Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag - B-Plan "Bucheschle III" in Uttenweiler (Lkr. Biberach): Gemeinde Uttenweiler
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Anlage 1 zur Begründung B-Plan „Bucheschle III“ in Uttenweiler (Lkr. Biberach): Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag 23. April 2021
B-Plan „Bucheschle III“ in Uttenweiler (Lkr. Biberach): Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag 23. April 2021 Auftraggeber: Gemeindeverwaltung Uttenweiler Hauptstr. 14 88524 Uttenweiler Auftragnehmer: Büro für Landschaftsökologie Vogelsangweg 22 88499 Altheim Bearbeitung: Josef Grom, Dipl.-Biologe Hansjörg Eder, Ornithologe Titelseite: Geplantes Baugebiet (06.02.2020) 1
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Aufgabenstellung .................................................................................................... 3 2 Gesetzliche Grundlagen ................................................................................................................... 4 3 Streng geschützte Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie ....................................................... 5 4 Europäische Vogelarten ................................................................................................................... 6 5 National besonders geschützte Arten .............................................................................................. 9 6 Minderungsmaßnahmen .................................................................................................................. 9 7 Funktionserhaltende Maßnahmen (CEF-Maßnahmen) .................................................................. 9 8 Artenschutzrechtliche Beurteilung ................................................................................................ 10 9 Quellenverzeichnis ......................................................................................................................... 10 2
1 Einleitung und Aufgabenstellung Die Gemeinde Uttenweiler (Lkr. Biberach) plant am östlichen Ortsrand von Uttenweiler ein rd. 2,7 ha großes Wohnbaugebiet (Abb. 1). Die Flächen wurden bislang als Acker- und Grünland genutzt. Die Entwässerung des Baugebietes erfolgt im Trennsystem. Das Regenwasser wird über ein Regenrückhaltebecken in den Riedteilegraben abgeleitet. Im Hinblick auf den besonderen Artenschutz ist zu prüfen, ob durch die Umsetzung des Baugebietes die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG tangiert werden. Nach einer Relevanzbegehung am 06.02.2020 fanden deshalb im Jahr 2020 vertiefende Untersuchungen zu den Vögeln statt. Abb. 1: Lageplan vom 16.04.2021 (IB Funk) 3
2 Gesetzliche Grundlagen Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu be- schädigen oder zu zerstören, 2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten wäh- rend der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, 3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Ar- ten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören. Nach § 44 Abs. 5 BNatSchG liegt ein Verstoß gegen 1. das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beein- trächtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann, 2. das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschä- digung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnah- me, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungs- formen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind, 3. das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. 4
Im bauplanungsrechtlichen Bereich sind für die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens die nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützten Arten und die europäischen Vogelar- ten relevant. 3 Streng geschützte Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie Fledermäuse Bei der Umsetzung des Wohnbaugebietes müssen nur wenige Gehölze gerodet werden (darunter eine vitale Eiche), die aber kein Quartierangebot für Fledermäuse bieten. In der Scheuer im Süden können Fledermäuse wegen der Zugluft praktisch ausgeschlossen werden. Dem Plangebiet kommt deshalb bezüglich der Fledermäuse nur eine allgemeine Bedeutung als Jagdgebiet zu, die artenschutzrechtlich nicht relevant ist. Zauneidechse Das Plangebiet wird landwirtschaftlich intensiv genutzt und weist keine Saumstrukturen auf. Ein Vorkommen der Zauneidechse (Lacerta agilis) kann deshalb ausgeschlossen werden. Biber Etwa 400 m unterstrom des Baugebietes ist im Riedteilegraben und im Weiherbach ein Biberre- vier ausgebildet. Aufgrund des Pufferbeckens kann eine hydraulische Beeinträchtigung des Bibers ausgeschlossen werden. Demgegenüber verschlechtert sich aufgrund der Biberdämme die Vor- flut, so dass die Gemeinde die vernässten Bereiche entlang des Weiherbachs erwerben sollte. Kleine Flussmuschel Das Entwässerungskonzept sieht den Bau eines Regenrückhaltebeckens mit gedrosselter Abfluss- spende in den Riedteilegraben vor. Aus dem Weiherbach sind Schalenfunde der Kleinen Fluss- muschel (Unio crassus) bekannt. Im Jahr 2014 wurden bei Gewässeruntersuchungen im Rahmen einer geplanten Wegquerung keine Muscheln gefunden (GROM 2014). Es wird davon ausgegan- gen, dass die Einleitung des Regenwassers zu keiner erheblichen stofflichen oder hydraulischen Belastung des Gewässers führen wird. 5
Weitere streng geschützte Arten Andere streng geschützte Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie sind im Plangebiet nicht zu erwarten bzw. nicht betroffen. 4 Europäische Vogelarten Methodik Zur Erfassung der lokalen Vogelfauna wurden im Untersuchungsjahr 2020 drei Vogelbegehungen durchgeführt (15.05.2020, 22.05.2020 und 03.06.2020). Hierbei wurden das Plangebiet und die nähere Umgebung flächig begangen und alle akustisch oder optisch wahrnehmbaren Vögel punktgenau in luftbildgestützte Tageskarten (Maßstab 1:2.500) eingetragen. Im Fokus der Unter- suchung standen die Offenlandarten. Mit Hilfe der Tageskarten konnten dann in Anlehnung an die Revierkartierungsmethode (SÜDBECK et al. 2005) die Revierzentren der erfassten Brutvogelar- ten festgelegt werden. Ergebnisse Bei der Vogelkartierung 2020 wurden insgesamt 34 Arten nachgewiesen, von denen 19 als Brut- vögel, 9 Arten als Nahrungsgäste und 1 Art als Durchzügler eingestuft wurden (Tab. 1, Abb. 2). Grünspecht, Straßentaube, Türkentaube und Weißstorch brüteten in größerer Entfernung und nutzten das geplante Baugebiet auch nicht als Nahrungsgebiet. Regelmäßige Nahrungsgäste wa- ren Mehlschwalbe, Ringeltaube, Mäusebussard und Rotmilan. Innerhalb des Geltungsbereichs des Baugebietes brütete lediglich die Blaumeise (Gebäudebrut). Ansonsten konnten hier keine Offenlandarten festgestellt werden. Das nächste Feldlerchenrevier war mehrere hundert Meter vom geplanten Baugebiet entfernt. Somit sind von dem Vorhaben allenfalls wenige weit verbreitete und häufige Gehölzbrüter betroffen, bei denen der Wegfall von Fortpflanzungs- und Ruhestätten grundsätzlich nicht als verbotsrelevant im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG einzustufen ist (TRAUTNER et al. 2015). Durch die allgemeine Zunahme von Wald und Gehölzen in unserer Landschaft sind bezüglich dieser Arten keine funktionserhaltenden Maßnahmen (CEF-Maßnahmen) erforderlich. Damit es bei der Rodung der Gehölze zu keiner Verletzung oder Tötung von Vogelindividuen kommt, ist hierfür eine entsprechende Bauzeitenre- gelung erforderlich. 6
Tab. 1: Kommentierte Artenliste UG Uttenweiler 2020 S (Status): Bv=Brutvogel bzw. Brutverdacht, Ng=Nahrungsgast, Dz=Durchzügler Gefährdung/Schutz in Bad.-Württ. (BAUER et al. 2016) und Deutschland (GRÜNEBERG et al. 2015): 0=ausgestorben, 1=vom Aussterben bedroht, 2=stark gefährdet, 3=gefährdet, V= Arten der Vorwarnliste EU: Vogelart des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie s/b: streng/besonders geschützt nach BNatSchG Art S Gefährdung/Schutz Bemerkungen BW D EU s/b Amsel Bv b 6 Reviere; im Plangebiet fressend Bachstelze Bv b 3 Rev.; auch futtertragend im Plangebiet beobachtet Blaumeise Bv b 3 Rev.; 1 Rev. innerhalb gepl. Baugebiet (Gebäude- brut); fütternd beobachtet Buchfink Bv b 3 Rev. Buntspecht Bv b 1 Rev.; Steuobstbestand südlich ist Teil des Reviers; auch über Plangebiet fliegend beobachtet Dohle Ng b 1 Ex überfliegt Plangebiet am 3.6.20 Dorngrasmücke Bv b 1 Rev. beim Sportplatz Eichelhäher Dz b 3 Ex. am 15.5.20, 1 Ex. am 3.6. UG überfliegend Feldsperling Bv V V b 6-7 Rev., regelmäßig im Plangebiet beobachtet Goldammer Bv V V b regelmäßig 1-2 Ex im UG beobachtet Graugans Ng b 2 Ex. am 3.6.20 überfliegend Grünfink Bv b 1 Rev. Grünspecht - s einmalige akustische Beob. aus östlicher Richtung Hänfling Bv 2 3 b 1 Rev. (Brutverdacht); 1 Paar am 3.6.20 beobachtet Hausrotschwanz Bv b 4 Rev. Haussperling Bv V V b mind. 4 Rev. Klappergrasmücke Bv V b 1 Rev. Kleiber Ng b am 3.6.20 südl. vom Plangebiet rufend Kohlmeise Bv b 3-5 Rev. Mauersegler Ng V b Bv in Ortslage Uttenweiler,1 Ex jagend am 3.6.20 Mäusebussard Ng s regelmäßig 1-2 Ex. in der näheren Umgebung Mehlschwalbe Ng V 3 b Bv in Ortslage Uttenweiler unweit Plangebiet Nilgans Ng b 1 Paar überfliegend am 22.5.20 Rabenkrähe Bv b 2-3 Rev.; 5 adulte Ex. streiten am 15.5.20 mit Rotmilan Ringeltaube Ng b regelmäßig 2-3 Ex. über Plangebiet beobachtet Rotmilan Ng V x s 2 Ex. fast regelmäßig im Plangebiet Schafstelze - V b eine unsichere akustische Beobachtung östlich am 15.5.20 Star Bv 3 b ca. 4 Rev., auch futtertragend im Plangebiet; am 3.6.20 16 Jungvögel im Plangebiet fressend Stieglitz Bv b 1 Rev. am Westrand mit Singwarte Straßentaube - b 20-25 Ex. fast regelmäßig nördlich vom UG Türkentaube - b akustische Beobachtung aus Ortslage Uttenweiler Turmfalke Bv V s 1 Rev. mit 3 Sitzwarten Wacholderdrossel Bv b 1-2 Rev. am Nordrand; 4-5 Ex. fressend Weißstorch - V 3 x s Bv in Ortslage; keine Nahrungssuche im Plangebiet 7
Abb. 2: Festgestellte Revierzentren der Brutvögel 2020 (M. 1:3.500) 8
5 National besonders geschützte Arten Steinkrebs Im Weiherbach wurde 2014 das Vorkommen des Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) fest- gestellt (GROM 2014). Aufgrund der starken Bedrohung der heimischen Krebse durch die Krebs- pest sind die Vorkommen im Gemeindegebiet von Uttenweiler naturschutzfachlich sehr hoch zu bewerten. Es ist sicher zu stellen, dass es zu keinen betriebsbedingten (hydraulischen) Beeinträch- tigungen im Vorfluter kommt. 6 Minderungsmaßnahmen V1 Rodung der Gehölze im Zeitraum Oktober bis Februar Um das Risiko der Verletzung oder Tötung von Fledermäusen und Vögeln zu minimieren, sollte die Rodung der Gehölze im o. g. Zeitraum stattfinden. V2 Herstellung eines ausreichend dimensionierten Regenrückhaltebeckens Der Bebauungsplan sieht die Herstellung eines Regenrückhaltebeckens vor. Vor allem im Hin- blick auf das Vorkommen des Steinkrebses muss gewährleistet werden, dass es zu keiner hydrau- lischen Beeinträchtigung des Vorfluters kommt. V3 Abbruch der Scheuer im Winterhalbjahr Um das Risiko der Verletzung oder Tötung von Vögeln zu minimieren, sollte die alte Scheuer außerhalb der Vogelbrutzeit abgebrochen werden (vgl. V1). 7 Funktionserhaltende Maßnahmen (CEF-Maßnahmen) Im Geltungsbereich des geplanten Baugebietes werden keine nennenswerten Fortpflanzungs- und Ruhestätten von europarechtlich streng geschützten Tier- und Pflanzenarten oder europäischen Vogelarten beeinträchtigt. Deshalb sind bei der Umsetzung des Bebauungsplanes keinerlei funk- tionserhaltenden Maßnahmen (CEF-Maßnahmen) erforderlich. 9
8 Artenschutzrechtliche Beurteilung Die Verfasser kommen zum Ergebnis, dass bei Berücksichtigung der in Kap. 6 genannten Minde- rungsmaßnahmen das Vorhaben nicht gegen die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstößt und aus artenschutzrechtlicher Sicht zugelassen werden kann. 9 Quellenverzeichnis GROM, J. (2014): Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag zum Einbau einer Röhre DN 1200 zur Que- rung des Weiherbachs. – Auftraggeber: Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Bad.-Württ. (LGL) HÖLZINGER, J., H.-G. BAUER, P. BERTHOLD, M. BOSCHERT, U. MAHLER (2007): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvogelarten Baden-Württembergs; 5. Fassung; Stand: 31.12.2004. – Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg; Na- turschutz-Praxis, Artenschutz 11 SÜDBECK, P., H. ANDRETZTKE, S. FISCHER, K. GEDEON, T. SCHIKORE, K. SCHRÖDER & C. SUD- FELDT (Hrsg.; 2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell SÜDBECK, P., H.-G. BAUER, M. BOSCHERT, P. BOYE & W. KNIEF (2007): Rote Liste der Brutvö- gel Deutschlands; 4. Fassung, 30. November 2007. – Ber. Vogelschutz 44: 23-81 TRAUTNER, J., F. STRAUB & J. MAYER (2015): Artenschutz bei häufigen gehölzbrütenden Vogel- arten. Was ist wirklich erforderlich und angemessen? – Acta ornithoecologica, Band 8, Heft 2 10
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