Miteinander - Canisiuswerk
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miteinander 3–4/2020 | 92. Jahrgang | € 1,50 Das Magazin des Canisiuswerkes 4 Essay Über biblische Geschichten und erzählte Wahrheiten 12 Ratgeber Wie finde ich den Platz in meinem Leben? 18 Reportage Bildung gegen Armut: Besuch in Rumänien Aufwärts! Das Leben spielt sich buchstäblich zwischen Himmel und Erde ab: Mit dem Frühling strebt alles der Sonne entgegen. Zeit, einmal Kopf und Geist zu heben und den Blick himmelwärts zu richten.
In diesem miteinander 4 12 18 Thema Glaube & Leben Welt & Berufung 3 Den Sehenden Augen öffnen 7 Blickwinkel 12 Wo ist mein Platz? Blinder Bergsteiger Kolumne Die eigene Berufung finden 4 Begeisternde Geschichten 8 Göttliche Medienprofis 15 Neustart in Neustadt Über erzählte Wahrheiten Serie Biblische Berufe Kapuziner 6 Verlorene Zukunft 11 Ewige Stadt 17 Leidenschaftlicher Gottsucher Geliebte Sternenkinder Arbeiten für vatikanische Medien Priesterseminarist im Porträt 9 Luftige Höhen 14 Mit leichtem Gepäck 18 Bildung als Schlüssel Bischöfe über Lieblingsorte Pilgerreise nach Assisi Einsatz für Rumänien 9 Aufwärts 16 Bleibe bei uns! 20 Aus den Diözesen Lyrik Emmausjünger Vielfältige Angebote 11 Auf der Kirchturmspitze 19 Aus dem Seitenschiff Standards Porträt eines Spenglers Kinder und die Klimakrise 2 Editorial 21 Aus der Redaktion 22 Impressum 22 Canisiuswerk aktuell 23 Gebet 24 Bild & Wort Editorial D as Glück liegt auf 2.704 Das eigentlich Gute sprießt fürAnders gesagt: Wer vom österlichen Auf- Metern. Nach einem den Bauern von unten. Und wärts des Menschen sprechen möchte, darf langen Anstieg über Geröll- welcher Flugpassagier ist nichtvon seinem Ende, vom Verstummen ange- und Schneefelder und einem steilen Grat froh, wenn er endlich wieder Boden un- sichts der Realität des Todes, von seinem hält der Gipfel einen atemberaubenden irdischen Hinab nicht schweigen. Was wir ter den Füßen hat. Ist alles also nur eine Blick bereit. Der Himmel tiefblau. Voll- Frage der Perspektive? Oder gibt es ein biografisch oft aushalten müssen – das Le- kommene Ruhe. Erschöpfung und Glück verbindendes Moment? ben in dieser permanenten Spannung von pur. Das war vor fast 30 Jahren, als ich oben und unten – täte wohl auch der Kir- zum ersten Mal auf der Roten Wand im Eine mögliche Antwort bietet ein Blick che und ihrer Verkündigung gut: ein wenig Großen Walsertal stand. Glück bedeutete auf Ostern, das Fest der Auferstehung, mehr Umsicht in der Rede von der Aufer- für mich seither oft aufwärts, nach oben, des „Aufwärts“ par excellence. Das meine stehung; theologisch gesprochen: ein wenig Titelbild: Adobe Stock/sergeytimofeev | Klingen: Sulzer/SHW in die Berge. Zugleich wuchs in den letz- ich nicht spirituell mehr „Karsams- » ten Jahren die Liebe zur Ebene, zu den überhöht, sondern tagschristologie“. endlosen Radwegen meiner Jugend, zur ganz und gar ge- Aufwärts geht’s nur, Denn Hoffnung Weite des flachen Landes, das bis heute erdet, weil in der speist sich aus ih- den Geschmack vom Glück der Kindheit Spannung von un- wenn man den Boden rer Herkunft, aus « für mich trägt. ten und oben ste- unter den Füßen dem Jammertal hend: Denn bevor nicht verliert. mehr als aus der Ähnlich Gegenläufiges zwischen oben in der Osternacht Vision. Aufwärts und unten lässt sich auch in vielen ande- in einem liturgi- geht’s nur, wenn ren Lebensbereichen beobachten: Wenn schen Vorgriff die Auferstehung gefeiert man den Boden unter den Füßen nicht ver- sich der Bauer nach Regen sehnt oder der wird, kennt der Glaube den Tiefpunkt des liert. Das gilt für den Glauben ebenso wie Sonnenanbeter nach Wärme, richten bei- Karfreitags und das Verstummen des Kar- für eine glückversprechende Bergtour. de ihre Blicke nach oben. Andererseits: samstags. Henning Klingen 2
Porträt Jeder hat seinen Everest Andy Holzer ist von Geburt an blind. Doch Ohren, Nase, Mund und vor allem Hände reichen ihm, um sich ein präzises Bild von der Welt zu machen. Der „Blind Climber“ bestieg die „Seven Summits“, die höchsten Berge aller Kontinente. Von Robert Sonnleitner W as dem Mount Everest halt raufsteigen und sie erfühlen.“ Sei- lich, alle „Seven Summits“, die jeweils nicht gelang, schaffte am ne Blindheit empfindet er hier sogar als höchsten Berge der sieben Kontinente, zu 26. Jänner 2019 der Teles Vorteil: „Als Blinder orientierst du dich bezwingen. Beim letzten in seiner Liste, kop-Funkmast in seinem Garten: Andy viel mit den Händen, das ist im aufrech- dem Mount Everest, musste er 2014 und Holzer stürzte 20 Meter in die Tiefe, als ten Gang schwierig. Am Fels hatte ich die 2015 wegen einer Lawine und einer Erd- die Stahlkonstruktion bei Reparaturarbei- Welt plötzlich unter Kontrolle. Und des- bebenkatastrophe umkehren, beim drit- ten nachgab und den begeisterten Hob- halb ist das Bergsteigen bis zum heutigen ten Versuch 2017 klappte der Gipfelsieg. byfunker unter sich begrub. Holzer muss- Tag die sichere Variante für mich.“ te von der Feuerwehr geborgen werden; Den Sehenden Augen öffnen beide Unterarme waren eingeklemmt Eine große Hilfe ist ihm seine Frau Sa- Bereits 2010 machte sich der als „Blind und mehrfach gebrochen. Er musste ope- bine, mit der er seit 1990 verheiratet ist Climber“ international bekannt geworde- riert werden, verbrachte viele Monate und mit der er in Tristach im Bezirk Li- ne Holzer als Bergsteiger und Vortragen- in Rehabilitation. Der rechte Zeigefinger enz lebt. Gemeinsam planen sie jede Tour der selbstständig. Sein Motto lautet: Den war allerdings nicht zu retten und wur- voraus, „so entsteht eine virtuelle Skizze Sehenden die Augen öffnen. Holzer möch- de amputiert – ein Verlust, der Holzer in meinem Kopf“, sagt Holzer. Dazu stu- te das nicht als überhebliche Ansage ver- schwer traf, denn „die Fingerspitzen sind mein Horizont“. Andy Holzer ist aufgrund einer Netz- hauterkrankung seit Geburt blind. Doch das hat den Osttiroler nie abgehalten, das zu tun, was er tun wollte. Fahrradfahren zum Beispiel. „Der zum Radfahren nötige Gleichgewichtssinn war bei mir schon im- mer gut ausgeprägt“, erzählt er. Das Pro- blem war eher, mögliche Hindernisse auf der Straße wahrzunehmen. Zum Glück gab es im Dorf kaum Autos und so lern- te der junge Andy alle Gemeindestraßen und Wege auswendig. Autos oder Trak- toren erkannte er aufgrund ihrer Moto- ren- und Reifengeräusche. Bis heute zäh- len Sportarten wie Langlauf, Surfen und Mountainbiken zu seinen Hobbys. diere er die Berichte von anderen Berg- standen wissen, sondern es bedeutet, dass steigern. „Ich werte sie aus, präge mir „man seine scheinbaren Schwächen einmal Blindheit als Vorteil alles ein: Wo rauscht ein Bach, nach wie von einer anderen Seite betrachten sollte Das Bergsteigen fasziniert ihn seit Kind- viel Kletterstunden muss man wo abbie- und sie dadurch vielleicht sogar zu einem heitstagen. „Als ich ein kleiner Junge gen, wie ist der Zugang zum Fels?“ Auf Werkzeug machen kann“. Jeder habe einen Andreas Unterkreuter war, haben mir meine Spielkameraden dem Berg selbst ist der blinde Alpinist im- Everest, also eine Herausforderung, der von den Zacken der Dolomiten erzählt“, mer in Begleitung; Holzer „liest“ oft den man sich im Leben stellen muss. Für Hol- erinnert sich Holzer. „Ich wusste, wenn Untergrund über die Bewegungen seines zer war es im Vorjahr der harte Weg nach ich die auch sehen möchte, muss ich Vordermanns. So gelang es ihm tatsäch- seinem Unfall zurück auf den Berg. miteinander 3–4/2020 3
Essay Über erzählte Wahrheiten Fantasy-Serien bedienen sich häufig religiöser Narrative von Leiden, Sterben und Erlösung. Warum gelingt aber ihnen, was den biblischen Überlieferungen immer weniger gelingt, nämlich Menschen zu faszinieren? Von Aaron Langenfeld G ehörnte und gehufte Halbmen- Einrichtungen als Statue abgebildet ist – gengeschichte zu tun. Es ist aber kaum zu schen ziehen durch die Straßen, überlebensgroße Darstellungen eines bru- bestreiten, dass diese Geschichten unse- Feen organisieren sich im Unter- tal Erhängten. Die drastische Exekutions- re selbstverständlichen Wahrheiten an- grund gegen die rassistische Diskriminie- darstellung provoziert recht unmittelbar greifen oder sogar zerstören und uns so rung ihrer Art – die Serie Carnival Row die Frage, welch perverser Anblick dort ei- offenkundig etwas über die Wirklichkeit (USA, 2019) erhebt augenscheinlich nicht gentlich verehrt wird. Und natürlich spielt sagen können. Kann man also auch etwas den Anspruch, uns über reale Ereignisse sie so mit einer Verfremdung christlicher Positives aus diesen Narrativen ziehen? zu informieren. Merkwürdig ist es dann Corpus-Kreuze, die uns zumeist selbstver- Erzählen Lügen Wahrheit? aber doch, all diese Gestalten » nicht in dem für sie vorgesehe- Man könnte mit der Frage begin- nen Fantasy-Reservat zu sehen, Warum fällt es uns so schwer, nen, warum eine Religion einen in dem wir sie normalerweise grausam Getöteten in ihr Zent- die biblischen Geschichten vermuten würden, sondern in rum stellt. Es ist doch interessant, einer viktorianischen Großstadt, vom Tod und der Auferstehung dass hier nicht ein Übermensch die zwar verfremdet, aber doch Jesu erst einmal als Erzählungen verehrt wird, der mit sonderba- « zugleich historisch völlig vertraut zu begreifen, die uns Wahres über ren magischen Fähigkeiten aus- erscheint. Alles ist so, wie man es gestattet ist, sondern dass das kennt, und zugleich ist alles ganz unser Leben sagen können? eigentlich Entscheidende eine anders. Durch die Verfremdung scheiternde Kreatur ist, die nicht entsteht ein Zerrspiegeleffekt – einmal sich selbst vor dem Tod man sieht die eigene, bekannte Welt an- ständlich sind, bei denen wir nicht mehr bewahren kann. Und natürlich irrlichtern ders, weil man feststellt, dass sie grund- sehen, dass sie an einen Tod und ein Ster- die Protagonisten der Carnival Row schei- sätzlich auch ganz anders sein könnte. ben erinnern, die in Brutalität einer Stran- ternd und sterbend durch die Gegend – gulation in nichts nachstehen. auf der Suche nach sich selbst und nach Einen solchen Effekt erzielt die Serie auch einander; eine Suche, bei der keine Magie beeindruckend bei ihrer Darstellung von Wahrheit in der Lüge? zu helfen scheint. Auch in der Harry-Pot- Religion: Angebetet wird der Märtyrer, Eigentlich haben wir es bei dieser Serie ter-Reihe ist es ja bemerkenswerterweise der in religiösen Gebäuden und sozialen also mit einer erdachten, ja, mit einer Lü- das ganz alltägliche Phänomen der Liebe, 4
das größer ist als alle Zauberkraft. Gerät über den Tod und die Auferstehung Jesu? Lebens ist. Sie erzählen vom Versprechen also durch die Verzerrung etwas in den Warum fällt es selbst Christen so schwer, des Lebens, das den Tod unvernünftig er- Blick, das wir in unserer durch und durch sie erst einmal als Erzählungen zu begrei- scheinen lässt und über denselben auf ei- entmythologisierten Welt nicht oder zu fen, die uns Wahres über unser Leben ne Wirklichkeit ausgreift, die unsere Ge- wenig wahrnehmen, weil es zu selbstver- sagen können – selbst dann oder gerade schichten vollenden und versöhnen kann. ständlich ist? weil sie sicherlich nicht so passiert sind, wie sie überliefert wurden? Vielleicht hilft Wenn wir unsere Geschichten in den Er- Wir mögen es, diese Erzählungen zu es unserem Zutrauen in diese Erzählun- zählungen unserer Zeit gespiegelt sehen sehen, zu lesen und zu hören, weil Ge- gen, wenn wir sie mit der erzählerischen und wenn wir uns die biblischen Texte schichten des Scheiterns und Sterbens, Vernunft anderer großer Geschichten ver- von Karfreitag und Ostern im Spiegel die- aber auch der Liebe und des momenta- gleichen, um von da aus neu ihre Einzig- ser Erzählungen aneignen, dann können nen Glücks Geschichten über uns selber artigkeit würdigen zu lernen. sie zurückspiegeln – in unsere Erzählun- sind. Verfremdet sind sie zwar und ins gen, aber auch in die Geschichten unseres Extreme getrieben, dadurch aber gerade Karfreitag, so könnte man sagen, erzählt Lebens. offen für alltägliche und extreme Erfah- in ganz eigener Weise die Geschichte von rungen gleichermaßen; Erfahrungen, die Harry Potter und Jon Snow und so in ge- wir machen und die nur schwer nachvoll- wisser Weise auch die Geschichte des Lei- ziehbar sind, wenn man sie nicht selbst dens und Sterbens aller Menschen. Um- erlebt hat. In Erzählungen finden wir uns gekehrt erzählen aber natürlich auch Har- istockphoto/SunnyGraph | Langenfeld: privat wieder, fühlen uns verstanden, identifi- ry Potter, Game of Thrones und in diesem zieren uns mit Figuren und Situationen Sinne unser aller Lebens- und Leidensge- Dr. Aaron und genau darin können wir noch in den schichten vom Karfreitag. Und genauso Langenfeld absurdesten Vorstellungswelten Wahr- erzählen diese Geschichten von der Hoff- heiten über unser Leben entdecken. nung, dass nicht der Tod, sondern das ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Systema Leben das letzte Wort hat, dass noch gut tische Theologie der Universität Paderborn Biblische Geschichten neu lesen werden kann, was noch nicht gut ist, dass und Geschäftsführer des Zentrums für Warum gelingt uns das eigentlich so auch angesichts des Todes nicht der Tod, Komparative Theologie und Kulturwissen- schlecht mit den biblischen Geschichten sondern das Leben das Eigentliche des schaften. miteinander 3–4/2020 5
Sternenkinder Wenn Leben endet, bevor es begonnen hat Kinder, die vor, während oder bald nach der Geburt sterben, werden Sternenkinder genannt. Für deren Eltern bricht damit eine Welt zusammen – und der Weg zurück ins Leben muss mühsam erkämpft werden. Von Daniel Seper D as Kinderzimmer wird einge- Schockzustand überwindet und erst lang- dürften überhaupt kei- richtet, erste Kleidung in den sam realisiert, was geschehen ist – oft ist ne Freude mehr zeigen kleinsten Größen gekauft und da bei Verwandten und Freunden bereits – und es wird für sie womöglich die Wohnung schon kindge- wieder der Alltag eingekehrt, erzählt die dann schwieriger, zu la- recht gemacht. Es gibt wohl kaum eine Tirolerin. chen als zu weinen. größere Vorfreude als jene von werden- den Eltern. Neun Monate freudiger Er- Sie wollte, ja konnte nicht stehenbleiben Ein solcher Verlust for- wartung: Das Glücksgefühl ist so groß, und sich ihrer Trauer tatenlos ergeben. Sie dert Beziehungen her- dass man es am liebsten gleich mit allen entschloss sich für eine Ausbildung zum aus – und wirkt sich auf teilen und ihnen vom heranwachsenden Mentalcoach, zunächst für sich selbst, wie die Familienplanung Baby erzählen möchte. sie sagt. Doch dann haben Menschen ihre aus. Es gilt zunächst, Begleitung in Anspruch genommen, die das verloren gegangene Dem errechneten Geburtstermin wird ein ähnliches Schicksal erfahren mussten. Vertrauen in das Leben entgegengefiebert – und dann: Das Kind Betroffene Familien, Eltern, Geschwister wiederzugewinnen , stirbt. Plötzlich ist alles anders, von ei- mussten nicht alles erklären, bevor sie ih- ohne dabei den tief sit- nem Moment zum anderen verwandelt nen helfen konnte. Natürlich musste Osl zenden Schmerz ein- sich die stärkste Freude in tiefste Trauer. davor mit ihrer eigenen Geschichte im fach zu überdecken, er- Das junge Leben endet, bevor es richtig Reinen sein, wie sie sagt. So kann sie nun klärt Osl. Viele Männer zeigen ihre Trauer begonnen hat. ihre Erfahrungen bei der Begleitung Be- anders als Frauen. Ihre Partnerinnen den- troffener einbringen, ohne die Gescheh- ken, dass sie gar nicht trauern, weil sie Gestohlene Zukunft nisse zu vermischen. dies nicht offen zeigen und denken, stark Monika Osl kennt dieses Gefühl, wenn sein zu müssen. Dabei weinen sie dann die Welt zusammenbricht, „einem die Erfahrungen teilen oft im Geheimen. Der Austausch darüber Zukunft gestohlen wird“. Sie hat drei In Trauergruppen für verwaiste Eltern hilft sehr. Kinder vor der Geburt verloren – und geht es vor allem darum, über die eige- mit ihnen viele Träume: „Alles wird auf nen Gefühle und Erfahrungen zu spre- Zweifel, Widerspruch und Trost den Kopf gestellt.“ Es dauert, bis man den chen. „Der Weg der Trauer kann nicht Die Hilfsangebote für Familien von abgekürzt werden, aber es beruhigt, Sternenkindern nehmen zu – auch sei- wenn man hört, dass es anderen ähn- tens der Kirche. So gibt es in vielen Verein Regenbogen Österreich lich geht“, erzählt Osl. Da geht es nicht Kirchen am zweiten Sonntag im De- ist eine Selbsthilfegruppe von Eltern, nur um Trauer, Wut oder Unverständnis, zember, dem Weltgedenktag für ver- deren Kinder früh verstorben sind: auch Neid kann ein Thema sein – wenn storbene Kinder, einen speziellen Got- ▶▶www.shg-regenbogen.at betroffene Eltern andere mit einem Kin- tesdienst. Tatsächlich sehen sich gera- In vielen Pfarren und Kranken- häusern bieten Seelsorger spezielle derwagen sehen oder im Umfeld ein Kind de gläubige Eltern von Sternenkindern Angebote für verwaiste Eltern an. geboren wird. Wenn ein Paar ein Kind in besonderer Weise mit der Frage verliert, haben sie oft auch das Gefühl, sie nach dem Warum konfrontiert: Wa- 6
Blickwinkel Schluss mit der Kuckucksuhr-Pastoral Von Martin F. Riederer OPraem K aum eine Woche vergeht oh- denden Seelsorgeeinheiten nicht in Ku- ne personelle oder strukturelle ckucksuhr-Manier geschehen: Pünktlich Veränderungen in den heimi- zur festgesetzten Zeit kommt der Ver- schen Diözesen. Der hohe Altersdurch- antwortliche aus der Tür, um nach ge- schnitt der Priester, der Mangel an Be- machtem Schrei punktgenau sofort wie- rufungen, der Anstieg der Kirchenaus- der zu verschwinden. Solch distanzierte, tritte, der rasante Vertrauensverlust in entmenschlichte Kuckucksuhr-Pasto- die Institution … ral wird schnell hohl und burn-out-ge- fährlich! Es kann auch nicht sein, dass Gründe für notwendige Ein- Selbstverwirklichung und persönli- griffe und Anpassungen cher Geltungsdrang in Liturgie gibt es viele. Ra- übersetzt werden und man- d i k a l e Ve rä n - che Gemeinden zer- derungen sind reißen. wohl unumgäng- lich. Dabei gilt Kirche definiert es mehr denn je, sich zentral von die Sakramentali- der Feier der Eu- tät der Kirche und charistie. Daraus ent- die zentrale Bedeu- faltet sie ihre verkün- tung der Sakramente denden, liturgischen, rum musste gerade ihr Kind sterben? im Bewusstsein und karitativen und hei- Wieso ließ Gott das zu? Solche Fragen in den Herzen zu be- lenden Aufgaben können den Glauben massiv ins Wan- wahren. Damit bei al- als Dienende in der ken bringen, alles infrage stellen. An- ler Veränderung weder Welt. Ein Dienst, der deren bietet der Glaube nach einer Zeit die Menschlichkeit noch – in vielen Ländern ge- des Haderns, Zweifelns und des Wider- die gewachsene, kirchliche Ge- hasst und sogar verfolgt – spruchs aber auch Hilfe und Trost. Sie stalt zerstört werden, braucht zum Kreuzweg wird. Ein hegen die Hoffnung, dass ihr Sternen- es ein hohes Maß an Geduld, Dienst, der ohne verantwor- kind in Gott geborgen bleibt, dass sein viel Gespräch, vor allem aber tungsbereiten Blick und oh- Tod nicht umsonst war. die Liebe zu Gott und zu den ne Haltung des Dienens aller Menschen. Wir sind – in der Getauften stirbt. Die Kirche Monika Osl hat dem Leben wieder ver- Gemeinschaft mit Jesus – ei- braucht mehr denn je das ge- traut. Sie begleitet heute nicht nur andere nander anvertraut und so für- meinsame Gebet. In diesen Betroffene, sondern hat drei weitere Kinder einander und miteinander un- Tagen den Kreuzweg Jesu Adobe Stock | MH STOCK bekommen. Und sie erzählt offen von ih- terwegs. Leider ist das nicht täglich zu betrachten und ren Erfahrungen, damit sie Menschen die immer spürbar. zu beten, ist in diesem Jahr Angst nimmt, mit betroffenen Familien mein konkreter Vorsatz für über ihre Sternenkinder zu sprechen. So kann und darf die konkrete den Weg nach Golgota – hi- ▶▶www.kopfstark.at pastorale Arbeit in größer wer- nein ins Ostern 2020. miteinander 3–4/2020 7
Serie: Biblische Berufe medial inszenierter Auftritt besser. Ein bisschen Show muss sein. Die Engelslei- ter des Jakob oder das Feuerschwert der Kerubim zählen zu besonders gelungen Inszenierungen, die lange im Gedächtnis Göttliche bleiben. Printmedien für die Ewigkeit Medienprofis Erfolgreich waren die biblischen Medien- fachleute aber vor allem dadurch, dass sie auch die Printmedien bedienten und da- durch ihre Botschaften in die Archive ka- Medienberufe sind durch und durch moderne men. Manche waren von dieser Form der Berufe – mag man meinen. Botschaft so begeistert, dass sie sie buch- Tatsächlich gibt es für viele stäblich verschlangen wie Ezechiel. Medienjobs biblische Vorbilder. Der größte Medienprofi ist natürlich Gott Von Elisabeth Birnbaum selbst. Er bedient sich einerseits Wortbot- M schaften, andererseits aber auch audiovi- edienfachleute haben die Auf- sagen können, wer der Vater des Kindes suellen Materials wie der „Visionen“. Ziel- gabe, Inhalte gekonnt zu ver- seiner Verlobten ist, hätte Josef Maria gruppenorientiert verändert er die Form breiten. Dazu recherchieren wohl verlassen. Glaubwürdigkeit ist alles. der Vermittlung je nach Bedarf. Laute sie, erstellen Texte, Video- und Audiobei- Deshalb war ja auch der Prophet Jona so und leise Formate, mithilfe seiner Mitar- träge und sorgen für effiziente Öffentlich- böse, dass seine ohnehin nicht begeistert beiter/innen oder allein. Dazu sind seine keitsarbeit. Ihre Tätigkeit überschneidet vorgetragene Botschaft von der bevorste- Botschaften immer tagesaktuell und er ist sich da und dort auch mit der von Journa- henden Zerstörung Ninives sich durch selbstverständlich immer bestens infor- listinnen und Journalisten bzw. Korrespon- Gottes Barmherzigkeit im Nachhinein als miert. Er setzt auch sehr darauf, dass sei- denten. Einige der ältesten Medienfachleu- „Fake News“ herausstellte. ne Botschaften in gedruckter Form Ver- te entstammen der Bibel: Sie beherrschten breitung finden, vor allem in dem Buch ihre Aufgabe perfekt. Manche von ihnen Timing ist alles schlechthin, der Bibel. Und die Auflage waren so erfolgreich, dass man sie „Engel“ Dann ist da die Frage des richtigen Ti- dieses Printproduktes ist noch von nichts nannte. Propheten übten neben ihrer „Be- mings: Richtige Medienprofis suchen den anderem übertroffen worden. ratertätigkeit“ (vgl. Teil 1 der Serie im mit- einen, den passenden Moment, wo sie ih- einander 1-2/2020) ebenfalls viele Tätig- re Botschaft wirksam einsetzen können. keiten von Medienfachleuten aus. Wenn die Botschaft dann zudem überra- schend und neu ist, steigert das die un- Was zeichnet diese Medienprofis aus? Der geteilte Aufmerksamkeit noch mehr. Bei- Berufe der Bibel heute wichtigste Aspekt ist: Die Botschaft muss spiel Abraham: Er soll seinen Sohn Isaak Berater, Biobauer, Family-Manager – stimmen, sie muss genau recherchiert opfern. Gehorsam wie er ist, nimmt er die Vielfalt an Berufsbildern ist heute schier unüberschaubar. Und doch sein. Hätte der „Engel“ Josef nicht genau seinen Sohn, bereitet alles für das Opfer haben viele dieser Berufe biblische vor und schreitet zur Tat. Erst als er dem Birnbaum: Bibelwerk | Adobe Stock/Anastasia Turshina Vorbilder. In unserer neuen Serie Jungen buchstäblich das Messer ansetzt stellt Dr. Elisabeth Birnbaum im Laufe und die Spannung auf dem Höhepunkt dieses Jahres sechs dieser Berufe und ist, schreitet der Engel ein und ruft ihm ihre biblischen Entsprechungen vor. das erlösende „Halt ein!“ entgegen. Wer dieses oder andere biblische Dr. Elisabeth Themen Birnbaum Auch das Medienformat muss gut be- vertiefen dacht sein. Manches lässt sich einfach möchte, findet ist promovierte Alt durch Worte sagen, wenn man sich da- im Übrigen viele testamentlerin und seit bei auf „eine verlässliche Quelle“ stützen Anregungen in den 2017 Direktorin des Österreichischen kann. „So spricht der Herr“ ist immer ein laufenden „Jahren der Bibel“. Katholischen Bibelwerkes. ▶▶www.jahrederbibel.at ▶▶www.bibelwerk.at guter Anfang. Manchmal wirkt aber ein 8
Aufwärts Lyrik Hoch über den Aufwärts Dächern der Stadt Wenn die Tage allmählich wieder Nicht nur der Glaube strebt „aufwärts“, auch die Kirchen länger werden und uns mehr ragen mit ihren Spitzen oftmals weit über andere Gebäude Licht schenken, spüren viele Menschen, hinaus. Wir haben zwei Bischöfe gebeten, uns an dass es langsam aufwärts geht. besonders luftige Orte in ihrer Diözese mitzunehmen. Wenn wir nach einer schweren Zeit, einer inneren Trockenheit oder harten Schlägen wieder neue Kräfte schöpfen, merken wir, dass es wieder aufwärts geht. Wenn wir manche Altlasten und Ärgerliches hinter uns lassen können, haben wir das Gefühl, dass es stetig aufwärts geht. D Wenn es uns gelingt, einen er Turm des Mariendoms wird Stadtlandschaft zu blicken. Der Linzer niedergeschlagenen Mitmenschen derzeit saniert und war bis vor Mariendom verkörpert beides: Er ist aufzurichten und aufzubauen, Kurzem bis zum Turmkreuz hi- oberösterreichisches Wahrzeichen und wünschen wir uns sehnlichst, nauf eingerüstet. Damit bot sich für mich Ort der Gottesbegegnung zugleich. Glau- dass es weiter aufwärts geht. eine einmalige Gelegenheit, vom höchs- be und Gesellschaft begegnen sich in ihm ten Punkt der größten Kirche Oberös- und um ihn herum in bereichernder Wei- Wenn jemand nach einer langen terreichs auf die darunterliegende Ar- se. Krankheit allmählich wieder zu chitektur des Domes und auf die Linzer Bischof Manfred Scheuer Kräften kommt und es ihm wieder besser geht, hoffen wir inständig, dass es mit ihm aufwärts geht. Paul Weismantel Bischof Scheuer: Mariendom | Bischof Glettler: Sigl | istockphoto/momnoi aus: Paul Weismantel, Mut zum Leben – Fastenkalender 2017, weis-texte Verlag, Klemmern 2017 D ie Terrasse auf dem neuen „Haus ben wir bei den imposanten Gebäuden hän- der Musik“ in Innsbruck ist eine gen, aber das Leben spielt sich meist in vie- herrliche Schaustelle, die nicht nur len anderen Räumen ab. Von Zeit zu Zeit ge- einen coolen Blick auf Hofburg, Kuppel und nieße ich den schönen Blick über die Stadt Turm des Domes St. Jakob ermöglicht. Im – er vermittelt mir ein Gefühl von Freiheit Hintergrund sieht man im Stadtteil Hötting und zugleich auch eine Verbundenheit mit einige kleine Häuser, darunter auch das bi- allen, die im Gemenge heutiger Gesellschaft schöfliche Ordinariat und Priesterseminar. ihr Leben meistern müssen. Ja, man muss genau hinschauen. Leicht blei- Bischof Hermann Glettler miteinander 3–4/2020 9
Ewige Stadt Als »Papst-Erklärerin« in Rom Zwei Monate lang arbeitete die österreichische Journalistin Ines Schaberger bei Radio Vatikan in Rom. Ein Erfahrungsbericht über die vatikanischen Medien und den Alltag in der „Ewigen Stadt“. Von Ines Schaberger L audetur Jesus Christus – hier ist tun, ist nicht einfach Papst-PR, also blo- war, bekamen alle Kinder schulfrei: Rie- Radio Vatikan“: Vielleicht kennen ße Öffentlichkeitsarbeit. Ganz unabhängig sige Wasserlacken vor den Zebrastreifen Sie die berühmten Worte, mit de- schalten und walten dürfen die Redaktio- machte ein sicheres Überqueren der Stra- nen jede vatikanische Radiosendung und nen aber nicht. So müssen sie beispiels- ßen unmöglich. Live-Übertragung beginnt. Seit der Grün- weise über alle Reden und Aktivitäten des dung im Jahr 1931 als „Auslandsrundfunk Papstes berichten, aber Berichte, die den Weihnachten im Vatikan des Heiligen Stuhles“ hat sich bei Radio diplomatischen Beziehungen des Heili- Umso schöner war die Advents- und Vatikan viel getan. Unter dem Namen „Va- gen Stuhles zu anderen Ländern schaden Weihnachtszeit im Vatikan: Am 25. De- tican News“ bespielen die Journalistinnen könnten, sind nicht erlaubt. „Wir sind die zember durfte ich Papst Franziskus nach und Journalisten mittlerweile eine multi- Papst-Erklärer“, sagte ein Kollege dazu. dem Segen „Urbi et Orbi“ treffen und mediale Website in über 30 Sprachen so- ihm eine Fotocollage der über 100 Krip- wie Facebook, Instagram oder auch Twit- Also kommentierte ich Papst-Veranstal- pen zeigen, die Menschen für die Face- ter: Mein Arbeitsplatz für zwei Monate in tungen fürs Fernsehen und den You- book-Aktion #krippenchallenge einge- der deutschsprachigen Redaktion. Tube-Kanal von Vatican News, begleite- reicht hatten. Der Papst freute sich über te deutschsprachige Theologiestudierende die Krippen, hatte er doch diesen Advent Mitten in einer Medienreform auf die Uni und war dabei, als afrikani- ein Schreiben mit dem Namen „Admi- Das „Dikasterium für Kommunikation“, sche Richterinnen in der päpstlichen Aka- rabile Signum“ unterzeichnet, mit dem zu dem auch Radio Vatikan gehört, muss demie der Wissenschaften über Strate- er die Krippe aus der Kitsch-Ecke holen Personal und Kosten einsparen – wie viele gien gegen den Menschenhandel berie- möchte. andere Medienhäuser auch. Ungewöhn- ten. lich ist jedoch seine Ausrichtung: Was Die Christmette feierte ich mit Mutter- die Journalistinnen und Journalisten hier Alltagsleben und -leiden in Rom Teresa-Schwestern, die eine Suppenkü- Kurze Zeit in Rom zu leben, ist ein Pri- che im Vatikan für die immer mehr wer- vileg: Ich genoss es, in jeder Kirche neue denden Obdachlosen betreiben. Einige Kunstwerke kennenzulernen, auf den der ehemaligen wohnungslosen Frauen, Spuren der alten Römer am Kolosseum die jetzt bei ihnen leben, tanzten und und Forum Romanum vorbeizuspazie- sangen mit Kerzen in der Hand, verklei- ren und neue Eissorten auch im Dezem- det als Maria, Josef und Engelschor. Diese ber verkosten zu können ... Doch der ma- authentische Weihnachtsdarbietung be- lerische Touristenmagnet hat auch seine rührte mich mehr als die perfekt geplante Ines Schaberger Kehrseiten: Rom ist laut (hupende Autos Liturgie im Petersdom. Plötzlich waren und Alarmanlagen um 5.00 Uhr mor- alle in heller Aufregung: Papst Franzis- ist Journalistin, Religionspädagogin und gens), Rom stinkt (Müllproblem) und an- kus hatte ihnen Panettone, einen italie- Mitglied der miteinander-Redaktion. Ihr Schaberger | Fibich statt Kaputtes zu reparieren, sperrt man nischen Weihnachtskuchen, schicken las- Praktikum wurde durch Stipendien des Verbandes katholischer Publizistinnen es lieber mit gelbem Band ab (ob Geh- sen. „Er hat an uns gedacht!“, freuten und Publizisten Österreichs und der wege, Rolltreppen oder entwurzelte Bäu- sich die Schwestern und ihre Mitbewoh- Katholischen Medien Akademie gefördert. me). Als einmal starker Regen angesagt nerinnen 10
Porträt Über den Kirchturmspitz schauen Die Kirche treibt Ulrich Sukup auf die Spitze. Im wahrsten Sinne des Wortes – denn er ist Bauspengler und renoviert Wiens Kirchendächer. Von Christopher Erben I ch habe aufgehört, die Kirchen zu zählen, auf deren Dächern und Tür- men ich schon war“, sagt Ulrich Su- kup. Der gelernte Bauspengler saniert seit über zwölf Jahren Dächer, Kreuze und Türme von Kirchen. Auf über 250 war er bisher. „Sehen Sie, hier bin ich auf der Schottenkirche“, sagt Sukup und zeigt auf ein Foto. Zwei Tage verbrachte er auf ei- nem der beiden Türme – in über 56 Me- tern Höhe –, um das schmiedeeiserne Kir- Schwindelfrei, aber mit einer gesunden Höhenangst: Bauspengler Ulrich Sukup. chenkreuz abzumontieren und mithilfe eines Krans abzuseilen. Es wog 130 Kilo- außerdem eine hohe Genauigkeit. Jeder Preis für das beste Sanierungsprojekt Ös- gramm und war drei Meter hoch. Fehler in dieser Höhe könnte einer zu viel terreichs. sein. Das sei ihm jedes Mal bewusst. Was Nach der Matura an der HTL für Elekt- ist das für ein Gefühl, wenn er auf einem Pfarrfest zum Abschluss rotechnik und dem anschließenden Psy- Turm steht? „Für mich hat es etwas un- Auf den Kirchen der Erzdiözese Wien chologiestudium wollte Ulrich Sukup et- glaublich Befreiendes“, sagt Sukup. übernehme er heute sämtliche Arbeiten – was „Handwerkliches“ machen. Also angefangen von Baumeisterarbeiten, über lernte er Bauspengler. Schon nach einem Auch in seiner Freizeit drängt es den Zimmererarbeiten und Dachdeckungen Jahr trat er zur Gesellenprüfung an. 2008 Bauspengler in luftige Höhen, sprich: in von steilen Kirchendächern; selbstver- übernahm Ulrich Sukup das seit 50 Jah- die Berge. Und so bezeichnet der pas- ständlich saniert er auch Kirchenkreuze. ren bestehende Unternehmen von seinen sionierte Hobby-Kletterer simplere Sa- „Wir sind die Aasgeier der Spengler“, sagt Schwiegereltern. nierungen auch gerne als eine Bergtour, Sukup augenzwinkernd. „Wir machen herausfordernde Aufgaben dagegen als das, was andere nicht übernehmen.“ Oft Fehlerlos befreiend Expeditionen. Für manche Sanierungen setze er ein saniertes Kirchenkreuz auch Schwindelfrei muss er bei seinem Job brauche er mehrere Jahre, da er sich erst an einem Sonntag auf, damit die Pfarre über den Dächern der Stadt sein. „Aber an eine Lösung heranarbeiten muss. Bei den Abschluss der Arbeiten mit einem ich habe eine gesunde Höhenangst“ – der Sanierung der Rudolfsheimer Pfarr- Fest feiern kann. Während er oben steht, man könnte es wohl auch Respekt vor der kirche im 15. Wiener Gemeindebezirk winken ihm dann viele begeistert zu – Aufgabe nennen, räumt der 48-Jährige war das etwa der Fall. Für die spezielle und Sukup strahlt zurück und weiß dabei: Erben ein. Auf Kirchtürmen zu arbeiten verlangt Ausführung gewann er später sogar den „Mein Werk macht einen Sinn.“ miteinander 3–4/2020 11
Berufung finden Wo ist mein Platz? Wenn man Kinder fragt, was sie später einmal werden möchten, kommt meist eine schnelle Antwort als Reaktion. Doch diese frühe Gewissheit schwindet irgendwann – die Suche nach der eigenen Berufung beginnt. Wie kann man dabei unterstützen? Von Sr. Luise Ziegler I m Rahmen meiner Tätigkeit bei der denjenigen bei der Suche nach einer Ant- ren Menschen zusammen ist. Die Frage: Diözesanstelle „Berufe der Kirche“ wort weiterbringen können. „Kann ich das, was ich will?“ sollte man der Diözese Rottenburg-Stuttgart sich selbst möglichst ehrlich beantworten spreche ich oft mit Menschen, die an ei- Freude: Jemand sagte einmal, was ande- und vielleicht auch Vertrauenspersonen, nem Punkt angekommen sind, an dem re Berufung nennen, sei für ihn einfach die einen gut kennen, nach ihrer Mei- sie fragen: „Und wie finde ich nun her- etwas, das er tut, weil es ihm Spaß ma- nung fragen. aus, was mein Platz ist?“ Manche Men- che. Doch Berufung macht nicht immer schen können von einem Berufungsereig- nur Spaß. Manchmal kann es ganz schön Wirkung: Wenn ich meine Berufung nis erzählen, wo sie von einem Augen- schwer sein und es braucht dann die Erin- wirklich lebe, dann wirkt das auf andere blick auf den anderen wussten, was für nerung daran, warum man sich ursprüng- Menschen ansteckend. Ich staune immer sie der richtige Weg, der richtige Platz ist. lich einmal dafür entschieden hat. Aber wieder, wenn ich mitbekomme, wie be- Bei vielen ist es aber ein längerer Prozess, genau das ist der Punkt: Ich muss beim geistert unsere Theologie- oder Religions- der auch nie wirklich ganz abgeschlossen Gedanken daran, mich auf diesen Weg zu pädagogikstudierenden sind und dadurch ist, sondern manchmal Korrekturen oder begeben, innere Freude spüren, etwas, Altersgenossen auf die Idee bringen, dass die Rücknahme früherer Entscheidungen das mir das Herz aufgehen lässt. Wenn das auch etwas für sie sein könnte. Da- erfordert, weil sie sich als nicht tragfähig ich mich zähneknirschend und missmu- bei machen sie nicht einmal explizit Wer- erwiesen haben. tig auf den Weg mache, habe ich keine bung. Sie leben einfach das, was sie zu Grundlage, auf die ich in schwierigen Zei- diesem Zeitpunkt als ihre Berufung er- Was sie alle gemeinsam haben: Sie su- ten zurückgreifen kann. Gott ist ein Gott kannt haben. Berufung trägt Früchte und chen nach ihrer Berufung. Was aber ist des Lebens, und wenn er mich auf einen bleibt nicht ohne Wirkung: „Ich habe berufen sein? Das Wort Berufung taucht Weg ruft, dann auf einen, auf dem ich euch erwählt und dazu bestimmt, dass auch in einigen nichtreligiösen Kontexten wachsen, reifen und mich weiterentwi- ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ auf, etwa bei Richtern oder Professoren. ckeln kann. (Joh 15, 16b). Eine Gemeinsamkeit dabei ist, dass man sich nicht selbst berufen kann. Berufung Können: Umgangssprachlich wird der Objektivität: Was auch Sicherheit ge- ist immer ein Ruf von außen her. In den Begriff „Berufung“ manchmal auch ver- ben kann, ist, wenn ich weiß: Nicht nur nichtreligiösen Kontexten wird jemand wendet, wenn jemand auf einem Gebiet ich denke, dass das meine Berufung sein durch andere Menschen oder Gremien ein offensichtliches Talent mitbringt, et- könnte, sondern andere sehen es auch in berufen. Im religiösen Kontext ist der, der was auffallend gut kann. Auch das macht mir. Bei Berufungen, die eine Entschei- beruft, immer Gott. nicht die ganze Berufung aus und ist den- dung für einen kirchlichen Beruf oder für noch ein wichtiger Aspekt. Wenn ich Pro- eine bestimmte Lebensform implizieren, Innere Freude spüren fibergsteiger werden möchte, aber un- müssen immer andere Menschen die Be- Wenn also nun jemand zum Gespräch zu überwindbare Höhenangst habe, dann rufung bestätigen, sei es der Bischof, der mir kommt und die Frage mitbringt „Was passt das nicht gut zusammen. Ebenso ist jemanden zum pastoralen Dienst beauf- sollte ich mit meinem Leben anfangen?“, es, wenn jemand in den pastoralen Dienst tragt, oder eine Ordensleitung, die jeman- dann gibt es verschiedene Aspekte, die gehen möchte, aber nicht gerne mit ande- den zu den Gelübden zulässt. Das bedeu- 12
» Was meint berufen sein? In nichtreligiösen Kontexten wird jemand durch andere « Menschen berufen. Im religiösen Kontext ist der, der beruft, immer Gott. tet eine große Verantwortung, einerseits Was willst du heute von mir? derlaufen, der Wille Gottes zeigt, weil wir dem einzelnen Menschen gerecht zu wer- Bei all dem sind wir mit der Frage nach dazu herausgefordert werden, nicht uns den und andererseits zu verhindern, dass unserer Berufung nie fertig. Natürlich sind selbst an die erste Stelle zu setzen, son- jemand sich in etwas verrennt, das ihn die großen Lebensentscheidungen irgend- dern zu tun, was die Situation erfordert. und die Menschen, mit denen er zu tun wann getroffen, manchmal auch revidiert, hat, nicht glücklich macht. aber wenn die Frage nach der eigenen Be- Diese beiden Gedanken können für uns rufung gleichbedeutend ist mit der Fra- alle, unabhängig von unserer beruflichen Herausforderung: Es wäre ein Miss- ge nach Gottes Willen in meinem Leben, Tätigkeit, ein Impuls sein, unserer eige- verständnis, zu denken, dass alles immer dann muss ich jeden Tag die Frage stellen: nen Berufung jeden Tag neu auf die Spur glattgehen muss, wenn ich zu etwas be- „Und was willst du, Gott, heute von mir?“ zu kommen und zu folgen. rufen bin. Misserfolge und Zeiten, wo es eben nicht „läuft“, gehören dazu. Viele Dazu fallen mir zwei Aussagen des heili- große Heilige kannten solche Phasen in gen Vinzenz von Paul ein: „Alles gut tun, ihrem Leben. Wie sie damit umgingen, was man nach seinem Beruf zu tun ver- lehrt auch uns: Erstens nicht aufgeben, pflichtet ist – das ist die wahre und gründ- istockphoto/pixdeluxe | Ziegler: privat sondern sich daran festhalten, dass Gott liche Heiligkeit.“ Das beinhaltet, dass an- Sr. Luise den Weg mitgeht, und zweitens aus den dere Menschen sich darauf verlassen, dass Ziegler Situationen lernen, die schwierig waren. man seine eigenen Aufgaben zum Wohl Schwierige Zeiten auf einem Berufungs- der anderen ausübt. Und zweitens: „Die ist Vinzentinerin, Ge- meindereferentin, Refe- weg fordern uns dazu heraus, etwas zu Ereignisse sind unsere Herren.“ Dadurch rentin bei der Diözesanstelle „Berufe der ändern. Aber bevor wir das ändern, was kommt zum Ausdruck, dass sich oft in Kirche“ der deutschen Diözese Rotten- wir tun, ist es besser, zuerst einmal zu än- den unvorhergesehenen Dingen des All- burg-Stuttgart und geistliche Begleiterin dern, wie wir das tun, was wir tun. tags, die unseren eigenen Plänen zuwi- am Ambrosianum Tübingen. miteinander 3–4/2020 13
Pilgerreise Wenn das Leben in einen Ruck- sack passt Was machen zwei, die ihr Studium abgeschlossen haben und erspüren wollen, was es wirklich zum Leben braucht? Sie gehen pilgern. Bericht einer gemeinsamen Wegerfahrung von Österreich nach Assisi. Von Ines Schaberger D a standen wir nun vor der im- sere Körper sich an die Anstrengung ge- vor Regen, Bänke zum Ausruhen und oft posanten Franziskus-Basilika in wöhnten. Und wir merkten: Wenn man auch einen Pilgerstempel für unseren Pil- Assisi – nach 53 Tagen mit Ruck- nur jeden Tag ein bisschen geht, Schritt gerpass. sack und Wanderschuhen quer durch Ös- für Schritt, mal einen Pausentag einlegt, terreich und Italien. 1.300 Kilometer hat- aber nicht aufgibt, egal wie langsam man Je weiter südlich wir kamen, desto mehr ten wir zu Fuß zurückgelegt, weitere 300 vorankommt – dann gelangt man schluss- Kirchen waren indes verschlossen: Die Kilometer mit Zug, Bus und Seilbahn. endlich doch ans Ziel. Kirche, in der Michelangelo getauft wur- Nun waren wir am Ziel unserer Pilgerrei- de? Geschlossen. Die moderne Paulus-Kir- se. Und wir fühlten – nichts … Die große Klöster und Pilgerherbergen che in Sansepolcro? Geschlossen. Die ehe- Erleichterung, endlich angekommen zu Bei den Kapuzinern in Salzburg hätte un- malige Benediktinerabtei San Benedetto sein, setzte nicht ein. Etwas benommen sere Pilgerreise beinahe geendet. Die ge- bei Pietralunga? Geschlossen. Kein Pries- beobachteten wir die vielen Menschen, meinsamen Gebete und die unkompli- ter mehr vor Ort, Angst vor Vandalismus die an diesem Sonntagmorgen und Diebstahl oder nicht genug » Selfies vor der Kirchenfassade Freiwillige aus dem Dorf, die mit sich, ihren Hunden und ih- Schlüsseldienste übernehmen – Endlich waren wir am Ziel ren Kindern machten. Da merk- die Gründe dafür mögen nach- ten wir, dass unser eigentliches unserer Pilgerreise. vollziehbar sein, doch uns tat es Ziel der Weg selbst gewesen ist. Und wir fühlten – nichts. jedes Mal weh, vor verschlosse- Da merkten wir, dass das nen Kirchentüren zu stehen. « Unsere Pilgerreise begann vor der Haustür in Hafnerbach, Nie- eigentliche Ziel der Weg selbst Besondere Begegnungen derösterreich. Doch statt uns gewesen ist. Umso schöner waren die Begeg- langsam an das Gewicht der nungen auf dem Weg: Eine Fran- Rucksäcke auf unseren Schul- ziskanerin im oberösterreichi- tern zu gewöhnen, machten wir am ers- zierte Gastfreundschaft der dort lebenden schen Vöcklabruck servierte uns ein liebe- ten Tag 28 Kilometer – Mitte August bei Brüder gefielen uns so gut, dass wir am voll hergerichtetes Frühstück, als wären Mittagshitze, ohne Sonnencreme, ohne liebsten geblieben wären. Doch wir gin- wir Adelige; Bäuerin Anna erklärte uns, Kopfbedeckung. Abends: Kopfschmer- gen weiter – und lernten auf unserem wie sie selbst Butter herstellt, und Fran- zen, Muskelkater und eine Blase am gro- Weg viele Ordensgemeinschaften und cesco, der als Freiwilliger in einer Pilger- Schaberger ßen Zeh. Doch mit jedem Tag, den wir Klöster kennen. Viele Kirchentüren stan- herberge kochte, ließ uns selbst gemach- unterwegs waren, spürten wir, wie un- den uns offen: Wir fanden darin Schutz ten Grappa kosten. 14
Angebot Eines Abends suchten wir nach einer ber hinauswachsen. Auch die Pilgerstem- Übernachtungsmöglichkeit. Als eine alte pel, die wir in unserem selbst gemachten Dame an uns vorbeiradelte, fragten wir Pilgerausweis sammelten, veränderten sie, ob wir unser Zelt auf ihrem Grund- sich mit dem Weg: Am österreichischen stück aufstellen dürften. Signora Clara war Jakobsweg fanden wir in vielen Kirchen zunächst zögerlich. Den Haustürschlüssel kunstvolle Stempel mit Jakobsmuschel, Neustart trug sie um den Hals und schloss die Tür zwischen Brenner und Padua begnügten ab, auch wenn sie nur einige Meter weit wir uns meist mit den Adress-Stempeln ging. „Es treibt sich ja so viel Gesindel he- der Unterkünfte, in denen wir schliefen. rum“, meinte sie. Ich war mir nicht sicher, ob sie damit auch uns meinte – doch als sie Für die Nächte im Zelt gab es nichts. Da- für erhielten wir wieder besondere Stem- in Neustadt E sah, wie wir erfolglos versuchten, Brot auf pel in den Pilgerherbergen, die wir ab unserem kleinen Kocher zu backen, brach- dem „Cammino di Assisi” aufsuchten. Der in gemütlicher Tag, an dem te sie uns ordentliche „Panini“, Tomaten, prachtvolle Stempel der Franziskus-Basili- man neue Leute trifft“: Mit die- Olivenöl und Balsamico-Essig. Am nächs- ka bestätigte unsere Ankunft in Assisi. sen Worten beschreibt Kapu- ten Morgen schließlich lud sie uns auf ei- zinerbruder Matthias Reich das neue nen Frühstückskaffee in ihr Haus ein. Ein wenig traurig macht es schon, dass Angebot „AusTAUsch Neusta(r)dt“ in dieser Pilgerweg zu Ende ist. Der eigent- Wiener Neustadt. Für die Mitglieder Der Pilgerweg geht weiter liche Pilgerweg geht jedoch weiter – nur der franziskanischen Jugend ist das Der Weg veränderte uns, zeigte uns unse- ohne Stempel. Kapuzinerkloster Wiener Neustadt re Grenzen – und ließ uns ein Stück darü- seit Jahren ein Stück Lebensraum. Diesen wollen sie auch anderen jun- gen Erwachsenen zugänglich machen. Nach zwei Monaten Pilgern am Aus diesem Wunsch heraus ist „Aus- Ziel ihrer Reise: Ines Schaberger TAUsch Neusta(r)dt“ entstanden. und René Ochsenbein. Ab März lädt die franziskanische Ju- gend daher an bestimmten Tagen ins Kapuzinerkloster zu einem gemütli- chen gemeinsamen Tag ein. Vorgese- hen ist eine Einheit zum persönlichen Kennenlernen, auch das gemeinsame Kochen und die Mahlzeiten bringen die Teilnehmer näher. „Am Nachmit- tag stehen Aktivitäten am Programm, die Spaß machen und Nutzen brin- gen“, berichtet Br. Matthias. Mögliche Programmpunkte sind Sport, Musik, Handwerk und auch Imkerei. Der Tag schließt mit einem Abendgebet. Für Interessierte besteht die Möglichkeit, bis Sonntag zu bleiben und gemein- sam mit dem Vorbereitungsteam den Gottesdienst zu besuchen. Schaberger | M. Kowalczuk Nächste Termine: 7. März und 2. Mai, jeweils 10.00-20.00 Uhr. Sarah Kanzian-Schuller miteinander 3–4/2020 15
Gedanken zu Ostern Bleibe bei uns! I mmer wieder lese ich mit Freude Auch und gerade deswegen frage ich mich unsere Mitte einzuladen. Dann öffnen wir das Osterevangelium von den beiden manchmal, warum Jesus in Emmaus nicht unser Herz bereitwilliger und sind offe- Emmausjüngern. Es ist für mich In- unaufgefordert das Haus der beiden Jün- ner für die Begegnung mit ihm. Durch die begriff für die Dynamik, die vom Karfrei- ger betritt. Ist sein Handeln ein Akt der ausgesprochenen Worte „Komm zu uns“ tag zum Ostermorgen führt. Es nimmt Höflichkeit, in ein fremdes Haus nicht oh- oder „Bleib bei uns“ betonen und bitten unsere Ängste und Sorgen ernst, führt ne Einladung hineinzugehen? Warum tut wir, dass wir es wirklich wollen und nicht uns behutsam und hilft uns, sogar mitten Jesus, als wolle er weitergehen? Manch- nur nebenbei etwas mit Jesus zu tun ha- im Leid die Augen für die Gegenwart Got- mal denke ich mir: Jesus hat es nicht nö- ben wollen. Diese Worte ändern und be- tes zu öffnen. Neue Wege und neue Tü- tig, sich bitten zu lassen. Es ist vielmehr stärken unsere Aufmerksamkeit. ren tun sich auf. für unser Beten wichtig, Jesus bewusst in Wie gut tut es, zu wissen, dass der Auf- » erstandene bei uns bleibt und nicht ver- So erreichten sie das Dorf, zu dem sie schwindet, wenn es langweilig wird oder unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er wenn Gefahren drohen. Gerade in solchen Situationen bleibt er bei uns. Wie tröstlich weitergehen, aber sie drängten ihn und ist die Zusage Jesu, mit der das Matthäus- sagten: Bleibe bei uns; denn es wird Abend, evangelium schließt: Ich bin mit euch alle der Tag hat sich schon geneigt! Da ging er Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). Wer glaubt, ist nicht allein. mit hinein, um bei ihnen zu bleiben. Und Franz Troyer es geschah, als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, aus: Franz Troyer, Beten verwandelt, brach das Brot und gab es ihnen. Da wurden Kraftvolle Impulse und Gebete « aus der Bibel, 160 Seiten, Tyrolia-Verlag, kathbild.at/Rupprecht ihre Augen aufgetan und sie erkannten ihn; Innsbruck–Wien 2019 und er entschwand ihren Blicken. Lukas 24,28–31 16
Porträt Berufung mit Wow- Effekt L Matthias Ruzicka ist leiden ässiger Dreitagebart, jugendliches alen Seelsorge der Erzdiözese Wien. Dies schaftlicher Gottsucher – Auftreten, das Smartphone auf gefiel ihm so gut, dass er noch ein halbes auch und gerade im digitalen dem Tisch: Der 24-jährige Matthi- Jahr als Projektassistent in der Stabstelle Raum. Als Priester möchte as Ruzicka ist ein ganz normaler moder- APG – dem diözesanen Reformprozess – er dieses Feuer auch ner junger Mann – und: er möchte Pries- anhängte. an andere weitergeben. ter werden. 2018 hat er an der Universität Wien sein Theologiestudium begonnen. Seine Berufungsgeschichte kennt indes Von Christopher Erben Derzeit absolviert er das einjährige Propä- ein konkretes Datum, erinnert sich Ru- deutikum in Linz – das Vorbereitungsjahr zicka: einen Gottesdienst im November für alle Priesteramtskandidaten. 2009. „Damals spürte ich auf einmal: Er ist da.“ Es war ein regelrechtes „Wow-Er- Während des Gesprächs geht der Blick im- lebnis“, das ihn damals erfasst und seit- mer wieder zum Handy: Social Media ist her nicht mehr losgelassen habe. Die Fir- sein Ding. Auf diese Weise kommuniziert mung im darauffolgenden Jahr war nur und vernetzt er sich. „Das Handy ist für ein Schritt auf einem Weg, der ihm im- mich ein wichtiger Wegbegleiter“, räumt mer klarer vor Augen stand. 2013 schließ- Ruzicka ein – und zwar gerade auch in lich, beim Weltjugendtag in Rio de Janei- Glaubensfragen: „Das, was ich von Gott ro, merkte er zum ersten Mal seine Beru- empfange, gebe ich damit meiner Um- fung zum Priester. welt weiter.“ Auf diese Weise erreiche er Ihre Spende wirkt! auch einen großen Kreis an Menschen, 2024 will Matthias Ruzicka sein Theolo- Seit bereits 102 Jahren begleitet die mit dem Glauben zunächst einmal giestudium abschließen – ein noch langer das Canisiuswerk Menschen wenig oder nichts mehr anfangen kön- Weg, zugleich aber ist sich Ruzicka sicher, unterschiedlichen Alters in vielerlei nen. Doch nicht nur die Kommunikation den richtigen Weg eingeschlagen zu ha- Formen auf der Suche nach Sinn und (geistlicher) Berufung. läuft bei ihm digital – auch die Bibel liest ben. Und wieder greift der junge Mann er unterwegs am Handy. zum Smartphone: „Der Herr gab mir die Möglich ist das nur mithilfe Berufung, andere zu bewegen und zu Ihrer Unterstützung – herzlichen „Er ist da“ begeistern“ – eine Berufung, der er ger- Dank! Rufen Sie uns an unter Seine Heimat ist Winzendorf im südli- ne und aus vollem Herzen nachkommen 01/516 11-1500 oder schauen Sie chen Niederösterreich. Nach der Matura wolle. Auch als digitaler Menschenfischer. auf unsere Homepage: ▶▶www.canisius.at/spenden am BORG Ternitz absolvierte Ruzicka zu- 900 Follower zählt sein Instagram-Kanal Erben nächst seinen Zivildienst in der Kategori- bereits – Tendenz steigend. miteinander 3–4/2020 17
Rumänien Ruth gehört einfach dazu Elend und Not, Glaube und Lebensfreude: Bei den Roma im Herzen Siebenbürgens findet sich alles in konzentrierter Form. Für die deutsche Sozialmanagerin und Religionspädagogin Ruth Zenkert wurde der Einsatz für die Roma zur Lebensaufgabe. Von Georg Pulling V or neun Jahren steht die da- in der Gegend leben. Vielleicht kann sie ohne Strom und Wasser; keine Toiletten, mals 49-jährige Ruth Zenkert ihnen helfen. keine Wannen, um Wäsche zu waschen, eines Tages mit ihrem Ruck- kein Geschirr, oft nichts zu essen. Im sack in einem kleinen Dorf im rumäni- Ruth findet ein kleines Häuschen. „Ein Winter wird mit der verdreckten Wäsche schen Siebenbürgen. 20 Jahre hat sie sich Zimmer war bewohnbar, mit einem die Hütte isoliert. Die Menschen haben da schon in Rumänien für Straßenkinder kleinen Holzofen darin. Seit dem ersten nichts – außer viele Kinder. „Bis zu zehn eingesetzt, nun beginnt ein neuer Le- Winter mit minus 30 Grad weiß ich, was sind keine Seltenheit. Und dann gibt es bensabschnitt: „Ich hatte nichts mit, nur der Winter für viele hier bedeutet.“ Ruth ein oder zwei Betten in den Hütten. Man die Frage: Wo ist die Not am größten?“ besucht die Roma-Familien in den Dör- kann sich gar nicht vorstellen, wie sie alle Sie weiß, dass unzählige Roma-Familien fern. Die Menschen leben in Baracken die Nächte verbringen.“ Der Verein »Elijah« Wie kann Ruth die Menschen aus die- ist mittlerweile in fünf Dörfern in der Umgebung von Sibiu und in der Stadt sem Teufelskreis des Elends befreien? selbst tätig. Es gibt zahlreiche Sozialzentren, Musikschulen, Lehrwerkstätten und Bald merkt sie: gar nicht. Die Menschen Arztpraxen. „Elijah“ unterhält eine Tischlerei, eine Gärtnerei, eine Landwirtschaft, müssen es selbst wollen. Doch Ruth eine Fleischerei, eine Hauswirtschaftsschule, eine Bäckerei, eine Weberei, einen Bauhof und eine Keramikwerkstatt. Die eigene Gärtnerei versorgt alle „Elijah“– kann ihnen dabei helfen. Und sie ist Einrichtungen mit Gemüse, die Möbel der Einrichtungen werden in der eigenen bald nicht mehr allein. Einige ehemali- Tischlerei gefertigt. Im Dorf Nocrich wurden die Hütten in der Roma-Siedlung ge Straßenkinder aus Bukarest stoßen zu durch neue, wetterfeste Häuser ersetzt. Zu den 60 fixen Mitarbeitern von Elijah ihr, für die Ruth einst da war. Und dann kommen noch rund 20 Volontäre. taucht auch noch P. Georg Sporschill auf Pulling ▶▶www.elijah.ro – und bleibt. 18
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