Animal Welfare Reporting in der EU - (was) kann Deutschland von seinen Nachbarn lernen?
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S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 DOI: 10.3220/LBF1439543443000 47 Animal Welfare Reporting in der EU – (was) kann Deutschland von seinen Nachbarn lernen? Sonia Starosta und Angela Bergschmidt * Zusammenfassung Abstract Die Haltung, der Transport und die Schlachtung von Nutztie- Farm animal welfare reporting in ren stehen in Deutschland in der Kritik, nicht tiergerecht zu Germany: what can we learn from sein. Repräsentative Daten und Fakten, die dies belegen oder widerlegen, werden jedoch nur vereinzelt veröffentlicht. Ein our neighbours? umfassender Monitoring-Bericht zur Tiergerechtheit der land- wirtschaftlichen Nutztierhaltung mit wissenschaftlich fun- Animal husbandry, the transport and the slaughter of farm dierten Indikatoren könnte diese Wissenslücke schließen und animals in Germany are criticized for compromising animal wel- die aktuelle Debatte versachlichen. Solch einen Bericht, der fare. Representative facts and figures which prove or disprove die Aspekte Gesundheit, Verhalten und Emotionen der Nutz- these statements are rare. A comprehensive monitoring report tiere abdeckt, gibt es in Deutschland bisher noch nicht. Der on animal welfare with scientifically sound indicators could vorliegende Beitrag dokumentiert, inwiefern Animal-welfare- close this knowledge gap and objectify the debate. Such a Berichte von anderen europäischen Staaten geeignete Indika- report, covering the main aspects of animal health, behavior toren enthalten. Dokumente aus Dänemark, Finnland, Groß- and emotional status, does not exist yet. This article examines britannien, Österreich und der Schweiz wurden für die the extent to which other European countries have published Untersuchung ausgewählt, bei der das aus dem Umweltbe- animal welfare reports, whether they contain relevant animal reich stammende Driving-Force-Pressure-State-Impact-Response- welfare indicators and may serve as a model for a German Konzept angewendet wurde. Der deutsche Tierschutzbericht report. Five publications from Denmark, Finland, the United wurde ebenfalls in die Untersuchung einbezogen. Die Analyse Kingdom, Austria and Switzerland were selected for the study, in ergab, dass in den Berichten vorrangig über staatlich ergriffene which the Driving-Force-Pressure-State-Impact-Response-concept, Maßnahmen, wie Tierschutzkontrollen und Sanktionen, developed for environmental indicators, was applied. The berichtet wird. Eine Blaupause für einen deutschen Proto- German animal protection report was included as well. The ana- typen eines Tiergerechtheits-Monitoring konnte somit zwar lysis showed that the reports primarily provide information on nicht identifiziert werden, die Berichte enthalten aber Anre- government measures, such as animal welfare inspections. gungen für die Verwendung einzelner Indikatoren. Finnland While the reports therefore cannot serve as a blueprint for a gibt z. B. den Anteil verworfener Tiere an, die am Schlachthof German prototype, they do contain some suitable and appli- angeliefert werden, sich aber nicht für eine Weiterverarbei- cable indicators. Finland for example, reports on the proportion tung eignen. Dänemark nennt den Anteil der Mastgeflügelbe- of animals proportion of rejected animals for slaughter. Denmark stände mit hohen Prävalenzen von Fußballenerkrankungen. indicates the proportion of broiler flocks with a high prevalence Informationen, wie der Anteil kontrollierter tierhaltender of foot pad dermatitis. Information on the proportion of con- Betriebe, werden von verschiedenen Ländern als Indikator für trolled farms is presented by several countries as an indicator for staatliche Bemühungen, das Tierschutzgesetz durchzusetzen, the government’s efforts to enforce the animal protection law. präsentiert. Sie sind aber schwer zu interpretieren und daher Interpretation of this evidence is problematic and therefore these nicht ohne zusätzliche Informationen verwendbar. indicators are not applicable without additional information. Schlüsselwörter: Tiergerechtheit, Informationstransfer, Moni- Keywords: Animal welfare, transfer of information, animal toring, Tierwohl, Tierschutzberichterstattung welfare reporting, animal protection reporting * Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Betriebswirtschaft, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig Kontakt: sonia.starosta@ti.bund.de
48 S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 1 Einleitung Vorgehensweise Im vorliegenden Beitrag wird, nach einer kurzen Begriffs- Problemstellung definition und einer Beschreibung des Standes der Indika- Das Thema Tierschutz wird derzeit in der Wissenschaft und torenentwicklung (Abschnitt 2), zunächst der Auswahl- Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Insbesondere die Haltungs- prozess für die in die Untersuchung einbezogenen Animal- bedingungen von landwirtschaftlichen Nutztieren, deren welfare-Berichte erläutert und das Untersuchungsmaterial Transport und die Bedingungen bei der Schlachtung werden beschrieben (Abschnitt 3.1). Anschließend wird das gewählte kritisiert. Die Ergebnisse einer 2007 durchgeführten europa- Analyseraster für die Inhaltsanalyse dargestellt (Abschnitt weiten Umfrage belegen, dass die Tiergerechtheit der land- 3.2) und Bewertungskriterien genannt, die die inhaltliche wirtschaftlichen Nutztierhaltung für die Bevölkerung ein Qualität der Berichtsinformationen einschätzen (Abschnitt wichtiges Thema ist. Auf einer Skala von 1 (keine Bedeutung) 3.3). Der Ergebnisteil (Abschnitt 4) gibt einen Überblick über bis 10 (sehr hohe Bedeutung) erlangte das Thema Tier- die Indikatoren, die anschließend im Hinblick auf ihre gerechtheit im Durchschnitt die Wertung 7,8 (European Eignung für ein deutsches Monitoring Tiergerechtheit disku- Commission, 2007). tiert werden (Abschnitt 5). In der deutschen Debatte fällt auf, dass der Status quo der Tiergerechtheit von verschiedenen Akteuren unter- schiedlich eingeschätzt wird. Während Verbraucher/-innen 2 Begriffsdefinitionen und Stand der das Wohlbefinden der Nutztiere gefährdet sehen (Deimel et Forschung al., 2010), schätzen Landwirte und deren Vertreterorganisa- tionen den Gesundheitszustand ihrer Tiere besser denn je Tierwohl bzw. Tierwohlergehen wird als direkte Übersetzung ein (Deutscher Bauernverband, 2014). Die tatsächliche Fak- des englischen animal welfare verstanden. Im Gegensatz zu tenlage ist dabei jedoch lückenhaft. Für eine Beurteilung des Tierschutz (animal protection), der sich auf Aktivitäten des Status quo gibt es im Vergleich zu anderen Sektoren, wie Menschen bezieht, ist Tierwohl auf die Wahrnehmung des ein- dem Umweltbereich 1, weder repräsentative Daten, ein allge- zelnen Tieres bezogen (Blokhuis et al., 2003; Ingenbleek et al., mein anerkanntes Indikatoren-Set, noch eine Darstellung in 2012). Der Begriff Tiergerechtheit wird für die Messung und Berichtsform. Dadurch fehlt eine belastbare Informations- Bewertung von Tierwohl im Zusammenhang mit Verfahren basis für Entscheidungen von Politik und BürgerInnen. (z. B. Haltungsverfahren, Schlachtverfahren) und Manage- ment verwendet. Tierwohl und Tiergerechtheit sind multi- dimensionale Konzepte, die nur umfassend beurteilt werden Zielstellung können, wenn folgende Aspekte berücksichtigt werden: die Das Thema der tiergerechten Haltung gewinnt innerhalb Tiergesundheit (animal health), die Ausführbarkeit von natür- Europas zunehmend an Bedeutung. Daher ist es denkbar, lichen Verhaltensweisen (natural behaviour) und das emotio- dass in einigen europäischen Ländern entsprechende Daten nale Befinden (emotional state) eines Tieres (Fraser et al., 1997). erfasst, zusammengetragen, aufbereitet und in Berichten Vielfach wird zur Definition von Tierwohl und Tiergerechtheit veröffentlicht werden. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine auch das Konzept der fünf Freiheiten des britischen Farm Sondierung einschlägiger Berichte auf europäischer Ebene. Animal Welfare Council, 2009 herangezogen. 2 Für die Beurtei- Hierbei wird geprüft, ob andere EU-Mitgliedstaaten bereits lung werden ressourcen-, management- und tierbezogene routinemäßig ein Animal welfare Monitoring durchführen Indikatoren herangezogen (Schrader, 2013). bzw. Berichte hierzu veröffentlichen und ob Deutschland Indikatoren werden als Anzeiger definiert, die einen Sach- von seinen Nachbarn lernen kann. Zudem wird analysiert, ob verhalt näherungsweise beschreiben bzw. auf einfache Weise aufbereitete Informationen aus dem deutschen Tierschutz- komplexe Prozesse und Zusammenhänge operationalisieren bericht in einem Monitoring-Bericht Tiergerechtheit verwen- (Siemer et al., 2006). In der Wissenschaft besteht Einigkeit dar- det werden können. über, dass für eine Beurteilung des Status quo der Tiergerecht- Die Berichtsanalyse ist ein erster Arbeitsschritt des Pro- heit, tierbezogene Parameter notwendig sind (Hartung, 2012; jektes „Erstellung eines Prototypen für einen nationalen Averós et al., 2013). Daten, die direkt am Tier bzw. auf dem Monitoring-Bericht Tiergerechtheit“ am Thünen-Institut für Betrieb erhoben werden können, sind z. B. Verletzungen, Betriebswirtschaft. 2 Die fünf Freiheiten sind: (1) Freiheit von Hunger und Durst: Tiere haben Zugang zu frischem Wasser und gesundem und gehaltvollem Futter. (2) Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden: Tiere haben eine geeignete 1 Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (BMU, 2007) legt konkrete Unterbringung (z. B. einen Unterstand auf der Weide), adäquate Liege- Ziele fest und formuliert Indikatoren, mithilfe derer eine Zielerreichung in flächen etc. (3) Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten: Die Rechenschaftsberichten überprüft wird (BMU, 2013). Im Rahmen der 2002 Tiere werden durch vorbeugende Maßnahmen bzw. schnelle Diagnose begonnenen nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurden ebenfalls In- und Behandlung, Verzicht auf Amputationen (bzw. Betäubung) versorgt. dikatoren bestimmt (Statistisches Bundesamt, 2014) und regelmäßig (4) Freiheit von Angst und Stress: Durch Verfahren und Management Fortschrittsberichte veröffentlicht. Darüber hinaus werden vom Bundes- werden Angst und Stress vermieden z. B. durch Verzicht auf Treibhilfen. umweltamt „Daten zur Umwelt“ teils als Broschüre, teils als Datenangebot (5) Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster: Die Tiere haben die im Internet für eine „fundierte Diskussion über mehr Umweltschutz“ Möglichkeit das Normalverhalten auszuüben (z. B. durch ausreichendes bereitgestellt (Umweltbundesamt, 2011). Platzangebot, Gruppenhaltung etc.).
S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 49 Gangbildveränderungen und Sterberaten. Auch Schlacht- – Auf europäischer Ebene gibt es gesetzliche Berichts- hofbefunde können als wichtige Informationsquelle für die pflichten, denen Deutschland nachzukommen hat. Alle Ex-post-Bewertung des Tierwohlergehens während der Hal- EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sowohl einen tung und beim Transport gelten (Böckel, 2008; EFSA panel Bericht über die durchgeführten Tiertransportkon- for Animal Health and Animal Welfare, 2012; Kremer, 2013; trollen (EU, 2005, Artikel 27) als auch einen Jahresbe- Schleicher et al., 2013). Darüber hinaus werden ressourcen- richt (Kontrollplan) über die Umsetzung von verschie- bezogene Messgrößen wie Stalleinrichtung, Weidegang und denen Kontrollen, u. a. im Lebensmittel- und Tierschutz- das Flächenangebot pro Tier für die Bewertung der Ausführ- bereich, an die Europäische Kommission weiterzuleiten barkeit des Normalverhaltens genutzt. Beispiele für manage- (EU 2006/778/EG, Art. 8; EU, 2004 Nr. 882/2004, Art. 44). mentbezogene Parameter, die Rückschlüsse über das Auftre- In Letzterem werden die Anzahl kontrollierter landwirt- ten von Schmerzen und negativen Emotionen erlauben, sind schaftlicher Betriebe angegeben sowie der Anteil die Durchführung von Eingriffen an den Tieren (Kastration der Betriebe mit Beanstandungen (BMELV, 2011a). und Schwanzkupieren bei Schweinen etc.). Sowohl der Tiertransportbericht als auch die mehrjähri- Im Rahmen von verschiedenen Forschungsprojekten gen Kontrollpläne der Mitgliedstaaten sind im Internet wird der Frage nach einer Einschätzung des Wohlergehens schwer auffindbar und nicht an die Öffentlichkeit adres- von Nutztieren nachgegangen. Dabei konnten bereits zahl- siert, sondern an die Europäische Kommission. reiche Indikatoren zur Messung und Bewertung der Tierge- rechtheit entwickelt, weiterentwickelt und systematisiert werden. Das von der Europäischen Union geförderte Wel- 3 Methode fare-Quality (WQ®)-Projekt erarbeitete z. B. Methoden und Protokolle mit Indikatoren für Rind, Schwein und Geflügel, 3.1 Auswahl und Charakterisierung des Textma- mithilfe derer eine Beurteilung von Tiergerechtheit auf dem terials Betrieb durchgeführt werden kann. Die EFSA hat auf Anfrage Das Untersuchungsmaterial dieser Arbeit sind offizielle, der Europäischen Kommission eine Liste geeigneter Indika- öffentlich zugängliche Berichte europäischer Staaten, die toren herausgegeben, in der die Indikatoren des WQ®- sich mit dem Thema Tiergerechtheit auf nationaler Ebene Projekts enthalten sind (EFSA Panel on Animal Health and befassen. Da es sich hierbei um Textmaterial, d. h. um fixierte Welfare, 2012a; 2012b; 2012c). Diese Beurteilungsschemata Kommunikation handelt, wird die Methode der qualitativen finden in der Praxis von Landwirtschaft und Lebensmittelver- Inhaltsanalyse (Mayring, 2000) angewendet. arbeitung noch keine direkte Anwendung. Vielmehr werden Die Suche nach Berichten zu Tiergerechtheit fand in zwei die WQ®-Protokolle und Vorschläge der EFSA als Toolbox ver- Schritten statt. Über eine Internetrecherche wurden Berichte standen und fließen zu Teilen beispielsweise in die Kriterien- in englischer, deutscher und französischer Sprache gesam- listen von Produktlabeln ein („Tierschutz-kontrolliert“ − Vier melt. Ausschlaggebend für die Berichtsauswahl waren fol- Pfoten, „Tierschutzlabel“ − deutscher Tierschutzbund). Sie gende Aspekte: Die Berichte europäischer Staaten enthalten schlagen sich allerdings nicht in Form von nationalen Berich- Informationen, die Rückschlüsse auf das Wohlergehen der ten und Status quo-Beschreibungen in Deutschland nieder. Nutztiere zulassen, sind für die Öffentlichkeit zugänglich und Auch wenn in Deutschland keine umfassenden Berichte liegen in elektronischer und/oder gedruckter Form vor. Ein über Tiergerechtheit vorliegen, werden einzelne Aspekte in weiteres Kriterium war die Art der Publikation der Berichte. einer Reihe von offiziellen Berichten adressiert: Diese sollten durch nationale Einrichtungen in einem regel- – Der nationale Tierschutzbericht ist ein Rechenschafts- mäßigen Turnus veröffentlicht werden, da im deutschen bericht, den das BMEL an den Bundestag zu richten hat. Kontext ebenfalls ein solcher Rahmen angestrebt wird. 4 Aus Er informiert über die Aktivitäten zur Einhaltung und diesem Grund sind primär offizielle Internetseiten staatlicher Verbesserung des Tierschutzes (BMELV, 2011). Institutionen, wie Ministerien oder Fachbehörden, durch- – Der jährlich erscheinende Tiergesundheitsbericht des sucht worden. Von der Recherche ausgeschlossen sind auf- Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) gibt Rechenschaft über die grund ihrer schweren Zugänglichkeit offizielle Rechen- Verbreitung von Tierseuchen und Infektionskrankheiten schaftsberichte der europäischen Mitgliedstaaten an die innerhalb Deutschlands und beschreibt deren Bedeutung Europäische Kommission. Sie können zudem keine Vorbild- für den Menschen (Friedrich-Loeffler-Institut, 2012). Zwar funktion erfüllen, da Deutschland bereits jetzt, wie alle ande- werden Prävalenzen einzelner Krankheiten angegeben, ren Mitgliedstaaten, dazu verpflichtet ist, die entsprechen- nicht aber deren Wirkung auf das Tierwohlbefinden. 3 den Angaben zu Tierrechtsverstößen zu machen. Zusätzlich wurden die Landwirtschafts-, Gesundheits- 3 Der Zusammenhang zwischen anzeigepflichtigen Tierseuchen und Tier- oder Verbraucherministerien aller 28 Mitgliedstaaten per wohlbefinden wird je nach Krankheit unterschiedlich eingeschätzt. Das E-Mail angeschrieben und um die Zusendung der nationalen Farm Animal Welfare Committee (FAWC) fasst hierzu in einem Bericht Expert/-innenmeinungen zusammen. Befragte wurden gebeten, die Schmerzintensität und -dauer einzelner Tierkrankheiten zu bewerten. Das 4 Ein umfassender Monitoring-Bericht The welfare state: five years measuring im FLI-Bericht auftauchende Bovine Virusdiarrhoe ist neben Salmonellose animal welfare in the UK, 2005 bis 2009 der Tierschutz-Organisation Royal die einzige Infektionskrankheit, die in genanntem FAWC-Bericht auftaucht Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) wurde nicht berück- und von Expert/-innen als stark Schmerzen verursachende Krankheit sichtigt, da er nur einmalig erschienen und von einer Nichtregierungs- eingestuft wird (Farm Animal Welfare Committee, 2012). organisation publiziert wurde.
50 S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 Tabelle 1 Ausgewählte nationale Berichte Land Berichtstitel Herausgeber Turnus der Veröffentlichung Bundesministerium für Ernährung, Land- Deutschland (DE) Tierschutzbericht der Bundesregierung 2011 Alle vier Jahre wirtschaft und Verbraucherschutz Animal welfare in Finland - National Report on Animal EHK - Finnish Center for Animal Welfare Finnland (FIN) Alle drei Jahre Welfare 2013 (gefördert durch das Agrarministerium) Kooperationsprojekt (DCAW): Danish Jährlich Dänemark (DK) Animal welfare in Denmark 2010 Veterinary and Food Administration, (in dänischer Sprache) Ministry of Food, Agriculture and Fishery Österreich (AT) Tierschutzbericht an den Nationalrat 2011/2012 Bundesministerium für Gesundheit Alle zwei Jahre Schweiz (CH) Tierschutzbericht 2011 Bundesamt für Veterinärwesen BVET Seit 2010 alle drei Jahre Dep. of Agric. and Rural Development, Progress through partnership: The UK Chief Veterinary of Environment Food and Rural Affairs Erscheint nicht mehr in Großbritannien (GB) Officer‘s 2009 report on animal health and welfare (DEFRA); Welsh Assembly Gov.; Scottish diesem Format Government Quelle: Eigene Darstellung. Animal-welfare- oder Animal-health-Berichte gebeten. In 3.2 Analyseraster für eine Strukturierung des einem Zeitraum von zwei Monaten lag der Rücklauf der Textmaterials – Kategorien aus dem Umwelt- E-Mail-Anfrage bei insgesamt vier Berichten, wobei keine bereich zusätzlichen Informationen zu bereits im Internet verfüg- Der Zustand der Tiergesundheit, des Tierverhaltens und baren Berichten generiert werden konnten. emotionalen Befindens kann am besten über tierbezogene Letztlich führte die Recherche zu einer Auswahl von und ggf. ressourcen- oder managementbezogene Indika- sechs durch offizielle Stellen (Ministerien, Fachbehörden toren gemessen werden. Nicht immer stehen Daten für ent- u. Ä.) veröffentlichter Berichte aus Deutschland, Groß- sprechende Indikatoren zur Verfügung. In Ergänzung britannien, Dänemark, Finnland, Österreich und der Schweiz. können daher (weiche) Einflussfaktoren, wie beispielsweise Die Informationen über Berichtstitel, Herausgeber und Tur- politische Maßnahmen (Tierschutzvollzug) und das gesell- nus der Veröffentlichung sind in Tabelle 1 zusammengefasst. schaftliche Engagement mit einbezogen werden. Dieses Konsumverhalten 1 driving Kosten für Stalleinrichtungen, Lohn, etc. forces Förderung tiergerechter Haltungsverfahren Gesetzesänderungen und Tierschutzvollzug 2 Haltungssysteme (Platz, Einstreu, 5 Beschäftigung) response pressure Klauenpflege Zuchtmerkmale 4 3 Sterberaten Erkrankungen Nutzungsdauer bei impact state Verletzungen Milchvieh Verhaltensstörungen Quelle: Eigene Darstellung (European Environment Agency). Abbildung 1 Das DPSIR-Modell aus dem Umweltbereich mit Beispielen aus dem Tierwohlbereich
S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 51 Vorgehen ist im Umweltbereich üblich und hat zur Entwick- die Pressure-Kategorie. Indikatoren könnten hier z. B. der lung einer Indikatorenstruktur geführt, die eine Einbezie- Anteil an Gesundheitsmerkmalen bei der aktuellen Zucht- hung von Einflüssen, Zuständen und Reaktionen ermögli- wertschätzung sein. chen soll. State-Indikatoren beschreiben einen Zustand und sind Um möglichst viele relevante Informationen aus den aus- im Bereich Biodiversität z. B. die Anzahl bedrohter Tierarten gewählten Berichten extrahieren zu können, wurden Haupt- oder die Konzentration von CO2 in der Luft. Für den Tierbe- analysekategorien definiert (Kuckartz, 2012), die einer reich sind das Auftreten von Erkrankungen, Verletzungen solchen Systematisierung aus dem Umweltbereich entstam- und Verhaltensstörungen gängige Zustandsbeschreibun- men. Das Umweltmodell in Abbildung 1 umfasst fünf Indika- gen. Pathologische Parameter geben Auskunft über den torengruppen: driving forces (Antriebsindikatoren), pressure gesundheitlichen Zustand der Tiere. Verletzungen bei (Belastungsindikatoren), state (Zustandsindikatoren), impact Schweinen, beispielsweise am Ohr oder am Schwanz, kön- (Auswirkungsindikatoren) und responses (Maßnahmenindi- nen Anzeichen von Kannibalismus sein und lassen Rück- katoren) (DPSIR). Das DPSIR-Modell ist eine Erweiterung des schlüsse auf gestörtes Verhalten zu (Deimel et al., 2010). Dar- Pressure-State-Response-Modells der OECD (Gabrielsen und über hinaus gibt es die Möglichkeit, über Verhaltens- Bosch, 2003). Es verdeutlicht die Position und Interaktion der beobachtungen im Stall direkte Aussagen über Verhaltens- Indikatoren (Smeets und Weterings, 1999). weisen der Tiere zu treffen. Driving forces beschreiben allgemein soziale und ökono- Impact-Indikatoren drücken Veränderungen aus, die mische Entwicklungen sowie Lebensweisen und Konsum- Pressure- und State-Indikatoren zugeordnet werden können. niveaus in einer Gesellschaft (Smeets und Weterings, 1999). Eine mögliche Kausalkette aus dem Umweltbereich ist die Bei dem Versuch, driving forces auf den Tierbereich zu über- Wirkung der Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen tragen, kommt die Erfassung des Nachfrageverhaltens und (pressure) und einer damit einhergehenden Beeinträchti- der Zahlungsbereitschaft, bezogen auf tierische Produkte, gung der Pflanzenvielfalt (state). Diese wiederum kann die infrage. Hintergrund ist die Annahme, dass eine starke Nach- Zahl bedrohter Tierarten negativ beeinflussen (impact). frage nach tiergerecht erzeugten Produkten zu Veränderun- Übertragen auf den Tierbereich kann z. B. die Sterberate in gen in der Produktion führt. Das Konsumverhalten wird einem Geflügelstall oder bei der Ferkelaufzucht als Impact- wiederum dadurch geprägt, wie informiert und aufgeklärt Indikator beschrieben werden (Dickhaus, 2010; The Welfare eine Gesellschaft über die Produktionsbedingungen ist. Quality® Consortium, 2009). Diese korreliert mit der Besatz- Daher werden Berichtsinhalte, die Auskunft über den dichte (pressure) und Krankheitshäufigkeit (state) in einer Wissensstand einer Gesellschaft geben, mit berücksichtigt. Herde. Die geringe Nutzungsdauer bei Milchvieh ist eben- Auch Lohnkosten, die Kosten für Stalleinrichtungen, Einstreu falls ein Auswirkungsindikator, verursacht u. a. durch man- oder Weidemanagement können als „Rahmenbedingungen“ gelhafte Boxen- und Klauenpflege (pressure), damit einher- driving forces für die Entscheidungen der Landwirte für oder gehender Euter- oder Klauenerkrankung (state) und gegen ein bestimmtes Haltungs- und/oder Management- vorzeitigem (krankheitsbedingtem) Abgang (The Welfare verfahren sein. Quality® Consortium, 2009a). Pressure-Indikatoren beschreiben die Belastung, die Response-Indikatoren drücken politische und gesell- durch menschliches Handeln ausgeübt wird. Im Umweltbe- schaftliche Bestrebungen aus, Problemen vorzubeugen und reich ist dies etwa die Flächennutzungsintensität (Linster, ungewollte Zustände zu verbessern (Gabrielsen und Bosch, 2003). Übertragen auf den Bereich Nutztierhaltung könnten 2003). Im Tierbereich erfolgt die staatliche Einflussnahme Pressure-Indikatoren beispielsweise ressourcen- und mana- beispielsweise über die Ausgestaltung von Gesetzen und gementbezogene Indikatoren sein, wie der Anteil an Kühen die Überwachung von deren Einhaltung (Matthews und mit und ohne Weidegang, die Besatzdichte (EFSA Panel on Hemsworth, 2012). Gesetzliche Vorgaben und Tierschutz- Animal Health and Welfare, 2012a) und der Anteil an Betrie- kontrollen sind allerdings unter anderem von der Ausstat- ben mit spezieller Ausstattung, wie Stroheinstreu oder tung der ausführenden Behörden abhängig. Daher kann ein besonderem Beschäftigungsmaterial für Schweine (EFSA weiteres Indiz für staatliches Engagement beispielsweise Panel on Animal Health and Welfare, 2012c). Letztere geben die personelle und materielle Ausstattung der zuständigen Aufschluss über die Möglichkeiten der Tiere, ihr Nahrungs- Veterinärämter sein. Tierschutz-Bildungsarbeit in Schulen aufnahme-, Erkundungs- und Spielverhalten auszuleben. und im Rahmen von Workshops und Seminaren kann eben- Flächenangebot und Zugang zu Auslauf lassen Rückschlüsse falls als Reaktion auf Wissensdefizite bezüglich der Haltung auf die Bewegungsmöglichkeiten bzw. -einschränkungen und des Schutzes von Nutztieren angesehen und daher der der Tiere zu. Aus diesem Grund wurden Tiertransporte eben- Kategorie responses zugeordnet werden. Durch Bildungs- falls der Kategorie pressure zugeordnet. Die Transportdauer arbeit können SchülerInnen und VerbraucherInnen für den und Anzahl transportierter Tiere geben Auskunft über Nutztierbereich sensibilisiert werden. Darüber hinaus ist die die Zeitspanne, in der die Bewegungsfreiheit eines Tieres Förderung tiergerechter Haltungssysteme (z. B. über die stark eingeschränkt war. Mögliche managementbezogene Investitionsförderung im Rahmen der Entwicklungs- Pressure-Indikatoren sind die Häufigkeit und Regelmäßigkeit programme für den ländlichen Raum) als Indikator für das der Klauenpflege (Schrader, 2013) oder die Enthornungs- förderpolitische Engagement anzusehen. Das gesellschaft- praxis (mit oder ohne Anästhesie, Beruhigungs- und liche bzw. sektorale Engagement, Veränderungsprozesse Schmerzmittel). Auch der Themenkomplex Tierzucht fällt in anzustoßen, könnte gegebenenfalls über die Anzahl und
52 S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 Entwicklung entsprechender Interessenvertretungen, Ver- – die Darstellung von Informationen einen Zeitraum von eine, Aufklärungsprojekte, Medienberichterstattung, die Schaf- mehreren Jahren abdeckt. fung von Tierschutzlabeln etc. dokumentiert werden. Die oben genannten fünf Kategorien lassen sich nicht Die Nennung von konkreten Fördersummen für tiergerech- immer klar voneinander abgrenzen. Treibende Kräfte von tere Haltungssysteme, die Anzahl durchgeführter Tierschutz- Entwicklungen (driving forces) und initiierte Maßnahmen, kontrollen, die Höhe des Konsumniveaus tierischer Produkte um Zustände zu verändern (responses), können sehr nahe in einer Gesellschaft sind Beispiele und für eine mögliche beieinander liegen. Gleiches gilt für die Zuordnung verschie- Quantifizierung und Konkretisierung von Berichtsinhalten dener tierbasierter Indikatoren zu den Kategorien state und die der Kategorie driving forces und response zugeordnet impact. Je nach Einschätzung können Prävalenzen, wie werden. Schwanz- und Ohrenbeißen bei Mastschweinen, als Reaktion (impact) auf Verhaltensstörungen (state) und zu wenig Platz und Beschäftigungsmaterial (pressure) angesehen werden 4 Ergebnisse oder als Zustand an sich (state). Die Bestimmung, welche Indikatoren welcher Kategorie angehören, ist daher nicht Die in den Berichten enthaltenen Indikatoren wurden den immer eindeutig. Trotz dieser Einschränkungen wurde das verschiedenen Kategorien (driving forces, pressure, state, Modell als Grundlage für die Textanalyse gewählt, da es impact und response) zugeordnet und beschrieben. Dabei gegenüber der „klassischen“ Einteilung in tier-, manage- konnten die Kategorien pressure, state und impact zusam- ment-, und ressourcenbezogene Indikatoren den Vorteil mengefasst werden, da hier nur wenige Nennungen zu ver- bietet, Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge explizit dar- zeichnen sind. zustellen. 4.1 Driving forces 3.3 Bewertungskriterien für die in den Berichten Driving-force-Indikatoren werden ausschließlich im finni- verwendeten Indikatoren schen Animal-welfare-Bericht verwendet, und zwar für die Monitoring-Indikatoren sollten möglichst spezifische Infor- Bereiche Bildung und Konsumverhalten. Der Bericht betont mationen liefern und im Zeitverlauf Veränderungen abbil- in einem Abschnitt beispielsweise, dass keine Animal- den können (Siemer et al., 2006). Nach der inhaltlichen Struk- welfare-Inhalte im Curriculum der Grund- und weiterführen- turierung der Textinformationen werden die verwendeten den Schulen zu finden sind. In der veterinärmedizinischen Indikatoren daher auf diesbezügliche Aussagemöglichkeiten Fakultät, im Fachbereich Agrarwissenschaften und im Rah- hin untersucht. Hierzu wurden entsprechende Kriterien men des Biologiestudiums werden vereinzelt Kurse zu dieser bestimmt. So sind beispielsweise Angaben über die Anzahl Thematik angeboten (Finnish Centre for Animal Welfare, und den Anteil ökologisch wirtschaftender Betriebe (Pressure- 2013). Die mangelnde fachliche Schwerpunktsetzung im Indikator) besser interpretierbar, wenn zusätzlich die Infor- Bildungsbereich kann die Entwicklung eines Verständnisses mation bereitgestellt wird, welche Tierarten und wie viele von Tiergerechtheit behindern und dadurch gesellschafts- Tiere ökologisch gehalten werden. Von einer hohen Aussa- induzierte Veränderungsprozesse verlangsamen. Bezüglich gekraft wird daher gesprochen, wenn konkrete Hinweise des Konsumverhaltens enthält der Bericht Informationen über u. a. über den jährlichen Fleischkonsum pro Kopf, der in – die Anzahl betroffener Tiere, einem Zeitraum von vier Jahren angegeben wird (Finnish – die Tierart (Rind, Schwein oder Geflügel) gegeben Centre for Animal Welfare, 2013). Außerdem wird die Nach- werden und frage nach „Bioprodukten“ (Milch, Eier, Fleisch) in Form von Tabelle 2 Identifizierte Indikatoren der Kategorie driving forces Land Bereiche driving forces (Antriebsindikatoren) Spezifizierte Informationen Fehlender schulischer und akademischer FIN Bildung Schwerpunkt - in Kilogramm pro Person FIN Konsum Fleischkonsum - 2007 bis 2010 - Fleisch von Rind, Schwein, Geflügel FIN Konsum Eier-, Milch- und Fischkonsum - 2010 Nachfrage nach ökologisch erwirtschafteten FIN Konsum - Marktanteile und Konsumanteile Produkten - Unterscheidung zwischen Semi-VegetarierInnen, PescetarierInnen und FIN Konsum Anteil VegetarierInnen Ovo-Lacto-VegetarierInnen Quelle: Eigene Darstellung; FIN= Finnland.
S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 53 Marktanteilen dargestellt. Neben dem Konsum wird auch der betroffenen Herden fehlen, was die Interpretierbarkeit der Verzicht auf tierische Produkte als relevante Information ange- Angaben einschränkt. sehen. Der Anteil an VegetarierInnen wird hier als Indiz für Informationen der Kategorie impact, wie beispielsweise einen hohen Grad an Sensibilisierung für das Tierschutzthema die Nutzungsdauer von Milchvieh oder die Mortalität bei der interpretiert (Finnish Centre for Animal Welfare, 2013). Die aus- Ferkelaufzucht, sind in den Berichten nicht enthalten. Nur im gewählten Driving-force-Indikatoren des finnischen Berichts finnischen Bericht wird ein Impact-Indikator erwähnt. Für sind in Tabelle 2 zusammengefasst. den Zeitraum 2007 bis 2010 wird der Anteil der Tiere genannt, die auf Schlachthöfen ankommen und dann verworfen, also nicht für den menschlichen Verzehr verwendet werden. Die 4.2 Pressure, state, impact Angaben gelten u. a. für Mastschweine, Sauen und Rinder. Eine Darstellung von Pressure-Indikatoren erfolgt im finni- Finnland folgert, dass der festgestellte Aufwärtstrend ver- schen und deutschen Bericht. Bezüglich der Art des worfener Schlachttiere starke gesundheitliche Probleme bei Haltungssystems nennt Finnland die Zahl ökologisch wirt- den angelieferten Tieren vermuten lässt (Finnish Centre for schaftender Betriebe und gehaltener Tiere. Dabei wird unter- Animal Welfare, 2013). schieden zwischen Rindern, Schweinen, Legehennen und Die Ergebnisse der Berichtsanalyse für die drei Kategorien weiteren Nutztiergruppen (Finnish Centre for Animal pressure, state und impact sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Welfare, 2013). Der deutsche Tierschutzbericht gibt Auskunft Insgesamt konnten fünf Indikatoren identifiziert werden. Nur über Hennenhaltungsplätze in Boden-, Käfig- und Freiland- im finnischen und deutschen Bericht wurden Zeitreihen dar- haltungssystemen (BMELV, 2011). Finnland dokumentiert gestellt. Die Anzahl betroffener Tiere wird im finnischen zudem die Dauer von Schlachthof- und Transittransporten, Bericht im Zusammenhang mit der ökologischen Tierhaltung die im Jahr 2008 stattfanden. Dabei wird zwischen Transpor- und im deutschen Bericht durch die Anzahl Haltungsplätze ten unter neun, über zwölf und über vierzehn Stunden unter- bei Legehennen quantifiziert. Finnland ist das einzige Land, schieden (Finnish Centre for Animal Welfare, 2013). Informa- das in seinem Bericht Informationen aus den Bereichen Trans- tionen zur betroffenen Tierart oder Anzahl der transportierten port und Schlachtung veröffentlicht. Allerdings fehlen bei den Tiere sind nicht aufgeführt. Schlachtdaten Angaben zur Anzahl betroffener Tiere und bei Von der Vielzahl vorhandener State-Indikatoren (Lahm- Tiertransporten Angaben zu den Tierarten. heit, Schwanzspitzennekrosen, Mastitis etc.) ist die Doku- mentation der Fußballengesundheit bei Mastgeflügel im dänischen Bericht der einzige Indikator dieser Kategorie, der 4.3 Response aus den sechs untersuchten Berichten extrahiert werden Aussagen zu Response-Indikatoren finden sich in allen unter- konnte. Dänemark berichtet für 2010 über den Anteil der suchten Berichten. Bei der Berichtsanalyse wird vor allem der Geflügelbestände, bei denen bei einer stichprobenhaften staatliche Wille, Tierschutzgesetze umzusetzen, als wieder- Erfassung 5 Fußballendermatitis, eine schmerzhafte Erkran- kehrender Berichtsinhalt identifiziert. Folgende Aspekte sind kung der Fußballen, festgestellt wurde (Danish Center for hierbei von Bedeutung: Animal Welfare, 2011). Angaben über die Größe der 1. Anzahl/Anteil 6 kontrollierter Betriebe (Kontrolldichte), ggf. nach Tierarten Tabelle 3 Identifizierte Indikatoren der Kategorie pressure, state und impact Land Monitoring-Daten/Informationen Daten nach Tierart Nennung von Anzahl Zeitangabe Kategorie aufgeschlüsselt betroffener Tiere FIN Ökologisch wirtschaftende Betriebe und gehaltene Tiere ja ja (nur Kühe) 2008 bis 2010 P Legehennen: Anteil und Anzahl Tiere in Käfig-, Boden-, DE ja ja 2008 bis 2010 P Freiland- und ökologischer Haltung FIN Transportdauer (kurz, mittel, lang) nein nein 2008 P Mastgeflügel: betroffene Herden/Betriebe nach Fußballen- DK ja nein 2010 S Screening Verworfene Schlachtkörper (Anteilig von allen angelieferten FIN ja nein 2007 bis 2010 I Schlachttieren in %) Quelle: Eigene Darstellung; FIN = Finnland, DE = Deutschland, DK= Dänemark; S=state, P=pressure, I=impact. 6 Die jährliche Gesamtzahl durchgeführter Tierschutzkontrollen wird besser interpretierbar, wenn sie in das Verhältnis zu allen kontrollpflichtigen 5 Aus jeder am Schlachthof angelieferten Herde müssen 100 Tiere unter- Betrieben gesetzt wird (Kontrolldichte). So werden strukturelle Entwick- sucht werden. Anhand eines festgelegten Untersuchungsprotokolls lungen (z. B. Rückgang an landwirtschaftlichen Betrieben) berücksichtigt werden Fußballen als gesund oder entzündet kategorisiert. und intertemporale sowie regionale Vergleiche möglich.
54 S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 Tabelle 4 Identifizierte Indikatoren der Kategorie response: Tierschutzkontrollen Land Anzahl kontrollierter Anteil kontrollierte Spezifizierte Informationen Bestände/ Betriebe Bestände/Betriebe - Zeitspanne - Tierart DE – – – – Angaben für 2006 bis 2010 FIN Lediglich Angabe von Zielwerten (1,5 % Kühe, Kälber, Legehennen, Schweine, Rinder 2 bis 8 % Schweine, 7 bis 15 % Legehennen) Angabe der Anzahl kontrollpflichtiger Angaben für 2011 bis 2012 AT Betriebe und tatsächlich kontrollierter Kälber, Schweine, Legehennen, Rinder, Betriebe (Anlehnung an EU-Vorlage Mastgeflügel 2006/788/EG); keine Zielwertangabe – Angaben für 2010 DK Lediglich Angabe von Zielwert (5 %) Schweine, Rind, Mastgeflügel, Legehennen – Angabe für 2009 GB Kälber, Rinder, Milchvieh, Schweine, Legehennen, Mastgeflügel – – – CH Lediglich Angabe von Zielwert (25 %) Quelle: Eigene Darstellung, FIN = Finnland, DE = Deutschland, DK = Dänemark, GB = Großbritannien, CH = Schweiz, AT = Österreich. 2. Anzahl/Anteil festgestellter Verstöße bei den kontrol- Finnland geht zudem auf die Personalausstattungen der lierten Betrieben, ggf. nach Tierarten Veterinärämter ein und quantifiziert Neueinstellungen über 3. Anzahl/Anteil Sanktionsmaßnahmen bei festgestellten die Kommunen (Finnish Centre for Animal Welfare, 2013). Im Verstößen Rahmen der Professionalisierung des Veterinärwesens gibt der Tierschutzbericht der Schweiz an, wie viele Kurse ange- Tabelle 4 gibt einen Überblick über die von den Ländern boten und wie viele Amtstierärztinnen und Amtstierärzte an bereitgestellten Informationen zu Anzahlen und Anteilen Fortbildungskursen teilgenommen haben (Schweizer kontrollierter Betriebe: Finnland und Österreich stellen am Bundesamt für Veterinärwesen, 2010). meisten Informationen zur Verfügung, die Schweiz und Bezüglich der Durchsetzung höherer Tierschutzstan- Großbritannien am wenigsten. Im deutschen Bericht werden dards im Vergleich zum europäischen Regelwerk führt Finn- hierzu keine Angaben gemacht. Österreich orientiert sich an land aus, dass das Schwanzkupieren bei Mastschweinen und der Vorgabe der Europäischen Union (EU, 2006/778/EG) und Schnabelkürzen bei Legehennen bereits verboten ist gibt die Anzahl der kontrollierten und kontrollpflichtigen (Finnish Centre for Animal Welfare, 2013), während die EU Betriebe für einen Zeitraum von zwei Jahren an (Österreich/ diese Praktiken durch Ausnahmeregelungen immer noch Bundesministerium Gesundheit, 2013). Finnland nennt zwar gewährt (EU 2008/120/EG, Anhang 1, Kapitel 1). Deutschland über einen längeren Zeitraum (2006 bis 2010) die Anzahl von nennt den vorzeitigen Ausstieg aus der konventionellen kälber-, schweine-, legehennen- und rinderhaltenden Betrie- Käfighaltung zwei Jahre vor dem offiziellen europaweiten ben, die kontrolliert wurden, führt aber nicht aus, Verbot (BMELV, 2011). welchem Anteil der Betriebe dies entspricht (Finnish Centre Ein weiterer relevanter Aspekt von response, die Umset- for Animal Welfare, 2013). Angaben zur Kontrolldichte wer- zung nationaler Fördermaßnahmen (Finanzierung über Lan- den hier, ebenso wie im schweizerischen und dänischen des- und EU-Mittel), wird im finnischen und deutschen Bericht, nur als Zielgröße angegeben. Es gibt keine Hinweise Bericht angesprochen. Finnland nennt geförderte (Öko-) darauf, ob die gesetzte Zielmarke erreicht wurde. Betriebe, die Anzahl der auf diesen Betrieben gehaltenen Zur Feststellung von Verstößen findet man in allen Tiere und die im Jahr 2010 ausgezahlte Fördersumme, sowie untersuchten Berichten Informationen (BMELV, 2011; Danish Betriebe, die von 2006 bis 2009 an Agrarinvestitionsförde- Center for Animal Welfare, 2011; Finnish Centre for Animal rungsprogrammen teilnahmen (Finnish Centre for Animal Welfare, 2013; Österreich/Bundesministerium Gesundheit, Welfare, 2013). Deutschland listet Investitionsfördersummen 2013; Schweizer Bundesamt für Veterinärwesen, 2010; für Stallbauen auf, die den Anforderungen an eine „beson- Oguntunde et al., 2010). Über Sanktionsmaßnahmen ders tiergerechte Haltung“ gerecht werden (BMELV, 2011). berichten hingegen nur der österreichische und dänische Das nichtstaatliche Engagement bringt der österreichische Bericht. Abmahnungen, Bußgeldbescheide, Strafanzeigen Bericht zum Ausdruck, indem er die erfolgreiche Umsetzung o. Ä. werden in diesen Berichten tabellarisch dargestellt eines Tierschutz-Bildungsprogrammes betont und dabei die (Danish Center for Animal Welfare, 2011; Österreich/Bundes- Anzahl ausgebildeter TierschutzreferentInnen benennt, ministerium Gesundheit, 2013). sowie die Anzahl bestellter „Tierschutz-macht-Schule“-
S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 55 Tabelle 5 Weitere Response-Indikatoren Land Maßnahmenindikatoren Spezifizierte Informationen FIN Hoher gesetzlicher Mindeststandard, vorzeitige Umsetzung - Schwänze kupieren, Schnäbel kürzen nicht gestattet (deskriptiv) von EU-Bestimmungen DE Hoher gesetzlicher Mindeststandard, vorzeitige Umsetzung - Konventionelle Käfighaltung ist bereits seit 2010 verboten von EU-Bestimmungen FIN Fördermaßnahmen - Tierschutzprämie im Öko-Landbau: Anzahl teilnehmender Betriebe, Tier- zahlen (nicht nach Tierart differenziert), Gesamtfördersumme für 2010 - Prämien für tiergerechte Haltungsverfahren: Anzahl Betriebe nach Pro- duktionsrichtung (Milchvieh, Schwein), Gesamtfördersumme für den Zeitraum 2007 bis 2010 DE Fördermaßnahmen - Agrarinvestitionsförderprogramm: Anzahl geförderter Ställe (Um- und Neubauten), gezahlte Fördersummen, 2007 bis 2009 - Stroh- und Weideförderung: Anzahl abgeschlossener Verträge und Förder- summen, 2007 bis 2009 FIN Ausstattung der Veterinärbehörden - Anzahl zusätzlich eingestellter Veterinärinnen und Veterinäre CH Weiterbildungsangebot für VeterinärInnen - Anzahl weitergebildeter Tierärztinnen und Tierärzte - Anzahl durchgeführter Kurse (Tierschutzmodule) AT Wissensvermittlung im Bereich Tierschutz durch „Tierschutz - Anzahl ausgebildeter TierschutzreferentInnen macht Schule“-Verein - Anzahl bestellter Unterrichtsmaterialien Quelle: Eigene Darstellung; FIN = Finnland, DE = Deutschland, CH = Schweiz, AT = Österreich. Materialien (Österreich/Bundesministerium Gesundheit, 2013). wird z. B. die Hoftor-Stickstoffbilanz (ein Driving-force-Indika- Die Response-Indikatoren, die sich nicht im engeren Sinne tor) verwendet, um Nährstoffeinträge durch die Landwirt- mit den Kontrollen vom Tierschutzrecht befassen, sind in schaft zu dokumentieren. Der Transport von Nährstoffen Tabelle 5 zusammengefasst. durch die Bodenschichten dauert lange, sodass der Zustands- indikator „Stickstoffbelastung des Grundwassers“ erst Deka- den später festgestellt werden könnte. Im Bereich der Tier- 5 Diskussion gerechtheit wäre beispielsweise die erfolgreiche Zucht hornloser Milchkuhrassen ein Driving-force-Indikator, der im 5.1 Vorgehen und Methodenwahl Zusammenhang mit der Enthornung steht. Durch die aus pragmatischen Gründen (Sprachkenntnisse, Einsparung von Übersetzungskosten) sprachlich einge- grenzte Suche nach englischen, französischen und deut- 5.2 Die Interpretation von Driving-Force- und schen Berichten konnte zwar ein Einblick in, aber kein voll- Response-Indikatoren ständiger Überblick über die europäische Berichtslandschaft Die Interpretation von Driving-Force- oder Response-Indika- erreicht werden. Möglicherweise wurde interessantes toren im Hinblick auf ihre Relevanz für eine Veränderung der Berichtsmaterial anderer europäischer Staaten nicht berück- Tierwohlsituation ist oft schwierig. Das soll am Bsp. der Tier- sichtig, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine schutzgesetzkontrollen erläutert werden. „Blaupause“ für einen deutschen Monitoring-Bericht Tierge- Zwar sind „angemessene“ Kontrolldichten eine Voraus- rechtheit in einem der nicht untersuchten EU-Staaten vor- setzung für die Durchsetzung von Gesetzen, letztendlich liegt. sind sie aber nur dann ein wirksames Instrument zur Einhal- Ein mögliches Problem bei der Anwendung des DPSIR- tung der Tierschutzgesetze, wenn die Kontrollen sorgfältig Modells für einen deutschen Bericht kann darin bestehen, durchgeführt werden und festgestellte Verstöße tatsächlich dass durch die Vielzahl an möglichen Indikatoren das Haupt- geahndet werden. ziel eines Monitorings-Tiergerechtheit − über Zustand und Eine im Zeitverlauf ansteigenden Zahl festgestellter Ver- Entwicklung von Gesundheit, Verhalten und Emotionen von stöße kann z. B. sowohl auf einen höheren Anteil an tatsäch- Nutztieren zu berichten − in den Hintergrund gedrängt wird lichen Verstößen als auch auf eine verbesserte risikobasierte und stattdessen umfangreiche Materialien zu Tierschutzkon- Auswahl und verstärkte Inspektion auffälliger Betriebe trollen, Bildungsmaßnahmen und Konsumentwicklungen zurückgeführt werden (Thüringer Ministerium für Soziales, präsentiert werden. Hier sollte bei der Erstellung auf Voll- 2005). ständigkeit geachtet werden (siehe Abschnitt 3.2). Neben dem angewandten Überwachungssystem, wie Eine grundsätzliche Option des Modells, die allerdings in der risikoorientierten Betriebskontrolle, sind weitere Fakto- den untersuchten Berichten nicht genutzt wurde, liegt darin, ren für den Erfolg des Tierschutzvollzuges entscheidend. das Fehlen von geeigneten Zustandsindikatoren durch andere Die personelle und materielle Ausstattung der Veterinär- Indikatorenkategorien zu kompensieren. Im Umweltbereich behörden (Österreich/Bundesministerium Gesundheit, 2011)
56 S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 Kontrollsystem/ Tierschutzkontrolldichte Überwachungsansatz Motivation und Qualifizierung des Anzahl festgestellter Verstöße Personals Zusammenarbeit mit RichterInnen, AnwältInnen Sanktionsmaßnahmen und BehördenleiterInnen Ausstattung der Ziel: Beseitigung der Missstände Veterinärbehörden Quelle: Eigene Darstellung. Abbildung 2 Einflussfaktoren auf den erfolgreichen Tierschutzvollzug (Auswahl) sowie die Motivation und Qualifikation des Personals sind hinausgehenden Verbote des Schwanz- und Schnabelkupie- ebenso von Bedeutung wie die Zusammenarbeit der Veteri- rens in Finnland indirekt auf diesen Aspekt ein. närbehörden, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Die untersuchten Berichte sind im Hinblick auf die Erfas- Abbildung 2 fasst wesentliche Einflussfaktoren auf tier- sung aller relevanten Nutztierarten unvollständig. Angaben schutzbezogene Informationen, wie Verstöße und Maßnah- zur Haltung im ökologischen Landbau werden beispiels- men, zusammen. weise nur für Mastschweine, Legehennen und Milchvieh Bei der Betrachtung von Tierschutzkontrollen als spezifiziert, nicht aber für Mastgeflügel und Mastrinder. Im Response-Indikator für eine Durchsetzung des Tierschutzge- Hinblick auf den Gesundheitszustand der Tiere liegen sogar setztes muss bedacht werden, dass Kontrollen nur dort wirk- nur für Mastgeflügel Informationen vor (Fußballennekrosen). sam sein können, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen Aus den für die Tiergerechtheit wichtigen Bereichen hinreichend präzisiert wurden, was z. B. für Milchkühe in Haltung, Transport und Schlachtung werden in den Berich- Deutschland nicht der Fall ist. Eine Voraussetzung für die Ein- ten nur zu den ersten beiden Handlungsfeldern Informa- ordnung der Kontrollinformationen ist daher ein Überblick tionen bereitgestellt. Für die Schlachtung relevante Indika- über die rechtlichen Rahmenbedingungen. toren, wie beispielsweise Wartezeiten am Schlachthof oder die Art und Effektivität der Betäubung, fehlen ausnahmslos. 5.3 Vollständigkeit der Berichte Für eine vollständige Messung der Tiergerechtheit müssten 6 Schlussfolgerungen und Ausblick die Berichte die Aspekte Tiergesundheit, Tierverhalten und das emotionale Befinden mit Daten unterlegen. Es müssten Die Untersuchung der Berichte hat gezeigt, dass nicht nur in ferner für alle relevanten Nutztierarten (Rind, Schwein und Deutschland, sondern auch in den betrachteten Ländern für Geflügel) die Bereiche Haltung, Transport und Schlachtung die Nutztierhaltung noch kein Monitoring Tiergerechtheit exis- abgedeckt werden. Diese Kriterien erfüllen die untersuchten tiert. Die Berichtsanalyse brachte keine Blaupause für einen Berichte nicht. deutschen Bericht hervor, zeigte aber einige Optionen auf. Der Aspekt Tiergesundheit wird nur im dänischen Bericht Die Anwendung des Driving-Force-Pressure-State-Impact- anhand des Indikators „Fußballennekrosen“ bei Mastgeflügel Response-Ansatzes auf den Bereich Tiergerechtheit hat den dokumentiert. Informationen über die Ausführbarkeit des Blickwinkel auf die in den Berichten enthaltenen Informa- Normalverhaltens können in begrenztem Umfang über die tionen zu Einflussfaktoren (driving forces) und Reaktions- ressourcenbezogenen Angaben zu den nach den Richtlinien möglichkeiten (responses) gelenkt und so die „klassische“ des ökologischen Landbaus gehaltenen Tieren (Finnland) eng auf die Aspekte Tiergesundheit, Tierverhalten, emo- und des Anteils an Legehennen mit Zugang zu Auslauf tionaler Zustand ausgerichtete Perspektive geweitet. Hier- (Deutschland) entnommen werden. Indikatoren zum emo- durch konnten aus den untersuchten Berichten europäischer tionalen Zustand, welche beispielsweise über den Anteil an Staaten einige auch für eine deutsche Berichterstattung inte- Tieren mit kupierten Schwänzen oder gekürzten Schnäbeln ressante Indikatoren identifiziert werden. darstellbar wären, werden in keinem der Berichte direkt Für viele der genannten Driving-force- und Response- genannt. Allerdings geht die Nennung der über EU-Vorgaben Indikatoren liegen die Daten für eine Beschreibung der
S. Starosta, A. Bergschmidt · Landbauforsch · Appl Agric Forestry Res · 1 2015 (65)47-58 57 deutschen Situation bereits vor. In manchen Fällen können Entscheidung darüber, welche weiteren Tiergerechtheits- diese direkt aus existierenden, zu anderen Zwecken ver- indikatoren sich für ein aussagekräftiges nationales Monito- öffentlichten Dokumenten entnommen werden. Angaben ring eignen. Eine Vielzahl wissenschaftlich fundierter Indika- zu Fördermaßnahmen werden beispielsweise in den jährlich toren gibt es bereits. Für diese muss einerseits geprüft erscheinenden Monitoring-Berichten der Entwicklungspro- werden, welche für den Zweck einer nationalen Berichter- gramme für den ländlichen Raum veröffentlicht (European stattung am bestgeeignetsten sind. Zudem kann es notwen- Network for Rural Development, 2014). Weitere in Deutsch- dig sein, aus der Vielzahl der Indikatoren eine Auswahl zu land verfügbare Datensätze sind die Ergebnisse der halbjähr- treffen, um die Berichterstattung nicht zu überfrachten. lich und jährlich veröffentlichten Schlachttier- und Fleisch- Diese Auswahl sowie die Prüfung, ob sich bereits vorliegen- untersuchung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Hier de Monitoring-Daten für eine Indikatorenentwicklung eige- liegen, wie im finnischen Bericht tabellarisch dargestellt, nen, oder mit welchem Aufwand sich die noch nicht vorlie- Informationen zu verworfenen Schlachttieren und andere genden Informationen erheben lassen, sind Kernstück des Daten über Organverwürfe vor. Verwurfszahlen können Forschungsvorhabens „Erstellung eines Prototypen für einen daher ebenfalls ohne großen Zusatzaufwand für einen deut- nationalen Monitoring-Bericht Tiergerechtheit“ am Thünen- schen Bericht im Zeitverlauf dargestellt werden. Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig. Die Kontrollen zur Durchsetzung der Tierschutzgesetze müssen alle Mitgliedstaaten aufgrund der Verpflichtungen für die europäische Berichterstattung bereits jetzt einheitlich Literatur dokumentieren. Da hierbei über die Anzahl und Ergebnisse Averós X, Aparicio MA, Ferrari P, Guy JH, Hubbard C, Schmid O, Ilieski V, der Kontrollen auf landwirtschaftlichen Betrieben sowie Spoolder HAM (2013) The effect of steps to promote higher levels of beim Transport berichtet wird, ist die „Kontrolldichte“ als farm animal welfare across the EU : societal versus animal scientists’ per- Response-Indikator für einen deutschen Bericht problemlos ceptions of animal welfare. Animals 2013(3):786-807 umsetzbar, ebenso wie eine Zusammenfassung der Bean- Blokhuis HJ, Jones RB, Geers R, Miele M, Veissier I (2003) Measuring and moni- standungsgründe. Ein weiterer in den untersuchten Berich- toring animal welfare : transparency in the food product quality chain. Animal Welfare 2003(12):445-455 ten enthaltener Aspekt ist die nationale Tierschutzgesetzge- BMELV, Bundesminist Ernährung Landwirtschaft Verbraucherschutz (2011) bung (Finnland). Eine übersichtliche und transparente Tierschutzbericht der Bundesregierung 2011. Berlin : BMELV, 62 p Darstellung der über den verpflichtenden EU-Mindeststan- BMELV, Bundesminist Ernährung Landwirtschaft Verbraucherschutz (2011a) dard hinausgehenden Gesetze, aber auch der bislang noch Jahresbericht 2011 der Bundesrepublik Deutschland zum mehrjährigen nicht gesetzlich geregelten Bereiche kann für den deutschen nationalen Kontrollplan nach Verordnung (EG) Nr. 882/2004 [online]. Zu finden in [zitiert am 25.03.2015] In einigen relevanten Bereichen liegen zwar Daten vor, BMU, Bundesminist Umwelt Naturschutz Reaktorsicherheit (2007) Nationale befinden sich aber in privatem Eigentum und/oder werden Strategie zur biologischen Vielfalt : vom Bundeskabinett am 7. November nicht einheitlich erfasst. Das von Dänemark bereits im Bericht 2007 beschlossen. Berlin : BMU, 178 p BMU, Bundesminist Umwelt Naturschutz Reaktorsicherheit (2013) Gemein- verwendete Fußballen-Monitoring bei Mastgeflügel setzt sam für die biologische Vielfalt : Rechenschaftsbericht 2013 zur Umset- sich zwar auch in Deutschland mehr und mehr durch und zung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Berlin : BMU wird in einigen Bundesländern bei allen Tieren bereits auto- Böckel V (2008) Untersuchungen zur quantitativen Bewertung der Tierge- matisiert oder „manuell“ stichprobenhaft aufgenommen sundheit von Schweinebeständen [online]. Zu finden in [zitiert am 25.03.2015] Danish Center for Animal Welfare (2011) Animal welfare in Denmark 2010 ist aber trotz einer guten Eignung des Indikators (wissen- [online]. Zu finden in grund des schwierigen Zugangs und der uneinheitlichen [zitiert am 25.03.2015] Erfassung dieser Daten nicht absehbar. Auch Informationen Deimel I, Franz A, Frentrup M, Meyer M von, Spiller A, Theuvsen L (2010) über Weiterbildungsangebote für amtliche Veterinäre, wie Perspektiven für ein Europäisches Tierschutzlabel [online]. Zu finden in [zitiert am 25.03.2015] Bericht beschriebene personelle Ausstattung der Ämter, Deutscher Bauernverband (2014) Faktencheck Landwirtschaft 2014 [online]. könnten relevant für einen deutschen Bericht sein. Diese Zu finden in [zitiert am Daten müssten aber auf Ebene der Bundesländer abgerufen 25.03.2015] werden, sodass die Informationsbeschaffung mit einem Dickhaus C-P (2010) Epidemiologische Untersuchungen zur semiquantita- tiven Kategorisierung der Tiergesundheit in Schweinemastbetrieben : hohen Aufwand verbunden wäre. Entwicklung und Validierung des „Herden-Gesundheits-Score“ (HGS). Welche der in den untersuchten Berichten verwendeten Giessen : VVB Laufersweiler, 250 p Indikatoren letztendlich in eine deutsche Berichterstattung EFSA Panel for Animal Health and Welfare (2012) Scientific opinion on the use aufgenommen werden, hängt allerdings nicht nur von Fra- of animal-based measures to assess the welfare of dairy cows [online]. gen der Datenverfügbarkeit ab. Die Indikatoren müssen Zu finden in http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/2554.htm [zitiert am 25.03.2015] zuallererst den Kriterien, nach richtungssicherer Interpretier- EFSA Panel on Animal Health and Welfare (2012a) Scientific opinion on the barkeit, wissenschaftlicher Validität und Reliabilität entspre- use of animal-based measures to assess welfare of broilers [online]. chen. Über die Anregungen aus den Berichten benachbarter Zu finden in Staaten hinaus, bedarf es zudem Überlegungen und einer [zitiert qm 25.03.2015]
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