Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau

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Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Dezember
  2022          37. Jahrgang | Ausgabe Nr. 2 | Dezember 2022

Handwerksinfo

                                       Jetzt tagt die          Akut Sanierungs­
                                       Branche:                stau:
                                       Auftakt für den         Wie das Handwerk
                                       „Zukunftsdialog“        die Transformation
                                       im Handwerk             meistert
                                                                                    Kerkez / iStock

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Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Liebe Leser*innen,
    Editorial

                ein herausforderndes Jahr geht zu Ende. Die
                erhöhten Energiepreise, die Folgen des russischen
                Angriffskriegs in der Ukraine sowie die hohe
                Inflation haben die bestehenden Krisen verstärkt.
                Das hat unmittelbare Auswirkungen auf das
                Handwerk. Doch nicht nur das: Das Handwerk
                selbst steckt mitten in einem Strukturwandel.

                                                                                                                   DGB / Simone M. Neumann
                Ich freue mich daher sehr, dass es im kommenden
                Frühjahr einen „Zukunftsdialog Handwerk“
                (Branchendialog) geben wird, der diese Heraus­
                forderungen als Chance begreift und sich auf
                die Suche nach praktischen Lösungen macht. Mehr
                über den „Zukunftsdialog“ findet Ihr auf Seite 3.

                Wir wollen weder vor den Herausforderungen
                kapitulieren noch uns durch rechtspopulistische     nach praktischen Lösungen. Das gemeinsame
                Scheinlösungen spalten lassen. Im Gegenteil:        Engagement für das Handwerk ist seit Inkrafttreten
                Wir stehen noch stärker zusammen als zuvor und      der Handwerksordnung das Prinzip der Selbst­
                wollen diese großen Veränderungen meistern.         verwaltung. Der internationale Tag des Ehrenamts
                Das haben vor Kurzem auch die Arbeitnehmervize­     am 5. Dezember gibt mir daher die Gelegenheit,
                präsident*innen der 53 Handwerkskammern             mich bei Euch zu bedanken: Ohne Eure unermüd­
                in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt – mehr    liche Arbeit in den jeweiligen Vollversammlungen,
                dazu lest Ihr auf Seite 5.                          Vorständen, Ausschüssen und anderen Gremien
                                                                    würde es die Selbstverwaltung nicht geben!
                Euer Engagement in der demokratischen Selbst­
                verwaltung des Handwerks spielt eine wichtige       Ich wünsche Euch eine anregende Leküre!
                Rolle bei der Gestaltung der Klimawende. Hier
                suchen ehrenamtliche Arbeitnehmervertreter­         Stefan Körzell
                *innen zusammen mit der Betriebsinhaberseite        Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands

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Rückfragen / Rückmeldungen an Stefanie Pietrak, stefanie.pietrak@dgb.de, Telefon: 030 24 06 03 06

Mit freundlichen Grüßen
Euer DGB­Handwerkssekretariat                                Direkt online in den Verteiler eintragen   
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Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
„Zukunftsdialog Handwerk“:
Wohin geht die Reise?
Das Handwerk steht vor einer dop­        von den Mitarbeiter*innen bis zu
pelten Herausforderung: Aktuell          Chefs alle weiterbilden müssen, um
belasten die hohen Energiekosten         auf dem neuesten Stand zu sein.
sowie die hohen Rohstoff­ und            Zum anderen ändern sich ganze Ge­
Materialpreise die Handwerksbetriebe     schäftsmodelle. Kleine Handwerks­
und ihre Beschäftigten teilweise         betriebe werden von Start­ups auf­
sehr stark. Gleichzeitig ist das Hand­   gekauft, die alles aus einer Hand
                                                                                       Die Betriebe und ihre
werk mit einem längerfristigen           anbieten – von der Solaranlage auf            Beschäftigten spüren,
Veränderungsprozess konfrontiert,        dem Dach, über die Heizung mit                dass ihr Gewerk sich
der folgende Ursachen hat:               einer Wärmepumpe bis hin zur fach­
                                                                                       verändert und sich
                                         gerecht angebrachten Tapete im
               Der demografische         Wohnzimmer. Wer früher seine                  auch verändern muss.
                   Wandel: Mitar­        Kolleg*innen mehr oder minder per­
                     beiter*innen        sönlich kannte, weiß heute teil­
                       werden            weise nicht einmal mehr, wie die
                          immer          Chefs heißen oder wie viele Kolleg*­
                            älter,       innen überhaupt für das eigene
                             und         Unternehmen arbeiten.
                                                                                 Ein Generationenwechsel steht
                                         Die Klimawende: Beim Wechsel hin        auch hier an. Der Vorteil: Die Selbst­
                                         zu einem klimaneutralen und             verwaltung ist Mitgestalterin des
                                         nachhaltigen Wirtschaften spielt das    Wandels. Die Handwerkskammern
                                         Handwerk eine gewichtige Rolle,         und Innungen kümmern sich um
                                         etwa beim Einbau von effizienten        die Aus­ und Weiterbildung, nehmen
                                         Heizungen und Solaranlagen. Auch        Prüfungen ab und bieten Beratun­
                                         der klimafreundliche Bau und die        gen an.
                                         klimafreundliche Sanierung von
                                         Häusern ist ohne qualifiziertes Fach­   Welche Veränderungen es genau
                                Nach­    personal nicht zu schaffen.             braucht, damit das Handwerk den
                               wuchs                                             Wandel erfolgreich gestaltet, soll
                             zu ge­      Diese doppelte Herausforderung          im „Zukunftsdialog Handwerk“ ver­
                           winnen, ist   bietet aber auch Chancen. Die Be­       handelt werden. Der DGB, die Arbeit­
                        schwer. Die      triebe und ihre Beschäftigten           nehmervizepräsident*innen und
                    älteren Kolleg*in­   spüren, dass ihr Gewerk sich ver­       auch der ZDH haben sich einen sol­
               nen benötigen Be­         ändert und sich auch                    chen Branchendialog gewünscht.
         dingungen, die es ihnen er­     verändern muss.                         Dieser soll nicht nur auf der Spitzen­
lauben, in ihrem Beruf auch das          Zudem macht die                         ebene geführt werden, sondern
Rentenalter zu erreichen. Junge          Entwicklung nicht                       auch konkret vor Ort mit den Be­
Menschen hingegen suchen einen           vor der Selbst­                          schäftigten. Gemeinsam sollen
Arbeitsplatz, bei dem sie sich weiter­   verwaltung                                 die Zukunftsfragen adressiert und
entwickeln dürfen. Sie suchen            des Hand­                                    Lösungen gefunden werden.
Aufstiegsmöglichkeiten und möchten       werks                                          Der Startschuss für den
zugleich Arbeitsbedingungen vor­         Halt:                                            „Zukunftsdialog Handwerk“
finden, die ihnen ausreichend Zeit für                                                      soll im Rahmen der
Freunde und Familie lassen. Viele                                                             Internationalen Hand­
Handwerksbetriebe passen sich                                                                    werksmesse erfolgen,
diesen Bedürfnissen und Wünschen                                                                  die vom 8. bis 12.
bislang nur langsam an.                                                                             März 2023
                                                                                                      in München
Die Digitalisierung: Die Technik                                                                        stattfinden
wandelt sich rasend schnell, das                                                                           wird.
bedeutet zum einen, dass sich

                                                                                                                      3
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Gelungener Abschluss
                   Nach knapp dreijähriger Laufzeit
                   feierte der Verein Bundesarbeits­
                   kreis Arbeit und Leben Ende Novem­
                   ber in Berlin den erfolgreichen
                   Abschluss seines Bildungsprojektes
                   „PerSe Plus“. Bereits das Vorgän­
                   gerprojekt „PerSe – Perspektive
                   Selbstverwaltung“ hatte von 2017 bis
                   2020 das Ziel verfolgt, den Arbeit­
                   nehmervertreter*innen in den
                   Gremien der Selbstverwaltung des

                                                                                                                                        Denis Novikov / iStock
                   Handwerks bedarfsgerecht bei
                   ihrer ehrenamtlichen Arbeit zu unter­
                   stützen. Dazu zählten Bildungs­,
                   Qualifizierungs­ und Beratungsmaß­
                   nahmen, die die Ehrenamtlichen in
                   ihrer Rolle als aktive Gestalter*innen   „PerSe Plus“ half den Arbeitnehmervertreter*innen in der Selbstverwal­
                   des Strukturwandels im Handwerk          tung, sich einen Durchblick zu verschaffen.
                   adressierten. Der Strukturwandel hat
                   nicht allein mit dem Rückgang            nunmehr abgeschlossenen Nach­           Veranstaltung, dass „PerSe Plus“ ein
                   traditioneller Handwerksstrukturen       folgeprojekts wurden seit März 2020     gutes Beispiel für die Stärkung
                   zu tun, der zu einem unausge­            insgesamt 130 Veranstaltungen           der Demokratie, der Mitbestimmung
                   wogenen Gegensatz zwischen               an 46 der 53 deutschen Handwerks­       und des Ehrenamts durch Bildungs­
                   Kleinstbetrieben auf der einen und       kammern durchgeführt. Wie schon         arbeit sei. Michael Kellner, Parlamen­
                   großen Handwerkskonzernen auf            das Vorgängerprojekt wurde „PerSe       tarischer Staatssekretär im Bundes­
                   der anderen Seite führt. Auch der        Plus“ vom Bundesministerium für         ministerium für Wirtschaft und
                   demografische Wandel, die Digi­          Wirtschaft und Energie gefördert. Die   Klimaschutz, bedankte sich in seinem
                   talisierung und die Klimakrise fordern   Bundesgeschäftsführerin des             Grußwort bei dem Projektträger
                   seit geraumer Zeit die Identität des     Bundeskreises Arbeit und Leben,         für die geleistete Arbeit. Während
                   Handwerks heraus. Im Rahmen des          Barbara Menke, sagte auf der            Joachim Noll, Arbeitnehmervize­

                                                                                                       Seit März 2020 wurden
                                                                                                          im Rahmen von
                                                                                                         „PerSe Plus“ ins­
                                                                                                        gesamt 130 Veran­
                                                                                                         staltungen an 46
                                                                                                         der 53 deutschen
                                                                                                       Handwerkskammern
                                                                                                           durchgeführt.

                                                                                                    präsident der Handwerkskammer
                                                                                                    Koblenz, sagte, dass seine Kolleg­
                                                                                                    *innen und Kollegen im Ehrenamt
Arbeit und Leben

                                                                                                    auch in Zukunft Projeke wie „PerSe
                                                                                                    Plus“ bräuchten, regte Stefan Körzell,
                                                                                                    Mitglied des Geschäftsführenden
                                                                                                    DGB­Bundesvorstands, die Einrich­
                   Gespannt verfolgen die Teilnehmer*innen der Abschlussveranstaltung               tung eines weiteren Nachfolge­
                   die Vorträge.                                                                    projektes an.

                   4                                                                                                             Berichte
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Keine Macht der Manipulation:
                                                                                  Die Arbeitnehmervizepräsident­
                                                                               *innen sandten aus Regensburg ein
                                                                                   deutliches Signal gegen Rechts.

                                                                                                                                                 Felix Mittermeier / CC BY­SA 4.0
Gemeinsam gegen die Krise
Die Arbeitnehmervizepräsident­         das Handwerk mitten in einem            Arbeitnehmervizepräsident*innen
*innen der 53 Handwerkskammern         Transformationsprozess, der durch       durch den DHKT ausgezeichnet.
haben im Rahmen der diesjährigen       den demografischen Wandel, die          Der Präsident des DHKT, Hans Peter
Herbsttagung des Deutschen Hand­       Digitalisierung und die Transforma­     Wollseifer, und sein Vizepräsident
werkskammertags (DHKT) in              tion zu einer nachhaltigen und          Joachim Noll übergaben neun Eh­
Regensburg eine gemeinsame Re­         klimaneutralen Wirtschaft bestimmt      rennadeln in Silber für zehn Jahre im
solution verabschiedet. In der         werde. Am Ende des Papiers be­          Amt, vier Ehrennadeln in Gold für
„Regensburger Erklärung“ beleuchten    kräftigten die Arbeitnehmervertreter­   15 Jahre und drei Auszeichnungen
sie die aktuelle Situation wie auch    *innen ihre Bereitschaft, diese         in Gold mit Brillanten für 20 Jahre
die längerfristigen Herausforderun­    Herausforderungen anzugehen und         Engagement als Arbeitnehmervize­
gen, vor denen das Handwerk steht:     stellten sich dabei „ausdrücklich       präsident*in.
Die Betriebe und ihre Beschäftigten    gegen den Versuch einzelner Stimmen
litten unter der Inflation und         aus dem Handwerk, rechter Par­            Die „Regensburger Erklärung“ steht
den hohen Energie­, Rohstoff­ und      teien und Organisationen, Zukunft­      unter der folgenden Adresse zum
Materialpreisen. Handwerksbe­          sängste für populistische Zwecke        Download bereit:
triebe mit einem hohen Energiebe­      zu missbrauchen“.                       https://www.hwk­koblenz.de/
darf wüssten oft nicht, wie es           Im Rahmen der Tagung wurden           downloads/umdenken­jetzt­gemein­
weitergehen soll. Gleichzeitig stehe   auch zum ersten Mal langjährige         sam­gegen­die­krise­52,1683.pdf
                                                                                                                HWK Niederbayern­Oberpfalz

Bei der Tagung des DHKT kamen die Arbeitnehmervizepräsident*innen der Handwerkskammern zusammen.

Berichte                                                                                                                                     5
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Interview mit Thomas Erdmann über seine Arbeit als Arbeitnehmervizepräsident

„Man muss Konflikte aushalten können“
Thomas, du bist dienstältester           Wahlgängen nur mit den Stimmen             merinnen und Arbeitnehmer und
Vize. Wie kam es dazu, dass              der Arbeitnehmer gewählt wurde,            muss daher nicht von allen geliebt
du damals so jung in dieses Amt          hatte ich jetzt, bei meiner letzten        werden. Wenn man zweimal erfolg­
gewählt wurdest?                         Wahl, nur noch drei Gegenstimmen           reich einen Konflikt ausgetragen hat,
Ich bin begeisterter Gewerkschafter      von der Arbeitgeberseite. Wir sind         wird man stärker. Da man von den
und überzeugter Christ. Schon zu         als Ansprechpartner für die Themen         eigenen Leuten gewählt wird, ist man
DDR­Zeiten war ich ehrenamtlich          der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­          für deren Interessen zuständig. Wo
aktiv in der kirchlichen Jugendar­       nehmer bekannt und werden vom              sich diese Interessen mit denen der
beit. Kurz vor der Wende setzten wir     Vorstand und Hauptamt bei unseren          Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
die „Betriebsgewerkschaftsleitung“       Veranstaltungen unterstützt. Nach          überschneiden, kommen wir gerne
des Freien Deutschen Gewerkschafts­      15 Jahren Vorstandsarbeit hat man          zusammen – im Zweifel bin ich aber
bunds ab und wählten den ersten          mir sogar die goldene Ehrennadel           Arbeitnehmervertreter.
„freien“ Betriebsrat. Ich wurde          der Kammer Potsdam verliehen und
damals als stellvertretender Betriebs­   nun auch die Ehrennadel der Arbeit­
ratvorsitzender in unserem Auto­         nehmer [siehe Seite 5, Red.]. Es ist mir
                                                                                       „Damals wollte man
haus gewählt. Kurz danach wurde          jetzt manchmal etwas zu harmonisch.
mein Freund, der der Vorsitzende                                                       die Selbstverwaltung
des Betriebsrats war, als Handwerks­     Wo siehst du Synergien für die                des Handwerks ohne
sekretär von der IG Metall abge­         Zusammenarbeit mit Gewerk­                     Arbeitnehmerinnen
worben. So wurde ich Betriebsrat­        schaften?
vorsitzender und erbte sein Mandat       Ein Arbeitnehmervertreter ohne                  und Arbeitnehmer
als Kandidat für den Vize­Posten in      Gewerkschaftsunterstützung ist ein                  machen.“
der Kammer.                              zahnloser Tiger. Ich wurde vor über
                                         30 Jahren als Betriebsratsvorsitzender
                                         gekündigt. Da stand mir keine              Braucht es noch etwas?
    „Ohne Weiterbildung,                 Handwerksorganisation bei – nur            Lernbereitschaft und Interesse an
    Schulungen und Aus­                  meine Kollegen im Betrieb, die IG          Politik: Ein Betriebsrat ohne Schu­
                                         Metall und der DGB. So etwas vergisst      lung wird nicht erfolgreich sein. Ein
    tausch mit den Kolle­                man nie! Ohne Weiterbildung,               Arbeitnehmervertreter, der die
    ginnen und Kollegen                  Schulungen und Austausch mit den           Geschichte der Arbeiterbewegung
    stehst du alleine da.“               Kolleginnen und Kollegen stehst            nicht kennt, sollte das dringend
                                         du alleine da. Die Gewerkschaften          nachholen. Außerdem Spaß an der
                                         haben die Kompetenz, die wir               Kommunikation und die Freude
Hat sich die Arbeit in der Selbst­       brauchen. In der Kammer stoßen             am Zwischenmenschlichen – beim
verwaltung über die Jahre hinweg         sehr unterschiedliche Interessen           Diskutieren, Lernen und Feiern!
verändert?                               aufeinander. Was braucht ein Flei­
Absolut! In der Handwerkskammer          schergeselle? Welche Sorgen hat die
                                                                                                                       Michael Lüder

Potsdam wollte man die Selbst­           Kollegin im Autohaus? Was treibt
verwaltung damals ohne Arbeitneh­        einen angestellten Dachdeckermeis­
merinnen und Arbeitnehmer                ter um? Solche Fragen kann ich im
machen. Die haben also eine Voll­        Endeffekt nur sicher beantworten,
versammlung und einen Vorstand           wenn ich Kontakt zur zuständigen
ohne Arbeitnehmerbank gewählt.           Gewerkschaft habe. Oder zum DGB,
Die Unternehmerinnen und Unter­          der die Interessen aller seiner
nehmer haben uns vorgeworfen, wir        Mitglieder bündelt.
wollten den Sozialismus wieder
einführen und sie enteignen. Damals      Was sollten Ehrenamtliche mit­
gab es wilde Debatten, auch üble         bringen, wenn sie sich in der
Beschimpfungen und Leute, die            Selbstverwaltung des Handwerks               Thomas Erdmann,
demonstrativ den Raum verlassen          engagieren möchten?                          Arbeitnehmervizepräsident der
haben. Inzwischen ist die Lage           Man muss Konflikte aushalten                 Handwerkskammer Potsdam
ganz anders. Wo ich früher nach drei     können: Man vertritt die Arbeitneh­
6                                                                                                               Interview
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Akut Sanierungsstau

Die energetische Gebäudesanierung und
die Transformation im Handwerk
Fakten und Vorschläge
Wir befinden uns im Klimawandel.
Um ihm etwas entgegenzusetzen,
haben sich die Staaten der Welt mit
dem Pariser Klimaabkommen das
Ziel gesetzt, die globale Erwärmung
auf unter 2 Grad Celsius gegen­
über dem vorindustriellen Zeitalter
zu begrenzen. Aus dem Abkom­
men folgen verbindliche interna­
tionale Vereinbarungen. Auf euro­
päischer Ebene ist das etwa das
Paket „Fit for 55“. Damit hat die
Europäische Kommission im ver­
gangenen Jahr eine Richtlinie
für den Emissionshandel unter
anderem in den Bereichen Ge­
bäude und Verkehr eingeführt. Die

                                                                                                                 Visivasnc / iStock
Bundesregierung wiederum hat
sich mit dem Klimaschutzgesetz
das Ziel gesetzt, die Bundesre­
publik bis 2045 treibhausgasneut­
ral zu machen. Um dieses Ziel
zu erreichen, setzt das Gesetz        Der Gebäudebereich produziert           Sanierungsbedarf: Was ist
rechtlich verbindliche Zwischen­      etwa 28 Prozent des jährlichen          konkret zu tun?
etappen und Sofortmaßnahmen           CO2­Ausstoßes – inklusive der
für einzelne Bereiche fest. Die       Emissionen, die bei der Erzeugung       Gebäudehülle: Von gut 19 Millionen
Gesetze haben Auswirkungen auf        von Strom und Wärme sowie bei           Wohngebäuden sind nach wie vor
den Gebäudebereich.                   der Herstellung von Baustoffen an­      knapp zwei Drittel nicht umfassend
                                      fallen. Mehr als zwei Drittel des       energetisch saniert. Um die Klima­
                                      Gebäudebestands sind energetisch        ziele noch zu erreichen, muss sich
       Mehr als zwei                  sanierungsbedürftig. Zwei Prozent       die energetische Sanierungsrate
   Drittel des Gebäude­               der Bestandsgebäude sollen daher        verdoppeln.
                                      pro Jahr energetisch saniert
      bestands sind                   werden. Die Gebäude müssen mit          Solarstrom: Aus einer Studie des
    energetisch sanie­                einer Wärmedämmung ausge­               Bonner Forschungs­ und Beratungs­
     rungsbedürftig.                  stattet und die Heizungen auf klima­    unternehmen EUPD Research im
                                      neutrale Heiztechnik umgestellt         Auftrag des Solarstromanbieters
                                      werden. Wo es möglich ist, sollen sie   Lichtblick geht hervor, dass 10,8 Mil­
Welche Auswirkungen sind das?         mit Strom versorgt werden, der          lionen private Ein­ und Zweifami­
Was muss konkret saniert              CO2­neutral erzeugt wird. Das kann      lienhäuser hierzulande für Photovol­
werden? Warum gibt es einen           zum Beispiel mit einer Solaranlage      taik geeignet sind. Damit könnte
Sanierungsstau? Wie kann              auf dem Dach erfolgen. Das Sanie­       der Studie zufolge pro Jahr so viel
dieser behoben werden? Das            rungsziel wurde nun schon zwei          Strom erzeugt werden, wie durch
alles sind Fragen, für die die        Jahre in Folge nicht erreicht. Statt­   zehn mittlere Kohlekraftwerke. In den
Handwerkssektion des DGB in           dessen wurde jeweils nur knapp          Bestandsgebäuden müssen also da,
der vorliegenden Broschüre            ein Prozent des Gebäudebestands         wo es möglich ist, Solaranlagen
Antworten gibt und Vorschläge         saniert. Das hat verschiedene           installiert werden, um klimaneutralen
                                      Gründe. Einer der Gründe ist, dass      Strom zu erzeugen. Diese sollen
macht.
                                      im Handwerk Fachkräfte fehlen.          den Strom für Wärmepumpen liefern.

Arbeitspapier                                                                                                             7
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Wärmepumpen: Die Bundesregie­                                                      angeboten werden. So gaben bei
rung hat sich das Ziel gesetzt,                                                    einer Befragung des DGB­Index Gute
                                              Aktuellen Zahlen der
500.000 Wärmepumpen pro Jahr zu                                                    Arbeit vor zwei Jahren 54 Prozent
                                             Sozialkassen der Bau-
verbauen. Sie sollen Heizungen,                                                    der befragten Handwerksbeschäftig­
die mit Öl oder Gas betrieben werden,        wirtschaft zufolge sind               ten an, keine oder nur in geringem
ersetzen. Schon ab dem 1. Januar             bereits jetzt knapp die               Maße Weiterbildung erhalten zu
2024 soll möglichst jede neu ein­            Hälfte aller Beschäftigten            haben, wie eine Sonderauswertung
gebaute Heizung zu 65 Prozent mit            im Bauhauptgewerbe                    zu den handwerksnahen Berufen
erneuerbaren Energien betrieben              über 45 Jahre alt.                    belegte. Dabei ist das Thema Weiter­
werden.                                                                            bildung eines, das sich über Tarif­
                                              Rund 200.000 Be-                    verträge regeln ließe. Doch hier stößt
Energiemanagementsysteme: Die                schäftigte werden in den              man auf ein weiteres Problem:
Umstellung auf erneuerbare Ener­                                                   Nur noch 30 Prozent der Beschäftigten
                                             kommenden fünf bis
gien bedeutet im Gebäudebereich,                                                   arbeiten in Handwerksbetrieben
dass Strom eine viel größere Rolle
                                             zehn Jahren altersbedingt             mit einem Tarifvertrag. Die fehlende
spielt als bisher. Elektrofahrzeuge          aus diesem Gewerbe                    Tarifbindung im Handwerk wirkt
müssen geladen werden, Wärme­                ausscheiden.                          sich sehr negativ auf die Entlohnung
pumpen werden mit Strom betrieben.                                                 aus. So liegt der monatliche Lohn
Dafür braucht es Energiemanage­               Auch im Sänitär-                    im Schnitt 1.000 Euro unter dem der
mentsysteme wie „Smart Metering“             Heizungs-Klima-Hand-                  restlichen Wirtschaftszweige.
zur Überwachung und Steuerung                werk (SHK) ist die Ent-
der Energienutzung oder „Smart               wicklung im Hinblick auf                Im Moment wird außerdem viel
Grid“ für die Ladeeinrichtungen                                                    davon gesprochen, dass wir Zuwan­
                                             die anstehenden Aufga-
der Elektromobilität.                                                              derung brauchen, um genug Fach­
                                             ben bedenklich: Hier hat              kräfte zu gewinnen. Derzeit bereitet
Was sind die Ursachen für den                sich zwischen 2012                    das Bundeskabinett eine Reform
Fachkräftemangel?                            und 2021 die Zahl der Be-             des Einwanderungsrechts vor, unter
                                             schäftigten von 303.000               anderem schlägt es vor, die soge­
Eigentlich müssten die Zeiten für das        auf 275.000 und damit um              nannte Westbalkanregelung zu ent­
Handwerk golden sein. Und tat­               9,4 Prozent reduziert.                fristen. Bei der Westbalkanregelung
sächlich: Die Auftragsbücher sind voll.                                            handelt es sich um eine 2016
Was dem Handwerk fehlt, sind                                                       eingeführte Sonderregelung, die es
qualifizierte Fachkräfte. Die braucht       Die hohe körperliche Belastung in      Gastarbeiter*innen aus dem West­
es jedoch, und zwar nicht nur, um         den Bau­ und Ausbaugewerken wird         balkan bis vor zwei Jahren erlaubte,
die abertausenden Wärmepumpen,            damit zu einem immer wichtigeren         ein befristetes Arbeitsvisum in
Heizungsanlagen für CO2­neutrale          Thema. Die Betriebe müssen zum           Deutschland zu beantragen. Zuwan­
Brennstoffe, smarte Gebäudesteue­         einen sicherstellen, dass ihre älter     derung kann ein Teil der Lösung
rungen, Solarpanels und hochwer­          werdenden Kolleg*innen mög­              sein. Aber nur, wenn die zuwan­
tige Dämmungen, Fenster und Türen         lichst lange in ihrem Beruf arbeiten     dernden Fachkräfte in tariflich ent­
einzubauen. Sondern auch, um sie          können. Zum anderen sind sie mit         lohnte Arbeit kommen und feh­
einzustellen und zu warten, damit die     den Wünschen der jüngeren Kolleg­        lende Qualifikationen erwerben
Einsparungsziele auch erreicht            *innen konfrontiert, die nach Auf­       können. Es braucht eine Überarbei­
werden. Derzeit verlassen 60 Prozent      stiegsmöglichkeiten und Vereinbar­       tung des Fachkräftezuwanderungs­
der ausgebildeten Fachkräfte das          keit ihres Berufs mit Freunden und       gesetzes dahingehend, dass Ausbeu­
Handwerk wieder. Dem Zentralver­          Familie suchen. Der Vereinbarkeit        tung und Arbeit zu Dumpinglöhnen
band des Deutschen Handwerks              steht in den Handwerksbetrieben          unterbunden werden.
zufolge fehlen in den klimarelevanten     etwa die durchschnittliche Wochen­
Gewerken bereits heute 190.000 Fach­      arbeitszeit entgegen, die derzeit        Welche Rolle spielt Qualität in
kräfte. Dies hat nicht nur mit der        bei 40,6 Stunden liegt. 20 Prozent       der Fachkräftefrage?
hohen körperlichen Belastung              der Beschäftigten arbeiten sogar
insbesondere in den Bau­ und              mehr als 48 Stunden wöchentlich.         Damit die Transformation im Sinne
Ausbaugewerken zu tun, sondern            Teilzeitmodelle sind wenig verbreitet.   der Beschäftigten gestaltet wird,
auch mit den Arbeits­ und Entloh­                                                  müssen vor allem die kleinen und
nungsbedingungen. Hinzu kommt,              Auch mit der Weiterqualifizierung      mittleren Unternehmen im Hand­
dass die geburtenstarke Generation        ist es schwierig, da im Handwerk         werk viel mehr für die Aus­, Fort­ und
der sogenannten Babyboomer                Weiterbildungen seltener als in an­      Weiterbildung tun. Zum Beispiel
zunehmend das Rentenalter erreicht.       deren Bereichen der Wirtschaft           sollte eine Qualifizierung bei der

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Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Gebäude­ und Heizungstechnik            so zu gestalten, dass alle Beschäftig­   Anlagen der erneuerbaren Energien“.
erfolgen. Denn Kenntnisse, wie der      ten sie wahrnehmen können.               Ein weiterer Baustein ist eine
richtige Einbau von Wärmedämm­                                                   kostenfreie Meisterausbildung.
verbundsystemen oder klimaneutra­         Vor allem für Klein­ und Kleinst­      Wichtig dafür ist, den Unterhalt bei
len Heizungen, sind unerlässlich.       betriebe ist die flächendeckende         Teilzeitmaßnahmen zu fördern,
Neue Berufe, die so etwas leisten,      Umsetzung von Weiterbildungsmaß­         wenn zwischen Arbeitgeber und Be­
müssen in den Betrieben bekannt         nahmen eine besondere Heraus­            schäftigten eine befristete Teilzeit
gemacht werden. Ein Beispiel hierfür    forderung. Daher muss die Bundes­        vereinbart wird.
ist der Beruf der „Elektroniker*in      regierung hier entsprechende
für Energie­ und Gebäudetechnik“. Die   Regelungen schaffen und Program­           Neben den Rahmenbedingungen
überbetrieblichen Bildungsstätten       me fördern, in die wiederum die          für die Aus­, Fort­ und Weiterbildung
müssen so ausgestattet werden, dass     Sozialpartner einbezogen werden.         sind weitere konkrete Schritte für
sie diesen neuen Beruf vermitteln       Auch die bereits vorhandenen ge­         die Umsetzung der Klimaziele wichtig.
können. Ausbilder*innen in Betrieben    meinsamen Einrichtungen der Tarif­       So muss es eine bundeseinheitliche
und in den Bildungszentren des          vertragsparteien wie die Bildungsein­    Regelung mit verlässlichen Quali­
Handwerks sowie Berufsschulleh­         richtungen der Sozialpartner im          tätsstandards für die Fortbildung zum
rer*innen müssen dafür qualifiziert     Baubereich sollten hier einbezogen       „Gebäudeenergieberater“ geben.
werden, solche neuen Inhalte zu         werden. Branchen, in denen es            Bisher hat jede Handwerkskammer
vermitteln. Um diese Forderungen        bereits gute Weiterbildungsförde­        für diese Fortbildung eine eigene
umzusetzen, braucht es eine um­         rungen gibt, können als gutes            Fortbildungsordnung mit eigenen
lagefinanzierte Ausbildungsgarantie     Beispiel dienen – etwa das Gerüst­       Anforderungen verabschiedet. Da
sowie eine Ausbildungsoffensive.        bauhandwerk.                             künftig stärker Sanierungsfahrpläne
Hierfür könnten die existierenden                                                gefördert werden sollen, kommt
Spielräume in den Ausbildungs­            Des Weiteren sollten Aus­ und          den Gebäudeenergieberater*innen
ordnungen bei der Verkürzung und        Weiterbildungsangebote durch neue        eine zentrale Rolle zu, da sie diese
Anrechnung von Leistungen ge­           Zusatzqualifikationen und soge­          Fahrpläne erstellen sollen.
nutzt werden.                           nannte Update­Qualifizierungs­
                                        konzepte erweitert werden. Gute            Schließlich braucht es bessere Re­
  Die berufliche Fort­ und Weiterbil­   Beispiele aus der Praxis gibt es         gelungen zur Anerkennung von Be­
dung muss gestärkt werden. Das fängt    bereits, etwa das aktuelle SHK­Ein­      rufserfahrung. Das erlernte Wissen
bei den Rahmenbedingungen an:           satzgebiet „erneuerbare Energien         und Können muss nach gesetzlichen
Es braucht eine Gleichwertigkeit von    und Umwelttechnik“ oder die Schaf­       Regelungen erfasst werden. Diese
beruflicher und akademischer            fung einer neuen Zusatzqualifikation     gesetzlichen Regelungen müssen im
Ausbildung. Der Deutsche Qualifika­     „Wärmepumpen“. Die berufliche            Einklang mit bestehenden Bildungs­
tionsrahmen – ein Instrument zur        Fortbildung muss mit Laufbahnmo­         und Qualifizierungssystemen stehen.
Einordnung von Qualifikationen im       dellen ausgebaut werden, bei­            Auch die Anerkennungsverfahren
deutschen Bildungssystem – muss         spielsweise durch die Entwicklung        für ausländische Qualifikationen
stärker rechtlich verbindlich gemacht   einer „Servicetechniker*in zur           müssen bundesweit vereinheitlicht
werden. Es braucht ein Recht auf        Errichtung und Instandhaltung von        werden und leicht verständlich sein.
Weiterbildung. Das lebenslange
Lernen muss für Beschäftigte unab­
hängig davon, in welchem Betrieb
sie arbeiten, möglich sein. Hierfür
braucht es Weiterbildungsangebote,
die zugänglich sowie qualitativ
hochwertig sind und die berufliche
und persönliche Entwicklung för­
dern. Weiterbildung darf nicht vom
guten Willen der Arbeitgeber*innen
abhängen oder daran scheitern, dass
der Lebensunterhalt während der
Weiterbildungsphase nicht gesichert
ist. Deshalb muss das Recht auf
                                                                                                                    Roy Buri / Pixabay

Weiterbildungsfreistellung mit einer
Entgeltfortzahlung und Beratung
gesetzlich geregelt werden. Außer­
dem sind Weiterbildungsangebote

Arbeitspapier                                                                                                                9
Auftakt für den "Zukunftsdialog" - Jetzt tagt die Branche: Akut Sanierungs stau
Warum ist die Tariftreue so                       projekt Beteiligten. Es braucht eine           Was kann der „Zukunftsdialog
wichtig?                                          Plattform, auf der sowohl Handwerks­           Handwerk“ bewirken?
                                                  betriebe und Energieberater*innen
Ob SHK­Betrieb, Tischlerei oder                   als auch Genehmigungsbehörden und              Auch die Selbstverwaltung des Hand­
Dachdeckerei: am Ende wird es nur                 Fördermittelgeber*innen effizient              werks selbst muss einige Heraus­
möglich sein, die gesteckten Klima­               und fachübergreifend projektbezogen            forderungen bewältigen, um die
ziele zu erreichen, wenn es dem                   zusammenarbeiten können. Eine                  Handwerksbetriebe und ihre Be­
Handwerk gelingt, die nötigen Fach­               solche Austauschmöglichkeit würde              schäftigten in diesem Wandel zu
kräfte zu gewinnen und sie auch                   Doppelarbeiten verhindern und                  unterstützen. Das Personal in
dauerhaft im Handwerk zu halten.                  die Akteur*innen von unnötiger Büro­           den handwerklichen Bildungsstätten
Volle Auftragsbücher führen in vielen             kratie befreien.                               muss für die neuen Technologien
Handwerksbetrieben dazu, das                                                                     weitergebildet werden, die Bildungs­
Problem der Fachkräftesicherung                   Welche Maßnahmen zur Fach­                     stätten müssen ertüchtigt werden:
falsch einzuschätzen. Oft fehlt es                kräftesicherung gibt es noch?                  Wärmepumpen, Solaranlagen, digi­
nicht nur an Anreizen, die eigenen                                                               tale Stromzähler („Smart Meter“),
Mitarbeiter*innen weiterzubilden,                     Innungen und ihre Verbände                Elektrofahrzeuge und Weitere müssen
sondern auch an der Bereitschaft,                 müssen stärker in die Pflicht ge­              angeschafft werden. Bildungs­
Arbeitsbedingungen und Löhne über                 nommen werden, ihre jeweilige ge­              zentren müssen die Fertigkeiten ver­
faire Tarifverträge zu regeln. Des­               setzliche Aufgabe als Tarifverband             mitteln können, die es braucht,
halb schlägt der DGB vor, Tariftreue              wahrzunehmen. Die Leistungsfähig­              intelligente, digitalisierte Stromnetze
nicht nur bei der Vergabe von öffent­             keit von Innungen muss auch an                 („Smart Grids“) aufzubauen. Hinzu
lichen Aufträgen, sondern auch bei                der Wahrnehmung dieser Aufgabe                 kommt, dass auch in den Bildungs­
der Vergabe von Fördermitteln zur                 gemessen werden.                               zentren immer mehr Ausbilder*in­
Bedingung von Handwerksbetrie­                     „Ohne­Tarif“­Mitgliedschaften                nen das Rentenalter erreichen.
ben zu machen.                                    müssen auch in Arbeitgeberver­                 Auch hier werden also Fachkräfte
                                                  bänden abgeschafft werden.                     gebraucht.
  Für Auftraggeber*innen ist es oft                Die Allgemeinverbindlicher­
nicht transparent, wie Handwerks­                 klärung von Tarifverträgen muss                  Die Menge der beschriebenen Auf­
betriebe ihre Beschäftigten bezahlen              erleichtert werden.                            gaben und Herausforderungen
und mit welcher Qualität sie ihre                  Wer öffentliche Aufträge vom                 erfordert eine klare Abstimmung
Leistungen erbringen. Der DGB schlägt             Staat erhält, muss tarifgebunden               zwischen allen wesentlichen Ak­
deshalb vor, die Unternehmen vor­                 sein, ausbilden und ein Weiterbil­             teur*innen. Hierfür ist ein „Zukunfts­
ab zu überprüfen und sie in einer Po­             dungskonzept für die Beschäftigten             dialog Handwerk“ geplant. Der
sitivliste zu erfassen. Gleichzeitig              besitzen.                                      DGB wird sich hier einbringen mit
soll bei den Förderprogrammen für                  Der Gesetzgeber kann über das                dem Ziel, gemeinsam mit der
energetische Sanierungsmaßnah­                    Steuerrecht die Attraktivität von              Politik und den Handwerksorganisa­
men die Tarifbindung der ausführen­               Tarifverträgen stärken, zum Beispiel           tionen Lösungen zu finden. Gute
den Betriebe eine Bedingung sein.                 indem er Steuerbefreiungen für                 Beispiele gibt es bereits: So zeigen
Besonders für die kleinen Hausbesit­              tarifvertraglich vereinbarte Zusatz­           das gemeinsame Sozialpartner­
zer*innen wäre eine Positivliste                  leistungen und Aufstockungen                   papier der IG Metall oder die jahr­
mit nur geringem bürokratischen                   anbietet. Damit können Anreize für             zehntelange Umlagefinanzierung
Aufwand verbunden.                                Unternehmen und Beschäftigte                   im Bereich des Bauhauptgewerbes,
  Wichtig ist auch eine bessere Ver­              für einen Verbands­ bzw. Gewerk­               dass sozialpartnerschaftlich viel
netzung aller an einem Sanierungs­                schaftsbeitritt gesetzt werden.                zu erreichen ist.
 Impressum

             Handwerksinfo Juli 2022, 37. Jahrgang / Ausgabe Nr. 1, Juli 2022
             Herausgeber: DGB­Bundesvorstand, Handwerkspolitik, Henriette­Herz­Platz 2, 10178 Berlin,
             Telefon: 030 – 2 40 60 ­768, Telefax: 030 – 2 40 60 ­677, E­Mail: handwerk@dgb.de, Internet: www.handwerk.dgb.de
             Verantwortlich: Stefan Körzell
             Redaktion: Silvia Grigun, Janosch Tillmann und Martin Brandt
             Konzept und Gestaltung: Christiane Bischoff, www.fraubischoff.de
             Druck und Vertrieb: DCM
             Bei Adress­ und Abonnementänderungen bitte E­Mail an handwerk@dgb.de oder telefonisch unter 030 – 2 40 60 ­306
             Copyright der Fotos: Seite 15: Thomas Bolbeth: HWK Schwerin, Jens Roost: HWK Ostmecklenburg­Vorpommern,
             Hans­Ulrich Kunz: HWK Dresden, Martin Kitzhofer: HWK Hannover, alle weiteren Bildrechte sind an den Abbildungen vermerkt

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Gemeinsames Engagement
Der DGB und das Kolpingwerk                  Ohne Mitbestimmung, so die Ver­        genen Novelle der Handwerksord­
Deutschland haben sich in ihrem            bände, kann das Handwerk die             nung wurden die Innungen er­
jüngsten Eckpunktpapier auf                Fragen der Zukunft nicht im Sinne        mutigt, ihre Aufgaben als Tarifpartner
Positionen für ihr Engagement im           aller Beteiligten beantworten.           wahrzunehmen und Tarifverträge
Handwerk geeinigt.                         Arbeitnehmervertreter*innen ge­          abzuschließen. Damit Tarifpartner­
                                           stalten die Rahmenbedingungen,           schaft im Handwerk funktioniert,
Diese Zusammenarbeit hat Tradi­            in denen das Handwerk arbeitet, an       braucht es leistungsfähige Innungen.
tion: In vielen Handwerkskammern           vielen Stellen mit. Sie können ihre      Die Leistungsfähigkeit bemisst
stellen der DGB und der katholische        Sichtweise einbringen und so dazu        sich aus Sicht der
Sozialverband Kolpingwerk Deutsch­         beitragen, das Handwerk zukunfts­        beiden Verbände
land seit Langem gemeinsame                fest zu machen. Für die Zukunftsfähig­   nicht nur
Listen auf, um die Sitze auf der Arbeit­   keit des Handwerks ist es wichtig,
nehmerbank der Vollversammlun­             junge Kolleg*innen für die Arbeit
gen zu besetzen. In den vergangenen        in den Kammern und
Jahren ist darüber hinaus eine             Innungen zu
vertrauensvolle Zusammenarbeit             gewinnen.

auch bei der Betreuung der ehren­            Gleichzeitig
amtlichen Arbeitnehmervertreter­           nehmen der DGB
*innen entstanden. Auch im Bereich         und das Kolpingwerk das abneh­
                                                                                    Der DGB und das
des Prüfungswesens arbeiten                mende Interesse an der dualen
                                                                                    Kolpingwerk wollen
beide Verbände eng und vertrauens­         Ausbildung im Handwerk ernst. Denn
                                                                                    die Transformation
voll zusammen. Mit dem neuen Eck­          wenn dem Handwerk der Nach­
                                                                                    gemeinsam meistern.
punktepapier „Die Arbeitenden              wuchs fehlt, kann es keine Zukunft
Menschen im Mittelpunkt“ wird dieser       der jeweiligen Gewerke geben.

                                                                                                                             Anna Semenchenko / iStock
Zusammenarbeit ein weiterer Bau­           Vor allem junge Menschen mit beson­      daran, ob eine Innung Prüfungen
stein hinzugefügt. Der DGB und das         deren Unterstützungsbedarfen             abnehmen kann. Sie bekräftigen,
Kolpingwerk stellen darin die Wei­         müssten daher den Verbänden zu­          dass der Abschluss von Tarifver­
chen für die Zukunft des Handwerks.        folge besser bei einer Ausbildung        trägen zu den zentralen Aufgaben
                                           unterstützt werden. Auch geflüchtete     von Innungen gehört. Die Leis­
                                           Menschen sollten aktiv integriert        tungsfähigkeit von Innungen sollte
   Ohne Mitbestimmung                      werden, unter anderem durch den          deshalb auch daran gemessen
                                           Ausbau von Sprachförderungen.            werden, ob Tarifverträge abge­
    kann das Handwerk                                                               schlossen werden. Daher sollte der
      die Fragen der                         Um den Auswirkungen des Fach­          Verlust des Körperschaftsstatus
     Zukunft nicht im                      kräftemangels entgegenzuwirken           die Antwort auf die Vermeidung von
                                           und das Handwerk für junge Men­          Tarifabschlüssen sein.
   Sinne aller Beteiligten                 schen attraktiver zu gestalten,
       beantworten.                        sehen es die Verbände als erforder­        Um mehr Frauen für die Arbeit
                                           lich an, die Tarifbindung zu erhöhen.    im Handwerk zu interessieren,
                                           Dazu gehört die Aushandlung              müssen auch mehr Frauen für die
  In den fünf Bereichen Mitbestim­         guter Arbeitsbedingungen und guter       Selbstverwaltung gewonnen
mung, Ausbildung, Tarifpartner­            Bezahlung, außerdem brauche es           werden. Nur wenn sie in der Selbst­
schaft, leistungsfähige Innungen und       Übernahmegarantien und Aufstiegs­        verwaltung ihre Perspektive ein­
Stärkung der Frauen zeigen sie in          chancen. Schließlich wanderten           bringen können und ihre besonderen
dem Papier auf, welche Hauptaufgabe        60 Prozent der ausgebildeten Ge­         Interessen vertreten, kann die
sie für das Handwerk sehen:                sell*innen aus dem Handwerk ab,          Attraktivität des Handwerks für
nämlich die Transformation der             schreiben sie in dem Papier.             junge und gut qualifizierte Frauen
Branche zu gestalten, ohne die                                                      deutlich steigen. Daher machen es
Belange der Beschäftigten aus den           Beide Verbände sehen hier ein           sich die beiden Verbände zur Auf­
Augen zu verlieren.                        Bundestariftreuegesetz als einen         gabe, Frauen in den Gremien der
                                           wichtigen Baustein. In der vergan­       Selbstverwaltung zu stärken.

                                                                                                                       11
Interview mit Mary Zamalloa-Eckert über ihre Tätigkeit als Arbeitnehmervertreterin

„Ich war neugierig und habe zugesagt“
Seit wann engagierst du dich in der       im Tarif­ und Frauenausschuss. Die
Handwerkskammer?                          NGG hat mich vor der letzten Hand­
Ich wurde 2019 in die Vollversamm­        werkskammerwahl angesprochen,
lung und bei deren konstituierender       ob ich mir vorstellen könne, als
Sitzung direkt in den Vorstand der        Arbeitnehmervertreterin zu kandi­
Handwerkskammer gewählt. Der Vor­         dieren. Da war ich neugierig und
stand führt die Kammer, er bereitet       habe zugesagt.
die Sitzungen der Vollversammlung
vor und setzt die Beschlüsse der          Warum engagierst du dich in der
Vollversammlung um. Er hat ver­           Handwerkskammer?

                                                                                                                        Handwerkskammer Berlin
schiedene Arbeitsgruppen, ich bringe      In erster Linie, weil ich hier an meine
mich in die Arbeitsgemeinschaft           Erfahrungen als Betriebsrätin und
„Frauen im Handwerk“ und in die           Ausbilderin in unserem Bäckerei­
Öffentlichkeitsarbeit ein.                betrieb anknüpfen kann. Außerdem
                                          kann ich durch meine Arbeit in der
                                          Handwerkskammer auf einer über­
     „In der Handwerks­                   geordneten Ebene darauf hinwir­             Mary Zamalloa­Eckert,
                                          ken, dass sich die Bedingungen für          Ausbilderin und Betriebsrätin
      kammer kann ich                     die Auszubildenden verbessern.              bei einem Bäckereibetrieb
      darauf hinwirken,                   Zum Beispiel setze ich mich dafür ein,      und Vorstandsmitglied der
       dass sich die Be­                  dass es für sie in der Berufsschule         Handwerkskammer Berlin
                                          Blockunterricht gibt. Ich bin davon
      dingungen für die
                                          überzeugt, dass sie den Lernstoff
       Auszubildenden                     damit besser aufnehmen und einüben        „PerSe“ und „PerSe PLUS“, hat mir
         verbessern.“                     können.                                   hier sehr geholfen.

                                          Was wünschst du dir für deine             Was ist aus deiner Sicht wichtig
Wie war es für dich, dich im Vor­         Arbeit in der Handwerkskammer?            für die Arbeit in der Handwerks­
stand zu engagieren?                      Zuallererst bessere Freistellungs­        kammer?
Am Anfang war alles neu und ich           regelungen. Im Moment fließt viel         In unserer Kammer gibt es ein Mitein­
musste erst einmal verstehen, was         Freizeit in mein Engagement. Ich          ander von Arbeitgeberseite und
unsere Aufgaben in der Vollver­           möchte aber beides: sowohl mich           Arbeitnehmerseite. Das halte ich für
sammlung und im Vorstand sind.            engagieren können als auch Zeit           die Arbeit sehr wichtig. Dasselbe gilt
Dann kam die Coronapandemie,              für mein Familienleben haben. Ein         für die Vernetzung mit Kolleginnen
weshalb vieles nicht mehr wie ge­         weiterer Wunsch sind mehr Schu­           und Kollegen aus den anderen
plant stattfinden konnte. Für die         lungen. Als Betriebsrätin habe ich        Kammern – schließlich kann man
Arbeit in der Handwerkskammer war         Schulungsangebote wahrgenommen            von denen viel lernen und neue
das eine Belastungsprobe; es war          und dabei vieles etwa über das            Ideen für die Arbeit in der eigenen
schwer, den Kontakt zu den Kolleg­        Betriebsverfassungsgesetz und das         Kammer erhalten.
innen und Kollegen auf der Arbeit­        Arbeitsrecht gelernt. Das ist ohne
nehmerbank aufrechtzuerhalten.            Frage ein wichtiges Rüstzeug für
                                          meine Arbeit als Betriebsrätin.               „Im Moment fließt
Wie kam es dazu, dass du gewählt          Wenn es ein Problem gibt, kenne               viel Freizeit in mein
wurdest?                                  ich die Rechtsgrundlage und
Ich bin schon länger gewerkschaft­        habe eine Vorstellung davon, wie
                                                                                         Engagement. Ich
lich aktiv, zum Beispiel bin ich in der   man zu einem guten Ergebnis für              möchte aber beides:
dritten Wahlperiode Betriebsrätin         die Beschäftigten kommt. Solche               sowohl mich enga­
bei einer Bäckerei. Seit ungefähr drei    Schulungsangebote wünsche ich mir              gieren können als
Jahren habe ich dort auch den             auch für die Arbeit in der Kammer.
Vorsitz inne. In der Gewerkschaft         Die Teilnahme an Seminaren des               auch Zeit für mein Fa­
Nahrung­Genuss­Gaststätten (NGG)          Bildungsprojekts zur Stärkung der            milienleben haben.“
engagiere ich mich unter anderem          Selbstverwaltung im Handwerk,
12                                                                                                             Interview
Gute Ausbildung sichert Fachkräfte
Ende August hat die DGB­Jugend        wortung für eine Gute Ausbildung zu       berufen verdienen deutlich weniger
ihren jährlichen Ausbildungs­         sorgen. Anderenfalls stimmen die          als ihre Kolleg*innen: Während ein
report veröffentlicht. Eine interne   jungen Leute mit ihren Füßen ab und       Auszubildender im Handwerk im
Sonderauswertung zeigt, dass          es fehlen noch mehr Fachkräfte“,          dritten Lehrjahr im Schnitt 818 Euro
die Ausbildungsbedingungen im         so Becker weiter.                         Ausbildungsvergütung erhält, sind
Handwerk weiterhin schlechter                                                   es in den 25 häufigsten im Ausbil­
abschneiden im Vergleich zu denen     Unbezahlte Überstunden, fehlende          dungsreport erfassten Ausbildungs­
der anderen im Report erfassten       Qualitätskontrolle und schlechtere        berufen fast 150 Euro mehr (963€).
Berufe.                               Vergütung
                                      Auszubildende im Handwerk müssen          Praktikumsplätze werden
Nalasch lernt Fachverkäuferin         deutlich häufiger Überstunden             wichtiger
im Lebensmittelhandwerk im ersten     machen als in anderen Branchen.           Angesichts fehlender Fachkräfte wird
Ausbildungsjahr. Auf dem Be­          Doch nicht nur das: Fast jede*r siebte    eine gute und umfassende Beruf­
ratungsportal der DGB­Jugend,         (15,2%) Auszubildende in den              sorientierung für das Handwerk
www.doktor­azubi.de, schreibt sie:    Handwerksberufen gibt an, keinen          immer wichtiger. Eine große Rolle
„Einen Ausbildungsrahmenplan          Ausgleich für diese Überstunden           spielen dabei Praktika. Verglichen
habe ich noch nie gesehen und ein     zu erhalten. Das ist ein klarer Verstoß   mit dem Durchschnitt aller Ausbil­
Ausbilder ist zwar benannt, aber      gegen das Berufsbildungsgesetz.           dungsberufe gaben deutlich mehr
nicht wirklich erreichbar“. Nalasch   Im Durchschnitt aller befragten Aus­      Auszubildende im Handwerk „gute
ist kein Einzelfall.                  bildungsberufe waren es hingegen          Erfahrungen aus dem Praktikum“
                                      nur 11,6 Prozent.                         als ein zentrales Berufswahlkrite­
  Ende August hat die DGB­Jugend                                                rium an. Am wichtigsten war
in Berlin die Ergebnisse ihres          Deutlicher Nachholbedarf zeigt          den jungen Menschen jedoch das
jährlichen Ausbildungsreports der     sich außerdem in der Ausbildungs­         „Interesse am Beruf“.
Öffentlichkeit präsentiert. Von
den insgesamt 14.428 im Report be­
fragten Auszubildenden wurden
3.664 Auszubildende in handwerks­
                                             „Die Betriebe stehen in der Verantwortung
nahen Berufen gesondert unter­            für eine Gute Ausbildung zu sorgen. Anderenfalls
sucht. Bei einem Vergleich der                 werden noch mehr Fachkräfte fehlen“.
Zahlen des Reports mit den intern
erhobenen Zahlen der Auszubil­
denden im Handwerk wird schnell                Kristof Becker, DGB­Bundesjugendsekretär
klar: Bei den Bedingungen und
der Qualität der Ausbildung gibt es
in den handwerklichen Berufen         qualität: Über die Hälfte der Aus­          Darüber hinaus gaben deutlich
vielfach noch immer großen Nach­      zubildenden im Handwerk (51,7%)           mehr Auszubildende im Handwerk
holbedarf. Die Schere zwischen        besitzt keinen betrieblichen Aus­         (46,9%) an, ihren Ausbildungs­
den Handwerksberufen geht dabei       bildungsplan, obwohl dieser gesetz­       betrieb bereits während der Schulzeit
immer weiter auseinander:             lich vorgeschrieben ist (Ausbil­          kennengelernt zu haben, als im
Während angehende Maler*innen         dungsreport: 34,5%). Sie können           Schnitt aller untersuchten Ausbil­
bzw. Lackierer*innen und Anlagen­     dadurch den eigenen Lernfortschritt       dungsberufe (34,9%). „Die Ergeb­
mechaniker*innen deutlich zu­         nicht überprüfen. Das stimmt              nisse zeigen, dass die Handwerks­
friedener mit ihrer Ausbildung sind   nachdenklich, auch weil im Hand­          Betriebe gut daran tun würden,
als noch vor zwei Jahren, bewerten    werk mehr Auszubildende angeben           Praktikumsplätze auszuweiten und
Bäcker*innen und Friseur*innen ihre   „immer“ oder „häufig“ ausbil­             deutlich präsenter zu werden“,
Ausbildung hingegen schlechter.       dungsfremde Tätigkeiten erledigen         mahnt Becker. So können sie junge
                                      zu müssen (15,4%).                        Menschen für eine Ausbildung im
  „Trotz einzelner Verbesserungen                                               Handwerk gewinnen.
zeigt der Ausbildungsreport erneut     Fehlen attraktive Vergütungen, ist
die Probleme in der dualen Berufs­    es verständlich, dass sich junge          Der Ausbildungsreport steht unter
ausbildung“, sagt DGB­Bundes­         Menschen gegen eine Ausbildung im         der folgenden Adresse zum Down­
jugendsekretär Kristof Becker. „Die   Handwerk entscheiden. Die befragten       load bereit: https://jugend.dgb.de/
Betriebe stehen hier in der Verant­   Auszubildenden in den Handwerks­          ausbildungsreport­2022.

                                                                                                                  13
Blick in die Zukunft                                                             strukturelle Herausforderungen ein.
                                                                                 Dabei sagte er, dass der Direktvertrieb
Seit drei Jahren bringt die IG Metall   mitglied der IG Metall, begrüßte die     der Hersteller die Branche weiter
Arbeitnehmervertreter*innen aus         Kolleg*innen, skizzierte die aktuellen   konsolidieren und die gleichzeitige
dem Kfz­Handwerk mit Wissenschaft­      Herausforderungen der Branche            Umstellung von Mobilitätsanforde­
ler*innen, Branchenvertreter*innen      und betonte die Wichtigkeit der Kfz­     rungen die Branche nachhaltig ver­
und Praktiker*innen aus dem Auto­       Tarifrunde im kommenden Jahr.            ändern werde. Im Anschluss pro­
haus zusammen. Im Mittelpunkt           Im anschließenden Vortrag ging der       bierten die Teilnehmer*innen die
dieses Austauschs steht der Blick der   Geschäftsführer der „Zukunftswerk­       neuesten Anwendungen aus und dis­
Arbeitnehmer*innen auf die Trans­       statt“, Prof. Dr. Benedikt Maier, auf    kutierten ihre Eindrücke und Ideen
formation des Autohausgeschäfts.        zukünftige Geschäftsmodelle sowie        bezüglich des „Autohaus der Zukunft“.
Am 20. September nutzten rund
60 Kolleg*innen aus Vertrieb und
Service die Möglichkeit dieses Ge­
sprächsrahmens und besuchten
die „Zukunftswerkstatt 4.0“ in Ess­
lingen, um sich dort über neue
Systeme und innovative Technolo­
gien zu informieren. Das im ver­
gangenen Jahr eröffnete Objekt bildet
realitätsgetreu Autohausstrukturen
nach und dient als Schulungszent­

                                                                                                                    IG Metall
rum und Testlabor für das Kfz­
Gewerbe der Zukunft. Ralf Kutzner,
geschäftsführendes Vorstands­           60 Kolleg*innen folgten der Einladung ins „Autohaus der Zukunft“

Auftrag? Angenommen!                                                             weise ein schneller Internetzugang
                                                                                 zu einem Grundrecht erklärt wird.
Der Neubau günstigen Wohnraums,         Dieser fand vom 26. bis 29. September    Auch die Fachkräftefrage wurde dis­
eine sozialverträgliche Klimapolitik,   unter dem Motto „Auftrag Zukunft“        kutiert: „Wir werden über das Thema
eine gemeinwohlorientierte Digitali­    in Kassel statt.                         Arbeitszeit reden! Das kommt ab
sierungsstrategie und flexiblere          Was den Wohnraum angeht, müss­         sofort ganz oben auf die Agenda“,
Arbeitszeiten: Das waren die wich­      ten rund 400.000 Wohnungen im Jahr       sagte Carsten Burckhardt, Bundes­
tigsten Forderungen, die die rund       gebaut werden, um das derzeit be­        vorstandsmitglied der IG BAU.
300 Delegierten der Industriegewerk­    stehende Defizit abzubauen. Dabei        Wichtig seien eine flexiblere Arbeits­
schaft Bauen­Agrar­Umwelt (IG BAU)      gehe es nicht nur um den Neubau,         zeitgestaltung und auch Verkürzun­
während ihres 23. Ordentlichen Ge­      sondern auch um die Umnutzung von        gen der Arbeitszeit, damit Väter und
werkschaftstages aufgestellt hatten.    gewerblichen Immobilien. Zusätz­         Mütter mehr Zeit für die eigene
                                        lich fehlten etwa 100.000 geförderte     Familie hätten. Burckhardt zufolge
                                        Sozialwohnungen. Die IG BAU be­          sollten die Beschäftigten der Bau­
                                        kannte sich auf ihrem Gewerkschafts­     wirtschaft besser geschützt und die
                                        tag darüber hinaus eindeutig zum         Arbeitsbedingungen an den Klima­
                                        Pariser Klimaabkommen, dessen Ziel       wandel angepasst werden. Er ver­
                                        es ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad    weist dabei auf eine bereits existie­
                                        zu begrenzen. Allerdings sei es un­      rende Regelung in der Dachdecker­
                                        umgänglich, dass diese Transformati­     branche, in der es für ausgefallene
                                        on sozialverträglich vonstattengeht,     Stunden wegen zu großer Hitze
                                        das heißt Klimaschutz und Soziales       einen Ausgleich gibt. Diese müsse
                                        nicht gegeneinander ausgespielt          aber ausgebaut und auf andere Out­
                                        werden. Schließlich sprachen sich die    door­Branchen ausgeweitet werden.
                                        Delegierten für eine Digitalisierungs­   Diese Vorhaben würden unter ande­
IG BAU

                                        strategie der Bundesregierung aus, die   rem helfen, den Fachkräftemangel
Carsten Burckhardt, Bundes­             am Gemeinwohl orientiert ist. Da­        in der Bauwirtschaft und Baustoffin­
vorstandsmitglied der IG BAU            runter verstanden sie, dass beispiels­   dustrie nachhaltig anzugehen.

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Hans-Böckler-Medaille
                                                                      für Werner Baas
                                                                      Werner Baas wurde für seinen langjährigen
                                                                      Einsatz als Arbeitnehmervertreter der Vollversamm­
                                                                      lung der Handwerkskammer Freiburg, seine
                                                                      Arbeit als deren Vizepräsident und als Vorstands­
                                                                      mitglied des DHKT auf dem 23. Ordentlichen
                                                                      Gewerkschaftstages der IG BAU mit der Hans­
                                                                      Böckler­Medaille ausgezeichnet. Die Handwerks­
                                                                      arbeit der IG BAU prägte er damit maßgeblich.
IG BAU

                                                                      Die Medaille ist die höchste Auszeichnung der
         Werner Baas (rechts) bei der Verleihung der Medaille         Gewerkschaften in Deutschland.

Wahl der Arbeitnehmervizepräsident*innen
                                                                                              Jens Roost
Herzlichen Glückwunsch!                                                                       HWK Ostmecklenburg­
                                                                                              Vorpommern
In schwierigen Zeiten wie diesen ist eine gute Zusammen­                                      wiedergewählt
arbeit in der Selbstverwaltung des Handwerks umso                                             am 2. April 2022
wichtiger, um sich angesichts der gesellschaftlichen Heraus­
forderungen nicht spalten zu lassen. Diese Zusammen­
arbeit wäre ohne das ehrenamtliche Engagement aller
Mitglieder undenkbar. Wir gratulieren Thomas Heinz                                            Thomas Bolbeth
zu seiner Neu­ sowie Jens Roost, Thomas Bolbeth und
Hans­Ulrich Kunz zu ihrer Wiederwahl als Arbeitneh­                                           HWK Schwerin
mervizepräsidenten. Wir wünschen Euch viel Kraft für                                          wiedergewählt
die Fortsetzung Eures Engagements!                                                            am 15. Juni 2022

                           Thomas Heinz                                                       Hans­Ulrich Kunz
                           HWK Frankfurt­Rhein­
                                                                                              HWK Dresden
                           Main
                                                                                              wiedergewählt
                           neu gewählt
                                                                                              am 1. Juni 2022
                           am 16. November 2022

                  Am 13. November ist Martin Kitzhofer, langjähriger Vizepräsident
        Nachruf

                  der Arbeitnehmerseite, plötzlich und unerwartet verstorben.
                  Martin Kitzhofer hatte sich von 2009 bis 2019 als Vizepräsident der
                  Handwerkskammer Hannover engagiert für die Belange des Hand­
                  werks eingesetzt. Bereits seit 2004 war er in deren Vorstand aktiv.
 Impressum

                  Obwohl er im Frühjahr 2019 nicht mehr zur Wahl des Vizepräsiden­
                  ten angetreten war, arbeitete er bis zuletzt im Vorstand der Kammer.
                  Sein herausragendes Wirken im Dienste des Handwerks wird in
                  ehrendem Andenken behalten werden. Schließlich ist es ganz und
                  gar nicht selbstverständlich, neben dem normalen Arbeitsalltag
                  ein so hohes Maß an ehrenamtlicher Arbeit zu leisten wie dies
                  Martin Kitzhofer getan hat.

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