Arzneimittel-Atlas 2020 - Methodische Erläuterungen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Arzneimittel-Atlas 2020 Methodische Erläuterungen Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Die Autoren Lukas Maag Dr. Ariane Höer IGES Institut GmbH Friedrichstraße 180 10117 Berlin www.iges.com www.arzneimittel-atlas.de IGES Arzneimittel-Atlas ist eine eingetragene Marke der IGES Institut GmbH. Download Methodische Erläuterungen www.arzneimittel-atlas.de/methodik Datenstand 2020 Ergänzungen zum Kapitel „Methodische Erläuterungen“ aus: B. Häussler | A. Höer (Hrsg.) Arzneimittel-Atlas 2020 © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2021
Inhalt 1 Methodische Erläuterungen______________________________________________________ 1 Lukas Maag und Ariane Höer 1.1 ATC-Klassifikation_______________________________________________________________________ 2 1.2 DDD-Konzept__________________________________________________________________________ 4 1.3 Datenbasis____________________________________________________________________________ 6 1.3.1 Datenbasis für den Zeitraum 2003–2019__________________________________________________ 6 1.3.2 Datenbasis für den Zeitraum 1996–2002__________________________________________________ 7 1.3.3 Berechnung von mittleren Preisen je DDD________________________________________________ 7 1.3.4 Berechnung der mittleren Erstattungspreise je DDD________________________________________ 7 1.4 Statistische Komponentenzerlegung/Indexanalyse___________________________________________ 9 1.4.1 Die Komponenten des Arzneimittel-Atlas_________________________________________________ 11 1.5 Epidemiologie, Bedarf und Angemessenheit der Versorgung___________________________________ 13 1.5.1 Zusammenhang zwischen Verbrauch und Indikation________________________________________ 13 1.5.2 Ermittlung der Prävalenz______________________________________________________________ 14 1.5.3 Ermittlung der Behandlungsbedürftigkeit________________________________________________ 14 1.5.4 Ermittlung der Zahl der behandelbaren Patienten__________________________________________ 14 1.6 Entwicklung der Indikationsgruppen_______________________________________________________ 15 1.7 Regionale Arzneimittelanalysen__________________________________________________________ 16 1.8 Rabatte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)_______________________________________ 16 1.8.1 Datenlage über die Höhe der Einsparungen_______________________________________________ 16 1.8.2 Arzneimittel mit Individualrabatten_____________________________________________________ 17 iii
Abkürzungsverzeichnis ABDA Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände GAmSi GKV-Arzneimittel-Schnellinformation ApU Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers NVI Nationale Verordnungsinformation ATC Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation (von INSIGHT Health) AVP Apothekenverkaufspreis PZN Pharmazentralnummer BMG Bundesministerium für Gesundheit SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch DDD Defined daily dose (definierte Tagesdosis) VO Verordnung DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation WHOCC World Health Organization Collaborating Centre und Information for Drug Statistics Methodology EP Erstattungspreis WIdO Wissenschaftliches Institut der AOK iv
1 Methodische Erläuterungen Lukas Maag und Ariane Höer Es gibt viele verschiedene Einflussfaktoren auf gen eingesetzt werden. Davon wird im Arznei- die Entwicklung der Arzneimittelausgaben der mittel-Atlas 2020 (www.arzneimittel-atlas.de) GKV. Darunter sind nachfrage- und angebots- eine Auswahl von 14 Indikationsgruppen näher seitige Faktoren, die sich aus dem objektiven dargestellt. Sie zeigten 2019 eine starke Umsatz- und subjektiven Bedarf sowie der politischen veränderung gegenüber dem Vorjahr und bedeut- Steuerung ergeben. Aus der Vielfalt der wirk- same strukturelle Marktverschiebungen durch samen Einflussfaktoren erfolgt im Arzneimittel- neue Wirkstoffe. Die „Mittel zur Behandlung der Atlas eine Fokussierung auf jene, die auf der Hypertonie“ umfassen – abweichend von der Basis von Verordnungsdaten der GKV ermittelt üblichen Definition von Indikations- und Teil- werden können. Grundlage der Analyse bildet Indikationsgruppen – mehrere therapeutische daher die Umsatzentwicklung der Apotheken Untergruppen der ATC-Klassifikation: Zusam- zulasten der GKV gemessen am Apothekenver- mengefasst werden die Teil-Indikationsgruppen kaufspreis (AVP). „Antihypertonika“ (C02), „Diuretika“ (C03), Der Untersuchung liegt die Vorstellung „Betablocker“ (C07), „Calciumkanalblocker“ zugrunde, dass der Verbrauch von Arzneimitteln (C08) und „Mittel mit Wirkung auf das Renin- in der Bevölkerung (in diesem Fall der GKV-Ver- Angiotensin-System“ (C09). sicherten) in erster Linie aus der therapeutischen Vor dem Hintergrund dieser versorgungs- Versorgung dieser Bevölkerung zu verstehen ist. bezogenen Sichtweise wird untersucht, ob Aus diesem Grund erfolgt die Analyse struktu- epidemiologische, medizinische, regulatori- riert für insgesamt 93 Gruppen von Arzneimitteln sche oder wettbewerbliche Erklärungen für die (als „Indikationsgruppen“ bezeichnet), die zur beobachteten Entwicklungen in den einzelnen Behandlung beschriebener Gesundheitsstörun- Indikationsgruppen erkannt werden können 1
1 Methodische Erläuterungen oder ob möglicherweise unbekannte bzw. ratio- pharmakologischen Untergruppen, die mehr nal nicht begründbare Faktoren für die Entwick- oder weniger detailliert das Wirkprinzip der lungen verantwortlich sein könnten. Im Folgen- klassifizierten Arzneimittel beschreiben. So den werden einzelne Elemente der Methodik finden sich in der pharmakologischen Unter- detailliert erläutert. gruppe „A10B Antidiabetika exkl. Insuline“ z.B. die chemischen Untergruppen „A10BA Bigua- nide“ und „A10BB Sulfonylharnstoff-Derivate“. 1.1 ATC-Klassifikation Der ATC-Code der chemischen Substanz defi- niert einzelne Wirkstoffe bzw. fixe Kombina- Die ATC-Klassifikation ist die anatomisch-thera tionen. Wirkstoffe mit unterschiedlichen Indi- peutisch-chemische Klassifikation von Arznei- kationsgebieten können mehrere ATC-Codes mitteln. Es handelt sich um ein international haben. Ein Beispiel ist die Acetylsalicylsäure, die anerkanntes Klassifikationssystem für Arznei- als Analgetikum mit dem ATC-Code „N02BA01“ mittel, das durch das WHO Collaborating Centre und als Mittel zur Hemmung der Thrombo- for Drug Statistics Methodology (WHOCC) in zytenaggregation mit dem ATC-Code „B01AC06“ Oslo erstellt und jährlich aktualisiert wird bezeichnet wird. (www.whocc.no/atc_ddd_index). Die interna- Als international anerkanntes Klassifika- tionale Version der ATC-Klassifikation kann den tionsverfahren liegt die ATC-Klassifikation der nationalen Besonderheiten angepasst werden. Gliederung des Arzneimittel-Atlas zugrunde. Die ATC-Klassifikation für Deutschland wird seit Der Arzneimittel-Atlas gliedert die Arzneimittel 2005 in einer amtlichen Fassung vom Deutschen nach Indikationsgruppen, sodass Mittel, die in Institut für Medizinische Dokumentation und medizinischer Hinsicht im Wesentlichen nicht Information (DIMDI) herausgegeben. Die wis- miteinander substituierbar sind, unterschied- senschaftliche Bearbeitung der nationalen ATC- lichen Gruppen zugeordnet sind: Ein Mehrver- Klassifikation für Deutschland erfolgt durch das brauch an Antidiabetika kann z.B. nicht einen Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Minderverbrauch bei Mitteln gegen säure- ❱❱❱ Tabelle 1 veranschaulicht die fünf Ebenen bedingte Erkrankungen zur Folge haben. Die der ATC-Klassifikation. Die ATC-Klassifikation Indikationsgruppen entsprechen den therapeu- gliedert Arzneimittel zunächst in anatomische tischen Untergruppen der ATC-Klassifikation. Hauptgruppen, z.B. „A Alimentäres System Da die therapeutischen Untergruppen an eini- und Stoffwechsel“ oder „B Blut und blutbil- gen Stellen der ATC-Klassifikation zu grob sind, dende Organe“. Innerhalb der anatomischen d.h. Wirkstoffgruppen enthalten, die prinzi- Hauptgruppen erfolgt eine Gliederung nach piell nicht untereinander substituierbar sind, therapeutischen Untergruppen, z.B. „A02 musste man für einige Indikationsgruppen Mittel bei säurebedingten Erkrankungen“ oder Teil-Indikationsgruppen einführen. Auf diese „A10 Antidiabetika“. Die therapeutischen Weise wurde z.B. bei den Antianämika verfah- Untergruppen umreißen in der Regel das Indi- ren, weil Mittel gegen Eisenmangelanämie kationsgebiet für die dazugehörigen Arznei nicht gegen Mittel austauschbar sind, die bei mittel, definieren jedoch in einigen Fällen renaler Anämie eingesetzt werden können. Die nicht unbedingt ein Indikationsgebiet, sondern Bildung von Teil-Indikationsgruppen folgt in Wirkstoffgruppen wie z.B. die therapeutische den meisten Fällen den pharmakologischen Untergruppe „C09 Mittel mit Wirkung auf das Untergruppen. So wird die Indikationsgruppe Renin-Angiotensin-System“ oder „N06 Psycho- „A10 Antidiabetika“ in die Teil-Indikations- analeptika“. Innerhalb der therapeutischen gruppen der Insuline (A10A) und der Anti Untergruppen erfolgt die Gliederung nach diabetika exkl. Insuline (A10B) geteilt. Wenn 2
1.1 ATC-Klassifikation 1 Tab. 1 Ebenen der ATC-Klassifikation und Verwendung im Arzneimittel-Atlas. Quelle: IGES nach Fricke et al. 2019a Ebene Bezeichnung Beispiel für Code Bedeutung des Codes Verwendung im Arzneimittel-Atlas alimentäres System 1. anatomische Hauptgruppe A wird nicht berücksichtigt und Stoffwechsel therapeutische 2. A10 Antidiabetika definiert die Indikationsgruppe Untergruppe pharmakologische definiert ggf. die Teil-Indikations- 3. A10A Insuline und Analoga Untergruppe gruppe Insuline und Analoga definiert in der Regel Therapie 4. chemische Untergruppe A10AB zur Injektion, schnell ansätze wirkend definiert Analogwirkstoffe/ 5. chemische Substanz A10AB01 Insulin (human) Wirkstoffe auch innerhalb von pharmakologischen Unter- Die Analysen des Arzneimittel-Atlas bezie- gruppen keine prinzipielle Substituierbarkeit hen sich jeweils auf das vorangegangene Kalen- besteht bzw. keine pharmakologischen Unter- derjahr. Daher wird prinzipiell die ATC-Klassi- gruppen definiert sind, werden einzelne che- fikation herangezogen, die in jenem Kalender- mische Substanzen zu Teil-Indikationsgruppen jahr Gültigkeit hatte. Der vorliegende Arznei- zusammengefasst. Die chemischen Untergrup- mittel-Atlas 2020 verwendet somit die für das pen der ATC-Klassifikation definieren in der Jahr 2019 gültige Klassifikation (Fricke et al. Regel die Therapieansätze im vorliegenden Arz- 2019a). In folgenden Ausnahmefällen weicht neimittel-Atlas. Von dieser Vorgehensweise man davon ab: weicht man dann ab, wenn chemische Unter- Für neue Wirkstoffe, die vom WIdO 2019 noch gruppen erkennbar mehrere Therapieansätze nicht klassifiziert wurden, wird geprüft, ob enthalten (so werden für die chemische Unter- das WHOCC bereits einen ATC-Code vergeben gruppe „L01XX Andere antineoplastische Mit- hat. Ist dies nicht der Fall, wird ein eigener tel“ u.a. die Therapieansätze Topoisomera- ATC-Code generiert, der für die Klassifikation se-Hemmer und Retinoide definiert) oder wenn im Arzneimittel-Atlas so lange Gültigkeit die Gliederung der chemischen Untergruppen hat, bis in den ATC-Klassifikationen des nicht der üblichen klinischen Einteilung ent- WIdO bzw. des WHOCC ein entsprechender spricht. So wurden die in über zehn chemische Code gefunden wird. Subgruppen gegliederten Antipsychotika (N05A) Regelmäßig kommt es innerhalb der in die Therapieansätze Atypika, niedrig- und ATC-Klassifikation zu kleineren strukturel- mittelpotente konventionelle Neuroleptika, len Änderungen. Hat das WHOCC für das hochpotente konventionelle Neuroleptika, Jahr 2020 eine solche Änderung publiziert, Lithium und Tiaprid unterteilt. Die Indikations- deren Anwendung auch schon im Jahr 2019 gruppe der Mittel zur Behandlung der Hyperto- sinnvoll erscheint, so wird abweichend von nie umfasst abweichend von der beschriebenen der vom WIdO herausgegebenen Klassifika- Gliederung mehrere therapeutische Untergrup- tion die Codierung des WHOCC zugrunde pen der ATC-Klassifikation. gelegt. 3
1 Methodische Erläuterungen 1.2 DDD-Konzept schränkungen bietet die Verwendung der DDD als Mengeneinheit für die Komponentenana- Die DDD ist die „defined daily dose“, also die lyse (s. ❱❱❱ Abschn. 1.4) den Vorteil, dass die tat- definierte Tagesdosis oder kurz die Tagesdosis. sächlich verbrauchten Mengen so viel besser Die DDD ist die angenommene tägliche Erhal- erfasst werden als durch die Anzahl der Verord- tungsdosis für die Hauptindikation eines Wirk- nungen. Eine Erfassung von Verordnungen stoffs bei Erwachsenen. Das DDD-Konzept ist kann weder die Packungsgröße noch die ver- eng mit der ATC-Klassifikation verknüpft: Für ordnete Wirkstärke berücksichtigen. Dies ver- viele Wirkstoffe werden auf der Ebene der che- deutlicht das Beispiel des Wirkstoffs Diclofenac mischen Substanz der ATC-Klassifikation DDDs (ATC-Code M01AB05), dessen DDD 100 mg festgelegt. Die international gültigen DDDs beträgt: Wie ❱❱❱ Tabelle 2 zeigt, kann bei Ver- gibt – wie die ATC-Klassifikation – das WHOCC wendung der Mengeneinheit „Verordnung“ ein in Oslo bekannt. Auch Änderungen von DDDs gleichbleibender Verbrauch suggeriert werden, publiziert diese Stelle. Genau wie die ATC-Klas- wenn sich die Anzahl der Verordnungen nicht sifikation kann die DDD-Festlegung nationalen ändert. Tatsächlich wurde jedoch eine größere Besonderheiten angepasst werden. Wurde für Menge von Diclofenac verbraucht, weil einer- einen Wirkstoff international bislang keine seits mehr größere und weniger kleine Packun- DDD definiert, kann eine nationale DDD defi- gen verordnet wurden, andererseits mehr Ta niert werden. Die Methodik des DDD-Konzepts bletten höherer Wirkstärke. Derartige Artefakte haben Fricke et al. (2019b) beschrieben. Eine vermeidet die Anwendung des DDD-Konzepts. DDD entspricht weder der tatsächlich erforder- Bei Verordnung von größeren Packungen oder lichen individuellen Tagesdosis für einen ein- Darreichungsformen höherer Wirkstärke sinkt zelnen Patienten, noch kann sie als Dosierungs- der mittlere Preis je DDD. Nur bei Anwendung empfehlung verstanden werden. Bei der DDD des DDD-Konzepts spiegelt sich dieser Umstand handelt es sich um eine Mengeneinheit, die in auch in einer negativen Packungsgrößenkom- epidemiologischen Studien den Verbrauch von ponente bzw. in einer negativen Wirkstärke- Arzneimitteln auch über längere Zeiträume komponente – also einer Umsatzminderung – standardisiert erfassen soll. wider, wenn der Anteil von größeren Packun- Prinzipiell erlauben die DDD-Festlegungen gen bzw. von Darreichungsformen mit höherer auch keine Aussage über die relative Wirksam- Wirkstärke steigt. Im Arzneimittel-Atlas ist für keit verschiedener Wirkstoffe. Trotz dieser Ein- jedes durch eine Pharmazentralnummer (PZN) Tab. 2 Berechnete Differenz im Verbrauch als Grundlage der Komponentenanalyse am Beispiel von Diclofenac. Quelle: IGES berechnete Differenz 2014 2015 im Verbrauch Produkt VO DDD VO DDD VO DDD Diclofenac 25 mg 50 St. 40 500 20 250 –20 –250 Diclofenac 25 mg 100 St. 10 250 20 500 10 250 Diclofenac 50 mg 100 St. 10 500 20 1.000 10 500 Summe Diclofenac 60 1.250 60 1.750 0 500 4
1.2 DDD-Konzept 1 definierte Arzneimittel die Anzahl der DDD je vom WHOCC keine DDD-Festlegung publiziert PZN berechnet. Die Berechnung erfolgte prinzi- wurde, diese DDD-Festlegung zum Einsatz. piell nach Fricke et al. (2019b) unter Verwen- Für Wirkstoffe oder Darreichungsformen, dung der vom WIdO (Fricke et al. 2019a) publi- die weder in der Methodik von Fricke et al. zierten DDD-Festlegung. Dabei wurden nicht (2019b) noch auf der Website des WHOCC zu die amtlichen DDD-Festlegungen verwendet finden sind, ging man nach den verfügbaren (DIMDI 2015), weil diese dem Kostenvergleich Regeln zur DDD-Berechnung vor. Da diese nicht nach § 73 Abs. 8 SGB V dienen. Das WIdO ist für jeden Fall eindeutig formuliert sind, exis- durch das WHO Collaborating Centre for Drug tieren wohl bei vielen Präparaten Abweichun- Statistics Methodology autorisiert, die ATC- gen zwischen der von uns und den vom WIdO Klassifikationen und DDD-Festlegungen für berechneten DDD. Deutschland anzupassen. Die WHO hat das Für Produkte, die nach der ATC-Klassifika- DDD-System für epidemiologische Zwecke tion zur anatomischen Hauptgruppe V (Varia) erarbeitet. Danach ist es weniger wichtig, dass gehören, ist eine Berechnung von DDD nicht in die DDD-Festlegungen in einer Wirkstoffgruppe jedem Fall möglich bzw. nicht sinnvoll. Auch äquieffektive Dosierungen angeben, als dass hier wurden so weit wie möglich die Angaben eine über einen längeren Zeitraum stabile Maß- und Prinzipien von Fricke et al. (2019b) berück- einheit zur Verfügung steht, um Arzneimittel- sichtigt. Wenn die Regeln mangels fehlender verbräuche standardisiert zu erfassen. Informationen nicht anwendbar waren, ver- Bei neuen Wirkstoffen, für die das WIdO bis- wendeten wir anstelle einer berechneten DDD lang noch keine DDD festgelegt hat, kam ggf. je PZN die Anzahl von Standardeinheiten je die DDD-Festlegung des WHOCC zum Einsatz. PZN. Dies konnten je nach Produkt die Anzahl Für alle durch eine PZN definierten Arzneimittel, von Ampullen, Infusionsflaschen oder Stück die für ihre arzneilich wirksamen Bestandteile sein, ggf. aber auch Volumen- oder Gewichts- weder seitens WIdO noch seitens WHOCC eine einheiten wie Milliliter oder Gramm. Fehlten DDD erhalten haben, wurden präparatespezifi- bei PZN-definierten Arzneimitteln die Angaben sche DDDs berechnet. Dies erfolgte gemäß der zu Standardeinheiten, so wiesen wir der PZN vom WIdO herausgegebenen Methodik (Fricke den Mittelwert von DDD je PZN der Indikations- et al. 2019b). Sie diente auch für Präparate, die gruppe zu. fixe Kombinationen von Wirkstoffen enthalten. Den Analysen für den Arzneimittel-Atlas lie- So kam beispielsweise für alle ATC-Codes, für die gen die Daten von über 100.000 PZN zugrunde. Tab. 3 Kategorien für die Häufigkeit von Verordnungen einer Indikationsgruppe je Versicherten der GKV im Jahr 2019 sowie Anzahl von Indikationsgruppen in der Kategorie. Quelle: IGES-Berechnungen nach NVI (INSIGHT Health) und KM6 Kategorie DDD pro Versicherten und Jahr Anzahl von Indikationsgruppen der Kategorie 5 besonders häufig 20 und mehr 10 4 sehr häufig 10 bis unter 20 6 3 häufig 4 bis unter 10 12 2 selten 0,4 bis unter 4 27 1 sehr selten weniger als 0,4 38 5
1 Methodische Erläuterungen Die Berechnung der DDD-Menge je PZN unter- den von INSIGHT Health in seiner Gesamthöhe liegt einer ständigen Qualitätskontrolle. Sowohl separat erfasst. Abrechnungen mit Internet durch Anpassungen, die wegen Änderungen apotheken sind von der NVI zum großen Teil, von DDD-Festlegungen erforderlich sind, als aber nicht komplett abgedeckt. Ebenso sind auch durch sonstige Korrekturen ist es daher in der amtlichen Statistik die Zu- und Aufzah- möglich, dass sich im Vergleich zu früheren lungen, welche von den Patienten getragen Ausgaben des Arzneimittel-Atlas Abweichun- werden, bereits abgezogen. Die beiden Statis- gen bezüglich der verbrauchten Mengen von tiken sind damit letztlich sehr ähnlich, und der Tagesdosen in Indikationsgruppen oder Teil- Arzneimittel-Atlas verwendet aufgrund des Indikationsgruppen oder von Anteilen der geringen Unterschieds zwischen den beiden Therapieansätze bzw. von Wirkstoffen ergeben. Statistiken die NVI-Daten als Grundlage aller Um festzustellen, wie häufig die Arzneimittel Berechnungen. In der NVI ist jedes Fertigarznei in den einzelnen Indikationsgruppen verord- mittel durch eine Pharmazentralnummer (PZN) net werden, bestimmte man für das Jahr 2017, definiert, sodass Eigenschaften wie Wirkstoff, wie viele DDD im Durchschnitt auf jeden Ver- ATC-Code (entsprechend Fricke et al. 2019a), sicherten der GKV entfielen. Die Häufigkeit Darreichungsform, Wirkstärke usw. eindeutig der betrachteten Indikationsgruppen wurde in zuzuordnen sind. Je PZN stehen die Anzahl der ❱❱❱ Tabelle 3 kategorisiert. Verordnungen sowie der Umsatz in Apotheken- verkaufspreisen (AVP) jeweils für die einzelnen Jahre von 2003 bis 2019 zur Verfügung. Darüber 1.3 Datenbasis hinaus enthält die NVI je PZN Informationen, ob es sich um Parallelimporte, Generika, Biosi- 1.3.1 Datenbasis für den Zeitraum milars oder Originalprodukte handelt. 2003–2019 Die Daten der NVI sind Grundlage der Komponentenzerlegung (s. ❱❱❱ Abschn. 1.4). Die Datenbasis für den Zeitraum 2003–2019 lie- Umsätze, Ausgaben sowie der Verbrauch von fert die Nationale Verordnungsinformation Fertigarzneimitteln in DDD sind für die Jahre (NVI), die vom Marktforschungsinstitut INSIGHT 2003–2019 aus den Angaben der NVI berechnet. Health zur Verfügung gestellt wurde. Hierbei Für die Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln handelt es sich um Daten aus den Apotheken- liegen die entsprechenden Informationen seit rechenzentren zur Abrechnung der zulasten der 2011 vollständig vor. Die Komponentenzerle- GKV verordneten Fertigarzneimittel und Zube- gung wurde für den Vergleichszeitraum 2019 vs. reitungen aus Fertigarzneimitteln. Ausgehend 2018 und 2018 vs. 2017 durchgeführt. Je Ver- von diesen Apothekenumsätzen wurden für den gleichszeitraum fließen jeweils alle Fertig Atlas 2020 die Ausgaben der Versicherungs arzneimittel und Zubereitungen ein, für die gemeinschaft bestimmt (s. ❱❱❱ Abschn. 1.3.4). (bezogen auf die PZN) in mindestens einem der In dieser Datenquelle sind – im Unterschied zu Vergleichsjahre Angaben zur Anzahl der Ver- den Ausgaben nach KV45- bzw. KJ1-Statistik – ordnungen sowie zum Umsatz in AVP vorlagen Impfstoffe unter den „Apothekenumsätzen“ und deren Werte größer als 0 waren. Die Berech- enthalten, nicht aber klassische Rezepturen nung der Komponentenzerlegung erfolgt auf und andere Arzneimittel, die nicht über eine Basis der Erstattungspreise (s. ❱❱❱ Abschn. 1.3.4). eindeutige PZN abgegeben wurden. Des Weite- Im Falle von Zubereitungen, die aus Fertig ren fallen bei Zubereitungen Vergütungen an, arzneimitteln hergestellt werden, erfolgte die die sich nicht einer spezifischen Verordnung Berechnung auf Basis der von INSIGHT Health zuordnen lassen. Diese Apothekenumsätze wer- ausgewiesenen Taxpreise, d.h. hier sind die 6
1.3 Datenbasis 1 produktspezifischen Abschläge und Vergütun- kann man aufgrund der mittleren Preise je DDD gen in den Apotheken für Zubereitungen auch keine validen Aussagen darüber machen, berücksichtigt. Nicht enthalten sind Vergütun- ob ein bestimmter Analogwirkstoff oder eine gen für Apotheker, die nicht der entsprechen- Wirkstoffgruppe möglicherweise kosteneffek- den PZN zugeordnet werden können. tiver im Vergleich zu einem anderen Wirkstoff oder einer anderen Gruppe ist. Angaben zu mittleren Preisen je DDD lassen lediglich die 1.3.2 Datenbasis für den Zeitraum deskriptive Aussage zu, dass bei gegebener 1996–2002 DDD-Festlegung der mittlere Preis je DDD von Wirkstoff A sich wie angegeben zum mittleren Für den Zeitraum 1996–2002 ist für ausgewählte Preis je DDD von Wirkstoff B verhält. Ob bei Indikationsgruppen der Verbrauch in DDD dar- Bevorzugung des Wirkstoffs mit dem niedri- gestellt. Die Angaben stammen aus dem Arznei geren mittleren Preis je DDD auch tatsächlich verordnungs-Report (AVR) (Schwabe u. Paffrath eine gleichwertige bzw. gleich effektive Thera- 1997ff.): Beginnend mit dem AVR 1997 werden pie möglich ist, die zu geringeren Therapiekos- jährlich im Kapitel „Ergänzende statistische ten führt, kann man aus den Angaben nicht Übersicht“ die Mengen der pro Jahr verordneten ableiten. DDD dargestellt. Die ATC-Gruppen im AVR ent- sprechen der therapeutischen Untergruppe der ATC-Klassifikation und damit den Indikations- 1.3.4 Berechnung der mittleren gruppen im Arzneimittel-Atlas. Erstattungspreise je DDD Seit der Ausgabe 2011 des Arzneimittel-Atlas 1.3.3 Berechnung von mittleren Preisen erfolgt die Bestimmung der Ausgabenverände- je DDD rung von Vorjahr zu Basisjahr nicht nur auf Ebene der Apothekenverkaufspreise, sondern es Die mittleren Apothekenverkaufspreise (AVP) wird eine alternative Berechnung durchgeführt. z.B. für eine Indikationsgruppe, einen Thera- Es wird berücksichtigt, dass von Seiten der pieansatz oder einen Wirkstoff wurden nach Arzneimittelhersteller und Apotheker Rabatte der nachfolgenden ❱❱❱ Formel zur Berechnung an die GKV geleistet werden. Eine Berechnung des mittleren Apothekenverkaufspreises (AVP) auf Basis des AVP würde dagegen Kosten auf- ermittelt. zeigen, die letztlich von der Gemeinschaft aus Krankenkassen und Patienten gar nicht getra- gen werden. Die Bestimmung des Erstattungspreises (EP) der Versicherungsgemeinschaft erfolgt monats- genau auf Ebene der einzelnen Krankenkassen. Vom Arzneimittelhersteller der jeweiligen PZN wurden die relevanten Rabatte und Abschläge abgezogen (❱❱❱ Tab. 4). An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hin Im Falle von Impfstoffen wurde berück- gewiesen, dass nach den Angaben des WHOCC sichtigt, dass diese vornehmlich im Rahmen das ATC‑/DDD-System nicht dazu geeignet ist, des Sprechstundenbedarfs abgegeben werden Bewertungen hinsichtlich Kostenerstattung und sich damit die Erstattungspreise nach den und Preisbildung zu treffen. Aus diesem Grund Arzneimittel-Lieferverträgen zwischen Kranken 7
1 Methodische Erläuterungen kassen und Apothekenverbänden auf regionaler Höhe des Rabatts (Erstattungsbetrag) wird im Ebene ergeben (IGES Institut et al. 2010). Die Anschluss an die Entscheidung des G-BA über Rabatte für Impfstoffe nach § 130a Abs. 2 SGB V die Ausprägung des Zusatznutzens zwischen basieren auf europäischen Referenzpreisen. dem GKV-Spitzenverband und dem betroffenen Seit September 2011 wurden die Rabatte in der Hersteller verhandelt (§ 130b SGB V). Diese Apothekensoftware ausgewiesen. Die Rabatte Rabatte werden seit Februar 2013 veröffentlicht, gelten rückwirkend ab Januar 2011. Dies wurde und seit April 2014 sind sie direkt in den Abgabe bei der Berechnung der Erstattungspreise berück- preis des pharmazeutischen Unternehmers sichtigt. Einschränkend ist zu bemerken, dass (ApU) und damit auch den AVP eingepreist. Der für eine einzelne Verordnung keine Information Erstattungsbetrag ist damit auch Grundlage für zur Verfügung stand, ob es sich um eine Imp- die Bestimmung des Herstellerrabatts. Bei den fung nach § 20i Abs. 1 SGB V handelte oder nicht Berechnungen der Erstattungspreise im Rah- (Impfungen nach dem Infektionsschutzgesetz, men der Analysen des Arzneimittel-Atlas wird jedoch nicht Impfungen im Rahmen von angenommen, dass die Hersteller die Rabatte Satzungsleistungen der Kassen). Nur auf Imp- rückwirkend ab dem zwölften Monat nach fungen nach § 20i Abs. 1 ist der Rabatt zu Markteinführung erstatten müssen. Es wurde gewähren. Diese Unsicherheit ist bei Betrach- dabei berücksichtigt, ob Rabatte nach § 130a tung der EP für Impfstoffe wichtig. Bezüglich Abs. 1 oder 1a SGB V im Rahmen ganz oder teil- der Individualrabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V weise abgesenkt worden sind. Darüberhinaus- wird ein einheitlicher Rabatt abhängig von der gehende, nicht bekannte Vertragsinhalte und Kassenart und Kalenderjahr für die jeweilige mögliche Rabatte, z.B. bei Überschreitung ver- Krankenkasse angenommen. einbarter Mengen, können nicht berücksichtigt Nicht berücksichtigt ist, dass ggf. eine indi- werden. viduelle Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 Schließlich haben Krankenkassen die Mög- SGB V einen gesetzlichen Rabatt nach § 130a lichkeit, von der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 oder 1a SGB V ablösen kann. SGB V abzuweichen. Nach § 130c SGB V können Seit Januar 2012 müssen pharmazeutische sie individuelle Verträge mit den Herstellern Hersteller im Zuge der frühen Nutzenbewer- abschließen, welche eine Vereinbarung nach tung (§ 35a SGB V) Rabatte abführen. Über die § 130b SGB V ablösen oder ergänzen. Im Unter- Tab. 4 Berücksichtigte Rabatte und Abschläge zur Bestimmung des Erstattungspreises der Versicherungs gemeinschaft (EP). Quelle: IGES Regelung gesetzliche Grundlage (SGB V) Datenquelle Apothekenabschlag § 130 ABDA/IGES-Berechnung Herstellerrabatt § 130a Abs. 1 und 1a ABDA Impfstoffrabatt § 130a Abs. 2 ABDA Preismoratorium § 130a Abs. 3a ABDA Generikarabatt § 130a Abs. 3b ABDA Individualrabatte § 130a Abs. 8/§ 130c ABDA/KV45/IGES Rabatte nach früher Nutzenbewertung § 130b ABDA/IGES 8
1.4 Statistische Komponentenzerlegung/Indexanalyse 1 schied zu Vereinbarungen nach § 130a Abs. 8 Der Einfluss derartiger Verschiebungen wird und § 130b SGB V erfolgt aber keine systemati- mithilfe von Strukturkomponenten unter- sche Erfassung dieser Verträge, sie können sucht. Die Berechnung von Strukturkomponen- daher bei der Preisberechnung nur als Teil der ten geht auf das klassische wirtschaftswissen- Berechnung der Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V schaftliche Konzept der Indextheorie zurück. berücksichtigt werden (s. ❱❱❱ Abschn. 1.8.1). Mit der Berechnung eines Index verbindet sich Die berechneten Preise stellen somit die Aus- die Erwartung, den jeweiligen Einzeleffekt gaben dar, welche von den Krankenkassen mehrerer voneinander verschiedener Einfluss- (Erstattung) und Patienten (Zuzahlung) getra- faktoren isoliert beschreiben zu können, wel- gen werden müssen. Eine weitergehende Diffe- che sich auf den Gesamtwert eines Warenkorbs renzierung der Ausgaben nach den erstatteten mit einer Vielzahl an Waren auswirken. Dieses Kosten der Krankenkassen und den Zuzahlun- Konzept wird seit Beginn der 1980er-Jahre auch gen der Patienten ist nicht möglich, da für eine auf die Ermittlung der Einflussfaktoren auf die einzelne Verordnung keine Informationen zu Entwicklung der Arzneimittelumsätze der GKV einer evtl. erlassenen Zuzahlung wegen Über- angewendet und im AVR publiziert. Grundlage schreitung der Belastungsgrenze nach § 62 der dort veröffentlichten Ergebnisse sind die SGB V vorliegt. von Reichelt (1988) beschriebenen Methoden. Auch die für den Arzneimittel-Atlas durch- geführte Komponentenzerlegung basiert auf 1.4 Statistische Komponentenzerlegung/ den von Reichelt beschriebenen Formeltypen. Indexanalyse Die Zerlegung in Komponenten erfolgt durch die Berechnung eines Index für jede Kom- Die Entwicklung des Umsatzes von bestimmten ponente entsprechend den Formeln für Men- Warenmärkten in einem bestimmten Zeit- gen‑, Struktur- und Preiskomponenten wie von raum – so auch des GKV-Arzneimittelmarktes – Reichelt (1988) beschrieben. Die errechneten ist generell dadurch gekennzeichnet, dass sich Indexwerte selbst sind Steigerungs- und Wachs- mehrere Faktoren gleichzeitig ändern können. tumsraten und deshalb nicht summierbar. Die Relativ einfach zu ermitteln sind die Verände- Bewertung mit Absolutbeträgen in Euro erfolgt rungen der Menge und der Preise der betrach- ebenfalls entsprechend (Reichelt 1988). Die teten Mengeneinheiten (beispielsweise Stück, Summe der Eurobeträge aller elf Komponenten Verordnung, DDD), die entsprechend durch ist identisch mit der Ausgabenänderung des eine Mengen- und Preiskomponente dargestellt Jahres 2019 im Vergleich zum Jahr 2018. werden. Parallel dazu kann die Umsatzände- Als Mengeneinheit wird für die Berechnun- rung bzw. Ausgabenveränderung durch struktu- gen die Anzahl der DDD je Verordnung heran- relle Änderungen beeinflusst werden, beispiels- gezogen. Für Verordnungen, die nach der ATC- weise durch Verschiebungen der Anteile von Klassifikation zur anatomischen Haupt- Wirkstoffen, Packungsgrößen und Generika. gruppe V (Varia) gehören, dient als Mengenein- Strukturelle Änderungen innerhalb eines Mark- heit die Anzahl von Standardeinheiten je Ver- tes können selbst dann zu Umsatzänderungen ordnung (s. ❱❱❱ Abschn. 1.2). führen, wenn die Verbrauchs- und Preiskom- Die Spezifikation der betrachteten Einfluss- ponente keine Änderungen gegenüber dem Ver- faktoren einer Verordnung erfolgt anhand der gleichszeitraum anzeigen, etwa wenn der PZN. Die Wirkstoffe werden entsprechend der Anteil von höherpreisigen Arzneimitteln zu- ATC-Klassifikation (s. ❱❱❱ Abschn. 1.1) auf der oder abnimmt. Ebene der chemischen Substanz codiert. Zur 9
1 Methodische Erläuterungen Definition von Therapieansätzen siehe eben- abschließend zu den jeweiligen Beträgen der falls ❱❱❱ Abschnitt 1.1. Indikationsgruppe aufsummiert. Die Kompo- Die Komponentenzerlegung erfolgt nicht für nenteneffekte in Euro je Indikationsgruppe den Gesamtmarkt, sondern für Teilmärkte, die können wiederum für den Gesamtmarkt sum- jeweils therapeutische Ansätze bzw. Wirkstoffe miert werden. umfassen und prinzipiell substituierbar sind. Der Indexwert der Verbrauchskomponente Jeder Teilmarkt wird als Indikationsgruppe basiert auf den abgesetzten Mengen an DDD in bezeichnet, die durch die therapeutische Unter- den betrachteten Indikationsgruppen bzw. Teil- gruppe der ATC-Klassifikation beschrieben wird Indikationsgruppen für das Berichts- und Vor- (s. ❱❱❱ Abschn. 1.1). Nicht immer beschreiben jahr, wobei die Menge des Berichtsjahres durch die Indikationsgruppen auch tatsächlich die Menge des Vorjahres dividiert wird. Die Therapieansätze bzw. Wirkstoffe, die prinzi- Strukturkomponenten sind inhaltlich Indizes piell substituierbar sind. In solchen Fällen wer- der mengenmäßigen Marktanteile bzw. ihrer den die Indikationsgruppen in Teil-Indikations- Veränderungen. Die Strukturkomponenten gruppen gegliedert, z.B. die Indikationsgruppe sind hierarchisch gegliedert (❱❱❱ Tab. 5), d.h. „A10 Antidiabetika“ in die Teil-Indikations- der Einfluss des Therapieansatzes wird vor dem gruppen „Insulinpflichtiger Diabetes mellitus“ Einfluss des Analog-Wettbewerbs betrachtet. und „Nicht insulinpflichtiger Diabetes melli- Um den Effekt einer Strukturkomponente tat- tus“. Die für jede Teil-Indikationsgruppe ermit- sächlich nur einmal zu betrachten, wird der telten Eurobeträge je Komponente werden Effekt der jeweils zuvor betrachteten Struktur- Tab. 5 Übersicht über die Komponenten der Umsatzentwicklung im Arzneimittel-Atlas. Quelle: IGES Name der Komponente Kurzform Art der Komponente epidemiologische und medizinische Entwicklungen 1. Entwicklung des Verbrauchs Verbrauch Mengenkomponente 2. Verschiebungen zwischen Therapieansätzen Therapieansatz Strukturkomponente 3. Verschiebungen zwischen Analogwirkstoffen Analog-Wettbewerb Strukturkomponente überwiegend wirtschaftlich motivierte Veränderungen des Verbrauchs 4. Verschiebungen zwischen Darreichungsformen Darreichungsform Strukturkomponente 5. Verschiebungen zwischen Wirkstärken Wirkstärke Strukturkomponente 6. Verschiebungen zwischen Packungsgrößen Packungsgröße Strukturkomponente 7. Substitution durch Parallelimporte Parallelimport Strukturkomponente 8. Substitution durch Generika Generika Strukturkomponente 9. Substitution von Präparaten unterschiedlicher Hersteller (in der Hersteller Strukturkomponente Regel Generikahersteller) Restkomponente Rest Strukturkomponente Preisänderungen 10. Preisänderungen Preis Preiskomponente 10
1.4 Statistische Komponentenzerlegung/Indexanalyse 1 komponente aus der nachfolgenden herausge- Der ATC-Code definiert hier nicht wie erwartet rechnet, indem der zunächst berechnete Index- einen einzelnen Wirkstoff oder eine bestimmte wert (als „Rechenwert“ bezeichnet) der betrach- Wirkstoffkombination, sondern unter Umstän- teten Komponente durch den „Rechenwert“ der den mehrere Varianten, sodass Verschiebungen vorhergehenden Strukturkomponente dividiert der Anteile dieser Varianten erst durch die Rest- wird. Der so berechnete Wert ist der dargestellte komponente erfasst werden können. Indexwert. Durch diese Methode wird erreicht, Für folgende Faktorenkomplexe ermittelt dass jeweils nur die Anteilsverschiebungen der man den jeweiligen Einfluss auf die jährliche gerade analysierten Strukturkomponente Veränderung der Arzneimittelumsätze der GKV: betrachtet werden und die Effekte der Verschie- 1. Epidemiologische und medizinische Entwick- bungen auf der jeweils höheren Ebene rechne- lungen risch entfernt werden. Der Indexwert der Preis- 2. Überwiegend wirtschaftlich motivierte Ver- komponente ergibt sich als Preisindex vom Typ änderungen der Inanspruchnahme Laspeyres aus den Preisen der einzelnen Präpa- 3. Preisänderungen rate im Berichtsjahr geteilt durch die Preise im Vorjahr, jeweils gewichtet mit den Mengen des Basis- oder Vorjahres. Epidemiologische und medizinische Entwicklungen 1.4.1 Die Komponenten des Arzneimittel-Atlas Entwicklung des Verbrauchs Eine Übersicht der untersuchten Komponenten Die Entwicklung des Verbrauchs wird gemessen und ihre Beschreibung zeigt ❱❱❱ Tabelle 5. Bei als Veränderung der Menge der in den einzel- den insgesamt elf Komponenten (inkl. Rest- nen Indikationsgruppen verbrauchten Tages- komponente) beschreibt die Verbrauchskompo- dosen (DDD). Zur Ermittlung der Ausgabenwir- nente als Mengenkomponente die Ausgaben- kung von Verbrauchsveränderungen wird ein änderung durch Verbrauchsänderungen von Mengenindex gebildet, bei dem die Tagesdosen Arzneimitteln und die Preiskomponente ent- in beiden Jahren mit den Erstattungspreisen sprechend preisbedingten Änderungen. Mittels des Berichtsjahres bewertet werden. der neun Strukturkomponenten (inkl. Rest- Die Beurteilung der Mengenentwicklung im komponente) berechnet man den Einfluss von Berichtsjahr gegenüber dem Vorjahr erfolgt vor Anteilen der jeweils untersuchten Faktoren dem Hintergrund einer zehnjährigen Zeitreihe, (Therapieansatz, Analogwirkstoffe usw.). Die die für die jeweilige Indikationsgruppe zusam- Restkomponente beschreibt die Auswirkungen mengestellt wurde. Die Zeitreihe ermöglicht der Änderung von Produkteigenschaften, die es, die Veränderungen im Berichtsjahr einzu- durch die übrigen Komponenten nicht erfasst ordnen und zu entscheiden, ob die beobachtete werden. Ursache für das Entstehen von Rest- Entwicklung im Rahmen einer langjährigen komponenten kann beispielsweise sein, dass Tendenz liegt oder ob es sich um eine Sonder- mehrere Produkte mit identischen Eigenschaf- entwicklung handelt. Zur Ermittlung saisona- ten am Markt sind, die sich lediglich durch ihre ler Besonderheiten (z.B. Grippewelle, Vorzieh- Pharmazentralnummer (PZN) und den Preis und Nachholeffekte) kann auch auf monatliche unterscheiden. Die Inhaltsstoffe unterschied- Verbrauchszahlen zurückgegriffen werden. lich zusammengesetzte Phytopharmaka- Kombinationen, die nur durch einen ATC-Code definiert werden, ergeben ein weiteres Beispiel: 11
1 Methodische Erläuterungen Therapeutische Ansätze und Analogwirkstoffe stoffe gegen ältere ersetzt werden, wenn deren Patentschutz abgelaufen ist, diese dann zu Eine weitere Annahme des Arzneimittel-Atlas geringeren Preisen verfügbar sind und eine besteht darin, dass die Entwicklung neuer Substitution in den Augen von Ärzten und Therapieoptionen bzw. die Wiederentdeckung Patienten gerechtfertigt erscheint. bereits bekannter Ansätze die Struktur der Ausgabenveränderungen, die auf Verschie- Arzneimittelversorgung verändern und damit bungen zwischen therapeutischen Ansätzen auch Umfang und Struktur der Ausgaben beein- oder Analogwirkstoffen zurückzuführen sind, flussen kann. Der Arzneimittel-Atlas bildet werden innerhalb einer Indikationsgruppe bzw. diese in zweierlei Hinsicht ab: innerhalb eines therapeutischen Ansatzes in Verschiebungen zwischen therapeutischen der Art einer Strukturkomponente ermittelt. Ansätzen Die zugrunde liegende Indexberechnung setzt Verschiebungen zwischen Analogwirkstof- bei den strukturellen Verschiebungen des Ver- fen brauchs an Tagesdosen zwischen dem Berichts- jahr und dem Vorjahr an und bewertet diese mit Unter „therapeutischen Ansätzen“ versteht den Preisen des Berichtsjahres. Vor allem die man in der Regel unterschiedliche Wirkstoff- „Analogkomponente“ ist von hohem gesund- gruppen, die meist nacheinander entwickelt heitspolitischen Interesse, da die Ansicht – wie werden, auf verschiedenen Wirkprinzipien und oben bereits dargestellt – weit verbreitet ist, -profilen basieren und daher zum Teil unter- dass ein großer Teil des jährlichen Ausgaben- schiedliche therapeutische Vorgehensweisen anstiegs auf die Verschiebung zu teuren ermöglichen. Wirkstoffgruppen aus verschie- Analog-Arzneimitteln zurückzuführen ist, die denen Indikationsgruppen sind in Bezug auf die mehr oder weniger pauschal als „Scheininno- zu behandelnden Erkrankungen in gewissen vationen“ bezeichnet werden. Dies zu überprü- Grenzen untereinander substituierbar, wenn fen ist eine wesentliche Aufgabe des Arzneimit- auch mit oftmals sehr unterschiedlicher Wir- tel-Atlas. kung: So wurden in der Indikationsgruppe der „Mittel bei säurebedingten Erkrankungen“ zun ächst die Antazida entwickelt, dann Wirtschaftlich motivierte Strukturveränderungen Muskarinrezeptor-Antagonisten, später die H2-Rezeptoren-Blocker und dann folgend die Patienten, Ärzte und Apotheker können die Protonenpumpen-Inhibitoren. Alle Wirkstoff- Inanspruchnahme von Arzneimitteln innerhalb gruppen sind zur Behandlung säurebedingter gewisser Grenzen zur Erzielung von Einsparun- Erkrankungen geeignet, jedoch in unterschied- gen beeinflussen. Hierfür kommen nicht nur licher Wirksamkeit und bei teilweise unter- Strategien infrage, die sich auf die unterschied- schiedlicher Indikationsstellung. liche Konfektionierung von Fertigarzneimitteln Analogwirkstoffe sind dagegen Substanzen beziehen, sondern auch solche, die sich auf die innerhalb einer Wirkstoffgruppe und meist in Wahl des Importeurs oder – im Falle von Gene- zentralen Indikationen gegeneinander substi- rika – des Herstellers beziehen. Im Einzelnen tuierbar. In der Praxis kommt es vor, dass ältere handelt es sich um folgende Strategien: gegen neuere Wirkstoffe ersetzt werden, wenn Verschiebungen zwischen Darreichungsfor- diese in der Wahrnehmung von Ärzten und men Patienten zumindest für Teile der zu behan- Verschiebungen zwischen Wirkstärken delnden Patienten über günstigere Eigenschaf- Verschiebungen zwischen Packungsgrößen ten verfügen. Umgekehrt können neuere Wirk- Substitution durch Parallelimporte 12
1.5 Epidemiologie, Bedarf und Angemessenheit der Versorgung 1 Substitution durch Generika Versorgungsrealität versorgt werden können Substitution von Präparaten unterschiedli- (behandelbare Patienten). Diese Angaben ver- cher Hersteller (in der Regel Generikaher- gleicht man mit Schätzungen zur Prävalenz der steller) jeweiligen Gesundheitsstörung, die aus epide- miologischen Quellen stammen. Die Vorge- Im vorliegenden Arzneimittel-Atlas werden hensweise ermöglicht eine Abschätzung, Ausgabenveränderungen ebenfalls auf der Basis inwieweit die derzeitige Versorgung bedarfs- von Tagesdosen als Indexwerte vom Typ einer gerecht ist oder ob sich Anzeichen von Über- Strukturkomponente ermittelt und monetär oder Unterversorgung zeigen. Vor diesem Hin- bewertet. Dieses Vorgehen ermöglicht es, dass tergrund sind die Verbrauchs- und Ausgaben- Verschiebungen auf größere (und in Bezug auf veränderungen im Berichtsjahr einzuordnen. die Tagesdosis zumeist preisgünstigere) Dieses methodische Vorgehen ist im Folgenden Packungen als negative Veränderungen und detailliert beschrieben. damit als Einsparungen erfasst werden. 1.5.1 Zusammenhang zwischen Preisänderungen Verbrauch und Indikation Auf dem Arzneimittelmarkt kommt es laufend Die Ermittlung der Bedarfsgerechtigkeit der Ver- zu Veränderungen der Preise, die sich mögli- sorgung hat zur Voraussetzung, dass zwischen cherweise in unterschiedlichen Preisniveaus dem Verbrauch der jeweils infrage stehenden zwischen zwei Jahren ausdrücken. Dies können Indikationsgruppe und einer geringen Anzahl reguläre Erhöhungen der Listenpreise sein, von Indikationen ein enger Zusammenhang wenn sie nicht durch entsprechende Regulie- hergestellt werden kann. Das ist z.B. der Fall rungen unterbunden werden. Es kann sich zwischen der Indikationsgruppe „A10 Anti- auch um Preissenkungen handeln, wenn diese diabetika“ und der Indikation „Diabetes melli- durch staatliche Eingriffe (wie z.B. durch Fest- tus“, weil Antidiabetika nur gegen diese Erkran- beträge oder Preisabschläge) oder durch den kung eingesetzt werden. Nicht möglich ist eine Wettbewerb erzwungen werden, was sowohl solche Zuordnung, wenn in einer Indikations- bei patentgeschützten als auch bei generischen gruppe Wirkstoffe gegen eine größere Zahl von Arzneimitteln der Fall sein kann. Indikationen zusammengefasst sind, wie z.B. Preisänderungen können Ausgabenände- bei der Indikationsgruppe „L01 Antineoplasti- rungen nach sich ziehen, die im Arzneimit- sche Mittel“, oder wenn Wirkstoffe in einer tel-Atlas als Preisindex ermittelt und auf die Indikationsgruppe gegen eine Vielzahl von Ausgabenentwicklung umgerechnet werden. Erkrankungen wirksam sind, wie dies z.B. in der Indikationsgruppe „J01 Antibiotika zur sys- temischen Anwendung“ der Fall ist. Daher 1.5 Epidemiologie, Bedarf und kann man Aussagen über die Bedarfsgerechtig- Angemessenheit der Versorgung keit nicht für alle Indikationsgruppen treffen. Der Arzneimittel-Atlas versucht, den Zusam- Ein Ansatz zur Beurteilung des Verbrauchs ist menhang zwischen Verbrauch und Prävalenz die Umrechnung von Verbrauchszahlen in eine auf der Ebene der gesamten Indikationsgruppe Anzahl von Patienten, die mit der verbrauchten herzustellen, weil hierfür aus dem AVR die Gesamtmenge entsprechend den Leitlinien längsten Zeitreihen zur Verfügung stehen. In unter Berücksichtigung von Parametern zur einzelnen Fällen muss die Betrachtung auf 13
1 Methodische Erläuterungen Teil-Indikationsgruppen beschränkt werden. Zudem finden nur die häufigsten Indikationen In diesen Fällen erfolgt die Betrachtung nur Berücksichtigung, die auch in ihrem Ausmaß über die Jahre 2003–2017, weil nur für diese Jahre von Bedeutung für die ambulante Versorgung Daten aus der NVI zur Verfügung stehen. mit Arzneimitteln sind. 1.5.2 Ermittlung der Prävalenz 1.5.4 Ermittlung der Zahl der behandelbaren Patienten Eine weitere Voraussetzung für die Ermittlung der Bedarfsgerechtigkeit der Versorgung liegt Die Zahl der theoretisch behandelbaren Patien- darin, dass Daten zur Prävalenz der jeweiligen ten ergibt sich aus dem Jahresverbrauch der Indikation(en) verfügbar sind. Hierzu bieten Arzneimittel in den entsprechenden Indika- sich im Wesentlichen zwei Quellen an: Daten tionsgruppen. In der Regel gilt dabei die aus Surveys oder Registern sowie Daten aus epi- Annahme, dass pro Tag eine Tagesdosis (1 DDD) demiologischen Studien. Vorrang haben Daten, verbraucht wird. Abweichungen gibt es z.B. bei die sich direkt auf die deutsche Bevölkerung der Annahme, dass zur Behandlung der Hyper- beziehen. In einzelnen Fällen wird auch auf tonie im Durchschnitt nicht eine, sondern Daten aus anderen Ländern zurückgegriffen, 1,8 Tagesdosen an Mitteln zur Behandlung der bevorzugt aus Nordwest- oder Westeuropa, ggf. Hypertonie erforderlich sind. USA oder Kanada, nicht dagegen aus Asien oder Die Annahme, dass an jedem Tag des Jahres Afrika. mindestens eine DDD zur Verfügung steht, ent- spricht vermutlich nicht immer der realen Behandlungssituation. Einerseits kann bei 1.5.3 Ermittlung der einem individuellen Patienten die täglich not- Behandlungsbedürftigkeit wendige Dosis von der DDD erheblich abwei- chen. Andererseits muss man – vor allem bei Bei den meisten Erkrankungen ist nicht jeder der Dauerbehandlung chronischer Erkrankun- prävalente Fall gleichzusetzen mit einem Fall, gen – davon ausgehen, dass nicht an jedem Tag der mit einem Arzneimittel aus der betreffen- eine Tagesdosis eingenommen wird – insbeson- den Indikationsgruppe behandelt werden dere bei Erkrankungen, bei denen die Ein- muss. So gibt es Patienten, die an Diabetes nahme der Medikamente die Krankheitssymp- mellitus Typ 2 erkrankt sind, jedoch mit Diät tomatik für den Patienten nicht spürbar beein- behandelt werden können und weder orale flusst (z.B. bei Bluthochdruck, Fettstoffwech- Antidiabetika noch Insuline benötigen. selstörungen oder Osteoporose). Es ist auch sehr Um den Anteil der behandlungsbedürftigen wahrscheinlich, dass die Wirkungen verschie- Patienten zu bestimmen, zieht man in jeder dener Arzneimittel in der Dauerbehandlung Indikations- oder Teilindikationsgruppe nach nicht entscheidend nachlassen, wenn der Möglichkeit medizinische Leitlinien heran. Die Patient nicht jeden Tag eine Tagesdosis ein- darin formulierten Behandlungsvorschriften nimmt. Für die Therapie der Osteoporose mit werden nach Möglichkeit auf epidemiologische Bisphosphonaten wird es beispielsweise als aus- Kenngrößen bezogen; somit sind die Anteile der reichend angesehen, wenn der Anteil der mit behandlungsbedürftigen Patienten schätzbar. Medikation versorgten Tage mindestens 80% Für jede Indikationsgruppe rücken nur sol- beträgt (Bartl et al. 2006, Huybrechts et al. 2006, che Behandlungsindikationen in den Fokus, die Siris et al. 2006). Diese Beobachtung darf man typischerweise ambulant behandelt werden. allerdings nicht als Empfehlung interpretieren, 14
1.6 Entwicklung der Indikationsgruppen 1 tatsächlich nur für 80% der Tage eines Jahres Arzneimittelbrief, Westkreuz-Verlag, Berlin, auch je eine Tagesdosis zur Verfügung zu stel- Bonn len. Ferner wird die Anzahl von Behandlungs- Arzneitelegramm, herausgegeben durch episoden bestimmt, die bei einem Patienten pro A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH Jahr anfallen, sowie die Anzahl von Tagen, die Forth W, Henschler D et al. (Hrsg.). Allge- eine Behandlungsepisode dauert. Bei chroni- meine und spezielle Pharmakologie und schen Erkrankungen setzt man jeweils eine Toxikologie. Für Studenten der Medizin, Behandlungsepisode mit einer Dauer von Veterinärmedizin, Pharmazie, Chemie und 365 Tagen an. Biologie sowie für Ärzte, Tierärzte und Apo- Prävalenz und Behandlungsbedarf werden theker. München, Jena: Urban und Fischer jeweils für die Population der GKV hochgerech- Verlag, 2001 net. Die Hochrechnungen basieren auf den Fricke U, Klaus W. Kritische Wertung der Angaben der Statistik KM6 (BMG 2017).1 neuen Arzneistoffe. Offizinpharmazie Da sich der Behandlungsbedarf abhängig von 1982;4:6–47 den verschiedensten Faktoren im Laufe der Zeit Fricke U, Klaus W. Die neuen Arzneimittel. ändern kann, wird in den grafischen Darstel- Wirkungsweise und therapeutischer Stellen- lungen jeweils der angenommene Behandlungs- wert. Eine Übersicht von April 1981–Dezem- bedarf nur für den Zeitraum 2015–2019 angege- ber 1982. Offizinpharmazie 1983;7:6–62 ben. Ableitungen für den künftigen Bedarf sind Fricke U, Klaus W. Die neuen Arzneimittel. aus den Darstellungen nicht möglich. Wirkungsweise und therapeutischer Stellen- wert. Eine Übersicht von Januar 1983–Juni 1984. Offizinpharmazie 1985;10:1–71 1.6 Entwicklung der Indikationsgruppen Fricke U, Klaus W. Die neuen Arzneimittel. Wirkungsweise und therapeutischer Stellen- Die Darstellungen zur Entwicklung der Indika- wert. Eine Übersicht von Juli 1984–März 1985. tionsgruppen basieren auf Recherchen zur Die Offizinpharmazie 1986;1:1–35 historischen Entwicklung der Indikationsgrup- Gothe H, Höer A, Häussler B et al. Die Bedeu- pen, wobei die Entwicklung der jeweiligen Wirk- tung von innovativen Arzneimitteln für die stoffe und nicht die Entwicklung der Therapie Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland. in der betrachteten Indikation im Vordergrund Schriftenreihe Strukturforschung im Gesund- steht. Da es vor allem darum geht, einen Über- heitswesen, Sonderband 1., Berlin 2002 blick über die wichtigsten Entwicklungen zu Hardman JG, Limbird LE (Hrsg.). Good- geben, und weniger um die Vollständigkeit der mans & Gilman’s The pharmacological basis Darstellung, wird kein systematisches Review of therapeutics. 10. Aufl., New York: McGraw- durchgeführt, sondern es werden – neben ent- Hill 2001 sprechenden Artikeln aus wissenschaftlichen Brunton LL, Lazo JS, Parker KL (Hrsg.). Good- Periodika – wenige ausgewählte Quellen heran- mans & Gilman’s The pharmacological basis gezogen, die ggf. durch Literatur- und Internet- of therapeutics. 11. Aufl., New York: McGraw- recherchen ergänzt werden: Hill 2005 Müller-Jahncke WD, Friedrich C, Meyer U. Arzneimittelgeschichte. Stuttgart: Wissen- schaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2005 1 Wenn die Anzahl der GKV-Versicherten je Jahrgang für die Hoch Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.) Arzneiverord- rechnung erforderlich ist (z. B. für die Indikationsgruppe „J07 Impf stoffe“), wird zusätzlich die Satzart 40 – adjustiert an KM6 – heran nungs-Report. Stuttgart, New York: Sprin- gezogen. ger 1987ff. 15
Sie können auch lesen