfalt ein F ür den 26. Mai 2019 lädt das Umweltbil- dungshaus Johannishöhe in Tharandt wieder zum Geo-Tag der Artenvielfalt ein! Es gilt, die Diese Veranstaltung ist kostenfrei. Über Spen- den freuen wir uns. Das Jahresprogramm der Johannishöhe hält viele weitere Workshops Artenvielfalt in der Umgebung der Johannishö- bereit, so am 25. Mai zu Fährten und Spuren he zu entdecken. In kleinen Gruppen streifen in der Natur, zum Wiesen mähen und Sensen wir durch Wald und Feld, begleitet von der er- dengeln am 15. Juni oder zum Einmaleins der fahrenen Wildnisführerin Antje Beneken von Saatgutvermehrung am 21. September. Naturcamp Dresden. Das Besondere für die technikbegeisterten Kids: alle Entdeckungen Weitere Informationen unter werden mit dem CyberTracker-Programm ge- www.johannishöhe.de speichert. Für Kaffee und Kuchen ist gesorgt. 13
Stummer Frühling - jetzt auch bei uns 1 962 veröffentlichte die US Amerikanerin Rachel Carson ihren Bestseller Silent Spring (Stummer Frühling). Das Buch beschreibt eine statistischen Absicherung, angezweifelt. Nie- derländische Wissenschaftler untermauerten die gewonnenen Daten der ehrenamtlich agie- fiktive amerikanische Kleinstadt mit einer renden Entomologen mit einer statistischen einst reichhaltigen Tier- und Pflanzenwelt. Der Überprüfung. Einsatz von Pestiziden lässt diese jämmerlich zugrunde gehen. Und letztendlich erkranken Forscher aus anderen Einrichtungen überprüf- dann auch die Menschen1. Das Buch gilt als ein ten darauf ihre schon vorliegenden, aber bisher Startpunkt des späteren Verbotes von DDT. Car- nicht publizierten Daten. So kommt das Um- sons Bestseller ist heute aktueller als denn je. weltforschungszentrum Leipzig (UfZ) in seinen Darauf deutet ein gewaltiges Insektensterben: Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen wie Und das nicht in der Ferne, sondern hier bei die Krefelder Kollegen: Hier wurde mit einem uns in Deutschland. Gewaltiges Insektensterben in Naturschutzgebieten Insektenkundler aus Krefeld trauten ihren Augen nicht, als sie die Ergebnisse ihrer jahr- zehntelangen Erfassungen von Fluginsekten in einem Naturschutzgebiet in Nordrhein-Westfa- len auswerteten. Sie mussten in den letzten 27 Jahren einen Rückgang der Biomasse der Insekten von 75 Prozent feststellen2. Beson- Tagfalter sind selten geworden (©Zeyel Cebeci) ders betroffen waren Insekten, die im Röhricht unserer Seen und Teiche leben. Diese wiesen Kran in den Wipfeln des Leipziger Auwaldes an sogar einen Rückgang von ungefähr 84 Pro- der Artenvielfalt geforscht. Die Zoologen muss- zent auf. Anfangs wurden diese Ergebnisse ten in dem Naturschutzgebiet im Zeitraum von von einigen Experten, insbesondere wegen der 2002 – 2016 einen Verlust von 71% der Insek- tenindividuen feststellen. Vögel inden nichts mehr zu fressen Fluginsekten sind die Hauptnahrung vieler Singvögel. Mehr als 90 einheimische Vogelar- ten ernähren sich von Fluginsekten. Der Dach- verband Deutscher Avifaunisten (DDA) kartiert seit Jahrzehnten die Brutvögel in Deutschland und musste bei den Vögel der Agrarlandschaft erhebliche Bestandseinbußen feststellen. Die Star (Sturnus vulgaris) (©Marek Szczepanek) gravierenden Rückgänge der Brutbestände von Rebhuhn, Kiebitz, Haubenlerche und Wiesen- 14
pieper sind der lebendige Beweis für diesen Exodus. Nun aber droht ein neues Fiasko. Der DDA ver- glich von 1998 bis 2009 die Anzahl der Vo- gelbrutpaare anderer Lebensräume außerhalb der Agrarlandschaft in Deutschland. Er kam zu erschreckenden Ergebnissen. Im Untersu- chungszeitraum ging die Anzahl der Vogelpaare in Deutschland um 12,7 Millionen zurück. Be- Pestizideinsatz auf dem Acker (©Ardt Müller) troffen sind die sogenannten Allerweltsvögel wie Star, Haussperling, Wintergoldhähnchen und Buchfink3. Sie verließen ihre Lebensräume aktuellen wissenschaftlichen Studie bei Ho- oder schritten aus Mangel an geeigneter Nah- nigbienen die Darmflora und verringert damit rung nicht zur Brut. ihre Immunkompetenz. Glyphosat und sein Ab- bauprodukt werden mittlerweile häufig in den Das „neue“ Insektensterben – verschiedenen Umweltmedien gefunden. Ursachen noch unklar Die Ursachensuche für diese erschreckenden, Neonikotinoide könnten neuen Erkenntnisse hat begonnen. Sicher wer- verantwortlich für das Insektensterben sein den die Ursachen komplexer Natur sein. Aber besonders brisant ist der Umstand, dass die so- Aber kommen wir zurück zu den Insektiziden: eben beschriebenen Beobachtungen beide aus Neonikotinoide sind systemische Insektizi- Naturschutzgebieten stammen. Und es ist zu de, die seit der Jahrtausendwende verstärkt erwähnen, dass in Leipzig kaum Agrarflächen in Deutschland eingesetzt wurden. Die Pflan- an den Auwald grenzen. Auch im Krefelder Un- ze nimmt das Pestizid mit den Wurzeln oder tersuchungsgebiet sind die Einflüsse aus der Blättern auf. Dieser verteilt sich ich ihr. Frisst Landwirtschaft gering. Lebensraumverände- ein Insekt von Kulturpflanze, dann entfalten rungen hat es in beiden Gebieten im Untersu- diese Nervengifte ihre Wirkung. Sie lösen eine chungszeitraum kaum gegeben. So entsteht der Blockade der Nervenzellen aus. Schon kleine berechtigte Verdacht, dass Insektizide diesen Dosen unterhalb der Grenzwerte bewirken irre- gewaltigen Rückgang an der heimischen In- versible Bindungen an den Acetylcholinrezep- sektenwelt ausgelöst haben können. Zu klären toren4. Neonikotinoide wurden in Deutschland ist nun: Wie kommen diese Pestizide in Natur- bis 2013 fast flächendeckend eingesetzt. So schutzgebiete? beizte man fast alle konventionellen Rapssaa- ten mit diesen Pestiziden. In den Fokus kommen Pestizide aus der Stoff- gruppe der Neonikotinoide. Aber auch das Nun hat auch die Politik reagiert. Drei der ge- weltweit am häufigsten eingesetzte Totalher- fährlichsten Vertreter diese Stoffgruppe wurden bizid Glyphosat: Dieses schädigt nach einer von der EU-Kommission 2018 europaweit für 15
das Freiland verboten5. Wissenschaftler hat- nicht spurlos vorbeigegangen. So stellte das ten in unzähligen Studien nachgewiesen, dass Bundesumweltministerium im Sommer 2018 diese Pestizide die meisten Artengruppen er- ein „Bundesprogramm Insektenschutz“ vor6. heblich schädigen. Bei Insekten wird das Kom- In neun Handlungsfeldern sollen künftig die munikations- und Orientierungsvermögen stark Insekten geschützt werden. Nach einer Öf- beeinträchtigt. Neonikotinoide sind teilweise fentlichkeitsbeteiligungkönnte es ab Juli 2019 über 8.000 Mal toxischer für die Honigbiene wirksam werden. Das Programm soll einen Um- als das gefährliche DDT. Diese Pestizide werden fang von 200 Millionen Euro haben. Diese Sum- sind in sehr geringen Dosen wirksam und in me wird aber sicher nicht reichen, um unsere der Umwelt nur sehr langsam abgebaut. Was- Insekten zu retten. Klare Signale müssen aus seranalysen von Oberflächengewässern zeigen dem Bundeslandwirtschaftsministerium kom- Rückstände dieser Pestizide. Ebenso ist nicht men. Das steht dem Insektenschutzprogramm auszuschließen, dass sich Neonikotinoide in sehr skeptisch gegenüber. Insbesondere, weil kaum nachweisbaren Dosen auch schon in der der Einsatz von Pestizide wesentlich verringert Luft befinden. Und von hier direkt auf die In- werden soll. sekten wirken. Tomas Brückmann, Bundeskontaktstelle Insektenschutzprogramm der Nachhaltige Regionalentwicklung Bundesregierung Auch an der Politik ist das Insektensterben _____________________________ 1 www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/rachel-carson/ 2 www.deutschlandfunk.de/krefelder-studie-insektensterben-betrifft-nicht-alle-arten.676.de.html?dram:article_id=432715 3 www.nabu.de/news/2017/10/23284.html 4 www.farmlandbirds.net/content/toxikologe-dr-henk-tennekes-neonikotinoide-sind-die-apokalyptischen-reiter-weil-sie-die-nahr 5 Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin 6 www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/massnahmen_insektenschutz_bf.pdf Begrünung für Wildbienen und Co. A ngesichts des rapiden Insektenrückgangs möchten viele Menschen auch in Berlin etwas tun. Gärtnern ist dabei wohl der ange- zur Beantwortung solcher Fragen eine Reihe an Informationsmöglichkeiten. In der neuen Gar- tenbox der GRÜNEN LIGA Berlin sind zahlreiche nehmste und direkteste Weg, um den Bestäu- dieser Antworten vereint. bern unter den Insekten zu helfen. Doch wie kann man sie am besten unterstützen? An wel- Box auf – Karte raus chen Pflanzen sammeln Wildbienen und Co ihre Die Gartenbox „Bestäubend schön Berlin“ ist Nahrung, wo und wie bauen sie ihre Nester? ein mobiles Karteikartensystem, das einen Wer bestäuberfreundlich gärtnern möchte, hat schnellen und einfachen Zugriff auf die gesuch- 16
ten Antworten ermöglicht. In sieben Themen- bende Insekten zu schaffen und zu verbessern. rubriken halten die 135 Karten allerlei Tipps und Tricks bereit, um städtischen Lebensraum Die Karteikartenbox baut auf der Vorgänger- für Wildbienen, Wespen, Fliegen, Käfer und version auf. „Gewusst wie: Das Who’s Who im Falter zu schaffen und um naturverträglich zu quietschfidelen Garten“ hieß die Box, die vor gärtnern. zwei Jahren im Rahmen des Projekts „Giftfreies Gärtnern“ entstand. Entwickelt wurde die neue Ausgewählte Wildbienenarten und Insekten- Gartenbox im Auftrag der Senatsverwaltung für gruppen werden vorgestellt und nützliche Hin- Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit inhaltli- weise zu Lebensraum und Nahrungspflanzen cher Unterstützung durch die Deutsche Wildtier gegeben. Geeignete Pflanzpläne und konkre- Stiftung. te Vorschläge zur Bepflanzung verschiedener Standorte geben interessante und vor allem Jetzt für eine Gartenbox bewerben praktische Hinweise zum Nachmachen. In- Die neue Gartenbox ist ab sofort erhältlich. In formationen zu Nützlingen, Schädlingen und einer Auflage von 500 Stück ist sie ein gefragter Strukturelementen wie Totholz oder Blumen- Wissensspeicher. Jede und jeder kann sich für wiese runden die Gartenbox ab. den Bezug einer Gartenbox bewerben: Gemein- schaftsgärten, Kleingartenvereine, Schulen, Die Gartenbox ist ein Baustein des seit Sep- Kitas, Gartenarbeitsschulen, Grünflächenämter, tember 2018 laufenden GRÜNE LIGA Projekts Wohnungsgesellschaften oder andere aktive „Bestäubend schön Berlin“. Mit individuellen Gruppen. Kurz: Alle, die Lust und Motivation Beratungen und praktischen Workshops vor zum bestäuberfreundlichen Gärtnern in Berlin Ort hält das Projektteam weitere Angebote be- haben und die Box nicht zuhause im Regal reit, um die Stadtbevölkerung beim bestäuber- verstauben lassen. Bei hohen Bewerberzahlen freundlichen Gärtnern zu unterstützen. Ziel ist entscheidet das Los für eine gerechte Vertei- es dabei, städtischen Lebensraum für bestäu- lung. Die Gartenbox kann dann bei der GRÜNE LIGA Berlin abgeholt werden. Sollte das nicht möglich sein, kann die Box gegen Portkosten verschickt werden. Und zum Frühlingsbeginn heißt es dann: Loslegen, Stadt begrünen und mitmachen beim stadtweiten Gartenwettbe- werb „Bestäubend schön Berlin“ vom 20. März bis 30 September 2019. Weitere Informationen zum Projekt, zur Gartenbox und zum Wettbewerb unter: www.grueneliga-berlin.de Rosa Wallow, GRÜNE LIGA Berlin 17
Wer wir sind Die GRÜNE LIGA auf Twitter D ie GRÜNE LIGA – Netzwerk ökologischer Be- wegungen – ist ein anerkannter bundeswei- ter Natur- und Umweltschutzverband. Unsere Unter @GrueneLiga kann man aktuelle Infos rund um unsere Aktivitäten erhalten. Zudem Mitgliedsgruppen sind eigenständige Vereine werden Meldungen über Umwelt- und Natur- und bestimmen selbst die Schwerpunkte ihrer schutz, Mobilität und vieles weitere veröffent- Arbeit. Die GRÜNE LIGA wurde 1990 gegründet licht: www.twitter.com/GrueneLiga und hat ihre Wurzeln in den kirchlichen Um- welt- und Friedensgruppen, Stadtökologiegrup- Die GRÜNE LIGA bei Facebook pen sowie vielen örtlichen Natur- und Umwelt- Auch auf Facebook findet man die schutzinitiativen der damaligen DDR. GRÜNE LIGA mit Informationen, Ter- minen und anderen Möglichkeiten: Alligator-Rundbrief www.facebook.com/GRUENELIGA Grün und bissig ist der Alligator das Wappentier der Grünen Liga geworden. Als E-Mail-Rundbrief kann er auf www.grueneliga.de abonniert wer- den. Einmal pro Jahr erscheint er auf Papier. Impressum Herausgeber Layout GRÜNE LIGA e.V. www.ideengruen.de | markus pichlmaier Greifswalder Straße 4 10405 Berlin Titelbild Tour de Natur: Anfahrt auf Pödelwitz V.i.S.d.P. (©Wolfgang Domeyer) René Schuster Spendenkonto Kontakt GRÜNE LIGA e.V. Telefon: 030 - 204 47 45 IBAN: DE61 4306 0967 8025 6769 00 Fax: 030 - 204 44 68 BIC: GENODEM1GLS bei der GLS Gemeinschaftsbank eG E-Mail: bundesverband@grueneliga.de Verwendungszweck: Spende Internet: www.grueneliga.de oder unter www.grueneliga.de/spenden 18
www.grueneliga.de/meineliga #meineliga Ich unterstütze die GRÜNE LIGA mit einem Förderbeitrag in Höhe von jährlich 5 € monatlich / 60 € jährlich 10 € monatlich / 120 € jährlich € monatlich / € jährlich Die Fördermitgliedschaft kann jederzeit beendet oder der Förderbeitrag geändert werden. Im ersten Quartal des Folgejahres senden wir Ihnen unaufgefordert die Zuwendungsbestätigung für Ihre Einkommenssteuer- erklärung zu. Ich ermächtige die Grüne Liga, bis auf Widerruf meinen Förderbeitrag quartalsweise / jährlich durch Lastschrift einzuziehen. Name Kontoinhaber/in: IBAN: Ich ermächtige den GRÜNE LIGA e.V., Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die vom GRÜNEN LIGA e.V. auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzu- lösen. Hinweis: Sie können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit Ihrem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Vorname, Name: Straße, Hausnr.: PLZ, Ort: E-Mail: Ort, Datum Unterschrift Hiermit stimmen Sie einer Speicherung ihrer Daten durch den GRÜNE LIGA e.V. zu. Wir erheben und verarbei- ten Ihre Daten ausschließlich für Vereinszwecke, wie Einzug des Förderbeitrages, Versand der Zuwendungs- bestätigung und von Informationen über unsere Arbeit. Ihre Daten werden grundsätzlich nicht an Dritte weiter- gegeben. Ihre Mandatsreferenznummer erhalten Sie mit der Eingangsbestätigung zur Fördermitgliedschaft. Bitte einsenden an GRÜNE LIGA e.V., Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin oder per Fax: 030-20 444 68 ... und wenn mal Zeit ist: Bitte auch zur Demo gehen!
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