Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten - Empirische Ergebnisse und Implikationen für die Forschung - Search Studies
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Information. Wissenschaft & Praxis 2019; 70(1): 3–13 Search Studies an der HAW Hamburg Dirk Lewandowski*, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten Empirische Ergebnisse und Implikationen für die Forschung https://doi.org/10.1515/iwp-2019-0001 Advertisement identification on search engine result pa- ges Zusammenfassung: In diesem Aufsatz stellen wir eine Empirical results and implications for research repräsentative Multimethodenstudie (bestehend aus Abstract: In this paper we present a representative multi- Umfrage, aufgabenbasierter Nutzerstudie und Online- method study (consisting of survey, task-based user stu- Experiment) zum Wissen und Verhalten der deutschen dy, and online experiment) of the knowledge and beha- Internetnutzer bezüglich der Anzeigen auf Google-Such- viour of German Internet users regarding Google ads. The ergebnisseiten vor. Die Ergebnisse zeigen, dass die über- results presented show that the overwhelming majority of wiegende Mehrzahl der Nutzenden nicht hinreichend in users are not well able to distinguish advertisements der Lage ist, Werbung von organischen Ergebnissen zu from organic results on Google’s search engine results unterscheiden. Die aufgabenbasierte Studie zeigt, dass pages. The task-based study showed that merely 1.3 per- lediglich 1,3 Prozent der Teilnehmenden alle Anzeigen und cent of participants were able to mark all areas correctly. organischen Ergebnisse richtig markieren konnten. We also found that another 9.6 percent of participants 9,6 Prozent haben ausschließlich korrekte Markierungen had all their identifications correct but did not mark all vorgenommen, dabei aber keine Vollständigkeit erreicht. results they were required to mark. From the survey, we Aus den Ergebnissen der Umfrage geht hervor, dass es found that there is a high degree of uncertainty about viele Unklarheiten gibt über das Geschäftsmodell von Goo- Google’s business model and the way search engine ad- gle und die Art und Weise, wie Suchmaschinenwerbung vertising works among users. Results from the online funktioniert. Die Ergebnisse des Online-Experiments zei- experiment show that users with little knowledge of the gen, dass Nutzende, die die Unterscheidung zwischen An- distinction between ads and organic results click on ad- zeigen und organischen Ergebnissen nicht verstehen, etwa vertisements approximately twice as often than users doppelt so häufig auf Anzeigen klicken wie diejenigen, die with a correct understanding.Implications for research diese Unterscheidung verstehen. Implikationen für die include incentive for replication studies and monitoring Forschung ergeben sich in den Bereichen Wiederholungs- of advertisement presentation, in-depth laboratory stu- studien bzw. Monitoring der Anzeigendarstellung, vertie- dies, models of information behaviour, information lite- fende Laborstudien, Modelle des Informationsverhaltens, racy and the development of fair search engines. Informationskompetenz und Entwicklung fairer Such- maschinen. Descriptors: Search engine, Search, Advertising, User, Knowledge, Online, Survey, Empirical study, User study, Deskriptoren: Suchmaschine, Suche, Werbung, Benutzer, Google, Information literacy Wissen, Online, Empirische Untersuchung, Benutzerfor- schung, Google, Informationskompetenz Repérage des annonces sur les pages de résultats de recherche *Kontaktperson: Prof. Dr. Dirk Lewandowski, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät DMI, Résultats empiriques et implications pour la recherche Department Information, Finkenau 35, Résumé: Dans cet article, nous présentons une étude 22081 Hamburg, E-Mail: dirk.lewandowski@haw-hamburg.de Sebastian Sünkler, Hochschule für Angewandte Wissenschaften représentative faisant appel à plusieurs méthodes (com- Hamburg, Fakultät DMI, Department Information, Finkenau 35, prenant une enquête, une étude basée sur les tâches 22081 Hamburg, E-Mail: sebastian.suenkler@haw-hamburg.de qu’exécutent les utilisateurs et une expérience en ligne) Friederike Hanisch, Hochschule für Angewandte Wissenschaften sur les connaissances et le comportement des utilisateurs Hamburg, Fakultät DMI, Department Information, Finkenau 35, Internet allemands en ce qui concerne les annonces sur 22081 Hamburg, E-Mail: friederike.hanisch@haw-hamburg.de Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
4 Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten les pages de résultats de recherche Google. Les résultats Anzeigen, die als Antwort auf eine Suchanfrage auf Such- montrent que la grande majorité des utilisateurs sont ergebnisseiten angezeigt werden, und AdSense-Anzeigen, incapables de distinguer la publicité des résultats organi- die auf Basis des Textes von Inhalteanbietern auf deren ques. L'étude basée sur les tâches montre que seulement Webseiten generiert werden. Rund 80 Prozent der Wer- 1,3% des participants ont été capables d’indiquer cor- beeinnahmen von Alphabet werden mit suchbasierten An- rectement toutes les annonces et tous les résultats orga- zeigen erzielt. Es ist daher offensichtlich, dass diese Form niques. 9,6 % n’ont fourni que des indications correctes, der Werbung das ökonomische Rückgrat von Google/Al- mais n'ont pas été complets. Il ressort des résultats de phabet bildet. Das Unternehmen hat daher ein großes l'enquête qu'il existe une grande confusion quant au Interesse daran, dass Anzeigen angeklickt werden. So modèle économique de Google et quant à la manière könnten Suchmaschinenanbieter versucht sein, die Grenze dont fonctionne la publicité dans les moteurs de recher- zwischen Werbung und organischen Ergebnissen zu ver- che. Les résultats de l'expérience en ligne montrent que wischen, damit mehr Anzeigen angeklickt und damit die les utilisateurs qui ne comprennent pas la distinction Einnahmen erhöht werden. entre les annonces et les résultats organiques cliquent Abbildung 1 zeigt zwei Ergebnisse für dieselbe Such- environ deux fois plus sur les annonces que les utilisa- anfrage und dieselbe Website, wobei eines eine Anzeige teurs qui comprennent cette distinction. Les possibilités und eines ein organisches Ergebnis ist. Man sieht, dass die de recherche future se trouvent dans les domaines des Ergebnisdarstellung sehr ähnlich ist und dass der Haupt- études de reproductibilité ou du monitoring de l'afficha- unterschied in der Beschriftung mit dem Wort „Anzeige“ ge des annonces, dans les études approfondies en labo- besteht. ratoire, dans l’élaboration modèles de comportement en matière d'information, dans le champ de la maîtrise de l'information et celui du développement de moteurs de recherche dont l’équité serait garantie. Descripteurs: Moteur de recherche, Recherche, Publicité, Etude empirique, Utilisateurs, Google, Compétences dans le domaine de l’information Einleitung Abbildung 1: Ergebnisbeschreibung ("Snippet") einer Anzeige vs. eines organischen Ergebnisses. Ein Kartellverfahren der Europäischen Kommission hat sich mit der Darstellung der Suchergebnisse bei Google Andere Suchmaschinenbetreiber (z. B. Microsoft, aber beschäftigt; es ging um die Bevorzugung des Google-eige- auch „alternative“ Suchmaschinen wie Duck Duck Go oder nen Dienstes Google Shopping gegenüber konkurrieren- MetaGer) kennzeichnen Anzeigen auf ähnliche Weise wie den Vergleichsportalen. Am Ende wurde eine Kartellstrafe Google. Aufgrund des überwältigenden Marktanteils von von 2,42 Milliarden Euro verhängt (European Commission, Google in Deutschland und den meisten europäischen 2017). Wichtiger noch als die hohe Strafe ist allerdings die Ländern von etwa 90 Prozent in der Desktop-Suche (Stat- Auflage, dass Google eine faire Ergebnisdarstellung liefern counter, 2018) betrachten wir im weiteren Verlauf aller- muss. Eine solche würde unserer Ansicht neben den Shop- dings nur diese Suchmaschine. pingergebnissen auch weitere Bereiche betreffen, nicht Der Erfolg der kontextbasierten Werbung in Such- zuletzt die Werbung, die mittlerweile in verschiedener maschinen lässt sich durch fünf Faktoren erklären: Form auf den Google-Suchergebnisseiten zu sehen ist (vgl. 1. Die Werbung wird dann angezeigt, wenn Suchende Lewandowski, 2016). durch eine Suchanfrage ihr Interesse „offenbart“ ha- Suchmaschinenwerbung ist das zentrale Geschäfts- ben. modell aller Web-Suchmaschinenanbieter. Beispielsweise 2. Durch die Abrechnung nach Klicks (anstatt nach Im- erzielte Alphabet Inc. (Googles Muttergesellschaft) 2016 pressions) kann der Erfolg der Werbung durch den einen Gesamtumsatz von 90,27 Milliarden US-Dollar (Al- einzelnen Werbetreibenden exakt gemessen werden. phabet Inc., 2017), davon 88,9 Prozent durch den Verkauf 3. Die Werbung stört kaum, weil sie textbasiert und im von Anzeigen. Diese Einnahmen können weiter aufgeteilt Gegensatz zur Bannerwerbung wenig aufdringlich werden in AdWords (seit 2018: Google Anzeigen), also ist. Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten 5 4. Durch die Versteigerung1 entstehen transparente Ranking der organischen Ergebnisse erfolgt für alle Klickpreise, die sich nach der tatsächlichen Konkur- Dokumente zu gleichen Bedingungen, d. h. jedes Do- renz zu einer Suchanfrage richten. kument, das in den Web-Index der Suchmaschine auf- 5. Die Selbstbuchung erlaubt auch Kleinstunternehmen, genommen wurde, hat potentiell die gleiche Chance, eigenständig Werbung zu schalten, selbst wenn nur als Ergebnis zu einer Suchanfrage angezeigt zu wer- geringe Budgets vorhanden sind. (Lewandowski, den.“ 2018, S. 159 f.) – Eine (Text-)Anzeige ist eine „Anzeige auf der Ergeb- nisseite einer Suchmaschine, die als Antwort auf eine Kontextbezogene Werbung bietet somit Vorteile sowohl Suchanfrage ausgegeben wird und in ihrer Darstel- für Inserenten als auch Suchmaschinennutzende. Für letz- lung einem organischen Suchergebnis ähnelt“. tere ist kontextbezogene Werbung im Vergleich zu ande- – Bei der Universal Search handelt es sich um die „An- ren Werbeformen zumeist weniger störend – auch des- reicherung der Suchergebnisse aus dem Web-Index halb, weil sie nur bei vermutetem Interesse angezeigt wird. um Ergebnisse aus speziellen Kollektionen und deren Weiterhin ist es aufgrund der Bindung an die Suchanfrage gemeinsame Darstellung auf einer Suchergebnissei- wahrscheinlicher, dass die Anzeige für Nutzende im aktu- te.“ Kollektionen, die im Rahmen der Universal Search ellen Kontext relevant ist. Der größte Vorteil für die Wer- eingebunden werden, sind beispielsweise Nachrich- betreibenden liegt in der genauen Kontrolle der Ausliefe- ten, Bilder und Videos. rung ihrer Werbung. Da die Anzeigen zur Suchanfrage passen, können sie als eine Form von Suchergebnissen betrachtet werden. Das Stand der Forschung kommt auch in der englischen Bezeichnung „sponsored link“ zum Ausdruck. Gerade deswegen stellt sich die Fra- In diesem Abschnitt gehen wir nur auf die wichtigsten ge, ob Nutzende organische Ergebnisse und Anzeigen aus- Forschungsergebnisse ein, die für die im weiteren dar- einanderhalten können, d. h. ob sie in ihrer Trefferevalua- gestellte Studie relevant sind. Eine ausführliche Literatur- tion tatsächlich von zwei Ergebnistypen ausgehen, oder schau zum Thema findet sich in Lewandowski, Kerkmann, ob sie die beiden Typen vermischen. Rümmele & Sünkler (2018). In diesem Aufsatz stellen wir eine repräsentative Mul- Zur Darstellung von Anzeigen auf Suchergebnisseiten timethodenstudie zu Wissen und Verhalten der deutschen ergab eine frühe Studie von Nicholson et al. (2006), dass Internetnutzenden zu Google-Anzeigen vor. Da die Ergeb- nur 40 Prozent der Ergebnisse auf dem ersten Bildschirm nisse bereits ausführlich in zwei englischsprachigen Auf- (d. h. dem für den Suchenden sichtbaren Bereich ohne He- sätzen dargestellt wurden (Lewandowski, 2017; Lewan- runterscrollen) organische Ergebnisse waren. Diese Quote dowski, Kerkmann, Rümmele, & Sünkler, 2018), legen wir stieg auf 67 Prozent, wenn man die gesamte erste Ergeb- den Schwerpunkt in diesem Beitrag neben der Darstellung nisseite betrachtet. Die Aussagekraft der Studie ist jedoch der wichtigsten Ergebnisse auf die Implikationen für die beschränkt durch die geringe Anzahl der verwendeten (informationswissenschaftliche) Forschung. Suchanfragen und die Tatsache, dass nur eine einzige (eher Für die folgenden Ausführungen sind die Begriffe or- geringe) Bildschirmauflösung berücksichtigt wurde. ganisches Suchergebnis, Anzeige und Universal Search Eine weitere frühe Studie Fallows (2005) ergab, dass zentral. Diese definieren wir wie folgt (Lewandowski, 2018, nur 38 Prozent der Suchmaschinennutzenden in den USA S. 313ff.): die Unterscheidung zwischen organischen und bezahlten – Ein organisches Suchergebnis ist ein „aus dem Web- Ergebnissen kannten. Seitdem hat sich die Situation zwei- Index automatisch generiertes Suchergebnis. Das fellos geändert, unter anderem durch die Richtlinien der U. S. Federal Trade Commission zur Offenlegung von Such- maschinenanzeigen (Sullivan, 2013a). Allerdings ist die 1 Werbetreibende bieten auf Suchwörter, für die ihre Anzeige auf den Unterscheidung zwischen den beiden Ergebnistypen nach Suchergebnisseiten erscheinen soll. Die Reihenfolge der Anzeigen wie vor ein Problem, nicht nur in allgemeinen Web-Such- richtet sich grundsätzlich nach der Höhe der Gebote, auch wenn sog. maschinen, sondern auch in vielen Spezialsuchmaschinen Qualitätsfaktoren die Reihung beeinflussen können. Die Abrechnung (Sullivan, 2013b). Einige Branchenstudien legen nahe, der Anzeigen erfolgt nach Klicks, d. h. der Werbetreibende bezahlt dass die Kennzeichnung von Anzeigen nicht eindeutig nur dann, wenn ein Nutzer die Anzeige tatsächlich auswählt. Die Klickpreise beginnen bei wenigen Cent, können aber je nach Kon- genug ist, damit sie von Suchenden tatsächlich erkannt kurrenz auch bei mehreren Euro liegen. (Lewandowski, 2018, wird (Bundesverband Digitale Wirtschaft, 2009; Charlton, S. 193ff.) 2013; Wall, 2012). Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
6 Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten Darüber hinaus zeigen Studien, dass die Platzierung Vorgehen konnten wir feststellen, ob die Werbe- und Kennzeichnung von Anzeigen das Blickverhalten kennzeichnung die Trefferauswahl beeinflusst. und das Auswahlverhalten der Nutzenden beeinflusst (Liu, Liu, Zhang & Ma, 2014). Auch führen verschiedene Varianten der Kennzeichnung von Anzeigen zu unter- Datenerhebung schiedlichen Wahrnehmungen, ob ein Ergebnis als An- zeige erkannt wird oder nicht (Edelman & Gilchrist, 2012). Wir haben die Daten anhand einer repräsentativen Stich- Diese Ergebnisse stammen jedoch entweder aus Studien probe der deutschen Online-Bevölkerung im Januar 2013 mit einer geringen Teilnehmerzahl oder mit nicht reprä- erhoben. Die Stichprobe wurde nach den Kriterien der sentativen Stichproben von Suchmaschinennutzenden. AGOF (Arbeitgemeinschaft Online-Forschung, 2018) er- Experimentelle Studien, die verschiedene Formen der stellt und bestand aus 1.000 Personen. Die AGOF stellt Kennzeichnung testen und Rückschlüsse auf die tatsäch- eine standardisierte und weithin anerkannte Online-Reich- lichen Auswirkungen dieser Formen ziehen können, sind weitenwährung zur Verfügung, um den Erfolg von Marke- durch die verwendete Stichprobe eingeschränkt, d. h. sie tinginstrumenten zu messen. Diese Online-Reichweiten- haben nur eine geringe externe Validität, da unklar ist, währung basiert auf einem Drei-Säulen-Modell für Data inwieweit aus der Stichprobe auf die Population ge- Mining und Profiling durch elektronische Messung von schlossen werden kann (z. B. Edelman & Gilchrist, 2012). Seitenaufrufen und Page Impressions, durch Vor-Ort-Be- fragungen zu deskriptiven soziodemografischen Werten und durch repräsentative Telefonbefragungen. Die Popu- lation umfasst Internetnutzende ab einem Alter von zehn Empirische Untersuchung zum Jahren. Wissen über Google-Anzeigen In diesem Abschnitt werden die Methodik sowie die Ergebnisse zentralen Ergebnisse einer groß angelegten Studie zum Verständnis der Unterscheidung zwischen Anzeigen und Befragung organischen Suchergebnissen auf Googles Suchergeb- nisseiten beschrieben. Eine ausführliche Darstellung Im Umfrageteil der Studie fragten wir die Teilnehmenden aller Ergebnisse findet sich in Lewandowski, Kerk- nach ihrem Wissen über das Geschäftsmodell von Google. mann, Rümmele & Sünkler (2018) und Lewandowski Ziel war es herauszufinden, ob sie verstehen, wie Such- (2017). maschinen generell bzw. Google im Besonderen Geld ver- Die Studie besteht aus drei Teilen: dienen und ob sie wissen, dass das Geschäftsmodell der (1) Umfrage: Zuerst stellten wir den Teilnehmenden Fra- Suchmaschinen auf Werbung basiert. gen zum Wissen über Werbung in Suchmaschinen, Die Fragen waren wie folgt: über Google und seinem Geschäftsmodell. Dazu wur- 1. Haben Sie in den letzten drei Monaten die Such- den auch Fragen nach Selbstauskünften zur Recher- maschine Google verwendet? [AUSSCHLUSSFRAGE] chekompetenz gestellt. 2. Wie schätzen Sie Ihre Fähigkeiten ein, bei Google zu (2) Aufgabenbasierte Studie: In diesem Studienteil muss- recherchieren? Bitte geben Sie sich eine Schulnote. ten fünf Aufgaben bearbeitet werden, in denen auf 3. Suchmaschinen sind kommerzielle Internetdienste Google-Suchergebnisseiten jeweils alle Werbetreffer und müssen daher Geld verdienen. Bitte beschreiben bzw. alle organischen Ergebnisse markiert werden Sie in Ihren eigenen Worten, wie sich die Suchmaschi- mussten. ne Google finanziert. (3) Experiment: Hier wurden zwei Gruppen gebildet. 4. Kann man Google dafür bezahlen, sein Unternehmen Die Zuweisung erfolgte zufällig. Die Teilnehmenden bzw. Produkt auf eine Suchanfrage hin bevorzugt auf wurde gebeten, auf einer Google-Suchergebnisseite der Suchergebnisseite zu platzieren? mindestens ein relevantes Ergebnis zu einer Such- aufgabe auszuwählen. Der Unterschied zwischen den Die folgenden Fragen wurden denen gestellt, die Frage 4 Gruppen bestand darin, dass auf der Suchergeb- mit „Ja“ beantwortet hatten: nisseite der einen Gruppe die beiden ersten Treffer als 5. Sind die bezahlten Anzeigen auf der Google-Ergebnis- Werbung markiert waren, während die Ergebnisse seite von unbezahlten Suchergebnissen zu unterschei- selbst für beide Gruppen gleich waren. Mit diesem den? [FILTERFRAGE] Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten 7 Abbildung 2: Zusammenfassung der Ergebnisse über das Wissen der Nutzer über das Geschäftsmodell von Google. 6. Wie unterscheiden Sie die bezahlten Anzeigen von Auf die Frage nach der Möglichkeit, Google dafür zu den unbezahlten Suchergebnissen? Bitte beschreiben bezahlen, Unternehmen bzw. Produkte auf eine Such- Sie in Ihren eigenen Worten die zentralen Unterschie- anfrage hin bevorzugt auf den Suchergebnisseiten zu plat- de. [OFFENE FRAGE] zieren, gaben 73,3 Prozent richtig an, dass dies möglich ist. 6,4 Prozent glaubten nicht, dass dies möglich sei; 20,3 Alle Befragten hatten Google in den letzten drei Monaten Prozent wussten es nicht. In einer früheren repräsentati- genutzt, deshalb wurde niemand von der weiteren Befra- ven deutschen Studie mit der gleichen Frage, antworteten gung ausgeschlossen. Bei der Frage nach den Recherche- nur 64 Prozent mit ja, während 36 Prozent dies für nicht fähigkeiten mit Google ergibt sich ein eindeutiges Bild: Der möglich hielten (Bundesverband Digitale Wirtschaft, Großteil (90,8 %) bewerten ihre Recherchekompetenz als 2009). sehr gut oder gut (deutsche Schulnoten). Es gab nur weni- Wer die vorherige Frage mit ja beantwortet hatte, wur- ge, die ihre Kompetenz mit vier oder schlechter benoteten. de im Anschluss gefragt, ob es möglich sei, zwischen Dies bestätigt frühere Erkenntnisse, nach denen sich Nut- organischen Ergebnissen und Anzeigen zu unterscheiden. zende bei der Verwendung von Suchmaschinen sicher Dies wurde von 57,98 Prozent positiv beantwortet, 26,6 fühlen und davon überzeugt sind, dass ihre Fähigkeiten Prozent gaben an, dass dies nicht möglich sei, und 15,42 ausreichen, um sie effektiv zu nutzen (s. Purcell, Brenner Prozent wussten es nicht. & Raine, 2012). Als letztes wollten wir wissen, wodurch sich Anzei- Als nächstes haben wir die Teilnehmenden gebeten, in gen und organische Ergebnisse unterscheiden. Dies war ihren eigenen Worten zu beschreiben, wie Google seine als offene Frage formuliert; die Antworten wurden wieder Einnahmen generiert. Dies war eine offene Frage; die Ant- durch die Forschenden klassifiziert. Nur 37 Teilnehmende worten wurden durch die Forschenden klassifiziert. 81 Pro- konnten die Elemente, die Anzeigen von organischen zent führten Werbung korrekt als Einnahmenquelle von Ergebnissen zum Zeitpunkt der Datenerhebung unter- Google an. Allerdings nannten nur 60,6 Prozent Werbung schieden, richtig und vollständig benennen (1. Schattie- als einzige Einnahmequelle von Google und 20,4 Prozent rung und/oder anderes Layout; 2. wird oben auf der andere, falsche Einnahmequellen. 9,5 Prozent gaben eine Ergebnisseite vor den organischen Ergebnissen ange- völlig falsche Antwort, und weitere 9,5 Prozent wussten zeigt; 3. Darstellung auf der rechten Seite der Suchergeb- gar nicht, wie Google seine Einnahmen generiert. nisseite). Viele zählten einige der richtigen Elemente auf, Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
8 Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten aber nicht das komplette Set bzw. weitere, falsche Merk- mit sollte herausgefunden werden, ob schon auf Basis der male. Struktur von Suchergebnisseiten Werbeblöcke erkannt In Abbildung 2 ist die Segmentierung der Teilneh- werden konnten. Dies traf bei 25,8 Prozent zu; insgesamt menden für die Fragen 4 bis 6 zusammengefasst. Ins- 63,9 Prozent haben nur Anzeigen markiert, allerdings nicht gesamt konnten 62,2 Prozent nicht zwischen Anzeigen sämtliche Anzeigen. und organischen Ergebnissen unterscheiden. Sie sagten In den weiteren vier Aufgaben wurden vollständige entweder, dass man Google für eine bevorzugte Listung und nicht verpixelte Suchergebnisseiten von Google ver- des eigenen Unternehmens auf den Suchergebnissei- wendet (Abb. 3). Dabei haben nur 1,3 Prozent der Teilneh- ten nicht bezahlen kann (oder wussten es nicht), oder menden in allen Aufgaben sämtliche Markierungen kor- sie sagten, dass man nicht zwischen Anzeigen und orga- rekt vorgenommen. 9,6 Prozent haben zwar nicht falsch nischen Ergebnissen unterscheiden kann (oder sie wuss- gekennzeichnet, aber nicht alle zu markierenden Bereiche ten es nicht), oder sie nannten eine falsche Anzeigen- berücksichtigt. Bei keiner Aufgabe waren mehr als 35 Pro- kennzeichnung (oder wussten es nicht). Diese Zahl zent der Teilnehmenden in der Lage, alle Bereiche korrekt enthält nicht die 341 Nutzer, die einige korrekte Elemente zu markieren. Je komplexer die Ergebnisdarstellung (Stei- zur Identifizierung von Anzeigen aufgezählt haben, aber gerung der Komplexität von Aufgabe zu Aufgabe), desto nicht das komplette Set von Unterscheidungsmerkma- geringer wird dieser Prozentsatz. len. Zur Verwechslung von Anzeigen und organischen Er- gebnissen ist noch festzustellen, dass je nach Aufgaben- stellung zwischen 32,3 und 66,3 Prozent der Nutzenden Aufgabenbasierte Studie nur Ergebnisse kennzeichneten, die sie markieren sollten (also entweder Anzeigen oder organische Ergebnisse), Dieser Studienteil basiert auf fünf Aufgaben, bei denen nicht alle Ergebnisse dieser Art. Ein beträchtlicher Teil entweder sämtliche Werbung auf der Suchergebnisseite markierte nur die Anzeigen, die entweder auf der rechten oder sämtliche nicht bezahlten Ergebnisse markiert wer- Seite oder über der Liste der organischen Ergebnisse dar- den mussten. Das Ziel war, das tatsächliche Wissen der gestellt wurden. Teilnehmenden über Werbung auf den Suchergebnissei- Zusammengefasst zeigt sich, dass die überwiegende ten herauszufinden und sich nicht allein auf ihre Selbst- Mehrheit Werbung nicht von organischen Ergebnissen auf auskünfte zu verlassen. den Suchergebnisseiten von Google zuverlässig und Das Stimulusmaterial waren Google-Suchergebnissei- vollständig unterscheiden kann. Eine detailliertere Ana- ten mit verschiedenen Layouts und Elementen (s. Abb. 3). lyse, einschließlich der Zusammenhänge zwischen den Wir haben versucht, eine Stichprobe von Suchergebnis- Ergebnissen der Umfrage (z. B. Alter, Ausbildung und seiten zu finden, die den typischen Ergebnispräsenta- selbstberichtetes Wissen über das Geschäftsmodell von tionen zum Zeitpunkt der Studie entsprachen (Details in Google) und der Aufgabenperformance gibt es bei Lewan- Lewandowski u. a., 2018). Weiterhin verwendeten wir dowski et al. (2018). Suchanfragen mit unterschiedlichen Intentionen, wobei nach Broders Taxonomie (Broder, 2002) zwischen informa- tionsorientierten, navigationsorientierten und transakti- Experiment onsorientierten Suchanfragen unterschieden wurde. In der Studie nutzen wir keine navigationsorientierten Such- In diesem Abschnitt fassen wir die Ergebnisse eines On- anfragen. Denn es sollten nur Aufgaben gestellt werden, in line-Experiments zusammen, die zuvor in Lewandowski, denen man potentiell aus dem gesamten Ergebnisset aus- Sünkler & Kerkmann, 2017 veröffentlicht wurden. Das Sti- wählen konnte. Wir haben die Anfragen entsprechend mulusmaterial waren zwei Screenshots einer Google-Such- ihrer Intention auch in informationsorientiert und kom- ergebnisseite (Abb. 4). Beide zeigten die gleichen Ergeb- merziell (jeweils zwei Aufgaben) unterteilt (s. Lewan- nisse und das gleiche Layout; der einzige Unterschied dowski, Drechsler, & Mach, 2012). Dies wurde explizit in bestand darin, dass in dem einen Stimulus die ersten den Aufgabenbeschreibungen berücksichtigt, um die Teil- beiden Ergebnisse als Anzeigen gekennzeichnet sind (gel- nehmenden darauf hinzuweisen, ob sie an einem Kauf be Schattierung, zusätzlicher Info-Button), während die interessiert sind oder daran, Informationen zu einem The- andere Version nur eine Liste mit organischen Ergebnissen ma zu finden. darstellte. In beiden Varianten wurden nur organische In der ersten Aufgabe wurde ein verpixelter Screenshot Ergebnisse verwendet, d. h. bei den in der Anzeigen-Vari- einer typischen Suchergebnisseite von Google gezeigt. Da- ante gezeigten Anzeigen handelt es sich tatsächlich um Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten 9 Abbildung 3: Screenshots der in der Studie verwendeten Suchergebnisseiten. organische Ergebnisse, die lediglich als Anzeigen markiert delt, sondern diese in der Annahme ausgewählt werden, sind. Alle Teilnehmenden wurde randomisiert einer der es handle sich um organische Ergebnisse. Bedingungen zugeteilt. Sie erhielten folgende Suchaufgabe: „Stellen Sie sich vor, Sie sind Teilnehmer an einem Implikationen Kochwettbewerb und sollen einen frischen Tintenfisch zu- bereiten. Modelle des Informationsverhaltens bzw. des Ihre Suchanfrage: Tintenfisch Rezept. Welches Er- Information Seeking Behaviour gebnis würden Sie sich spontan ansehen bzw. welches Ergebnis würden Sie auf dieser Seite (Bild) spontan ankli- Die hier vorgestellten Ergebnisse haben Auswirkungen auf cken?“ Modelle der Suchmaschinenwerbung (Jansen, 2011, Die Daten aus dem Experiment wurden mit Angaben S. 206), welche bislang die Nutzerseite nur unzureichend aus der Befragung und dem Erfolg aus dem aufgabenba- berücksichtigen. Klicks auf Anzeigen werden hier nicht als sierten Teil der Studie in Beziehung gesetzt, um heraus- möglicherweise irrtümliche Entscheidungen angesehen, zufinden, welche Rolle das Wissen über Anzeigen auf die auf der Basis fehlerhafter Annahmen erfolgen. Viel- Suchergebnisseiten für das tatsächliche Auswahlverhalten mehr geht man implizit davon aus, dass ein Klick auf eine spielt. Es handelt sich also auf der einen Seite um die Werbung eine informierte Entscheidung ist, die mit dem Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden, andererseits Wissen um den Werbecharakter und die Relevanz des Wer- um ihre tatsächliches Verhalten. betreffers erfolgt. Das wichtigste Ergebnis des Experiments ist, dass die- Auch die allgemeineren Modelle zur Informations- jenigen, die in den Aufgaben nicht in der Lage waren, suche (s. Fisher, Erdelez, & McKechnie, 2005; Hobohm, Anzeigen von organischen Ergebnissen zu unterscheiden, 2013; Womser-Hacker & Mandl, 2013) und der Websuche signifikant häufiger, nämlich etwa doppelt so oft Anzeigen (s. Burghardt, Elsweiler, Meier & Wolff, 2013) sollten erwei- anklicken als die, die beide Ergebnistypen unterscheiden tert werden, da sie sich nicht mit den Besonderheiten der können (40,3 % Anzeigenklicks vs. 21,6 % Anzeigen- Ergebnisauswahl von Suchenden befassen. klicks). Dies verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um Das Problem der gängigen Modelle des Informations- bewusste Entscheidungen für einen Anzeigenklick han- verhaltens ist, dass das Suchsystem den Nutzenden gegen- Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
10 Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten Abbildung 4: Screenshots als Stimulusmaterial (links: nur organische Ergebnisse; rechts: inklusive zwei als Werbung markierte organische Treffer). über als „wohlgesonnen“ betrachtet wird und man davon Scent, d. h. auf Indikatoren für die Attraktivität eines Such- ausgeht, dass diese mit dem verwendeten System kom- ergebnisses anhand einer Trefferbeschreibung (snippet). petent umgehen können. Die Ergebnisse unserer Studie Card et al., 2001 (S. 499) definieren Information Scent „als zeigen aber, dass dies oft nicht der Fall ist. Modelle des the (imperfect) perception of the value, cost, or access path Informationsverhaltens bzw. des Information Seeking Be- of information sources obtained from proximal cues, such haviour sollten berücksichtigen, dass die Anbieter von as WWW links.” Information Scent ist damit ein Konzept, Informationssystemen nicht „neutral“ oder im Interesse das sich auch auf den Kontext der Suchanzeigen an- der Nutzenden handeln, sondern Eigeninteressen verfol- wenden lässt. Die Frage, wie Anzeigen und organische gen. Diese sind beispielsweise die Maximierung des Wer- Ergebnisse in Bezug auf den Information Scent innerhalb beerlöses oder die bevorzugte Anzeige von Treffern, die derselben Ergebnispräsentation (Suchergebnisseiten) kon- aus weiteren Systemen des Suchmaschinenbetreibers kurrieren, ist bislang noch nicht gründlich erforscht. kommen (bspw. YouTube-Ergebnisse in Google, Google- Shopping-Ergebnisse in Google). Bedient werden sie in Form von Elementen des Layouts von Suchergebnisseiten, Methodische Implikationen der Hervorhebung bestimmter Elemente auf den Such- ergebnisseiten und der Gestaltung von nutzerunterstüt- Deskriptive Studien erlauben aufgrund der repräsentati- zenden Funktionen (vgl. Lewandowski, 2014; Lewan- ven Auswahl der Teilnehmenden eine Beschreibung der dowski, Kerkmann & Sünkler, 2014). Population hinsichtlich ausgewählter Merkmale. Ihre Er- Modelle der Ergebnisselektion, wie sie in der Informa- gebnisse können die Basis für Studien in einem anderen tion-Retrieval-Forschung, aber auch in der Kommunikati- Forschungsdesign bilden. Leider finden sich in der infor- onswissenschaft verwendet werden, konzentrieren sich mationswissenschaftlichen Forschung kaum deskriptive entweder auf Klickverteilungen oder auf den Information Studien; häufiger wird auf solche aus anderen Fächern Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten 11 zurückgegriffen (für die Forschung im Bereich Such- relevante Ergebnisse ausgewählt und wann erfolgen sol- maschinen sind dies z. B. Purcell, Brenner & Rainie, 2012; che Klicks fälschlicherweise in der Annahme, es handle Stark, Magin & Jürgens, 2014 oder Koch & Frees, 2017). sich um ein nicht durch direkte Bezahlung beeinflusstes Allerdings beschäftigen sich diese kaum mit genuin infor- Ergebnis. mationswissenschaftlichen Fragestellungen. Wir möchten Damit werden auch Fragen der Informationskom- mit unserer Arbeit dazu ermuntern, in der Informations- petenz berührt. Wenn das Ziel der Informationswissen- wissenschaft mehr deskriptive Studien durchzuführen. In schaft und -praxis ist, Nutzerinnen und Nutzer besser zu Kooperation mit Marktforschungsinstituten ist dies relativ informieren (Buckland, 2012, S. 5), dann sollten sie auch leicht und mit vertretbaren Kosten möglich. ihre Informationskompetenz in Bezug auf Suchmaschinen Unsere Studie ist ein Beispiel, dass auch aufgabenba- erhöhen. Die Bemühungen fokussieren sich noch zu oft sierte Studien mit einem Online-Befragungstool repräsen- auf spezialisierte Informationsquellen und weniger auf die tativ durchgeführt werden können. Wir sehen hier einen täglich verwendeten Werkzeuge. Es ist an der Zeit, dass erheblichen Gewinn für den Evidenzwert informationswis- sich Forschende und Praktiker im Bereich Informations- senschaftlicher Forschung, die gerade im Bereich Informa- kompetenz auf dieses bislang zu wenig berücksichtigte tionsverhalten meist auf Studien mit nur kleinen Teilneh- Thema konzentrieren. mergruppen basiert und nur in Teilen durch Replikationen Zuletzt ist die Anzeigenkennzeichnung für die Such- gesichert ist. maschinenbetreiber wichtig und zwar im Kontext der Idee einer fairen Suche. Insbesondere nicht kommerzielle An- bieter von Suchmaschinen sollten sich mit fairen Verfah- Anknüpfungspunkte für weitere Forschung ren der Anzeigenkennzeichnung (und der Trefferdarstel- lung generell) beschäftigen, um auch hier einen Mehrwert Inhaltlich öffnet die hier beschriebene Studie ein weites zu bieten und ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu wer- Feld für weitere Forschung: den. Die Informationswissenschaft kann dazu beitragen, Zum einen sind weitere in regelmäßigen Abständen indem sie Konzepte für Systeme entwickelt, die einen fai- durchgeführte Studien schon aufgrund der sich ver- ren Ausgleich ermöglichen zwischen dem Interesse von ändernden Ergebnisdarstellungen vonnöten. Selbstver- Suchmaschinenanbietern, Geld mit Werbung zu verdie- ständlich handelt es sich bei den hier präsentierten Ergeb- nen, und dem Interesse der Suchmaschinennutzenden, zu nissen nur um einen Schnappschuss zu einem bestimmten wissen, ob ein angezeigtes Ergebnis bezahlt wurde oder Zeitpunkt. Seit der Erhebung der Daten hat Google die nicht. Kennzeichnung der Anzeigen mehrmals geändert. Eine Studie, die allerdings auf einer recht kleinen Probanden- auswahl basiert, lässt darauf schließen, dass Anzeigen Fazit dadurch noch weniger gut zu erkennen sind als zuvor (Edelman & Gilchrist, 2012). Allerdings gibt es keine Stu- Die vorgestellte Studie zeigt, dass nur ein geringes Ver- die, die sich mit deutschen Nutzenden beschäftigt. So sind ständnis hinsichtlich der Anzeigen auf den Suchergebnis- größer angelegte Studien mehr als wünschenswert. seiten von Google besteht. Wir sehen hier einen erhebli- Weiterhin haben wir in dieser Untersuchung nur die chen Bedarf für Regulierung. Es muss eine erkennbare Desktop-Version von Google betrachtet; weitere sollten Trennung von Anzeigen und Inhalt, ebenso wie in ande- sich auch mit der Darstellung der Anzeigen auf Mobilgerä- ren Medien auch, auf den Suchergebnisseiten durch- ten befassen. gesetzt werden. Man mag Anzeigen in vielen Fällen als Während hier eine solide empirische Basis vorliegt, relevante Suchergebnisse betrachten können, aber man die das Auswahlverhalten der deutschen Suchmaschinen- sollte diese wissentlich anklicken, und nicht annehmen, nutzenden auf Suchergebnisseiten mit Anzeigen be- es handle sich um ein organisches Suchergebnis, das ohne schreibt, fehlen tiefergehende Analysen u. a. zur Wahrneh- direkte Bezahlung von externer Seite zustande gekommen mung von Anzeigen auf den Suchergebnisseiten (bspw. ist. Eyetrackingstudien) und zu den Gründen für Anzeigen- Das Problem der Anzeigenkennzeichnung verstärkt klicks. Die Betrachtung der Anzeigen als eine Form von sich auch, weil Anzeigen ebenso wie organische Such- (erwünschten) Suchergebnissen (Lewandowski, 2016) an- ergebnisse personalisiert sind. So bekommen zum einen stelle der strikten Gegenüberstellung von Anzeigen und nicht alle die gleichen Anzeigen angezeigt. Zum anderen „echten“ Suchergebnissen eröffnet hier einen Ansatz für erfolgt die Anzeigenauslieferung so, dass je nach bisheri- weitere Forschung: Wann werden Anzeigen bewusst als gem Interesse an Anzeigen (in bestimmten Bereichen) Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
12 Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten mehr oder weniger (bzw. gar keine) Anzeigen angezeigt Hobohm, H.-C. (2013). Informationsverhalten (Mensch und Informati- werden. Das bedeutet, dass gerade diejenigen, die auf- on). In Grundlagen der praktischen Information und Dokumenta- grund fehlender Kenntnis öfter auf Anzeigen klicken, ver- tion (S. 109–125). Berlin, Boston: De Gruyter Saur. https://doi.or g/10.1515/9783110258264.109 mutlich häufiger Anzeigen zu sehen bekommen als dieje- Jansen, J. (2011). Understanding sponsored search: Core elements of nigen, die nie auf Anzeigen klicken oder nur in Fällen, in keyword advertising. New York: Cambridge University Press. denen sie diese als relevant erachten und bewusst auswäh- Koch, W., & Frees, B. (2017). ARD / ZDF-Onlinestudie 2017: Neun len. von zehn Deutschen online. Media Perspektiven, 48(9), 434–446. Lewandowski, D. (2014). 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Dirk Lewandowski, Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch, Anzeigenkennzeichnung auf Suchergebnisseiten 13 Statcounter. (2018). Desktop Search Engine Market Share Europe. Sebastian Sünkler http://gs.statcounter.com/search-engine-market-share/desk- Hochschule für Angewandte top/europe [1.12.2018]. Wissenschaften Hamburg Sullivan, D. (2013a). FTC Updates Search Engine Ad Disclosure Guide- Fakultät DMI, Department Information lines After “Decline In Compliance”. http://searchengineland. Finkenau 35 com/ftc-search-engine-disclosure-164722 [1.12.2018]. Sullivan, D. (2013b). Revealed: The 17 Other Search Engines The FTC 22081 Hamburg Warned Over Paid Ad Disclosures. Abgerufen von http://search sebastian.suenkler@haw-hamburg.de engineland.com/revealed-17-other-search-engines-ftc-warned-1 68603 Wall, A. (2012). Consumer Ad Awareness in Search Results. http:// Sebastian Sünkler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promovie- www.seobook.com/consumer-ad-awareness-search-results render an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. [1.12.2018]. Er ist Teil der Forschungsgruppe Search Studies und hat dort von Womser-Hacker, C., & Mandl, T. (2013). Information Seeking Beha- Beginn an an der Entwicklung des Relevance Assessment mitgewirkt. viour (ISB). In Grundlagen der praktischen Information und In den letzten Jahren hat er in dem Projekt AAPVL gearbeitet, in dem Dokumentation (S. 97–108). Berlin, Boston: De Gruyter Saur. htt eine Software zur automatisierten Kontrolle des Lebensmittelmarktes ps://doi.org/10.1515/9783110258264.97 entwickelt wurde. Seine Forschungsinteressen sind die Evaluierung von Suchmaschinen und dialogbasierten intelligenten Assistenten. Weitere Informationen unter www.searchstudies.org/sebastian Prof. Dr. Dirk Lewandowski Hochschule für Angewandte Friederike Hanisch Wissenschaften Hamburg Hochschule für Angewandte Fakultät DMI, Wissenschaften Hamburg Department Information Fakultät DMI, Department Information Finkenau 35 Finkenau 35 22081 Hamburg 22081 Hamburg dirk.lewandowski@haw-hamburg.de friederike.hanisch@haw-hamburg.de Dirk Lewandowski ist Professor für Information Research & Informati- on Retrieval an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Ham- Friederike Hanisch hat Bibliotheks- und Informationsmanagement an burg. Seine Forschungsinteressen sind Web Information Retrieval, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert Qualitätsfaktoren von Suchmaschinen, das Rechercheverhalten der und arbeitet dort seit 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Suchmaschinen-Nutzer sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen Bereichen Suchmaschinen, Usability und Accessibility. des Umgangs mit den Web-Suchmaschinen. Weitere Informationen www.searchstudies.org/friederike unter www.searchstudies.org/dirk Bereitgestellt von | Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) Angemeldet Heruntergeladen am | 14.02.19 11:13
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