Die neue SteiriSche Suchtpolitik - Fachstelle für ...
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Die neue Steirische Suchtpolitik inhalt 01 vorwort 04 sounding board 05 QUO VADIS, SUCHTPOLITIK? 06 ZEHN LEITLINIEN STEIRISCHER SUCHTPOLITIK 07 LEITLINIE 1: ORientierung am Schadenspotenzial und An der tatsächlichen Problemlast von Substanzen oder Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 09 LEITLINIE 2: Prävention durch strukturelle MaSSnahmen in allen Politikfeldern 11 LEITLINIE 3: differenzierte zielgruppenorientierung 13LEITLINIE 4: Inhaltliche Ausweitung der Suchtpolitik auf psychoaktive Medikamente, substanzungebundene Süchte und Verhaltensweisen sowie Produkte zur Optimierung der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit 15 LEITLINIE 5: Angebotssteuerung 17 LEITLINIE 6: Sicherstellung eines differenzierten und integrierten Hilfsangebots 19 LEITLINIE 7: Öffnung der medizinischen und psychosozialen Regelversorgung für die Betroffenen 21 LEITLINIE 8: Regionalisierung und wohnortnaher Ausbau der Suchthilfe 23 LEITLINIE 9: Evidenzbasierte Suchtpolitik 25 LEITLINIE 10: Aktive Suchtpolitik 26 ZIELE UND MASSNAHMEN FÜR DIE UMSETZUNG DER NEUEN STEIRISCHEN SUCHTPOLITIK 26 Ziel 1: Suchtprävention 28 Ziel 2: Suchthilfe 31 Ziel 3: steuerung 32 impressum 32 Quellenverzeichnis
v o r w o r t Mag.a Kristina Edlinger-Ploder Landesrätin für Wissenschaft & Forschung, Gesundheit und Pflegemanagement 01 S t a r k f ü r d a s L e b e n m a che n Gesellschaftliche Veränderungen, neue Gegebenhei- feld erheblich belastet. Die Betroffenen haben wie ten und ein sich stetig änderndes Umfeld machen alle anderen Patienten und Patientinnen ein Recht eine auf modernsten Erkenntnissen basierende An- auf qualitative Behandlung, Begleitung, Beratung, passung der Suchtpolitik notwendig. In zeitlich und Betreuung und Rehabilitation, die dem gegenwär- inhaltlich intensiver Beschäftigung mit dem Thema tigen Wissen entsprechen. Die neue Suchtpolitik haben Politik und ausgewiesene Fachleute ein um- zielt darauf ab, die speziellen Angebote der Sucht- fassendes Konzept mit dem Titel „Die neue Steirische hilfe regional auszubauen und durch eine stärkere Suchtpolitik“ erarbeitet. Einbeziehung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie stationären Einrichtungen zielgenau zu Von der neuen Steirischen Suchtpolitik profitieren ergänzen. alle Steirerinnen und Steirer, denn sie zielt zuallererst auf den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung Die Maßnahmen, die im Rahmen der neuen Steiri- ab. Schutz und Sicherheit können erhöht werden, schen Suchtpolitik gesetzt werden, stehen im Ein- wenn die Anzahl jener Menschen sinkt, die in einer klang mit den Problemlagen vor Ort und unseren problematischen Art und Weise konsumieren oder gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Sie rechtfer- bereits abhängig sind. tigen ihren Mitteleinsatz und sollen infolge eines gut abgestimmten Vorgehens der Akteure zu einer Zur vordringlichen Aufgabe wird dabei die Prävention, nachhaltigen Verbesserung der Gesundheit in der die darauf abzielt, Kinder und Jugendliche stark fürs Steiermark beitragen. Leben zu machen. Den Herausforderungen der dyna- mischen Suchtproblematik muss auch in vielfältigen In keinem anderen Bereich ist die Arbeit mit Betrof- politischen Entscheidungen entsprochen werden. Als fenen so diffizil und komplex, sind auch kleine und Gesundheitslandesrätin möchte ich konsequent auf kleinste Erfolge und Fortschritte so schwer erarbeitet das große Schadenspotenzial der legalen Substan- und erkämpft. Daher gilt mein ganz ausdrücklicher zen und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial einge- Dank all jenen Menschen und Einrichtungen, die sich hen: Das sind in erster Linie Alkohol, Tabak und Me- aufopfernd und mit großer Ernsthaftigkeit der Be- dikamente, dazu gehören aber auch Spielsucht und handlung und Heilung von Suchtkranken oder der Internetsucht. Eine stärkere Verpflichtung von Her- Prävention widmen. stellern, Vertriebsorganisationen und Verkäufern von Produkten mit Schadens- und Suchtpotenzial kann Ich wünsche mir, dass alle, die sich nur von Fall zu Fall erreicht werden, wenn die Politik neue Spielräume und anlassbezogen zu diesem Thema zu Wort melden, der Marktregulierung erschließt und Organisationen der Mühe unterziehen, sich sorgfältig und seriös zu der Zivilgesellschaft stärker als bisher beteiligt wer- informieren, bevor sie in diesem schwierigen Bereich den. allzu schnell Urteile fällen, vordergründig einfache Lö- sungen offerieren oder populistische Forderungen er- Sucht ist eine chronische Erkrankung, die Abhängig- heben. Denn nur gemeinsam und miteinander können keitserkrankte selbst sowie Angehörige und das Um- wir in der Suchtpolitik Erfolge erzielen.
v o r w o r t HR Dr. med. Odo Feenstra Landessanitätsdirektor 02 Ve r a n t w o r t u n g f ü r d i e Ge s u n d he i t Ob es in Zukunft gelingen kann, die suchtbezogene Bevölkerung in Dialog getreten werden, um zu er- Gesundheit der Steirerinnen und Steirer zu verbes- reichen, dass Gesundheit und Lebensqualität positiv sern, hängt nicht nur mit unserem Alkohol- und Ta- beeinflusst werden. bakkonsum zusammen, sondern auch damit, welche gesellschaftlichen Möglichkeiten und Beschränkun- Im Auftrag des Gesundheitsressorts der Steirischen gen für legales und illegales Konsum- und Suchtver- Landesregierung hat eine Gruppe von ExpertInnen halten bestehen. An dieser Stelle setzt die öffentliche die nun vorliegende „neue Steirische Suchtpolitik“ Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung erarbeitet. an; dazu gehört es selbstverständlich auch, auf den Konsum und das Angebot gleichermaßen einzuwirken. In Abstimmung mit der neuen Gesundheitsförde- rungsstrategie entwickelt dabei die steirische Ge- Die bewährten Instrumente der Suchthilfe können sundheitspolitik konsequent den innovativen Ansatz weiterhin Krankheitsfolgen verringern, wenn es ge- weiter, Gesundheit in erster Linie durch ressortüber- lingt, die Kapazitäten weiter auszubauen und auf die greifende Zusammenarbeit zu fördern. Dynamik im Suchtbereich zeitnah zu reagieren, so- wohl was neue Substanzen wie z. B. Mephedron als Gesundheit heißt letztlich, das Leben selbst ernst zu auch was die Herangehensweisen an Klient/innen- nehmen. Für das öffentliche Gesundheitswesen be- gruppen betrifft, die derzeit noch unzureichend deutet das nicht nur, Bürgerinnen und Bürger über gut versorgt sind. Sucht bedarf darüber hinaus ei- die Folgen von Suchtverhalten zu informieren und ner echten Prävention; Suchtberichterstattung zu mehr Verantwortungsbewusstsein zu ermahnen, kann und soll dabei kritische Themen beleuchten sondern auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, und ein erweitertes Handlungsrepertoire anregen. dass eine wirkungsvolle Unterstützung möglich wird. Wo genügend Daten für ein verantwortungsvolles Agieren der Verantwortlichen vorliegen (Alkoholab- Erst dann kann sinnvollerweise an der Umsetzung hängigkeit, Spielsucht), kann mit der Wirtschaft, den der dafür vorgeschlagenen Maßnahmen gemeinsam Organisationen des zivilen Zusammenlebens und der gearbeitet werden.
v o r w o r t DSA Klaus Peter Ederer Suchtkoordinator des Landes Steiermark 03 Ein Blick auf die epidemiologische Verteilung von Neu an der vorliegenden Steirischen Suchtpolitik ist Suchterkrankungen und den damit einhergehenden unter anderem, dass konkrete Maßnahmen gesetzt sozialen Folgen macht die Ausgangslage für Sucht- werden, um die gesellschaftliche Verantwortung politik deutlich: ca. 177.000 Steirer/innen legen ein für Sucht und ihre Folgeprobleme mit verschiede- problematisches oder abhängiges Alkoholkonsum- nen Gruppen auszuhandeln: Welche Rolle spielt verhalten an den Tag, geschätzte 20.000 Steirer/innen die Gesetzgebung im Bereich kleines Glücksspiel? sind medikamentenabhängig, mindestens 4.000 In welchen Gruppen kann verantwortungsbewus- Steirer/innen sind spielsüchtig. Eine Suchtpolitik, ster als bisher Alkohol konsumiert werden, wenn die die wie bisher auf die sogenannten illegalen Drogen Produzenten und Vertreiber in die Entwicklung von fokussiert, führt an großen Teilen der Suchtproble- Präventionsmaßnahmen miteingebunden werden? matik vorbei. Und dennoch benötigt die vergleichs- Welche Rolle spielt das Medizinsystem bei der Abga- weise kleine, aber hochvulnerable Konsumgruppe be und Kontrolle von psychoaktiven Medikamenten? die Einführung neuer Konzepte der Suchthilfe mit dem Ziel, die Finanzierung der benötigten Angebote Maßgebliche Steirische Expert/innen haben dazu sicherzustellen, die hohe Qualität kontinuierlich zu beigetragen, dass die neue Steirische Suchtpolitik als verbessern und dabei darauf zu achten, dass die mutiges Arbeitsprogramm verstanden werden kann Chancen auf eine angemessene Therapie auch in den und als Leitlinie Prioritäten zur Verbesserung der Ge- ländlichen Regionen der Steiermark steigen. sundheit der Steirer/innen und Steirer festhält. Bei der Umsetzung dieser Schritte wünsche ich uns Kon- Dennoch nützt eine Suchtpolitik, die überwiegend sequenz, Durchhaltevermögen und offensichtliche auf Repression und die Beratung, Betreuung und Erfolge. Therapie von Abhängigkeitserkrankten setzt, die Ge- sundheitspotenziale nicht zur Gänze aus, die durch Prävention erschlossen werden können.
s o u n d i n g b o a r d 04 Manfred H. Geishofer Organisation: b.a.s. Steirische Gesellschaft für Suchtfragen Funktion: Leitung DSA Renate Hutter, MSc Organisation: Drogenberatung des Landes Steiermark Funktion: Leitung DSA Claudia Kahr Organisation: VIVID – Fachstelle für Suchtprävention Funktion: Geschäftsführung Prim. ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Kurz Organisation: Landesnervenklinik Sigmund Freud, Zentrum für Suchtmedizin (ZSM) Funktion: Leitung DSA Roland Urban, MAS Organisation: Caritas Steiermark, Streetwork im Drogenbereich und Kontaktladen Funktion: Leitung Dr. Ulf Zeder Organisation: Stadt Graz Gesundheitsamt – Referat für Sozialmedizin Funktion: Leitung
QUO VADIS, Die neue SUCHTPOLITIK? Steirische Suchtpolitik 05 Suchtpolitik ist seit jeher stark von unterschiedlichen stimmungen verhandelt und erlässt, die das Poten- Normvorstellungen und Werteorientierungen ge- zial haben, Sucht in der Bevölkerung zu reduzieren. prägt. Heutzutage verfolgen mit Ausnahme Schwe- dens keine westlichen Industrienationen das Ideal Dabei wird die Bedeutung der jeweils mit einzelnen einer suchtfreien Gesellschaft, welches zu einer Null- Substanzen und Suchtverhalten einhergehenden toleranzpolitik auch gegenüber Konsument/innen Krankheitslast für die steirische Bevölkerung zu ei- führt. Mittlerweile wird Substanzkonsum- und nem Ausgangspunkt aller weiteren suchtpolitischen Suchtverhalten auch politisch als gesellschaftliches Entscheidungen: Tabak-, Alkohol- und Medikamen- Phänomen toleriert, weil dadurch vernunftbegabte tenabhängigkeit sowie Spiel- und Internetsucht Problemlösungskapazitäten gesteigert werden kön- erhalten künftig größere Relevanz als bisher und nen. Die Komplexität von Sucht selbst sowie von dies hat vor allem damit zu tun, dass die gesund- verschiedenen Sachzwängen und Interessenslagen heitlichen Folgen, die von ihnen für die Gesellschaft fordert fortwährend suchtpolitische Entscheidun- insgesamt ausgehen, größer sind als die negativen gen, die durch die vorliegende Leitlinie zur neuen Konsequenzen des Konsums illegaler Drogen. Steirischen Suchtpolitik unterstützt werden können. Umfassende suchtpolitische Maßnahmen müssen Das von wesentlichen Expert/innen aus den Berei- immer auf das Umfeld und das Angebot sowie auf chen Suchtprävention sowie Suchthilfe und Scha- den Konsum und die Nachfrage von Substanzkonsum densminimierung mitgetragene politische Konzept und Suchtverhalten ausgerichtet sein. Dies bedeutet, möchte dabei vermeiden, dass die Sichtweisen auf auch in der Suchtpolitik nach der gesamtgesell- Suchtpolitik mit dem Legalstatus einzelner Substan- schaftlichen Verantwortung für Substanzkonsum- zen und Verhaltensweisen begrenzt sind oder sich und Suchtverhalten zu fragen und dabei die Rolle Suchtpolitik auf Suchthilfepolitik und in weite- politischer Entscheidungen in verschiedenen Poli- rer Folge auf Suchthilfe-Finanzierungspolitik be- tikfeldern sowie die Rolle marktwirtschaftlicher Ak- schränkt. In der Steirischen Suchtpolitik geht es um teur/innen zu durchleuchten. In der Zukunft sollen jenen gesellschaftlichen und individuellen Umgang die verschiedensten Anspruchsgruppen anerkennen, mit psychoaktiven Substanzen sowie Verhaltens- dass Suchthilfe zwar einen wichtigen Beitrag leistet, weisen mit Suchtpotenzial, der gesundheitspolitisch dass aber entscheidende Fortschritte zur Verbesse- relevant ist. Diese Definition beinhaltet, dass nicht rung der suchtbezogenen Gesundheit der Bevölke- nur Abhängigkeit oder die Folgen von Abhängigkeit, rung durch Maßnahmen erzielt werden können, die sondern bereits schädliche Gebrauchsformen sowie überwiegend außerhalb des derzeitigen Einflussbe- Gewohnheitskonsum und -verhalten in ihrem ge- reiches des für Suchtfragen zuständigen Gesund- sellschaftlichen Kontext gesehen werden. heitsressorts liegen. Vielmehr tritt die neue Steirische Suchtpolitik für Bei der Umsetzung der im Folgenden vorgestellten eine Erweiterung der inhaltlichen Orientierung und zehn Leitsätze der neuen Steirischen Suchtpolitik und strategischen Ausrichtung ein. Suchtpolitik darf sich der dazugehörenden Maßnahmen werden Zahlen, nicht auf seine traditionelle Funktion beschränken, Daten und Fakten sowie gesichertes Wissen über die durch die Finanzierung von Suchthilfeangeboten Wirksamkeit der von der Steirischen Suchtpolitik finan- eine bessere Versorgung von Betroffenen zu ermög- zierten Maßnahmen zu einer wichtigen Steuerungs- lichen. Sie erreicht ihre Bestimmung dann, wenn eine grundlage. aktive Suchtpolitik legislative und regulatorische Be-
l e i t l i n i e ORientierung am Schadens- potenzial und an der tatsächlichen Problemlast von Substanzen oder Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 1 07 Dieser Leitsatz beinhaltet, Suchtpolitik an der epidemiologischen Krankheitslast zu orientieren und nicht länger an der Unterscheidung von legalen und illegalen Substanzen auszurichten. Insbesondere werden Alkohol und Nikotin als Substanzen mit dem größten Schadenspotenzial für die Bevölkerung anerkannt. problematisches Abhängigkeits- Konsum- oder QUELLEN erkrankte Suchtverhalten (absolute Anzahl) (absolute Anzahl) ca. 125.000 ca. 52.000 (Männer 60–120 g (Männer >120 g Alkohol 2/1 Alkohol/Tag; Alkohol/Tag; Frauen 40–80 g Frauen >80 g Alkohol/Tag) Alkohol/Tag) ca. 50.000 ca. 175.000 4/3 Tabak (gelegentliche Die dargestellten Zahlen sind konservativ geschätzte (tägliche Raucher/innen) Raucher/innen) absolute Zahlen auf der Basis von Befragungsdaten und Expert/innenschätzungen. Verschiedene Proble- Medikamente unbekannt ca. 21.000 5 me führen dazu, dass die Informationen nur unzu- reichend vorliegen. Zum Beispiel sind die Befragten Opioide unbekannt ca. 4.000 nicht immer willens oder in der Lage, wahrheitsge- 6 treue Angaben über ihren Substanzkonsum und ihr Suchtverhalten zu machen, noch mehr, wenn es sich Cannabis ca. 24.000 unbek. um Angaben über illegales und strafbares Verhalten 7 handelt. mind. 4.000– Glücksspiel ca. 3.900 Auch andere Datenquellen wie etwa das bundes- 9/8 max. 35.000 einheitliche Dokumentationssystem im Rahmen des EU-Meldewesens „DOKLI“, die Statistik der Kran- Internet ca. 31.000 kenhausentlassungen oder die Aufzeichnungen der 10 Leistungserbringer/innen in der Suchthilfe sind mit essstörungen erheblichen Schwächen in Bezug auf die Verwert- 11 / 12 (Anorexie, Bulimie) unbekannt ca. 4.300 barkeit der Daten für die Steuerung der Suchthilfe 12-28 Jahre behaftet. Prävalenzschätzungen von Substanzkonsum und Suchtverhalten in der Steiermark.
l e i t l i n i e Prävention durch strukturelle MaSSnahmen in allen Politikfeldern Suchtpolitik ist in erster Linie Präventionspolitik. Dabei setzt die Steiermark auf Verbesserungen durch strukturelle Maßnahmen, die auf die Sachlage bezüglich 2 09 einzelner Substanzen und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial abgestimmt sind. Die Gesundheitspotenziale können ausgeschöpft werden, wenn verschiedene rele- vante Politikfelder konsequent in das suchtpolitische Handeln einbezogen werden. politische Strategien Landwirtschaft & Lebensmittel Kultur & Freizeit Bildung Liebe & soziale Verkehr Partnerschaft Sicherheit Ernährung Wohn- ill. Drogen soziale umgebung Dienste Sozial- kapital soziale Arbeits- Alkohol Ungleichheit Schlaf losigkeit soziales Netzwerk Gesundheits- soziale system Arbeits- Tabak Alter Inklusion welt Geschlecht Vererbung Modell der Gesundheitsdeterminanten, in Anlehnung an Dahlgreen & Whitehead, 1991 Das „Regenbogenmodell“ der Gesundheitsdetermi- Dahingegen beeinflussen physische und soziale nanten13 hat in verschiedenen Prozessen dazu bei- Umweltbedingungen, die als Folge von Regeln getragen, den Fokus und das Handeln der Akteur/ und Entscheidungen in verschiedenen politischen innen zu erweitern. Persönliche Eigenschaften wie Feldern betrachtetet werden können (dritter und Alter, Geschlecht und Vererbung (zentraler Kreis) vierter Bogen), die Gesundheit maßgeblich und sind weitgehend unveränderlich. Gesundheit ent- unabhängig vom (Konsum-)Verhalten Einzelner. steht sozialepidemiologischen Kenntnissen zufolge Suchtphänomene werden innerhalb dieses Modells überwiegend in psychosozialen Lebensbedingungen, als bedeutsame, aber nicht allein bestimmende Ge- die als soziale Gesundheitsressourcen und stärker in sundheitsprobleme der Gesellschaft wahrgenom- sozial ausgewogenen Gesellschaften zur Verfügung men, auf welche sowohl strukturelle Bedingungen stehen (erster Bogen). Gesundheit manifestiert sich als auch individuelle Faktoren Einfluss nehmen und entsteht auch in Folge eines zu- bzw. abträgli- und die durch politische Entscheidungen verändert chen Gesundheitsverhaltens (zweiter Bogen), für des- werden können. sen Aufrechterhaltung Einzelne irrtümlicherweise oft ausschließlich selbst verantwortlich gemacht werden.
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l e i t l i n i e differenzierte zielgruppen- orientierung Während Jugendschutz ein bedeutsamer Bereich der Suchtpolitik bleibt und konsequent verfolgt wird, 3 11 müssen suchtpolitische Maßnahmen auf alle Alters- und Zielgruppen ausgerichtet und abgestimmt sein und deren soziale und ökonomische Situation berücksichtigen. Zu Recht fokussieren die Präventionsaktivitäten in Als weitere Kriterien sollten besondere Lebenslagen der Steiermark auf die Zielgruppe der Kinder und bzw. Zielgruppen herausgearbeitet werden, wenn Jugendlichen. Die Ursachen für Substanzkonsum- bekannt ist, dass diese ein Risiko für die Suchtent- und Suchtverhalten sind in der (frühen) Kindheit wicklung darstellen bzw. diese Personen suchtge- verwurzelt, frühzeitige Interventionen stellen somit fährdet sind. Solche eingrenzbaren Zielgruppen sind die Basis der Präventionsaktivitäten dar. z. B. arbeitslose Jugendliche, Väter nach der Geburt des ersten Kindes, Mütter nach dem Auszug der Kin- Die sozialepidemiologische Forschung zeigt, dass der aus dem gemeinsamen Haushalt, Arbeitnehmer/ sich die Konsummuster mit dem Alter verändern innen am Übergang zum Ruhestand, Personen nach und sowohl abnehmen (Rauschtrinken, Rauchen, Trennungs- und Scheidungssituationen oder nach Konsum illegaler Substanzen, Kaufsucht) als auch Todesfällen. zunehmen (problematischer Alkoholkonsum, Medi- kamentensucht). Eine Zielgruppenerweiterung bzw. Migrant/innen sind beispielsweise eine sehr hetero- eine Ausdehnung der Interventionen auf spätere Le- gene Bevölkerungsgruppe. Die Suchtproblematiken bensphasen ist notwendig. treten in verschiedenen ethnischen Gruppen nicht nur unterschiedlich auf, sondern hängen auch mit Präventionsprogramme sind in der Lage, spezifische dem Zeitpunkt und den Ursachen der Migration, Interventionen für verschiedene Gruppen von Be- den Lebensbedingungen in der Steiermark und der troffenen zu initiieren und zu koordinieren. Die Aus- Integrationsleistung zusammen. So können mehre- wahl und Eingrenzung von Zielgruppen sollte dabei re Subgruppen mit unterschiedlicher Belastung er- an der epidemiologischen Verteilung der Krankheits- kannt werden, zudem sind diese sehr unterschiedlich last orientiert sein und sich auf eingegrenzte Alters- zugänglich. Die Suchthilfeeinrichtungen weisen auf gruppen beziehen. einen Anstieg von süchtigen Jugendlichen mit Mi- grationshintergrund hin.
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l e i t l i n i e Inhaltliche Ausweitung der Suchtpolitik 4 auf psychoaktive Medikamente, substanzungebundene Süchte und Verhaltensweisen sowie Produkte zur Optimierung der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit 13 Als Problemfelder etablieren sich zunehmend der Konsum legaler Substanzen (Alkohol, Medikamente, Tabak) sowie Verhaltenssüchte (Spielsucht, Essstörungen, Internetsucht). Wichtig ist, dass eine Ausweitung der Zu den bedeutendsten Medikamenten mit Miss- brauchspotenzial gehören Schmerz-, Schlaf- oder Suchtpolitik gezielt erfolgt und wissen- Beruhigungsmittel (z. B. Benzodiazepine), Antide- pressiva, Appetitzügler, Parkinson-Mittel, Migräne- schaftlich fundierte Situationsanalysen Medikamente, anregende Substanzen (z. B. Ritalin) eine gemeinschaftliche Planung von und Potenzmittel. Die von Medikamentenabhängig- keit Betroffenen, es sind überwiegend Frauen14, er- Aktivitäten mit neuen Akteur/innen kennen ihren problemhaften Konsum erst spät, ge- hen mit dem Suchtproblem lange Zeit zurückhaltend ermöglichen und die Umsetzung um und suchen kaum Beratungsstellen auf, weshalb vielfältiger Maßnahmen und deren diese quantitativ große Gruppe relativ unauffällig bleibt, aber hohe Folgekosten für die soziale Kran- Evaluation beinhalten. kenversicherung verursacht. Die treibenden Faktoren für die neuen Konsum- und Verhaltenssüchte sind stimulierte Konsummotive wie zum Beispiel die Optimierung der körperlichen, psy- chischen, sozialen und sexuellen Leistungsfähigkeit oder Selbstmedikation zur Vorbeugung subjektiver Gesundheitsgefahren. Diese Motive bestimmen das Konsumverhalten immer größerer Bevölkerungs- gruppen, unterstützt durch eine hoch entwickelte Pharmakologie und industrielle Vermarktung der Produkte. Abgesehen davon, dass der Versandmarkt via Internet bezüglich dieser Substanzen wächst, entstehen auch beträchtliche Folgekosten. Sucht- kranke modifizieren ihren Konsum und optimieren die Wirkung anderer Substanzen durch die Einnah- me von Medikamenten.
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l e i t l i n i e Angebots- steuerung Eine stärkere Verpflichtung von Herstellern, Vertreibern und 5 Zur Prävention von Glücksspielsucht etwa wurde durch eine Marktregulierung in Form der Erhöhung der Lustbarkeitsabgabe auf ein bundesweit ver- 15 gleichbares Niveau bereits ein wesentlicher Akzent Verkäufern von Produkten mit gesetzt, um das Angebot zu dezimieren. Zudem soll- Schadens- und Suchtpotenzial ten jene Mechanismen, die das Verspielen von hohen Summen in relativ kurzer Zeit ermöglichen („kleines kann erreicht werden, wenn die Glücksspiel“) einer gesetzlichen Überprüfung unter- zogen werden und der Zugang zu Bereichen, in de- Politik neue Spielräume der nen Jugendschutz wenig Beachtung findet, stärker Marktregulierung erschließt. kontrolliert und beschränkt werden. Dabei müssen gesetzliche Regelungen Es gibt auch eindeutige Belege dafür, dass die ne- gativen Auswirkungen des Alkoholkonsums durch und kooperativ erarbeitete Maßnahmen zur Regulierung des Alkoholmarktes Selbstbeschränkungen eingesetzt besonders wirksam verringert werden können. Alko- holsteuern sind vor allem dann maßgeblich, wenn es und Organisationen der Zivilgesellschaft um junge Menschen geht. Sie spielen aber auch eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von alkoholver- stärker als bisher beteiligt werden. ursachten Krankheiten und Leid insgesamt. Wenn mittels Alkoholsteuern der Preis von alkoho- lischen Getränken in den EU-15-Ländern um 10 % erhöht würde, könnten bereits im darauf folgenden Jahr mehr als 9.000 Todesfälle vermieden und schät- zungsweise 13 Mrd. € Verbrauchssteuern zusätzlich eingenommen werden. In der Schweiz fungiert der Alkoholzehntel als wichtiger Eckpfeiler der Alkohol- politik: Der vom Bund eingehobene zehnte Teil der Steuer auf Spirituosen kann von den Kantonen für Suchtprävention und Suchthilfe eingesetzt werden. Studien belegen zudem, dass eine Ausweitung der Öffnungszeiten von jenen Geschäften und gastro- nomischen Betrieben, die Alkohol anbieten, zu ei- ner Zunahme der alkoholbedingten Gewalttätigkei- ten führt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass eine Verkürzung der wöchentlichen Öffnungszeiten um 24 Stunden für Einzelhandels- betriebe, die Alkohol anbieten, pro Jahr weltweit 123.000 Lebensjahre an Behinderung und vorzeiti- gem Tod vermeiden könnte, was Einsparungen in der Höhe von 98 Mrd. € jährlich entspricht.15�
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l e i t l i n i e Sicherstellung eines differenzierten und integrierten Hilfsangebots 6 17 Sucht ist eine Erkrankung, allerdings werden Menschen mit Abhängigkeit oder einem problembehafteten Konsum und Verhalten noch immer stigmatisiert und marginalisiert. Gesundheitliche und soziale Versorgungseinrichtungen dürfen dieser Dynamik keinen Vorschub leisten. Dazu gehören auch Maßnahmen der Wohnver- sorgung und der sozialen und beruflichen Integration. Das individuelle Recht auf die bestmögliche, wissenschaftlichen Standards entsprechende medizinische und psychosoziale Hilfe für Abhängigkeitserkrankte steht außer Streit. Die Suchthilfe lässt sich nach ihrer inhaltlichen für Menschen in Substitutionsbehandlung, für Ju- Konzeption grob in niederschwellige (aufsuchende/ gendliche unter 16 Jahren sowie Abhängigkeits- nachgehende) und höherschwellige Angebote sowie erkrankte, die über 45 Jahre alt sind und aufgrund in akzeptanzorientierte („Schadensminimierung“) der fortgeschrittenen Erkrankung bereits multiple und abstinenzorientierte („Therapie“) Angebote dif- Problemlagen aufweisen. Ebenso sind Migrant/innen ferenzieren. Hinsichtlich ihrer Organisationsform stark von der unzureichenden psychosozialen Ver- werden die Angebote entweder im ambulanten oder sorgung betroffen. im stationären Sektor ausgeführt. Die Leistungen werden zum einen von Einrichtungen erbracht, die Die Beratung, Begleitung und Betreuung Abhän- auf die Arbeit mit Abhängigkeitserkrankten speziali- gigkeitserkrankter ist aufgrund des Krankheitsbildes siert sind, zum anderen von Einrichtungen der allge- mit seinen typischen Verlaufsformen (z. B. psychia- meinen Krankenversorgung und von Beratungs- und trische Komorbidität) aufwändig und erfordert spe- Therapieeinrichtungen, die einen Teil ihrer Leistungen zielle Qualifikation und Erfahrung. Klient/innen der ergänzend auch für Abhängigkeitserkrankte anbieten. Suchthilfe haben deshalb erschwerten Zugang zu den bestehenden, nicht auf Suchtfragen spezialisier- Zu einer Unterversorgung kommt es in den Berei- ten Hilfseinrichtungen. Das Angebot in den psycho- chen medizinische Grundversorgung, soziale Arbeit, sozialen Bereichen ist allerdings auch für nicht bei psychosozialer Betreuung und Psychotherapie suchterkrankte Klient/innen beschränkt.
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l e i t l i n i e 7 Öffnung der medizinischen und psychosozialen Regelversorgung für die Betroffenen 19 Verschiedene Probleme der medizinischen Eine mögliche Problemlösungsstrategie für die Ver- besserung der Behandlungs- und Betreuungsqualität und psychosozialen Unterversorgung in der Suchthilfe besteht darin, bestehende Einrich- tungen der medizinischen, psychotherapeutischen können mittel- und langfristig vermieden und sozialen Regelversorgung für die Bedürfnisse werden, wenn die Regelversorgung von Abhängigkeitserkrankten zu sensibilisieren und den Zugang zu ihren Angeboten für Klient/innen ihre Angebote für Abhängigkeitserkrankte der Suchthilfe stärker als bisher zu öffnen und be- darfskompatibel auszurichten. Eine parallele Be- öffnet. Dafür sind eine stärkere handlung von Sucht und anderen Erkrankungen gilt Verzahnung von Gesundheits- und in Fachkreisen als „state of the art“ – das heißt, sie entspricht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand Sozialwesen nötig und Konzepte der und Behandlungsstandard. Eine solche Strategie bie- tet einerseits vielfältige Vorteile, stellt die Suchtpo- strukturellen, organisatorischen und litik andererseits vor große Herausforderungen. Für professionellen Versorgungsintegration gewöhnlich muss in einen verbesserten regionalen Zugang und eine stärkere Integration der Versor- hilfreich. Auf Suchthilfe spezialisierte gung vor Ort investiert werden, wobei der dadurch erzeugte Nutzen erst nach einer mitunter schwieri- Einrichtungen erfüllen die Funktion von gen Übergangsphase offensichtlich wird. Kompetenzzentren für die Öffnung Welche Gesundheitsbedürfnisse von Abhängigkeits- der Regelversorgung. erkrankten einer auf Fragen der Suchthilfe spezia- lisierten Versorgung und welche einer Integration in die Regelversorgung bedürfen, kann nicht nur fachlich-objektiv beurteilt werden. Selbst bei klarer Zuteilung der Aufgabengebiete müssen professio- nelle Vorurteile sowie organisatorische und struktu- relle Zugangsbarrieren an den Nahtstellen der Ver- sorgungseinrichtungen und -systeme überwunden werden. Adäquate Instrumente dafür sind Bewusstseinsar- beit, gemeinsame Aus-, Fort- und Weiterbildungs- aktivitäten, gemeinsame Supervision und Intervision sowie konkrete Kooperationsprojekte von Einrich- tungen der spezialisierten und der Regelversorgung, welche auch Sektoren übergreifend (niederschwellig, ambulant, teilstationär, stationär) integriert werden sollen und dadurch an allgemeine gesundheitspoliti- sche Zielsetzungen anschlussfähig sind.
Z EHN LEITLINIEN S TEIRI S CHER S UCHTPOLITIK 20 Suchthilfeeinrichtungen in der steiermark
l e i t l i n i e Regionalisierung und wohnortnaher Ausbau der Suchthilfe Das Angebot der Suchthilfe ist regional 8 21 unterschiedlich ausgebaut, was zur Folge hat, dass vorwiegend Suchthilfe- Klient/innen und Patient/innen aus der Süd-, Südost und Weststeiermark geringere Chancen auf eine angemessene Ausgehend von der Beobachtung, dass das Behand- ambulante Beratung, Behandlung und lungs-, Beratungs- und Betreuungsangebot an ver- schiedenen Stellen ausgebaut werden muss, um eine Betreuung vorfinden oder bestehende bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, kann Angebote in Graz überlasten. mit entsprechenden politischen Planungen erreicht werden, dass dies qualitätssteigernd und effizient erfolgt. Zwei positive strategische Möglichkeiten sind, den wohnortnahen Ausbau ambulanter Sucht- hilfe zu forcieren und dabei wesentlich zur Öffnung der medizinischen und psychosozialen Regelversor- gung beizutragen. Eine solche strategische Ausrichtung erfordert einen substanziellen Ausbau der Steuerungsmechanismen. Operativ bedarf es einer Verbesserung der systema- tischen Informationsgrundlagen, des Einsatzes von Managementstrategien der integrierten Versorgung (Case Management, Care Management) samt der dazugehörigen Begleitmaßnahmen in der Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe. Um eine Öffnung der medizinischen und psychoso- zialen Regelversorgung (inklusive des Zugangs zu Wohnversorgung und zu Maßnahmen der sozialen und beruflichen Integration) zu fördern, bedarf es intersektoraler Zusammenarbeit (insbesondere des Gesundheits- und Sozialwesens), organisatorischer und interdisziplinärer Zusammenarbeit (verschie- dene Leistungsträger/innen und Leistungserbringer/ innen) und dadurch auch größerer politischer (partei- übergreifender) Anstrengung als bisher.
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l e i t l i n i e Evidenzbasierte Suchtpolitik 9 Systematische Information über die epidemiologische Dynamik von Suchtproblemen und die Effektivität von Prävention und Suchthilfe sind nur unzureichend vorhanden. 23 Neue Förderungsmodelle für Suchtprävention, eine einheitliche Leistungsbeschreibung für Suchthilfeangebote und eine Basisdokumentation der Inanspruchnahme verbessern die Steuerungsgrundlagen der Suchtpolitik. Die Dynamik von Suchtproblemen und das Auftreten neuer gefährlicher Substanzen machen es notwendig, neue Situationen gesundheitswissenschaftlich zu analysieren. Von verschiedenen Maßnahmen, die im Rahmen Auch die Angebote der Suchthilfe sind für die Eva- der Suchtprävention und Suchthilfe gesetzt werden luation zugänglich. Um die Effektivität der Bera- können, wird heute zu Recht verlangt, dass ausrei- tungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote in chend Wissen und Erfahrung in ihre Entwicklung der Suchthilfe zu bewerten, bedarf es der wiederhol- einfließen und sie effektiv durchgeführt werden, um ten Messung des Gesundheitszustands von Klient/ die Gesundheit und die Lebensqualität der Betrof- innen und Patient/innen und seiner Bewertung in fenen nachhaltig zu verbessern. Da die öffentlichen Abhängigkeit von den eingesetzten Methoden, von Haushalte unter starkem Finanzierungsdruck stehen, der Intensität der Behandlung und vom Schwere- legitimieren Regelungen für einen sorgfältigen Um- grad der Erkrankung. Bei einer differenzierten Be- gang mit Wissen und Evidenz sowohl das Handeln trachtung der Wirksamkeit der Interventionen nach der in der Suchtarbeit tätigen Akteur/innen als auch Alter, Geschlecht und sozialer Lage ergeben sich An- das politische Handeln und ermöglichen die strate- haltspunkte darüber, weshalb die Angebote im Ver- gische Planung von Suchtprävention, Suchthilfe so- sorgungssystem bei Subgruppen der Patient/innen wie die politische Steuerung. bessere Erfolge erzielen als bei anderen. Die Steirische Suchtpolitik möchte einen sinnvollen Von ebenso großer Bedeutung sind allerdings Quali- und zweckmäßigen Umgang mit den in Studien und tätsindikatoren der Suchthilfe, die über die Qualität durch Evaluation gewonnenen Erkenntnissen unter- der individuellen Leistung hinaus auch die Qualität stützen und dies durch differenzierte Ansprüche an des Gesamtsystems Suchthilfe ins Blickfeld nehmen. verschiedene Maßnahmen der Gesundheitsförde- Dabei ist Suchtpolitik optimalerweise am epidemio- rung, Prävention und Versorgung erreichen. Ziel ist, logisch festgestellten Behandlungsbedarf orientiert sowohl die kontinuierliche Qualitätsverbesserung und schafft einen bedürfnisgerechten Zugang zu bestehender Maßnahmen zu ermöglichen als auch einem differenzierten Suchthilfesystem für alle Be- die Maßnahmen daran zu beurteilen, welche Effekte troffenen. Die Frage aus der suchtpolitischen Per- sie erzielen. spektive lautet: Wer ist von Sucht betroffen? Erst anschließend steht im Mittelpunkt, wie die Betroffe- nen versorgt werden können.
Z EHN LEITLINIEN S TEIRI S CHER S UCHTPOLITIK 24 Institutionalisierte Netzwerke der Steirischen Suchtpolitik Politische Suchtbeirat bzw. Landesregierung Parteien Forum Suchtpolitik Gesundheitsressort Sozialressort Land Steiermark Land Steiermark FA 8B Stabstelle Suchtkoordination Gesundheitswesen Suchtkoordination Magistrat Graz AG Arbeitsgruppe Drogenfachgremium AG SAG AG · Suchtkoordination Land Stmk. · Aloisianum · Suchtkoordination Magistrat Graz · B.A.S. Steirische Ges. für Suchtfragen · Fachstelle für Suchtprävention Vivid · Suchtberatungsstelle BIZ Oberstmk. · Sicherheitsdirektion Steiermark · Drogenberatung des Landes Stmk. · Landeskriminalamt Steiermark · Verein für psychische und · Bundespolizeidirektion Steiermark soziale Lebensberatung · Büros der Regierungsmitglieder · Gesundheitsamt Graz · Fachabteilungen · Grüner Kreis · Kinder- und Jugendanwaltschaft Stmk. · Landesschulrat · Landesnervenklinik Sigmund Freud · Landesjugendreferat Steiermark · Sozialmedizinisches Zentrum Liebenau · Landesverband der Elternvereine · Hilfswerk Stmk. Psychosozialer Dienst · Drogenberatung des Landes Stmk. · Kontaktladen und Streetwork, Caritas · Drogenfachgremium · Walkabout
l e i t l i n i e Aktive Suchtpolitik 10 Die neue inhaltliche Erweiterung und die veränderte strategische Ausrichtung der Steirischen Suchtpolitik führen zu einer Weiterentwicklung und Konkretisierung der 25 Steuerungsstrukturen. Inhaltlich ist aktive Suchtpolitik darauf ausgerichtet, durch Aktionspläne der Suchtprävention sowie durch Integration und Management der Suchthilfe die Gesundheit der steirischen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Während Suchtpolitik vielschichtige Aushandlungs- - die in der Praxis der Suchtprävention und prozesse zwischen Individuum, Gesellschaft, Staat Suchthilfe tätigen Expert/innen darin zu und Markt erfordert, setzt sich die Steirische Sucht- unterstützen, ihre Konzepte den verschie- politik besonders mit der öffentlichen Verantwortung denen Entwicklungsdynamiken (verändertes auseinander. Steuerung (Governance) beinhaltet die Suchterkrankungsspektrum, veränderte Be- strategische, Sektoren übergreifende Planung für dürfnisse der Klient/innen und Patient/innen, Suchtprävention und Suchthilfe. Die Verantwortung politische Umwelt) anzupassen; in der Suchtpolitik wird in vielfältigen öffentlichen - die Qualität der in den Einrichtungen der Handlungen sichtbar, und zwar durch Information Suchtprävention und Suchthilfe geleisteten und Präventionsmaßnahmen, Aufgabenübertragun- Arbeit sicherzustellen und kontinuierlich zu gen, Anreize, gesetzliche Regelungen, Marktregulie- verbessern (inkl. der Förderung der Gesund- rungen (und deren Durchsetzung) und Maßnahmen heit der Mitarbeiter/innen) und der Schadensminimierung. Diese Vielfalt wird in der medialen Diskussion um Verbote und repressive - die Kompetenzen und Verantwortung für Maßnahmen gelegentlich vernachlässigt. gemeinsame strategische Ausrichtungen transparent darzustellen. Ziele von Steuerung in der Steirischen Suchtpolitik sind: Differenzierte Steuerungsstrategien sind gerade wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten und - Vernetzung aller für Suchtpolitik relevanten Rechtsgrundlagen zwischen den Verwaltungsebenen Akteur/innen in unterschiedlichen Politikbe- und in Verzahnung mit den Leistungsträger/innen reichen und und Sozialversicherungsanstalten sowie aufgrund der Vielfalt an privaten und öffentlichen Leistungs- - Klärung von Verantwortung und Verbindlich- erbringer/innen vonnöten. Dabei ist bedeutsam, dass keit; sowohl für die großen Bereiche der Prävention und - interdisziplinäres Wissen für Prävention zu Suchthilfe als auch für eine „Gesamtsteuerung“ klare managen bzw. in den Kontext individueller Strategien formuliert werden, damit die Potenziale Beratung, Betreuung und Behandlung zu zur Verbesserung der suchtbezogenen Gesundheit übertragen; ausgeschöpft werden können.
ZIELE UND MASSNAHMEN FÜR DIE UMSETZUNG DER NEUEN STEIRISCHEN SUCHTPOLITIK 26 ZIEL 1 Suchtprävention Durch die Entwicklung einer suchtpräventiven Gesamtpolitik und die Erschließung neuer Zielgruppen und Angebote sollen die Suchtpräventionspotenziale ausgeschöpft werden. 1 Etablierung gemeinschaftlicher, Politikfelder übergreifender Anstrengungen durch Entwicklung und Umsetzung von Aktionsplänen zur Alkohol- und Spielsuchtprävention aktivität Thematische Aktionspläne sind eine Methode zur Vor- wendbar ist. Indikatorensysteme ermöglichen, den bereitung und Durchführung wirksamer Präventions- Gegenstandsbereich des jeweiligen Aktionsplanes maßnahmen unter Beteiligung aller maßgeblichen partizipativ einzugrenzen, eine Politikfelder über- Akteur/innen. Angesichts des Ausmaßes, mit dem vor greifende Situationsanalyse, strategische Planung allem Alkohol und Spielsucht auf der Gesundheit der und politische, organisatorische und inhaltliche Bevölkerung lasten, können bei diesen Themen große Steuerung von Interventionen in der Umsetzungs- Präventionspotenziale erschlossen werden, weshalb phase. Die Öffentlichkeit wird aktiv am Entwick- sie sich für eine neue Ausrichtung der Suchtpolitik in lungsprozess beteiligt. der Steiermark besonders eignen. Als Folge von Aktionsplänen kann eine stärkere Als notwendige Begleitmaßnahmen für die Entwick- Verpflichtung von Herstellern, Vertreibern und lung der Aktionspläne wird ein Indikatorensystem Verkäufern von Alkohol sowie von Glücksspielan- für ein gesundheitspolitisches Monitoring von Alko- bietern zu einer aktiven Rolle in der Suchtprä- hol und Spielsucht eingesetzt, welches flexibel ver- vention erreicht werden. Erschließung neuer Zielgruppen und Angebote Die bestehenden Präventionsprojekte in steirischen 2 liche mit Migrationshintergrund, um arbeitssuchen- aktivität Schulen zielen unter anderem darauf ab, die Wider- de Jugendliche und um Kinder aus Suchtfamilien. standsressourcen von Kindern und Jugendlichen zu Die epidemiologische und demografische Bedeutung stärken und so ihre Lebenskompetenz zu erhöhen. anderer wichtiger Zielgruppen kann im Rahmen von Dennoch können Teile der Jugendlichen, und zwar Präventionsprojekten und -programmen berück- jene mit einem höheren Suchtrisiko, durch die Akti- sichtigt werden, die andere Kriterien als das Le- vitäten nicht ausreichend gut erreicht werden. Dabei bensalter zum Ausgangspunkt der Aktivitäten neh- handelt es sich in erster Linie um Kinder und Jugend- men. So zählen etwa kritische Lebensereignisse, die
z i e l goal 1 ziel 1 Verrin gerung der infolge von Sucht beeinträchtigten und ziel 2 verlorenen Lebensjahre in der Steirischen Bevölkerung ziel 3 Sucht- p r äv e n t i o n 27 Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Gruppen eine Stärkung der Evaluationskultur die Qualität der mit erhöhtem Suchtrisiko oder auch die Früherken- bestehenden und neuen Angebote sicherzustellen, nung eines problematischen Konsum- oder Sucht- um in weiterer Folge ein thematisch und inhaltlich verhaltens bei Kontakten mit dem Medizinsystem zu abgestimmtes Vorgehen aller Akteur/innen zu er- vielversprechenden Auswahlkriterien. möglichen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten kann das Land Steiermark eine Stärkung der Wissensbasis für Als Folge der Erschließung neuer Zielgruppen Suchtprävention initiieren und eine stärkere Ver- und Angebote können mehr Menschen als bisher netzung der Bereiche Suchtprävention und Gesund- sowie die stärker von Sucht betroffenen sozialen heitsförderung anregen. Darüber hinaus können Gruppen von Maßnahmen der Suchtprävention Förderungskriterien für neue Projekte zielgerichtet profitieren. eingesetzt werden. Für den Bereich der Suchtprä- vention besteht die Steuerungsaufgabe darin, durch aktivität 3 Stärkung der Wissensbasis für Suchtprävention In vielen Aspekten der Suchtpolitik liegen zu wenige Ziel handlungsorientierter Suchtberichterstattung oder nur ungenaue Daten und Fakten zur Beurtei- ist, vorhandene Daten zu analysieren und das vor- lung der tatsächlichen Lebenssituation der Betrof- handene Wissen zu verständlichen Informationen fenen vor. Je besser der epidemiologische Kennt- aufzubereiten, anhand derer unterschiedliche Ak- nisstand über Konsum- und Suchtverhalten mit teur/innen motiviert werden, wissensbasiert zu ent- sozialen Merkmalen wie Geschlecht, Zugehörigkeit scheiden und zu handeln. zu ethnischen Minderheiten sowie Einkommen und Berufsstatus verknüpft werden kann, desto gezielter Die künftigen Themen handlungsorientierter Sucht- lässt sich die Bedeutung einzelner Themen und Risi- berichterstattung sind: kogruppen abgrenzen. --Spezialbericht: Sucht und Migration --Spezialbericht: Medikamentenmissbrauch Suchtberichterstattung ist eine wichtige Schnittstel- und -abhängigkeit le zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. --Spezialbericht: Sucht und Alter Alle Entscheidungen, die Gesundheit beeinflussen, --Allgemeine Suchtberichterstattung in fünf- sollten auf einer angemessenen Wissensbasis ge- jährigen Intervallen troffen werden. Handlungsorientierte Suchtbericht- erstattung bildet die rationale Grundlage für eine Handlungsorientierte Suchtberichterstattung bil- gemeinsame Problemsicht und die Planung von ge- det die rationale Grundlage für eine gemeinsame meinsamen Problemlösungsstrategien. Problemsicht und die Planung von gemeinsamen Problemlösungsstrategien.
z i e l Sucht- hilfe 28 ZIEL 2 2 Suchthilfe Durch einen gezielten Abbau der Unterversorgung sowie wohnortnahe und bedarfsorientierte Integration der Angebote soll die Versorgungsqualität gesteigert, die medizinische und psychosoziale Grundversorgung geöffnet und die Lebensqualität der Betroffenen erhöht werden. Case Management und Care Management in regionalen Suchthilfenetzwerken 4 aktivität Im Vergleich zur Versorgung anderer Erkrankungen Bei Case Management handelt es sich um ein struk- sind die Anforderungen an die Organisation einer turiertes Vorgehen, bei dem der individuelle Ver- differenzierten Suchthilfe komplex. Für Suchtkranke sorgungsbedarf dem Versorgungsplan der Sucht- und deren Angehörige ist der Einstieg in das vielglied- hilfeeinrichtungen gegenübergestellt wird. Case rige Suchthilfesystem mitunter schwierig. Der Be- Management kann seine Wirksamkeit nur dann ginn von Hilfsmaßnahmen kann sich durch fehlende unter Beweis stellen, wenn die Erkenntnisse aus der Ressourcen sowie durch nicht optimierte Koopera- Einzelfallbetreuung – vor allem was Versorgungs- tionsstrukturen verzögern. Trotz bestehender Kom- lücken und Kooperationsbedarf betrifft – in die Ver- munikationsstrukturen der Trägereinrichtungen der änderung des Suchthilfesystems eingebracht wer- Suchthilfe bedarf es verbindlicher Vereinbarungen den können. Aus diesem Grund ist eine Verzahnung aller an Suchthilfe Beteiligten, um die Versorgungs- mit Care Management hilfreich und notwendig. lage zu verbessern. Unter Case Management versteht man die Be- Care Management bezeichnet einen organisatori- gleitung eines individuellen „Falles“ (Patient/in und schen Ansatz gegen Desintegration und Diskontinui- Angehörige) mit dem Ziel, Leistungen des Gesund- tät der Suchthilfe. Ähnlich dem Case Management heits- und Sozialwesens zu erschließen und die Be- zählt die Zusammenführung der Leistungserbrin- handlungsschritte besser zu koordinieren, wodurch gung und eine Steigerung der Behandlungsqualität die Qualität der Versorgung verbessert wird. Dabei zu den Hauptzielen, die allerdings durch manage- müssen Case Manager/innen ein besonders hohes mentfähige Strukturen und vertragliche Regelungen Anforderungsprofil erfüllen. erwirkt werden, die in regionalen Suchthilfenetzwer- ken verhandelt werden sollen.
29 Aufbau regionaler Suchthilfenetzwerke In regionalen Suchthilfenetzwerken arbeiten alle dass die Kostenträger der Suchthilfe Sektoren über- Organisationen zusammen, die mit Suchtproblemen greifend an den Netzwerken teilnehmen. befasst sind. Dazu gehören z. B. die Beratungsstellen, Einige suchttherapeutische Maßnahmen werden be- Krankenanstalten und niedergelassene Ärzt/innen. reits von Einrichtungen der medizinischen Regelver- Durch das Agieren im Netzwerk findet mehr Kommu- sorgung durchgeführt. Es gilt aber, die Akteur/innen nikation, Austausch und Information statt, auch über der medizinischen Primärversorgung vermehrt in eine individuelle Problemlagen von Klient/innen der Sucht- qualifizierte Betreuung und Behandlung Suchtkran- hilfe. Gemeinsam sollen niederschwellige, wohnort- ker einzubinden und sie dabei in ihrer Wirksamkeit nahe Zugangsmöglichkeiten sichergestellt und die zu stärken. Ziel der neuen Steirischen Suchtpolitik ist, erforderlichen Hilfemaßnahmen eingeleitet werden. durch Case Management den Vermittlungsaufwand für Allgemeinmediziner/innen, Fachärzt/innen für Dies hängt mit der Verfügbarkeit von ambulanten, Psychiatrie, Krankenhausärzt/innen und Psychosozi- teilstationären und vollstationären Behandlungs- ale Zentren erheblich zu senken. Ferner sollen durch möglichkeiten und komplementären Versorgungs- den Ausbau von Konsiliar- bzw. Liaisondiensten noch strukturen mit entsprechender Vernetzung ab. Des- mehr Suchtpatient/innen motiviert werden, an der halb müssen durch regionale Suchthilfenetzwerke Verbesserung ihrer Situation mitzuwirken. die Leistungen der sozialen und gesundheitlichen Versorgung besser auf den Umgang mit Suchter- Regionale Suchthilfenetzwerke unterstützen und krankten abgestimmt und regional angepasste Pro- stärken die Problemlösungskompetenz in der blemlösungen erarbeitet werden. Wenn dies gelingt, Suchthilfe durch Kommunikation, Koordination können suchtkranke Menschen früher im Verlauf der und Kooperation (Care Management) nachhaltig, Erkrankung erreicht und mit geringerem Aufwand wenn auch die Klient/innen der Suchthilfe direkt stabilisiert werden. Dies erfordert auch eine ver- von den Aktivitäten profitieren können (Case Ma- stärkte Kooperation der Akteur/innen im Hinblick auf nagement). Angebote der Regelversorgung können die Finanzierung der Leistungen. Deshalb ist nötig, stärker als bisher für Suchthilfe geöffnet werden.
Nimmt man die geschätzte absolute Anzahl der von Abbau der Unterversorgung 5 - Es bestehen zu geringe Kapazitäten für die aktivität verschiedenen Substanzen und Verhaltenssüchten stationäre und tagesklinische Entzugs- und abhängigkeitserkrankten Steirer/innen auf Basis Entwöhnungsbehandlung. bestmöglicher Evidenz als Grundlage für eine Ein- - In der Substitutionstherapie ist die psycho- schätzung des Versorgungsbedarfs und stellt sie soziale Versorgung generell nur mangelhaft vor- den effektiv vorhandenen Angeboten gegenüber, so handen, ebenso mangelt es an medizinischer 30 ergibt sich ein Bild der Unterversorgung. Von dieser Grundversorgung in ländlichen Regionen. strukturellen Unterversorgung sind derzeit alle Be- - Auch für Krisenintervention ist das Angebot handlungsbereiche (niederschwellig-nachgehend; unzureichend. ambulant; stationär) und komplementäre Angebote zur sozialen Integration und Rehabilitation sowie Und an Begleitangeboten benötigt man: die psychosoziale Grundversorgung durch Psycho- - (Zugang zu) Psychosozialen Zentren und Be- soziale Zentren und Beratungszentren in allen steiri- ratungszentren in den Bezirksvororten schen Bezirken betroffen. - (Zugang zu) Wohnraumsicherung für Jugend- liche und Erwachsene mit Unterkünften, die Zur Sicherstellung der medizinischen Grundversor- auch für mehrfach psychiatrisch Erkrankte gung sind derzeit etwa eine Spezialambulanz für geöffnet sind die Substitutionstherapie in Graz sowie ein ent- - (Zugang zu) Arbeitsangebote(n) für Hoch- sprechender Behandlungsschwerpunkt in der all- risikogruppen gemeinpsychiatrischen Ambulanz am LKH Bruck in Planung. Die derzeit wichtigsten Herausforderungen in der Versorgungsstruktur der Suchthilfe sind: Mit einem Abbau der Unterversorgung sind ein - In der Süd-, Südost- und Weststeiermark gerechter Zugang zu Einrichtungen der Suchthilfe mangelt es an psychosozialen Angeboten der und eine Steigerung der Behandlungsqualität ver- ambulanten Suchthilfe. bunden. Vorbereitung einer leistungsorientierten Die Wissensgrundlagen für eine leistungsorientierte Finanzierung der Suchthilfe 6 Form zu beschreiben. Inhaltlich soll die Basisdoku- aktivität Finanzierung der Suchthilfe sind in verschiedener mentation alle Suchtformen umfassen (auch legale Hinsicht uneinheitlich und unzureichend. Zwar wer- Substanzen und substanzungebundene Süchte). den von den Einrichtungen Informationen über die Klient/innen der Suchthilfe und über die durchge- Zur Vereinheitlichung der Leistungsdokumentation führten Leistungen gesammelt, jedoch werden die- und rationalen Steuerbarkeit der Suchthilfe sind se nicht einheitlich geführt und können somit nicht einheitliche Leistungsdefinitionen eine weitere not- miteinander verglichen werden. Zudem bestehen für wendige Voraussetzung. Diesen Leistungen können die verschiedenen Bereiche der Suchthilfe unter- innerhalb von Pilotprojekten in Referenzeinrichtun- schiedliche Finanzierungsbedingungen. Dies verun- gen Kosten zugeordnet werden, die als Durchschnitts- möglicht eine einheitliche finanzierungspolitische kosten die Basis für eine leistungsorientierte Finan- Steuerung der Suchthilfe. zierung der ambulanten Suchthilfe bilden können. Die Einführung einer einheitlichen Basisdokumentati- Durch eine Basisdokumentation der Klient/innen on über verschiedene Merkmale von Klient/innen und und ihrer Probleme sowie einer einheitlichen Leis- Patient/innen in der Suchthilfe soll diese Situation tungsbeschreibung kann Wissen über die Verän- verbessern. Als Voraussetzung für eine leistungsori- derung der Inanspruchnahme sowie Wissen über entierte Finanzierung der Suchthilfe sollen die Leis- die Wirksamkeit der Versorgungsleistungen ge- tungserbringer/innen in der ambulanten Suchthilfe sammelt werden, das in eine leistungsorientierte beauftragt werden, ihre Leistungen in standardisierter Suchthilfefinanzierung mündet.
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