FINANZIERUNG UND VERGÜTUNG IM MVZ - ZUR DISKUSSION GESTELLT
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Zur Diskussion gestellt Felix Cornelius I Günther E. Braun I Carsten Jäger Finanzierung und Vergütung im MVZ Die sozialrechtliche Konstruktion eines Medizinischen Ver- Wer als Arzt von sich sagen kann, qua- sorgungszentrums (MVZ) bietet die Chance, ein „großes litativ zum oberen Drittel zu gehören, Haus“ aufzubauen, in dem viele Ärzte aus unterschied- der beansprucht auch eine entsprechend lichsten Fachrichtungen gemeinsam, miteinander abge- hohe Vergütung. Das Dilemma eines stimmt und konsequent patientenfreundlich medizinische großen MVZ und Thema des vorlie- Versorgung anbieten. genden Beitrags lautet daher: Wie lässt sich überdurchschnittliche Qualität mit L durchschnittlichen Budgets finanzieren? aut Bundesgesundheitsminis Zulassungen bezüglich der Höhe des je- Bei der Diskussion dieser Frage und mög- terium1 gibt es zum Stichtag 31. weils erworbenen IB wählerisch zu sein. lichen Antworten dient POLIKUM als März 2007 in Deutschland von Wenn die Fachrichtung passt, ist jedes IB laufendes Beispiel. insgesamt 733 lediglich 9 MVZ recht. Das Gesetz der großen Zahlen legt Die folgenden Ausführungen gelten zu- mit fünf und nur 6 MVZ mit mehr als fünf nahe, dass sich das Gesamt-IB eines MVZ nächst nur für Berlin. Die Aufbereitung Fachgebieten. Der weit überwiegende Teil mit steigender Anzahl von Zulassungen der Aussagen und Daten erfolgt aber so, (415 = 57%) aller MVZ hat lediglich zwei dem Durchschnittsbudget annähert. Das dass eine Übertragung auf andere Re- Fachgebiete. Diese sind hier explizit nicht POLIKUM MVZ in Berlin-Friedenau ist gionen möglich ist. Wo nicht anders er- gemeint. laut der oben zitierten Quelle des BMG wähnt, ist das Statistische Bundesamt die das größte seiner Art und bestätigt die- Quelle der genannten Zahlen. 1 Das „Große-MVZ- se Annahme. Beim Aufbau des Hauses Dilemma“ war jedes überdurchschnittliche Budget 2 Status quo der Die Finanzierung von MVZ folgt den willkommen. Dennoch sind in der Zwi- Finanzierung im MVZ etablierten Regeln der Finanzierung von schenzeit so viele unterdurchschnittliche Die Finanzierung eines MVZ ist im We- Einzelpraxen. Wesentliche Elemente sind Budgets hinzugekommen, dass POLI- sentlichen das Resultat der folgenden Ein- die vertragsärztliche Zulassung und das KUM ein „Durchschnitts-MVZ“ mit gut flussgrößen: je Zulassung vergebene Individualbudget 40 Zulassungen ist. • In Berlin sind knapp 80% aller Einwoh- (IB). Das IB besagt praktisch, wie viele Aus unternehmerischer Sicht der erfolg- ner in der GKV versichert. Im Bundes- EBM2-Punkte der Arzt auf seiner Zulas- reichen Führung eines MVZ ist es bei durchschnitt sind es mit knapp 85% et- sung pro Quartal mit der KV abrechnen der Gewinnung von Ärzten keineswegs was mehr. In beiden Fällen gilt jedoch, darf. Ein MVZ vereinigt in einer Hand so, dass ein MVZ jeden Kandidaten neh- dass GKV-Versicherte den entschei- mehrere IBs. Aus der Summe ergibt sich men muss, der sich anbietet oder bewirbt. denden Teil der „Kunden“ eines Me- das jeweils geltende MVZ-Budget. Vielmehr ist ein großes und deshalb auf- dizinischen Versorgungszentrums aus- Vertragsärztliche Zulassungen sind be- fälliges MVZ in besonderer Weise da- machen. Die KV-Abrechnung ist daher schränkt. Ein MVZ kann es sich deshalb rauf angewiesen, überdurchschnittliche auch für ein MVZ das Fundament jeder realistisch nicht leisten, beim Erwerb von Leistungen anzubieten. Der Erfolg von Finanzierung. Denn eine weitere An- POLIKUM bindet sich an die Erfüllung wendung des Gesetzes der großen Zah- 1 Antwort des BMG auf eine Kleine Anfrage der des Anspruchs, dass die hier tätigen Ärzte len besagt, dass die Patientenstruktur Linksfraktion, datiert vom 30.07.07, BT-Druck- sache 16/6081, zu finden unter http://dokumente. zu den Besten ihrer Zunft gehören. im MVZ sich mit steigender Zahl dem linksfraktion.net/pdfmdb/7765615821.pdf. Diesem Qualitätsanspruch auf Seiten (Berliner) Durchschnitt annähert. 2 EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab; das eines großen MVZ entspricht naturge- • Die KV-Einnahmen resultieren aus der Regelwerk zur Dokumentation und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen in der Gesetzlichen mäß auf Seiten der Ärzte ein Anspruch Vergütung von EBM-Punkten, die es Krankenversicherung (www.ebm2000plus.de) auf Vergütung und Erfolgsbeteiligung. für ärztliche Leistungen gibt. Für eine RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de 43
Zur Diskussion gestellt Erfolgsrechnung eines MVZ, die im • IGeL-Leistungen hoch ist. Er hängt von sehr schwer zu Weiteren ansatzweise entwickelt wird, IGeL bedeutet Individuelle Gesund- planenden Faktoren ab, bspw.: Standort, ist es glücklicherweise nicht nötig, heitsleistungen. Damit werden privat Vernetzung und Kontakt mit anderen auf die hohe Komplexität des Abrech- zu zahlende Leistungen bezeichnet, Ärzten, Wirkung des MVZ auf den Pri- nungssystems EBM 2000 plus einzu- die von GKV-Versicherten in Anspruch vatpatient, Höhe des durchschnittlichen gehen. Eine erfolgreiche Praxis rechnet genommen werden können, ohne dass Steigerungsfaktors bei der Abrechnung nämlich gegenüber der KV in jedem die GKV als Finanzierer in Erschei- nach GOÄ. Quartal mehr Punkte ab, als sie im In- nung tritt. Es gibt Praxen, die mit In- Für den vorliegenden Geschäftsplan dividualbudget hat. Wofür die Punkte dividuellen Gesundheitsleistungen wird das durchschnittliche Honorar pro aufgeschrieben werden, ist finanziell den größten Teil ihrer Einkünfte be- GKV-Patient auf den Privatpatienten unerheblich. Das IB wirkt dadurch wie streiten. Problematisch ist, dass viele übertragen, in dem der durchschnitt- eine Art Fixhonorar für die Behandlung dieser Leistungen umstritten sind, liche Bevölkerungsanteil an Privatpati- aller GKV-Patienten einer Praxis: gemäß der Logik: Wären sie wirklich enten zugrunde gelegt wird. Dazu eine erläuternde Anmerkung: Im Beispiel-Budgets EBM-Pkte p.a. Punktwert „Fixhonorar“ POLIKUM liegt die aktuelle Privat- Berlin 2006 Durchschnitt p.a. patientenquote bei gut 16%. Das ist Hausärzte 2.268.036 4,23 95.873 € weniger, als der Durchschnitt von Orthopäden 3.899.248 4,22 164.442 € 21,82% in Berlin nahelegt. Allerdings Neurologen 2.218.364 4,19 92.964 € ist zu bedenken, dass Privatpatienten statistisch eine deutlich geringere Dermatologen 2.188.164 4,29 93.766 € Morbidität aufweisen und seltener zum Arzt gehen. Mit der Annahme Eine Praxis hat außer dem genann- nötig, würden sie wohl in den gesetz- der Übertragung des statistischen ten „Fixhonorar“ drei weitere reguläre lichen Leistungskatalog der von der Bevölkerungsanteils auf die Honorar- Einkommensquellen: extrabudgetäre GKV übernommenen Leistungen auf- verteilung werden dieser nachteilige Leistungen, IGeL-Leistungen und die Be- genommen. Hinzu kommt, dass der Faktor und der Vorteil, dass das Ho- handlung von Privatpatienten, deren Ab- „IGeL-Vertrieb“ durch die Ärzte erfol- norar pro Privatpatient in der Regel rechnung anderen Regeln folgt: gen muss. Es verändert sich dadurch höher ist als in der GKV, miteinander • Extrabudgetäre Leistungen der Charakter der Tätigkeit: vom rein verrechnet. Zu den extrabudgetären Leistungen zäh- Helfenden zum „Verkäufer“. Aus die- Es ergibt sich somit folgender Einstieg in len alle Vorsorgeuntersuchungen, Imp- sem Grund wird IGeL bei POLIKUM den Geschäftsplan für ein großes MVZ, fungen, eine Vielzahl von Leistungen sehr zurückhaltend behandelt. Wo es der als Ziel die Ermittlung des Umsatzes im Zusammenhang mit ambulanten sich in ausgewählten Bereichen mit pro Jahr hat: Operationen und bspw. sämtliche An- trags-Psychotherapien. Die Höhe der Berechnung Berlin Basis GKV + extrabudgetäre + Privatumsatz Leistungen extrabudgetären Leistungen ist deshalb je nach Fachgruppe sehr unterschied- Honorar 100,00 € 130,00 € 163,15 € lich. Der größte Teil der Zulassungen (pro 100 € GKV-Umsatz) im MVZ POLIKUM ist hausärztlich; plus 30% 79,68% 100% im statistischen Durchschnitt betragen die extrabudgetären Leistungen bei der Zeit entwickelt, handelt es sich um • Der Umsatz eines MVZ hängt von sei- Hausärzten 20% des Kassenbudgets. Zusatzeinnahmen, die jedoch in einem nem Arztvektor ab. Dieser Begriff steht Durch die besonders hohen Anteile bei konservativen Geschäftsplan nicht vor- für die Zusammensetzung des MVZ Anästhesisten, fachärztlichen Inter- kommen sollten. nach Fachrichtungen und Arztzahl. nisten und Psychotherapeuten beträgt • Privatpatienten Aus den Erfahrungen von POLIKUM der Durchschnitt im MVZ POLIKUM Der Umsatz mit Privatpatienten ist wird für ein großes MVZ der folgende etwa 30%. schwer zu schätzen, weil die Varianz Arztvektor angenommen: 44 RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de
Anästhesisten 2 Hautärzte 2 Neurologen 4 servativ gelten, wenn man eine stärkere Augenärzte 4 Hausärzte internist. 10 Orthopäden 4 IB-Bindung an die Fallzahlentwicklung Chirurgen 4 Internisten fachärztl. 6 Urologen 2 annimmt. Gynäkologen 4 Kinderärzte 4 Psychotherapeuten 2 3 Anforderungen an ein HNO-Ärzte 4 Lungenärzte 2 Hausärzte allg. 10 erfolgreiches MVZ 3.1 Was muss gelten, damit ein Die Modellplanung nimmt 64 Ärzte an, • Übertragbarkeit des IBs gemeinsam MVZ erfolgreich ist? von denen 20 hausärztlich tätig sind. mit der Zulassung. Am 22. Juli 07 berichtete die Berliner Aus dieser angenommenen Größe mit 64 • Bestandsschutz: Eine Schrumpfung des Abendschau – eine sehr beliebte Sendung Ärzten wird deutlich, dass es sich bei der IB war nahezu ausgeschlossen. des lokalen ARD-Senders RBB – über Kalkulation des Geschäftsplans um eine • Recht auf Wachstum: Insbesondere das POLIKUM Friedenau. Anlass war Betrachtung für die Zukunft handelt. Denn das IB von neu übernommenen Praxen die Beschwerde einer Patientin, die sich das bislang größte MVZ in Deutschland durfte schnell bis zur Höhe des Fach- über zu lange Wartezeiten im MVZ be- arbeitet derzeit mit gut 40 angestellten gruppendurchschnitts anwachsen. klagte. Ärzten als Vollkräfte. Mit dem aktuell gültigen HVV (ab Juli Lange Wartezeiten in Arztpraxen sind Wird die oben beispielhaft vorgenommene 2007 in Kraft) hat sich diese Logik an ei- eine Folge von zwei Faktoren: Begrenzter Berechnung der Finanzierungsquellen pro ner entscheidenden Stelle verändert. Neu Marktzugang für niederlassungswillige Zulassung auf den Arztvektor übertragen – ist, dass die Zahl der behandelten Fäl- Fachärzte und Beliebtheit bei Patienten. unter Verwendung der konkreten Budgets le von der KV als Einflussgröße bei der Wenn viele Patienten zur gleichen Zeit und Punktwerte pro Fachrichtung in Ber- Festlegung des IB benutzt werden kann. eine Praxis besuchen (wollen), dann re- lin –, ergibt sich das folgende Gesamtbild: Die KV-Interpretation des Zusammen- sultieren zwangsläufig immer wieder lange Wartezeiten. Die Kapazität einer Arztvektor Plan (p.a.) GKV-Honorar + extrabudgetäre + Privatumsatz Praxis könnte zwar durch die Einstellung Leistungen neuer Fachärzte erhöht werden. Ein sol- 64 Ärzte gesamt 7.075.113 € 9.197.647 € 11.543.231 € ches Wachstum setzt jedoch voraus, dass bei der Kassenärztlichen Vereinigung für Durchschnitt / Arzt 110.549 € 143.713 € 180.363 € jeden Arzt eine Zulassung erworben wird. Das geht in den meisten Zulassungsbezir- Auf Basis der vorliegenden statistischen hangs zwischen Fall und IB ist unklar. ken und für nahezu sämtliche Fachrich- Daten kann ein großes MVZ mit 64 Schwierig ist bereits die Frage, wie „Fäl- tungen aber nur, wenn gleichzeitig ein an- Ärzten mit einem Umsatz von gut 11,5 le in so unterschiedlichen Einrichtungen derer Arzt seine Zulassung aufgibt – die Mio. Euro rechnen. wie Einzelpraxis und 64-Ärzte-MVZ KV in Berlin hat bspw. seit Jahren nahezu Wichtig ist, auf folgende Besonderheit vergleichbar gemacht werden können. Es sämtliche Fachgruppen „gesperrt“ mit hinzuweisen: Es gibt ein Regelwerk, das gibt aber starke Indizien dafür, dass die der Begründung, die Stadt sei „überver- die KV anwendet, um das ihr zur Verfü- oben dargelegte Planung eine entschei- sorgt“. In der Konsequenz bedeutet dies, gung stehende Geld an die zugelassenen dende Unsicherheit aufweist. dass dem Angebotswachstum von stark Ärzte zu „verteilen“, der Honorarvertei- Jedoch ist Folgendes zur berücksichti- nachgefragten Praxen oder MVZ enge lungsvertrag (HVV), früher Honorarver- gen: POLIKUM erfährt seit Gründung, Grenzen gesetzt sind. teilungsmaßstab (HVM). dass das Modell des „integrierten MVZ“ Jeder erfahrene Patient weiß dies, er • Bislang (bis Ende Juni 2007) folgte der so attraktiv ist, dass die Zahl der Fälle erfährt es regelmäßig. Warum also ist Berliner HVM wichtigen Prinzipien, nach kurzer Anlaufphase deutlich stärker diese Erkenntnis dem Rundfunk Berlin- die der dargestellten Planung zugrunde steigt als in jeder vergleichbaren Institu- Brandenburg einen Fernsehbericht wert? liegen: tion. Die Fallzahlen haben sich bspw. im Einfache Antwort: Das POLIKUM ist im • Bindung des IB an die Punktzahl, die POLIKUM von Q2/06 auf Q2/07 nahe- Kontext der ambulanten Medizin etwas von einer Praxis in der Vergangenheit zu verdoppelt. Langfristig gesehen kann Besonderes; dementsprechend werden abgerechnet wurde. die Planung daher auch dann als kon- besondere Leistungen erwartet. RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de 45
Zur Diskussion gestellt Wir vertreten in diesem Abschnitt im- jeweils nächsten Facharzt zu überwei- • Qualitätsmanagement plizit die These, dass ein „erfolgreiches sen und diese Überweisung mit einem Management ist immer dann nötig, MVZ“ wichtige Prinzipien von POLI- Arztbrief zu begleiten. wenn viele Menschen gemeinsam ein KUM übernehmen muss. Das wichtigste POLIKUM implementiert ein Case Ziel verfolgen. Wenn die im MVZ tä- Prinzip ist: Ein MVZ muss sich von den Management Zentrum, ein struktu- tigen Ärzte über Fachgrenzen hinweg bisher vorherrschenden Management- riertes Programm zur Früherkennung zum Wohle des Patienten kooperieren, und Organisationsprinzipien der ambu- von Gesundheitsrisiken und eine stei- braucht es Management, damit diese lanten Versorgung spürbar unterscheiden. gende Zahl von Behandlungspfaden Kooperation erfolgreich ist. Das Ma- Die folgenden POLIKUM-Prinzipien las- und Richtlinien. Hinzu kommt, dass nagement der Qualität wird hier aus sen sich nach Meinung der Autoren ohne der Kommunikation der Ärzte unter- nahe liegenden Gründen in besonderer große Probleme auf alle großen MVZ einander viel Raum und Zeit gegeben Weise hervorgehoben. POLIKUM hat übertragen: wird. schon 9 Monate vor Eröffnung einen • Fachliche Vollversorgung • Transparenz Qualitätsmanager eingestellt. Seit Janu- Das MVZ versorgt komplexe Krank- Die typische deutsche ambulante Praxis ar 2008 ist POLIKUM nach DIN/ISO heitsbilder vollständig. Dazu sind scheint zu den letzten computer-vernet- 9001/2000 zertifiziert. sämtliche notwendigen Fachrichtungen zungsfreien Refugien der Republik zu Aus dieser Darstellung folgt: An die in im Haus vertreten. POLIKUM hat sich gehören. Wie anders ist folgendes Zitat einem erfolgreichen MVZ tätigen Ärzte vorgenommen, 80% aller ambulant be- aus dem Beitrag eines Arztes auf www. werden fachlich und organisatorisch handelbaren Krankheiten vollständig facharzt.de, erschienen am 19.07.2007, außergewöhnlich hohe Anforderungen zu versorgen. Denkbar sind speziali- einzuschätzen?: „Wenn das E-Rezept gestellt. Umgekehrt ließe sich auch for- sierte Varianten, bspw. zur Diabetes- (vorerst) nur auf der Karte abgelegt mulieren: Wenn die Ärzte im MVZ nicht versorgung. wird, wenn die Patientenakte erst in weit überdurchschnittlich agieren, kann • Zeitliche Vollversorgung einigen Jahren kommt […], brauch ich es nicht erfolgreich sein. Denn dann kom- Der Begriff übertreibt naturgemäß. Ge- dann wirklich jetzt ‘nen Internetan- men die Patienten schlicht und einfach meint ist, dass das MVZ unabhängig von schluss für meine Praxis-EDV mit aller nicht ins Haus. der Anwesenheit einzelner Ärzte wesent- Sicherheit + Brimborium + all den Kos Speziell folgt das aus einem interessanten lich umfänglicher Sprechzeiten anbietet, ten? Nur fürs Rezept? Wann wird das Aspekt der zeitlichen Vollversorgung: In als das von der ambulanten Medizin bis- zur Pflicht?“ Mit einer solchen Haltung der Einzelpraxis mag die Praxis nur 25 lang bekannt ist. Im POLIKUM ist – von wird Transparenz in der medizinischen Stunden in der Woche geöffnet sein. Iso- Ausnahmen abgesehen – jede Fachrich- Versorgung effektiv nicht gefördert. liert betrachtet ist das aus der Sicht eines tung von Montag bis Freitag von 8 bis 20 Was ein Arzt tut, erfährt sein Kollege Patienten gegenüber den 70 Wochenstun- Uhr besetzt3. nur aus dem möglicherweise vorlie- den Gesamtsprechzeit im POLIKUM • Integriertes Behandlungsmanagement genden Arztbrief. Beim Zusammenspiel natürlich von Nachteil. Die Einzelpraxis Der entscheidende Unterschied des der Ärzte entlang komplexer Symptome kann jedoch grundsätzlich garantieren, Integrierten MVZ zum Ärztehaus ist oder Erkrankungen bzw. einer Koordi- dass der dem Patienten vertraute „Leib- die Koordination der Ärzte, vor allem nation über längere Zeit zum Wohle des und Magenarzt“ immer anwesend ist, zur gezielten Behandlung komplexer Patienten ist die Offenlegung der eige- wenn die Praxis geöffnet ist. Diese Ei- Krankheiten. Solche Abstimmung ist nen Dokumentation unabdingbar. genschaft kann das POLIKUM naturge- heutzutage unter ambulanten Einzel- Bei POLIKUM ist eine einheitliche mäß nicht bieten. Es herrscht eine etwas praxen (auch wenn sie als sog. Ärzte digitale Patientenakte im Einsatz, die geringere persönliche Bindung und damit haus in derselben Immobilie ihren Sitz prinzipiell sämtliche Daten der ärzt- eine umso höhere Anforderung an alle haben) nur sehr rudimentär gegeben. lichen Dokumentation allen Ärzten objektivierbaren Qualitätskriterien. Typisch ist lediglich, den Patienten zum automatisch zur Verfügung stellt, die denselben Patienten behandeln. Fast 3.2 Wer soll das bezahlen? 3 Das Haus ist sogar von 7 bis 21 Uhr geöffnet. Die alle Patienten des POLIKUM stimmen Was ein MVZ im Durchschnitt pro Arzt Randstunden sind jedoch zurzeit nur hausärztlich besetzt. Von 8 bis 20 Uhr sind in der Regel auch diesem Vorgehen datenschutzrechtlich einnimmt, wurde in Abschnitt 1 bereits alle Fachrichtungen ärztlich vertreten. regelmäßig zu. hergeleitet. Im Folgenden sei nun die 46 RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de
Position eines in der Klinik tätigen er- vereinfacht angenommener Durchschnitt Doch selbst wenn das gelingt, können folgreichen (bspw. Ober-)Arztes einge- über alle Fachrichtungen. Tatsächlich gute Ärzte ohne die Aussicht, signifikant nommen, der mit dem Gedanken spielt, liegen aber die echten Sätze gerade bei mehr als der Durchschnitt zu verdienen, in die ambulante Versorgung zu gehen. den zwei genannten Fachrichtungen deut- nicht gehalten werden! Einschränkend ist Ihm stehen dieselben Statistiken offen, lich höher, während sie bei den übrigen allerdings die Analogie von Kaiser Per- die wir weiter oben zur Planung verwen- Fachrichtungen etwas darunter liegen. manente, USA, hilfreich (siehe auch die det haben, bspw. die KBV-Statistik zur Um die Planung nicht zu kompliziert zu ausführlichere Darstellung im nächsten Honorar- und Einkommensverteilung der gestalten, wurde auf eine differenzierte Abschnitt). Dort arbeiten die Ärzte mit niedergelassenen Ärzte. Die folgende Ta- Betrachtung des extrabudgetären Anteils der Metapher, dass ihr Gehalt sich am belle stellt einige Beispiele aus der KBV- hier verzichtet. (Der tatsächliche extra- Median ihrer Fachrichtung orientiert. Das Statistik des Jahres 2005 zusammen budgetäre Anteil der Anästhesie beträgt ist für die dort tätigen Ärzte akzeptabel. und vergleicht Planumsätze und Durch- statistisch 80,3%, in der Psychotherapie schnittseinkommen: sind es 86,6%.) 3.3 Ein erster Weg: Kosten spa- ren 2005 Einkommen Planumsatz Einkommen in Ein MVZ kann gegenüber der Einzelpra- Durchschnitt % vom Umsatz xis Kosten sparen durch: Hausärzte 73.221 € 156.420 € 46,81% • Doppelnutzung aller Räume durch Orthopäden 148.651 € 268.292 € 55,41% Schichtsystem Neurologen 86.340 € 151.673 € 56,93% • Doppelnutzung aller Medizintechnik. Dermatologen 79.446 € 152.982 € 51,93% • Einsparung von Medizintechnik durch bessere Organisation. Anästhesisten 98.435 € 37.475 € 262,67% Im POLIKUM gibt es bspw. nur 3 So- Augenärzte 129.856 € 177.840 € 73,02% nographiegeräte. Schätzungen von Bran- Chirurgen 72.940 € 125.820 € 57,97% chenkennern sagen, dass es ca. 20 Geräte Gynäkologen 98.794 € 133.490 € 74,01% wären, wenn die POLIKUM-Ärzte in HNO-Ärzte 95.474 € 188.353 € 50,69% einzelnen Niederlassungen tätig wären. Internisten HÄ 77.114 € 183.241 € 42,08% • Pooling von Dienstleistungen: Reini- Internisten FÄ 191.063 € 199.779 € 95,64% gung, Serviceverträge, Abrechnung, Hardware + Software Kinderärzte 179.307 € 372.866 € 48,09% Es gibt dem gegenüber allerdings auch Lungenärzte 118.856 € 264.300 € 44,97% Kosten, die im Vergleich zur Einzelpra- Urologen 99.337 € 174.304 € 56,99% xis mitunter erheblich höher liegen. Zum Psychotherapeuten 34.051 € 8.247 € 412,91% Einen liegt das an der Natur des großen 64 Ärzte gesamt im 6.755.427 € 11.543.231 € 58,52% MVZ, da bedeutende sprungfixe Kosten großen MVZ des Beispiels vorliegen (z.B. großer Parkplatz, 24h Wachschutz, besonders hohe EDV-Sicher- Die vorige Tabelle gibt zur Zusammen- Entscheidend ist die Gesamtbetrachtung: heit, Neuerwerb aller Medizintechnik zur fassung sämtliche Fachrichtungen des Das große MVZ muss mit einem Kosten- Eröffnung und besonders hohe Qualität, Arztvektors wieder. Erklärungsbedürf- satz von 41,48% auskommen. Der statis zentrales Qualitätsmanagement); zum An- tig sind die beiden Prozentsätze in Höhe tische Durchschnitt in der Einzelpraxis deren daran, dass das Geschäftsmodell des von 262,67% bzw. 412,91% bei Anästhe- liegt bei 53,75%! großen MVZ noch neu ist. So war bspw. sisten bzw. Psychotherapeuten. Hier lie- Bereits aus dieser oberflächlichen Be- die Entwicklung des Gebäudes zur Unter- gen die durchschnittlichen Einkommen trachtung zeigt sich das Problem: Um al- bringung eines großen integrierten MVZ deutlich höher, als die geplanten Umsät- lein die Forderung der Ärzte nach einem – das es so in Deutschland ja noch nicht ze. Hintergrund dieser Anomalie ist die durchschnittlichen Gehalt zu befriedi- gab – überdurchschnittlich aufwendig. Planannahme von durchschnittlich 30% gen, muss das große MVZ die Kosten von Dennoch schätzt POLIKUM das Potenti- extrabudgetären Einnahmen. Dies ist ein 53,75 auf 41,48%, also um 22,8% senken! al zu Kosteneinsparungen auf 20%. Die RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de 47
Zur Diskussion gestellt oben genannte Anforderung in Höhe „Beitrag“ von lediglich 2.765 € p. a. je • Last but not least: Das MVZ verdient von 22,8% zur Finanzierung von Durch- Arzt gedeckt werden könnte. nach der entwickelten Planungsrech- schnittseinkommen der Ärzte lässt sich • Die kalkulierte Kostenreduktion um nung noch kein Geld! Investitionen in daher nahezu erfüllen. POLIKUM hat 20% ist mit einer gebotenen Unsicherheit ein großes MVZ sind erst dann realis- in der Aufbauphase Ärzte gefunden, die versehen. Lässt sich diese – vor allem tisch, wenn der Investor damit lang- bereit waren, das unternehmerische Auf- anfangs – nicht in der erhofften Höhe fristig eine akzeptable Rendite erwirt- baurisiko mit zu tragen. Sie haben sich realisieren, steigt die Unterdeckung. schaften kann. in den ersten Jahren mit geringeren Ein- • Die Kernaussage dieses Beitrags liegt Das im Folgenden vorgestellte Modell künften begnügt, begründet auch damit, in folgender Aussage: Die Ärzte er- ist von POLIKUM bereits grundsätzlich dass POLIKUM das finanzielle Risiko warten mehr, als lediglich den Durch- realisiert: Seit Dezember 2006 hat PO- der „Praxisgründung allein getragen hat. schnitt. Weil auch der Durchschnitt in LIKUM in zwei Verträgen mit der AOK Für die im vorliegenden Beitrag skizzierte der Einzelpraxis erst verdient werden Berlin und mit der Barmer Ersatzkasse Zukunft braucht es weitere Umsatzquel- muss, geht POLIKUM davon aus, dass die ersten IV-Verträge geschlossen; im len. Diese werden im nächsten Abschnitt die Ärzte akzeptieren können, wenn August 2007 kamen die GEK und die erläutert. Zum Abschluss noch einmal zu- die Erhöhung über den Mittelwert hi- HEK in einem gemeinsamen IV-Vertrag sammenfassend eine Gesamtübersicht für naus als variable Gehaltskomponente hinzu. Es ist die Basis aller weiteren das beispielhaft eingeführte große MVZ definiert wird. Auch diese kann aber Modelle und wird deshalb etwas aus- (mit 64 Ärzten), aus der sich der verblei- nur ausgezahlt werden, wenn genügend führlicher besprochen. Voraussetzung ist bende Kostendeckungsbedarf und das Geld erwirtschaftet werden kann. zunächst der Abschluss eines Vertrages Potential für eine höhere Anreizbildung • Dazu kann als Exkurs das Beispiel zur Integrierten Versorgung mit Popula- der Ärzte ablesen lässt: von Kaiser Permanente (KP) erwähnt tionsbezug, bei dem die Teilnahme des Versicherten an keine Bedingung gebun- Groß-MVZ als Umsatz gem. Plan Allg. Kosten im Einsparziel: den ist. Jeder Versicherte ist qualifiziert, Beispiel Durchschnitt der Kosten minus unabhängig davon, ob er gesund oder Einzelpraxen 20% krank ist. 64 Ärzte 11.543.231 € 53,75% 43,00% Aus einem solchen Vertrag folgt die Ei- Reduzierte Kosten Arzteinkommen Resultierende Unterdeckung genschaft, dass Termine des Versicherten in € gesamt gem. Plan Umsatz minus (Reduzierte Kosten plus Einkom- exklusiv mit einem Leistungserbringer men) vereinbart werden müssen, bei dem die 4.963.589 € 6.755.427 € – 175.785 € IV-Teilnahme erklärt worden ist. Der Versicherte verzichtet also für die Zeit der pro Arzt pro Arzt pro Arzt Teilnahme an der IV in einem Populati- 77.556 € 105.554 € – 2.765 € onsvertrag auf die freie Arztwahl! Für den Leistungserbringer folgt, dass er 4 Finanzierung einer von werden, einer bekannten US-ameri- die Möglichkeit hat, das gesamte medizi- einem großen MVZ ge- kanischen Managed Care Organisati- nische Leistungsgeschehen zu koordinie- tragenen Vollversorgung: on. Ein Kardiologe bezieht bei KP ein ren. Abb. 1 illustriert dies. Virtuelles Budget für durchschnittliches Anfangsgehalt von Der Patient hat ohne IV-Vertrag die Mög- veranlasste Leistungen 250.000 US-$; ein Kinderarzt kann lichkeit, beliebige Haus- und Fachärzte mit einem IV-Vertrag nur mit ca. 100.000 US-$ rechnen. Als direkt aufzusuchen. Diese Ärzte veran- nach § 140a ff. SGB V Begründung wird auf die jeweiligen lassen durch Verordnungen, Rezepte, Die oben dargestellte Planungsrechnung Marktwerte verwiesen. Und was die Einweisungen etc. weitere Leistungen, ist aus drei Gründen unbefriedigend, die Kandidaten „draußen“ bekommen kön- die in der Summe wesentlich höhere Kos hier noch einmal zusammengefasst wer- nen, muss ihnen KP ebenfalls bieten4. den sollen: verantwortlich für „Recruiting, Compensation etc.“ • Es verbleibt eine Unterdeckung, auch 4 Angaben aus einem persönlichen Gespräch in der Permanente Medical Group North California wenn diese gering ist und durch einen von Dr. Felix Cornelius mit Sharon Levine, MD, (www.kaiserpermanente.org). 48 RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de
Abb. 1: Veranlassung von Leistung Einsparungen in den veranlassten Sek- toren beteiligen. Das Prinzip ist in Abb. 2 illustriert. Das folgende schrittweise Vorgehen ist im Rahmen eines Businessplans festzulegen: • Zunächst Bindung der Patienten an das große MVZ. • Im zweiten Schritt Gewinnung einer möglichst großen Zahl von Versicher- ten, die bereit sind, sich in die Integrierte Versorgung einzuschreiben. So wird er- reicht, dass die Abschätzung der veran- lassten Kosten statistisch valide wird. • Abschluss einer Vereinbarung zwischen großem MVZ und der Kasse bzw. den Kassen über die erwarteten Leistungen in jedem Sektor pro Jahr für das insge- samt eingeschriebene Patientenkollek- tiv. • Abschluss einer Vereinbarung über das Messverfahren zur Bestimmung der tatsächlichen Kosten nach Ablauf jedes ten verursachen als die ambulante Medi- Die steuernde Rolle eines großen MVZ Jahres. zin insgesamt (siehe zu Einsparungen im als IV-Partner und die hohen Gesamtsum- • Schließlich Vereinbarung über die Höhe stationären Bereich und bei den Arznei- men, über die das MVZ auf dem Wege der Partizipation an Einsparerfolgen. mitteln Abb. 2). der Veranlassung „verfügt“, ermöglichenAbb. 2 zeigt das Prinzip: Die schraffier Wird in der IV jeder Weg des Patienten es bspw. POLIKUM, mit den Kassen Ver- ten Flächen bezeichnen den Bonus, der über dasselbe „Eingangsportal“ geleitet, träge zu schließen, die das große MVZ an dem großen MVZ als Anteil an den Ein- lässt sich zentral koordinieren, welche Leistungen auf welche Weise aufeinan- Abb. 2: Ausgabe in den drei wichtigsten Sektoren der abgestimmt erbracht werden – und zu welchen Kosten. Für jeden Euro, den die Krankenkassen für die ambulante Medizin ausgeben, fließen statistisch zusätzlich 3 Euro für Krankenhaus und Arzneimittelversor- gung (siehe Abb. 2). Der größte Teil dieses Geldes wird als Folge einer direkten Ent- scheidung durch die Haus- und Fachärzte ausgegeben, die der Patient besucht. Wie Abb. 1 illustriert, wird nur ca. 1% al- ler Kosten in den veranlassten Sektoren (KH, Pharma, etc.) durch direkte Ent- scheidungen der Patienten verursacht.5 5 Diese Schätzung resultiert aus Hochrechnungen, die POLIKUM mit IV-Partnern auf Krankenkas- senseite vorgenommen hat. RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de 49
Zur Diskussion gestellt sparerfolgen in den beiden beispielhaft • Mindest-Einsparpotential, nach ersten • Lange Öffnungszeiten: Je länger das genannten Sektoren ausbezahlt wird. Die Abschätzungen von POLIKUM: 20% MVZ geöffnet ist, desto geringer sind gepunkteten Segmente bezeichnen den Ergebnis von Schätzungen gemeinsam die Selbsteinweisungen in die Notauf- Vorteil für die Krankenkasse. Um diesen mit Partnern aus den angrenzenden nahme des Krankenhauses. Betrag sinken die Gesamtausgaben6. Sektoren. • Komplettes Fachspektrum: Wenn am Ein solcher Vertrag ist in jeder Hinsicht Freitagnachmittag der Facharzt im ei- Neuland. POLIKUM und die jeweiligen • Einsparvolumen pro Arzt in Euro: genen Hause konsultiert werden kann, Vertragspartner haben sich bspw. noch 86.228 € kann medizinisch gesichert werden, nicht abschließend auf Berechnungsver- 20% des Krankenhaus- und Pharma- dass auf eine Einweisung verzichtet fahren für erwartete und tatsächliche volumens werden kann. Bei POLIKUM gibt es Leistungen geeinigt. Dies wird im Laufe die Einweisung wegen „unspezifischem des Jahres 2008 erfolgen. • Ertrag für MVZ bei Annahme hälftiger Brustschmerz“ faktisch nicht mehr. In Interessant im Zusammenhang mit der Erfolgsteilung: 43.114 € der durchschnittlichen Einzel-Haus- Rechtsgrundlage § 140a ff. SGB V ist, arztpraxis ist dies aber ein typischer dass diese Vertragsvariante im Grun- Cave: Die Teilnahme an der IV ist für die Grund für eine zwingende Einweisung de nicht auf die Anschubfinanzierung Patienten freiwillig. Das hoch erschei- aus Sicherheitsgründen (Verdacht auf (sog.1%-Regelung) angewiesen ist. Die nende Potenzial kann daher nur auf die Herzinfarkt). Finanzierung erfolgt ausschließlich aus jeweils gültige Einschreibequote ange- • Vollständiger Überblick: Durch die belegten Einsparungen. Die Anschubfi- rechnet werden: Implementierung der digitalen Pati- nanzierung geht zu Lasten der niederge- • Prozentsatz eingeschriebener Versi- entenakte nach dem Prinzip der voll- lassenen Kollegen; die Einspar-Variante cherter: 30% ständigen Transparenz erhält jeder wird indirekt von den außerhalb der POLIKUM rechnet zunächst nur mit ei- behandelnde Arzt die komplette Be- ambulanten Medizin liegenden Sektoren ner Einschreibung von 20% aller Versi- handlungs- und Krankengeschichte des finanziert. (Standes-)Politisch gesehen ist cherter. Entscheidend ist aber nicht die Patienten. Es ist vor allem die Vollstän- ein solcher Vertrag deshalb leichter zu Zahl der Köpfe, sondern der Anteil an digkeit, die sicherstellt, dass es keine kommunizieren und umzusetzen als bis- den von den IV-Teilnehmern erzeugten Notwendigkeit mehr gibt, Maßnahmen herige IV-Verträge. Kosten. Hier zeigt die Erfahrung, dass redundant durchzuführen: Arzneimit- Die Planungsrechnung des finanziellen die Bereitschaft zur Einschreibung und telverschreibung, Heil- und Hilfsmit- Erfolges im Rahmen der Businessplanung damit zur koordinierten Behandlung tel, Laboruntersuchungen, bildgebende stellt sich – bezogen auf die 2 Hauptsek- mit der Morbidität korreliert. Daher die Verfahren etc. werden nur noch einmal toren der veranlassten Leistungen – fol- Annahme 30%. durchgeführt bzw. veranlasst. Alle wei- gendermaßen dar: teren Behandler greifen auf die bereits • Durchschnittliches GKV-Honorar pro • Resultierender IV-Ertrag pro Arzt im existierenden Daten zurück. Arzt: 143.713 € MVZ: 12.934 € • Kurze Wege: Die Überweisung zum Durchschnittlicher Arztumsatz ohne Facharzt erfolgt im großen MVZ so Privatanteil (Tabelle S. 45) • Nach Abzug der kalkulatorischen Un- schnell, wie der Arzt es für nötig hält, terdeckung verbleiben: + 10.169 € der die Überweisung auslöst. Das kann • Statistisches Volumen veranlasster Die Unterdeckung betrug 2.765 € (Ta- in einem dringenden Fall auch sofort Leistungen für Krankenhausbehand- belle Seite 48) sein. In der Einzelpraxis ist das unmög- lung und Arzneimittelversorgung: lich. Der einzige Ausweg ist häufig das 431.139 € Warum lassen sich im großen MVZ Ein- Krankenhaus. Auch Komplikationen Die dreifache Summe – gemäß statis sparungen bei veranlassten Leistungen durch lange Übergangszeiten gibt es im tischem Verhältnis 1:3 (Abb. 2) erzielen? Die folgende Auflistung be- MVZ nur in Ausnahmefällen. zieht sich vor allem auf die Eigenschaften • Case Management: POLIKUM hat im 6 In der abgebildeten Darstellung wird von einer eines erfolgreichen MVZ, die oben unter Rahmen der IV ein Case Management jeweils hälftigen Verteilung der Einsparungen zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse „3 Anforderungen an ein erfolgreiches Zentrum eingerichtet. Es dient der ak- ausgegangen. MVZ“ erläutert worden sind: tiven Betreuung der Patienten mit der 50 RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de
höchsten Morbidität (ca. 20%). Die Pa- medizinische Versorgung in die Hand ei- lerdings ist zu bedenken, dass die Komple- tienten erhalten Sicherheit über lange ner Art von Versorgungs-Manager gelegt xität des deutschen Gesundheitssystems so Zeiträume hinweg, und es wird langfris wird, der dafür mit einer Komplett-Pau- hoch ist, dass es aus heutiger Sicht kaum tig vermieden, dass sich schleichend schale pro Kopf vergütet wird. Alternativ vorstellbar erscheint, die Kompetenzen zu Komplikationen / Dekompensationen dazu kann die Kopfpauschale nur Teile bündeln und operativ umsetzbar zu ma- einstellen. Nicht zu unterschätzen ist der Versorgung abbilden und vergüten, chen, die es für eine solche Management- bspw. die Angst vieler schwer kranker vor allem die stationären Leistungen oder Gesellschaft braucht. Der im Rahmen des Patienten, „über das Wochenende“ zu die Arzneimittelversorgung. Dann spricht virtuellen Budgets in einer integrierten kommen. Das Case Management kann man von Teil-Capitation. Versorgung vorgezeichnete Weg geht be- diese Angst erheblich mindern. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, reits ziemlich weit. Im Capitation-Modell Die Abschätzung des Einspar-Volumens dass es einen umfassenden Versorgungs- wäre dagegen neu, dass der Versorger und der Auszahlungssumme ist in mehr- Manager bereits gibt: Die Krankenkasse • auch ein finanzielles Risiko übernimmt; facher Hinsicht konservativ: Sie ist zu- versucht, die Versicherungsbeiträge mög- das tut er nach den vorgestellten Mo- nächst auf nur zwei Sektoren beschränkt; lichst günstig für die unterschiedlichen dellen noch nicht; sie geht von 20% Einsparungen aus und Formen der Leistungserbringung zu ver- • die Grundlagen der Verträge mit An- sie geht von einem GKV-Umsatz aus, wenden. Dazu verhandelt sie z.B. in der bietern aus anderen Sektoren frei ver- der weit unter dem statistischen Bundes- ambulanten Medizin mit der KV, legt al- handeln kann; im Grunde wäre bspw. durchschnitt liegt. Immerhin entspricht lein oder mit ihren Verbänden direkt mit eine Abweichung vom DRG-System der positive Saldo von 10.169 € pro Arzt den Krankenhäusern Budgets fest. denkbar; oder man kann sich einen unter Annahme keiner weiteren Kosten – Im Rahmen einer Teil-Capitation zur Mengenrabatt für en gros eingekaufte bspw. in Form einer Bonuszahlung an den Steuerung der Kosten im stationären Be- Arzneimittel vorstellen. Arzt – einer Umsatzrendite von 5,64% reich und der Arzneimittelversorgung Bis ein derartiger Capitation-Anbieter im für das MVZ (unter Verwendung der Um- würde direkt von den Krankenkassen deutschen Markt existiert, der die Größe satzschätzung in der Tabelle auf Seite 45. eine Kopfpauschale an das Management und Stärke hat, für große Versicherten- Bezeichnend für die vorgestellte Varian- des MVZ gezahlt. Was könnte eine Ma- kollektive das Kostenrisiko zu überneh- te der Integrierten Versorgung ist, dass nagement-Gesellschaft anders tun, als die men, werden mit Sicherheit noch Jahre die Einsparpotenziale im Rahmen des Kasse? Ein wesentlicher Unterschied läge vergehen. virtuellen Budgets im stationären Sektor darin, dass Wettbewerb in das System und im Arzneimittelbereich ausgeschöpft Einzug hielte. Während die Krankenkas- 5 Fazit und offene Fragen werden sollen. Grundsätzlich kann sich sen seit Jahrzehnten nach dem Grundsatz Aus den detaillierten Darstellungen im das virtuelle Budget aber auch auf weitere „einheitlich und gemeinsam“ agieren, vorliegenden Artikel folgt die wesent- Sektoren des Gesundheitswesens bezie- also bspw. gemeinsame Konditionen mit liche Erkenntnis: Schon heute kann sich hen, z.B. auf den Heil- und Hilfsmittelbe- Krankenhausbetreibern vereinbaren – das Management großer MVZ lohnen, reich. Allerdings bleiben die Leistungen und vorher bereits die Abrechnungssy- das richtige unternehmerische Geschick des ambulanten Sektors und damit die stematik unabhängig vom Preis über alle vorausgesetzt; allerdings ist im Fixgehalt ambulante Vergütung unangetastet. Denn Verhandlungen hinweg vereinheitlichen die Reduktion der ärztlichen Ansprüche das Management des großen MVZ und –, sind private Managementgesellschaften auf den Durchschnitt in der Niederlassung die im MVZ tätigen Ärzte sind als Kos grundsätzlich in der Lage, für das von ihr zu beachten, und es ist unverzichtbar, die teneinspartreiber zu verstehen, ohne die verwaltete echte Budget ganz eigene Ver- Grundlagen der Finanzierung über das Einsparpotentiale in anderen Sektoren gütungsformen und -höhen zu verhandeln. virtuelle Budget einer integrierten Ver- nicht zu heben sind. Darin liegt unbestritten ein Potenzial, sorgung sorgfältig weiter zu entwickeln. Eine weitere Veränderung könnte der Weg zumal sektorenübergreifende Leistungs- In der Praxis stehen die folgenden Fragen vom virtuellen Budget zum echten Budget anbieter in Richtung von Managed Care zur Diskussion. Sie muss jeder beantwor- sein. Ein solches Budget ergibt sich als Organisationen nach amerikanischem ten, der sich mit der Gründung und dem die Summe von Kopfpauschalen (Capi- Vorbild dadurch möglich werden können. Betrieb großer MVZ befassen will: tation). Unter dem Begriff der Full Capi- Diese Überlegung hat auch für einen An- • Rolle und Reaktion der lokalen KV? tation wird verstanden, dass die gesamte bieter wie POLIKUM reizvolle Seiten. Al- Es ist wichtig, eine gute und möglichst RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de 51
Zur Diskussion gestellt konfliktfreie, auf Kooperation bauende gen über die durchschnittlichen Kosten Beziehung zur KV aufzubauen. des IV-Versicherten-Kollektivs sowie Autoren: • Nicht alle Krankenkassen sind glei- der geschätzten Kosten in zukünftigen Dr. Ing. Felix Cornelius, Mit- chermaßen leicht zu bewegen, die vor- Jahren. Die rasche Akquisition von glied der Geschäftsleitung geschlagenen Verträge zu schließen. Teilnehmern kann über den Erfolg des (Strategie und Entwicklung), Es ist deshalb wichtig, die jeweils re- Modells entscheiden. POLIKUM Gruppe, Berlin gionale Marktposition und die Wettbe- • Es ist wichtig, regionale Unterschiede Univ.-Prof. Dr. Günther E. Braun, werbssituation der aktiven Kassen zu zu berücksichtigen. Der vorliegende Vorstand des Instituts für berücksichtigen. Beitrag berücksichtigt sehr stark die Betriebswirtschaftslehre des • Erfolgreiche Großpraxen in der Nähe Situation Berlins. In anderen Städten öffentlichen Bereichs und eines großen Zentrums sind gleichzeitig und Siedlungsstrukturen stellen sich Gesundheitswesens, Universi- potente Wettbewerber und aussichtsreiche spezielle Anforderungen; auch sind die tät der Bundeswehr München, Kooperationspartner. Es ist bedeutsam, Menschen ihre jeweils eigenen Wege Neubiberg die aktuell dominanten Praxen rechtzeitig und Abläufe gewohnt. Darauf muss Dipl.-Kfm. Carsten Jäger, in die Planung einzubeziehen und ihnen sich ein neues Angebot einstellen. Doktorand am Institut für eine passende Perspektive zu bieten. • Die Darstellung der integrierten Ver- Betriebswirtschaftslehre des • Morbidität: Je früher eine große Zahl sorgung legt dar, dass „neues Geld“ in öffentlichen Bereichs und von Versicherten/Patienten gewonnen die ambulante Versorgung fließt, wäh- Gesundheitswesens, Universi- wird, sich an der IV zu beteiligen, desto rend gleichzeitig die Kassen in anderen tät der Bundeswehr München, statistisch aussagekräftiger sind Aussa- Sektoren Geld sparen. Neubiberg Die GRPG begrüßt als neue Mitglieder Arentz, Hermann-Josef Arentz Consulting, Köln Dr. Bönte, Markus Sanofi Pasteuer MSD GmbH, Senior Spezialist für Gesundheitsökonomie und Outcomes Research, Leimen Dr. Heckemann, Klaus KV Sachsen, Vorstandsvorsitzender, Dresden Henkel, Markus Berufsverband der Deutschen Radiologen, Rechtsanwalt und Geschäftsführer, München Horak, Ingo DocInsider GmbH, Hamburg Hruschka, Dieter Pfizer Deutschland GmbH, Projektmanager Integrated Care, München Dr. Huber, Hans-Georg Ärztekammer Nordrhein, Leiter Geschäftsstelle Qualitätssicherung NRW, Düsseldorf Dr. Kunze, Inken Sozietät Dr. Rehborn, Rechtsanwälte, Rechtsanwältin und Ärztin, Dortmund Schindewolf, Ulrich Schindewolf und Schneider GbR, Orthopädie-Technik, Eisenach Schmuck von Troilo, Eberhard Intendis Dermatologie GmbH, Rechtsanwalt, Berlin 52 RPG | Band 14 | Heft 2 | 2008 www.grpg.de
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