ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen

Die Seite wird erstellt Alicia Heine
 
WEITER LESEN
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
ANSELM KIEFER
 DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM

       09.03. – 22.08.2021
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
SEITE 2 // GROTHESAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // ANSELM KIEFER

Das Warten hat
ein Ende – die
Pforten öffnen
DIE SCHAU „ANSELM KIEFER“ IN DER
KUNSTHALLE MANNHEIM IST JETZT
ENDLICH AUCH PHYSISCH ERLEBBAR
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

„angesichts der Unermesslichkeit, der unvorstellbaren Größe des Universums,
in dem wir keinen Sinn erkennen können, kann man verzweifeln. Wir wissen
nicht, warum etwas ist und nicht nichts.“ Das sind Worte von Anselm Kiefer.
Er hat sie im Interview mit dieser Redaktion gesagt. Es sind Worte, die einen
gerade in diesen pandemischen Zeiten verzweifeln lassen: „Wir wissen nicht,
warum etwas ist und nicht nichts.“ Auf Corona, die Weltlage und die Schau in der
Kunsthalle lässt sich das im Nu übertragen. Wir wissen vor allem eines darüber:
dass wir nicht wissen.                                                                                                                                          DAS GRÖSSTE WERK DER SCHAU: EINE UMGESTÜRZTE
   Dieser dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschriebene Satz                                                                                             PALME STEHT IM ZENTRUM VON „PALMSONNTAG“.
eröffnet die Unendlichkeit des Universums, das wir nie erforschen, nie                                                                                          KUNSTHALLE MANNHEIM; RAINER DIEHL
verstehen und nie erfahren werden. Wir wissen immer nur, dass wir nicht
wissen und nur einen marginalen Teil von allem erkennen werden. Einen Teil
eines Teils eines Staubkorns. Kiefers Kunst handelt nicht nur vom Universum.
Kiefers Kunst handelt auch von diesem Staubkorn, wenn der Künstler sich, wie

                                                                                         Werden
er sagt, auf den Weg zur Wahrheit macht – doch naturgemäß nie ankommt.
   Es gibt nicht nur die Unendlichkeit im Großen. Es gibt sie auch im Kleinen.
Mikro und Makro. Insofern bleiben die im Grunde den Museumsraum
sprengenden Werke des Friedenspreisträgers von 2008 zwar groß. Aber in
dieser Größe bleiben sie relativ. Man bemerkt es allein daran, dass sich ihr
Kosmos, ihr Gehalt und ihre Aussage verändern, wenn wir uns nähern. Plötzlich
werden auf großen Flächen Details kenntlich, die von weitem nur Farbtupfer

                                                                                         und Vergehen
oder Formen sind. Nehmen wir das Gemälde „Der fruchtbare Halbmond“.
Mit seinen 35 Quadratmetern Fläche (4,6 auf 7,6 Meter) zeigt es den unfertigen
Turm zu Babel, nachdem Gott die Arbeiterschaft gespalten hat. Ihrer Hybris
wegen sorgte er für Sprachverwirrung unter ihnen. Und Menschen, die sich
nicht verstehen, sind auch nicht in der Lage, ein so gigantisches Projekt wie
den Babylonischen Turm zu realisieren, der ja zum Himmel reichen sollte.
   Gehen wir nun näher an das Riesenwerk heran, erkennen wir einzelne
Backsteine mit Namen darauf: Persepolis etwa, Petra, Akkad und Jericho,
Städte in der Frühzeit. In Ägypten. Phönizien. Assyrien. Mesopotamien.
Je näher wir sind, desto mehr wird lesbar. In den Trümmern liegt die Trauer
über den verlorenen Dialog der Religionen. Ein Sehnen nach Frieden spricht
                                                                                         UNTER DEM SO SCHLICHTEN WIE UMFASSENDEN TITEL
aus dem Werk, das 2010 lange vor den Flüchtlingswellen entstand – und doch
so aktuell ist.
                                                                                         „ANSELM KIEFER“ WIRFT DIE MANNHEIMER KUNSTHALLE EINEN
   Dass wir all das über Wochen nur digital erleben konnten, war eine Notlösung.         GRÜNDLICHEN BLICK AUF DEN WICHTIGEN KÜNSTLER
Es repräsentierte nur einen Ausschnitt, war ein Vorgeschmack auf das, was uns
jetzt in voller Pracht erwartet. Kiefer live. Das ist etwas vollkommen anderes.
Die Dimension allein hält uns gefangen. Und die Tiefe des Raums seiner                   VON THOMAS GROSS                             mension. Überhaupt das Destruktive:             schichte oder nehmen die gesamte Kul-
Skulpturen und Reliefs, die im Zweidimensionalen nicht einmal erahnt                                                                  Weil Kiefer sein Material oft elementaren       tur in den Blick. So zitiert Anselm Kiefer
werden kann. Mit diesen Seiten wollen wir Ihnen den Eintritt in diesen Kosmos            Sein Name ist mit Superlativen verbun-       Kräften aussetzt, Feuer oder Wind, we-          den biblischen Turmbau zu Babel in sei-
erleichtern. Wir gehen ein auf das, was zu erleben ist, lassen aber auch Kiefer          den. Anselm Kiefer war zeitweilig einer      cken viele Arbeiten die Assoziation zu          nem Bildwerk „Der fruchtbare Halb-
                            selbst zu Wort kommen und beleuchten Facetten                der teuersten und zählt längst zu den ein-   Zerstörung, zu Aufstieg und Fall zugleich.      mond“. Anselm Kiefer hat keine Scheu
                            seines Lebens und Wirkens – auch hier in der Region.         flussreichsten Künstlern der Welt. Dazu      Die größte Installation der Schau, „Palm-       vor übergeordneten Perspektiven; er
                            Ein Blick auf die Menschen, die die Ausstellung              passt, dass der 1945 geborene Maler und      sonntag“ mit einer gefällten Palme im           sucht sie sogar, ebenso die große Geste.
                            überhaupt erst möglich gemacht haben, schien uns             Objektkünstler bevorzugt im großen For-      Zentrum und gerahmten Palmblättern              Dass sich dazu auch viele Details gesel-
                            ebenso unerlässlich.                                         mat arbeitet und inhaltlich weit in die      daneben, zeigt das noch besonders; auf          len, die sich ebenfalls zu entdecken loh-
                                Bilder, so sagte Kiefer als Dank für den Friedenspreis   deutsche Geschichte, in diejenige der        Jesu Einzug in Jerusalem ist hier ebenso        nen, macht die Mannheimer Ausstellung
                            des Deutschen Buchhandels, seien für ihn                     ganzen Menschheit sowie die Welt der         verwiesen wie auf sein Ende am Kreuz.           eindrücklich klar. Hier lernt man den
                            „Haltepunkte, wo sich in der unendlichen Weite               Mythen ausgreift.                               Die Werke im vierten Ausstellungs-           einflussreichen Künstler gründlich ken-
                            etwas zusammenballt aus dem interstellaren Staub,               Die Mannheimer Kunsthalle hat dies        raum holen gleich gar weit aus, sie bli-        nen und findet guten Anlass, ihn für sich
                            ein bisschen Materie im Abgrund der Antimaterie.“            nicht zuletzt schon am Beispiel seines       cken ins All, in die mythische Vorge-           zu entdecken.
                            Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich wünsche Ihnen               Monumental-Reliefs „Sephiroth“ de-
                            viel Freude beim Eintauchen, Lesen und Sehen!                monstriert, das im Atrium des Neubaus
                                                                                         hängt. Einen genaueren und ausführli-
                                                                                         chen Blick auf das Werk des heute in Paris
                                                                                         lebenden Künstlers wirft jetzt die aktuel-
                                                                                         le Sonderschau des Museums. Die so
                                                                                         schlicht wie umfassend „Anselm Kiefer“
                                                                                         betitelte Ausstellung vereinigt 18 große
                                                                                         Kiefer-Werke aus der Sammlung Hans
STEFAN M. DETTLINGER, RESSORTLEITER KULTUR                                               Grothe und blickt zurück auf drei Jahr-
                                                                                         zehnte seines Schaffens.

                                                                                         THEMATISCH GEGLIEDERT
Programmtipps                                                                            Für Übersichtlichkeit sorgt die themati-
                                                                                         sche Einteilung der in vier Räumen und
                                                                                         auf zwei Etagen präsentierten Schau. Sie
, Die Ausstellung mit Werken von Anselm Kiefer in der Kunsthalle Mannheim ist
                                                                                         ergibt sich aus den Begriffspaaren „Gott
bis 22. August geplant. Derzeit ist ein Besuch nur nach Online-Voranmeldung auf          und Staat“, „Mann und Frau“, „Tod und
der Internetseite kuma.art und kostenloser Registrierung möglich.                        Stille“ sowie „Himmel und Erde“.
                                                                                             Berühmt und auch berüchtigt ist An-
, Im Ticketshop sind nur Terminbuchungen möglich, die Eintrittskarten kauft man          selm Kiefer seiner Auseinandersetzung
dann unter Vorlage der Reservierung an der Kasse. Auch Inhaber einer Jahreskarte         mit der deutschen Geschichte wegen.
müssen eine Terminreservierung vornehmen.                                                Dafür sehen Besucher wesentliche Bei-
                                                                                         spiele gleich beim Betreten des ersten
, Wegen der Corona-Pandemie sind alle Besucher verpflichtet, eine medizinische           Saals. Die kastenförmige Installation
Mund-Nasen-Bedeckung (FFP2-Masken bzw., OP-Masken) während des                           „Volkszählung“ nimmt Bezug auf die da-
gesamten Besuches zu tragen. Die Aufenthaltsdauer wird auf maximal zwei                  mals auch von Kiefer kritisierte behördli-
Stunden begrenzt. Die Terminreservierung ist maximal vier Tage im Voraus                 che Datenerhebung der 1980er Jahre,
möglich, um eine kurzfristige Reaktion auf geänderte Restriktionen umsetzen zu           weitet den Horizont aber auf die Sphäre
können. Die Kontaktdaten aller Besucher werden erfasst.                                  des Staates insgesamt, die hier mächtig
                                                                                         und buchstäblich eisenhart erscheint.
, Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und Feiertage 10 bis 18 Uhr,
                                                                                         Die Assoziation zu totalitären Systemen
                                                                                         liegt auf der Hand – ebenso auch die zum
Mittwoch 10 bis 20 Uhr, am ersten Mittwoch im Monat 10 bis 22 Uhr (beim MVV
                                                                                         Holocaust, erinnert der rostige Eisenkas-
Kunstabend 18 bis 22 Uhr Eintritt frei), Montag geschlossen.                             ten doch an alte Bahnwaggons, wie sie
                                                                                         für den Transport in die Todeslager ge-
, Eintrittspreise: 12 Euro, ermäßigt: 10 Euro, Abendkarte 8 Euro (gültig ab
                                                                                         nutzt wurden.
eineinhalb Stunden vor Schließung), Familienkarte 20 Euro (2 Erwachsene mit                  Gleich daneben hängt „Die Große                                           EINE DRUCKMASCHINE, LETTERN, BÜCHER,
Kindern unter 18 Jahren).                                                                Fracht“, eine graue, aufgeraute Fläche,                                       SONNENBLUMEN ERGEBEN DEN „VERLORENEN
                                                                                         auf die der Künstler das Modell eines Mi-                                     BUCHSTABEN“. KUNSTHALLE MANNHEIM; RAINER DIEHL
, Führungen und Veranstaltungen finden weiterhin nur digital statt.                      litärflugzeugs geheftet hat – die Fracht,
Termine und Details auf kuma.art. pwr                                                    sie hat hier auch eine zerstörerische Di-
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
ANSELM KIEFER // GROTHESAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // SEITE 3

                                                                                                                                                                          IHN VERBINDET EIN GLÜCKLICHER ZUFALL
                                                                                                                                                                          MIT ANSELM KIEFER: KURATOR SEBASTIAN
                                                                                                                                                                          BADEN. BILD: KUNSTHALLE/WITT

Das Glück der Weltkultur
KURATOR SEBASTIAN BADEN ÜBER DIE ARBEIT IN MANNHEIM UND MIT DEN MONUMENTALEN WERKEN KIEFERS
VON PETER W. RAGGE                                 Baden lägen auch etwa zehn Jahre zurück.
                                                   „In dem Umfang wurde er schon lange nicht
„Glück“ – davon spricht er mehrfach. Vom           mehr gezeigt“, betont Sebastian Baden da-
Glück, als Westpfälzer nun in Mannheim ar-         her. In dem Umfang – das bedeutet insge-
beiten zu dürfen, oder auch vom Glück, nun         samt 18 Werke, von denen fast alle aus dem
die große Anselm-Kiefer-Ausstellung zu ver-        Depot kommen und in Mannheim noch nie                      ANZEIGE
antworten: Sebastian Baden ist der Kurator         ausgestellt wurden. Vier sind Leihgaben des
der Sonderschau. Mit Anselm Kiefer verbin-         Franz Marc Museums in Kochel am See. Nur
de ihn sogar ein, wie er auch sagt, „glückli-      eine Arbeit kennen die Mannheimer bereits
cher Zufall“: Kiefer war im ersten Jahrgang,       sehr gut, weil sie seit der Eröffnung des Neu-
den Andreas Franzke an der Karlsruher              baus Ende 2017 immer in der Kunsthalle
Kunstakademie unterrichtete – Baden 2004           hängt. 2300 Kilo schwer, 9,50 Meter hoch,
im letzten Jahrgang vor dessen Emeritie-           fünf Meter breit – das sind die beeindrucken-
rung. Das verbindet.                               den Maße von „Sephiroth“ im Atrium. Sie be-
   „Ich habe Terpentingeruch geschnüffelt“,        grüßt nun auch die Gäste der Sonderschau.
blickt Baden zurück auf seine Zeit in Karlsru-
he. Terpentin, mit dem die Maler die Pinsel
von der Ölfarbe reinigen, riecht sehr stark.       RAUMFÜLLENDE SKULPTUR
Auch als er Kiefer mal in seinem Atelier be-

                                                                                                                   Offe
                                                                                                                   Offen
sucht habe, hätte er das wieder wahrgenom-         Sie erstreckt sich auf vier Räume. Im zweiten
men – stärker als anderswo. Und wenn er            Stock wird der Kubus 6, wo die Kunsthalle
heute mit den Werken Kiefers zu tun habe,          permanent Werke ihrer Kiefer-Sammlung
denke er oft, dass dessen Arbeiten auch da-        zeigt, neu inszeniert – auch mit einer raum-
von beeinflusst sind, „denn er hat ja mit Öl-      füllenden Installation. Hinzu kommen drei
farben angefangen“.                                Räume in den Galerien des Erdgeschosses.
   Doch längst reicht Kiefer die Ölfarbe nicht     Zwischenwände werden dort entfernt. „So
mehr. Beton, Blei, Eisen, Asche, Stroh, Sand,      können die riesigen Werke wunderbar zur
oft einfach nur Dreck bestimmen seine riesi-       Geltung kommen“, freut sich Baden.
gen Werke. Oft wird ihnen eine Aura von Me-            Manche sind bis zu einer Tonne schwer.
lancholie und Destruktivität zugeschrieben.        Aber mit dem Hubwagen und einem Spin-
„Sie haben etwas Archaisches, diese Größe,         nenkran, der seine Füße in einem Raum aus-
diese Materialität und diese Monumentali-          fahren und dann schwere Lasten herumhie-
tät, das hat etwas von Überwältigung“, for-        ven kann, könne man sie problemlos bewe-
muliert es Baden. Das den Besuchern der            gen. „Und die größeren Arbeiten sind modu-
Mannheimer Kunsthalle nahebringen zu               lar gebaut, bestehen aus verschiedenen Tei-
dürfen, „das ist etwas, worauf ich mich be-        len von dann aber auch noch mehreren hun-
sonders freue“, so der Kurator.                    dert Kilo“, berichtet Baden, „in einem Fall so-
                                                   gar aus 17 Einzelteilen“. „Das alles hat ein gi-
                                                   gantisches Ausmaß“, stimmt er die Gäste auf
ZWEI JAHRE VORBEREITUNG                            raumgreifende Installationen sowie großfor-
                                                   matige, mehrdimensionale Bilder ein.
Er stammt aus der Westpfalz, nahe der saar-            Kiefers im wahrsten Sinne des Wortes
ländischen Grenze, wie er betont. Schon als        schwergewichtiges Werk setzt sich mit der
                                                                                                                                                                      Zukunft braucht Offenheit.
Schüler sei er von Kaiserslautern aus in die       deutschen Geschichte, dem Judentum und                                                                             Raum für neues Denken.
Kunsthalle gekommen, „seither fühle ich            den Medien der Erinnerungskultur ausei-                                                                            Mut zu Ungewöhnlichem.
mich mit ihr verbunden“, so der 40-Jährige.        nander. „Das bekommt eine enorme Prä-
Jetzt hier arbeiten zu dürfen, sei „echt fantas-   senz, wenn das in den Räumen verteilt ist, es                                                                      Wir entwickeln zukunftsorientierte
tisch“. Nach dem Studium an der Kunstaka-          ist ein überwältigendes Erlebnis“, verspricht                                                                      Energielösungen für eine nachhaltige
demie und dann der Promotion zum Thema             Baden. Die Faszination, welche das Schaffen                                                                        Welt von morgen. Offen, selbst-
„Das Image des Terrorismus im Kunstsys-            von Kiefer auf ihn ausübe, die wolle er auch
tem“ an der Staatlichen Hochschule für Ge-         dem Publikum vermitteln.                                                                                           bewusst, zuverlässig und energetisch.
staltung Karlsruhe unterrichtete er als aka-           Für die Gestaltung der Ausstellung „sehr
demischer Mitarbeiter im Fachbereich               inspirierend“ sei ein Besuch bei Kiefer in des-
Kunstwissenschaft und Medientheorie. Zu-           sen Atelier in Frankreich gewesen. Dazu
dem arbeitete er als freier Kurator in der Fä-     gebe es regelmäßige Kontakte per Telefon
cherstadt.                                         und E-Mail zu dessen Mitarbeitern. Dreimal
   2016 kam er an die Kunsthalle, auf die          habe er sich auch noch mit dem im Mai 2019
Stelle des langjährigen, ja fast legendären Ku-    verstorbenen Duisburger Bauunternehmer
rators Jochen Kronjäger und zuständig für          und Kunstsammler Hans Grothe treffen kön-
Skulpturen, Neue Medien sowie zeitgenössi-         nen, der Kiefer in seinem Atelier im Oden-                                                                         Behaglichkeit frei Haus. Unsere
sche Kunst. Mit Antonella B. Meloni als kura-      wald entdeckt hat und dann zu seinem lei-                                                                          Investitionen garantieren eine zuverläs-
torische Assistenz sowie dem Aufbauteam            denschaftlichen Fan geworden ist. Als Grot-                                                                        sige Versorgung mit umweltfreundlicher
bereitet er seit zwei Jahren die Kiefer-Ausstel-   he mit seiner Kiefer-Sammlung, von der er 38                                                                       Fernwärme.
lung vor. Es sei immerhin die erste große Prä-     Werke der Mannheimer Kunsthalle überlas-
sentation des weltberühmten Künstlers in           sen hat, anfing, sei Kiefer gerade „in die Di-                                                                         zuverlaessig.mvv.de
der Metropolregion Rhein-Neckar. Die letz-         mension der Weltkultur“ vorgestoßen. Solch
                                                                                                                   Dr. Dorothee Höfert
ten großen Ausstellungen des Mannes, der           eine Weltkultur in Mannheim zeigen zu dür-
                                                                                                                   Leitung Kunstvermittlung der Kunsthalle Mannheim
zu den international wichtigsten Gegen-            fen, sei, sagt Baden, „großes Glück“ – womit
wartskünstlern zählt, in Bonn und Baden-           er wieder von Glück spricht.
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
SEITE 4 // GROTHESAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // ANSELM KIEFER

Anselm-Kiefer-Chronik
, Der deutsche Künstler Anselm Kiefer, der heute in Paris lebt und auch die
österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, stammt aus Baden-Württemberg.
Am 8. März 1945 wurde er in Donaueschingen geboren. Kiefers Vater war
Kunstpädagoge und förderte früh das Talent des Sohnes. Er machte ihn mit
verschiedenen künstlerischen Techniken vertraut.
, Der weltweit renommierte und geschätzte Anselm Kiefer studierte
in Freiburg u.a. Jura und danach Kunst in Karlsruhe. Seine Abschlussarbeit löste
1969 einen Skandal aus; Kiefer dokumentierte darin eine Performance, in der er
(in kritischer Absicht) den Hitler-Gruß zeigte.
, In den siebziger Jahren hielt KieferKontakt zu Joseph Beuys, der ihn förderte. Die
beiden verband auch die Bevorzugung „armer“, ansonsten nicht mit Wertschätzung
verbundener Materialien, im Falle von Kiefer etwa Erde, Stroh oder Blei.
, Seit 1971 unterhielt Anselm Kiefer Ateliers im Odenwald. Bis 1992 arbeitete er
bevorzugt in Buchen im Neckar-Odenwald-Kreis.
, Skandalträchtig war auch Kiefers Gestaltung des (west-)deutschen Pavillons
auf der Kunstbiennale in Venedig im Jahr 1980. Er zeigte unter anderem die zu
Missverständnissen führende Arbeit „Deutschlands Geisteshelden“, die neben
anderen historischen Figuren sowohl Hitler-Gegner wie -Befürworter ins Bild setzte.
, In den 1980er Jahren wurde Kiefer rasch auch in der angloamerikanischen Welt
bekannt. Anselm Kiefer gilt seit dieser Zeit als einer der international
bekanntesten und bedeutendsten deutschen Gegenwartskünstler.
, Ende der 1980er Jahre erwarb Kiefer eine ehemalige Ziegelei beiWalldürn.
Er wollte auf dem Areal einen Kunstpark namens „Zweistromland“ eröffnen. Als
sich zeigte, dass sich das nicht realisieren ließ, kehrte er Deutschland den Rücken.
, Von 1993 bis 2007 unterhielt er ein Atelier bei Barjac in den südfranzösischen
Cevennen. Die Zäsur, die die erwähnte Reise und der Umzug markierten, war auch
durch private Gründe veranlasst – sie fällt mit dem Ende seiner ersten Ehe
zusammen; eine zweite Ehe endete mit der Scheidung im Jahr 2014.
, Kiefer schuf nicht nur großformatige Werke, er entwarf und fertigte sie auch
auf großzügigen Anwesen. Sein Atelier in den Cevennen stand auf einem einige
Dutzend Hektar umfassenden ehemaligen Fabrik-Areal. Als Kiefer das Gelände
wieder verließ, um nach Paris weiterzuziehen, waren auf dem Areal Dutzende, teils

„
mächtige Gebäude entstanden – ein regelrechtes Kunstlabyrinth.
, Seit 2007/08 lebt Anselm Kiefer in Paris, sein Atelier in den Lagerhallen eines
ehemaligen Kaufhauses ist zwar wesentlich kleiner als dasjenige in Südfrankreich,
aber dennoch Zehntausende Quadratmeter groß.
, Räumlich spektakulär waren auch Pläne Kiefers,das stillgelegte Kernkraftwerk
Mülheim-Kärlich künstlerisch zu nutzen. Das Wirtschaftsministerium in
Rheinland-Pfalz lehnte einen Verkauf des Geländes an den Künstler aber ab.

              Frauen sind in meinem Werk
              omnipräsent. Sie sind uns
              Männern in vielerlei Hinsicht

                                                                                                                                                                                        „Frauen
                                                                                           VON STEFAN M. DETTLINGER                      sieren mich, denn sie versuchen sich dem
              überlegen.                                                                   UND MANFRED LOIMEIER                          anzunähern, das die Wissenschaft bis
                                                                                                                                         heute nicht erklären kann.
                                                                                              Herr Kiefer, wenn man sich Ihre Werke
, 2008 wurde ihm als erstem bildenden Künstlers in der Frankfurter Paulskirche                „Am Anfang“ oder „Palmsonntag“ der            Im Pariser Louvre hatten Sie 2008, also
der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zugesprochen. Zur Begründung                      Mannheimer Ausstellung und auch               im Jahr, in dem Sie den Friedenspreis

                                                                                                                                                                                         Revolu
teilte der Stiftungsrat des Friedenspreises in Anspielung auf Besonderheiten von              anderesdervergangenenJahreansieht,            des Deutschen Buchhandels erhalten
Kiefers Kunst mit, er mache „aus dem Betrachter einen Leser“ und konfrontiere                 bemerkt man eine zunehmende Kon-              haben, ein Riesengemälde gezeigt, das
„mit der störenden moralischen Botschaft von Ruinösem und Vergänglichem“.                     zentration auf spirituelle und religiöse      Sie selbst nackt auf dem Boden liegend
                                                                                              Themen. Warum beschäftigt Sie das?            mit dem Universum verbunden zeigt.
, Tatsächlich sind Bücher für Kiefer Ideen- und Motivspeicher, auch ein Mittel der         Anselm Kiefer: Ich habe mich schon sehr          Spüren Sie solche Verbindungen?
künstlerischen Umsetzung, wenn er Bildprojekte auch als Buchvariante publiziert.           früh, seit Beginn meiner künstlerischen       Kiefer: Angesichts der Unermesslichkeit,
, Ein Jahr später, 2009, wurde dem Künstler in Paris derAdenauer-de-Gaulle-Preis           Arbeit, für spirituelle und religiöse Ideen   der unvorstellbaren Größe des Univer-
verliehen. Aufsehen hatte Kiefer in der französischen Hauptstadt schon zwei Jahre          interessiert. In den siebziger Jahren sind    sums, in dem wir keinen Sinn erkennen
                                                                                           unter anderem meine Bilder „Vater, Sohn,      können, kann man verzweifeln. Wir wis-
zuvor durch eine repräsentative Ausstellung im Grand Palais erregt. Kiefer war zu
dieser Zeit der erste Künstler, der das dann etwa auch für Modenschauen genutzte
                                                                                           Heiliger Geist“, „Quaternität“, „Glaube,
                                                                                           Hoffnung, Liebe“ und „Jakobs Traum“
                                                                                                                                         sen nicht, warum etwas ist und nicht
                                                                                                                                         nichts. Gleichzeitig sind wir, zusammen-
                                                                                                                                                                                        MIT SEINER KUNST SEI ER A
Prachtgebäude allein bespielen durfte.
, Immer wieder war Anselm Kiefer neben seiner Arbeit als Maler und Bildhauer
                                                                                                    entstanden und in den achtziger
                                                                                                            Jahren „Aaron“, „Die Ord-
                                                                                                                                         gesetzt aus den Quarks, die im gleichen
                                                                                                                                         Maß immens klein sind, wie das Univer-
                                                                                                                                                                                        WENIGEN INTERVIEWS. UND
auch als Bühnenbildner und Kostümdesigner tätig. Er arbeitete für Sprechbühne                                  nung der Engel“ und       sum groß ist, Teil dieses Universums. Al-
und Oper, so zum Beispiel für den Regisseur Klaus-Michael Grüber, als dieser 2003                                „Durchzug durch das     lerdings ist da die große Frage, die selbst
in Wien und Neapel inszenierte.                                                                                   rote Meer“. Später     Einstein nicht lösen konnte, wie der Ma-
                                                                                                                   kamen die grie-       krokosmos und der Mikrokosmos zusam-
, Als im Jahr 2009 die Pariser Opéra Bastille neu eröffnet wurde, arbeitete Kiefer                                  chische, babyloni-   menhängen. Denn der Makrokosmos be-
auf Anregung des Direktors Gerard Mortier mit dem Komponisten Jörg Widmann                                            sche und ägypti-   wegt sich ja nach völlig anderen Gesetzen
zusammen. Das Ergebnis war eine Performance mit dem Titel „Am Anfang“.                                               sche Mythologie     als der Mikrokosmos. Am Boden liegend
, In Paris hielt er ein Jahr darauf am renommierten Collège de France eine                                           hinzu und die jü-   suche ich mir einen einzelnen Stern aus
Reihe von Vorlesungen über sein Kunstverständnis.                                                                   dische Mystik. My-   und befestige meine Qualen an diesem
                                                                                                                  thische Erzählun-      Stern, „hitch your agony to a star“, wie es
, Große Ausstellungen hatte Kiefer in den vergangenen Jahren unter anderem in                                    gen über die Schöp-     der Schriftsteller Saul Bellow in seinem
der Londoner Royal Academy of Arts (2014), im Centre Pompidou in Paris (2015/                                   fung der Welt interes-   Roman „Herzog“ formulierte.
16) sowie in der Albertina in Wien, wo im Jahr 2016 Holzschnitte des Künstlers
zu sehen waren.                                                                                                                            Abgesehen von Ihren frühen Perfor-
                                                                                                                                           mances haben Sie sich ja ohnehin von
,  Kiefers Werk ist von Beginn an durch die Auseinandersetzung mit                                                                         der Zweidimensionalität über Reliefs
der deutschen Geschichte geprägt. „Meine Biografie ist die                                                                                 wie „Königskerze“ oder „Sephiroth“ bis
Biografie Deutschlands“, hat der Künstler einmal gesagt.                                                                                   hin zu riesigen Installationen wie „Die
, Die Auseinandersetzung mit Nationalmythen wie den                                                                                        Türme der sieben Himmelspaläste“ in
Nibelungen oder Hermann den Cherusker hat auch deshalb                                                                                     Mailand entwickelt – wo soll das hin-
Missverständnisse befördert, weil der kritische Impuls der                                                                                 führen?
jeweiligen Werke übersehen wurde.                                                                                                        Kiefer: Zur Wahrheit.

, Besonders die Arbeiten der frühen Phase wirken düster. Kiefer                                                                            Sie glauben, es gibt tatsächlich Wahr-
setzte gewissermaßen die Verblendung selbst ins Bild, die zum                                                                              heit? Philosophen – vor allem der Post-
Nationalsozialismus und dann Holocaust führte.                                                                                             moderne – weisen den Begriff eher zu-
, Anselm Kiefer, der auch von Autoren wie Paul Celan und
                                                                                                                                           rück und verstehen Wahrheit als eine
                                                                                                                                           Art Mythos…
Ingeborg Bachmann inspiriert wurde, will nationalistisches Denken
                                                                                                                                         Kiefer: (Schweigen)
dechiffrieren und hat damit immer wieder irritiert.
, Die teils zwiespältige Aufnahme seiner Arbeiten trug wohl auch                                                                           Zeit spielt bei Ihnen ja auch eine wichti-
dazu bei, dass Kiefer Deutschland verließ und nach Frankreich ging.                                                                        ge Rolle, vor allem Vergangenheit im
                                                                                                                                           Großen und Kleinen. Nach vorne bli-
, Schon seit den 1980er Jahren weitet sich Kiefers Werk thematisch –
                                                                                                                                           ckend: Was wünschen Sie, soll von Ih-
und auch formal. Deutsche Kultur und Geschichte wird eingebettet in                                                                        rem Werk in 100 oder 200 Jahren noch
einen größeren Zusammenhang. Mythologisches aus dem alten                                                                                  wirken?
Griechenland oder Babylonien tritt hinzu.                                                                                                Kiefer: Da der Wunsch niemals mit seiner
, Auch die altägyptische Religion beeinflusst ihn nun in seiner Arbeit                                                                   Erfüllung übereinstimmt, versage ich mir
– vor allem aber die jüdische Geschichte und Mystik.                                                                                     diesen Wunsch.                                                       HA
, Typisch für Kiefers Bilder ist ihr reliefartiger Charakter; sie
                                                                                                                                                                                                              GA
                                                                                                                                           Das jüngste Bild der Mannheimer
changieren zwischen Malerei und Skulptur. Sein Werk umfasst                                                                                Schau, „Hortus Conclusus“, weist eine
                                                                                       ANSELM KIEFER. BILD: DPA
auch Objektkunst und Installationen. tog                                                                                                   für Ihr Werk ungewöhnliche Farben-
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
ANSELM KIEFER // GROTHESAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // SEITE 5

                                     ERDRÜCKEND SCHWER: KIEFERS „DIE GROSSE
                                     FRACHT“, 1981/1996. BILD: FRIEDRICH ROSENSTIEL

n haben die große
                                                                                                                                     Kiefer: Wenn da ein konkretes Angebot           haben Frauen, bis auf die beiden Mari-
                                                                                                                                     wäre, würde ich entscheiden.                    as, eine eher untergeordnete Rolle. Und
                                                                                                                                                                                     heute noch kämpfen Frauen für
                                                                                                                                        Kirchenfenster sind ja angewandte            Gleichstellung und Gendergerechtig-
                                                                                                                                        Kunst, die das Drinnen vom Draußen           keit. Mit welchen Gefühlen beobachten
                                                                                                                                        trennen. Welche Formen angewandter           Sie diesen Kampf?

ution vorbereitet“
                                                                                                                                        Kunst könnten Sie sich in Ihrem Werk      Kiefer: Frauen hatten in der Antike eine
                                                                                                                                        vorstellen?                               große Bedeutung – etwa Hipparete, die
                                                                                                                                     Kiefer: Ich nehme an, Richter würde sich     Frau des Alkibiades, oder die Hetäre
                                                                                                                                     die Formulierung „angewandte Kunst“          Thaïs, die Alexander dem Großen auf sei-
                                                                                                                                     verbitten. Kunst ist nie „angewandt“ wie     nem Zug nach Persien folgte. Es gab auch
                                                                                                                                     man eine Theorie, ein Rezept oder eine       Hetären wie Leontion, die philosophische
                                                                                                                                     Gebrauchsanweisung anwenden könnte.          Schulen gründeten. Thargelia von Milet
                                                                                                                                     Außerdem werden durch Kirchenfenster         wurde vom Perserkönig Xerxes als Politi-
                                                                                                                                     nicht das Draußen vom Inneren getrennt.      kerin gegen die Griechen eingesetzt, und
AUF DEM WEG ZUR WAHRHEIT, BERICHTET ANSELM KIEFER IN EINEM SEINER                                                                    Sie sind höchstens eine semipermeable
                                                                                                                                     Membran zwischen zwei Sphären.
                                                                                                                                                                                  Aspasia, die Gefährtin des Perikles, war
                                                                                                                                                                                  eine geschätzte Rednerin und Philoso-
D ZU DIESER WAHRHEIT GEHÖRT AUCH – KIEFER VEREHRT ALICE SCHWARZER                                                                      Sprechen wir mal über Ihre „Frauen
                                                                                                                                                                                  phin, die Kontakt mit Sokrates, Sophokles
                                                                                                                                                                                  und Euripides pflegte. Das Neue Testa-
                                                                                                                                       der Antike“. Diese Arbeiten stellen sich   ment ist hingegen frauenfeindlich. Es ver-
                                                                                                                                       in einer für Ihr Werk eher untypischen     schweigt die wichtige Rolle Maria Magda-
                                                                                         freude auf. Das Werk ist von 2014. Wo         Leichtigkeit dar. Wie das?                 lenas und wertet sie als Hure ab. Es wird
                                                                                         sehen Sie Anlässe für so viel Zuversicht    Kiefer: Alle meine Werke sind leicht und     Zeit, dass die Überlegenheit der Frauen
                                                                                         und Optimismus?                             schwer zugleich.                             auch faktisch anerkannt wird, anstatt sie
                                                                                      Kiefer: „Optimist“ oder „Pessimist“ sind                                                    als Gefahr für uns Männer zu begreifen.
                                                                                      für mich keine tauglichen Begriffe. „Zu-          Zugleich scheinen diese Frauen die        Ich bin ein Verehrer Alice Schwarzers.
                                                                                      versicht“ auch nicht. Ich sehe, dass bei je-      Bürde der Kulturgeschichte zu tragen,
                                                                                      dem Beginn eines Werks bereits seine Ne-          sind Wissensträgerinnen, wie „Sap-            Sie gelten als politischer Künstler, sicher
                                                                                      gation enthalten ist. Das Nichts ist dem          pho“. Was haben Sie selbst in Bezug auf       aber einer, der sich nie kreativ zur Ak-
                                                                                      Seienden nicht entgegengesetzt, sondern           Erkenntnis von den Frauen der Ge-             tualitätäußert.ImFrühwerkistdassehr
                                                                                      beide bilden eine untrennbare Einheit.            schichte gelernt?                             deutlich, in den vergangenen Jahren ist
                                                                                                                                     Kiefer: Frauen sind in meinem Werk om-           das Politische sicher weniger offensicht-
                                                                                         Die Kunsthalle weist darauf hin, „Hor-      nipräsent. Sie sind uns Männern in vie-          lich. Wo sehen Sie sich denn selbst?
                                                                                         tus Conclusus“ stelle einen abgeschiede-    lerlei Hinsicht überlegen. Ich verweise in   Kiefer: Politik, allerdings keine Tagespo-
                                                                                         nenOrtderWeisheitundStilledar.Man           diesem Zusammenhang auf die Bücher           litik, kann man mehr und mehr in mei-
                                                                                         könnte bei dem Titel und der Farbpalet-     von Hélène Cixous. In dem Werk „Die          nen Werken finden. Meine ersten Aktio-
                                                                                         te auch an den Paradiesgarten denken –      Frauen der Revolution“ von Jules Miche-      nen in den sechziger Jahren waren aller-
                                                                                         auch im Sinne des Islam, bei dem Grün       let kann man nachlesen, dass Frauen wie      dings weniger politisch als eine Selbst-
                                                                                         ja auch das friedliche Paradies symboli-    Madame Roland, Madame de Condorcet           verortung, eine Selbsterkenntnis. Ich
                                                                                         siert. Inwiefern haben Sie – bezogen auf    und Madame de Staël in ihren Salons die      wollte für mich herausfinden, wie ich
                                                                                         die drei monotheistischen Religionen –      große Revolution vorbereitet haben.          selbst gehandelt hatte und ob Kunst nach
                                                                                         einen interreligiösen Ansatz?               Meine „Frauen der Antike“, die ohne          dem Faschismus überhaupt noch mög-
                                                                                      Kiefer: Alle Religionen, nicht nur die mo-     Kopf dargestellt werden, nehmen Bezug        lich ist. Ich wollte hinter dem Phänomen
                                                                                      notheistischen, versuchen die Verschlos-       darauf, dass Ideen und Texte antiker         Faschismus erkennen, was der Abgrund
                                                                                      senheit der Natur aufzubrechen, in der         Frauen, wie zum Beispiel die Gedichte        Faschismus für mich selbst bedeutet.
                                                                                      der Geist noch nicht zum Vorschein ge-         der Sappho, nur durch die Zitate von
                                                                                      kommen ist. Es ist das Schweigen der           Männern – Horaz, Catull und anderen –          Mit welchen Gefühlen beobachten Sie,
                                                                                      Materie, deren Schwere das Entschei-           auf uns gekommen sind.                         wie sich die Rezeption Ihres Werkes ge-
                                                                                      dende zurückhält. So legt sich über die                                                       ändert hat: von dem dem Nationalso-
                                                                                      unerlöste Natur der Schleier der Schwer-         In welcher Hinsicht sehen Sie diese          zialismus und dem allzu Deutschen
                                                                                      mut, jene tiefe, unzerstörbare Melancho-         Überlegenheit der Frauen? Oder ist das       Verbundenen zum Friedenspreisträger
                                                                                      lie allen Lebens. So ungefähr hat Schel-         nicht möglicherweise eine Idealisie-         des Deutschen Buchhandels?
                                                                                      ling es einmal formuliert.                       rung, aus der nur wiederum der männ-       Kiefer: Mit gemischten Gefühlen. Denn
                                                                                                                                       liche Blick spricht, der Frauen himm-      außerhalb Deutschlands wurde ich zu
                                                                                        Gerhard Richter ist ja nicht unbedingt         lisch verklärt und das Recht auf           keiner Zeit als jemand betrachtet, der der
                                                                                        als spiritueller Künstler bekannt.             schlicht gleichberechtigtes Menschsein     Ideologie des Nationalsozialismus ver-
                                                                                        Trotzdem hat er jüngst einem Kloster           verwehrt?                                  bunden ist.
NDELT VOM BILDTHEMA DES VERSCHLOSSENEN                                                  im saarländischen Tholey Kirchenfens-        Kiefer: (Schweigen)
RTENS: „HORTUS CONCLUSUS“. BILD: KIEFER                                                 ter entworfen und geschenkt. Wenn Sie                                                       Klingt, als seien Sie durch diese miss-
                                                                                        müssten – für welches Kloster oder Ge-         Welche Bedeutung die Frau in der An-         verstandene Wahrnehmung in einem
                                                                                        bäude würden Sie sich als Fensterge-           tike hatte, ist schwer zu beurteilen, in     Land mit dieser Geschichte verletzt!
                                                                                        stalter entscheiden?                           den Erzählungen der Bibel jedenfalls       Kiefer: (Schweigen)
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
SEITE 6 // GROTHE-SAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // ANSELM KIEFER

Aus der Lehmgrube geschöpft
DIE ALTE ZIEGELEI IN HÖPFINGEN BEI WALLDÜRN IM ODENWALD STAND MODELL FÜR DIE KUNSTLANDSCHAFTEN
VON MANFRED LOIMEIER                         schätzt der Mensch seine Bedeutung in
                                             der Natur? So elementar die Dinge in der
Höpfingen vor 31 Jahren, Anfang 1990         Alten Ziegelei Höpfingen sind, so meta-
also: Ein junger Mann, studierter Kunst-     physisch wird rasch ihre Betrachtung.
historiker und inmitten seiner journalis-       Und das hier, diese Schienen und För-
tischen Ausbildung, steht voller Respekt     derwagen in dem Industrieareal, sind das
vor der Alten Ziegelei zwischen Hard-        auch Bestandteile eines künstlerischen
heim und Walldürn im Odenwald. Er            Arrangements, ebenso wie die frischen
wartet verunsichert auf den Eigentümer,      Ziegel in manchen Trockenräumen? Irri-
der das vormalige „Ziegel- und Sägewerk      tierend wanken die Grenzen des Begrei-
Kaiser und Böhrer“ aus dem Jahr 1897         fens: Ist nicht ein Ziegelstein auch ein
samt Ringofen, sogenannter Sumpfhalle        kunstvolles menschliches Werk, in dem
und Presshaus vor zwei Jahren übernom-       Kenntnisse, Fähigkeiten und Gestaltung
men hat. Wird er auch wie verabredet         zusammenfließen – nur eben dem Ge-
kommen? Im Ort kursieren Erzählungen         danken der Nutzbarkeit unterworfen?
von Launen und Zurückweisung, und so         Und wird die künstlerische Gestaltung
stolz, wie die Bürgerschaft Buchens auf      von Landschaft, von Natur, nicht erheb-
den damals schon weithin bekannten           lich authentischer, wenn diese dem na-
Künstler Anselm Kiefer ist, so eindring-     türlichen Wandel direkt überlassen wird?
lich sind auch die Warnungen vor einem          Im Grunde ist in der Alten Ziegelei
nicht einfachen Charakter.                   Höpfingen schon angelegt, was sich in
   „Na, dann kommen Sie mal“, erklingt       Kiefers Arbeiten in den folgenden Jahr-
plötzlich eine freundliche Stimme. An-       zehnten bis in die Gegenwart ausgewei-
selm Kiefer sucht nach den Schlüsseln in     tet hat und wohl noch darüber hinaus
seiner Jackentasche und fragt: „Was ha-      ausweiten wird: die Entgrenzung des
ben Sie da? Na gut, fotografieren dürfen     Kunstwerks, mithin der Weg von Malerei
Sie da drin auch. Kommen Sie im Atelier      zu Installation, von der Verwendung von
in Buchen vorbei, wenn Sie durch sind.“      Holz, Stroh und Lehm in den Gemälden
                                             hin zu Gemälden und Ansichten, die
                                             nicht nur inmitten von Lehm, Stroh und
ERDE, WASSER, LUFT, FEUER                    Holz, sondern vielmehr inmitten einer
                                             lebenden Natur wirken, also zwischen
Es fällt leicht, in das Universum einer      Hügeln, Wiesen und Wäldern wie in Kie-
Kunstlandschaft einzutauchen, in der         fers Landschaftspark Barjac in den Ce-
die Unterscheidung zwischen Kunst und        vennen Südfrankreichs. Dort, nahe Nî-                                                                                                  ANSELM KIEFERS WERK IN HÖPFINGEN:
Natur verschwimmt. Es ist der Lehm der       mes, erwarb Kiefer vor Jahrzehnten                                                                                                     GANZ KLEIN WIRKT DAS GROSSE FLUG-
früheren Ziegelproduktion, der den ge-       35 Hektar einer ehemaligen Seidenfa-                                                                                                   ZEUG. BILD: MANFRED LOIMEIER
danklichen Weg pflastert: Ton (Erde) mit     brik, und in den Jahren dort schuf Kiefer
Wasser vermischt, an der Luft getrock-       mit Türmen, Höhlen, Tunnel und Bun-
net, bei Feuer gehärtet.                     kern eine Fantasiestadt, die den expansi-
    Stellagen, Ofentüren, Dachgebälk –       ven Drang seiner Malerei in wirkliche
und überall tauchen Kunstwerke auf:          Landschaften münden ließ.                   der Alten Ziegelei gearbeitet, haben ihre    um die Alte Ziegelei Höpfingen ließ sich           Die Alte Ziegelei in Höpfingen aber, das
Überdimensionale Malerpaletten hän-             Damit haben bereits die frühen Werke     Familie ernährt, Freude und Trauer er-       nicht verwirklichen, und die Ehe mit Gat-          „begehbare Kunstwerk“, wie Kiefer es
gen von der Decke oder liegen als Mosaik     aus Kiefers Zeit im Odenwald etwas, das     lebt – nun steht eben jemand Anderer in      tin Monika, der ersten Ehefrau, endete             nannte, kaufte Mitte der 1990er Jahre ein
im Grubenboden, ein Notenständer,            über sich hinausweist, das zudem die        diesem Reigen der Lebenden, geht sei-        im Scheidungsstreit.                               kunstinteressiertes Ehepaar aus dem na-
Bleirohre, noch eine Palette mit zehn lan-   Vergänglichkeit des menschlichen Tuns       nen Gedankenreisen nach und wird                Kiefer nahm eine Auszeit und reiste             hen Hardheim.
gen Bändern, und dann die Flugzeuge,         verdeutlicht und zugleich komischer-        ebenso vergehen wie manche Generati-         um die Welt, bis er zunächst in Barjac                Im Rückblick betrachtet bedeutet das
die bei späteren Ausstellungen weltweit      weise von Erdenschwere befreit, leicht      on vor ihm. Irgendwie hat das etwas          und dann im Jahr 2008 nahe Paris eine              Ende von Kiefers Jahren im Odenwald
so sauber, isoliert und gefahrvoll ausse-    wirkt und zu Heiterkeit führt: Was regst    Tröstliches, Verbindendes.                   neue Atelierlandschaft fand. 20 Kilome-            den Aufbruch in eine neue künstlerische
hen werden und die hier so spielzeughaft     du dich auf, du Menschlein, bald bist du       Vor 29 Jahren, Anfang 1992 also, hat      ter östlich der französischen Hauptstadt,          Dimension. Gleichwohl stellt die Alte
klein wirken und Fragen aufwerfen: Was       tot und Teil des natürlichen Bodens; ge-    Kiefer nicht nur Höpfingen und Buchen        in Croissy-Beaubourg, kaufte Kiefer eins-          Ziegelei Höpfingen einen Meilenstein
ist schon des Menschen Werk im großen        nieße deine Tage und freue dich des Le-     verlassen, sondern auch gleich Deutsch-      tige Lagerhallen und fand dort den Platz           auf dem Weg dorthin dar. In ihrer Lehm-
Buch der Weltgeschichte? Wie sehr über-      bens. Wie viele Menschen haben hier in      land. Der Traum eines Kunstparks rund        für seine monumentalen Kunstwerke.                 grube liegt der Kern von Kiefers Kunst.

       DOROTHEE HÖFERT, LEITERIN DER KUNST-
       VERMITTLUNG, FREUT SICH, FÜR KIEFER ZU
                                                                                         Mehr erfahren über die
                                                                                         „Materialschlachtreliefs“
       BEGEISTERN. BILD: KUNSTHALLE/WITT

                                                                                         KUNSTVERMITTLERIN DOROTHEE HÖFERT ÜBER DAS PROGRAMM
                                                                                         VON PETER W. RAGGE                           das in der deutschen Szene kaum je-                ren Größe etwas Überwältigendes“, so
                                                                                                                                      mand gewagt hat“, erklärt Höfert. Dazu             Höfert. Derzeit sei aber genau das auch
                                                                                         Sie war selbst „erst einmal sprachlos“,      passe dann eben schon, Stroh und Asche             ein Vorteil – angesichts der Corona-Pan-
                                                                                         bekennt Dorothee Höfert, als sie erst-       zu verwenden oder mit Blei die „bleierne           demie. „Bei Matisse hätten wir ein Pro-
                                                                                         mals mit Werken von Anselm Kiefer kon-       Zeit“ der jüngeren deutschen Geschichte            blem“, spielt sie auf die vorige Sonder-
                                                                                         frontiert wurde. Daher rechnet die Leite-    darzustellen, erklärt sie.                         ausstellung der Kunsthalle an – mit klein-
                                                                                         rin der Kunstvermittlung der Kunsthalle         „Materialschlachtreliefs“ nennt Hö-             formatigen Werken des großen Meisters.
                                                                                         damit, dass es auch vielen Besuchern der     fert die Werke Kiefers, und deren Mate-            Sich davor bei Führungen in einer Grup-
                                                                                         Ausstellung so geht. Doch sowohl die gi-     rialität sei ein ebenso wichtiger Aspekt           pe mit Abstand zu versammeln, das sei
                                                                                         gantische Größe der Arbeiten Kiefers, das    bei der Kunstvermittlung wie die Inhalte.          viel schwerer als bei den großen Werken:
                                                                                         von ihm verwendete Material sowie die        Dazu plant sie etwa eine Zusammenar-               „Bei solchen Formaten kann man Ab-
                                                                                         Themen seien zugleich gute Anknüp-           beit mit der Jüdischen Gemeinde, dem               stand halten“, so die Kunsthistorikerin.
                                                                                         fungspunkte, sich ihnen zu nähern, fin-      Ökumenischen Bildungszentrum Sanct-                   Alle Führungs- und Veranstaltungs-
                                                                                         det Höfert.                                  clara, der Hochschule für Jüdische Studi-          formate würden, wenn es so weit ist und
                                                                                            „Das Material, das ist doch hoch span-    en Heidelberg und dem Heinrich Pesch               die Schau physisch öffnet, mit dem Ge-
                                                                                         nend“, so die Kunsthistorikerin. Die Blei-   Haus – Katholische Akademie Rhein-Ne-              sundheitsamt abgestimmt. Und dass
                                                                                         platten, mit denen Kiefer arbeite, habe er   ckar. Bei einem Symposium sollen die               sich die Ausstellung auf große Räume in
                                                                                         etwa selbst dort geholt, als das Dach vom    Aktualität und die polarisierende Wir-             zwei Stockwerken verteile, sei ebenso
                                                                                         Kölner Dom neu gedeckt wurde, erzählt        kung des Werkes von Kiefer in der Kunst-           vorteilhaft: „Da können sich die Besu-
                                                                                         sie. Mit solchen Geschichten, so ist sie     geschichte erörtert werden – mit nam-              cher gut verteilen – und wir wissen, dass
                                                                                         überzeugt, lasse sich bei Führungen auch     haften Wissenschaftlern ebenso wie                 das den Leuten inzwischen wichtig ist, da
                                                                                         Aufmerksamkeit erzielen. Asche, Sand,        Nachwuchsforschern.                                wird oft danach gefragt“, so Höfert.
                                                                                         Teer, Stroh, Schrott – davon gehe eine ei-                                                         Die aus Niedersachsen stammende
                                                                                         gentümliche Faszination aus. Kiefer sei                                                         Gärtnerstochter, die in den 1980er Jahren
                                                                                         nicht nur der erste Künstler, der so stark   ABSTAND KEIN PROBLEM                               in Heidelberg studierte, kam 2008 als Lei-
                                                                                         mit solchen Materialien arbeite, sondern                                                        terin der Kunstvermittlung an die Kunst-
                                                                                         „damit ist ja auch eine Aussage verbun-      Einen weiteren wichtigen Aspekt stelle             halle nach Mannheim. Kiefer sei „jetzt
                                                                                         den“, betont sie.                            die enge Verbindung von Kiefer zur Lite-           schon ein Highlight meiner Zeit hier – so
                                                                                            Schließlich habe sich Kiefer Themen       ratur dar. Nicht ohne Grund erhielt mit            etwas gab es noch nicht“, freut sie sich.
                                                                                         genähert, „die kann man nicht einfach        ihm 2008 zum ersten Mal in der Ge-                 Ihr Team sei „sehr gut aufgestellt“, die
                                                                                         mit Öl auf Leinwand machen“, so Höfert.      schichte der Frankfurter Buchmesse ein             ungewöhnlichen Werke den Besuchern
                                                                                         Sie meint damit das „Nichtsagbare“ wie       bildender Künstler den Friedenspreis               nahezubringen – „auch sehr nieder-
                                                                                         die Zeit der deutschen Verantwortung         des Deutschen Buchhandels. „Fast auf               schwellig“, wie sie hervorhebt. Der MVV
                                                                                         für die nationalsozialistische Diktatur      jedem Werk zitiert er Werke aus der Lite-          Kunstabend, der jeden ersten Mittwoch
                                                                                         und die Vernichtung der Juden, mit de-       ratur“, so Höfert, die dazu spezielle Ange-        des Monats bei freiem Eintritt zum Mu-
                                                                                         nen Kiefer sich auseinandersetze. „Er        bote im Rahmenprogramm machen will.                seumsbesuch einlädt, werde dazu zu-
                                                                                         traute sich an Themen, die kein anderer         Natürlich hätten Kiefers Arbeiten               dem für die Besucher kostenlose Mög-
                                                                                         Künstler angepackt hat, und er hat das       nicht nur wegen der verwendeten Mate-              lichkeiten bieten, die gigantischen Werke
                                                                                         schon in den 1980er Jahren gemacht, als      rialien, sondern auch „wegen ihrer schie-          und ihre Geschichte kennenzulernen.
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
Wir machen Kunstwerke für‘s Ohr
                                                                                                                                   dir
                                                                                                                                neb ekt
                                                                                                                                    en
                                                                                                                               Ku      der
                                                                                                                                 nst
                                                                                                                                     hal
                                                                                                                                         le

                                                                                                       Kunstwerk: The Veneziano Amplitude
                                                                                                       Künstler: Anselm Kiefer
                                                                                                       Gallerie: White Cube
                          Hörsysteme: hören² Hörakustik                                                Bermondsey, London, UK
                          Marke: Phonak                                                                Größe: 470cm x 760cm
                          Typ: Virto M Titanium
                          Material: Titan
                          Größe: nahezu unsichtbar

Moderne Hörgeräte sind wahre Kunstwerke - winzig klein und extrem leistungsfähig!

Hätten Sie gewusst, dass sich Hörgeräte so rasant fortentwickeln wie       Sie wollen ästhetisch perfekt und natürlich hören? Dann laden wir Sie
Smartphones, Computer oder Autos. Auch bei den kleinen Hörhelfern          herzlich ein, die kleinsten auf dem Markt befindlichen Hörsysteme bei
präsentieren die Hersteller Jahr für Jahr neue Lösungen. Die neuesten      uns kostenlos zu testen. Zudem erleben Sie mit dem audiosus Anpas-
Hörgeräte bieten nicht nur immer bessere Leistung, sie werden auch         sverfahren wie gut moderne Hörgeräte klingen können.
immer kleiner. Viele Menschen mit Hörproblemen wünschen sich zwar
eine gute Unterstützung, jedoch kein für jeden sichtbares Hörgerät.        Vereinbaren Sie noch heute Ihren persönlichen Termin:
                                                                           Telefonisch in einer Filiale in Ihrer Nähe oder online unter:
hören² hat sich auf die kleinsten Hörlösungen und das natürliche           www.hoerenhochzwei.de
Hören mit Hörgeräten spezialisiert. Mit audiosus, einem patentierten
Verfahren, das nur von zertifizierten Hörakustikern angewendet werden
kann, erreicht man ein natürliches Klangbild mit sehr gutem Sprach-
verstehen bei sehr kleiner Gerätegröße.

 MANNHEIM                 EDINGEN                      SPEYER
 Friedrichplatz 6         Rathausstraße 8              Ludwigstraße 2A
 69165 Mannheim           68535 Edingen-Neckarhausen   67346 Speyer

 T: 0621 43 720 340       T: 06203 9617123             T: 06232 3124406
 mannheim@                edingen@hoerenhochzwei.de    speyer@hoerenhochzwei.de
                                                                                                                    Unvorstellbare Rechenpower sichert
 hoerenhochzwei.de
                                                                                                                        lebendigen Klang und Komfort.
                                                                                                                             Alon Lavi, Mitinhaber hören²
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
SEITE 8 // GROTHESAMMLUNG IN DER KUNSTHALLE // ANSELM KIEFER

                                                                                                                                             IHM VERDANKT DIE KUNST-
                                                                                                                                             HALLE VIELE WERKE VON
                                                                                                                                             ANSELM KIEFER: SAMMLER
                                                                                                                                             HANS GROTHE. BILD: DPA

Sammler und doch ein „Idiot“
DIE KUNSTHALLE VERDANKT DEM DUISBURGER UNTERNEHMER HANS GROTHE VIELE WERKE VON ANSELM KIEFER
                                                                                    VON PETER W. RAGGE                               ris machte sich Grothe auf den Weg in den
                                                                                                                                     Odenwald, wo Kiefer seinerzeit arbeitete. Er
                                                                                    „Idiot!“ hat Anselm Kiefer ihn mal genannt.      sah in dem beeindruckenden, 3600 Quadrat-
                                                                                    Das hat Hans Grothe selbst 2014 in Mann-         meter großen Atelier an die 70 teils fertige,
ANZEIGE                                                                             heim erzählt. Doch der Duisburger Bauun-         teils unfertige Werke – und es war der Beginn
                                                                                    ternehmer, Architekt und große Kunstmä-          einer großen Sammelleidenschaft, aber
                                                                                    zen verstand sich dennoch mit Kiefer, einem      auch einer besonderen Freundschaft.

   Anselm Kiefer digital
                                                                                    der bekanntesten deutschen Künstler der              Für Grothe ist Kiefer „einer, der im Fun-
                                                                                    Nachkriegszeit. Er zählte zu den größten         damentalen ungeheure Intelligenz entwi-
                                                                                    Sammlern von Kiefers Werken. 2014 über-          ckelt hat“, so der Sammler.„Ich habe immer
                                                                                    gab der im Mai 2019 verstorbene Unterneh-        Bilder geliebt, die mir Geschichten erzählen,

   Hören Sie, was Sie
                                                                                    mer seine Kiefer-Schätze der Kunsthalle          und für mich ist Anselm Kiefer der Maler, der
                                                                                    Mannheim, die daraus nun die große Son-          in seinen Bildern am meisten erzählt von al-
                                                                                    derschau gestaltet.                              len“, so Grothe. Kiefer sei „der Maler, dessen

   zu sehen bekommen!
                                                                                       Darf man seinen größten Förderer einen        philosophische Qualität ich zwar nicht im-
                                                                                    „Idioten“ nennen? Kiefer durfte. „Ich hatte      mer verstehe, sie aber sehe“ und bringe Po-
                                                                                    gleich eine Wellenlänge mit Anselm“, sagte       sitionen und Fragen in seinen Werken unter,
                                                                                    Hans Grothe mal zu Walter Smerling von der       die auch viele Fragen bei ihm auslösten.
                                                                                    Stiftung für Kunst und Kultur, der bereits
   Zu Gast bei „Mensch Mannheim“:                                                   mehrere Kiefer-Ausstellungen kuratierte.
   Johan Holten, Direktor der                                                       „Wir mögen uns leiden, sind aber immer auf
                                                                                    Distanz geblieben“, so der Unternehmer
                                                                                                                                     GROSSE BEREICHERUNG
   Kunsthalle Mannheim            Episode 17                                        über sein Verhältnis zu dem Künstler.
                                                                                       Grothe war eigentlich Maurer. Er wurde
                                                                                                                                     „Kiefer deutet seine Werke auf eine Weise,
                                                                                                                                     ich deute sie auf andere Weise, ein Dritter
                                                          Jetzt                     dann Architekt, in der Wirtschaftswunderzeit
                                                                                    schnell Immobilienhändler, schließlich Bau-
                                                                                                                                     sieht wieder etwas ganz anderes,“ erzählte
                                                                                                                                     Grothe in Mannheim, als er preisgab, dass
                                                         online                     unternehmer, Hotelbesitzer, Investor – und
                                                                                    brachte es so zu Reichtum. Er wird von jenen,
                                                                                                                                     ihn der Künstler im Gespräch über verschie-
                                                                                                                                     dene Deutungen mal „Idiot“ genannt habe.
                                                                                    die ihn gut kannten, als willensstark und tat-      Es war der September 2014, als Grothe 38
                                                                                    kräftig geschildert, aber auch als bodenstän-    Werke der weltweit größten Kiefer-Samm-
                                                                                    dig. 1930 im heutigen Duisburger Ortsteil        lung an die Kunsthalle übergab – als Dauer-
                                                                                    Homberg in einer Zechensiedlung aufge-           leihgabe mindestens bis zum Jahr 2037. Den
                                   Unser Interview-Podcast                          wachsen, kam er bis ins hohe Alter hierher,      größten Teil seiner Kunstsammlung hatte
                                                                                    um sich mit seinen Skatbrüdern, meistens am      Grothe zu dem Zeitpunkt bereits („mit Ge-
                                   mit Chefredakteur                                Wochenende, zu treffen.                          winn“, wie er – ganz Kaufmann – betonte)
                                   Karsten Kammholz!                                                                                 verkauft, da seine Kinder kein Interesse da-
                                                                                                                                     ran äußerten. Kiefers Arbeiten indes wollte er
                                   Im Podcast „Mensch Mannheim“ spricht                                                              behalten, aber mit der Öffentlichkeit teilen.
                                                                                    BEGINN EINER LEIDENSCHAFT
                                   Chefredakteur Karsten Kammholz alle zwei                                                             „Das ist eine große Bereicherung“, be-
                                   Wochen mit Persönlichkeiten aus Mannheim         Schon während des Ingenieurstudiums in           dankte sich die damalige Kunsthallen-Direk-
                                                                                    Trier interessierte sich Grothe für Kunst.       torin Ulrike Lorenz seinerzeit. Grothe, ganz
                                   und der Region über Themen, die sie selbst und   Bald begann er als Architekt damit, Kunst zu     Unternehmer, nannte derweil eine konkrete
                                   die Gesellschaft beschäftigen. Mal aktuell,      kaufen, und zwar gleich ganze Serien, „um        Zahl: Die Werke hätten einen Galeriewert von
                                   mal zeitlos. Mal mit Prominenten, mal mit        damit Räume zu gestalten“. Es ging los mit       mehr als 30 Millionen Euro. Mit der Überga-
                                                                                    Sigmar Polke, darauf folgten Werke von Ger-      be der Leihgaben setzte sich Mannheim ge-
                                   Menschen, die sonst nicht in der Öffentlich-     hard Richter, Markus Lüpertz, Georg Baselitz     gen mehrere Interessenten durch – zehn an-
                                   keit stehen. Immer nah am Leben.                 – und seit 1989 von Anselm Kiefer.               dere Museen hätten auf der Matte gestanden,
                                                                                       Der Unternehmer entdeckte Kiefer sei-         hieß es. Für Mannheim entschied sich Grot-
                                                                                    nerzeit in der Ausstellung „Magiciens de la      he wegen des Neubaus. Der Entwurf des
                                                                                    Terre“ (Zauberer der Erde, 1989) im Centre       Teams um Nikolaus Goetze überzeugte Hans
                                                                                    Pompidou in Paris. Dort, so sagte er später,     Grothe: „Den Ausschlag für Mannheim gab
                                   Jetzt kostenlos anhören!                         hätte ihn die Symbolhaftigkeit der Arbeiten      die Architektur von gmp, die mich als Archi-
                                   Auf mannheimer-morgen.de/                        tief beeindruckt. Denn Grothe, als Kind im       tekten völlig überzeugte und die ich daher
                                   mensch-mannheim und allen                        Krieg und in den Trümmern des Dritten            gerne mit einer Spende unterstützen will.“ Er
                                   bekannten Podcast-Plattformen.                   Reichs aufgewachsen, beschäftigte sich wie       beteiligte sich mit einer sechsstelligen Sum-
                                                                                    Kiefer mit den Verwerfungen der deutschen        me an dem Neubauprojekt. Im Mai 2019 ist
                                                                                    Geschichte. Kurz nach der Begegnung in Pa-       Grothe im Alter von 88 Jahren gestorben.

                                                                                    Impressum
                                                                                    Redaktion: Stefan M. Dettlinger, Dr. Thomas Groß, Dr. Manfred Loimeier, Peter W. Ragge;
                                                                                    Gestaltung: Alice Müller; Anzeigen: Michael Hollfelder, HAASMEDIA GmbH; Druck: Mannheimer
          mannheimer-morgen.de/mensch-mannheim
                                                                                    Morgen Großdruckerei und Verlag GmbH; Anschrift: Mannheimer Morgen, Dudenstraße 12-26,
                                                                                    68167 Mannheim, E-Mail: kultur@mamo.de; Titelbild: Charles Duprat.
ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen ANSELM KIEFER 09.03.- 22.08.2021 - DIE SAMMLUNG GROTHE IN DER KUNSTHALLE MANNHEIM - Mannheimer Morgen
Sie können auch lesen