Anpassungsstrategien KLIMAWANDEL - WBI Freiburg

 
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Anpassungsstrategien KLIMAWANDEL - WBI Freiburg
...WEINBAU...

K L I M AWA N DE L

Anpassungsstrategien
Durch den Klimawandel sind in Süddeutschland längere warme, trockene Phasen, aber auch mehr
Gewitter­schauer zu erwarten. Auch Starkregen, Überschwemmungen und Staunässe werden wohl häufiger
auftreten. Deshalb werden Erosionsschutz, Begrünungs- und Wassermanagement noch bedeutender­­­.

             KO M PA K T
Das Weinbauinstitut Freiburg
(WBI) unterstützt die wein-
bauliche Beratung und Praxis
                                W             einberge wurden
                                              im vergangenen
                                              Jahrhundert bis in
                                die Achtzigerjahre üblicherweise
                                mehrfach bearbeitet, zunächst
bei der standort- und witte-
rungsangepassten Boden-         mit der Handhacke, später mit
pflege und untersucht seit      Maschinen und nicht aktiv be-
den Achtzigerjahren unter       grünt. In Hang- und Steillagen ist
anderem den Einfluss von        die Erosionsgefahr besonders
Bodenbearbeitung, Begrü-        groß, wenn der Boden zwischen
nungsmanagement und Bo-         den Rebzeilen nicht bedeckt ist.
denbedeckung auf das Re-
benwachstum, die Weinquali-
tät, die Nitratdynamik im Bo-
                                Erosion versus
den und die Weinbergsflora.     seltene Pflanzenarten
                                                                        1
Außerdem werden Bewässe-
rungs- und Düngungsstrate-      Starkniederschläge führten häu-
gien weiterentwickelt. Beim     fig zu Bodenerosion. Anderer-
Klimawandel sind nicht nur      seits waren einige Frühjahrsblü-                                            nach Bodenbearbeitung vor. Al-
meteorologische Bedingun-       her, wie Dolden-Milchstern,                                                 lerdings kann auch eine un-
gen zu beachten. Auch das       Traubenhyazinthe und Wein-                                                  erwünschte Begleitflora, bei-
gesellschaftliche Klima hat     bergstulpe früher oft als typische
                                                                       WASSERMANGEL                         spielsweise mit Amarant, Quecke
sich verändert. Bei der Opti-   Pflanzen der Hackflora der                IST HÄUFIG                        oder Brennessel spontan auftre-
mierung der Bodenpflege,        Weinberge anzutreffen. Heute              ZUERST AN                         ten. Unter trockenen und war-
Wasser- und Nährstoffver-
sorgung in Rebanlagen kön-
                                sind diese Pflanzen nur noch sel-      JUNGEN REBEN                         men Bedingungen haben auch
                                ten zu finden und gelten als ge-                                            verschiedene Hirsearten gute
nen Zielkonflikte auftreten –
                                fährdete Arten.
                                                                         AUF FLACH-                         Startbedingungen.
beispielsweise zwischen Er-                                              GRÜNDIGEN
osions- und Artenschutz,           Sie werden durch eine gele-
Biodiversität und Bienenför-    gentliche flache Bodenbearbei-         STANDORTEN ZU                        Erosionsschutz durch
derung, Ertragssicherung        tung ab Mai oder Juni in der                SEHEN                           Gras in Hanglagen
und Qualitätsoptimierung,       Fläche verbreitet, da sie Tochter-                      Dr. Monika Riedel
Boden-, Wasser- und Klima-      zwiebeln bilden. Für diese Geo-                                             Derzeit sind Weinberge in Süd-
schutz sowie Ressourcen­        phyten aus der Familie der Lilien-                                          deutschland nur noch selten mit
effizienz. Sie sind für ver-    gewächse ist es oft schwieriger in     kengewächse). Diese bildet einen     unbedeckter Bodenoberfläche
schiedene Standorte unter-      einer grasreichen Begrünung zu         lockeren grünen Teppich, stirbt      der Erosion ausgeliefert. In der
schiedlich zu bewerten.         überleben als den Einsatz von          bei Trockenheit ab und schützt       Regel ist zumindest jede zweite
                                Herbiziden zu überstehen.              dann den Boden vor weiterer          Fahrgasse ganzjährig begrünt.
                                                                       Austrocknung. Die Pflanze blüht      Eine Begrünung mit Gräsern ver-
                                Spontanbegrünung                       ganzjährig und kann viele Samen      mindert in Hanglagen sowohl die
                                nach Bodenbearbeitung                  bilden, die über Jahrzehnte keim-    Erosions- als auch die Rutschge-
                                                                       fähig bleiben können und bei aus-    fahr im Vergleich zu unbedeck-
                                Wenn der Boden mehrmals be-            reichender Bodenfeuchte keimen.      tem Boden oder einer Bodenbe-
                                arbeitet wird, tritt oft eine Natur-      Vogelmiere ist eine frühe Bie-    deckung mit Stroh. In Steillagen
                                begrünung mit Vogelmiere auf           nenweide und alte Heilpflanze,       sind Gräser für die Befahrbarkeit,
                                (auch Vogel-Sternmiere oder            die Saponine und viel Kalium         Arbeitssicherheit und den Ero-
                                Hühnerdarm genannt, Stellaria          enthält. Auch Ehrenpreis kommt       sionsschutz unverzichtbar. Ihr
                                media aus der Familie der Nel-         als Spontanbegrünung häufiger        Wasser- und Stickstoffbedarf ist

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jedoch beim Begrünungsma-            ne, Bokharaklee und Malve über
nagement sowie bei der Düngung       einige Jahre in der Fläche; an-
zu beachten.                         sonsten wird sie langsam von
                                     Gräsern und anderer Spontanflo-
Artenreiche                          ra erobert.
Begrünungsmischungen                    Auch in Neuanlagen kann bei
                                     ausreichender Wasserversorgung
Auf nicht zu steilen Standorten      zum Erosionsschutz und zur Ver-
mit ausreichender Wasserversor-      ringerung des Risikos der Nitrat-
gung kann eine artenreiche Be-       auswaschung jede zweite Gasse
grünungsmischung, zum Beispiel       eingesät werden – beispielsweise
die Wolff-Mischung, in jeder         mit Phacelia und Buchweizen
zweiten Gasse eingesät werden        oder überwinternden Stickstoff-
(möglichst im März oder April).      zehrern, wie Winterraps oder
Diese Mischung aus ein- und          Gräsern. Dabei ist ein ausrei-                                                                           4
mehrjährigen Pflanzen bietet         chender Abstand zu den Reben
eine Blütenvielfalt und Boden-       einzuhalten. Spätestens ab Okto-
bedeckung über einen langen          ber sollten Junganlagen begrünt      am größten (zum Beispiel auf              Bei beginnender Trockenheit
Zeitraum. Sie enthält unter ande-    sein. In Flächen mit geringen        Löss-Standorten).                      kann eine Begrünung mit krau-
rem eine Bienenweidemischung         Humusgehalten sollte organi-            Im Weinbau in Süddeutsch-           tigen Pflanzen gewalzt werden,
aus Phacelia, Buchweizen, Gelb-      sches Material, wie Traubentres-     land wird bislang nur in wenigen       was deren Wachstum und Was-
senf, Koriander, Ringelblume,        ter, eingebracht werden.             Regionen bewässert. Deshalb            serverbrauch drosselt. Gräser
Schwarzkümmel, Ölrettich, Korn-                                           sind die Wasserspeicherfähigkeit       müssen in der Regel rechtzeitig
blume, Malve, Borretsch, Dill und    Wasser speichern und                 des Bodens und eine witterungs-        gemulcht oder gemäht werden.
viele Leguminosen, wie Winter-       Bodenpflege anpassen                 angepasste Bodenpflege entschei-       In Rebanlagen ohne Erosionsri-
wicken, Esparsette, Luzerne, In-                                          dend. Langfristig kann die Was-        siko kann der Boden flach be-
karnatklee und Bokharaklee, die      Wie viel Wasser ein Boden ins-       serspeicherfähigkeit der Böden         arbeitet werden, beispielsweise
zu einer klimafreundlichen Stick-    gesamt speichern kann (Feldka-       durch eine gute Humuswirtschaft        mit einer Kreiselegge. Dadurch
stoffversorgung beitragen.           pazität) und wie viel Wasser er so   verbessert werden – zum Beispiel       wird die Transpiration durch die
   Insbesondere Luzerne und ei-      speichern kann, dass es für Pflan-   mithilfe von Traubentrester, Stall-    Begrünung und durch das Bre-
nige Kleearten wurzeln tief, ver-    zen verfügbar ist (nutzbare Feld-    mist, Stroh oder Heu. Auch das         chen von Kapillaren auch die
bessern die Bodenstruktur und        kapazität) hängt in erster Linie     Belassen von Rebholz in der Flä-       Evaporation über die Boden-
Stickstoffversorgung, brauchen       von der Bodenart und Mächtig-        che und Begrünungen tragen zur         oberfläche reduziert.
aber relativ viel Wasser. Deshalb    keit der Bodenschicht ab. Der        Humusbildung bei. Durch orga-             In Hanglagen sollte zur Vemei-
muss bei Trockenheit rechtzeitig     Wasservorrat ist in sandigen und     nische Düngung und Begrünung           dung von Trockenstress oder zur
gewalzt werden. Wenn die Wolff-      flachgründigen Böden am ge-          wird auch die Bodenstruktur und        Lockerung von Bodenverdich-
Mischung nicht zu tief gemulcht      ringsten und in tiefgründigen        Infiltration verbessert und die        tungen und Verbesserung der
wird, halten sich vor allem Luzer-   Böden mit hohem Schluffanteil        Bodenfruchtbarkeit gefördert.          Infiltration die Begrünung nur in

 2                                                                 1 Vogelmiere kann
                                                                   flächen­deckende Bestände
                                                                   bilden – auch ohne Einsaat.
                                                                   Sie stirbt bei Trocken­heit ab
                                                                   und schützt den Boden vor
                                                                   weiterer Austrocknung.                                      Technik für
                                                                   2 Phacelia (Büschelschön)                                  Ihren Erfolg
                                                                   dient als Bienen­­­­weide und                                Reguliert den
                                                                   Boden­verbesserer.                                          Wasserhaushalt
                                                                   3 Farbenfrohe Malven
                                                                   sind nicht nur für Bienen
                                                                   attraktiv­­­.                                        www.guettler.de
                                                                   4 Eine Begrünung mit
                                                                   Wolff-Mischung ist ein guter
                                                                                                      Professionelles Begrünungs-Management
                                                                   Erosionsschutz, bietet Blü-
                                                                   tenvielfalt, braucht aber viel               AgrarWinterTage
                                                                   Wasser. In der Junganlage                    Mainz. Stand RWZ
                                                                   wurde sie mit einer Abde-                    25.04. – 29.04.2022
                                                            3      ckung aus Heu kombiniert.          Info: Julian Dressler 0152-53619755

           4 | 2 02 2                                                                                                                         25
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                                                                          schaffen                             gesetzt wird, was klimaschädlich
                                                                                                               wirkt. Andererseits kann Energie
                                                                          Eine ausreichende Kaliumversor-      für die Herstellung, den Trans-
                                                                          gung hilft Pflanzen mit relativ      port und die Ausbringung von
                                                                          wenig Wasser auszukommen.            Stickstoffdünger eingespart wer-
                                                                          Kaliummangel wird problemati-        den, wenn die Bodenbearbeitung
                                                                          scher, wenn Böden austrocknen.       zu einem geeigneten Zeitpunkt
                                                                          In trockenen Sommern, wie bei-       stattfindet, beispielsweise im Ap-
                                                                          spielsweise 2003 und 2018 war        ril oder Mai, beziehungsweise
                                                                          häufiger Kaliummangel an Re-         rechtzeitig vor der Rebblüte.
                                                                          ben zu sehen als in anderen Jah-        Denn eine Bodenbearbeitung
                                                                          ren. Wenn Oberböden austrock-        führt zu einer Nachlieferung von
                                                                          nen, wird auch die Durchwurze-       pflanzenverfügbarem Stickstoff
                                                                          lung tieferer Bodenschichten und     in Form von Ammonium und
                                                                          deren Beitrag zur Versorgung mit     Nitrat, indem sie die Zersetzung
                                                                          Wasser, Kalium und weiteren          von organischen Substanzen, die
                              5                                    6      Nährstoffen bedeutender.             Durchlüftung des Bodens und
                                                                             Das Rigolen vor einer Neuan-      somit die mikrobielle Aktivität
5 Trockenstress an jungen Reben­­­auf einem steinreichen Standort..       lage könnte deshalb eine Renais-     fördert.
6 Mit Tropfbewässerung wird wesentlich weniger Wasser gebraucht           sance erfahren. Dadurch würde           Wenn akute Frostgefahr be-
als bei Überkronenberegnung, sie kann aber nicht zur Frostschutzbe-       jedoch das Risiko eines Nitrat-      steht, sollte keine Bodenbearbei-
regnung genutzt werden.                                                   austrags in das Grundwasser er-      tung erfolgen. Schäden durch
                                                                          höht. Außerdem darf dabei kein       Spätfröste sind im Zuge des Kli-
                                                                          frisches, organisches Material,      mawandels nicht seltener zu er-
jeder zweiten Gasse zum Beispiel     mit wenig Niederschlag im Som-       beispielsweise aus einer Begrü-      warten. Wenn Reben durch hohe
mit einem Flügelschargrubber         mer, zum Beispiel in Tauberfran-     nung, vergraben werden, weil         Temperaturen zu einem frühen
unterfahren werden, sodass der       ken oder in Hanglagen mit Vul-       dies zu Problemen mit Eisen-         Austrieb verleitet werden, kön-
Boden weiterhin bedeckt ist.         kangestein am Kaiserstuhl, sollte    mangelchlorose führen würde.         nen sie bei Spätfrost Ende April,
Wenn in Hanglagen eine Be-           rechtzeitig geprüft werden, ob       Kalium kann auch mit geeigneter      Anfang Mai oder zu den Eishei-
arbeitung der Bodenoberfläche        eine Bewässerung möglich ist.        Düngetechnik in tiefere Boden-       ligen stark geschädigt werden.
erfolgt, sollte aus Gründen des      Sowohl der Zeitpunkt der Bewäs-      schichten eingebracht oder nach      Frostruten sind deshalb „kein
Erosionsschutzes der Boden in        serung als auch die Dosis können     einer rechtzeitigen Düngung (auf     Schnee von gestern“. Die Begrü-
grober Struktur belassen, bald       den Ertrag und die Weinqualität      mittleren und schweren Böden         nung sollte bei Frostrisiko ge-
eingesät oder zum Beispiel mit       beeinflussen.                        möglichst im Herbst oder Win-        walzt oder gemulcht und nicht zu
Stroh oder Heu bedeckt werden.          Mit Tropfbewässerung reicht       ter) in die Wurzelzone verlagert     hoch sein.
                                     in der Regel eine Wassermenge        werden.
Bewässerung: Trocken-                von etwa zehn Liter je Rebe und
stress und Frostschutz               Bewässerungstermin. Mit Über-        Bodenbearbeitung setzt               Text: Dr. Monika Riedel
                                     kronenberegnung wird wesent-         CO2 und Nitrat frei                  Bilder: Wolfgang Schies (2),
Wassermangel ist häufig zuerst       lich mehr Wasser gebraucht.                                               Dr. Monika Riedel (1, 3-6)
an jungen Reben auf flachgrün-       Diese kann jedoch auch zur           Erhöhte CO2-Gehalte können
digen Standorten zu sehen. Auch      Frostschutzberegnung eingesetzt      zum Klimawandel und zur glo-
nachgepflanzte Hochstamm­            werden und ist beispielsweise für    balen Erwärmung beitragen.
                                                                                                                            INTERNET
reben in Ertragsanlagen leiden       Tauberfranken weiterhin interes-     Weil Reben und Begrünungs-
leicht unter Trockenstress. Begin-   sant, weil dort häufiger mit Spät-   pflanzen Photosynthese betrei-       Weitere Infos zum Thema
nender Wassermangel kann bei         frost zu rechnen ist.                ben, trägt der Weinbau zur Bin-      finden­­­ Sie unter www.wbi-
Reben an heruntergeklappten             Bereits vor einigen Jahrzehn-     dung von Kohlendioxyd aus der        freiburg.de; Stichworte:
Blättern, hängenden Ranken und       ten wurden in der Region Seen        Luft und Bereitstellung von          Erosions­schutz, Begrünung,
einzelnen vertrockneten Blättern     für die Wasserspeicherung an-        Sauerstoff bei, was als klima-       Begrünungs­management,
im Stammkopfbereich erkannt          gelegt. Im Zusammenhang mit          freundlich anzusehen ist. Koh-       Kalium­­­.
werden.                              dem Klimawandel wird das Spät-       lenstoff aus Pflanzenmassen, die
   Auch welke Begrünungspflan-       frostrisiko trotz steigender Tem-    in der Fläche verbleiben, dient
zen wie Löwenzahn und Klee           peraturen bestehen bleiben. Spät-    auch zum Humusaufbau und so-
können Alarmzeichen für Tro-         frostschäden im Jahr 2021 an         mit zur Verbesserung der Was-
                                                                                                                                Dr. Monika
ckenstress sein. Insbesondere auf    relativ warmen Standorten in         serspeicherfähigkeit der Böden.                       Riedel
steinreichen, flachgründigen Bö-     Südbaden mit frühem Austrieb            Es ist jedoch auch zu beachten,
den, die nur wenig Wasser spei-      der Reben haben dies deutlich        dass durch Bodenbearbeitung          arbeitet am Staatlichen Wein-
chern können und in Regionen         gezeigt.                             der Abbau von Humus gefördert        bauinstitut in Freiburg.

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Anpassungsstrategien KLIMAWANDEL - WBI Freiburg Anpassungsstrategien KLIMAWANDEL - WBI Freiburg
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