BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
BILDUNG FÜR ALLE –
                 EIN BESSERES BILDUNGS-
                 SYSTEM IST MACHBAR!

               Stand: Juni 2021

               ooe.arbeiterkammer.at

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
Andrea Heimberger, MSc     Dr. Johann Kalliauer
               AK-DIREKTORIN              AK-PRÄSIDENT

                VORWORT
               Die Covid-19-Pandemie hat die Notwendigkeit eines gut ausgebauten Sozialstaates deutlich vor Augen geführt. Die
               Auswirkungen auf die Beschäftigung waren und sind dramatisch. Das Bekämpfen der Arbeitslosigkeit, insbesondere
               der steigenden Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, muss oberste Priorität haben. Ein rasches und umfangreiches
               Beschäftigungs- und Investitionspaket sowie zielgruppengerechte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssen unver-
               züglich umgesetzt werden. Vollbeschäftigung durch eine faire Verteilung von Arbeit muss das wichtigste Ziel sein –
               zudem eine gerechte Verteilung des materiellen Wohlstands sowie ein Ausbau und nicht der Abbau der Leistungen
               der öffentlichen Daseinsvorsorge, vor allem auch angesichts steigender Armut und Armutsgefährdung.
               Corona hat die Schieflagen im österreichischen Bildungswesen deutlich gemacht: Neben hoher Selektion und Un-
               durchlässigkeit wurde die Gefahr des „Abgehängtwerdens“ (etwa beim Distance-Learning mangels technischer Aus-
               stattung) noch größer. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat während des Lockdowns Lehrlingen kostenlos Laptops
               zur Verfügung gestellt, weil die öffentliche Hand nur sehr zögerlich für die notwendige Ausstattung gesorgt hat.
               Schulen, die über die reine Wissensvermittlung hinaus auch zentrale Orte der Begegnung sind, können diese wichtige
               Funktion phasenweise kaum bis nicht mehr wahrnehmen. Ein regulärer Hochschulbetrieb am Campus findet
               während der Pandemie kaum statt.
               Neben den öffentlichen Institutionen sind auch Unternehmen gefordert: Die Weiterbildungspflicht für Arbeit-
               nehmer/-innen in Phase 3 der Kurzarbeit, die bis Ende Juni 2021 verlängert wurde, sollte genutzt werden, um
               Mitarbeitern/-innen geeignete betriebliche Weiterbildungen zu ermöglichen. Das Arbeitsmarktservice (AMS)
               übernimmt dafür 60 Prozent der Kosten. Letztendlich profitieren davon sowohl Arbeitnehmer/-innen als auch
               Arbeitgeber. Allerdings nehmen mit Stand März 2021 in Oberösterreich laut AMS nur knapp 200 Betriebe dieses
               Modell in Anspruch.
               Schon vor der Corona-Krise gab es aufgrund der ausgeprägten sozialen Ungleichheiten in unserem Bildungssystem
               einen hohen Handlungsbedarf, den die Arbeiterkammer Oberösterreich immer wieder aufgezeigt hat. Die aktuellen
               Warnungen vieler Pädagogen/-innen, dass sie einen erklecklichen Anteil ihrer Schülerinnen und Schüler, vor allem
               CWU|(COKNKGPOKVPKGFTKIGP'KPMQOOGPICTPKEJVOGJTGTTGKEJGPUQYKGFKG*KNHGTWHGXKGNGT'NVGTPFKGWOFKG
               Bildungschancen ihrer Kinder fürchten, haben bei den Verantwortlichen keine vorrangige Bedeutung. An dieser
               Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Lehrer/-innen, die bei der Umstellung von Präsenzunterricht auf
               Distance-Learning außergewöhnliche Arbeit geleistet haben.
               Viele bildungspolitische Forderungen der AK Oberösterreich sind aufgrund der Pandemie aktueller denn je –
               Forderungen, die sich je nach Zuständigkeit sowohl an die Verantwortlichen von Bund als auch an die oberöster-
               reichische Landesregierung richten.

                                        Andrea Heimberger, MSc                  Dr. Johann Kalliauer
                                        AK-Direktorin                           AK-Präsident

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INHALT
                                      1. Was wir unter Bildung verstehen                                                         ..........................................................................                                                          4

                                     2. Soziale Selektion im Bildungssystem endlich beenden! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

                                     3. Niemanden zurücklassen – Ausbildungsabbrüche reduzieren!                                                                                                          .................................                          9

                                     4. In Aus- und Weiterbildung investieren!

                                  4.1. Berufliche Erstausbildung stärken und verbessern! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

                                  4.2. Mehr Zeit und Geld für Weiterbildung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

                                     5. Die Herausforderungen der Digitalisierung annehmen!
                                        Digitalisierung mit Weitsicht gestalten! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

                                     6. Bildung ist keine Ware! Gesellschaftliche Notwendigkeit
                                        von Bildung als öffentliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

                                             Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

                                             Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

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1. WAS WIR UNTER BILDUNG VERSTEHEN

                                  Historisch betrachtet hat Bildung einen ent-      Bürgern. Statt Defizitorientierung sollte die
                                  scheidenden Beitrag zur Verbesserung der          Förderung von Interessen und Stärken in den
                                  Arbeits- und Lebensbedingungen der Be-            Mittelpunkt gerückt werden. Dies sind
                                  schäftigten geleistet – waren doch die Vorläu-    wesentlich bessere Motivationsfaktoren als
                                  fer der Gewerkschaften die Bildungsvereine        Angst vor schlechten Noten. Es braucht in
                                  von und für Arbeiter/-innen. Sie hinterfrag-      einer Gesellschaft ungleicher Ausgangsbedin-
                                  ten wirtschaftliche Verhältnisse und betrach-     gungen und sozialer Ungleichheiten gezielte
                                  teten sie als veränderbar. Dies war und ist die   Fördermaßnahmen für Kinder mit schlechte-
                                  notwendige Voraussetzung für tatsächliche         ren Startbedingungen. Bis heute ist der Bil-
                                  politische Veränderungen – von der Durch-         dungsweg eines Menschen in Österreich sehr
                                  setzung des allgemeinen Wahlrechts bis zu         stark „vererbt“. Bildungspolitik soll hier aus-
                                  sozialpolitischen Errungenschaften wie Ar-        gleichend wirken. Vor allem die frühe Tren-
                                  beitszeitregelungen oder bezahltem Urlaub.        nung nach der gemeinsamen Volksschule in
                                                                                    Mittelschule und Allgemeinbildende Höhere
                                  Aktuell wird die Priorität von Bildung vor-       Schule (AHS) führt zu einer Kluft, die sich im
                                  wiegend auf die wirtschaftliche Verwertbar-       Laufe der weiteren Ausbildungswege noch
                                  keit von jungen – möglichst flexiblen – Men-      verstärkt.
                                  schen gelegt, die sich den Bedingungen des
                                  Marktes anpassen und möglichst früh die Re-       Besonderes Augenmerk gilt es auf frühkind-
                                  geln des Wettbewerbs verinnerlichen sollen.       liche Betreuung und Förderung zu legen, da
                                                                                    dies tiefgreifende und langfristige Auswir-
                                  Bildung soll einen Beitrag zur Persönlich-        kungen hat, die mit späteren Maßnahmen
                                  keitsentwicklung und zur Kreativität leisten.     nur schwer kompensiert werden können.
                                  Soziale Kompetenz steht im Vordergrund,           Kindergärten als Bildungsorte sind von zent-
                                  genauso wie kulturelle und gesellschaftliche      raler gesellschaftlicher Bedeutung.
                                  Teilhabe; und vor allem aktive Mitgestaltung
                                  von mündigen, demokratisch eigenständigen         Junge Menschen sollen aktiv mitbestimmen
                                  und kritisch denkenden Bürgerinnen und            und mitgestalten, ein Bewusstsein für ein so-
                                                                                    lidarisches Miteinander entwickeln und ler-
                                                                                    nen Verantwortung für sich selbst und die
                                                                                    Gesellschaft zu übernehmen. Nur ein soli-
                                                                                    darischer Bildungsbegriff, der eine gerechte,
                                                                                    offene und diverse Gesellschaft als Funda-
                                                                                    ment hat, kann ein Werkzeug für ein besseres
                                                                                    Leben für alle sein und uns dabei helfen die
                                                                                    bevorstehenden Herausforderungen und
                                                                                    Krisen zu bewältigen.

                                                                                    Es gilt die Balance zwischen ökonomisch-be-
                                                                                    rufsbezogenen Anliegen und der Möglich-
                                                                                    keit persönlicher Entfaltung zu finden und
                                                                                    nicht nur additiv Wissen zu sammeln, son-
                                                                                    dern Zusammenhänge zu erkennen und zu
                                                                                    verstehen. Dabei muss auch der Grund-
                                                                                    bildung erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet
                                                                                    werden, denn eine gute Grundbildung ist
                                                                                    eine der wichtigsten Voraussetzungen für
                                                                                    gelingendes lebensbegleitendes Lernen. In
                                                                                    diese Richtung müssen wir das Bildungs-
                                                                                    system weiterentwickeln!

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2. SOZIALE SELEKTION IM BILDUNGS-
                SYSTEM ENDLICH BEENDEN!

               Das Einkommen, der soziale Status der Eltern       Sechs von zehn Elternteilen empfinden die
               und ihr Bildungshintergrund entscheiden            mangelnde Vereinbarkeit als belastend.
               maßgeblich über die Bildungslaufbahn und           Ein Drittel macht sich Sorgen um die Ge-
               damit auch die Berufskarriere und gesell-          sundheit ihrer Kinder.
               schaftliche Teilhabe ihrer Kinder. Das öster-    Im Herbst 2020 gaben 60 Prozent der Eltern
               reichische Bildungssystem reproduziert sozi-     an, dass die Schulen ihre Kinder nicht oder zu
               ale Ungleichheiten anstatt sie aufzubrechen.     wenig beim Nachholen des verpassten Lern-
               Das schadet nicht nur Kindern, die ihre Po-      stoffes unterstützt haben. Ein Großteil der
               tentiale nicht entfalten können, sondern auch    Mütter und Väter musste zusätzlich zur El-
               der Gesellschaft durch den Verlust von           ternrolle und zum Job auch noch als Lehrer/-
               Lebenszufriedenheit, Gesundheit und quali-       in fungieren. Ein Fünftel der Eltern gab an,
               fizierten Arbeitskräften. Es ist zu erwarten,    dass aufgrund der Corona-bedingten Ver-
               dass die Covid-19-Pandemie die soziale Un-       säumnisse bei ihrem Kind Nachhilfe notwen-
               gleichheit in unserem Bildungssystem noch        dig wurde.
               weiter verschärfen wird. Zwölf Prozent aller
               Schüler/-innen und 36 Prozent der benachtei-
               ligten Schülerinnen und Schüler konnten          Frühkindliche Förderung ausbauen
               während der Zeit des „Heimunterrichts“
               2020 nicht oder nur schlecht erreicht werden.    Gerade in jungen Jahren ist das größte Poten-
               Lernen und Wissenserwerb in der Corona-          tial für Lernfortschritte und wirksame Prä-
               Zeit fand überwiegend zu Hause am Esstisch       vention gegeben. Darum muss schon vor der
               statt. Das stellte Familien vor große und kaum   Schulzeit angesetzt werden, nämlich in der
               zu bewältigende Herausforderungen: Von           ersten Bildungseinrichtung für die Jüngsten,
               fehlenden Geräten (Tablets, Laptops, Dru-        dem Kindergarten.
               cker) über die Organisation des Alltages zwi-
               schen Home-Office, Anwesenheit am Ar-            Die Covid-19-Pandemie verschärfte den selek-
               beitsort und Home-Schooling bis hin zur          tiven Charakter des Bildungssystems. Home-
               Motivation der Kinder und Jugendlichen.          Schooling und die Aussetzung des Regel-
                                                                betriebs an Schulen und Kindergärten
               Eine Erhebung der Arbeiterkammer Ober-           werden ohne bildungspolitische Interven-
               österreich in drei Befragungswellen zwischen     tion langfristig negative Auswirkungen auf
               April und November 2020 zeigte die zuneh-        den Bildungsweg von Kindern, vor allem von
               mende Verunsicherung der Eltern auf: Je          Kindern mit Lernschwächen und von ar-
               länger die Kinder im Corona-Modus unter-         mutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen,
               richtet wurden, desto mehr und tiefer wur-       haben. Um dieser drohenden „Bildungskrise“
               den die Sorgenfalten der Eltern. Sie beklagten   entgegenzuwirken, ist jetzt der Zeitpunkt
               Lernrückstände, fühlten sich durch die           dem Bildungssystem seine sozial selektiven
               schwierige Vereinbarkeit von Kinderbetreu-       „Giftzähne“ zu ziehen.
               ung, Lernunterstützung und Berufstätigkeit
               belastet und sorgten sich zunehmend um die       Schon vor der Schulwahl stellt das Bildungs-
               Gesundheit ihrer Kinder.                         system die Weichen für viele Kinder – durch
                                                                mangelnde frühkindliche Förderung. In
               Weitere Erkenntnisse aus der Befragung           Österreich werden Kindergärten noch nicht
               zeigen:                                          konsequent als erste Bildungseinrichtungen
                 Rund die Hälfte der Eltern glaubt, dass die    behandelt. Das zeigt sich zum Beispiel an den
                 Kinder jetzt mehr lernen müssen, um die        Gruppengrößen, die individuelle Betreuung
                 im vergangenen und heurigen Schuljahr          fast unmöglich machen. In Oberösterreich
                 erlittenen Lernrückstände aufzuholen.          beispielsweise ist eine pädagogische Fach-

                                                                                                                 5

AK Folder Reboot A4_2021.indd 5                                                                                      07.06.21 10:43
BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
kraft für eine Kindergartengruppe mit bis zu                                                                                       bestmöglich zu unterstützen. Aber auch hin-
                                                       23 Kindern vorgesehen; sogar bis zu 25 Kin-                                                                                        sichtlich Öffnungszeiten sowie Vereinbarkeit
                                                       der können in einer Gruppe sein. Bei voll                                                                                          von Familie und Beruf besteht in Oberöster-
                                                       ausgelasteten Gruppen erscheint es sehr                                                                                            reich großer Aufholbedarf.
                                                       schwierig, alle Kinder in ihrer Entwicklung

                   BILDUNGSVERERBUNG                                                                                             INTERGENERATIONELLE VERERBUNG VON BILDUNG
                   IN ÖSTERREICH                                                                                                 IN ÖSTERREICH

                        Immer weniger Personen                                       Aber nur 7% der 25-44-Jährigen

                                                                                                                                 Höchste abgeschlossene Ausbildung der Eltern
                          haben Eltern mit nur                                        von Eltern mit Pflichtschul-
                         Pflichtschulabschluss                                         abschluss erreichen einen                                                                    Universität
                                                                                          Hochschulabschluss

                                                                                                               57%                                                                     Matura
                                                     Bildung Eltern: Pflichtschule

                                                                                                                                                                                         Lehre/
                                                                                                                                                                                mittlere Schule
                                          37%
                                                                                         Bildung: Hochschule

                                                                                                                                                                                          max.
                                                                                                                                                                                  Pflichtschule
                                                                                                                                                                                                  10 %   20 %   30 %   40 %   50 %   60 %   70 %   80 %   90 %   100 %
                         18%
                                                                                                                      7%                                                                          Höchste abgeschlossene Ausbildung der Kinder

                        25-44-           45-64-                                                          Bildung der Eltern:                                                                        Max. Pflichtschule                Lehre/mittlere Schule
                        Jährige          Jährige                                                      Hochschule Pflichtschule                                                                                                       Matura     Universität

                                                                                                                                       Quelle und Grafik: STATISTIK AUSTRIA, eigene Darstellung. Erwachsenenbildungs-
                   Quelle und Grafik: STATISTIK AUSTRIA, Erwachsenenbildungerhebung 2016/17                                            erhebung 2016/17

                                                       Schule: Selektion an den Schnittstellen                                                                                            deutung! Wenn soziale und kulturelle Durch-
                                                                                                                                                                                          mischung im Schulsystem fehlt, wird Kindern
                                                       Im österreichischen Bildungssystem entschei-                                                                                       schon früh die Chance genommen, die Viel-
                                                       det sich an drei Punkten, wohin der weitere                                                                                        falt unserer Gesellschaft wahrzunehmen und
                                                       Bildungsweg führt: Nach der Volksschule, am                                                                                        sich damit auseinanderzusetzen bzw. sich
                                                       Ende der Pflichtschulzeit und am Ende der                                                                                          selbst darin zu finden.
                                                       weiterführenden Schule. Nach der Volks-
                                                       schule muss entschieden werden, ob das Kind                                                                                        Am Ende der Mittelschule bzw. der AHS-
                                                       in die Mittelschule oder in eine AHS geht.                                                                                         Unterstufe findet eine weitere Weichenstel-
                                                       Damit sind für die meisten Kinder die weite-                                                                                       lung statt: Wird eine weiterführende Schule
                                                       ren Schritte fixiert.                                                                                                              mit Matura besucht, eine berufsbildende
                                                                                                                                                                                          mittlere Schule oder eine Lehre begonnen?
                                                       Von 100 Kindern entscheiden sich nur drei                                                                                          Hier zeigt sich der Zusammenhang mit den
                                                       für ein Gymnasium, wenn die Eltern maxi-                                                                                           Bildungsabschlüssen der Eltern besonders
                                                       mal Pflichtschulabschluss haben. Umgekehrt                                                                                         klar: Haben diese einen Uni- oder FH-Ab-
                                                       gehen 76 Prozent der Kinder, deren Eltern                                                                                          schluss, dann wechseln 52 Prozent der Kinder
                                                       ein hohes Einkommen haben, in eine AHS.                                                                                            in eine AHS-Oberstufe, ist der höchste Bil-
                                                       Das Bildungssystem schafft es nicht, allen                                                                                         dungsabschluss der Eltern maximal ein
                                                       Kindern gleiche Chancen zu bieten. Um den                                                                                          Pflichtschulabschluss, sind es lediglich vier
                                                       selektiven Charakter des Bildungssystems zu                                                                                        Prozent.
                                                       ändern, braucht es eine neue Architektur,
                                                       weg von der frühen Trennung in Mittel-                                                                                             Um ein faires und chancengerechtes Bil-
                                                       schule und AHS, hin zu einer gemeinsamen                                                                                           dungssystem zu etablieren, muss es gelingen,
                                                       Schule.                                                                                                                            dass Kinder auch unabhängig vom Wohnort,
                                                                                                                                                                                          der Einkommenssituation der Eltern, dem
                                                       Gerade das Lernen untereinander und von-                                                                                           Geschlecht oder einem Migrationshinter-
                                                       einander ist bei Kindern von besonderer Be-                                                                                        grund ihre Bildungswahl treffen.

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
Selektion an Universitäten und                   Prozent der Studierenden im Sommersemes-
               Fachhochschulen                                  ter 2020 unter depressiven Schüben und
                                                                Angstzuständen litt. Perspektivenlosigkeit in
               Über den Besuch einer Universität oder einer     Hinblick auf zukünftige Arbeitsmarktchan-
               Fachhochschule entscheidet der soziale Hin-      cen und auf die Finanzierung des Studiums
               tergrund: Die Wahrscheinlichkeit ein Stu-        durch krisenbedingte Jobverluste prägen die
               dium aufzunehmen ist für Personen, deren         Situation – zu Nicht-Pandemiezeiten sind 65
               Eltern Matura haben, mehr als doppelt so         Prozent der Studierenden in Österreich be-
               hoch wie für jene, deren Eltern keine Matura     rufstätig. Die Gefahr eines Studienabbruchs
               haben. Die schrittweise Einführung von for-      ist insgesamt enorm hoch.
               malen Zugangsbeschränkungen und Auf-
               nahmeprüfungen sowie Barrieren in Form           Umso irritierender ist es, dass die Bundes-
               von Studiengebühren verengen diesen Zu-          regierung Anfang 2021 eine bürokratische
               gang noch mehr. Diese Maßnahmen haben            Novelle des Universitätsgesetzes vorgelegt
               eine abschreckende Wirkung auf die Jugend-       hat, die das Sperren bei Nichterreichen von
               lichen und führen dazu, vor allem junge Er-      Mindeststudienleistungen vorsieht. Eine Re-
               wachsene aus Haushalten mit niedrigem Ein-       gelung, die den Druck auf berufstätige Stu-
               kommen von einem Studium fern zu halten.         dierende weiter erhöht.

               Aufgrund einer Entscheidung des Landes
               Oberösterreich wird an den Fachhochschulen       Gerechte Bildung für alle: Von klein an
               in Oberösterreich seit dem Sommersemester
               2018 ein Studienbeitrag eingehoben. Seit         Damit alle Kinder die Chance bekommen,
               dem Wintersemester 2018/19 müssen berufs-        ihre Potentiale zu entfalten, muss der skizzier-
               tätige Studierende an Universitäten, die län-    te selektive Charakter des Bildungssystems
               ger als die Mindeststudiendauer plus zwei        durchbrochen werden. Dazu braucht es in
               Toleranzsemester für ihr Studium brauchen,       einem ersten Schritt endlich eine gemeinsa-
               wieder Studiengebühren bezahlen. Die Stu-        me Schule aller Sechs- bis 15-Jährigen.
               dienbeihilfe wurde zuletzt mit Wirksamkeit
               des Studienjahres 2017/18 erhöht und wird        In einem halbtägigen Schulsystem wird die
               nicht regelmäßig angepasst. Laut Studieren-      Verantwortung für den schulischen Erfolg in
               den-Sozialerhebung 2019 beziehen nur rund        den privaten Bereich übertragen. Kinder, die
               20 Prozent der Studierenden eine Form der        nicht von ihren Eltern unterstützt werden
               Studienbeihilfe. Darunter fallen 12,4 Prozent    können, bleiben hier auf der Strecke. In einer
               mit konventioneller Studienbeihilfe und im       modernen Ganztagsschule wird nicht wie in
               zweiten Bildungsweg 7,1 Prozent mit Selbst-      einer Halbtagsschule davon ausgegangen,
               erhalter/-innen-Stipendium sowie 0,2 Prozent     dass Eltern ihre Kinder voll unterstützen kön-
               mit Studienabschluss-Stipendium. 36 Prozent      nen, vielmehr ist hier Zeit zum Lernen, Üben
               der studierenden Kinder von Land- und Forst-     und Fragen eingeplant, gekoppelt mit ver-
               wirten/-innen beziehen eine konventionelle       schiedenen Freizeitangeboten. Außerdem
               Studienbeihilfe, allerdings nur 24 Prozent der   schafft eine qualitätsvolle ganztägige Schule
               studierenden Kinder von Arbeitern/-innen.        auch Platz für Diversität und Vielfalt. Damit
               Das bedeutet allerdings nicht, dass sich alle    kann diese Schulform ein wichtiger Ort der
               anderen das Studium problemlos leisten kön-      Vermittlung und der gesellschaftlichen Aus-
               nen, im Gegenteil: In Österreich sind 65% der    einandersetzung sein, die das Gemeinsame
               Studierenden berufstätig, vor allem, um sich     über das Trennende stellt.
               das Studium zu finanzieren.

               An den Universitäten und Fachhochschulen         Mehr Mittel für Schulen mit
               gibt es seit Beginn der Pandemie keinen Re-      besonderen Herausforderungen
               gelbetrieb mehr. Das bedeutet, dass ein Groß-
               teil der Studierenden seit einem Jahr kaum       Für Schulen mit großen Herausforderungen
               Lehrveranstaltungen und ein reguläres Cam-       sind mehr finanzielle Mittel nötig. Damit
               pusleben hat. Aus einer Studie der Studieren-    könnten Schulen mit vielen Schülern/-innen,
               denberatung Innsbruck geht hervor, dass 36       die großen Förderbedarf haben, bedarfsorien-

                                                                                                                   7

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
tiert strukturelle Ungleichheiten durch mehr      sentlich über Verbleib, Erfolg und Teilhabe
                                          Förderangebote, pädagogisches Unterstüt-          in diesem entscheiden. Zum Beispiel wird in
                                          zungspersonal oder administrative Support-        Oberösterreich seit Februar 2018 wieder eine
                                          strukturen ausgleichen.                           Gebühr für die Nachmittagsbetreuung im
                                          Die Zuteilung der Mittel soll über einen          Kindergarten eingehoben. Der Effekt war,
                                          Chancen-Index erfolgen, wie ihn die AK vor-       dass in der Folge 28 Prozent der Kinder aus
                                          schlägt. Basis für die Berechnung sind der Bil-   der Nachmittagsbetreuung genommen wur-
                                          dungshintergrund der Eltern und die Alltags-      den. Auch in der Schule fallen Kosten für Be-
                                          sprache der Kinder. Dabei werden die durch        treuung, Nachhilfe, Exkursionen, Schulmate-
                                          den Chancen-Index vergebenen zusätzlichen         rial, Sportausrüstung oder Sprachreisen an
                                          Mittel mit aktiver Schulentwicklung und pä-       – von den Kosten für die Vermittlung von
                                          dagogischer Freiheit der Standorte verknüpft,     kulturellem Kapital, das nicht direkt zur
                                          um eine nachhaltige Weiterentwicklung zu          Schule gehört, aber hilfreich ist, ganz zu
                                          gewährleisten.                                    schweigen (Bücher, Musikinstrumente, Thea-
                                                                                            terbesuche). Gerade die Covid-19-Pandemie
                                                                                            hat auch gezeigt, wie wichtig eine digitale
                                          Offene und versteckte Kosten abbauen              Infrastruktur zu Hause ist – und wie sehr sich
                                                                                            diese finanziell zu Buche schlägt. Auch hier
                                          Auch im öffentlichen Bildungssystem fallen        muss die öffentliche Hand entschieden ge-
                                          eine Reihe von Ausgaben an, die nicht unwe-       gensteuern.

                            AK-FORDERUNGEN!

                   Elementarpädagogik
                     Nachhaltige finanzielle Sicherstellung für Kinderbetreuungseinrichtungen
                     Schaffung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmenplanes (z.B. Betreuungsschlüssel, umfassende Sprachförderung
                     bereits für die Kleinen)
                     Rechtsanspruch auf einen qualitätsvollen Betreuungsplatz ab dem zweiten Lebensjahr bis zum Ende der Sekundarstufe I.
                     Rücknahme der Elternbeiträge an oö. Kinderbetreuungseinrichtungen für die Nachmittagsbetreuung ab dem 30. Lebens-
                     monat bis zum Schuleintritt zur finanziellen Entlastung der Eltern
                     Einführung eines zweiten verpflichtenden und kostenlosen Kindergartenjahres für alle Kinder
                     Ausbildungsoffensive für den Beruf des/der Elementarpädagogen/-in

                   Schule
                     Deutliche Erhöhung der Schul- und der Heimbeihilfe um mindestens 30 Prozent, da es seit 2007 keine Erhöhung gab;
                     jährliche Inflationsanpassung sowie Ausweitung des Bezieherkreises.
                     Flächendeckendes Angebot qualitätsvoller und kostenloser Ganztagsschulen sowie Schaffung eines Rechtsanspruchs
                     auf Besuch einer Ganztagsschule, in der Lernen, Üben und Freizeit einander abwechseln.
                     Unterstützungsfonds für einkommensschwache Eltern und Alleinerzieher/-innen mit dem Ziel einer vollwertigen
                     Teilnahme ihrer Kinder am Schulunterricht.
                     Ausbau der schulischen und außerschulischen Sozialarbeit und psychologischer Beratungs- und Betreuungsangebote für
                     Kinder und Jugendliche in Oberösterreich
                     Gemeinsame Schule für alle Sechs- bis 15-Jährigen!
                     Mehr Ressourcen für Schulen mit besonderen Herausforderungen – transparent verteilt nach dem Chancen-Index der AK.
                     Das diesbezüglich von der Regierung versprochene Pilotprogramm soll von 100 auf 500 Standorte erhöht werden.
                     Versteckte Kosten im Bildungssystem abbauen - zum Beispiel durch individuelle schulische Förderung statt teurer
                     privater Nachhilfe

                   Studium
                     Erhöhung der Studienbeihilfe, jährliche Inflationsanpassung sowie Ausweitung des Bezieherkreises
                     Abschaffung der Studiengebühren für berufstätige Studierende an Universitäten und an den oö. Fachhochschulen
                     Besondere Berücksichtigung berufstätiger Studierender bei der Mittelzuweisung an Universitäten
                     Umfassende öffentliche Finanzierung für Lehre und Forschung an Universitäten und Hochschulen

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
3. NIEMANDEN ZURÜCKLASSEN –
                AUSBILDUNGSABBRÜCHE REDUZIEREN!

               Die Zeugnisarmut von jungen Menschen in        Jugendliche am Übergang
               Oberösterreich lässt sich eindeutig belegen    Schule – Beruf
               und differenziert dabei zwischen frühem
               Schulabgang (Komplettausstieg aus dem          Spätestens nach Abschluss der Pflichtschule
               formalen Bildungssystem nach der Schul-        müssen sich Jugendliche entscheiden, ob sie
               pflicht, dies kann unmittelbar nach der ach-   entweder den schulischen Weg weitergehen
               ten oder neunten Schulstufe oder in seltenen   möchten und eine weiterführende Schule be-
               Fällen auch zuvor sein), dem Abbruch einer     suchen oder sie eine Lehre in einem Betrieb
               weiterführenden Schule ab der zehnten Schul-   absolvieren. In Hinblick auf die vielfältigen
               stufe oder dem Nichterreichen des Lehrab-      Bedürfnisse in dieser Phase stellt diese kom-
               schlusses.                                     plexe Entscheidung einen wichtigen Eckpfei-
                                                              ler im Leben von jungen Menschen dar.
               Im Jahr 2018
                                                              In Österreich sind die Anteile der beruflichen
                  stiegen 578 Jugendliche unmittelbar nach    Bildung im Rahmen der schulischen Erstaus-
                  der achten Schulstufe aus,                  bildung relativ hoch. Das europa- und sogar
                  stiegen 718 Jugendliche unmittelbar nach    weltweit nahezu einzigartige duale Ausbil-
                  der neunten Schulstufe aus (davon 443 aus   dungssystem ist ein wichtiger Grund für die
                  der Polytechnischen Schule),                international vergleichsweise geringe Jugend-
                  stiegen 495 Jugendliche nach der zehnten    arbeitslosigkeit. Dennoch, wie oben am Bei-
                  Schulstufe einer weiterführenden Schule     spiel der Zeugnisarmut gezeigt, bereitet der
                  aus,                                        Übergang „Schule-Beruf“ einer relativ gro-
                  erreichten 1.362 Jugendliche, die eine      ßen Gruppe erhebliche Probleme.
                  Lehre begonnen haben, keinen positiven
                  Abschluss.

               Das macht zusammen 3.153 Jugendliche aus!

               Umgerechnet auf die Anteile am Altersjahr-
               gang macht der „Frühe Ausbildungsabbruch“
               (kurz: „FABA“) in Oberösterreich etwa 14
               Prozent der 20- bis 24-jährigen Wohnbevöl-
               kerung aus! Ein in diesem Kontext häufig
               verwendeter Indikator ist der sogenannte
               NEET-Index (Not in Employment, Education
               or Training), der vor allem die Nähe/Ferne
               zum Arbeitsmarkt misst. Laut Statistik
               Austria betrug die NEET-Quote bei den 20-
               bis 24-jährigen in Oberösterreich 12,6 Pro-
               zent (Österreich 15,7 Prozent), wobei starke
               Streuungsunterschiede, etwa nach Region,
               Geschlecht und/oder Migrationshintergrund,
               bestehen. Die Covid-19-Pandemie erhöht
               langfristig die schon hohe FABA-Quote, weil
               sich die sozioökonomischen Unterschiede
               weiter vergrößern.

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BILDUNG FÜR ALLE - EIN BESSERES BILDUNGS-SYSTEM IST MACHBAR! - ooe.arbeiterkammer.at - Arbeiterkammer Oberösterreich
Angebote wie AusbildungsFit (ehemals Pro-        dete Jugendliche gesenkt. Für den Wiederein-
                                   duktionsschulen), Jugendcoaching oder über-      stieg in Ausbildungen oder zum Nachholen
                                   betriebliche Lehrausbildung, welche die un-      von Berufs- und Bildungsabschlüssen müssen
                                   terschiedlichsten Bedürfnisse, Interessen und    Zusatzmittel bereitgestellt werden.
                                   Fähigkeiten der Jugendlichen berücksichti-
                                   gen und fördern, tragen zur Entschärfung         Auch nicht zu unterschätzen ist für alle
                                   dieser Problematik wesentlich bei. Dass hier     Jugendlichen in Ausbildung die Frage der
                                   bisher größere sozial- und arbeitsmarktpoliti-   Mobilität. Die eingeschränkte Mobilität und
                                   sche Diskrepanzen im Zaum gehalten wer-          die geringen finanziellen Möglichkeiten von
                                   den konnten, ist auf dieses differenzierte und   Jugendlichen können zu einer Hürde für
                                   relativ gut ausgebaute Auffangnetz bzw. die      eine Berufsausbildung werden. Deswegen
                                   bestehende Ausbildungspflicht („Ausbil-          muss sichergestellt sein, dass alle Jugend-
                                   dung bis 18“) zurückzuführen.                    lichen in Ausbildung Zugang zu einem „Ju-
                                                                                    gend-Ticket“ haben.
                                   Zuvor schon benachteiligte Jugendliche
                                   haben Pandemiebedingt nachhaltige Rück-
                                   schläge im Rahmen ihrer Ausbildung bzw.          Lehre – hohe Drop-Out-Raten
                                   beim Eintritt ins Erwerbsleben hinnehmen         als zentrales Problem
                                   müssen und werden noch mehr abgehängt:
                                   enge Wohnverhältnisse, unzureichende tech-       Bei einem genaueren Blick auf das duale
                                   nologische Ausstattung bzw. oft generell         Ausbildungssystem sticht, neben vielen posi-
                                   mangelndes Kulturkapitel zeichnen hierfür        tiven Aspekten, die hohe Drop-Out-Rate ins
                                   verantwortlich. Unerwünschte Effekte sind        Auge: Im Oberösterreichschnitt kommt etwa
                                   zielgruppenspezifische Lerndefizite (Kompe-      jede/r fünfte Lehranfänger/-in zu keinem
                                   tenzarmut), problematische Übergänge ins         erfolgreichen Lehrabschluss. Von diesen ins-
                                   Berufsleben oder – zeitverzögert – fehlende      gesamt 1.362 Jugendlichen brachen 2018
                                   Abschlüsse (Zeugnisarmut).                       | XQT\GKVKI CD  HKGNGP DGK FGT .GJTCD
                                                                                    schlussprüfung durch und weitere 205 sind
                                   Neben einer Verbesserung der schulischen         erst gar nicht angetreten. Anzumerken ist,
                                   Ausbildung durch eine Mittelvergabe, die sich    dass sich die Drop-Out-Rate (die sich aus die-
                                   am sozialen Status der Schüler/-innen orien-     sen drei Komponenten zusammensetzt) je
                                   tiert, und dem Ausbau ganzheitlicher, ganz-      nach Lehrberuf und Ausbildungsbranche
                                   tägiger Schulen muss es mehr Support für die     relativ stark unterscheidet.
                                   Schulen in den Bereichen Jugend- und Schul-
                                   sozialarbeit geben. So wird das Risiko eines     Die höchsten Drop-Out-Raten sind vor allem
                                   Bildungsabbruchs für ausgrenzungsgefähr-         in der Gastronomie zu finden (Restaurant-

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fachmann/-frau: 45,8 Prozent, Koch/Köchin:            Beschäftigungsverluste und mangelnde
               38,5 Prozent). Aber auch bei den Friseuren/-          Perspektiven beim Einstieg in den Arbeits-
               innen erreichen annähernd 40 Prozent kei-             markt – in der Rezession werden keine oder
               nen positiven Lehrabschluss. Im Einzelhan-            weniger neue Stellen geschaffen – Erstbetrof-
               del schließt jeder fünfte Lehrling nicht              fene.
               erfolgreich ab.
                                                                     Im März 2021 waren in Oberösterreich 9.507
               Hohe Drop-Out-Raten hängen zumindest                  (österreichweit rund 75.700) Jugendliche
               zum Teil mit den Ausbildungs- und Arbeits-            und junge Erwachsene bis 24 ohne Beschäf-
               bedingungen in den Ausbildungsbetrieben               tigung. Die Betroffenheit war je nach Bran-
               zusammen. Es bedarf vereinter Anstrengun-             che, Region, Staatsbürgerschaft oder auch
               gen, mehr junge Leute in der Ausbildung zu            Bildungsabschluss sehr unterschiedlich. Be-
               halten, bessere Prüfungsergebnisse zu erzie-          sonders betroffen waren junge Erwachsene
               len und ein Nicht-Antreten hintanzuhalten.            zwischen 20 und 24 Jahren. Diese jungen
               Angesichts der starken Streuungsdifferenzen           Erwachsenen haben ein hohes Arbeitslosen-
               erscheint hier ein branchenspezifisches Her-          risiko, für sie greift auch die „Ausbildung
               angehen geboten.                                      DKU| p PKEJV 0WP TÀEJV UKEJ CWEJ FCUU FKG
                                                                     vorangegangene Bundesregierung die Mittel
                                                                     für die Ausbildungsgarantie für junge
               Corona – Jugendliche und junge                        Erwachsene zwischen 19 und 24 Jahren ge-
               Erwachsene am Arbeitsmarkt                            MØT\V FKG| ØDGTDGVTKGDNKEJG .GJTCWUDKNFWPI
               besonders betroffen                                   geschwächt und die Ausbildungsbeihilfe
                                                                     für junge Erwachsene über 18 Jahre in
               In der Corona-Krise waren und sind Jugend-            einer überbetrieblichen Lehrausbildung be-
               liche und junge Erwachsene durch hohe                 schnitten hat.

                            AK-FORDERUNGEN!

                    Gezielte präventive Maßnahmen schon im Schulsystem zur Vermeidung von Bildungs-
                    abbrüchen.
                    Umsetzung eines Jugendrettungspaketes, mit der Zielsetzung ausreichend Kapazitäten in
                    überbetrieblichen Lehrausbildungen, in niederschwelligen Angeboten sowie in der Schule zu
                    schaffen um allen Jugendlichen eine qualitätsvolle Ausbildung zu sichern.
                    Ausbildungsgarantie für junge Erwachsene zwischen 20 und 24 Jahren. Spätestens nach vier
                    Monaten Arbeitslosigkeit sollten alle jungen Erwachsenen ein Angebot von AMS für eine
                    Schulung oder einen Job bekommen. Die Kürzung der Ausbildungsbeihilfe für junge Erwach-
                    sene in überbetrieblichen Lehreinrichtungen um mehr als die Hälfte ist zurückzunehmen.
                    Kostenloses Nachholen von Lehrabschlüssen sowie die Übernahme der Kosten für die Prü-
                    fungsgebühren im zweiten Bildungsweg und – analog zur Regelung für Lehrlinge – auch für
                    allfällige Wiederholungsprüfungen. Vorbereitungsunterlagen für die Prüfung sollen generell
                    kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
                    Die Lehrstellenförderung soll vor allem von der Qualität der Ausbildung abhängen und auch
                    Anreize zur Unterstützung lernschwächerer und benachteiligter Jugendlicher schaffen.
                    Ausbau sozialraumorientierter, aufsuchender Jugendarbeit, um Jugendliche zu motivieren,
                    die Ausbildung fortzusetzen.
                    Die Kapazitäten des kostenlosen psychologischen und psychotherapeutischen Angebots für
                    Jugendliche und junge Erwachsene müssen rasch erweitert werden, damit ihnen etwa bei der
                    Bewältigung der Arbeitslosigkeit geholfen werden kann.
                    Freifahrt und „Jugendticket-Netz“ für alle Jugendlichen in Ausbildung – auch für jene, die sich
                    in Produktionsschulen, Berufsorientierungskursen und Stabilisierungsprojekten befinden.

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4. IN AUS- UND WEITERBILDUNG INVESTIEREN!

                4.1. BERUFLICHE ERSTAUSBILDUNG STÄRKEN
                UND VERBESSERN!
                                   Die berufliche Erstausbildung nimmt aus                                und zur Vermeidung von Doppelgleisig-
                                   Arbeitnehmer/-innensicht einen hohen Stel-                             keiten.
                                   lenwert ein. Beispielsweise sicherten und
                                   sichern die Berufsbildenden Höheren Schu-
                                   len (BHS) breiten Schichten einen guten Zu-                            Für eine starke duale Ausbildung
                                   gang zu höherer und in Folge auch zu akade-
                                   mischer Bildung. Auch die – international                              Die duale Ausbildung ist ein wichtiges Stand-
                                   anerkannte – Lehre und die Fachschulen                                 bein des österreichischen Berufsbildungssys-
                                   können jungen Arbeitnehmern/-innen gute                                tems. Die Sicherung der Ausbildungsqualität
                                   Perspektiven im Berufsleben vermitteln.                                soll in allen Lehrbetrieben durch ein ver-
                                                                                                          pflichtendes Qualitätsmanagement garan-
                                   Die Berufschancen nach Abschluss einer                                 tiert werden. Das soll sicherstellen, dass das
                                   Fachschule variieren stark nach Fachrich-                              Berufsbild umfassend vermittelt wird, denn
                                   tung. Nach einem vollzeitschulischen Berufs-                           in manchen Betrieben und Branchen errei-
                                   abschluss mit niedrigen Erwerbsquoten wird                             chen auffallend viele Lehrlinge den Lehrab-
                                   oft noch eine zusätzliche Ausbildung, meis-                            schluss nicht. Das Ausbildungssystem unter-
                                   tens eine Lehre, absolviert. Wesentlich ist,                           scheidet derzeit viel zu wenig zwischen
                                   dass bereits Kompetenzen erworben wurden,                              Unternehmen, die ordentlich ein ganzes Be-
                                   die im späteren Berufsleben und bei weiteren                           rufsfeld vermitteln und denen, die Lehrlinge
                                   Ausbildungen hilfreich sind. Die unter-                                einfach als billige Hilfskräfte einsetzen. Die
                                   schiedlichen Wege der beruflichen Erstaus-                             Herausforderung für die Qualitätssicherung
                                   bildung müssen noch besser aufeinander                                 der Zukunft ist, dass es kein Zufall sein darf,
                                   abgestimmt und gegenseitige Anrechnungs-                               ob die Ausbildung das geforderte Level er-
                                   möglichkeiten intensiviert werden – in Hin-                            reicht. Es braucht daher gezielte Maßnahmen
                                   blick auf eine gewünschte Durchlässigkeit                              für gute Ausbildungsplätze.

                                    AUSBILDUNGSQUALITÄT IN DER LEHRE

                                     Bitte bewerten sie folgende Aussagen zu deiner Ausbildung im Betrieb

                                                                                       0%          20 %       40 %       60 %       80 %         100 %

                                     Ein Ausbildungsplan für den
                                     betrieblichen Teil meiner Aus-                                44%                       35%           22%
                                     bildung liegt mir vor. (=5213)

                                     Die Ausbildungsdokumentation
                                                                                                  36%                  35%            30%
                                     erfolgt regelmäßig. (=5203)

                                                                                            Ja    Nein    Weiß nicht

                                      Quelle: 3. Österreichischer Lehrlingsmonitor, 2019, ÖIBF.

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Dazu gehört auch eine regelmäßige fachliche       ausbildungsübergreifend gefragt werden:
               und pädagogische Weiterqualifizierung der         Wieviel Spezialisierung ist erforderlich, för-
               Ausbilder/-innen. Hier gilt es sicherzustellen,   derlich oder sogar hinderlich? Müssen junge
               dass den für Ausbildung zuständigen Mit-          Menschen auf Fachlichkeit vorbereitet wer-
               arbeitern/-innen auch ausreichend Zeit für        den oder verstärkt darauf, dass sich Professio-
               die pädagogische und fachliche Weiterbil-         nen immer rascher wandeln? Die Ausbildung
               dung und Unterstützung der Lehrlinge zur          muss etwas wert sein: Sie muss den Auszu-
               Verfügung gestellt wird, also diese wichtige      bildenden ein gutes, stabiles Fundament an
               Tätigkeit nicht „nebenbei“ erfolgt. Teilprü-      langlebigen und fächerübergreifenden Kom-
               fungen zur Mitte der Lehrzeit sollen den          petenzen für Beruf und Alltag liefern.
               Ausbildungsfortschritt überprüfen und auf
               die Lehrabschlussprüfung angerechnet wer-
               den. Lehrlinge, die sich für das Modell
               „Lehre mit Matura“ entscheiden, sollen mehr
               betriebliche Unterstützung für Lernzwecke                   AK-FORDERUNGEN!
               erhalten.
                                                                    Verstärkte Angebote zur Berufs- und Bildungswegorientierung
               2020 war die Zahl der Lehranfänger/-innen
               rückläufig. Dafür gibt es mehrere Erklärungs-        Gegenseitige verbindliche und transparente Regelungen zur
               ansätze. Zum Beispiel herrscht laut jüngsten         Anerkennung und Anrechnung zwischen verschiedenen Teilen des
               Umfragen unter Schülern/-innen, Eltern und           Berufsbildungssystems (höhere und mittlere Schulen, Lehre,
               Lehrkräften die Annahme, dass es zurzeit             außerschulische Ausbildungseinrichtungen)
               keine guten Chancen gäbe sich erfolgreich
               für eine Lehrstelle zu bewerben. Es fehlen           Zukunftsträchtige kostenlose Ausbildung auch im öffentlichen
               Möglichkeiten der praktischen Berufsorien-           berufsbildenden Schulsystem anbieten, etwa öffentliche höhere
               tierung. Es ist zu befürchten, dass sich viele       Lehranstalten für Sozialbetreuung und Pflege in Oberösterreich
               Jugendliche mangels Perspektive zurück-              Einheitliche und nachvollziehbare Qualitätsstandards für die
               ziehen. Auch das betriebliche Lehrstellen-           betriebliche Ausbildung, verpflichtende Qualitätsüberprüfung zur
               angebot ist – je nach Branche – aufgrund             Mitte der Lehrzeit, um Ausbildungsdefizite noch während der
               ungewisser Zukunftsperspektiven mit gro-             Lehrzeit beseitigen zu können. Ausbildungsbetriebe sollen außer-
               ßen Unsicherheiten behaftet. Jahr für Jahr           dem eine digitale Ausbildungsdokumentation führen.
               befinden sich 10.000 bis 12.000 Jugendliche
               österreichweit in einer überbetrieblichen            Die betriebliche Lehrstellenförderung muss in Zusammenarbeit mit
               Lehrausbildung. Das deutet an, dass weniger          den Sozialpartnern/-innen reformiert werden. Keine Gießkannenför-
               das Interesse an einer Lehre abnimmt als dass        derungen mehr! Das Lehrlingseinkommen soll bis zu 50 Prozent und
               vielmehr die Betriebe nicht in der Lage/wil-         bis zu sechs Monate übernommen werden, wenn ein Lehrling in ein
               lens sind, diese Potentiale zu entwickeln.           Regellehrverhältnis übernommen wird. Betriebe, die mit der
               Insgesamt zeigt sich im Langzeitvergleich            Lehrlingsausbildung beginnen, sollen im ersten Lehrjahr mit bis zu
               eine abnehmende Ausbildungsbereitschaft              50 Prozent des Lehrlingseinkommens gefördert werden. Es soll
               der Betriebe.                                        zudem ein zielgerichtetes Bonussystem für Betriebe geben, die
                                                                    • mit einer Lehrlingsausbildung beginnen oder diese nach zehn
                                                                      Jahren wieder aufnehmen,
               Wie sinnvoll ist Spezialisierung?                    • einen Ausbildungsplan vorlegen können,
                                                                    • den Lehrlingsstand halten,
               Gleichermaßen für alle Formen beruflicher
                                                                    • ihre Lehrlinge zur Abschlussprüfung anmelden oder Schulabbre-
               Erstausbildung gilt: Es bedarf eines breiten
                                                                      chern/-innen die Lehrzeit nach rechtlichen Möglichkeiten auf ein
               gesellschaftlichen Diskurses, wie sinnvoll der
                                                                      Mindestmaß verkürzen.
               künftig noch rasantere technologische und
               digitale Wandel eine sehr frühe und intensive        Nachhaltige Verbesserung des Prüfungssystems in der dualen
               Spezialisierung erscheinen lässt oder ob dies        Ausbildung: Zeitgemäße, transparente, zielgruppengerecht
               nicht zentrale Aufgabe der (über-)betrieb-           aufbereitete Prüfungsanforderungen und -inhalte.
               lichen Weiterbildung ist. Es muss künftig

                                                                                                                                         13

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4.2. MEHR ZEIT UND GELD FÜR
                WEITERBILDUNG!

                                   Bildung hört nicht mit dem Ausbildungs-                                          Bildung fördert Mitbestimmung und gesell-
                                   oder Studienabschluss auf. Die Zukunft der                                       schaftliche Teilhabe.
                                   Arbeit, die Digitalisierung, die Sicherung von
                                   Demokratie und Partizipation brauchen le-                                        Es braucht eine nationale Weiterbildungs-
                                   bensbegleitendes Lernen. Kompetenzen und                                         strategie unter Einbeziehung aller relevanten
                                   Fähigkeiten müssen immer wieder erneuert                                         Akteure mit einer verbesserten Verzahnung
                                   und erweitert werden, um in der Arbeitswelt                                      zwischen Bund, Ländern, AMS und Sozial-
                                   bestehen zu können. Die am öftesten genann-                                      partnern/-innen, mit transparenten Förder-
                                   ten Motive für Weiterbildung sind das Nach-                                      strukturen sowie der Schließung bestehender
                                   holen von Berufs- und Bildungsabschlüssen,                                       Förderlücken. Zentrales Anliegen muss sein,
                                   Wünsche nach einem Berufswechsel, eine                                           dass Arbeitnehmer/-innen sich darauf ver-
                                   Verbesserung der beruflichen Position und                                        lassen können, dass sie den anstehenden
                                   des beruflichen Verlaufs sowie die Sicherung                                     Transformationsprozessen nicht schutzlos
                                   der Beschäftigung.                                                               ausgeliefert sind, sondern diese bestbestimmt
                                                                                                                    bewältigen können. Die Erwachsenenbil-
                                   Berufliche Weiterbildung ist vielfach Privat-                                    dung muss mittelfristig als vierte Säule des
                                   sache: Arbeitnehmer/-innen, die sich weiter-                                     österreichischen Bildungssystems etabliert
                                   bilden möchten – und dazu sind sehr viele                                        werden.
                                   bereit –, müssen vielfach die Kosten dafür
                                   selbst tragen und ihre Freizeit opfern. Von
                                   guter Qualifikation profitieren aber nicht nur                                   Zugang zu Weiterbildung ebnen
                                   die oder der Einzelne, sondern auch die
                                   Arbeitgeber/-innen, die Wirtschaft und die                                       Betrachtet man die Weiterbildungsbeteili-
                                   Gesellschaft. Weiterbildung ist auch eine ge-                                    gung in Abhängigkeit vom Bildungsniveau,
                                   sellschaftspolitische Aufgabe. In Zeiten von                                     so zeigt sich: je höher der Abschluss, umso
                                   „Fake News“ und Angriffen gegen unsere                                           höher die Partizipation und die betriebliche
                                   gesellschaftlichen Werte muss die politische                                     Unterstützung für innerbetriebliche Weiter-
                                   Bildung einen höheren Stellenwert erhalten.                                      bildung.

                                    EU-BENCHMARK LEBENSLANGES LERNEN NACH BILDUNGSNIVEAU UND GESCHLECHT

                                                                     5,5
                                         Pflichtschule                       7,1
                                                                   4,5
                                                                               8,1
                                                  Lehre                       7,7
                                                                                8,6
                                                                                             13,3
                                                   BMS                                11,3
                                                                                               14,2
                                                                                                                                 24,1
                                                   AHS                                                                              25,4
                                                                                                                              23,0
                                                                                                                  19,9
                                                    BHS                                                    18,1
                                                                                                                         21,6
                                          Hochschule,                                                                                             31,3
                                                                                                                                           27,4
                                           Akademie                                                                                                      33,7
                                                          0              5            10              15                 20           25          30            35   40 %

                                                              Zusammen                Männlich             Weiblich

                                     Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2018. Die EU-Benchmark Lebenslanges Lernen misst den Anteil
                                     der 36- bis 64-Jährigen, die in den letzten vier Wochen an einer Aus- oder Weiterbildung teilgenommen haben.

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Zugangsbarrieren zu Bildung aufgrund von
               sozio-ökonomischem Status, ein Problem im
               gesamten Bildungssystem, existieren damit
               auch auf der vermeintlich individuellen
               Ebene der betrieblichen Erwachsenenbil-
               dung. Unternehmen müssen verstärkt alle
               Mitarbeiter/-innen bei betrieblicher Weiter-
               bildung unterstützen, dies gilt insbesondere
               für formal gering qualifizierte Menschen, die
               mit höherer Wahrscheinlichkeit von nega-
               tiven Auswirkungen der Digitalisierung be-
               troffen sind. Primär gilt es, die Motivation von
               Lernenden zu erhöhen – bei gleichzeitiger
               Abkehr von der „Defizitorientierung“. Die
               Einbeziehung von Arbeitnehmern/-innen,
               vor allem auch der Betriebsräte/-innen, in die
               Gestaltung der betrieblichen Weiterbildungs-
               möglichkeiten ist deshalb besonders wichtig.

               Das Nachholen eines Berufsabschlusses ist
               weiterhin eine kosten- und zeitintensive An-
               gelegenheit. Zum Beispiel kann eine Vorbe-
               reitung zum Berufsabschluss 4.000 Euro und         Weg holen in Oberösterreich jährlich rund
               mehr kosten, die im Regelfall vorfinanziert        150 Personen in relativ kurzer Zeit und kos-
               werden muss. Bildungsförderungen kommen            tengünstig ihren Berufsabschluss nach – mitt-
               (zumindest in Oberösterreich) erst nach Ab-        lerweile seit 2011 über 1000 Personen in
               schluss von Vorbereitungslehrgängen zum            1DGTÒUVGTTGKEJKP|CPIGDQVGPGP$GTWHGP
               Tragen. Auch eine Berufsreifeprüfung schlägt
               sich mit über 4.000 Euro zu Buche. Zwar gibt       Die Abkehr von Defizitperspektiven und die
               es auch die kostenlose Möglichkeit, eine           Forcierung vorhandener Kompetenzen und
               Matura an einer Schule für Berufstätige            Stärken baut Vorurteile ab, beeinflusst die
               (Abendschule) nachzuholen, allerdings ist          Selbstbilder der betroffenen Personen positiv
               dies sehr zeitraubend und dauert in der Regel      und trägt zur Motivation bei. Darauf wird
               vier Jahre.                                        auch bei der Erstinformation für Interessen-
                                                                  ten/-innen am Projekt „Du kannst was!“ im
                                                                  Rahmen der AK-Bildungsberatung großes
               Wege abseits des formalen                          Augenmerk gelegt.
               Bildungssystems
                                                                  Hier gilt es, die Übertragbarkeit derartiger
               Um Zeit und Kosten zu reduzieren, gilt es          Modelle auf andere arbeitsmarktpolitisch
               verstärkt, neue Wege außerhalb des formalen        relevante Bereiche zu prüfen und einen indi-
               Bildungssystems anzudenken. Mit dem Kom-           viduellen Rechtsanspruch auf Validierung
               petenzanerkennungsmodell „Du kannst                von Berufserfahrung – wo es möglich und
               was!“ wurde bereits vor Jahren ein Weg             sinnvoll ist – zu etablieren.
               beschritten, durch Anerkennung von Berufs-
               erfahrung das Nachholen eines Berufsab-
               schlusses, nonformal und informell erwor-          In gesellschaftlich notwendige und
               benen Kompetenzen zu ermöglichen. Dieses           sinnvolle Weiterbildungen investieren!
               bewährte oberösterreichische Sozialpartner-
               Projekt, in dem durch Kompetenzanerken-            Seit Jahren ist ein massiver Wandel in der
               nung vorhandene Stärken identifiziert wer-         Arbeitswelt beobachtbar. Berufe und Bran-
               den und durch maßgeschneiderte Weiter-             chen verschwinden, völlig neue entstehen,
               bildung noch fehlendes Wissen für die Erlan-       etwa in Zusammenhang mit dem digitalen
               gung eines Berufsabschlusses vermittelt wird,      Wandel. In anderen Feldern steigt der Bedarf
               gilt es österreichweit auszubauen. Auf diesem      nach qualifiziertem Personal, wie etwa im

                                                                                                                  15

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Gesundheits- und Sozialbereich. Es ist höchst      ihre Arbeitszeit und verzichten auf einen Teil
                                          an der Zeit, zielgerichtet für zukunftsfähige      ihres Einkommens. Der Arbeitgeber bezahlt
                                          Berufe und Aufgaben zu qualifizieren.              weiterhin das Entgelt und die Sozialabgaben
                                                                                             für das ursprüngliche Entgelt. Die Differenz
                                          Zum Beispiel muss in die Ausbildung in den         zwischen Arbeitsleistung und Nettolohn
                                          Pflege- und Sozialbetreuungsberufen inves-         wird vom AMS übernommen.
                                          tiert und eine existenzsichernde Absicherung
                                          schon während dieser Zeit geschaffen wer-          Die Weiterbildung ist so angedacht, dass
                                          den. Die bisherigen Erfahrungen zeigen je-         | 2TQ\GPV FGT -QUVGP HØT CTDGKVUDG\QIGPG
                                          doch, dass Pflegekräfte häufig die Ausbildung      Weiterbildungen in externen Einrichtungen
                                          abbrechen oder kurz nach Abschluss der Aus-        der Arbeitgeber übernimmt und 60 Prozent
                                          bildung den Pflegebereich wieder verlassen,        das AMS. Für den/die Arbeitnehmer/-in ist
                                          weil sie unter den derzeitigen Bedingungen         das Weiterbildungsangebot somit kostenlos.
                                          nicht arbeiten können oder wollen.                 Insofern ist das sowohl für den/die Arbeitneh-
                                                                                             mer/-in als auch für den Betrieb von Vorteil.
                                          Es braucht daher eine Attraktivierung der          Diese Schulungsbeihilfe gilt bis Ende Juni
                                          Pflegeausbildung, eine Verbesserung der Ar-        2021. Die vom AMS geförderte Weiterbil-
                                          beitsbedingungen und eine deutlich höhere          dung muss vom Betrieb beauftragt werden.
                                          Entlohnung.
                                                                                             Arbeitgeber haben das Recht, eine Unterbre-
                                                                                             chung und/oder einen vorzeitigen Abbruch
                                          Kurzarbeit für Weiterbildung nutzen!               der Bildungsmaßnahme anzuordnen (müssen
                                                                                             dann aber die vollen Kosten tragen). Bei Been-
                                          Kurzarbeit war und ist eine von den Sozial-        digung der Kurzarbeit haben Arbeitnehmer/-
                                          partnern/-innen ausverhandelte Maßnahme            innen einen Rechtsanspruch, innerhalb von
                                          um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Grund-          18 Monaten die Weiterbildung abzuschließen.
                                          sätzlich ist die Kurzarbeit eine Vereinbarung
                                          zwischen Arbeitgeber/-in und den Beschäf-
                                          tigten über eine kurzfristige Reduktion der        Recht auf Aus- und Weiterbildung
                                          Arbeitszeit mit Zustimmung der Sozialpart-
                                          ner/-innen (Wirtschaftskammer und Gewerk-          In Schweden haben Erwachsene eine Recht,
                                          schaft). Sie ermöglicht, dass das Dienstver-       bisherige Ausbildungen abzuschließen, neue
                                          hältnis der Arbeitnehmer/-innen aufrecht           anzufangen oder eine weiterführende (Aus-)
                                          bleibt und sich der Verdienstentgang in            Bildung abzuschließen. Dies hat den Zugang
                                          Grenzen hält. Die Beschäftigten reduzieren         zu höherer Bildung und damit besseren Ar-
                                                                                             beitsmarktchancen zur Folge. Um dieses Recht
                                                                                             zu ermöglichen sind eine hohe finanzielle
                                                                                             Absicherung während der Weiterbildung so-
                            AK-FORDERUNGEN!                                                  wie entsprechend öffentliche Förderungen
                                                                                             der Weiterbildungsmaßnahmen Vorausset-
                    Kostenlose Angebote für das Nachholen von Lehrabschlüssen und
                                                                                             zung. In Dänemark haben sich Ansätze von
                    der Berufsreifeprüfung
                                                                                             „educate first“ effektiver als „work first“ her-
                    Rechtsanspruch auf Bildungskarenz und Bildungsteilzeit                   ausgestellt. Vorrangiges Ziel ist nicht, dass
                    Rechtsanspruch auf Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen            Arbeitslose jeden Job um jeden Preis anneh-
                    Rechtsanspruch auf eine Woche Bildungsfreistellung pro Jahr              men müssen, sondern die nachhaltige Inte-
                    Qualifizierungsgeld bzw. Ausbau und Absicherung des Fachkräfte-          gration in den Arbeitsmarkt. Österreich ist
                    stipendiums zur Existenzsicherung bei längerfristigen Ausbildungen.      von einem derartigen Aus- und Weiterbil-
                    Starke finanzielle Anreize für Um- und Wiedereinsteiger/-innen für       dungsrecht für Erwachsene noch weit ent-
                    Ausbildungen in Pflege- und Sozialbetreuungsberufe als gemeinsa-         fernt. Die derzeitigen Aus- und Weiterbil-
                    me Initiative von Bund, Land OÖ, AMS und Arbeitgebern                    dungsinstrumente werden einer dynamischen
                    Rücknahme der Kürzungen beim oö. Bildungskonto, Ausbau der               Wirtschaft nicht mehr gerecht. Ein ausgebau-
                    Förderungen                                                              tes und langfristig abgesichertes Fachkräfte-
                    Anhebung der Altersgrenze für das Selbsterhalterstipendium auf 45        stipendium bzw. ein neues Qualifizierungs-
                    Jahre für Personen, die sich in Richtung Hochschule orientieren wollen   geld zur Existenzsicherung während Aus- und
                                                                                             Weiterbildungen ist ein Gebot der Stunde.

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5. DIE HERAUSFORDERUNGEN DER
                DIGITALISIERUNG ANNEHMEN!
                DIGITALISIERUNG MIT WEITSICHT GESTALTEN!

               Digitalisierung ist ein Sammelbegriff, der        der Arbeiterkammer OÖ im Mai 2020 hat er-
               eine Reihe von technischen und gesellschaft-      geben, dass sowohl die Kompetenz der Päda-
               lichen Veränderungen beschreibt, ausgehend        gogen/-innen als auch der Kinder und Eltern
               vom Fortschritt im Bereich der Datenver-          im Bereich der Anwendung und des digita-
               arbeitung und -übermittlung der letzten           len Unterrichts ausbaufähig ist: Ein wesent-
               zwanzig Jahre. Während vor einigen Jahren         licher Kritikpunkt der Eltern war die Ver-
               noch von “Arbeit 4.0” und der vierten indust-     wendung von zu vielen unterschiedlichen
               riellen Revolution die Rede war, so sind es       Plattformen zur Kommunikation von Auf-
               derzeit künstliche Intelligenz, Augmented         gaben. Das sorgte für Verwirrung und Stress.
               Reality und Robotik, die Arbeitsprozesse und
               Leben beeinflussen. Diese Entwicklungen           Mehr als ein Drittel der Familien musste für
               zeigen, wie schwierig es ist, digitale Innova-    das Lernen zuhause in technische Ausstat-
               tion vorherzusehen – gerade deswegen muss         tung investieren. Vor allem Tablets und Lap-
               unser Bildungssystem stärker und überlegter       tops, Drucker und Druckerpatronen mussten
               damit umgehen.                                    angeschafft werden. 40 Prozent der Familien
                                                                 mit Haushaltseinkommen unter 2.500 Euro
                                                                 können sich diese Anschaffungen kaum leis-
               Zugang und Kompetenz                              ten. Bei Alleinerziehern/-innen und Mehr-
                                                                 kindfamilien liegt der Anteil mit 42 Prozent
               Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie und das       sogar noch etwas höher.
               damit verbundene „Herunterfahren“ vieler
               Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hat        Zugang heißt noch nicht Infrastruktur: Nur
               das große Potential der Digitalisierung für       weil ein Tablet oder ein PC mit Internet-
               unser tägliches Leben gezeigt. Gleichzeitig       anschluss im Haushalt vorhanden ist, heißt
               wurde aber auch die digitale Kluft verdeut-       das nicht, dass diese immer verfügbar sind,
               licht, die Home-Office und Distance-Lear-         wenn die Kinder sie brauchen. Wenn Schule
               ning ohne funktionierendem Zugang zu              digitale Infrastruktur benötigt, muss die öf-
               Internet, Smartphone oder Computer mit            fentliche Hand diese zur Verfügung stellen –
               sich bringt. In Österreich haben nach wie vor     genauso wie Schulbücher.
               rund zehn Prozent der Bevölkerung im Alter
               von 16 bis 74 Jahren das Internet noch nie
               benutzt. Diese Gruppe spaltet sich stark nach     Zugang ist nicht alles
               Alter und nach Geschlecht: Der Anteil der
               „Nichtnutzer/-innen“ ist bei 16- bis 24jähri-     Das gilt auch für Medienkompetenz und den
               gen sehr klein (0,5 Prozent männlich und 0,6      sicheren Umgang mit dem und im Netz, das
               Prozent weiblich), bei Männern im Alter von       für den Großteil der Jugendlichen Teil ihres
               65 bis 74 Jahren aber mit 35 Prozent relativ      Alltags und ihrer Lebenswelt ist. Dement-
               groß und bei Frauen im gleichen Alter mit 48      sprechend muss sie auch in der Schule reflek-
               Prozent sehr groß.                                tiert und behandelt werden. Das beinhaltet
                                                                 Datensicherheit und einen gesunden Um-
                                                                 gang mit Smartphone und Tablet („Digital
               Digitalisierung macht Schule                      Detox“) ebenso wie die Themen Schönheits-
                                                                 ideale und Selbstdarstellung, respektvoller
               Dass der Zugang zu einem digitalen Endge-         Umgang in sozialen Medien (insbesondere
               rät alleine nicht ausreicht, hat auch die Phase   bei Meinungsverschiedenheiten) und Verhal-
               des „Heimunterrichts“ gezeigt. Eine Umfrage       ten bei Hass im Netz oder Cyberbullying –

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