INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA

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INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
49. SPES VIVA-Zeitung

INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN
               ZUR BEGLEITUNG    ,,
        IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG

                                                     THEMEN

                                       ,,Leuchtturm-Projekt"
                                         SPES VIVA feierte das 25jährige Jubiläum

                                      ,,Schummer-Stündchen"
                                                Gedanken zur Adventszeit

                                               ,,Netz-Werker"
                                            Interview mit Dr. Reinhold Kassing

                                            ,,Körper-Flüstern"
                                       Fortbildungsseminar in Fürstenau-Schwagstorf

                                              ,,Lebens-Kreis"
                                      Letztes gemeinsames Erlebnis beim König der Löwen

                                               DIE ZWEITE 2019
INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
49. SPES VIVA-Zeitung
                   HOMUTH.DESIGN

                                                                                     INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN
                                                                                                    ZUR BEGLEITUNG    ,,
                   Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

                                                                                             IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG

                                                                                                                                          THEMEN

                                                                                                                            ,,Leuchtturm-Projekt"
                                                                                                                              SPES VIVA feierte das 25jährige Jubiläum

                                                                                                                           ,,Schummer-Stündchen"
                                                                                                                                     Gedanken zur Adventszeit

                                                                                                                                    ,,Netz-Werker"
                                                                                                                                 Interview mit Dr. Reinhold Kassing

                                                               SPES VIVA                                                        ,,Körper-Flüstern"
                                                               Bremer Straße 31                                             Fortbildungsseminar in Fürstenau-Schwagstorf
                                                               49179 Ostercappeln
                                                               Telefon 05473-29101                                                 ,,Lebens-Kreis"
                                                               Telefax 05473-2400                                          Letztes gemeinsames Erlebnis beim König der Löwen
                                                               info@spes-viva.de
                                                               www.spes-viva.de                                                     DIE ZWEITE 2019

                                                                                                                                      Foto: CCVision

                  Zum Titelbild
                  Auf dem Weg zum Jahresende begegnen uns die Erinnerungen aus dem
DIE ZWEITE 2019

                  Zeitlauf 2019. Es wird, so meinen wir, vermeintlich etwas ruhiger und so
                  haben wir im Rahmen dieser Muße auch mal den Moment, wo wir das eine
                  oder andere Revue passieren lassen. Da die Tage jetzt viel kürzer sind, will
                  meinen weniger Sonnenstunden haben, so ist auch die Ablenkung von
                  draußen her weniger geworden. Wir sind mehr im umbauten Raum. Wir
                  fühlen uns dort mehr geborgen und genießen die stilleren Stunden. Ob
                  das heute für unsere medialisierte Zeit wirklich noch gilt, ist schwer auszu-
                  machen. Es gilt wohl eher das Gefühl, die traditionelle Rückschau auf ein
                  Jahr, der Ausblick auf das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel, die uns
                  dazu veranlassen, es gemächlicher angehen zu lassen. Nein, unsere moder-
                  ne Welt kennt keine Sentimentalitäten mehr. 365 Tage 24 Stunden Online
                  im Griff der Globalität mit all ihren Auswirkungen prägen uns immer mehr.
                  Als Titelmotiv haben wir zu dieser 49. Ausgabe unserer SPES VIVA-Zeitung
                  dieses maritime Motiv gewählt - nicht weil wir noch sommerlichen Gedan-
                  ken nachhängen - nein, sondern weil es ein Wesensmerkmal von SPES VIVA                                                                                       Impressum:
                  zeigt: Ein Wirken als sicherer Leuchtturm am Übergang vom Meer zum
                  Land, oder die Phase des Übergangs vom Leben zum Tod, dem Sterbepro-                                                                                         Herausgeber:
                  zess. An dieser komplexen Nahtstelle der beiden Elemente Wasser und Erde,                                                                                    SPES VIVA e. V.
                  die weltlich gesehen prozentual zu ungunsten der Erde ausfällt, bietet der                                                                                   Bremer Straße 31, 49179 Ostercappeln
                  Leuchtturm eine verlässliche Hoffnung, mit seinem Licht gar einen Hoff-                                                                                      ViSdP: Dr. Reinhold Kassing (bei Redaktionsschluss), Sandra Kötter
                  nungsschimmer in den Momenten des Hilfesuchens und des Helfens.
                                                                                                                                                                               Aktives Redaktionsteam:
                  Bemerkenswert ist aber auch, dass wir Menschen uns an dieser Nahtstelle"                                                                                     Sandra Kötter, Geschäftsführerin SPES VIVA e. V.,
                                                                                     "                                                                                         Brigitte Pavic,´ ehrenamtliche SPES VIVA Hospizmitarbeiterin,
                  mehrheitlich besonders wohl fühlen. Die endlose Weite des Meeres, seine
                  immerwährende Geräuschkulisse aus fernem Grollen und aufbrausendem                                                                                           H.-Jürgen Homuth, Beiratsmitglied Förderverein SPES VIVA e. V., (Layout)
                  Tosen an den Gestaden, das Zur-Ruhe-Kommen der Seele, welches beim
                                                                                                                                                                               Druck:
                  Gang durch die Dünen oder am weiten Strand Besitz von uns ergreift. Diese
                                                                                                                                                                               Levien Druck GmbH
                  Momente zeigen uns zugleich auch auf, wie wenig Sicherheit und auch                                                                                          Eduard-Pestel-Str. 16, 49080 Osnabrück
                  Bedeutung der Mensch in diesem gewaltigen Naturschauspiel hat. Wir
                  maßen uns oft an zu behaupten, wir machten die Welt kaputt, wir seien zer-                                                                                   Die Quellenangaben/Verfasser sind in den Beiträgen jeweils zugeordnet.
                  störerisch unterwegs. Das Gegenteil ist der Fall. Die Erde, unser Planet kann                                                                                Für die überlassenen Manuskripte, Fotos (z. B. die genutzten Themenunter-
                  auch ohne uns Menschen auskommen. Hat er in millionen Jahren vorher                                                                                          stützungen mit CCVision-Fotos), Abbildungen und Zeichnungen liegt die
                  auch gekonnt. So macht die in der Nähe dieser Nahtstelle Meer und Land                                                                                       ausschließliche Freigabe für die Ausgabe vor. Rechte verbleiben bei den
                  oder Leben und Tod empfundene Ohnmacht demütig und nachdenklich.                                                                                             Urhebern. Wiedergabe - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklichem Ein-
                  Menschen brauchen Menschen. Unterstützung, Hilfestellung und Beglei-                                                                                         verständnis des Herausgebers.
                  tung. Nähe und Liebe. Dazu dient der Leuchtturm. Signale zu senden und
                                                                                                                                                                               Die SPES VIVA-Zeitung erscheint in unregelmäßigen Abständen in einer
                  kundzutun, dass wir es nur in gegenseitigem Einvernehmen schaffen, dem
                                                                                                                                                                               Auflage von ca. 1000 Exemplaren und dient der Kommunikation zwischen
                  Leben - und gerade an seinem Ende - Würde zu geben. SPES VIVA hat aus                                                                                        der Modelleinrichtung SPES VIVA, den Patienten, den Angehörigen, den
                  seiner Gründung heraus einen Leuchtturm errichtet, der heute in den Köp-                                                                                     Pflegebeteiligten, dem Förderverein SPES VIVA e. V. und der interessierten
                  fen aller Beteiligten verankert ist und permanent sendet. Es sind wir alle,                                                                                  Öffentlichkeit. Sie ist Plattform für ethisch-soziale Entwicklungen und alle
                  die dieses imaginäre Bauwerk mit seinen Aufgaben durch die Unbillen der                                                                                      damit verbundenen Belange der christlich-humanen Begleitung Schwerst-
                  Zeit bringen müssen. Eine Metapher auf SPES VIVA. (HJH)                                                                                                      kranker und Sterbender in Krankenhäusern und darüber hinaus.
INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
Der Höhepunkt des SPES VIVA-Jahres war sicherlich
die 25-Jahr-Feier am 25. Mai dieses Jahres in der
St. Lambertus Kirche in Ostercappeln. Mit Bischof
Dr. Franz-Josef Bode in der Jubiläumsandacht sowie
dem ehemaligen Vizekanzler der Bundesrepublik
Deutschland, Franz Müntefering, als Festredner, gab es
zwei Eckpfeiler in der durchweg als gelungen zu betrach-
tenden Veranstaltung. Der SPES VIVA Chor St. Raphael
                                                                    Rückblick auf den 25. Mai 2019. 2 herausragende Protagonisten des 25jäh-
rundete mit seinen musikalischen Beiträgen das Ganze                rigen Jubiläums von SPES VIVA in der St. Lambertus-Kirche in Ostercappeln
perfekt ab. 25 Jahre SPES VIVA sind eine stolze Bilanz -            im Gespräch: der ehemalige Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland,
                                                                    Franz Müntefering und Bischof Dr. Franz-Josef Bode.
nicht nur in der Anhäufung der Jahre - sondern auch
in der unfassbar beeindruckenden Leistung der in und                Überrascht hat uns auch, dass Dr. Reinhold Kassing sich
für diese christlich-humane Idee sich einbringenden                 auf der Mitgliederverammlung am 6. November dieses
Menschen. Ostercappeln ist sozusagen zum Leuchtturm                 Jahres nicht mehr zur Wiederwahl gestellt hat. Nach 12 Jahren,
der palliativen Bewegung geworden! (Darum auch unser                die durch und mit ihm für den wesentlichen Fortbestand
Titelbild in dieser Ausgabe.) Von ganzem Herzen Dank an alle,       von SPES VIVA stehen, hat er uns in einem Interview (s. S. 10)
die, um es mit Kierkegaard zu sagen: Vor dem Kranken,               seine Beweggründe dargelegt. Wir bedanken uns bei ihm
dem Sterbenden knien und ihm in ihrem Dienst am                     für die große Unterstützung in den Aufgaben von SPES VIVA.
Nächsten nah sind. Einen Rückblick auf das Jubiläum                 Zugleich werden wir sehen, inwieweit die Nachfolge geregelt
lesen Sie bitte ab Seite 6.                                         worden ist. Alles dazu in unserer 50. Ausgabe im Frühjahr
                                                                    2020.
Und der Sommer war auch dieses Jahr ein sehr heißer.
Wir alle haben unter den klimatischen Bedingungen                   3 Terminvorankündigungen finden Sie auch in dieser Aus-
wieder sehr gelitten. Aber relativiert wird dies durch              gabe: So findet das Benefizkonzert zu Gunsten SPES VIVA
das Bewusstsein, wie schwer es dann auch wieder für                 am 24.11.2019 in der Gymnasialkirche in Osnabrück statt;
alle - Patienten und Diensttuende - auf den Palliativ-              begeht SPES VIVA Trauerland sein 10jähriges Bestehen im
stationen und den auswärtigen Begleitungen gewesen                  nächsten Jahr und referiert Dr. Franziska Offermann am
sein muss. Auch hier gilt es, klimatisch annehmbare                 Deutschen Hospiztag am 14. Oktober 2020 im Forum der Spar-
Bedingungen zu schaffen, gerade auch im Hinblick auf                kasse Osnabrück zum Thema Gut trauern - besser leben _
                                                                                                  "
das Stichwort der Klimaerwärmung. Also, die Bedingun-               auch am Arbeitsplatz". Also: Schon mal Termine eintragen.
gen für ein erträgliches Binnenklima auf den Stationen              Jetzt am Ausklang des Jahres möchten wir in gewohnter
zur technischen Herausforderung annehmen.                           Weise allen, die mit und für SPES VIVA ihren Einsatz geleistet
Mit unserer 49. Ausgabe der SPES VIVA-Zeitung liegt                 haben, sehr herzlich danken und Ihnen und Ihren Nächsten
wieder ein umfangreiches Beitragswerk vor Ihnen. Es                 eine besinnliche Adventszeit wünschen. Und natürlich ein
wird Sie erneut überraschen, wie vielfältig die Tätigkeit           frohes Fest und ein gesundes und hoffnungsfrohes neues
im Namen SPES VIVAs ist, welche Emotionen und Lebens-               Jahr!
erfahrungen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer                   Bleiben Sie uns wohlgesonnen und arbeiten mit uns gemein-
uns anfassen.                                                       sam weiter an dieser großartigen Idee SPES VIVA!

                                                 Ihr Redaktionsteam
                                                      im November 2019

                                                                3
INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
Der lateinische Name bedeutet:
         Kurzbetrachtung         In lebendiger Hoffnung";
                                    "
          über SPES VIVA         Initiative, die Begleitung von Schwerstkranken und
                                 Sterbenden über folgende Maßnahmen zu verbessern:

                                   Das Sterben aus der Isolierung zu holen;
Ziel der Modelleinrichtung
                                   Qualifizierte und optimale Schmerztherapie nach
                                   neuesten Erkenntnissen;
                                   In Gemeinschaft verschiedener Dienste die Fragen
                                   und Nöte schwerkranker Menschen sowie der
                                   Angehörigen aufzugreifen;
                                   Hilfe und Begleitung anzubieten;
                                   Den Patienten ein Sterben zu ermöglichen, das gleich-
                                   zeitig Leben in Würde bis zuletzt bedeutet;
                                   Unterstützung durch Ehrenamtliche im Ambulanten
                                   Hospizdienst;
                                   Begleitung von trauernden Angehörigen;
                                   SPES VIVA wurde 1994 als Modelleinrichtung von
                                   Prof. Dr. Winfried Hardinghaus ins Leben gerufen.

                  Leitung        Koordination Ambulanter Hospizdienst:
                                 Marion Heitling
                                 SPES VIVA Trauerland: Christiane Wiebens-Kessener

              Finanzielle        Spendenkonto SPES VIVA e. V.:

           Unterstützung         Sparkasse Osnabrück
                                 IBAN DE16 2655 0105 0014 0689 77
           Danke!                BIC-/SWIFT-Code NOLADE22XXX

                                 Vorsitzender: Dr. Reinhold Kassing (bei Redaktionsschluss)
                  Kontakt        Geschäftsführung SPES VIVA:
                                 Sandra Kötter, Sterbe- und Trauerbegleiterin
                                 Bremer Straße 31, 49179 Ostercappeln
                                 Telefon 05473 - 29101, Telefax 05473 - 2400
                                 info@spes-viva.de, www.spes-viva.de

                             4
INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
Inhalt

                 Vor-Wort" Redaktionsteam
             "

                 Kurz-Betrachtung"
             "

                 Leuchtturm-Projekt"          Daniel Meier
             "

                 Mechthild-Geschichten" Mechthild Schroeter-Rupieper
             "
                 Wert-Schätzung" Anja Menzel
             "
                 Netz-Werker"      Sandra Kötter
             "

                 Kultur-Frage"     Winfried Hardinghaus
             "

                 Körper-Flüstern"       Luise Rüter
             "

                 Ehrenamts-Förderung"              Henning Müller-Detert
             "

                 Tiefen-entspannt"        Doris Karnbrock
             "

                 Danke-Doris"      Agnes Bohe
             "

                 Abschieds-Kästchen"            Jana Hentschen
             "

                 Schummer-Stündchen"                  Pastorin Bettina Lorenz-Holthusen
             "

                 Lebens-Kreis"     Hanna, Lena und Jens Steuwer
             "

                 On-Tour"    Barbara Lamker
             "
                 Aktiv-Posten"     Sandra Kötter | H.-Jürgen Homuth
             "
                 Literatur-Tipps"     Hannah Erk-Schilow | Sandra Kötter | Brigitte Pavić
             "

                 Schluss-Punkt"      H.-Jürgen Homuth
             "

         5
INFORMATIONEN, BERICHTE, DOKUMENTATIONEN ZUR BEGLEITUNG IN ,,LEBENDIGER HOFFNUNG - SPES VIVA
"
"Leuchtturm-Projekt
„Der Geist von SPES VIVA hat die Palliativ-
versorgung in Deutschland stark gemacht“
25-jähriges Jubiläum in Ostercappeln gefeiert
Palliativstationen heute ein Qualitätsmerkmal von
Krankenhäusern                                                                  Sehr gut besucht: Die Festveranstaltung zum 25jährigen Jubiläum von
                                                                                SPES VIVA in der St. Lambertus Kirche in Ostercappeln.
Palliativbegleitung in Altenheimen eine wesentliche
Aufgabe für die Zukunft                                                        Bernadette Rümmelin, Bundesgeschäftsführerin des Katholischen
Daniel Meier (Text) | Oliver Rautenberg (Fotos)                                Krankenhausverbandes in Berlin, bezeichnete SPES VIVA als ein
Sterben beginne nicht erst in den letzten Tagen vor dem Tod, son-              Leuchtturmprojekt, das in der aktuellen Debatte um Sterbehilfe
dern im Zeitalter der High-Tech-Medizin anders und früher. Das                 Zeichen setze. Das Projekt SPES VIVA sei eng mit dem Katholischen
sagte Franz Müntefering, ehemaliger Vize-Bundeskanzler, im Rahmen              Krankenhausverband verbunden, so die Bundesgeschäftsführerin
einer Jubiläumsveranstaltung zum 25-jährigen Bestehen von SPES                 und erinnerte an die Ausgangssituation: Das Projekt sei 1989 in
VIVA, die mit einer Andacht mit Bischof Dr. Franz-Josef Bode begann.           einer persönlichen Begegnung von Prof. Dr. Hardinghaus und
Auch die Auseinandersetzung mit dem Sterben habe sich daher ver-               Werner Lauer, dem damaligen Leiter Krankenhilfe beim Deutschen
ändert, so Müntefering. Sterben beginne im Leben und sei Teil des              Caritasverband, entstanden.
Lebens. Das sei vielen nicht klar. Die Frage „wie werde ich älter“ hänge       Beiden sei es um die Entwicklung einer Palliativmedizin in Kran-
eng zusammen mit der Frage „wie sterbe ich“. Es sei daher für jeden            kenhäusern entgegen einer zunehmenden Technisierung in der
Menschen wichtig, sich frühzeitig Gedanken über das Sterben zu                 Medizin gegangen. Sterbende sollten aus der Isolierung geholt
machen und Menschen an der Hand zu wissen, die Begleitung gäben.               werden – auch als ein wichtiges Signal gegen Bestrebungen
Dafür sei SPES VIVA ein eindrucksvolles Beispiel, das, vor 25 Jahren           aktiver Sterbehilfe. So sei das gemeinsame Modellprojekt des
in Ostercappeln von Prof. Dr. Hardinghaus entwickelt, bundesweit               Krankenhauses St. Raphael Ostercappeln (heute zum Verbund der
viele Nachahmer gefunden habe.                                                 Niels-Stensen-Kliniken gehörend), der Thuiner Franziskanerinnen
                                                                               sowie des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland„zur
                                                                               Verbesserung der Sterbesituation in deutschen Krankenhäusern“
                                                                               entstanden. Im Mittelpunkt der palliativen Sorge um Schwerst-
                                                                               kranke und Sterbende habe von Anfang an die ganzheitliche
                                                                               Linderung körperlicher und seelischer Beschwerden und Nöte
                                                                               gestanden. Dazu habe auch die würdige Begleitung der Ange-
                         Zog die Zuhörer in seinen Bann: Nachdenkliche
                         Worte von Festredner Franz Müntefering.               hörigen, auch über den Tod hinaus, gehört. SPES VIVA sei im Laufe
                                                                               der Jahre zu einem bundesweiten Vorbild geworden. Viele katho-
Zeit zu haben für Sterbende, besonders für die zunehmende Anzahl
                                                                               lische und auch andere Krankenhäuser hätten das Konzept über-
alleinlebender Menschen, sei das Wichtigste überhaupt, betonte
                                                                               nommen. Der Geist von SPES VIVA habe die Palliativversorgung
Müntefering. Einsamkeit sei eine der größten Krankheiten heutzu-
                                                                               stark gemacht.
tage. Die Sicherung sozialer Kontakte könne daher gar nicht recht-
zeitig genug angegangen werden. Er selbst sei an Projekten betei-                    ...Die Frage wie werde ich älter?" hängt eng zusammen
                                                                                                 "
ligt, die sich um die Einbindung Vereinsamter in die Gemeinschaft                                 mit der Frage wie sterbe ich..."
                                                                                                               "
                                                                                                            Franz Müntefering
kümmerten. So habe er zum Beispiel die Initiative „Auf Rädern zum
Essen” auf den Weg gebracht, die Vereinsamten das Mittagessen in               In einer dem Festakt vorausgehenden Andacht hatte auch Bischof
Gemeinschaft ermögliche.                                                       Dr. Franz-Josef Bode den Einsatz aller Beteiligten gewürdigt. Noch
Für diese und andere Projekte einschließlich SPES VIVA „benötigen              anlässlich einer aktuellen von ihm geleiteten Veranstaltung der
wir junge Menschen, die spüren, dass sie gebraucht werden“ für die             Deutschen Bischofskonferenz mit der römischen Weltkirche, zu
Versorgung der Älteren. Das könne sich nur im Miteinander ent-                 der auch Prof. Dr. Hardinghaus geladen war, habe sich der modell-
wickeln und nicht vom Staat verordnet werden. In diesem Zusam-                 hafte Charakter von SPES VIVA gezeigt. Der Bischof dankte allen
menhang lobte er das vielfältige Engagement Ehrenamtlicher und                 Engagierten, die für lebendige Hoffnung sorgten. „Wir müssen
Hauptamtlicher in der Hospiz- und Palliativhilfe. Sie sei die größte           unsere Flagge der Palliativbegleitung angesichts der gesellschaft-
und schönste Bürgerbewegung, die in den letzten 30 Jahren ent-                 lichen Diskussion um den Paragraphen 217 des Strafgesetzbuches
standen sei.                                                                   hochhalten.“

                                                                           6
Prof. Dr. Winfried Hardinghaus bekundete, sich weiterhin im Sinne
von SPES VIVA für die Palliativversorgung als ein schlagkräftiges                     Gedanken und Notizen von Sandra Kötter während der
Argument gegen aktive Sterbehilfe und eine Liberalisierung der                        Jubiläumsandacht Bischof Dr. Franz-Josef Bode
bisherigen Handhabung der Suizidbeihilfe einsetzen zu wollen -                                Gedanken zum Evangelium:
auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Deutschen Hospiz-                                Die Auferweckung des Lazarus (Joh 11,1-46)
und Palliativverbands sowie zuletzt als Sachverständiger beim                                             In Situationen wie dieser: hinsehen statt
Bundesverfassungsgericht. Er erläuterte an konkreten Beispielen                                           wegsehen
aus der SPES VIVA-Begleitung, wie Menschen, die die Palliativ-
                                                                                                          Jesus bleibt zunächst weg, seine Jünger
Erfahrung gemacht hätten, ihre Einstellung geändert hätten. Für                                           wünschen sich eine schnellere Wirksamkeit
ihn selbst seien in den 25 Jahren die vielfältigen Gespräche mit                                          Gottes
Sterbenden, Angehörigen und im Behandlungsteam eine wichtige
                                                                                                          Palliativ: Beistehen in Erwartung Jesu
und oft tiefgehende Erfahrung gewesen. Ohne die Zusammenarbeit
                                                                                                          In die Hand Gottes fallen, den rechten
auf Augenhöhe mit den vielen von der Idee begeisterten haupt-
                                                                                                          Moment finden, den Menschen gehen zu
und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und ohne die Unterstützung
                                                                                                          lassen
durch verständnisvolle Verbündete beziehungsweise tatkräftige
                                                                                                          Tränen, Weinen bedeutet Erlösung, Befreiung -
Förderer sei die Arbeit von Anfang an nicht möglich gewesen.
                                                                                                          und es braucht Begleitung, dass die Betroffe
Dr. Reinhold Kassing, Vorsitzender des SPES VIVA Fördervereins,                                           nen es tun können
blickte genauso mit großem Dank zurück: In den Anfängen seien                                             Endgültiger Wille Gottes ist unabdingbare Liebe,
Palliativstationen oft noch distanziert gesehen worden, heute                                             macht das diesseitige Leben wertvoller
gelten sie als Qualitätsmerkmal von Krankenhäusern. Er sehe in der                    Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben
Etablierung einer Palliativbegleitung in Altenheimen noch eine                        haben, sondern Gott es mit uns lebt.
wesentliche Aufgabe für die Zukunft. In der 25-jährigen Entwick-                      Alfred Delp, deutscher Theologe

lung von SPES VIVA sei viel geschehen, nämlich das Sterben mitten
in das Leben geholt worden. Dr. Kassing freute sich, dass SPES VIVA
nicht nur viele Spender, sondern auch viele Botschafter habe.

Bewegte Teilnahme während der Jubiläumsandacht in St. Lambertus mit                   Streiflichter vom Jubiläum: Gespräche, Erinnerungen und Gedanken um ein
Bischof Dr. Franz-Josef Bode: v.l.n.r.: Dr. Reinhold Kassing, Bernadette Rümme-       Vierteljahrhundert SPES VIVA. Eine rundum gelungene Veranstaltung.
lin, das Ehepaar Hardinghaus und Franz Müntefering.                                   Herzlichen Dank allen Beteiligten!

Musikalisch begleitet wurde die Festveranstaltung vom SPES VIVA
Chor St. Raphael unter der Leitung von Ruud van Iterson. Der Chor
wurde für seine eindrucksvollen musikalischen Akzente mit viel
Beifall bedacht.

 Immer wieder bei seinen Auftritten und mit seinem Repertoire begeisternd:
 Der SPES VIVA Chor St. Raphael begleitete das Jubiläum ausgezeichnet.

                                                                                  7
Mechthild-Geschichten"                                                        Im Warteraum der Intensivstation treffe ich Vater, Kind, die Ge-
"Die Wirkung von warmem Kakao                                                   schwister der Mutter, die beste Freundin, die Krankenhausseel-
                                                                                sorgerin und die Erzieherin.
Mechthild Schroeter-Rupieper, Autorin und Trauerbegleiterin                     Im Gespräch sage ich Konrad, dass die Erwachsenen so viel wei-
                                                                                nen, weil sie traurig sind, dass die Mama so feste krank ist.
                                                                                Er hatte vorher schon gehört, dass die Mama sterben würde.
                                                                                Aber: was bedeutet sterben" für ein 5 jähriges Kind? Was versteht,
                                                                                                     "
                                                                                was begreift es davon? Die Traurigkeit der Großen ist für das Kind
                                                                                oft schlimmer" als der Begriff sterben". Also sollte man die Trau-
                                                                                    "                             "
                                                                                rigkeit erklären und schauen, was ihm und auch den anderen
                                                                                helfen kann. Weinen, z.B.", das sagt der Papa. Sich in den Arm
                                                                                               "                                  "
                                                                                nehmen", sagt die Tante.
                                                                                 Und was hilft dir?", frage ich Konrad. Warmer Kakao", sagt er. Es
                                                                                "                                      "
                                                                                ist ein echt sonniger, fast heißer Tag, es schreit für andere eher
                                                                                nach Eis, aber warmer Kakao als Tröster, das versteht sofort jeder
                                                                                hier.
 Charismatische Erzählerin: Mechthild Schroeter-Rupieper in ihrem Metier.

Konrad ist 5 Jahre alt. Ein Maxi-Kind im Kindergarten", sagt er mir
                       "
beim Kennenlernen. Seine Mama hatte einen Herzinfarkt und liegt
im Krankenhaus auf der Intensivstation. Sie wird sterben.                       Wir gehen zur Mama rein, sie liegt im Bett, beatmet, verkabelt"
                                                                                                                                         "
Konrad sitzt da so klein zwischen den anderen Erwachsenen. Viele                mit vielen Infusionsschläuchen.
weinen.                                                                         Konrad weint. Er hatte es schon draußen gesagt bekommen, wie
Dennoch: Es ist gut, dass er dabei ist, auch, wenn man ihm eine                 Mama aussieht, dass man ihr mit den Dingen helfen will, aber jetzt
andere Umgebung wünschen würde. Aber es ist, wie es ist. Nicht                  fängt er an zu begreifen, dass mit Mama was Schlimmes los ist.
dabei sein macht die Sache nicht besser.                                        Schwester Annika schaut ins Zimmer und ich frage, ob sie rein-
                                                                                kommen kann. Konrad, die Schwester Annika können wir jetzt
In der Nacht rief Katharina von der Intensivstation des Kranken-                                  "
                                                                                fragen, was das alles für Sachen an der Mama sind."
hauses an und fragte, ob ich kommen könne. Der Vater bräuchte
                                                                                Schwester Annika nickt, Konrad auch. Und auf Papas Schoß sitzend
Hilfe, auch für den Umgang mit dem Sohn. Ich konnte in der Nacht
                                                                                zeigt er auf den Intubationsschlauch. Er schluchzt dabei. Der Papa
nicht fahren, auch Trauerbegleiter haben manchmal Auszeiten, am
                                                                                drückt ihn an sich und Schwester Annika erklärt. Sie erklärt so ruhig,
Morgen meldete sich der Kindergarten, nicht wissend, dass sich die
                                                                                so gut, dass ich denke: Sie müsste in der Sendung mit der
Knappschaft schon gemeldet hatte.                                                                                              "
                                                                                Maus" in einem Film vorkommen. Ich weiß aus dem kurzen Vor-
Die Kindergartenleiterin sagte: Ich habe bei ihnen die Religions-
                                 "                                              gespräch, dass sie selber sehr berührt ist. Aber dieses Erklären
pädagogische Fortbildung vom KiTa Zweckverband Bistum Essen
                                                                                können, dürfen, gibt nicht nur dem Kind, sondern uns allen, sie
mitgemacht. Und heute stand der Vater hier, so traurig, so verun-
                                                                                eingeschlossen, Halt.
sichert und er wollte den Sohn nicht mit zur Mama nehmen. Da
                                                                                Dann zeigt Konrad auf den Ernährungsschlauch, der in die Nase
fiel mir sofort ein, dass Sie gesagt haben: Nehmt die Kinder mit.
                                                                                geht. Und das?"
Mitnehmen an der Hand, mit Erklärung, nicht außen vor lassen, das                      "
                                                                                Wisst ihr, ohne Erklärung sieht so etwas ganz schön gefährlich aus.
ist die beste Sicherheit für das Kind. Ja, das war damals neu für
                                                                                 Dadurch bekommt deine Mama das Essen. Der Schlauch geht
mich, aber ich verstand in der Fortbildung, was Sie meinen. Und                 "
                                                                                durch die Nase, durch den Hals in die Speiseröhre bis in den Magen.
heute war es auf einmal so klar: Konrad und Mama waren so ein
                                                                                Deine Mama kann nicht mehr kauen und schlucken und jetzt be-
enges Team, wenn nicht er und ihr Mann, wer denn sonst? Er ist
                                                                                kommt sie so etwas wie Spinat und Kartoffelbrei durch den Schlauch
doch ihr Kind! Sie ist doch seine Mama!
                                                                                bis in den Magen, damit sie kein Magenknurren hat. " Konrad nickt.
Jetzt ist von uns zur Unterstützung noch eine Erzieherin aus der                Dann rutscht er von Papas Schoß, geht um das Bett herum, stellt
Kita mitgefahren, damit der Vater und das Kind sich nicht so alleine            sich neben die Schwester und fragt und fragt und fragt. Und sie
fühlen. Können Sie auch noch dort hin kommen?"                                  erklärt, erklärt und erklärt.
Ich war baff. Noch nie habe ich es erlebt, dass eine Kita die Erziehe-          Es tut auch den Erwachsenen gut, Fachwissen kindgerecht zu
rin zur Unterstützung mit auf die Intensiv schickt (freiwillig)! Wie            hören. Wer weiß das schon alles? Und wer traut sich, wie die Kinder
großartig und hilfreich ist das!                                                zu fragen?

                                                                            8
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                                                                                                                                  der Anmeldung unsere
Konrad bekommt zum Schluss 2 Spritzen geschenkt: eine große
                                                                                                                                  Hinweise auf unserer
für die Badewanne und eine, womit er im Kindergarten zeigen kann,                                                                 Website und in der
was bei seiner Mama gemacht wird, damit sie keine Schmerzen hat.                                                                  Presse in 2020!
                                                                                  Im kommenden Jahr feiert das SPES
Dann geht er zum Papa zurück, setzt sich auf dessen Schoß und
                                                                                  VIVA Trauerland seinen zehnten Geburtstag.
fragt: Und wann kommt Mama wieder nach Hause?"
      "                                                                           Aus diesem Anlass lädt SPES VIVA am 27. März 2020 um 18 Uhr ein
Schweigen.                                                                        zu einem Abend unter dem Titel „Hilf mir, wenn ich traurig bin“ in
 Mama kommt nicht mehr nach Hause", sagt der Vater. "Die Mama                     Lecons Loft, Belm. In einer Vortragslesung mit Bildern wird die be-
"
ist so feste krank, dass sie nicht mehr gesund wird. Die Mama stirbt."            kannte Familientrauerbegleiterin und Autorin Mechthild Schroeter-
Jetzt weint er, - nicht vor Traurigkeit, wie er später sagt, eher, weil er        Rupieper den Gästen Mut machen, sich dem Thema Trauer zu nähern.
es geschafft hat, das seinem Sohn deutlich zu sagen. Er ist ein muti-             Dabei berichtet sie aus ihren Erfahrungen mit großen und kleinen trauern-
ger Vater in dieser Situation.                                                    den Menschen. Erfahrungen, die sie häufig in Form von Geschichten
Und so gut, dass die Erzieherin dabei ist und weiß, was der Junge                 festhält und veröffentlicht. So auch die auf der linken Seite abge-
gesehen hat. Sie strahlt eine gute Sicherheit aus. Sie kann und wird              druckte Geschichte…
mit ihrem Team dem Jungen nahe stehen, erklären, DA sein. Auch                    Ebenso gehören Mitmach-Bücher in ihr Repertoire. Die Besprechung
sie aus der Kita sind Mutmacherinnen für die Familie.                             des neuesten Titels – identisch mit dem Titel unserer Veranstaltung -
Auf Mamas Kopfkissen liegt ein Bild, dass Konrad heute morgen                     finden Sie auf Seite 22.
noch in der Kita gemalt hat. Mit Maxi-Stiften", erklärt er mir ganz
                                      "
stolz. Und die Erzieherin erklärt: Konrad ist seit gestern ja ein Maxi-             Wert-Schätzung"
                                    "
Kind." Und Konrad sagt: Ja, die Kleinen dürfen mit Maxi-Stiften
                                                                                  "SPES VIVA - Zwölf neue Sterbebegleiterinnen
                             "
noch nicht malen."
                                                                                  ausgebildet
                                                                                  Anja Menzel (Text) | Klaus Volk (Foto)
                                                                                  Ende Mai konnten zwölf Frauen aus dem Landkreis Osnabrück
                                                                                  ihren Vorbereitungskurs zur Sterbe- und Hospizbegleiterin erfolg-
                                                                                  reich abschließen. Nachdem sie sich in den letzten Monaten inten-
                                                                                  siv mit den Themen Sterben, Tod und Trauer befasst hatten, waren
                                                                                  sich alle einig: „ Wir haben hier viel Neues gelernt, oft gelacht,
                                                                                  manchmal auch geweint und sind zu einer tollen Gruppe zusam-
Wenn die Trauer sich in Stärke wandelt: In diesen Fällen ist vorbehaltloses       men gewachsen.“
Zusammenstehen wichtig. Zeigen, dass man sich gegenseitig braucht um der
neuen Herausforderung entgegenzutreten.
                                                                                  Zu den Ausbildungsthemen gehörten unter anderem Kommuni-
                                                                                  kation, Spiritualität in der Sterbe- und Trauerbegleitung, Umgang
Dann fahren wir alle gemeinsam mit dem Fahrstuhl nach unten,                      mit eigenen Verlusterfahrungen, Netzwerkarbeit und Vieles mehr.
Konrad, der Vater, die Erzieherin, die Tanten, die beste Freundin der             Besonders beeindruckend waren die Erlebnisse von Frau Dr. Schällig,
Mama und ich. Der Vater will uns in der Cafeteria zum Kaffee ein-                 die von ihrer Arbeit auf der Palliativstation im Krankenhaus
laden, Konrad wird ein Eis angeboten.                                             St. Raphael Ostercappeln erzählte. Aber auch die bereits tätigen
 Nein, ich möchte einen warmen Kakao", sagt er und zieht die Rotze                ehrenamtlichen Hospizmitarbeiterinnen von SPES VIVA haben bei
"
vom Weinen in der Nase hoch.                                                      den Teilnehmerinnen großes Interesse geweckt. Gerade diese hos-
Dieser kleine Kerl hat Glück mit dem Vater, den Verwandten, der                   pizliche Haltung und Wertschätzung eines jeden Menschen ist der
Kita und dem Krankenhaus, dass er in der großen Traurigkeit dabei                 Grundstein, den alle Kursteilnehmerinnen jetzt mitnehmen werden
sein darf. Denn mit Trauer können wir klarkommen, mit Außen-vor-                  in ihren Dienst.
lassen weniger. Kennt ihr das?                                                    Teilnehmerinnen des Kurses zusammen mit den beiden Koordinatorinnen des
                                                                                  Ambulanten SPES VIVA Hospizdienstes, Marion Heitling und Anja Menzel sowie
Es kann wertvoll sein, wenn sich Menschen in Geschichten wieder-                  Geschäftsführerin Sandra Kötter.

erkennen oder anderweitig davon profitieren, indem sie etwas,
jemanden oder sich verstehen lernen. Auch diejenigen, von denen
ich erzähle, benennen dies als wertvoll.

                    ...segelnd im Glücke zerschellt
               Menschengeschick an verborgner Klippe...
                                Aischylos

                                                                              9
Netz-Werker"                                                                                                Hin und wieder ist es mir
"                                                                                                               schwergefallen zu akzeptie-
Interview mit Dr. Reinhold Kassing zum
                                                                                                                ren, dass manche Ehrenamt-
Ende seiner 12jährigen Amtszeit als 1. Vor-                                                                     liche aus dem Hospizdienst
sitzender des Fördervereins SPES VIVA e. V.                                                                     uns als Vorstand nicht als
Sandra Kötter                                                                                                   Ehrenamtliche wahrnehmen
                                                                                                                Auch wir sind ehrenamtlich
Herr Dr. Kassing, viele Jahre haben Sie SPES VIVA begleitet
                                                                                                                tätig, jeder in seiner Funktion,
und als Vorstandsvorsitzender die Entwicklung aktiv mit-
                                                                                                                jeder an seinem Platz, gemein-
gestaltet. In Kürze endet nun Ihre aktive Tätigkeit bei SPES
                                                                                                                sam für die gleiche gute Idee.
VIVA, da Sie bei der nächsten Vorstandswahl nicht erneut
antreten. Anlass genug für einen gemeinsamen Rückblick
                                                                                                                Redaktion: Wo sehen Sie SPES
und Ausblick…
                                                                                                                VIVA in den nächsten zehn Jah-
Redaktion: Herr Dr. Kassing, seit wann sind Sie bei SPES VIVA aktiv           SPES VIVA immer gegenüber auf- ren? Was würden Sie sich wün-
                                                                              geschlossen: Dr. Reinhold Kassing
und wie kam es zu diesem Ehrenamt? Warum gerade SPES VIVA?                    hier bei der Eröffnung des SPES schen für den Verein, wenn Sie
                                                                              VIVA Trauerlandes in Belm 2010. einen Wunsch frei hätten?
R. Kassing: Seit einer gefühlten Ewigkeit bin ich SPES VIVA ver-
bunden!                                                                      R. Kassing: Mein Wunsch ist, dass das Vertrauen, das SPES VIVA
Das Engagement von Prof. Hardinghaus, wie er diese Idee verkör-              heute genießt, auch weiterhin diese Idee und Arbeit trägt.
pert, hat mich von Anfang an fasziniert.                                     Spender vertrauen uns ihre Gelder an, mit denen wir möglichst
Der Tod gehört zum Leben. Das habe ich bereits als Kleinkind er-             vielen Menschen Hilfe zukommen lassen wollen. Dieses Vertrauen
fahren: als meine Oma zuhause starb, hatte ich keine Angst.                  ist die Basis unserer Arbeit!
Warum SPES VIVA? Es ist der von mir häufig genannte Dreiklang
                                                                             Redaktion: Nach heutiger Idee (Das Interview fand vor der Mit-
von Ehrenamt, Hauptamt und Seelsorge, der die Arbeit „in leben-
                                                                             gliederversammlung statt) wird der Vorstand Verstärkung durch
diger Hoffnung“ so besonders macht.
                                                                             ein neues Mitglied bekommen, einer der „alten Hasen“ wird den
Redaktion: Ihre Nachricht, dass Sie nicht erneut kandidieren, kam            Vorsitz übernehmen. Was geben Sie Ihren Vorstandskollegen mit
überraschend. Dürfen wir fragen, warum Sie für die nächste Wahl-             auf den Weg?
periode nicht mehr zur Verfügung stehen? Das wird unsere Leser               R. Kassing: Gute Ratschläge eines
sicher interessieren.                                                        Scheidenden… nein, die sind nicht
R. Kassing: Meine Devise lautet: „Wenn ich etwas mache, dann                 willkommen, darum gebe ich auch
richtig und ganz. Ich möchte mich voll engagieren, mit ganzem                keine.
Herzen dabei sein.“                                                          Ich bin zuversichtlich, dass der Vor-
Durch meine neue berufliche Tätigkeit bin ich häufig unterwegs.              stand in seiner neuen Besetzung
Weitere Ehrenämter im Bistum und die Tätigkeit in der Ortspolitik            SPES VIVA in eine gute Zukunft führen
führen in der Kombination mit den häufigen Abwesenheiten                     wird.
dazu, dass ich mich nicht mehr so engagieren kann, wie ich es
                                                                             Redaktion: Sind Sie nach dem 6. Novem-
möchte für diese wichtige Sache.
                                                                             ber, also nach der Mitgliederversamm-
Redaktion: Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Was waren               lung, „einfach mal weg“?
besondere Momente, besondere Entscheidungen? Gab es ein echtes               R. Kassing: Aus tiefster Überzeugung
Highlight – oder auch etwas, das Ihnen besonders schwerfiel?                 war und bin ich SPES VIVA verbunden,
R. Kassing:                                                                  werde dies auch bleiben und bei Bedarf   Führte über 12 Jahre lang den
                                                                                                                      Förderverein SPES VIVA e. V.:
Ein „Highlight“ in dieser Zeit war sicher die Eröffnung des SPES VIVA        unterstützend zur Seite stehen.          Dr. Reinhold Kassing. Danke
Trauerlands 2010, dass wir in einem eigenen Haus in Belm dieses              Wir danken Ihnen für dieses Interview,
                                                                                                                      und für die Zukunft das Beste.
                                                                                                                                      für
neue Angebot unter dem Dach von SPES VIVA errichten konnten.                 die jahrelange gute Zusammenarbeit und wünschen Ihnen Freude
Ebenso besonders die Neueröffnung bzw. Erweiterung verschiede-               und Segen auf Ihrem zukünftigen Weg!
ner Palliativstationen und –bereiche in der Region.

                                                                        10
Kultur-Frage"                                                              Und natürlich bin ich in diesen Gesprächen auch mit Sterbe- und Suizid-

"                                                                              wünschen konfrontiert worden, das ist gut und normal, denn gerade
Leserbrief zum Bericht der NOZ über die                                        das zugewandte und offene Gespräch verstehe ich als wichtige ärzt-
                                                                               liche Aufgabe. Nach meiner Erfahrung ist es eindeutig so, dass anfäng-
Verhandlung des Bundesverfassungsgerich-                                       lich geäußerte Todes- oder Sterbewünsche ganz überwiegend in den
tes am 16. und 17. April 2019 zum § 217                                        Hintergrund treten, wenn man im Detail die Möglichkeiten aufführt,
Strafgesetzbuch (StGB), der die geschäfts-                                     die es zu einer ganzheitlichen Behandlung von Schmerzen und Sympto-
                                                                               men gibt, und wenn man den Betroffenen verdeutlicht, dass wir sie in
mäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe
                                                                               dieser Situation nicht alleine lassen und wie sie in Würde, in ihrer
stellt, mit Kommentar von Melanie Heike                                        Einzigartigkeit, Abschied nehmen können. Auch kann ich von den von
Schmidt „Kein Geschäft mit dem Tod“.                                           mir am Ende begleiteten Patienten keinen einzigen nennen, der unter
Winfried Hardinghaus                                                           Schmerzen gestorben ist, und sei es unter gelegentlicher Hinzunahme
                                Der Artikel warnt richtigerweise vor gesell-   einer palliativen Sedierung. Wohl wissend, dass zum Leiden weitere
                                schaftlichen Gefahren, die mit einer Locke-    körperliche Symptome, insbesondere auch seelische Nöte, gehören
                                rung des § 217 StGB verbunden wären.           können, behaupte ich auf Grund meiner Erfahrung, dass niemand bei
                                Wegen der m. E. allgemein immer noch           einer ganzheitlichen menschlich zugewandten und dabei fachlich kom-
                                deutlich unterschätzten gesellschaftlichen     petenten palliativen Betreuung und hospizlichen Begleitung am Ende
                                Brisanz des Themas, das uns alle angeht,       seines Lebens unnötig leiden muss.
                                möchte ich auf einige mir besonders            Allerdings, auch so meine Beobachtung, sterben wir so wie wir gelebt
                                wichtige Aspekte noch einmal eingehen.         haben, d. h. Menschen, die schon im Leben zufrieden und überwiegend
                                Das am 6.11.2015 im Bundestag mit              ausgeglichen waren, können etwas besser gehen und Menschen, die
 Wichtige Stimme im Kampf großer Mehrheit über alle Parteien hinweg            bereits im früheren Leben mit sich gehadert haben, können etwas
 gegen einen gewerbsmäßi-
                                                                               schwerer gehen. Aber das ist menschlich, genauso wie die Trauer, die
 gen Suizid: Prof. Dr. Winfried beschlossene Gesetz konnte der Tätigkeit
 Hardinghaus.                   sogenannter Sterbehilfevereine, die neben      in jeder Weise auch gezeigt werden darf und soll.
anderen jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde           In meiner Funktion als Vorsitzender des Deutschen Hospiz und Palliativ-
eingereicht hatten, erfolgreich Einhalt gebieten. Allerdings: Im Laufe der     Verbands vertrete ich rund 1.200 Hospiz- und Palliativeinrichtungen
aktuellen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts wurde - bereits            und -dienste, die von den gleichen guten Erfahrungen einer würde-
vor der demnächst zu erwartenden Urteilsverkündung - die Tendenz               vollen palliativen und hospizlichen Begleitung berichten könnten.
des Senats zu einer Liberalisierung des § 217 StGB sichtbar.                   Das und auch das Wissen darum ist die wirksamste Suizidprävention,
Ich habe mich vor dem Bundesverfassungsgericht als geladener Sach-             die wir haben!
verständiger und als Vorsitzender des Deutschen Hospiz – und Pallia-           Der Angst vor Würdeverlust in Pflegesituationen und bei Demenz so-
tivVerbands aufgrund meiner eigenen langjährigen Erfahrung als                 wie vor unerträglichen Schmerzen mit der gesetzlichen Legitimierung
Palliativmediziner in der Begleitung schwerstkranker und sterbender            der Beihilfe zum Suizid zu begegnen, kann in einer solidarischen Gesell-
Menschen und ihrer Angehörigen vehement gegen ein teilweise un-                schaft nicht gewollt sein! In den Niederlanden und Belgien ist es seit
zutreffendes Autonomieverständnis und gegen die erleichterte Suizid-           der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe vor wenigen Jahren (sogar
begleitung durch z.T. fragwürdig wirkende Sterbehelfer*innen ge-               bei Kindern) bereits zu einem mehrfachen Anstieg der Suizidrate in
wandt – und mich vielmehr für ein ausnahmsloses Sterben in Würde               der Bevölkerung gekommen. Die Gefahr des Dammbruchs mit dem
„an der Hand“ der Palliativmedizin und der Hospizarbeit unter Wah-             Druck auf schwache und alte Menschen, aus dem Leben zu scheiden,
rung von Autonomie und Selbstbestimmung eingesetzt.                            ist real. Und einen Schritt weiter wollen Eltern ihren Kindern erst gar
Ich bin seit über 40 Jahren als Arzt im Krankenhaus tätig, 30 Jahre als        nicht mehr zur Last fallen.
Chefarzt der Inneren Medizin und Palliativmedizin. Mein besonderes             Wir brauchen kein Gesetz, das die geschäftsmäßige oder gewerbs-
Interesse gilt stets einer ganzheitlichen Betreuung der mir anvertrau-         mäßige Suizidbeihilfe legitimiert, sondern eine Kultur der Wertschätz-
ten Patient*innen. In diesem Zusammenhang habe ich noch die Zeit               ung gegenüber kranken und sterbenden Menschen: den weiteren,
in leidvoller Erinnerung, als ich erleben musste, wie Schwerstkranke           konsequenten Ausbau entsprechender Versorgungsformen überall dort,
und insbesondere Sterbende in Badezimmer abgeschoben und dort                  wo Menschen ihr Lebensende verbringen. In der hiesigen Region sind
allein gelassen wurden.                                                        wir hiermit überwiegend gut versorgt. Das wertvolle Angebot sollten
Im Team der von mir mit hilfreichen Unterstützern bereits Anfang der           wir einschließlich des nicht zu unterschätzenden ehrenamtlichen Enga-
1990er Jahre gegründeten Intiative SPES VIVA haben wir bis heute               gements vieler Menschen dankbar annehmen. Es darf nicht aufs Spiel
unzählige schwerstkranke und sterbende Menschen bis zum Schluss                gesetzt werden!
begleitet und außerdem unzählige tiefexistenzielle Gespräche mit
Sterbenden geführt.

                                                                          11
die Füße zu spüren, denen oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt
    Körper-Flüstern"
"
Focusing als spiritueller Übungsweg.
                                                                       wird. Die Füße haben als unser Fundament eine große Bedeutung,
                                                                       auf ihnen stehen wir, sie tragen uns, bringen uns von einem Ort
Fortbildungsseminar für die Haupt- und                                 zum anderen, geben uns die Möglichkeit, die Richtung zu wech-
                                                                       seln und ermöglichen uns, in andere „Fußstapfen“ zu treten oder
Ehrenamtlichen von SPES VIVA mit den                                   selbst Spuren zu hinterlassen.
Referenten Peter und Margaret Lincoln                                  Als nächstes machten wir eine Übung, um unseren inneren Frei-
in Fürstenau-Schwagstorf.                                              raum zu finden (Rucksackübung):
Luise Rüter, Ehrenamtliche im SPES VIVA Trauerland                     Wir suchten uns in unserem Körper einen guten, sicheren Ort, den
                                                                       wir für uns in Gedanken so gestalteten, dass wir uns dort wohl-
Vom Freitag 26. bis Samstag 27. April 2018 fand im Exerzitien-         fühlen können. Wir stellten uns vor, Themen, die uns zurzeit beschäf-
haus St. Franziskus in Fürstenau (Schwagstorf ) für die Haupt-         tigen, gehörten zu einem unsichtbaren Gepäck, wie ein Rucksack,
und Ehrenamtlichen von SPES VIVA ein Fortbildungsseminar               den wir Tag für Tag mit uns tragen. Wir überlegten, welches Thema
zum Thema Focusing statt.                                              schwerer wiegt, welches leichter und wie es sich körperlich anfühlt,
Die folgende Seminarbeschreibung hatte uns neugierig                   solch einen Rucksack durch das Leben zu tragen. Diesen Rucksack
gemacht:                                                               deponierten wir für die Zeit des Seminars unter dem Stuhl, auf dem
                                                                       wir saßen. Durch das Abstellen des Rucksacks gewannen wir einen
     "Hören Sie auf das Flüstern Ihres Körpers,                        inneren Freiraum, um für das weitere Seminar frei von Störungen
          bevor er zu schreien beginnt".                               und Ablenkungen zu sein.
Diese Weisheit kann als Grundlage der Focusing-Methode ver-            Anschließend gab es eine Körperübung zum äußeren Freiraum:
standen werden. Viele Menschen können anderen Menschen                 Wir stellten uns unseren Körper als Tempel oder Haus vor, das wir
wunderbar zuhören, vergessen dabei, oder finden die Zeit nicht,        von den Beinen herauf abklopften, dabei standen wir mit beiden
sich selber zuzuhören.                                                 Füßen fest auf dem Boden, unsere Füße waren das Fundament, auf
Die Methode wurde in den 1970er Jahren entdeckt und weiter-            dem unser Haus stand. Dann schoben wir beide Hände nach vorne
entwickelt, damit Menschen besser mit dem in Kontakt kommen,           in Richtung Hof unseres Hauses, zu beiden Seiten und zur Rück-
was sie innerlich bewegt. Mit seinen sechs einfachen Schritten         seite unseres Hauses in Richtung Garten. Dadurch schafften wir uns
bietet es ein Handwerkszeug, um der Stimme des eigenen Kör-            einen äußeren Freiraum und einen Abstand.
pers zuzuhören und sie besser zu verstehen.
                                                                       Nach dem Abendessen haben wir in Dreiergruppen nach Rede-
Es entsteht ein Dialog zwischen der Ebene des Verstands und der
                                                                       wendungen gesucht, die sich auf unseren Körper bezogen. Diese
Ebene der Emotionen und des Körpers.
                                                                       schrieben wir auf Moderationskarten, die wir dann vorlasen und je
Ergänzt durch spirituelle Körperübungen und Zeiten der Stille,         nach Körperteil an die entsprechende Stelle legten. Hier einige
werden wir in diesem Workshop die Focusing-Schritte erklären           Beispiele für unsere gefundenen Redewendungen:
und einüben. Der Focusing -Prozess öffnet dabei einen Raum,
indem ich mich besser kennenlerne, um dabei die eigene Spiri-                   Jemand hat einen Stock verschluckt
tualität zu vertiefen.                                                          Einen Balken im Auge haben

Oder mit den Worten von Meister Eckhart: Niemand kann Gott
                                                                                Mir bleibt die Spucke weg
                                           "                                    Ich hab so `nen Hals
erkennen, der nicht zuvor sich selbst erkennt."
Nachdem wir (12 Teilnehmerinnen) unsere Zimmer bezogen
                                                                                Ich gehe auf dem Zahnfleisch
                                                                                Das hängt mir zum Hals raus
und uns mit Kaffee und Kuchen gestärkt hatten, begann unser
Seminar mit einer Vorstellungsrunde. Wir sollten sagen, wer wir                 Ich höre das Gras wachsen
sind, was wir zurücklassen (zu Hause) und welche Erwartungen                    Mir raucht der Kopf
wir an das Seminar stellten.                                                    Ihr sitzt der Schalk im Nacken

Unsere Referenten Peter und Margaret Lincoln stellten sich uns
                                                                                Ich könnte aus der Haut fahren
im Gegenzug vor und gaben eine kurze Einleitung darüber, in                     Mir wird warm ums Herz
welchen Bereichen man die Focusing-Methode anwenden kann.                       Mein Herz ist gebrochen
                                                                                Schmetterlinge im Bauch haben
Um es gleich an einem praktischen Beispiel zu erproben, fingen
wir mit einer Körperübung an. Besonders ging es dabei darum,                    Mir läuft die Galle über
                                                                                Ich hab` Hummeln im Hintern
                                                                  12
Am Beispiel eines Hauses               Am Samstag ging es dann nach dem Frühstück weiter. Wir began-
                                       mit mehreren Etagen bzw.               nen mit einer Körperübung, bei welcher wir den eigenen Ton fin-
                                       einer Firma mit Führungs-              den sollten. Vokale wurden verschiedenen Körperräumen zuge-
                                       ebene im Dachgeschoss,                 ordnet (das A beispielsweise dem oberen Brustbereich, das O dem
                                       Verwaltung im mittleren                Bauch, das U dem Beckenbereich, das E dem Kopfbereich im Bereich
                                       Geschoss und Arbeitern im              der Ohren und das I dem Punkt auf der Stirn, wo alle Nerven zu-
                                       Untergeschoss wurde uns                sammenlaufen diese Laute„sangen“ wir und massierten, berührten
                                       Focusing nähergebracht.                und klopften´ die jeweiligen Körperregionen dazu. Es ging dabei
                                       Wir sahen die Wichtigkeit              ums Hören, welcher eigene Ton sich gut und richtig anfühlte.
                                       der Kommunikation der                  Wir schauten uns die Grundhaltungen beim Zuhören im Focusing-
                                       einzelnen Etagen. In die               Prozess an und auch was uns vom Zuhören abhält wie z. B. meinen
                                       Zeichnung des Hauses                   zu wissen, was der Andere sagen wird, eigene Ziele für die andere
                                       wurde ein Mensch gezeich-              Person festlegen oder meinen, dass das, was wir zu sagen haben,
                                       net, der Bauch im mittleren            wichtiger ist und zu guter letzt keine Zeit zum Zuhören zu haben.
                                       Geschoss (Bauchgefühl im
                                       „Verwaltungstrakt“).                   Grundhaltungen beim Zuhören im Focusing-Prozess:
Im Seminar den inneren Freiraum                                                     Absichtslos (kein Erziehungsprogramm, keine
gefunden: SPES VIVA-Haupt- und         Felt sense                                                Ratschläge, nur Zuhören)
Ehrenamtliche erfuhren Erleichte-
rung in der Schulterung ihrer Ruck-  Alles, was uns im Laufe                        Aufmerksam (aktiv, entspannt aber achtsam zuhören –
säcke. Was stark beschäftigt wurde   eines Tages begegnet, wird                                  wie ein neugieriger Forscher)
aufgeschrieben.
                                     zuerst körperlich erlebt. Ob                   Annehmend (grundsätzlich freundliche, annehmende
Menschen, Themen, Situationen, Probleme – alle verursachen                                       und (ver-)urteilende Haltung)
eine körperlich empfundene Reaktion in uns, bevor unser Ver-                        Abstand     (den eigenen Freiraum schützen, mich im
stand das Gefühl in Worte oder Begriffe übersetzt. Dieses Phäno-                                 Anderen oder im Thema nicht verlieren)
men wird im Focusing als felt sense (gespürter Sinn) bezeichnet.                    Abwartend (Ich gehe mit mir oder mit meinem
Felt sense meint nicht nur ein Gefühl im Bauch oder eine Intui-                                  Gegenüber behutsam und geduldig um,
tion sondern den „inwendigen Menschen“ (die Seele, alles, was                                    wie mit einem scheuen Tier)
in mir ist) und bezieht sich auf den ganzen Menschen mit sei-                       Ahnungslos! (Ich muss nicht alles zu einem Thema oder
nem Körper, seinen Gefühlen und seinem Verstand.                                                 einer Person „wissen“, vielmehr lege ich all
Was ist nun aber Focusing?                                                                       das beiseite, was ich zu diesem Thema oder
„Focusing nenne ich die Zeit, in der man mit etwas ist, das man                                  Menschen schon zu wissen meine. Ich inter-
körperlich spürt, ohne schon zu wissen, was es ist. Was man aber                                 essiere mich für das Unklare, noch nicht
weiß ist, dass dieses körperliche Gefühl mit irgendetwas im                                      Bekannte)
Leben zu tun hat. Auf dieses Gefühl, das ich im Körper spüre,                  „Jeder Mensch schreit danach, anders gelesen zu werden.“
ohne zu wissen, was es genau ist, lenke ich meine Aufmerksam-                                              Simone Weil

keit. Diese Zeit nenne ich Focusing.“ (Zitat: Eugene T. Gendlin,              Wir führten verschiedene praktische Übungen zur partnerschaft-
* 25. Dezember 1926 in Wien, war ein austroamerikanischer                     lichen Focusing-Methode durch und arbeiteten mit unseren
Philosoph, Psychologe und Psychotherapeut. Er begründete die                  Themen, denen wir farbige Moderationskarten zuordneten, die
Focusing-Methode).                                                            im Abstand vor uns auf dem Tisch oder Boden lagen. Das Thema
Die Focusing-Schritte:                                                        war durch unseren Freiraum außerhalb von uns und wir blen-
     1.   Freiraum schaffen                                                   deten es ein. Die jeweiligen Abstände zu den Karten (Themen)
     2.   Felt sense einladen (zulassen und spüren, was da ist)               wurden verringert oder vergrößert, bis es gefühlsmäßig passte.
     3.   Eine Beschreibung finden für das Gefühl (einen Griff finden)        Die jeweiligen Gefühle hierfür wurden beschrieben und nach
     4.   Vergleichen, bis sie (die Beschreibung) passt                       dem Vergleichen, ob die Beschreibung zum Gefühl passt, über-
     5.   Mit dem Felt sense ins Gespräch kommen/Fragen stellen               legten wir, was wir brauchen, damit es sich besser oder sogar gut
     6.   Annehmen und schützen                                               anfühlt. Hierbei redeten wir nicht mit dem jeweiligen Thema,
                                                                              sondern mit dem Felt sense und leisteten unserem Gefühl
Nach einem meditativen Ausklang endete Freitagabend in ge-
                                                                              Gesellschaft. Dies geschah in Zweiergruppen.
mütlicher Runde mit Getränken und Leckereien und natürlich
regem Austausch.

                                                                         13
In Dreiergruppen mit Begleiter, zu Begleitendem und Beobachter              Vorhaben zu unterstützen“, betont Hellige. Sowohl die Arbeit
arbeiteten wir in wechselnden Rollen mit folgenden Fragen zu                der Einrichtungen selber als auch das hohe ehrenamtliche Enga-
einem leichteren unserer Themen.                                            gement hätten für die Spende gesprochen.
Fragen beim Focusing:                                                       Kassing freute sich über die „Anerkennung unserer Arbeit“. Der
                                                                            Hospizdienst hat sich zur Aufgabe gemacht, Schwerstkranke
       1) Möchtest du, dass ich dir helfe Freiraum zu finden?
                                                                            und Sterbende in ihrer häuslichen Umgebung zu unterstützen.
       2) Möchtest du dein Thema einblenden?
                                                                            Das Trauerland begleitet wiederum in einem geschützten Rah-
       3) Möchtest du dein Felt sense beschreiben?
                                                                            men Kinder und Jugendliche, die einen nahen Menschen verlo-
       4) Ist es für dich okay, dazubleiben?
                                                                            ren haben. Diese Arbeit wäre ohne ehrenamtliches Engagement
       5) Möchtest du dort verweilen?
                                                                            nicht möglich – und auch nicht ohne Spenden, da die Arbeit vom
       6) Gibt es etwas, dass es braucht?
                                                                            Trauerland ausschließlich und die vom Hospizdienst zu großen
       7) Zeit, sich zu verabschieden und danke zu sagen.
                                                                            Teilen über Spenden finanziert wird.
Das war sehr interessant, weil mitunter durch ein Thema noch ein            Wichtig sei es, den ehrenamtlich Tätigen Anerkennung für ihre
weiteres auftauchte und es sich hinterher, zumindest bei mir                Leistung zu zollen, unterstreicht Kassing. Dazu tragen die vier
anfühlte, als wenn sich die Schwere des Themas „auflöste“ bzw.              Wochenenden bei, die unter dem Motto „Zeit mit uns und für
das Thema leichter wurde.                                                   uns“ in Bildungshäusern im Landkreis Osnabrück stattfinden.
Zwischendurch gab es noch weitere Körperübungen, bei einer                  Alle Helfer können sich für ein Fortbildungsangebot anmelden,
gingen wir durch den Raum und sangen („Over my head, there                  dabei geht es etwa um Methoden in der Trauerbegleitung oder
is music in the air…. There must be a god somewhere“), und                  um Achtsamkeit. Die Fortbildungen bieten aber nicht nur Unter-
eine weitere, bei der wir bewusst unsere Füße langsam Schritt               stützung für die Arbeit und einen Austausch untereinander, er-
für Schritt voreinander setzten (Thema: „Du stellst meine Füße              läutert Sandra Kötter: „Die Wochenenden sind auch eine Auszeit
auf weiten Raum“).                                                          von der laufenden Arbeit.“

Mit einer Feedback-Runde und einem meditativen Ausklang
endete ein sehr lehrreiches Seminar, das durch die Körperübun-
gen und den praktischen Anteil des Ausprobierens von der ersten
bis zur letzten Minute sehr interessant war.

  Ehrenamts-Förderung"
"„Wertschätzung für ehrenamtliche Helfer“:
Sparkassen-Stiftungen unterstützen SPES
VIVA mit 15.000 Euro                                                        Freuten sich über die Anerkennung der Ehrenamtlichen Arbeit bei SPES VIVA: Ralf
                                                                            Hellige (Vertreter der Sparkassen-Stiftungen, zweiter von links), überreichte jetzt
Henning Müller-Detert (Text + Foto)
                                                                            zwei Schecks über jeweils 7.500 Euro an SPES VIVA. Die Spende nahmen entgegen
                                                                            (v. l.): Rainer Ellermann, Jens Strebe, Dr. Reinhold Kassing, Dr. Ulrich Billenkamp und
Die Zahl spricht für sich: Nahezu 100 Frauen und Männer enga-               Sandra Kötter.
gieren sich ehrenamtlich für den Ambulanten SPES VIVA Hospiz-
dienst und das SPES VIVA Trauerland. „Uns ist es wichtig, den ehren-
amtlichen Helfern Wertschätzung zuteilwerden zu lassen“, sagt
Dr. Reinhold Kassing, Vorsitzender des SPES VIVA-Fördervereins.                 Güte entspringt der
In diesem Jahr bieten die Einrichtungen daher an vier Wochen-
enden Fortbildungen an. Möglich machen dies die Stiftung der                Überlegenheit des Herzens;
Sparkasse im Landkreis Osnabrück sowie die Stiftung der Spar-                      wer sie mit Nachgiebigkeit,
kasse Osnabrück, die jeweils 7.500 Euro spendeten.
Ralf Hellige, Vertreter der beiden Stiftungen, überreichte die                     die aus Schwäche entsteht,
Schecks jetzt im Krankenhaus St. Raphael Ostercappeln an                           verwechselt, ist im Irrtum.
Dr. Reinhold Kassing, Rainer Ellermann, Jens Strebe und Dr. Ulrich
                                                                                                           Elizabeth Schuler
Billenkamp vom SPES VIVA-Förderverein sowie an SPES VIVA-
Geschäftsführerin Sandra Kötter. „Es gab viele gute Gründe, das

                                                                       14
Tiefen-entspannt"                                                Was sind das für Faktoren, die die Ansteckungsgefahr von Mitgefühler-
"„Innehalten – aufatmen – präsent bleiben!“                         schöpfung beeinflussen?
Doris Karnbrock, Ehrenamtliche im Ambulanten SPES VIVA Hospizdienst Laut Figley:
                                                                              -       Form, Heftigkeit, Dauer und Wiederholung der traumatischen
Seminar von Leo Morgentau im Kloster Damme.                                           Ereignisse.
                         Als wir an diesem wahnsinnig heißen Freitag          -       soziale Umstände, in denen die Traumatisierung und deren
                         ankamen, freuten wir uns alle, genau das                     emotionale und kognitive Verarbeitung stattfinden.
                         machen zu können - Innehalten und auf-               -       die Verletzlichkeit und Widerstandskraft der Betroffenen.
                         atmen! -
                         Los ging es mit einer von Leo geführten              Und genau die letzten beiden Punkte - seine Verletzlichkeit richtig ein-
                         Bodyscan Meditation. Eine Reise durch den            zuschätzen und die Widerstandskraft zu stärken, waren dann die
                         ganzen Körper von den Haarspitzen bis zu den         nächsten Punkte auf der Agenda.
                         Füßen.Wir schenkten jedem Körperteil unsere          Ein weiteres mir unbekanntes Wort folgte.
                         volle Aufmerksamkeit ohne zu werten und zu
                                                                              Selbstmitgefühlspause
                         (ver)urteilen. Alles was ist, ist, so wie es im
                                                                              Ein schönes Wort! Und was muss man tun um mal eine kleine Auszeit
                         Moment ist, gut und darf für den Moment
                                                                              vom Mitgefühl zu nehmen?!
                         genau so sein!
                                                                              Nachdem wir durch einige Test unseren persönlichen Status Quo her-
Heißer Sommer: Trocken-
                         Verbunden mit der richtigen Atmung gelangt
                                                                              ausbekommen haben, kamen wir zu den praktischen Übungen.
schäden am Eingang von   man sehr schnell in eine Tiefenentspannung.
Kloster Damme - und der                                                       Wir machten Gehmeditationen, diverse Körperübungen zur Stärkung
selbstlose Einsatz einer Eine Übung, die ich wirklich empfehlen kann,
Seminarteilnehmerin um                                                        und sangen zusammen Mantren.
das Überleben eines grü-
                         da man sie fast zu jeder Zeit an jedem Ort
                                                                                                                          Alle Übungen waren darauf
nen Pflanzentriebes...   durchführen kann um kurz zu entspannen.
                                                                                                                          ausgerichtet, einen größeren
                                                                                                                          inneren Raum zu bekommen
Mitgefühlserschöpfung
                                                                                                                          und sich somit gesund abgren-
Mit dem mir bis Dato unbekannten Wort, das Leo Morgentau zu
                                                                                                                          zen zu können.
Beginn des Seminars auf das Flipchart schrieb, ging es dann weiter.
                                                                                                                          Ich war begeistert, wieder viele
Mitgefühlserschöpfung:
                                                                                                                          neue Werkzeuge für meinen
„Eine natürliche, vorhersehbare, behandelbare und verhinderbare
                                                                                                                          Ehrenamts- und Lebenskoffer
unerwünschte Folge der Arbeit mit leidenden Menschen“ (Figley 1995)
                                                                                                                          erhalten zu haben und trat
Erschöpft wie ich war, fragte ich mich: Leide ich etwa unter Mitgefühls-
                                        "                                                                                 wesentlich entspannter mei-
erschöpfung!?"
                                                                                                                          nen Heimweg an (natürlich
Schon als ich ankam, waren das erste, was mir ins Auge fiel, die Neu-
                                                                                                                          nicht, ohne nocheinmal zu
anpflanzungen vor dem Kloster,die fast alle im Begriff waren zu vertrock-      Spannendes Seminar: Neues Rüstzeug für
                                                                               die Ehrenamtlichen und ihren Lebenskoffer" schauen, wie es der Pflanze
nen. Mir blutete das Herz. Da entdeckte ich eine Pflanze, die nur noch                                     "
                                                                               im Kloster Damme.                          geht!)
einen ganz kleinen grünen Trieb hatte. Ich nahm mir vor, für die Dauer
                                                                              Danke an Leo Morgentau für das spannende Seminar, an all die wun-
des Seminars mich um zumindest diese eine Pflanze zu kümmern, die
                                                                              dervollen Frauen, für das tolle Wochenende mit Euch und last but not
doch so sehr ums Überleben kämpfte.
                                                                              least! - großen Dank an SPES VIVA, dass Ihr uns das ermöglicht habt!
Gesagt, getan. Ich lief viele Male am Tag mit einer Wasserflasche zu der
Pflanze um sie zu gießen. Ich habe mich also wiedermal, wie für das
Wochenende vorgenommen, nicht nur um mich gekümmert! Kommen
wir Helfer aus unserer Haut nicht raus? Ich für mich kann ganz klar                  Wem es am Morgen nicht gelang,
sagen: Nein! - und das ist auch gut so!"
        “
Also heißt es aufgepasst, dass es nicht zu Mitgefühlserschöpfung
                                                                                    dem gelingt es auch am Abend nicht;
kommt.                                                                              wem es aber am Abend nicht gelang,
Es ist so wichtig immer wieder zu gucken bzw. zu fühlen, wie ist mein                       dem gelingt es nie.
 Lebensfilter" gerade eingestellt. Lasse ich zu, dass zuviel hängen bleibt?
"
Oder geht zuviel zu schnell durch?                                                                        Tatarisches Sprichwort
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