Artenschutzfachbeitrag zum B-Plan "Gewerbegebiet Niesky Nord" im Landkreis Görlitz - Richter & Kaup
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Gutachten Artenschutzfachbeitrag zum B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ im Landkreis Görlitz Im Auftrag von: Richter + Kaup Ingenieure & Planer Berliner Str. 21 02826 Görlitz Auftragnehmer: Dr. rer. nat. Markus Ritz Seidenberger Str. 27b 02827 Görlitz Stand: 08.07.2021
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Inhalt 1 Zielsetzung ......................................................................................................................... 1 2 Einleitung ........................................................................................................................... 1 2.1 Beschreibung des Untersuchungsgebietes und des Vorhabens ................................... 1 2.2 Artenschutzrechtliche Rahmenbedingungen ............................................................... 4 2.2.1 Bestimmungen des § 44 BNatSchG ..................................................................... 4 2.2.2 Begriffsbestimmung lokale Population ................................................................ 6 2.2.3 Eingriffszulässigkeit nach § 44 Abs. 5 BNatSchG .............................................. 7 2.2.4 Ausnahmen gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG ............................................................ 7 2.2.5 Befreiung gem. § 67 BNatSchG ........................................................................... 8 2.2.6 Umweltschadensgesetz (USchadG) ..................................................................... 8 3 Methoden ............................................................................................................................ 8 3.1 Erfassung Vögel .......................................................................................................... 8 3.2 Erfassung Reptilien................................................................................................... 10 3.3 Erfassung Tagfalter.................................................................................................... 10 3.4 Abschichtung der Eingriffsrelevanz .......................................................................... 11 4 Ergebnisse ........................................................................................................................ 11 4.1 Brutvögel ................................................................................................................... 11 4.1.1 Wendehals (Jynx torquilla) ................................................................................ 15 4.1.2 Wiedehopf (Upupa epops) ................................................................................. 16 4.1.3 Baumpieper (Anthus trivialis) ............................................................................ 17 4.1.4 Bluthänfling (Carduelis cannabina) .................................................................. 17 4.1.5 Feldlerche (Alauda arvensis) ............................................................................. 18 4.1.6 Star (Sturnus vulgaris) ....................................................................................... 19 4.1.7 Heidelerche (Lullula arborea) ........................................................................... 20 4.1.8 Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) .................................................. 21 4.1.9 Gelbspötter (Hippolais icterina) ........................................................................ 21 4.1.10 Grauammer (Emberiza calandra) ...................................................................... 21 4.1.11 Grünspecht (Picus viridis) .................................................................................. 22 4.1.12 Waldkauz (Strix aluco)....................................................................................... 23 4.1.13 Neuntöter (Lanius collurio) ................................................................................ 23 4.1.14 Haussperling (Passer domesticus) ..................................................................... 24 4.1.15 Feldsperling (Passer montanus) ......................................................................... 24 4.1.16 Goldammer (Emberiza citrinella) ...................................................................... 24 4.1.17 Wachtel (Coturnix coturnix) .............................................................................. 25 4.1.18 Dorngrasmücke (Sylvia communis) .................................................................... 25 4.1.19 Fitis (Phylloscopus trochilus)............................................................................. 25 4.1.20 Gartengrasmücke (Sylvia borin)......................................................................... 26 4.1.21 Klappergrasmücke (Sylvia curruca)................................................................... 26 4.2 Reptilien..................................................................................................................... 26 4.2.1 Zauneidechse (Lazerta agilis) ............................................................................ 27 4.2.2 Ringelnatter (Natrix natrix) ................................................................................ 28 4.3 Tagfalter..................................................................................................................... 29 4.3.1 Dukatenfalter (Lycaena virgaureae) .................................................................. 29 5 Vorhabensbezogene Einschätzung ................................................................................... 30 5.1 Anlagebedingte Wirkfaktoren ................................................................................... 30 5.2 Baubedingte Wirkfaktoren ........................................................................................ 30 5.3 Betriebsbedingte Wirkfaktoren.................................................................................. 31
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ 6 Maßnahmen zur Vermeidung ........................................................................................... 31 6.1 Anlagebedingte Wirkfaktoren ................................................................................... 31 6.1.1 V 1 - Minimierung des Versieglungsgrades ....................................................... 31 6.1.2 A 1 – Erhalt / Aufwertung Offenland ................................................................. 31 6.1.3 A 2 – Entwicklung eines Waldsaumes am Nordrand des Plangebietes ............. 32 6.1.4 A 3 – Anlage von Feldhecken an Ackerschlägen............................................... 32 6.1.5 A 4 – Maßnahmen zum Ausgleich von Revieren der Feldlerche....................... 32 6.1.6 A 5 - Habitataufwertung für Zauneidechse ........................................................ 33 6.2 Baubedingte Wirkfaktoren ........................................................................................ 33 6.2.1 V 2 - Bauzeitbeschränkung ................................................................................ 33 6.2.2 V 3 - Untersuchung auf betroffene Lebensstätten .............................................. 34 6.2.3 V 4 - Wahrung Tötungsverbot Zauneidechse..................................................... 34 6.3 Betriebsbedingte Wirkfaktoren.................................................................................. 34 7 Zusammenfassung ............................................................................................................ 40 8 Literatur ............................................................................................................................ 41 9 Anlagen ............................................................................................................................ 43
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ 1 Zielsetzung Im vorliegenden Gutachten wird das Datenmaterial zum Vorkommen von Brutvögeln, Reptilien und Tagfaltern im Bereich des B-Planes „Gewerbegebiet Niesky Nord“ am Nordrand von Niesky zusammengetragen und bewertet. Dazu wurden Altdaten ausgewertet und zwischen März und September 2020 Begehungen durchgeführt. Für die Vögel erfolgte eine Brutvogelkartierung und die Reptilien und Tagfalter wurden bei fünf zusätzlichen Begehungen erfasst. Die ermittelten planungsrelevanten Arten werden mit ihren Vorkommen näher beschrieben, auf ihre Betroffenheit hin untersucht und mögliche Minimierungs- und Ausgleichsmaßnahmen beschrieben. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen sollen negative Auswirkungen auf die Fauna durch das Vorhaben ausgeschlossen werden. 2 Einleitung 2.1 Beschreibung des Untersuchungsgebietes und des Vorhabens Die Stadt Niesky möchte ihr Angebot an Gewerbeflächen erweitern. Am Nordrand der Stadt existieren bereits Industriebetriebe und andere gewerblich genutzte Flächen. Östlich der Muskauer Straße und um einen Baubetrieb soll das bestehende Grünland und zwei Lagerplätze in neue Gewerbeflächen umgewandelt werden. Das Plangebiet befindet sich am Nordrand von Niesky zwischen vorhandenen Gewerbe- und Wohnbebauung und dem Wald. Im Norden grenzt es an einen Graben vor einer Schonung mit Kiefern und Eichen. Teile der Kiefernschonung sind 2019 abgebrannt und um die Brandfläche wurde ein Freistreifen gehoben. Das Feuer erreichte aber nicht ganz den südlichen Rand der Schonung, so dass vom Plangebiet aus nichts von der Brandfläche zu sehen ist. Im Nordwesten steht ein älterer Mischwald, der auf etwa 80 m an das Plangebiet grenzt. Im Nordwesten besteht die Grenze aus der Verlängerung der Muskauer Straße, wobei das Plangebiet diese einschließt und etwa 20 m über sie hinausgeht. Anfänglich ist sie als Spremberger Straße befestigt und geht dann in einen Waldweg über. Der Wald westlich des Weges besteht hauptsächlich aus mittelalten Kiefern. Zwischen Weg und Grünland stehen alte Linden, die viele Höhlungen aufweisen. Am Abzweig der Spremberger Straße nach Osten befindet sich ein Trafohäuschen im Plangebiet. Im Südwesten besteht die Grenze aus dem Fußweg der Muskauer Straße. Auf der östlichen Seite wird die Straße von einem Radweg begleitet und an ihm stehen etliche alte Bäume. In der äußersten Südwestecke des Plangebietes befindet sich ein ca. 130 m x 30 m großer Lagerplatz für Bau- und Erdstoffe eines Baubetriebes. Die Fläche setzte sich früher nach Osten fort, wurde aber im Vorjahr wieder mit Grünland eingesät. Auf dem Lagerplatz stehen wenige Bäume und die Ränder werden von Büschen und Ruderalfluren gesäumt. Nach Süden bildet die Cottbuser Straße die Grenze, an der sich südlich gewerblich genutzte Gebäude befinden. Die Südseite des Plangebietes wird von einigen Bäumen (Birken) gesäumt und durch einen Graben begrenzt. Der Graben soll Wasser aus dem Grünland von der Straße abhalten und führt nur nach Regenfällen Wasser. Im Südosten grenzt das Plangebiet an eine Wohnsiedlung, die aus 1
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Eigenheimen und einigen älteren dörflichen Gebäuden besteht. Die Siedlung ist recht locker bebaut und gut mit Bäumen und Sträuchern ausgestattet. Im Nordosten bildet die Trebuser Straße die Grenze des Plangebietes. Östlich der Straße befindet sich eine Ackerfläche mit geringer Bodenzahl. Im Untersuchungsjahr 2020 war sie nur mit Gründüngung eingesät und am Rand der Trebuser Straße wurde ein Blühstreifen stehen gelassen. Im Winkel zwischen der Trebuser und der Spremberger Straße befindet sich das etwa 200 x 90 große Gelände einer Baufirma. Es ist im Westteil mit Bürogebäuden und Lagerhallen bebaut und der Ostteil dient als Materiallager. Auf dem Gelände und vor allem am Rand stehen etliche Laub- und Nadelbäume. Zwischen den Lagerflächen und am Rand wachsen Gebüsche. Auf dem Grünland südlich des Betriebsgeländes befindet sich eine kleine Streuobstwiese. Bild. 1: Der Lagerplatz eines Baubetriebes im Südwesten des Plangebietes mit Saumstrukturen im Mai 2020. Nördlich des Betriebsgeländes liegt ein Lagerplatz für Erdstoffe und Bauschutt. Die Ablagerungen sind teilweise schon deutlich mit Büschen und kleinen Bäumen (Eschenahorn) überwachsen. Dieses Gelände ist recht vielgestaltig und durch die Hänge und das durchlässige Substrat wärmebetont. Im Nordosten wird das Plangebiet von der Verlängerung der Trebuser Straße begrenzt, die in einen Waldweg übergeht. Der Weg wird von einem Graben begleitet, der fast immer trocken liegt. Östlich des Weges befindet sich eine Ruderalflur, die mit einzelnen Baum- und Gebüschgruppen bestanden ist. Der überwiegende Teil des Plangebietes besteht aus Grünland. Es ist südlich der Spremberger Straße intensiv genutzt, wobei die geringe Wüchsigkeit „nur“ 3-4 Schnitte zulässt. Der 2
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Nordteil des Grünlandes ist weniger intensiv genutzt, wobei der Nordwestteil nach fehlender Nutzung 2019 im Frühjahr 2020 gemulcht und (nach Wühlschäden durch Wildschweine) gewalzt wurde. Der Nordostteil ist am nährstoffärmsten und durch seine leicht höhere Lage auch merkbar trockener. Die Grasnarbe ist teilweise lückig. Der Südteil des Grünlandes zeigt ein leichtes Relief, das sich auch auf die Feuchtigkeit der Fläche auswirkt. Die Mitte der Fläche neigt - in normalen Jahren - zur Vernässung, während der Nord- und Ostteil deutlich trockener sind. Naturräumlich gehört das Untersuchungsgebiet zum Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet in der Naturregion Sächsisch-Niederlausitzer Heideland. Das Plangebiet spiegelt dabei recht gut die nährstoffarmen Bedingungen im Heidegebiet wider. Der umgebende Wald ist von Kiefer geprägt und das Grünland ist schwach wüchsig. Trotzdem ist das Grundwasser nicht weit unter der Geländeoberkante. Stehende Gewässer befinden sich nicht in unmittelbarer Nähe, aber in 2 km Entfernung befinden sich im Schutzgebiet „Doras Ruh“ typische angelegte Fischteiche. Das SPA-Gebiet „Doras Ruh“ (EU-Nr. 4654-451) liegt 200 m nördlich des Plangebietes. Das SPA-Gebiet mit einer Gesamtgröße von 526 ha liegt streifenförmig östlich von Niesky, erstreckt sich bis zum Uhsmannsdorfer Heideteich nach Norden und verläuft von dort bis westlich der B115, wo es fast bis an den Kiestagebau heranreicht. Das Gebiet besteht fast vollständig aus Waldflächen, die von Teichen, Mooren und wenigen Feuchtwiesen unterbrochen sind. Die Wasserflächen sind jahrhundertealte angelegte Fischteiche, aber auch durch die Lage in der Endmoräne natürlich entstanden. Der Schutzzweck ergibt sich aus dem Brutvorkommen von Vogelarten der Wälder und Waldränder sowie der Verlandungszonen von Teichen bzw. Standgewässern. Brutvorkommen von Seeadler und Kranich sind als Schutzzweck hervorgehoben, aber beide Arten sind inzwischen nach deutlichen Bestandsanstiegen ungefährdet. Das FFH-Gebiet „Doras Ruh“ (EU-Nr. 4654-301) ist deckungsgleich mit dem SPA-Gebiet und schützt den wertvollen Komplex aus naturnahen großen Stillgewässern und offenen wie bewaldeten Mooren. Diese Habitate sind Lebensraum für die Vogelarten des SPA-Gebietes, aber auch z.B. für Rotbauchunke und Fischotter. Außerdem besitzt das Gebiet eine überregionale floristische Bedeutung. Die Natura-2000-Gebiete stehen nur bedingt mit dem Plangebiet in Verbindung. Dazu sind die Lebensräume mit Wald, Mooren und Stillgewässern im Schutzgebiet und hauptsächlich eher grundwasserfernem Grünland zu verschieden. Für einige Arten mit größerem Raumbedarf (Kranich, Greifvögel) kann eine Nutzung des Plangebietes bei gleichzeitigem Vorkommen im Schutzgebiet aber möglich sein. Das Untersuchungsgebiet besteht für die Brutvögel aus dem Plangebiet von reichlich 19 ha mit einem 100 m breiten Puffer. Insgesamt ergibt sich dadurch ein Untersuchungsgebiet von reichlich 40 ha. Da Auswirkungen des Vorhabens auf Reptilien und Tagfalter über kürzere Strecken wirken, lag der Schwerpunkt der Untersuchungen für diese Artengruppe in einem 50 m-Umkreis um das Plangebiet. Die Umkreise wurden nicht starr gehandhabt, sondern 3
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ orientierten sich an der Verschneidung der Habitate mit dem Plangebiet und den resultierenden möglichen Wechselwirkungen von Vorkommen außerhalb des Gebietes. 2.2 Artenschutzrechtliche Rahmenbedingungen Der Verweis auf das Artenschutzrecht soll vorab verdeutlichen, welche genehmigungs- rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen sind, wenn im Bereich des geplanten Vorhabens Arten potenziell beeinträchtigt werden. In jedem Fall sind die rechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), insbesondere der besondere Artenschutz (Kapitel 5, Abschnitt 3), auch bei Plan- und Genehmigungsverfahren einschließlich der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Mit dem Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29.Juli 2009 am 1.März 2010 ist aufgrund der Förderalismusreform der Artenschutz abschließend im BNatSchG geregelt. Allerdings ist es nach Art. 72 Abs. 3 Grundgesetz zulässig, dass die Länder ergänzende bzw. abweichende Regelungen treffen. Daher ist es notwendig zusätzlich zum BNatSchG das jeweils einschlägige Landesnaturschutzgesetz (SächsNatSchG) zu beachten. Das SächsNatSchG ist aber nur noch anwendbar wenn das BNatSchG zu einem Sachverhalt keine Regelung enthält bzw. den Ländern Abweichungen gestattet werden. Soweit das Bundesrecht abschließend regelt, ist bestehendes Landesnaturschutzrecht nichtig. Als eines der wichtigsten Naturschutzinstrumente hat sich die FFH-Richtlinie der europäischen Union herausgestellt. Sie regelt den Schutz von Arten und ihren Lebensräumen und war ausschlaggebend für das Schutzgebietssystem „Natura 2000“. Der Gebiets- bzw. Habitatschutz steht jedoch eigenständig neben dem besonderen Artenschutz, wobei es Überschneidungen beider Schutzregime geben kann. Besondere Regelungen gelten für Arten die in Anhang IV der FFH-Richtlinie (Pflanzen, Tiere außer Vögel) gelistet sind und für alle europäischen Vogelarten (gemäß Artikel 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie). Mit der „kleinen Novelle“ des BNatSchG vom 12.12.2007 wurde das europäische Artenschutzrecht bereits weitgehend in nationales Recht umgesetzt. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Verträglichkeit von Bebauungs-Plänen und Bauvorhaben ist somit hauptsächlich das BNatSchG, insbesondere § 44 ff, anzuwenden. Insbesondere bei einer abgestuften Beurteilung der Eingriffsrelevanz ist aber das Europarecht zu berücksichtigen. Artenschutzrechtliche Vorgaben finden sich im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sowohl im Kapitel 3 zum „allgemeinen Schutz von Natur und Landschaft“ (§ 19 – zu Umweltschäden) als auch im Abschnitt 3 des Kapitel 5, welches die Regelungen zum „Schutz der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten, ihrer Lebensstätten und Biotope“ zum Gegenstand hat. 2.2.1 Bestimmungen des § 44 BNatSchG Die Notwendigkeit einer artenschutzrechtlichen Prüfung bestimmter Eingriffe in Natur und Landschaft sowie weiterer Vorhaben ergibt sich aus § 44 ff BNatSchG. Zunächst gelten generell die sogenannten Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote für die besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten (§ 44 Abs. 1 bis 3). Um jedoch bestimmte Vorhaben überhaupt verwirklichen zu können, gelten bestimmte Maßgaben, nach 4
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ denen die Verbote sowie Freistellungen oder Ausnahmen zu prüfen sind. Bei der Prüfung sind in erster Linie die sogenannten Zugriffsverbote relevant (§ 44 Abs. 1): „Es ist verboten 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser- Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, 3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu schädigen oder zu zerstören (Zugriffsverbote).“ Aus § 44 Abs. 5 BNatSchG und aus einer Rechtsverordnung auf Grundlage von § 54 Abs. 1 Nr. 2 (bisher nicht erlassen) resultiert folgendes betrachtungsrelevantes Artenspektrum: • alle Tierarten, die in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG (FFH- Richtlinie) aufgeführt sind und • alle „europäischen Vogelarten" oder • alle in einer o.g. Rechtsverordnung aufgeführten Arten. Aufgrund der Umsetzung von Europarecht in bundesdeutsches Recht sind demnach alle in Europa natürlich vorkommenden „europäischen“ Vogelarten den streng geschützten Arten anderer Artengruppen de facto gleichgestellt. Die Unterscheidung von streng geschützten Vogelarten (Greifvögel, Eulen,…) und besonders geschützten Vogelarten (alle anderen heimischen Vögel) ist mit Blick auf die Zugriffsverbote dadurch hinfällig geworden. Die Aufnahme aller europäischen Vogelarten in das prüfrelevante Artenspektrum bedeutet auch, dass den Vögeln bei der Eingriffsplanung eine herausragende Bedeutung zukommt. Europäische Vogelarten sind nach der Vogelschutz-Richtlinie (Artikel 1, Satz 1): „sämtliche wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der Vertrag Anwendung findet, heimisch sind.“ Das BNatSchG (§7, Absatz 2) bestimmt dazu den Begriff heimische Art: „eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, die ihr Verbreitungsgebiet oder regelmäßiges Wanderungsgebiet ganz oder teilweise a) im Inland hat oder in geschichtlicher Zeit hatte oder b) auf natürliche Weise in das Inland ausdehnt; als heimisch gilt eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart auch, wenn sich verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere oder Pflanzen der betreffenden Art im Inland in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten.“ 5
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Demnach sind auch in Deutschland eingebürgerte oder verwilderte Arten zu betrachten, sobald sie sich bereits über mehrere Generationen fortgepflanzt haben. Dies betrifft z.B. die Neozoen (eingebürgerte Tierarten) Nilgans und Mandarinente. 2.2.2 Begriffsbestimmung lokale Population Schwierigkeiten bei der praktischen Beurteilung von Eingriffen bereitet die Definition der lokalen Population einer Art (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 7 BNatSchG). Es handelt sich im Gesetz um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff. Obwohl das Verschlecht- erungsverbot für den Erhaltungszustand einer Population einer Art ein zentrales Element in der FFH-Richtlinie ist, wird der Begriff dort nicht näher definiert. Das BNatSchG enthält unter § 7 (Begriffsbestimmungen) den Hinweis: „Population: eine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art“. Aber auch diese Definition hilft kaum weiter, da sie die biologischen oder geografischen Kriterien zur Abgrenzung offen lässt. Die Findung dieser Kriterien ist nicht trivial und auch nicht auf alle Arten gleich anwendbar. In der Begründung zum neuen BNatSchG vom 25.4.2007 steht noch eine etwas ausführlichere Definition: „Eine lokale Population umfasst diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(-raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen.“ Interessanterweise wird hier die Population über die von der Art benötigten Habitate definiert. Diese Herangehensweise gibt es beim biologischen Populationsbegriff nicht, bei dem die Population nur über das besiedelte Areal (mit)definiert wird. Daran orientiert sich auch der EU-Leitfaden zum Artenschutz: „Population ist hier definiert als eine Gruppe von Individuen derselben Art, die zur selben Zeit in einem geografischen Gebiet leben und sich miteinander fortpflanzen (können) (d. h. sie verbindet ein gemeinsamer Genpool)“. Allerdings ist in der Praxis eine Orientierung am biologischen Populationsbegriff nach populationsbiologischen oder populationsgenetischen Kriterien kaum umsetzbar. Daher spricht sich auch die Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA 2009) für einen pragmatischen Umgang aus. Je nach Verteilungsmuster, Sozialstruktur, individuellem Raumanspruch und Mobilität der Arten werden zwei Haupttypen von lokalen Populationen unterschieden: • Arten mit gut abgrenzbaren örtlichen Vorkommen im Bezugsraum Kleinräumig konzentrierte Vorkommen, bei denen sich viele Individuen, bedingt durch eine enge Bindung an bestimmte Lebensraumtypen bzw. -strukturen oder bestimmte Sozialstrukturen und Verhaltensweisen, in gut abgrenzbaren Bereichen konzentrieren. Zu dieser Kategorie zählen auch Vorkommen von Arten mit einer punktuellen oder zerstreuten Verbreitung oder solche mit lokalen Dichtezentren. Die Abgrenzung sollte sich an den Beständen selbst bzw. den von ihnen besiedelten Lebensräumen und kleinräumigen Landschaftseinheiten orientieren (z.B. Gewässer, Waldbereiche, Grünlandkomplexe, Niederungen) oder auch auf klar abgegrenzte Schutzgebiete beziehen. Beispiele sind die Laichgemeinschaften von Amphibien, die Reptilien eines Moores, die Libellen eines Teichgebietes, die Bachmuschelvorkommen eines Fließgewässerabschnitts, die Fledermäuse einer Wochenstube oder eines Winterquartiers. 6
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ • 2a) Arten mit flächiger Verbreitung im Bezugsraum Bei Arten mit einer weitgehend flächigen Verbreitung kann eine Abgrenzung der lokalen Population meist nur pragmatisch erfolgen und z.B. auf den Bereich einer naturräumlichen Landschaftseinheit bezogen werden. Hierfür dürften sich in der Regel die von Meynen & Schmithüsen (1953-1963) definierten naturräumlichen Unter- einheiten oder aber bei Arten mit größerer Mobilität die dreistelligen Haupteinheiten anbieten. Wo eine naturräumliche Abgrenzung fachlich nicht sinnvoll oder möglich ist, können unter pragmatischen Gesichtspunkten ggf. auch planerische Grenzen (bspw. Schutzgebietsgrenzen) zu Grunde gelegt werden. Beispiele sind u. a. die durch- gehende Verbreitung von einzelnen Libellenarten an einigen Fließgewässern oder die relativ großflächige Verbreitung der Zauneidechse. • 2b) Sonderfall: Arten mit sehr großen Aktionsräumen Bei Arten mit sehr großen Raumansprüchen, für die die Punkte 1. und 2a. nicht zutreffend sind (z.B. Schwarzstorch, Luchs, Wolf, Fischotter), ist die Abgrenzung einer lokalen Population auch bei flächiger Verbreitung häufig gar nicht möglich. In diesem Fall ist (insbesondere bei seltenen Arten) vorsorglich das einzelne territoriale Individuum oder das Paar/Rudel als lokale Population zu betrachten. Obwohl auch diese Einteilung (naturgemäß) einen Spielraum offen lässt, ist sie naturschutz- fachlich sinnvoll und hat sich gleichzeitig bisher als praktikabel erwiesen. Dieser Ansatz wird daher auch im vorliegenden Gutachten verfolgt. 2.2.3 Eingriffszulässigkeit nach § 44 Abs. 5 BNatSchG Absatz 5 des § 44 BNatSchG geht näher auf mögliche Situationen bei Eingriffen ein, bei denen geschützte Arten nur teilweise betroffen sind. Demnach „…liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.“. Sofern nicht nur marginale Bereiche eines Lebensraumes von Eingriffen betroffen sind und die ökologische Funktion auch nach dem Eingriff erhalten bleibt, müssen Maßnahmen ergriffen werden um die Funktion zu erhalten („Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden.“). Ergriffene vorgezogene Aus- gleichsmaßnahmen (i. S. v. CEF – countinous ecological functionality) müssen vor dem Eingriff umgesetzt werden und auf ihre Effektivität hin überprüft werden. Bei einer Unter- kompensation sind ggf. weitere Maßnahmen notwendig. Die Beurteilung ob und wie die ökologische Funktion einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätten erhalten bleibt bzw. erhalten werden kann obliegt dem Fachgutachter. Dieser hat sich dazu an der Biologie der betroffenen Art und der vorgefundenen Situation zu orientieren. 2.2.4 Ausnahmen gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG sind in § 45 Abs. 7 BNatSchG abschließend geregelt und können für im öffentlichen Interesse liegende Projekte von der 7
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ unteren Naturschutzbehörde zugelassen werden. Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn • zumutbare Alternativen nicht gegeben sind, • der Erhaltungszustand der Populationen einer Art sich nicht verschlechtert, Zu beachten ist außerdem: • Art. 16 Abs. 1 und 3 der FFH-Richtlinie und • Art. 9 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie. 2.2.5 Befreiung gem. § 67 BNatSchG Befreiungen gem. § 67 Abs. 2 BNatSchG von den Verboten des § 44 sind bei der zuständigen Behörde zu beantragen und können gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Befreiungen sind demnach nicht mehr im öffentlichen Interesse möglich, sondern zielen auf Fallkonstellationen ab, bei denen eine unzumutbare Belastung des Einzelnen eintreten würde. 2.2.6 Umweltschadensgesetz (USchadG) Neben den artenschutzrechtlichen Bestimmungen ist als Folge möglicher erheblicher Beeinträchtigungen von europäisch geschützten Tier- und Pflanzenarten und deren Habitaten die Haftung des Verantwortlichen für Umweltschäden nach dem Umweltschadensgesetz (vom 10.05.2007) zu beachten. 3 Methoden 3.1 Erfassung Vögel Zur Beurteilung des Konfliktpotenzials im Untersuchungsgebiet wurde das verfügbare Datenmaterial zusammengetragen und bewertet. Das Material stammte aus den folgenden Quellen: • Auswertung von Jahresberichten von ornithologischen Ortsgruppen • Befragung von vor Ort aktiven Ornithologen • Recherche in ornitho.de um mögliche weitere aktive Beobachter kontaktieren zu können • eigene Daten Die eigenen Kartierungen zur Brutzeit erfolgten nach den „Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands“ (Südbeck et al. 2005). Dabei werden alle nachgewiesenen Vogelindividuen mit ihrem Artkürzel und einem Verhaltenskürzel in Tageskarten eingezeichnet. Die Auswertung nach Kartierende erfolgt durch Übertragung der Daten aus den Tageskarten in Artkarten, wodurch die Reviere abgegrenzt werden können. Durch die Nachweiskategorie ergibt sich auch der Brutzeitcode für jedes Revier. Diese europaweit standardisierten Codes werden im Folgenden wiedergegeben: 8
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Mögliches Brüten (A) A1 Art zur Brutzeit im möglichen Bruthabitat festgestellt A2 Singendes, trommelndes oder balzendes Männchen zur Brutzeit im möglichen Bruthabitat festgestellt Wahrscheinliches Brüten (B) B3 Paar zur Brutzeit in geeignetem Bruthabitat festgestellt B4 Revierverhalten (Gesang, Kämpfe mit Reviernachbarn etc.) an mind. 2 Tagen im Abstand von mind. 7 Tagen am selben Ort lässt ein dauerhaft besetztes Revier vermuten B5 Balzverhalten (Männchen und Weibchen) festgestellt B6 Altvogel sucht einen wahrscheinlichen Nestplatz auf B7 Warn- oder Angstrufe von Altvögeln oder anderes aufgeregtes Verhalten, das auf ein Nest oder Junge in der näheren Umgebung hindeutet B8 Brutfleck bei gefangenem Altvogel festgestellt B9 Nest- oder Höhlenbau, Anlage einer Nistmulde u.ä. beobachtet Sicheres Brüten (C) C10 Ablenkungsverhalten oder Verleiten (Flügellahmstellen) beobachtet C11a Benutztes Nest aus der aktuellen Brutperiode gefunden C11b Eischalen geschlüpfter Jungvögel aus der aktuellen Brutperiode gefunden C12 Eben flügge Jungvögel (Nesthocker) oder Dunenjunge (Nestflüchter) festgestellt C13a Altvögel verlassen oder suchen einen Nestplatz auf. Das Verhalten der Altvögel deutet auf ein besetztes Nest hin, das jedoch nicht eingesehen werden kann (hoch oder in Höhlen gelegene Nester) C13b Nest mit brütendem Altvogel entdeckt C14a Altvogel trägt Kotsack von Nestling weg C14b Altvogel mit Futter für die nicht-flüggen Jungen beobachtet C15 Nest mit Eiern entdeckt C16 Junge im Nest gesehen oder gehört Der Kartieraufwand und die zu erfassenden Artengruppen wurden vom Auftraggeber mit der UNB Görlitz abgestimmt. Nach der Anpassung des BNatSchG an die europäische Rechtsprechung kommt dabei den Vögeln eine besonders hohe Bedeutung zu, da alle europäischen Arten den in anderen Artengruppen streng geschützten Arten rechtlich gleichgestellt sind. Zur Erfassung der Brutvögel erfolgten zwischen Ende März und Mitte Juni sechs Tagbegehungen, was der empfohlenen Begehungsintensität entspricht. Außerdem fanden zwei Nachtbegehungen zum Nachweis von nachtaktiven Vogelarten (Eulen, Wachtel) statt. Zusätzlich wurde bei weiteren Begehungen zur Erfassung anderer Artengruppen (Reptilien, Insekten) zumindest auch auf wertgebende Vogelarten geachtet. Im Zuge der Brut- vogelkartierungen in den Morgenstunden wurden alle Vogelarten im Untersuchungsgebiet erfasst. Der Schwerpunkt der Erfassungen lag dabei auf allen schutzwürdigen Arten (Anhang der Vogelschutzrichtlinie, Rote Liste Deutschland (Südbeck et al. 2007), Rote Liste Sachsen (Zöphel et al. 2015), nach BNatSchG streng geschützte Arten) und weitere wertgebende Arten gelegt. Für diese Arten wurde verstärkt versucht eine höhere Nachweiskategorie für Reviere zu erreichen oder das Revier genauer abzugrenzen. Für die häufigen Arten bedeutet die eingeschränkte Kontrollintensität, dass die ermittelte Revieranzahl als Mindestwert anzusehen ist. 9
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ 3.2 Erfassung Reptilien Während der Begehungen für die Brutvogelkartierung wurde auch auf das Vorkommen von Reptilien geachtet. Zusätzlich fanden fünf weitere Begehungen zwischen April und September zur gezielten Suche nach Zauneidechse (Lazerta agilis), Schlingnatter (Coronella austriaca) und Kreuzotter (Vipera berus) statt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Kreuzotter, da es im weiteren Umfeld Nachweise der Art gibt und geeignete Habitatstrukturen vorhanden sind. Bei den Begehungen wurden bei nicht zu warmer, nicht regnerischer Witterung geeignete Strukturen langsam abgeschritten und (teilweise mit dem Fernglas) nach ruhenden Tieren abgesucht. Herumliegende Bretter und andere Schutz bietende Materialien wurden angehoben, um darunter ruhende Tiere zu entdecken. Zusätzlich wurden zehn künstliche Verstecke (Schalbretter und Dachpappe) entlang des nördlichen Grabens vor der Schonung und um den nördlichen Lagerplatz ausgebracht und bei jeder Begehung kontrolliert. 3.3 Erfassung Tagfalter Im Untersuchungsgebiet wurden auch das Vorkommen von Tagfaltern erfasst. Die Erhebungen fanden teilweise gleichzeitig mit den Brutvogelkartierungen statt. Da allerdings die Insekten durchschnittlich später im Jahr erscheinen und die zeitigen Morgenstunden zur Erfassung ungeeignet sind, fanden zusätzlich weitere fünf Begehungen statt. Tagfalter wurden im gesamten Untersuchungsgebiet erfasst, die Mehrzahl der Nachweise erfolgte aber naturgemäß in den Übergangsbereichen, auf Ruderalflächen und weniger intensiv genutzten Grünlandflächen. Begehungen zur Kartierung der Tagfalter erfolgten gezielt bei günstigen Wetterbedingungen (mild, wenig Wind, kein Niederschlag). In die faunistischen Erhebungen wurde insgesamt etwa 21 h Geländearbeit investiert (Tab. 1). Tab. 1: Übersicht über die Erfassungstermine 2020 für die faunistischen Erhebungen im Rahmen des Artenschutzfachbeitrages zum B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“. Mit einem „x“ markiert sind jeweils die Artengruppen auf denen der Fokus am Erfassungstermin lag. Brutvögel Reptilien Tagfalter Datum Kommentar Ende Start 16.03.2020 20:00 20:35 x Nachterfassung 19.03.2020 6:23 8:30 x 03.04.2020 6:38 9:00 x 16.04.2020 10:45 12:00 x x 22.04.2020 5:45 9:45 x x x 29.04.2020 9:15 10:00 x x 06.05.2020 5:30 7:45 x x 20.05.2020 5:05 7:20 x x x 26.05.2020 21:30 22:30 x Nachterfassung 20.06.2020 5:45 7:15 x vorher Regen 21.07.2020 12:00 13:00 x x 21.08.2020 10:00 11:00 x x 10
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ 16.09.2020 11:30 12:15 x x 3.4 Abschichtung der Eingriffsrelevanz Bei den meisten Artengruppen ist eine vertiefte Betrachtung der Eingriffsrelevanz in Bezug auf die Zugriffsverbote klar geregelt und betrifft: • streng geschützte Arten und • Arten im Anhang IV der FFH-Richtlinie. Vertieft betrachtet werden sollten aber auch Arten, für die das jeweilige Bundesland oder Deutschland eine erhöhte Verantwortung trägt. Bei den Vögeln müssen theoretisch alle „europäischen“ Arten vertieft betrachtet werden. Dies betrifft also auch häufige, ungefährdete Arten wie Kohlmeise, Buchfink, Amsel… . In der Praxis bläht diese Herangehensweise die Berichte auf und führt dazu, dass für etliche Arten einfach Textbausteine verwendet werden. Daher wird im Endbericht eines FuE-Vorhabens im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ein abgestuftes Vorgehen empfohlen (Runge et al. 2010, Warnke & Reichenbach 2012). Vertieft zu betrachten sind demnach: • Vogelarten, deren Erhaltungszustand als ungünstig-unzureichend (gelb) oder ungünstig- schlecht (rot) einzustufen ist, • Vogelarten der Rote-Liste-Kategorien 0, 1, 2, 3, R, V (ungünstigste Bewertung aus Bundes- und Landesliste maßgeblich, da Bundesländer, in denen die Art noch häufiger vorkommt, eine besondere Verantwortung haben), • Koloniebrüter, • Arten, die in ihrem Bestand gefährdet sind und für die Deutschland in hohem Maße verantwortlich ist, sobald eine Rechtsverordnung nach § 54 BNatSchG vorliegt. Alle ubiquitären Arten (nicht gefährdet, euryök, >1 Mio. Brutpaare in Deutschland) werden üblicherweise in Gruppen nach ihren Habitatansprüchen (Gebüschbrüter, Waldarten, Offen- landarten) gemeinsam betrachtet. Für diese Arten wird davon ausgegangen, dass im Zuge der Kompensationsmaßnahmen der Status quo erhalten werden kann und keine dauerhafte Beeinträchtigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten eintritt (i. S. v. „die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten ist im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt“). 4 Ergebnisse 4.1 Brutvögel Im Untersuchungsgebiet konnten 42 Brutvogelarten in 90-136 Revieren nachgewiesen werden (Tabelle 2). Für zehn Arten konnte nur ein A-Nachweis (mögliches Brüten) und für 33 Arten mindestens ein B-Nachweis erbracht werden. Direkt im B-Plangebiet konnten 22 Brutvogelarten in 28-38 Revieren nachgewiesen werden, wobei für 17 Arten mindestens ein B-Nachweis (wahrscheinliches Brüten) erbracht werden konnte. 11
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Nördlich des Plangebietes befindet sich zusätzlich ein Revier des Kuckuck, das evtl. bis in das Untersuchungsgebiet hineinragt. Im März und Anfang April gab es im Grünland Nachweise von Wiesenpiepern. Sie wurden aber dem Durchzug zugeordnet und die Art wird nicht weiter betrachtet. Die Günlandflächen wurden gelegentlich von Rotmilan, Schwarzmilan, Turmfalke und Weißstorch zur Nahrungssuche genutzt. Die Arten brüten aber deutlich außerhalb des Untersuchungsgebietes und es gab keine Hinweise, dass die Wiesen überdurchschnittliche wichtige Bestandteile ihrer Nahrungssuchflächen sind. Am 10. Mai wurde ein Sperber jagend über der Schonung nördlich vom Plangebiet beobachtet. Eine Brut ist in den angrenzenden ausgedehnten Kiefernwäldern wahrscheinlich. In der leichten Senke mit etwas feuchteren Verhältnissen zwischen dem Baubetrieb und der Lagerfläche an der Muskauer/Cottbuser Straße wurde mehrfach (19.3., 22.4., 20.5.) ein Kranichpaar beobachtet. Am Morgen des 19. März war auch die Balz zu beobachten. Rein formal sind damit die Bedingungen für die Einstufung als „wahrscheinliches Brutrevier“ erfüllt. Fraglich ist allerdings ob die Wiesenfläche tatsächlich als Brutrevier genutzt werden könnte. Mit dem zunehmenden Bestand des Kranichs sind die Brutplätze zunehmend weniger anspruchsvoll. So gibt es mittlerweile Bruten in kleinen Tümpeln, fast trockenen Bruchwäldern und auch auf Grünlandflächen. Voraussetzung ist allerdings eine minimale Deckung des Nestes. Auf einer regelmäßig gemähten Wiese kann keine erfolgreiche Brut stattfinden. Eine Brut in der feuchten Wiesensenke ist denkbar, wenn das Grünland nicht oder erst im Sommer gemäht wird. Dies ist allerdings nicht absehbar und 2020 war die Wiese durchgängig recht kurz. Das Vorkommen des Kranichpaares ist daher als Halten eines zur Brut ungeeigneten Revieres durch ein Paar, das bei gesättigtem Bestand kein geeigneteres Revier besetzen kann, zu werten. Beim Abfliegen des Paares wurden jeweils die Teiche im Nordosten angesteuert, wo Kraniche brüten. Das Untersuchungsgebiet ist ausgesprochen vielgestaltig und entsprechend verschieden ist die Artenzusammensetzung in den Hauptlebensraumtypen. Das Grünland an sich weist nur eine geringe Arten- und Revierzahl auf. Es ist Lebensraum für die Feldlerche, die in drei Revieren vorkommt. Eine rufende Wachtel spricht auch für ein gewisses Potenzial des Grünlandes. Das Vorkommen von noch mehr wertgebenden Arten, wie z.B. Braunkehlchen, wird gegenwärtig durch die vergleichsweise intensive und großflächige Nutzung verhindert. das Grünland ist aber auch im Zusammenhang mit den angrenzenden ebenfalls sehr offenen Flächen der Lagerplätze zu sehen. Diese ruderalisierten und teilweise verbuschten Plätze sind Lebensraum für die wertgebenden Arten Grauammer und Neuntöter. Als Charakterart kommt außerdem das Schwarzkehlchen vor. Auch die Heidelerchen, die die kargen Wiesenflächen besiedeln, schließen die Lagerplätze in ihr Revier ein. Auch das eher nördlich liegende Revier des Wiedehopfes wird sicherlich durch die Offenflächen und die Vorkommen der Feldgrille auf den Grünlandflächen begünstigt. Mit dem Wendehals wurde am Übergang vom Betriebsgelände einer Baufirma zum Grünland eine weitere anspruchsvolle Art halboffener Habitate nachgewiesen. Vielgestaltig und zum Teil gut mit Arten ausgestattet sind auch die Siedlungsflächen mit Gewerbe. Während die Gewerbegebäude erwartungsgemäß kaum wertgebende Arten 12
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ beherbergen, ist insbesondere die ältere Eigenheimsiedlung mit Dorfresten an der Trebuser Straße mit den Charakterarten Hausrotschwanz, Grünfink und Ringeltaube gut ausgestattet. Die Nachtigall steht für stärker verbuschte Bereiche. Mit etlichen Paaren Haus- und Feldsperling, sowie Star, Gelbspötter und Gartenrotschwanz kommen auch wertgebende Arten vor. Erwähnenswert aufgrund des Höhlenreichtums ist auch der straßenbegleitende alte Baumbestand an der Muskauer und Spremberger Straße, der mindestens sechs Starenpaaren Bruthöhlen bot. Der nordöstlich und westlich angrenzende Altersklassenwald aus hauptsächlich Kiefern ist noch nicht alt und weist das entsprechend reduzierte Artenset auf. Mit Kohl-, Blau- und Tannenmeise kommen typische Arten vor, auch wenn zusätzlich die Haubenmeise zu erwarten gewesen wäre. Mit Rotkehlchen, Buchfink, Eichelhäher, Zilpzalp, Ringeltaube und Kernbeißer kommen typische Arten vor. Die Anwesenheit von Buntspecht und Kleiber zeigt das zunehmende Alter der Bäume an, in die die ersten Höhlen angelegt werden können. Das Vorkommen des Grünspechtes ist im Zusammenhang mit den Offenflächen und der abgebrannten Schonung zu sehen. Dem Wald fehlt eine vertikale Struktur, was das Fehlen von Zaunkönig, Heckenbraunelle und Waldlaubsänger erklärt. Die Schonung im Norden war besonders arten- und individuenarm, was durch den vorangegangenen Waldbrand noch verstärkt wurde. Durch den Brand haben sich zwar neue Strukturen gebildet, die aber ein Jahr nach dem Brand noch nicht durch Brutvögel genutzt werden konnten. In der Schonung leben die Charakterarten Fitis und Goldammer. Im Untersuchungsgebiet wurde demnach eine den Habitaten entsprechende Artenausstattung vorgefunden. Sie kann für die Waldflächen als mittelmäßig und für Teile der Siedlungflächen als gut angesehen werden. Die Grünlandflächen weisen gemeinsam mit den angrenzenden Lagerplätzen und Randstrukturen eine gute bis sehr gute Artenausstattung auf. Tab. 2: Liste der Brutvogelarten 2020 im Untersuchungsgebiet „Gewerbegebiet Niesky Nord“. Fett hervorgehobene Arten werden im nachfolgenden Text vertieft betrachtet. BP PG – Brutpaare im B- Plangebiet, BP Puffer – Brutpaare im 100 m-Puffer um das B-Plangebiet, VRL – Anhang I der Vogelschutzrichtlinie, RL D – Rote Liste Deutschland (Grüneberg et al. 2015), RL SN – Rote Liste Sachsen (Zöphel et al. 2015), V- Vorwarnliste, 3 – gefährdet, 2 – stark gefährdet. Rote Liste Erhaltungs- BP BP streng Art BZC VRL D SN zustand SN PG Puffer geschützt 2015 2015 2017 Amsel B4 1 4 günstig Baumpieper A2 0 0-1 3 3 unzureichend Blaumeise B9 1-2 1-5 günstig Bluthänfling B3 1 0 3 V günstig Buchfink B4 0-1 2-9 günstig Buntspecht B4 0 2 günstig Dorngrasmücke A2 0-1 0 V günstig 13
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Rote Liste Erhaltungs- BP BP streng Art BZC VRL D SN zustand SN PG Puffer geschützt 2015 2015 2017 Eichelhäher B4 0 2-3 günstig Elster B3 0 1 günstig Feldlerche B5 3 0 3 V unzureichend Feldsperling B5 0 4-5 V günstig Fitis B4 0 4-5 V günstig Gartengrasmücke B4 0 1 V günstig Gartenrotschwanz B4 0 1-2 V 3 günstig Gelbspötter A2 0 0-1 V unzureichend Goldammer B4 0 1 V günstig Grauammer B5 4 0 V günstig x Grünfink B5 2 5 günstig Grünspecht A2 0 0-1 günstig x Hausrotschwanz B4 1 2 günstig Haussperling C14b 0 9-10 V V günstig Heckenbraunelle A2 0-1 0 günstig Heidelerche C14b 2-3 0 x V 3 unzureichend x Kernbeißer B5 0 3 günstig Klappergrasmücke A2 0-1 0-3 V günstig Kleiber B4 1 0 günstig Kohlmeise C13a 1 4-6 günstig Mönchsgrasmücke B5 0-1 3-8 günstig Nachtigall B4 1 0-1 günstig Neuntöter B4 2 0 x günstig Ringeltaube B4 1 2 günstig Rotkehlchen B4 0 5-6 günstig Schwarzkehlchen C12 1 0 günstig Singdrossel A2 0 0-1 günstig Star C13a 6-7 1-3 3 günstig Tannenmeise A2 0 0-1 günstig Türkentaube B4 0 1 günstig Wachtel A2 0-1 0 V günstig Waldkauz B4 0 1 günstig x Wendehals A2 0-1 0 2 3 unzureichend x Wiedehopf B4 0 1 3 2 unzureichend x Zilpzalp B4 0 2-3 günstig Vergleicht man die Artenzahl (42) im Untersuchungsgebiet mit dem Erwartungswert aus der Arten-Areal-Kurve (S = 23*A0,12) für Wald-Offenland-Komplexe wie sie aus einer Stichprobe von 39 kartierten Gebieten in Südwestdeutschland ermittelt wurde (Straub et al. 2011), so 14
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ ergibt sich ein Erwartungswert von knapp 36 Arten. Berücksichtigt man, dass bei der Regression keine Siedlungshabitate beinhaltet sind, muss man etliche Siedlungsarten hinzurechnen und die gefundene Artenzahl liegt eher unterhalb des Erwartungswertes. Dies wird auch mit einer vergleichsweise geringen Artenzahl im Wald zusammenhängen. Aussagekräftiger für die Planungen ist ein Vergleich des Plangebietes an sich, das größtenteils Grünland- und Brachflächen aufweist. Vergleicht man die Artenzahl (22) direkt im Plangebiet mit dem Erwartungswert aus der Arten-Areal-Kurve (S = 2,3A0,51) für Grünland-Komplexe so ergibt sich ein deutlich niedrigerer Erwartungswert von 11 Arten. Allerdings kommen im Plangebiet mit dem Baubetrieb auch siedlungsähnliche Flächen mit den entsprechenden Arten vor. Sie können aber nicht allein für die Differenz von elf Arten angeführt werden und das Grünland mit den Brachen muss als überdurchschnittlich gut mit Brutvogelarten ausgestattet angesehen werden. Die Vorkommen von wertgebenden Arten mit starker Planungsrelevanz verteilen sich recht gleichmäßig über das Untersuchungsgebiet. Eine gewisse Konzentration ist in den lockeren Siedlungsbereichen und auf/an den Brachflächen im Grünland erkennbar. Heidelerche und Neuntöter sind im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt (Tabelle 2). Sechs der im Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Brutvogelarten (Wendehals, Wiedehopf, Baumpieper, Bluthänfling, Feldlerche, Star) sind in der Roten Liste Deutschlands aufgeführt und sechs weitere Arten stehen in der bundesdeutschen Vorwarnliste. Drei Arten (Wendehals, Wiedehopf, Baumpieper) stehen ebenfalls in der Roten Liste Sachsen (Zöphel et al. 2015). Zusätzlich werden neun Arten in der sächsischen Vorwarnliste geführt. Wendehals, Wiedehopf, Heidelerche, Grauammer, Grünspecht und Waldkauz sind nach der bundes- deutschen Artenschutzverordnung streng geschützt. Die wertgebenden Arten werden in den folgenden Abschnitten (in absteigender Schutzpriorität) vertieft betrachtet. Die nicht näher betrachteten verbleibenden Arten sind ubiquitär und in Bezug auf ihren Lebensraum wenig anspruchsvoll. Daher ist bei ihnen nicht mit einer Beeinträchtigung der lokalen Population zu rechnen. Die Zugriffsverbote (insbesondere das Tötungsverbot) gelte natürlich trotzdem auch für sie und sind durch entsprechende Maßnahmen zu wahren. 4.1.1 Wendehals (Jynx torquilla) Der Wendehals bewohnt wärmebetonte Habitate und ist der einzige heimische Specht der unsere Breiten im Winter verlässt. Als Ameisenfresser ist er auf eine schüttere Boden- vegetation mit einer entsprechend hohen Dichte an Ameisennestern angewiesen. Sein Lebensraum sind gut strukturierte Waldrandbereiche, Streuobstwiesen, lockere Parks und regelmäßig auch Industriebrachen. Sowohl innerhalb der letzten 12 Jahre als auch innerhalb der letzten 25 Jahre hat der Bestand des Wendehalses in Deutschland stark abgenommen (Sudfeldt et al. 2013). Er wird daher als „gefährdet“ in der bundesdeutschen Rote Liste (Grüneberg et al. 2015) geführt. Der sächsische Bestand des Wendehalses hat auch langfristig auf nunmehr 350 – 500 Brutpaare abgenommen und er wird in der Roten Liste Sachsens (2015) als „gefährdet“ geführt. Sein Erhaltungszustand wird in Sachsen als unzureichend eingeschätzt. 15
Dr. Markus Ritz: Artenschutzfachbeitrag B-Plan „Gewerbegebiet Niesky Nord“ Am 20. Mai rief ein Wendehals am Südostrand des Betriebsgeländes der Baufirma an der Spremberger Straße. Etwas später rief ein Wendehals in einer Baumgruppe nordöstlich, bei dem es sich um dasselbe Exemplar gehandelt haben kann. Es gab trotz Nachsuche keine Folgenachweise der Art, so dass nur eine mögliche Brut angenommen werden kann. Prinzipiell ist der verbuschte Rand des Betriebsgeländes mit den offenen Flächen und dem angrenzenden kargen Wiesenflächen für die Art gut geeignet. Auch die kleine Streuobstwiese am Südrand des Betriebsgeländes entspricht gut den Ansprüchen der Art. Ein Erhalt des möglichen Revieres hängt an ausreichend Offenflächen mit entsprechendem Nahrungs- angebot an Ameisen. Bei einer Beseitigung der Streuobstwiese und einer Industriebebauung bis an das Betriebsgelände wäre voraussichtlich das Revier bereits deutlich beschnitten. Das Revier kann aber durch den Erhalt der Streuobstwiese und die Entwicklung einer extensiven Wiese mit angrenzenden Gebüschen auf dem Wall in Richtung der Wohnbebauung erhalten werden. Mit Umsetzung der Maßnahmen werden sich voraussichtlich die Chancen für eine erfolgreiche Brut des Wendehalses im Vergleich zum Ist-Zustand sogar erhöhen. 4.1.2 Wiedehopf (Upupa epops) Der Wiedehopf besiedelt ausgesprochen wärmebetonte Habitate und erreicht unsere Brut- gebiete nicht vor Mitte April. Seine Habitatpräferenz gründet vor allem auf seiner Nahrung, die vorzugsweise aus Großinsekten besteht. In Mitteleuropa gibt es eine gute Über- einstimmung des Vorkommens des Wiedehopfes und der Feldgrille, die er mit seinem langen Schnabel auch aus den Erdlöchern holen kann. Seine genutzten Habitate können daher auch recht unterschiedlich aussehen und reichen von sehr offenen aktiven Truppenübungsplätzen und Tagebaufolgeflächen über lichte Kiefernwälder, abwechslungsreiche Siedlungsbereiche und Industriebrachen bis zu strukturreichem Weideland und Flussauen. Flussauen werden regelmäßig vor allem als Brutplatz genutzt, während die Nahrungssuche in angrenzenden Offenlandflächen stattfindet. Wiedehopfe sind sehr mobil und Brutplatz und Nahrungsflächen können teilweise etliche hundert Meter auseinander liegen. Als Brutplätze dienen verschiedenste Höhlen, die in Bäumen aber auch am Boden oder in Erdbauen anderer Arten liegen können. Die Bestände des Wiedehopfes nehmen in Mitteleuropa vermutlich in Folge der Klima- erwärmung zu. Während der letzten deutschlandweiten Kartierung 2005-2009 wurden 650- 800 Brutpaare nachgewiesen (Gedeon et al. 2014). Auch wenn der aktuelle Bestand höher liegt, ist der Wiedehopf weiterhin eine seltene Art. In Sachsen wurden während der ADEBAR-Kartierung 70-100 Brutpaare nachgewiesen und sein aktueller Bestand dürfte bei deutlich über 100 Paaren liegen. Er wurde daher in der Roten Liste Deutschland von „stark gefährdet“ auf „gefährdet“ (RL D 3) und in der Roten Liste Sachsen von „vom Aussterben bedroht“ auf „stark gefährdet“ (RL SN 2) herabgestuft. Seine Bestände sind gegenwärtig am meisten durch Sukzession in den Offenlandhabitaten und durch einen hohen Prädationsdruck gefährdet. In der nordöstlichen Ecke des Untersuchungsgebietes hielt sich am 16. April ein Wiedehopf nahrungssuchend auf dem Waldweg auf. Am 29. April rief ein Wiedehopf aus dem Wald am Nordrand der Schonung ca. 200 m nördlich vom Plangebiet. Gemäß den Methodenstandards 16
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