Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV

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Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Georg-Wündisch-Haus
Ausgabe 38 • November 2020

                              November 2020 | Facetten 38   1
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
ASB Regionalve
              Kassel-No rd he
                               rband
                              ss en                                                      KOMFORT FÜR SIE:
                                      lichkeiten,
                                                                                          elektrische Antriebe für Türen,
                 g ib t v ie le M ö g
              Es
                                    tag gestalten –
                                                                                           Garagentore und Einfahrten
              wie Sie Ihren All
                                      Sie dabei!
              wir unterstützen                                                           SICHERHEIT FÜR SIE:
                                                                                         Rauchwarnmelder für Wohnung
                                                            Hausnotruf
                                                            Sich Zuhause sicher fühlen        und Industriebauten
                                                            Tagespflege
                                                            Den Tag gemeinsam

                                                                                         KOMPETENZ FÜR SIE:
                                                            verbringen
                                                            Menüservice
                                                            Gesunde Mahlzeit –
                                                            nach Hause geliefert                  Ihr Fachbetrieb:
                                                            Mehrgenerationenhaus
                                                            Begegnungsstätte
                                                            für Jung und Alt
                                                            Ambulanter Pflegedienst
                                                            Unterstützung im Alltag
lopri.com

                                h unter
            Informieren Sie sic
                              essen.de
            www.asb-nordh
                               s an und
             oder rufen Sie un                                                             Miramstraße 74 (im Hagen-Park)
                               en:
             lassen sich berat
                            0
            Tel. 0561-72800
                                                                                                     34123 Kassel
                                          Wir helfen
                                          hier und jetzt.                                 Fon (05 61) 57 02 70 Fax 57 99 525
                                                                                                www.schuetz-kassel.de
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Gastbeitrag

Vielfältige Übergänge
Gastbeitrag von Jörg Heyer
Eines der Worte, mit denen Werkstätten            lung. Nicht der Übergang
immer wieder konfrontiert werden, lautet          um des Übergangs willen.
Übergänge. Und wenn es Verwendung findet,           Natürlich kann man
dann ist es meistens als Vorwurf gemeint. Es      bei allem, was man tut,
gäbe zu wenige Übergänge aus Werkstätten.         immer noch besser wer­
Man würde nicht genug tun, um mehr Über­          den. Deswegen dürfen
gänge zu bekommen ...                             wir nicht aufhören, nach
  KollegInnen aus dem Werkstattbereich ken­       neuen Wegen und Mög­
nen vermutlich diese Argumentation. Und           lichkeiten zur erfolgrei­
reflexartig fühlt man sich angegriffen, man       chen Teilhabe zu suchen.
hat das Gefühl, in die Ecke gestellt worden zu    Das Netzwerk, auf das
sein. Dabei ist das Thema Übergänge ein all­      wir dabei zurückgreifen,
täglicher und – wie ich finde – ein erfolgrei­    ist regional sehr vielfäl­
cher und essenzieller Teil der Werkstattarbeit.   tig. Aber es gibt sicherlich
  Denn wir begleiten und gestalten jeden Tag      noch weitere Kooperationsmöglichkeiten,
eine Vielzahl von Übergängen. Zum Beispiel        die entsprechende Türen öffnen und weitere
von der Schule in den Berufsbildungsbereich,      Chancen zum Übergang bieten können. In
vom Berufsbildungsbereich in den Arbeits­         möglichst jede Richtung.
bereich, vom Arbeitsbereich in betriebsinte­          Jörg Heyer (Geschäftsstellenleiter Landes-
grierte Beschäftigungsplätze oder auf ausgela­         arbeitsgemeinschaft der Werkstätten für
gerte Arbeitsplätze. Aber auch Übergänge von              behinderte Menschen in Hessen e. V.)
einem Tätigkeitsfeld in ein anderes, von der
Tagesförderstätte in die Werkstatt oder von der                             Intro
Werkstatt in die Rente. Und natürlich gibt es
auch immer wieder die Übergänge in ein sozial­     Liebe Leserinnen und Leser,
versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.        aufgrund der Corona-Pandemie wurde die 38. Ausgabe
  Übergänge gehören also zu unserem täg­           der facetten verschoben, nun halten Sie sie in den Händen.
                                                   Leider ist ein Resümee zur Pandemie nicht möglich, weil
lichen Geschäft, so wie sie auch in vorbild­
                                                   sie noch längst nicht überwunden ist. Wir haben uns ent­
licher Weise bei unseren Mitgliedern wie der
                                                   schlossen, diese Ausgabe nicht zu einer ,Corona-Facette‘
Sozialgruppe Kassel seit Jahrzehnten passend
                                                   zu gestalten, sondern in unserer Themenreihe fortzu­
gestaltet und begleitet werden. In Werkstätten
                                                   fahren: Um Übergänge geht es in vielen der Beiträge.
geht es um Bildung und Persönlichkeitsent­
                                                   Übergänge sind immer auch Veränderung. Und Verän­
wicklung. Und wo diese erfolgreich stattfin­
                                                   derungen sind vielfältig. Auf manche freut man sich,
den, gibt es Entwicklungen, Veränderungen
                                                   vor anderen ist man in Sorge: Erfülle ich die Anforde­
und damit auch Übergänge von der einen
                                                   rungen, habe ich eigene Gestaltungsmöglichkeiten,
Arbeits- oder Lebenssituation in eine andere.
                                                   welchen Nutzen habe ich, welchen haben weitere Betei­
  Ein wichtiger Aspekt von Übergängen
                                                   ligte? Auf jeden Fall sind Übergänge Chancen, und von
sollte immer sein: Was ist der Wunsch des
                                                   diesen berichtet diese Ausgabe der Facetten.
einzelnen Menschen mit Behinderung? Wo
                                                   Insofern ist das Beobachten der erfolgreichen und sinn­
will er hin und warum? Nur wenn man die
                                                   vollen Übergänge von Menschen mit Assistenzbedarfen
Motivation und die notwendigen Vorausset­
                                                   immer gleich der Herausforderung, die eigenen Über­
zungen für einen Übergang kennt, kann die­
                                                   gänge als Chance zu Veränderungen zu sehen und sie
ser erfolgreich gestaltet und begleitet werden.
                                                   mit Spannung zu begleiten.
  Und genau das sollte der Maßstab sein: Ob
                                                   Freuen Sie sich auf das Lesen dieser facetten zum Thema
es für das Individuum sinnvoll ist, quasi der
                                                   Übergänge. Gerald Reißmann (Vorsitzender des Vorstands)
nächste logische Schritt in seiner Entwick­

                                                                                   November 2020 | Facetten 38   3
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

Wie es war …
… als keine Werkstatt war
Jasmin
Vogel, Marcel
Gerland und
Pascal Ploch
sind froh, ihre
KollegInnen
wieder sehen
zu dürfen,
wenn auch
,nur‘ hinter
der Maske.

                  Für die MitarbeiterInnen der Kasseler Werkstatt     Wie läuft das ab, wenn ich wieder arbeiten
                  stellte die Corona-Zeit, insbesondere der Lock-     gehe? Muss ich dann eine Maske tragen und
                  down eine große Herausforderung dar. Markus         wo kriege ich die her? Was muss ich beach­
                  Grote hat drei von ihnen befragt, wie es ihnen      ten? Wir haben eine WhatsApp-Gruppe. Da
                  seit März ergangen ist. Hier erzählen Jasmin        haben wir Infos ausgetauscht. Das hat bei
                  Vogel, Pascal Ploch und Marcel Gerland, alle drei   der Vorbereitung geholfen.
                  MitarbeiterInnen im Arbeitsbereich 1 am Stand-      Jasmin Vogel: Das war ein Kuddelmud­
                  ort Mündener Straße.                                del. Erst sollten wir noch nicht arbeiten und
                                                                      dann doch wieder. Wegen meines langen
                  Marcel Gerland: Es war langweilig, weil ich         Heilungsprozesses nach meiner Operation
                  keine Leute sehen konnte.                           war es noch schlimmer, so lange nicht arbei­
                  Jasmin Vogel: Da ich in der Zeit auch noch          ten zu können.
                  eine Operation hatte, war ich länger zuhause        Pascal Ploch: Es kamen immer wieder
                  als die Anderen. Das war ein schlechtes             Änderungen. Zuhause bleiben und arbeiten
                  Gefühl, so lange zuhause bleiben zu müs­            im Wechsel. Dann war wieder für alle offen.
                  sen. Ich habe mich auch gefragt, warum wir          Jasmin Vogel: Ich habe nicht verstanden,
                  zuhause bleiben mussten und das Personal            warum die Bewohner im Wohnheim zuhause
                  der Kasseler Werkstatt arbeiten durfte.             bleiben durften und andere nicht. Es war
                  Pascal Ploch: Zuhause sein war gut und              sehr schwierig, mit dem Bus an die Arbeit zu
                  schlecht. Gut, weil ich mehr frei hatte, und        kommen, weil nicht viele mitfahren durften.
                  schlecht, weil ich meine Freunde nicht sehen        Einmal bin ich deshalb mit dem Fahrrad in
                  konnte. Ich habe mir viele Fragen gestellt.         die Werkstatt gefahren, aber das schaffe ich

4   Facetten 38 | November 2020
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

nicht jeden Tag. Auf jeden Fall sind wir alle    waschen sich nicht richtig die Hände. Das ist
froh, dass wir unsere Arbeit behalten haben      nicht schön.
und unser Geld weiter bekommen. Das ist
nicht bei allen so.                              Fazit: Alle sind froh, dass sie wieder arbeiten
Marcel Gerland: Ich bin Risikopatient, weil      und ihre KollegInnen sehen können. Gleich­
ich Asthma habe. Darüber denke ich viel          zeitig machen sie sich auch Sorgen, weil die
nach, weil ich nicht weiß, wie sicher ich mich   Situation wieder schlechter werden könnte.
fühlen kann.
Pascal Ploch: Manche halten sich nicht                         Interview und Aufzeichnung:
an die Regeln und tragen keine Maske oder                Markus Grote (Fachleitung Bildung)

Mit Freundlichkeit und Disziplin
Ankommen in der Werkstatt
Montag, 5. Oktober 2020, 7.15 bis 8.00 Uhr.      und sehr disziplinierte Menschen. Svenja
Haupteingang Kasseler Werkstatt 2, Werner-       Vanessa Leno erfasste alle Ankommenden in
Heisenberg-Straße 18. An meinem Schreib­         den Tageslisten für die Rückfahrt der Fahr­
tisch im Haus am Holzmarkt kann ich das          dienste. Sie kannte alle und musste also nie­
nicht erleben, und ich werde auch nicht so       manden nach dem Namen fragen.
angelächelt und von so vielen Menschen so          Ganz herzlichen Dank für diesen Wochen­
freundlich begrüßt – obwohl es ja ‚Montag­       beginn. Und im Übrigen: Dass jemand
morgen‘ ist.                                     lächelt, kann man auch durch eine Maske
  Ich wollte mir ein Bild machen vom             sehen – probieren Sie es aus.
Ankommen der MitarbeiterInnen in der                                        Gerald Reißmann
Kasseler Werkstatt. Das habe ich gemacht                         (Vorsitzender des Vorstands)
am 5. Oktober 2020. Hier ein Lob an das
Empfangsteam, an diesem Tag bestehend
aus Svenja Vanessa Leno und Guido Quast.
Guido Quast hat jede Mitarbeiterin und
jeden Mitarbeiter freundlich begrüßt und
die Temperatur gemessen. Alle waren unauf­
fällig. Das ist keine ärztliche Untersuchung,
aber das Feststellen eines der ersten Indi­
zien auf eine Corona-Infektion: eine erhöhte
Temperatur. Alle trugen ihren Mund-Nasen-
Schutz korrekt, und nur ganz selten bat
Guido Quast um Abstand. Eine persönliche
Belehrung bei jedem Betreten der Werkstatt

                                                                                  November 2020 | Facetten 38   5
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Kasseler Werkstatt

Projekt Telefonzelle
Wie ein besonderer Rückzugsort entstand

                 Das Team, das die Telefonzelle gestaltet hat, v. l. n. r.: Malena Kern, Heiko Fischer, Johanna Siebert, Samira
                 Kreutz, Katrin Trzemzalski, Björn Nils Fasse, Tobias Ferber, Sascha Koenen, Erkan Kansiray, Markus Grote
                 und Clara Imgart. Mitgewirkt haben außerdem Elias Gebhard, Ferdinand Annesley, Waldemar Weigelmann,
                 ­Niclas Mommsen und Alan Ibrahim Salih.

                Mit den Worten „Ihr seid doch immer so                   gegebenen Hygienevorschriften das Projekt
                krea­tiv“ startete das Projekt, das Andreas              realisieren. Bei schönstem Wetter kam der
                Schuller (Fachkraft für berufliche Integra­              alte Lack herunter, was viel Zeit und Schweiß
                tion in der KSW) mit den GruppenleiterInnen              kostete. Aufgeben aber war keine Option. Es
                und MitarbeiterInnen der Kasseler Werkstatt              folgte der Außenanstrich in Grün und der
                umsetzen wollte. Noch waren durch Corona                 Innenanstrich in Beige. Das Logo der Sozial­
                keine MitarbeiterInnen im Haus, und so                   gruppe durfte auch nicht fehlen.
                konnten wir GruppenleiterInnen Ideen sam­                  Nach und nach nahm die Telefonzelle
                meln, wie wir die alte Telecom-Telefonzelle              immer mehr Gestalt an. Für die gemütliche
                umgestalten könnten. Eins war sofort klar:               Atmosphäre klebten wir Holzbretter an die
                Sie sollte bunt werden. Und an Ideen man­                Wand, verkleideten den Boden mit Kunst­
                gelte es auch nicht: Vom Aquarium bis zur                gras und montierten Blumenkästen an die
                Dschungelzelle war alles dabei. „Another                 Außenwand. Der Hängesessel machte den
                World – in eine andere Welt eintauchen“ war              Innenbereich perfekt. Zum Schluss wurde
                eine Zeitlang der Favorit. Geeinigt haben                der Telefonzelle die Krone aufgesetzt.
                wir uns schließlich auf eine „Ruhe-Entspan­                Das gesamte Projekt hat uns allen Spaß
                nungszelle“ – raus aus dem Alltag und rein               bereitet und war eine tolle gemeinschaftliche
                in einen Rückzugsort.                                    Erfahrung.
                  Als im Juni die ersten MitarbeiterInnen                              Malena Kern und Tobias Ferber
                wiederkamen, konnten wir unter den vor­                  (GruppenleiterInnen in der Tagesförderstätte)

6   Facetten 38 | November 2020
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

Reise in die Tiefe
Gruppenausflug ins Erlebnisbergwerk Merkers
Sehr früh ging es los an diesem Tag im           ging es zur großen Goldkammer, hier waren
September 2019, vom Platz der Deutschen          im Zweiten Weltkrieg riesige Gold- und Gel­
Einheit zum Erlebnisbergwerk Merkers             dreserven gelagert. Schließlich wurde uns
in Thüringen östlich von Bad Hersfeld.           in der Sprenghöhle akustisch und optisch
13 Menschen aus dem Arbeitsbereich 2 woll­       demonstriert, wie untertage gesprengt wird.
ten erkunden, wie es sich anfühlt, untertage       Das nächste Ziel war die Kristallhöhle,
zu sein, und etwas über Salz lernen. Am Ein­     die über 800 Meter unter der Erde liegt, was
gang bekam jede Person ein Band mit einem        man deutlich an den Temperaturen merkte,
Metallchip, und dann ging es zwei Stock­         es war viel wärmer als in den oberen Gän­
werke nach oben. Dort zeigte uns zunächst        gen, und die Luft war stickiger. Wir betra­
ein Film, wie vor vielen Millionen Jahren das    ten einen dunklen Raum, sahen erst einmal
Salz sich ablagerte, welches heute untertage     nichts, bis das Licht eingeschaltet wurde,
abgebaut wird. Nun waren alle sehr aufge­        dann waren wir überwältigt von den Licht­
regt, und mit Helmen und speziellen Jacken       spiele in den Salzkristallen, einfach nur
ging es nach unten, mit einer Geschwindig­       schön! Zum guten Schluss ging die Fahrt ins
keit von 8 Metern in der Sekunde, was sich       Museum, dort waren historisches Werkzeug
sehr schnell anfühlte.                           und Fahrzeuge ausgestellt, welche aus der
  Nach ein paar erklärenden Worten zum           DRR-Zeit stammten. Von da aus brachten
Beispiel zu Solen wurde es abenteuerlich,        uns die Aufzüge in kurzer Zeit wieder an die
wir nahmen Platz auf einem kleinen Lkw.          Oberfläche. Mit Hilfe der Metallchips konnte
Dadurch, dass die Decken sehr niedrig und        festgestellt werden, dass niemand untertage
die Gänge sehr eng waren, dachten wir, wir       verloren gegangen war.
würden mit Tempo 60 oder 70 fahren, was            Auf der Heimfahrt machten wir noch einen
hoffentlich nicht der Fall war! Zuerst hielten   kleinen Bummel durch die Altstadt von Bad
wir in einer Art unterirdischer Konzerthalle     Hersfeld. Nach einem schönen und erlebnis­
mit wahnsinniger Akustik, dort wurden wir        reichen Tag ging es wieder nach Hause.
mit einer faszinierenden Laser-Show mit der                                     Maik Siebert
Musik aus Fluch der Karibik überrascht. Weiter                    (Gruppenfachkraft im AB 2)         Hinten von
                                                                                                       links: Kai
                                                                                                Weber, Florian
                                                                                                Lorenz, Sascha
                                                                                                       Fleischer,
                                                                                                      Gruppen-
                                                                                                       fachkraft
                                                                                                  Maik Siebert,
                                                                                                   Gruppenlei-
                                                                                                   tung Harald
                                                                                                     Heitmann;
                                                                                                Mitte: Jennifer
                                                                                                     Vonachen,
                                                                                                  Stefan Hum-
                                                                                                      burg, Anja
                                                                                                     Burghardt,
                                                                                                  Dimitri Nuss,
                                                                                                Stefan Schaub,
                                                                                                    Heiko Vogt;
                                                                                                   vorne: Janty
                                                                                                 Janakat, Mat-
                                                                                                    thias Keller.

                                                                                November 2020 | Facetten 38    7
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

                 Menschen ohne Namen
                 Ein Besuch in der Gedenkstätte Dora-Mittelbau

                 von links nach rechts: Robert Werdenigg (Gruppenleiter GaLa Bau), Dieter Schake (Gruppenleiter AB 1),
                 ­Volker Riehm (vorne sitzend, MA im AB 2), Michael Löffler (Leiter Haustechnik), Lisa Ramb (Sozialer Dienst),
                  Stefan George (MA im AB 1), Karsten Schubert (MA im AB 1), Stefan Klotz (MA Haustechnik), Edgard Herle
                  (MA Haustechnik), Max Appel (MA im AB 1), Marco Kohse (MA Haustechnik), Dirk Bielefeld (MA GaLa Bau) und
                  Mike Alband-Nau (Einrichtungsleiter).

                Mir hat dort etwas gefehlt. Es war alles so                        schen nicht mit Namen angesprochen. Sie
                leer. Ein sehr großes Gelände mit nur noch                         hatten nur noch Nummern. In tiefen Stollen
                wenig Gebäuden. Deshalb konnte ich mir nur                         unter der Erde mussten sie als Zwangsarbei­
                schwer vorstellen, wie es dort früher ausgese­                     ter arbeiten. Dort wurden Teile der V2-Rakete
                hen hat. Es gab auf dem Boden ein Modell                           hergestellt. Man kann sich noch einzelne
                auf einer Tafel. Das hat etwas geholfen.                           Kammern unter der Erde anschauen. Weiter
                  Die Menschen mussten in sehr engen Räu­                          unten stehen heute Kammern unter Wasser.
                men auf Stockbetten liegen. Es war dort                            Es war dunkel.
                nicht sauber. Die Menschen mussten im                                Das erste Mal wurde mir richtig erklärt,
                Dreck leben. Sie haben nur Lumpen getra­                           was Juden sind. So viele mussten sich zu
                gen und hatten nicht mal Socken. Beim                              Tode arbeiten oder wurden umgebracht und
                Appell auf dem Lagerplatz wurden die Men­                          verbrannt. Wir haben uns eine Stelle ange­

                  Im ehemaligen Konzentrationslager                                MitarbeiterInnen aus verschiedenen Bereichen der Sozial-
                  Am Ort der Gedenkstätte nördlich von Nordhausen in Thürin-       gruppe Kassel nahmen an der Exkursion im Oktober 2019 teil,
                  gen befand sich 18 Monate lang bis zur Befreiung durch die       in Begleitung von vertrauten Gruppenfachkräften. Vor Ort war
                  US-Armee im April 1945 das nationalsozialistische Konzentrati-   an der Stimmung aller Teilnehmenden klar abzulesen, dass
                  onslager Mittelbau-Dora. Die internierten Häftlinge waren im     selbst heute noch die schrecklichen Taten von damals nachwir-
                  Aufbau und Betrieb der unterirdischen Rüstungsfabrik Mit-        ken. Am Ende der Führung gab es noch Gelegenheit, über die
                  telwerk GmbH eingesetzt. Produziert wurden hier die Vergel-      gesammelten Eindrücke zu sprechen, was von den Mitarbei-
                  tungswaffe 2 (V2) und die Flugbombe Vergeltungswaffe 1 (V1).     terInnen ausführlich in Anspruch genommen wurde. Stattge-
                  60.000 Häftlinge aus 48 Nationen wurden in Dora zur Zwangs-      funden hat diese Exkursion zur Prävention vor rechtsradikalem
                  arbeit gezwungen, 20.000 von ihnen starben aufgrund der          Gedankengut, diesen Zweck hat sie definitiv erfüllt.
                  Lebens- und Arbeitsbedingungen.                                                      Robert Werdenigg (Gruppenleiter GaLa Bau)

8   Facetten 38 | November 2020
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

schaut, wo damals viele Tote einfach in Mas­       Nach dem Besuch habe ich mir Filme zu dem
sengräbern vergraben wurden. Niemand              Thema auf youtube angeschaut. Zum Beispiel
weiß genau, wer da unter dem Gras liegt. Es ist   über das Konzentrationslager Auschwitz.
ein komisches Gefühl zu wissen, dass direkt             Ein Mitarbeiter der Kasseler Werkstatt
vor uns viele Menschen unter der Erde lagen.                        (Protokoll: Markus Grote)

Neue Wege
Interaktiv auf den Wunsch-Berufsweg
Wie finden junge Menschen mit Handicap            triert und mit einem geminderten Selbstwert
heute ihren Weg in das Berufsleben? Das           sprechen sie dann doch wieder bei uns vor.
Bundesteilhabegesetz hat jedenfalls mehr          In diesem Moment beginnt ein Prozess, von
Wahlmöglichkeiten eröffnet. Eine Auswir­          dem viele überrascht sind.
kung, die sich in der Kasseler Werkstatt             Ich kann dann erklären, dass die Werk­
(KSW) bemerkbar macht, ist, dass weniger          statt keine Sackgasse ist, aus der niemand
Menschen ,automatisch‘ den Weg in den             mehr herauskommt. Im Gegenteil: Meine
Berufsbildungsbereich finden, als das noch        GesprächspartnerInnen sind sehr hoffnungs­
vor 2018 der Fall war.                            voll, wenn sie hören, welche Möglichkeiten
  Wenn ich mit SchülerInnen und ihren             die KSW bietet und wie viele Personen bereits
Angehörigen ins Gespräch komme, sind ver­         ihren ganz persönlichen Wunsch-Berufsweg
schiedene Aussagen zu hören. Wer bisher           gefunden haben. Ich kann auf viele Beispiele
schon inklusiv eine Regelschule besucht hat,      innerhalb und außerhalb unserer Häuser
lehnt den Übergang in eine Werkstatt meist        verweisen. Dadurch werden die Chancen für
ab, weil diese als Rückschritt in eine exklu­     alle ganz praktisch vorstellbar (siehe hierzu
sive Sonderform empfunden wird.                   auch Texte auf den Seiten 10–12).
  Die Leistungsträger wie z. B. die Agentur          Die Wege sind lebendige und i­nteraktive
für Arbeit bieten für die erste Phase nach        Prozesse, denen kein starres Konzept zu­-
der Schulzeit zunächst eine Reihe von Maß­        grunde liegt. Die größte Herausforderung für
nahmen an, um die Arbeitsmarktfähigkeit           die Verantwortlichen aus den Werkstätten
festzustellen und den SchülerInnen mit Han­       ist, diese Botschaft in der Gesellschaft zu ver­
dicap zu zeigen, welche Möglichkeiten sie         ankern und diesen Prozess als ein Grundqua­
haben. Das empfinde ich selbst als gut und        litätsmerkmal der Arbeit der Werkstätten
richtig, weil dieser Personenkreis dadurch        weiter zu gestalten und zu verbreiten. Wir
aufgewertet und seine Würde verbessert            dürfen stolz und demütig zugleich sein. Stolz,
wird. Das Problem bei Maßnahmen ist               weil wir uns verändern und nicht in alten
aber, dass diese nach spätestens zwei Jahren      Strukturen verharren. Und demütig, weil
enden. Bei den zumeist jungen Menschen            wir diese Arbeit als einen Dienst verstehen
stellt sich dann eine Enttäuschung ein, wenn      dürfen. Einen Dienst an Menschen, die uns
sie nach dieser langen Phase der Testungen        anvertraut sind.
und des Ausprobierens keinen Zugang zum                                            Markus Grote
allgemeinen Arbeitsmarkt bekommen. Frus­                                   (Fachleitung Bildung)

                                                                                    November 2020 | Facetten 38   9
Ausgabe 38 November 2020 - Sozialgruppe Kassel eV
Kasseler Werkstatt

                  Der erste Schritt ist getan
                  Mehr Teilhabe für Tagesförderstätten-MitarbeiterInnen
Linda Kummert                                                       Das Projekt startete Ende Dezember 2019
(Mitarbeiterin                                                    im Lager, denn dort gab es derzeit einen
der TaFö) zeigt                                                   Auftrag, für dessen Bewältigung die Grup­
ihren Bildungs-
ordner.                                                           penfachkräfte um Hilfe gebeten hatten.
                                                                  Langfristig sollen Aufträge in allen Arbeits­
                                                                  bereichen mitverrichtet werden. Es wird je
                                                                  nach Besetzung, Auftragslage und -anfor­
                                                                  derungen entschieden, an welche Gruppe
                                                                  man andockt. Zentral ist immer, Teilhabe
                                                                  und Interaktion auch außerhalb der eigenen
                                                                  Gruppe zu ermöglichen.
                                                                    Neben der Arbeit wird auch eine Bildungs­
                                                                  einheit angeboten, während der diejenigen
                                                                  mit höherer kognitiver Leistung ihr Wissen in
                                                                  vielen Bereichen erweitern. Es wird z. B. über
                                                                  Brandschutz und Erste Hilfe gesprochen,
                                                                  sodass die MitarbeiterInnen einen anderen
                                                                  Blick auf die vielen Hilfsmittel bekommen,
                                                                  denen sie jeden Tag begegnen (Feuerlöscher,
                                                                  Erste Hilfe-Koffer etc.), zu denen sie aber bis­
                                                                  her keinen Bezug herstellen konnten. Und
                                                                  auch über die Ernährung und Hobbys wird
                                                                  gesprochen. Den MitarbeiterInnen werden
                                                                  die Themen nahegebracht, mit denen sie
                  Damit ein Mensch sich weiterentwickeln
                                                                  jeden Tag konfrontiert sind, um besser auf
                  kann, muss er sich neuen Reizen ausset­
                                                                  bestimmte Situationen vorbereitet zu sein
                  zen, ihm müssen neue Anhaltspunkte und
                                                                  und Entscheidungen bewusster treffen zu
                  Möglichkeiten geboten werden, sich zu           können. Weiter wird angestrebt, sich selbst­
                  entfalten. Die Werkstätten für Menschen         ständiger und selbstbewusster außerhalb der
                  mit Behinderung haben sich auf den Weg          Werkstatt im Sozialraum zu bewegen. Einige
                  gemacht und überlegt, welche Optionen           MitarbeiterInnen werden zu Außenarbeits­
                  existieren. Dabei entstand auch eine Idee       plätzen begleitet, wo sie mitarbeiten kön­
                  für die Schnittstelle zwischen dem Arbeits­     nen und so in den Alltag des allgemeinen
                  bereich (AB) und der Tagesförderstätte          Arbeitsmarkts integriert werden.
                  (TaFö): MitarbeiterInnen aus der TaFö, die        Jede Veränderung kann auch Ängste und
                  oft schwerst beeinträchtigt sind, wird es       Unsicherheiten hervorrufen. Ein wichtiger
                  mit Unterstützung einer Gruppenfachkraft        Grundstein für das Gehen neuer Wege ist
                  (GFK) ermöglicht, am Arbeitsleben teilzu­       Kommunikation. Diese soll sowohl zwischen
                  haben. In der Kasseler Werkstatt (KSW) fiel     den Gruppenleitungen aus AB und TaFö als
                  diese Idee auf fruchtbaren Boden.               auch mit den MitarbeiterInnen stattfinden,
                    Die MitarbeiterInnen beider Bereiche          um Missverständnisse aus der Welt zu schaf­
                  begegneten sich bereits in den Fluren der       fen sowie Unsicherheiten entgegenzuwirken,
                  Werkstatt, arbeiteten aber nicht miteinander.   beim Umgang mit der neuen und unge­
                  Nun sollten MitarbeiterInnen der TaFö den       wohnten Situation.
                  Alltag und die anfallenden Arbeiten in den        Das Projekt wird deshalb von einer ausge­
                  Arbeitsbereichen kennen lernen können.          bildeten Gruppenfachkraft begleitet, damit

10   Facetten 38 | November 2020
Kasseler Werkstatt

an den Übergängen alle Beteiligten auch          und unterhielten uns mit den MitarbeiterIn­
eine Ansprechpartnerin haben. Trotz einiger      nen aus der TaFö und erfragten auch, wie es
anfänglicher Schwierigkeiten äußern sich         ihnen bei uns gefällt.
sowohl die MitarbeiterInnen als auch die           Es gab überhaupt keinen Stress durch die
Gruppenfachkräfte positiv zu dem anlaufen­       BesucherInnen. Eine gelungene Aktion, die
den Projekt.                                     Zukunft hat. Bei uns sind die MitarbeiterIn­
  Rose von der Au sagte einmal: „Jeder Weg       nen aus der TaFö auf jeden Fall gern wieder
beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.      willkommen.
Er ist manchmal der schwerste, aber auch                        Dieter Schake und Silke Suck
zugleich der leichteste, denn keiner weiß, was                             (Gruppenleitung)
der Weg an Hindernissen bringt und wo er
endet.“ Der erste Schritt wurde getan, und
auch wenn manche dem Projekt nach wie
vor mit Skepsis begegnen, ist es am Ende
eine Bereicherung für alle und ein Weg, der
gegangen werden sollte.
                                                   Herzlichen Glückwunsch
      Katarzyna Kroczek (Gruppenfachkraft)         zum 50. Geburtstag
                                                   Holger Landgrebe, 3. 1.
                                                   Markus Bohnes, 6. 1.
         Besuch zur Probe                          Klaus Woiczis, 4. 3.
Nach den üblichen anfänglichen Beden­              Thorsten Weinert, 6. 7.
ken, was uns nun wieder aufgehalst werden          Ewgenia Klimowa, 14. 7.
sollte – noch mehr Leute in die schon jetzt        Kai-Uwe Vo gel, 3. 8.
so vollen Gruppen –, kam der Tag, an dem           Stephan Haschke, 30. 11.
Kollegin Katarzyna Kroczek ihren Besuch
mit einigen MitarbeiterInnen aus der TaFö in       zum 60. Geburtstag
unserer Gruppe ankündigte.                         Angelika Kepper , 23. 2.
  Wir einigten uns mit ihr darauf, dass sie        Wolfgang Mauer, 30. 3.
                                                   Hueseyin Bas, 20. 5.
mit ihren Leuten mitten ins Geschehen kom­
                                                   Jürgen Findeis, 4. 6.
men und auch mit reichlich Arbeit versorgt
                                                   Walter Scharf, 19. 9.
werden sollte. Unsere Gruppenmitarbeite­
                                                   Hans-Hermann Pahl, 23. 10.
rInnen wurden informiert, dass ein neues
Projekt in der Werkstatt ausprobiert wird. Es      zu 25 Jahren Werkstattzugehörigkeit
gab nur positive Reaktionen. Als sie dann an       Maxim Smolowski , 3. 4.
einem Mittwochmorgen im Februar 2020 in            Raphael Hagemann , 1. 9.
unserer Gruppe ankamen, setzten sie sich           Beate Mathusek , 1. 9.
ohne Umschweife an ihre bereits eingerichte­       Volker Rudolf , 1. 9.
ten Arbeitsplätze und fingen an, ihrer Arbeit      Sebastian Schellscheidt , 1. 9.
nachzugehen. Da wir zu der Zeit einen gro­         Melanie Kellner , 1. 10.
ßen Auftrag der Firma zu bewältigen hatten,
konnten wir die tatkräftige Unterstützung          zu 40 Jahren Werkstattzugehörigkeit
gut gebrauchen. Sie fügten sich unauffällig        Burghard Henkel, 1. 8.
ins Gruppengeschehen ein. Bei Fragen kam           Andreas Gajewski, 1. 9.
Kollegin Kroczek auf die Gruppenfachkräfte         Stefan Humburg, 1. 9.
zu. Zwischendurch und in den Pausen lie­           Uwe Cykursky, 1. 10.
ßen wir uns ihre Bildungsordner erklären

                                                                                 November 2020 | Facetten 38   11
Kasseler Werkstatt

Vom Gartenbau zum Tiefbau
Erfolgreiche Integration ins neue Arbeitsumfeld

                 Es ist ein kalter Februarmorgen, an dem         mit auf dem Lkw arbeiten will. Sascha hat
                 Sascha Dienst in der Baugrube steht und         sofort eingewilligt und ist seitdem als Bau­
                 Sand schaufelt. Eine Leckage an der Fern­       helfer tätig. Sein Aufgabengebiet umfasst
                 wärmeleitung muss gefunden werden, der          unter anderem die Durchführung von Erd-
                 Sand dampft, und es besteht Verbrühungs­        und Oberflächenarbeiten und das Zuarbei­
                 gefahr. Der 31-Jährige arbeitet seit 2017 bei   ten im Zuge der Bauausführung. Einzig das
                 der Firma Konrad Emmeluth GmbH & Co KG          frühe Aufstehen macht ihm oft zu schaffen.
                 Baugesellschaft, einem mittelständischen        „Als Vater von drei Kindern ist die Nacht
                 Unternehmen mit den Kernkompetenzen im          immer zu kurz“, sagt er und lächelt.
                 Erd- und Straßenbau, Kanalbau, Rohrbau            Nach einigen Zwischenstationen ist er
                 und in der Renaturierung.                       beim Kolonnenführer Reinhard Widuckel
                   Sascha Dienst ist ein Mensch, der raus        angekommen. Und dieser ist ein sehr ver­
                 muss zum Arbeiten. Bevor er die Chance          ständnisvoller und vor allem sehr mensch­
                 bekommen hat, bei der Firma Emmeluth im         licher Vorgesetzter. Sollte es einmal haken
                 Rahmen eines betriebsintegrierten Beschäfti­    und Sascha Dienst zu spät zur Arbeit kom­
                 gungsplatzes zu arbeiten, war er sechs Jahre    men, dann findet Widuckel klare Worte. „Es
                 im Gartenbau der Kasseler Werkstatt (KSW)       ist alles eine Frage der Kommunikation. Ich
                 tätig gewesen. Sein Wunsch jedoch war, ein      sage ihm offen, was geht und was nicht.
                 Praktikum im Straßenbau zu absolvieren.         Aber ich schätze Sascha sehr. Vor allem, weil
                 Die Firma Emmeluth, die eng mit Andreas         er ohne eine Aufforderung arbeitet und das
                 Schuller, Fachkraft für berufliche Integra­     auch noch sehr engagiert. Sascha hat sich
                 tion in der KSW, zusammenarbeitet und das       wunderbar in das Team integriert – er passt
                 Konzept des betriebsintergrierten Beschäf­      einfach in unsere Kolonne.” Und das bestäti­
                 tigungsplatzes in ihrer Firmenphilosophie       gen alle Kollegen durch ein Kopfnicken.
                 integriert hat, hat dies ermöglicht.              Gegen nichts würde Sascha Dienst seine
                   Sascha Dienst hat zunächst ein vierwöchi­     Arbeit mehr tauschen wollen. „Ich bin so
                 ges Praktikum im Tiefbau absolviert. In die­    zufrieden mit allem, und die Arbeit macht
                 ser Zeit hat er bei seinen Kollegen einen so    sehr viel Spaß“, sagt er. Dann greift er zur
                 guten Eindruck hinterlassen, dass Kai Emme­     Schaufel und arbeitet konzentriert weiter.
                 luth angefragt hat, ob er als zweiter Mann                                    Martina Vaupel

12   Facetten 38 | November 2020
Arbeit + Mehrwert
 Die Werkstatt als Fulfillment-Dienstleister
Wir bilden ab, was Sie
von uns wünschen                    .
Fulfillment, das ist mehr als nur ein Arbeits-
schritt. Wir bieten Ihnen den kompletten
Herstellungs- und Fertigungsprozess –
von der Materialbeschaffung durch unseren
Einkauf über die Erstellung von Erstmustern
bis hin zur Serienfertigung und Lieferung
durch unseren eigenen Fuhrpark.

Gern erfragt unser Einkauf für Sie
vor Angebotserstellung die Materialpreise
bei unseren Lieferanten. Oder Sie haben
bereits Preise erfragt und geben uns
die Lieferanten vor – beides ist möglich.
Ebenso wie die Beistellung bzw. Abholung
von Rohmaterial bei Ihnen vor Ort oder
Direktanlieferung und Lagerung.
Wir bieten diese Dienst-
leistungen für Sie an                    .
Kommissionierung: In unseren Lagern
mit ca. 700 Stellplätzen in Hochregalen
sowie drei Paternostern kommissionieren
wir Ihre Aufträge.
Verpackung: Von der kleinen Schraube
bis zum komplexen Materialmix mit
mehreren hundert Teilen verpacken wir nach
Ihrem Bedarf.
Vernichtung von harten Daten­
trägern: Wir schreddern für Sie nach DIN.
USB-Sticks, Speicherkarten oder ganze Fest-
platten vernichten wir für Sie mit Nachweis.
Industriemontage: Ob im Elektro-,
Metall- oder Holzbereich – wir montieren
gern Ihre Produkte.
Metallbearbeitung: Mit unseren CNC-
Dreh- und Fräsbearbeitungszentren produ-
zieren wir von der Einzelteilfertigung bis zur
Serie. Auch konventionelle Tätigkeiten wie
Säge-, Gleitschleifen-, Bohr- oder Gewinde­
arbeiten übernehmen wir für Sie.
Kabelfertigung: Mit Komax-Vollautoma-
ten oder auch in präziser Handarbeit gehört
die Herstellung ganzer Kabelsätze ebenfalls
in unser Tätigkeitsfeld.
Gartenbau: Gemüse sowie Beet- und
Balkonpflanzen werden nach Bioland-Richt-
linien angebaut und im eigenen Hofladen
verkauft.
Weitere Informationen telefonisch unter
(05 61) 690 41-180
Wir bilden ab,
was Sie uns zutrauen                  .
   Schreiben Sie uns Ihre Anfrage per Mail:
arbeitsvorbereitung@sozialgruppe-kassel.de
      Oder kontaktieren Sie uns telefonisch
                      (05 61) 690 41-132
     Sie erhalten umgehend nach erfolgter
     Machbarkeits- und Kapazitätsprüfung
             eine Rückmeldung bzw. direkt
                      ein Angebot von uns.
               Wir freuen uns, wenn wir Sie
     als unseren Kunden gewinnen können.
                    Bitte beachten Sie auch
          die Möglichkeit einer Anrechnung
               von 50% der Arbeits­leistung
   auf eine zu leistende Ausgleichs­abgabe.

Von A wie Akten­vernichtung
     bis Z wie Zerspanung –
fragen Sie gern alles bei uns an.
Georg-Wündisch-Haus

Immer da!
Das Georg-Wündisch-Haus und die Pandemie
Nach einer einzigen Schließungswoche mit                                                           Die Körbchen
dem Shutdown ab dem 16. März hat die Kin­                                                         stehen bereit
dertagesstätte Georg-Wündisch-Haus durch­                                                           zum Vertei-
                                                                                                  len durch das
gehend geöffnet. Am Montag, den 23. März                                                                Fenster.
startete die Notbetreuung, zunächst vierein­
halb Stunden täglich mit drei Kindern. Von
Woche zu Woche kamen mehr Kinder hinzu,
und sukzessive wurde die Betreuungszeit
erweitert.
  Parallel zur Betreuung vor Ort nahmen die
ErzieherInnen jede Woche zu allen Familien
der jeweils zugehörigen Kindergruppe Kon­
takt auf, auch um gegebenenfalls bei Unter­
stützungsbedarf zu beraten; sie schickten        Für diese nicht selbstverständliche inten­
an alle Kinder wöchentlich kleine Malanre­     sive und vielseitige Fürsorge erfuhr und
gungen, mal auch Fotos von der KiTa oder       erfährt das Team große Wertschätzung.
Samenkörner zum Einpflanzen. Am Grün­            Seit dem 6. Juli ist die KiTa wieder ,normal‘
donnerstag durften alle Familien sich zeit­    geöffnet. Normal ist aber relativ in Pande­
versetzt aus dem Küchenfenster Osternes­       miezeiten. Glücklicherweise gab es in all den
ter reichen lassen. Und Einrichtungsleiter     Monaten keinen Fall von Covid-19 – auch
Dominic Jakob schrieb nahezu wöchentlich       weil alle Beteiligten verantwortungsbewusst
an alle Eltern Infobriefe. Und die Krönung     gehandelt und transparent kommuniziert
der Bemühungen um das Wohl der Kinder          haben. Nicht zuletzt wurde das Personal gut
und die Entlastung der Familien: Das Team      begleitet durch das Corona-Team der Sozial­
beschloss, auf die drei Wochen Sommer­         gruppe Kassel.
schließzeit zu verzichten!                                                        Kirsten Alers

                                                                                                    links: Jason
                                                                                                    Anim-Nägel
                                                                                                    gehört nor-
                                                                                                    malerweise
                                                                                                   zur Pinguin-
                                                                                                    gruppe und
                                                                                                   hat sich über
                                                                                                  den Ostergruß
                                                                                                   der KiTa sehr
                                                                                                        gefreut.

                                                                                                  rechts: Danke
                                                                                                   sagen Kinder
                                                                                                  und Eltern zur
                                                                                                    Osteraktion.

                                                                                November 2020 | Facetten 38   13
Georg-Wündisch-Haus

„Bald geh‘ ich in die Schule!“
Ein Lebensabschnitt geht zu Ende
Auf der Fulda-
brücke: Ausflug
der Vorschul-
kinder

                  „Bald geh‘ ich in die Schule“, diesen Satz hört   petenz – wichtig, die kindliche Freude am
                  man von den sechsjährigen Kindern häufig.         Lernen zu entwickeln und die emotionale
                  Sie sind stolz, die Kindertagesstätte (KiTa)      Stabilität zu festigen, auch als Basis für das,
                  bald zu verlassen und dann als Schulkind zu       was die Kinder nach der KiTa-Zeit erwartet.
                  den Großen zu gehören. Sie sind neugierig           Beim Übergang in die Schule müssen die
                  auf die Zukunft. Aber der Übergang von der        Kinder Abschied nehmen von Lebensge­
                  KiTa in die Schule ist auch herausfordernd.       wohnheiten des Kindergartens, von vertrau­
                                                                    ten ErzieherInnen, FreundInnen und Räum­
                  Der Bildungsauftrag einer KiTa                    lichkeiten. Sie wechseln von einer ,Spiel‘-Welt
                  In der Kindertagesstätte Georg-Wündisch-          in eine ,Lern‘-Welt. Während in der Spiel-
                  Haus ist die pädagogische Arbeit orientiert       Welt individuell und situativ entdeckendes
                  an den Lebensbedingungen der Kinder, und          Lernen möglich war, müssen sie sich in der
                  Lernen erfolgt situativ im täglichen Mitein­      Lern-Welt sowohl im inhaltlichen als auch
                  ander, im Spiel und allen Aktivitäten, die für    im methodischen Bereich an andere Lernfor­
                  Kinder von Bedeutung sind. Soziales Lernen        men und Lerninhalte gewöhnen.
                  hat Vorrang vor dem sachbezogenen Lernen.           Unabhängig von der Vielzahl an Fähig­
                  Die altersgemischte Gruppe ermöglicht viele       keiten und Fertigkeiten, die in der Kinder­
                  Erfahrungen hinsichtlich des sozialen Lernens.    gartenzeit an die Kinder vermittelt worden
                    Der Bildungsauftrag in der KiTa aber            sind, steht im letzten Kindergartenjahr die
                  besteht aus einer ganzheitlichen Förderung        Vorschularbeit im Vordergrund. Dazu tref­
                  der Handlungs-, Bildungs-, Leistungs- und         fen sich die Vorschulkinder aller Gruppen
                  Lernfähigkeit. Es ist – neben der Sozialkom­      in ihrem letzten Kindergartenjahr nach den

14 Facetten 38 | November 2020
Georg-Wündisch-Haus

Herbstferien einmal die Woche in der Schul­    wir in der Schulkindgruppe u. a. mit Wett­
kindgruppe.                                    spielen nach, die in die verschiedenen The­
  Vier Entwicklungsdimensionen stehen nun      men mit eingebunden werden.
verstärkt im Fokus: Spracherwerb, Körper-        Die Hand-Augen-Koordination wird im
und Handmotorik, kognitive Entwicklung         Alltag durch Malen, Kneten etc. gefördert. In
und die soziale und emotionale Kompetenz.      der Schulkindgruppe stehen die Buchstaben
                                               und damit verbunden der eigene Name im
Vier Entwicklungsdimensionen                   Mittelpunkt. Um die Hand-Augen-Koordi­
                                               nation zu fördern, können die Kinder ihren
Sprache ist vielfältig, Kinder drücken sich
nicht nur verbal aus. Kinder ,sprechen‘ mit    Namen mit entsprechendem Material kleben
dem Körper, mit Händen und Füßen, durch        und ihn natürlich auch schreiben.
ihre Bilder und Werke und durch ihr gan­         Die Feinmotorik der Hände und die kogni­
zes Tun. In der Schule wird die gesprochene    tive Entwicklung werden in weiteren Berei­
Sprache das wichtigste Medium schulischer      chen gefördert; z. B. wird geübt, selbständig
Aktivität. Diese fördern wir in der Schul­     Schleife zu binden oder Reißverschlüsse zu
kindgruppe durch die Animation zu eigenen      schließen. Haben die Kinder diese Kompeten­
Erzählungen, zum Wiederholen von gehör­        zen verinnerlicht und dürfen den jüngeren
ten Geschichten und zum Beschreiben von        Kindern dabei helfen, wächst ihr Selbstver­
Aktionen.                                      trauen und ihr Selbstbewusstsein. In dieser
  Alle Kinder wollen rennen, toben und sich    Phase des anstehenden Übergangs ist es für
körperlich ausleben. Dazu gehört auch, dass    die Kinder existenziell wichtig zu erleben,
sie sich untereinander messen, um festzu­      gebraucht, anerkannt und geliebt zu werden,
stellen, wer größer, stärker, schneller oder   um damit von diesem sicheren Boden aus
geschickter ist. Diesem Bedürfnis kommen       mit Forscherlust in die Welt zu gehen.

                                                                                                  Besuch der
                                                                                                     Paten­
                                                                                                  zahnärztin
                                                                                                Oetzel in der
                                                                                               Froschgruppe

                                                                              November 2020 | Facetten 38   15
Georg-Wündisch-Haus

                   Für die Entwicklung der sozialen und emoti­       Fazit
                 onalen Kompetenz muss das Bedürfnis nach            Schulkinder wollen gesehen werden und
                 Liebe und Geborgenheit befriedigt werden.           Dinge nach Möglichkeit alleine ausprobie­
                 Die Vorbildfunktion von ErzieherInnen und           ren. Wir durften in der zurückliegenden Zeit
                 Eltern ist dabei sehr wichtig. Im Vorschulal­       mit den diesjährigen Schulkindern schöne
                 ter stellen Kinder viele Fragen – auch unan­        und emotionale Erlebnisse teilen. So haben
                 genehme. Diese sollten offen und ehrlich            sie eigenständig einen Stuhlkreis geleitet, das
                 beantwortet werden. Nur so entwickeln sich          gemeinsame Mittagessen in einer Gruppe
                 emphatische Fähigkeiten. So lernen Kinder           selbst organisiert und eine Bastelaktion für
                 z. B., anderen Kindern Mut machen. „Dein            Fasching überlegt und selbständig durchge­
                 Bild sieht gut aus!“ Diesen Satz durfte ein         führt. Wir haben Ausflüge in die Stadt unter­
                 Kind hören, das sich schwer im sozialen Mit­        nommen sowie zu Weihnachtsveranstal­
                 einander tut … Wie dieses Kind sich in dieser       tungen im Seniorenzentrum Unterneustadt
                 Situation gefühlt hat, wird wohl jeder wissen.      und in der Tagespflege am Holzmarkt Weih­
                   Werteentwicklung und Resilienzstabilisie­         nachtslieder und -tänze aufgeführt.
                 rung gehören auch zur emotionalen Ent­                In der Zeit des Übergangs in den neuen
                 wicklung. Umgangsformen wie Bitte- und              Lebensabschnitt Schule ist es wichtig, dass
                 Danke-Sagen, das Einhalten von Regeln wie           Kinder auf ErzieherInnen treffen, die ihnen
                 Aussprechenlassen und Abwarten sind eben­           die Dinge zutrauen und sie auch ausprobie­
                 falls feste Lern-Bausteine in der Vorschularbeit.   ren lassen. Wenn sie zunehmend eigenstän­
                   Die Sechsjährigen haben außerdem einen            diger und autonomer werden, haben wir
                 riesigen Wissensdurst, der mit jährlich wech­       ihnen viel mit auf den Weg gegeben.
                 selnden Aktionen gestillt wird, so kommt                        Melanie Schipper, Martina Koper
                 z. B. die Zahnärztin zu Besuch, es finden                                         (Erzieherinnen
                 Verkehrserziehung, Erste Hilfe-Kurse, Einhei­                 in der Bären- bzw. Nilpferdgruppe)
                 ten zum Thema saubere Umwelt usw. statt.

Weihnachts­
auftritt der
Vorschulkinder

16   Facetten 38 | November 2020
Seniorenzentrum Unterneustadt

Hoher Besuch in der KiTa
Ministerin Kühne-Hörmann kam zum Vorlesen
                                                                                                      Ministerin
                                                                                                    Kühne-Hör-
                                                                                                   mann genoss
                                                                                                  den Austausch
                                                                                                        mit den
                                                                                                       Kindern.

Der Vorlesetag ist eine bewusst ins Alltags­     verbands freier Kindertagesstätten e.V. käme
leben hessischer Kindertagesstätten (KiTa)       Justizministerin Eva Kühne-Hörmann in
gerufene Aktion, um die Lust und Neugierde       unsere KiTa.
auf gemeinsame Buchgeschichten und Bil­            Am 18. November 2019 war es dann soweit:
derbetrachtungen zu wecken. Das Besondere        Nachdem sich die Vorschulkinder während
hierbei: Anders als beim bloßen Konsumieren      des gemeinsamen Frühstücks in der KiTa-
von youtube oder TV interagieren die vorlesen­   Turnhalle mit den erwachsenen Gästen (die
den Erwachsenen und die zuhörenden Kinder.       Ministerin, Vorstand und Verwaltungsrat
  Es gilt, das Vorlesen wieder stärker in den    der Sozialgruppe Kassel) angenähert hatten,
familiären Fokus zu rücken, KiTas wie das        nahmen die Kinder auf Matten, Kissen und
Georg-Wündisch-Haus tragen mit großem            Decken Platz und versammelten sich um Eva
Elan dazu bei. Die Fantasie eines jeden Kindes   Kühne-Hörmann. Diese stieß mit ihren mit­
wird beim Vorlesen angeregt, es taucht ganz      gebrachten Büchern, die sich inhaltlich zum
individuell in das vorgelesene Märchen oder      Einen mit einer Räubergeschichte und zum
in die Abenteuergeschichte ein. Vorlesen und     Anderen mit gegenseitiger Rücksichtnahme
der Austausch zu Geschichten fördern zudem       befassten, auf offene und interessierte Ohren.
den Sprachschatz der KiTa-Kinder und schaf­      Fragen, die die Ministerin zwischendurch an
fen die Lust, selbst auch des Lesens mächtig     die Kinder stellte, beantworteten diese mit
werden zu wollen. Im günstigsten Fall entwi­     Bravour. Zum Schluss verteilte die Vorleserin
ckelt sich das Vorlesen für Kinder zu einem      noch Geschenke (mehrere Kinderbücher und
Ritual, das sie nicht mehr missen möchten        einen Lese-Scheck) an Kinder und Einrich­
(z. B. die klassische Märchenstunde in der       tungsleitung.
KiTa, die Gute-Nacht-Geschichte zu Hause).         Fazit: Dieser Tag hat einmal mehr offen­
  Daher hat es den Vorstand der Sozialgruppe     bart, wie sehr das interaktive Vorlesen für
Kassel mit zugehörigem Verwaltungsrat und        Kinder begeisternd ist. Der Besuch der Justiz­
uns als pädagogische Fachkräfte im Georg-        ministerin Kühne-Hörmann war uns zudem
Wündisch-Haus sehr gefreut, als der Anruf        eine große Ehre.
aus dem Sekretariat der Hessischen Justizmi­                                    Dominic Jakob
nisterin einging: Auf Empfehlung des Dach­                               (Einrichtungsleitung)

                                                                                 November 2020 | Facetten 38   17
Tagespflege am Holzmarkt

 Endlich wieder beisammen!
 Tagespflege seit 13. Juli 2020 wieder geöffnet
Rudolf Möller
befüllt die
neuen
Wassersäcke
für die Bäume
im Garten.

                   Dreieinhalb Monate hat Alwina Seiler, 85      auch geschehen: Sie benähte die Familie und
                 Jahre, die Tagespflege am Holzmarkt ver­        die Tagespflege mit rund 50 Masken. „Und
                 misst. Normalerweise besucht sie an drei        gießt und erntet mir ja die Zwiebeln, die wir
                 Tagen in der Woche „ihre lieben Leute“, wie     bei euch ins Hochbeet gesetzt haben!“, erin­
                 sie sagt. Durch ihre Gehbehinderung kann        nerte sie uns bei den Telefonaten, die wir in
                 sie allein ihre Wohnung nicht mehr verlas­      der Schießungszeit führten.
                 sen. Sie hätte ohne die Tagespflege nur den       Uns war es wichtig, mit den Tagesgästen
                 Kontakt zu ihrer Familie und dem Pflege­        regelmäßig telefonischen Kontakt zu haben.
                 dienst, der zu ihr nach Hause kommt. Dabei      Schließlich wollten wir wissen, wie es ihnen
                 ist Alwina Seiler schon immer ein sehr gesel­   in dieser Zeit mit wenig Abwechslung und
                 liger und aktiver Mensch.                       Kontakten ging. Für einzelne Tagesgäste, bei
                   Als gelernte Köchin hat sie über 25 Jahre     denen eine Versorgung im häuslichen Bereich
                 für 350 Kinder am Tag gekocht. Sie liebt das    nicht ausreichend gewährleistet war, bot die
                 Kochen noch immer, und sie mag Musik,           Tagespflege in einer Minigruppe von drei bis
                 insbesondere russische Lieder. Aber auch        sieben SeniorInnen eine Notbetreuung an.
                 Häkeln, Stricken und Nähen gehören zu             Manche der Gäste hielten in dieser Zeit
                 ihren Hobbys.                                   auch telefonischen Kontakt untereinander.
                   Als Alwina Seiler wegen der Corona-           Sie riefen teilweise in der Einrichtung an und
                 bedingten Schließungen der Tagespflegen         baten den telefonischen Kontakt durch die
                 nicht mehr kommen konnte, rief sie ein paar     Weitergabe ihrer Telefonnummern an andere
                 Tage später an und fragte, ob sie Masken für    Tagesgäste zu vermitteln. Man vermisste
                 die Tagespflege nähen solle. Wie gefragt so     sich und interessierte sich für den Anderen.

18   Facetten 38 | November 2020
Tagespflege am Holzmarkt

                                                                    Ralf Koch und
                                                                     Alwina Seiler
                                                                       bepflanzen
                                                                    das Hochbeet
                                                                       im Garten.

  Seit dem 13. Juli kann man sich nun auch
wieder in fast gewohnter Weise in der Tages­
pflege begegnen. Endlich! In fast gewohnter
Weise heißt: Einhaltung der Abstands- und
Hygieneregeln und nicht so häufig wie vor
der Coronakrise. Statt 20 Gästen am Tag
sind es nun nur zehn SeniorInnen. Dies
bedingt, dass mancher Gast statt vier nur
noch an zwei Tagen in der Woche die Tages­
pflege besuchen kann.
  Auch die Angehörigen sind froh, dass es
wieder weitergeht, da die Belastungen in den
letzten Monaten auch für sie hoch waren.
  Die Abstandsregeln stellen Herausforderun­
gen für alle dar. Hände schütteln, sich mal
umarmen, im Strandkorb nah zusammensit­
zen, gemeinsames Singen, Kochen und manch
                                                                            Norbert
Anderes ist leider momentan nicht möglich.
                                                                       Neigenfind,
Aber schnuddeln, Bingo spielen, Quizrun­                               Christa Tost,
den veranstalten, Sitzgymnastik machen,                                 Paula Pfaff,
Erinnerungen austauschen, Dart spielen                              Reinhard Mül-
und vieles mehr geht auch trotz Corona.                             ler und Robert
  Und am wichtigsten ist, dass man endlich                                Vielhauer
                                                                         bestaunen
wieder beisammen ist! Und Alwina Seiler
                                                                      den Oldtimer
kann sich jetzt wieder mit anderen Tagesgäs­                         Austin Healey
ten um das Hochbeet kümmern.                                         Sprite vor der
      Gunda Hoßbach (Einrichtungsleitung)                             Tagespflege.

                                                   November 2020 | Facetten 38   19
Seniorenzentrum Unterneustadt

               Küche statt Büro
               Kochen im Seniorenzentrum
Claudia Benz
und Gerald
Reißmann
(von rechts)
haben im
Senioren­
zentrum
gekocht.

               „Es ist schon was ganz Besonderes hier”,       meinschaften und kochen das Mittagessen
               sagt Waltraud Preust, Bewohnerin des Seni­     für die zehn BewohnerInnen.
               orenzentrums Unterneustadt, und deutet           Vor zehn Jahren wurde die Idee bei einer
               mit dem Kopf in Richtung Küchenzeile. „Wo      Besprechung geboren. „Semmelknödel
               sonst erlebt man, dass die Chefs persönlich    bekomme ich auch hin”, sagte Reißmann
               am Herd stehen und das Mittagessen für die     damals. „Das will ich sehen”, antwortete
               Bewohnerinnen und Bewohner eines Seni­         Martina Dittel, Leiterin des Seniorenzen­
               orenheims kochen?” An diesem Dienstag          trums. Seitdem wird ein- bis zweimal im
               im November 2019 gibt es Frikadellen und       Jahr für eine Hausgemeinschaft des Senio­
               Bratkartoffeln. Claudia Benz, Mitglied des     renzentrums gekocht.
               Vorstandes und Leiterein des Finanz- und         „Wir haben schon Rheinischen S­ auerbraten
               Rechnungswesens, und Gerald Reißmann,          gemacht”, erzählt Reißmann, „jugoslawi­
               Vorsitzender des Vorstandes der Sozialgruppe   sche Spezialitäten, Szegediner Gulasch, fal­
               Kassel, stehen an diesem Mittag mit Schürze    scher Hase, sogar frisch geschabte Spätzle.”
               bekleidet in der Küche einer der Hausge­       Die Gerichte suchen die KöchInnen aus, für

20 Facetten 38 | November 2020
Seniorenzentrum Unterneustadt

welche Hausgemeinschaft gekocht wird, ent­        ebenfalls an den Mittagstisch, und gemein­
scheidet die Heimleitung. Natürlich werden        sam lassen sie sich das Essen schmecken.
die Vorlieben der jeweiligen BewohnerIn­          Zum Nachtisch serviert Benz einen Kaiser­
nen berücksichtigt und auch deren aktuelle        schmarrn. Die leeren Teller beweisen Köchin
Wünsche.                                          und Koch, dass es allen sehr gut geschmeckt
  Die BewohnerInnen nehmen am gedeck­             hat. Und Benz und Reißmann freuen sich
ten Tisch Platz und bekommen das Essen ser­       schon auf den nächsten Einsatz am Herd
viert. Claudia Benz, Martina Dittel, Gerald       und das Miteinander, das während einer sol­
Reißmann und Holger Waschkowitz, Heim­            chen Aktion aufkommt.
verwaltung Seniorenzentrum, setzen sich                                        Martina Vaupel

Terrassenmusik gegen Corona
Axel Rüdiger und Familie spielten auf
„Freude, schöner Götterfunken …“ – so             Geburtstage ohne ihre Familien und Freun­
schallt es über die Unterneustadt. Auf der        dInnen feiern. Deshalb sind solche kleinen
Terrasse des Seniorenzentrums haben sich          Aktionen sehr hilfreich für das Wohlbefin­
sechs MusikerInnen eingefunden, die die Ode       den. „Einige unserer Bewohner mit Demenz
an die Freude anstimmen – und viele Bewoh­        zum Beispiel waren nach dem Singen viel
nerInnen singen mit. Sie sitzen in ihren Zim­     ruhiger“, berichtet Martina Dittel.
mern an den geöffneten Fenstern oder in                                           Kirsten Alers
gebührendem Abstand auf der Terrasse.
  Die beliebten Hauskonzerte oder Kinovor­
führungen im großen Saal des Seniorenzen­
trums können gerade aufgrund der Corona-
Pandemie nicht stattfinden – da hatte
jemand aus dem Team die Idee, Musik­
therapeut Axel Rüdiger um ein kleines Kon­
zert zu bitten. Er und seine Frau sowie ihre
drei Kinder und eine Freundin spielten auf
am 27. März bei herrlichem Frühlingswet­
ter.
  40 Minuten Musik und Lieder zum Mit­
singen. „Wunderbar“, sagt Einrichtungs­
leiterin Martina Dittel. „Es passiert ja gerade
nicht sehr viel, und so konnten alle Corona
mal für einen Moment vergessen.“ Es seien
schwere Zeiten, allein in der letzten März­
woche mussten drei BewohnerInnen runde

                                                                                 November 2020 | Facetten 38   21
Seniorenzentrum Unterneustadt

                                                                       Die Kneipe
                                                                       Spielen, Feiern, Tanzen
                                                                       Im Seniorenzentrum Unterneustadt gibt es
                                                                       einen ganz besonderen Raum in der obers­
                                                                       ten Etage. Ausgestattet mit einer original
                                                                       Wurlitzer Musikbox, einer Theke und einla­
                                                                       denden Sitzgelegenheiten bietet er vielfältige
                                                                       Nutzungsmöglichkeiten.
                                                                         Regelmäßig finden Spielenachmittage statt,
                                                                       es wird gebastelt und gesungen, und jeden Frei­
                                                                       tag werden Gedächtnisspiele für die Bewohne­
                                                                       rInnen veranstaltet. Durch die großen Fens­
                                                                       terfronten hat man einen wunderschönen
In freudiger Erwartung (v.l.n.r.): Luise Metz, Hans-Jürgen Collasch,   Blick auf die Dächer von Kassel. „Besonders
Monika Fornalik, Lieselotte Garcia, Irmgard Kolschewski und Helena
                                                                       beliebt bei unseren männlichen Bewohnern
Mellem.
                                                                       sind unsere Skatabende. Die finden einmal

                Wieder möglich                                         pro Monat statt und werden von Ehrenamt­
                                                                       lichen veranstaltet. Dazu gibt es auch gerne
                                                                       mal ein Bier und viele nette Gespräche“,
                Tischkegeln in den                                     erzählt Martina Dittel, Einrichtungsleite­
                Hausgemeinschaften                                     rin des Seniorenzentrums Unterneustadt.
                                                                         Neben der internen Nutzung kann der
                                                                       Raum auch für Geburtstagsfeiern der Bewoh­
                Für die BewohnerInnen des Seniorenzent­
                                                                       nerInnen angemietet werden. Die Angehöri­
                rums waren die ersten Wochen der Corona-
                                                                       gen können dabei entweder selbst das Essen
                Pandemie besonders hart. Vieles änderte sich
                                                                       und die Getränke mitbringen oder damit die
                – Maskenpflicht und Besucherstopp bedeu­
                                                                       Heimleitung beauftragen. „Wir kümmern
                teten einschneidenden Veränderungen. Bis­
                                                                       uns gerne um den besonderen Tag unserer
                her hatten sich BewohnerInnen verschie­
                                                                       BewohnerInnen, damit sie ihn gemeinsam mit
                dener Hausgemeinschaften regelmäßig bei
                                                                       den Angehörigen erleben können“, so Dittel.
                den zahlreichen Beschäftigungsaktivitäten
                                                                         Der Wurlitzer ist übrigens voll funktionsfä­
                getroffen – auch das war nicht mehr gestattet.
                                                                       hig, und es ist genug Platz zum Tanzen vor­
                  Umso begeisterter wurde daher auf das
                                                                       handen.                       Martina Vaupel
                jetzt wieder mögliche Kegeln reagiert. Natür­
                lich wird das Beisammensein den momenta­
                nen Umständen angepasst. BewohnerInnen
                zweier im gleichen Stockwerk liegender Haus­
                gemeinschaften kommen zusammen. Die
                leider notwendigen Hygiene- und Abstands­
                regelungen werden dabei selbstverständlich
                eingehalten. Spaß macht es trotzdem. Auch
                denen, die nicht mitspielen, sondern nur
                zusehen können.
                               Birgit Pöppler (Altenpflegerin)

22 Facetten 38 | November 2020
Tagespflege
               am Holzmarkt
  Am Tag in
Gemeinschaft
 und abends
  zu Hause

               Gern bieten wir Ihnen
               einen kostenlosen Probetag an.
               Ihre Ansprechpartnerin: Gunda Hoßbach
               Öffnungszeiten: Mo–Sa 8.30–17.00 Uhr

               Holzmarkt 1 (direkt an der Fuldabrücke)
               34125 Kassel · Tel. (05 61) 97 01 00-25
               info@tagespflege-holzmarkt.de
               www.tagespflege-holzmarkt.de
Shutdown?                                                                 Adressen
                                                          Einrichtungen der Sozialgruppe Kassel e. V.
                                                          www.sozialgruppe-kassel.de
Nicht in der Pro Dokument!                                n Kasseler Werkstatt 1
                                                          Mündener Straße 45, 34123 Kassel
Die Begriffe Lockdown oder Shutdown kennen wir inzwi­     Tel. (05 61) 690 41-000, Fax (05 61) 690 41-001
                                                          eMail: arbeitplus@sozialgruppe-kassel.de
schen alle. Dabei stand der Begriff Shutdown schon
                                                          n Kasseler Werkstatt 2
immer für das Herunterfahren eines Computers. Im          Werner-Heisenberg-Straße 18, 34123 Kassel
März erhielt dieser Begriff eine andere Dimension, ein    Tel. (05 61) 690 41-000, Fax (05 61) 690 41-001
ganzes Land wurde runtergefahren. Auch ganz Kassel?       eMail: arbeitplus@sozialgruppe-kassel.de
  In der Pro Dokument gGmbH wurden alle Computer          n Kasseler Werkstatt Gartenbau
                                                          Oberzwehrener Straße 105, 34132 Kassel
hochgefahren. Aufgrund des digitalen Geschäfts war hier   Tel. (05 61) 690 41-000, Fax (05 61) 690 41-002
nur wenig von einem Shutdown zu spüren. Alle Arbeits­     eMail: arbeitplus@sozialgruppe-kassel.de
plätze wurden auf Abstand eingerichtet, und einige Mit­   n Georg-Wündisch-Haus
arbeiterInnen haben im Homeoffice gearbeitet.             Bei den vier Äckern 11, 34125 Kassel
  Viele Firmen nutzten diese Zeit, um digitale Aufträge   Tel. (05 61) 87 77 84, Fax (05 61) 870 40 17
                                                          info@georg-wuendisch-haus.de
zu vergeben. Die Pro Dokument hatte zu tun. Viele
                                                          n Seniorenzentrum Unterneustadt
Inklusionsbetriebe in Hessen waren durch den Shut­        Unterneustädter Kirchplatz 4, 34123 Kassel
down sehr stark betroffen und mussten Kurzarbeit und      Tel. (05 61) 7 09 93-16, Fax 7 09 93-28
Corona-Hilfen beantragen. Das blieb der Pro Dokument      info@seniorenzentrum-unterneustadt.de
erspart. Aber für alle MitarbeiterInnen verbleibt ein     n Tagespflege am Holzmarkt
                                                          Holzmarkt 1, 34125 Kassel
besonderer Eindruck.
                                                          Tel. (05 61) 97 01 00-25/26, Fax 97 01 00-23
  Wenn Sie Inklusionsbetriebe in Hessen unterstützen      info@tagespflege-holzmarkt.de
wollen, erhalten Sie unter www.ein-team-inklusive.de      n Pro Dokument gGmbH
Informationen oder Sie wenden sich an mike.alband-        Mündener Str. 45, 34123 Kassel
nau@pro-dokument.de                                       Tel. (05 61) 22 07 99-00, Fax 52 99 07-41
                                                          eMail: info@pro-dokument.de
                    Mike Alband-Nau (Betriebsleitung)
                                                               Impressum Facetten
                                                          n Zeitung für MitarbeiterInnen, Personal,
                                                          Eltern, Vereinsmitglieder, FreundInnen und
                                                          in­
                                                            teressierte Öffentlichkeit von: Kasseler
                                                          Werk­­statt, Georg-Wündisch-Haus, Senioren-
                                                          zentrum Unterneustadt, Tagespflege am Holz-
                                                          markt und ProDokument
                                                          n Nummer 38, November 2020, Auflage: 2000
                                                          Herausgeber: Sozialgruppe Kassel e. V.,
                                                          Holzmarkt 1, 34125 Kassel,
                                                          Tel. (05 61) 97 01 00-0, Fax 97 01 00-21
                                                          www.sozialgruppe-kassel.de
                                                          n Redaktion/Lektorat: Kirsten Alers/Wort-
                                                          wechsel, Gestaltung/Herstellung: Uli Ahrend/
                                                          Satzmanufaktur, Raiffeisenstraße 15,
                                                          34260 Kaufungen, Tel. (0 56 05) 92 62 71
                                                          www.satzmanufaktur.net
                                                          n AnsprechpartnerInnen in den Einrichtun-
                                                          gen: Christian Lehnert, Mike Alband-Nau
                                                          (Kasseler Werkstatt), Dominic Jakob (Georg-
                                                          Wündisch-Haus), Martina Dittel (Seniorenzen-
                                                          trum Unterneustadt), Gunda Hoßbach (Tages-
                                                          pflege), Mike Alband-Nau (Pro Dokument)
                                                          n V.i.S.d.P.: Detlev Ruchhöft, Gerald Reißmann
                                                          Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
                                                          nicht unbedingt die Meinung des Vereins oder
                                                          der Redaktion wieder.

                                                                 SPENDENKONTO
                                                               Sozialgruppe Kassel e. V.
                                                           IBAN DE13 5205 0353 0002 0628 97
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