Auslandsunterhalt - Tätigkeitsbericht des Bundesamts für Justiz für das Jahr 2020

 
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Auslandsunterhalt - Tätigkeitsbericht des Bundesamts für Justiz für das Jahr 2020
Auslandsunterhalt

    Tätigkeitsbericht
des Bundesamts für Justiz
    für das Jahr 2020
Auslandsunterhalt - Tätigkeitsbericht des Bundesamts für Justiz für das Jahr 2020
Tätigkeitsbericht 2020 Referat II 4   2

1.     Allgemeines

                                                 Liegenschaft Bundesamt für Justiz, Quelle:BfJ

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) ist als zentrale Behörde nach dem Auslandsunterhaltsgesetz
(AUG) von 2011 mit der grenzüberschreitenden gerichtlichen und außergerichtlichen Gel­
tendmachung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen betraut. Dabei unterstützt es in
Deutschland lebende Unterhaltsberechtigte bei der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprü­
che im Ausland und treibt umgekehrt die Unterhaltsansprüche im Ausland lebender Berech­
tigter in Deutschland bei. Die entsprechenden Aufgaben werden in Referat II 4 wahrgenom­
men. Maßgeblich sind folgende internationale Rechtsinstrumente:

-    Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit,
     das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die
     Zusammenarbeit in Unterhaltssachen; die Verordnung gilt seit dem 18. Juni 2011 in allen
     EU-Mitgliedstaaten. Für das Vereinigte Königreich gilt die EG-Unterhaltsverordnung in­
     folge des Austritts aus der EU seit dem Ende des Übergangszeitraums zum 31. Dezem­
     ber 2020 nicht mehr, kann jedoch nach den Bestimmungen des Austrittsabkommens im
     Einzelfall noch weiter Anwendung finden;

-    UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland
     vom 20. Juni 1956 (65 Vertragsstaaten);

-    Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendma­
     chung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen; es ist
     seit dem 1. August 2014 im Verhältnis zu Albanien, Bosnien-Herzegowina, Norwegen
     und der Ukraine anwendbar. Weiterhin wird es seit dem 1. Januar 2017 im Verhältnis zu
     den USA und Montenegro, seit dem 1. Februar 2017 im Verhältnis zur Türkei, seit dem
     1. November 2017 im Verhältnis zu Brasilien, seit dem 1. Juni 2018 im Verhältnis zu
     Weißrussland, seit dem 19. Oktober 2018 im Verhältnis zu Honduras, seit dem 14. Juni
     2019 im Verhältnis zu Kasachstan, seit dem 7. März 2020 im Verhältnis zu Guyana, seit
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        dem 18. April 2020 im Verhältnis zu Nicaragua, seit dem 1. Januar 2021 im Verhältnis
        zum Vereinigten Königreich und seit dem 1. Februar 2021 im Verhältnis zu Serbien ange­
        wendet.

Nach Inkrafttreten des Haager Unterhaltsübereinkommens von 2007 im Verhältnis zu den
USA verliert die förmlich verbürgte Gegenseitigkeit als Rechtsgrundlage für die grenzüber­
schreitende Unterhaltsdurchsetzung weiterhin an Bedeutung, da sie nun nur noch im Ver­
hältnis zu 11 kanadischen Provinzen/Territorien sowie im Verhältnis zur Republik Südafrika
gilt.

2.        Entwicklung im Jahr 2020

Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse:

-       Die weltweite Covid-19-Pandemie hatte in vielen Bereichen Auswirkungen auf die Tätig­
        keit von Referat II 4.

-       Die Anzahl der insgesamt anhängigen Verfahren ist mit 10.704 Akten und rund 14.300
        Antragstellern auf hohem Niveau konstant und – wohl in Folge der Corona-Pandemie –
        erstmals seit Inkrafttreten der EG-Unterhaltsverordnung im Jahr 2011 nicht weiter ange­
        stiegen (2019: 10.740 Akten; 2018: 10.400 Akten; 2017: 10.100 Akten; 2016: 9.600 Ak­
        ten).

-       Bei der Zahl der jährlichen Neueingänge ist entgegen der beständigen Steigerung in den
        Vorjahren mit gut 1.800 Akten und rund 2.300 Antragstellern ein Rückgang zu verzeich­
        nen (2019 knapp 2.200 Akten und gut 3.100 Antragsteller). Dies betrifft insbesondere aus
        dem Ausland eingehende Ersuchen. Es ist anzunehmen, dass sich Antragsteller aus
        dem Ausland aufgrund der Einschränkungen der Corona-Pandemie gehindert sahen, Er­
        suchen zu stellen.

-       Knapp 60 Prozent der 2020 neu eingeleiteten Verfahren betreffen Fälle, in denen sich die
        Unterhaltsberechtigten im Ausland aufhalten und der Unterhalt in Deutschland geltend
        gemacht werden soll („eingehende Ersuchen“). Hierbei gehen die mit Abstand meisten
        Ersuchen nach wie vor aus Polen ein (36 Prozent).
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-   Bei gut 40 Prozent der in 2020 neuen Verfahren (mit leicht steigender Tendenz) handelt
    es sich um Fälle, in denen sich die Unterhaltsberechtigten in Deutschland aufhalten und
    der Unterhalt im Ausland geltend gemacht werden soll („ausgehende Ersuchen“). Bei die­
    sen ausgehenden Ersuchen sind – wie in den Vorjahren – die USA (26 Prozent) mit Ab­
    stand der bedeutendste Kooperationspartner.

    Der weiterhin hohe Bedarf an Unterstützung bei grenzüberschreitenden Unterhaltsverfah­
    ren spiegelt sich in der Anzahl der allgemeinen Anfragen im Vorfeld förmlicher Anträge
    insbesondere der sog. „besonderen Maßnahmen“ zur Ermittlung des Aufenthaltes und
    der wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhaltspflichtigen Person wider. Zwar ist erstmals
    ein leichter Rückgang bei den Neuvorgängen zu verzeichnen, nachdem in den Vorjahren
    starke Steigerungen zu beobachten waren. Auch dieser ist vermutlich der Corona-Pande­
    mie zuzuschreiben. Insgesamt ist jedoch zu beobachten, dass die Unterstützungsleistun­
    gen und Informationsangebote des BfJ von den in Deutschland ansässigen Antragstel­
    lern trotz der allseits bestehenden Erschwernisse gut angenommen werden.

Im Einzelnen:

Angesichts der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Eindämmung des Coronavirus kam
es seit Mitte März 2020 sowohl im Inland als auch im Ausland teils zu Verzögerungen bei der
Fallbearbeitung (z. B. Verschiebung von Gerichtsterminen, verzögerte Übermittlung von An­
trägen). Der Sicherstellung der Weiterleitung von Unterhaltszahlungen kommt im BfJ hohe
Priorität zu.

Aufgrund des konstant hohen Niveaus anhängiger Verfahren im Jahr 2020 verbleibt die Ar­
beitsbelastung unverändert hoch.
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Bei der Zahl der jährlichen Neueingänge ist entgegen der beständigen Steigerungen in den
Vorjahren ein Rückgang zu verzeichnen.
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Der weitaus größte Teil der neu eingeleiteten Verfahren betrifft Ersuchen nach der EG-Unter­
haltsverordnung.

Rund 26 Prozent aller durch das BfJ in das Ausland geleiteten Ersuchen werden in die USA
übermittelt. Damit sind die USA weiterhin der bedeutendste Kooperationspartner bei den
ausgehenden Ersuchen. Als weitere besonders bedeutsame Staaten, in die das BfJ Ersu­
chen übermittelt, sind die Schweiz (16 Prozent), Österreich (10 Prozent) und das Vereinigte
Königreich (6 Prozent) zu nennen.
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Demgegenüber empfängt das BfJ die mit Abstand meisten Ersuchen aus Polen (36 Prozent
aller eingehenden Ersuchen). Weitere bedeutsame Staaten sind im Bereich der eingehenden
Ersuchen Österreich (17 Prozent), die Schweiz (9 Prozent) und Lettland (8 Prozent).

Die Prüfkomplexität in den einzelnen Verfahren ist hoch. Dies gilt insbesondere angesichts
der vielfältigen Rechtsgrundlagen und der nicht immer einheitlichen Auslegung bzw. prakti­
schen Handhabung der Rechtsinstrumente. Hinzu kommen Bezüge insbesondere zum natio­
nalen und ausländischen Familienrecht (Unterhalts-, Abstammungs-, Sorgerecht) und zum
deutschen Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht.

Durch die Corona-Pandemie war Referat II 4 im Jahr 2020 bei der Ausrichtung der sonst üb­
lichen Schulungen, Fortbildungen und Tagungen im Präsenzbetrieb äußerst eingeschränkt.
Anfang März 2020 fand in Potsdam noch eine Veranstaltung für Beistände aus den Jugend­
ämtern Brandenburgs statt, bevor ab Mitte März für den Rest des Jahres keine Präsenzver­
anstaltungen mehr durchgeführt werden konnten. Im Rahmen seines internationalen Enga­
gements konnte BfJ Anfang Februar erfreulicherweise noch den International Roundtable
des International Subcommittee der National Child Support Enforcement Association
(NCSEA), einem US-amerikanischen Zusammenschluss von Leitungs- und Fachkräften aus
den Unterhaltsbehörden, an der Deutschen Botschaft in Washington D.C. ausrichten. Im
Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzwerkes in Zivilsachen (EJN) fand im November
2020 ein Treffen der Zentralen Behörden nach der EG-Unterhaltsverordnung in virtueller
Form statt.
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Coronabedingt wurde die ursprünglich schon für den Sommer 2020 vorgesehene Spezial­
kommission zum Haager Unterhaltsübereinkommen von 2007 und Haager Unterhaltsproto­
koll von 2007 auf 2022 verschoben. Die bereits im Jahr 2019 begonnenen Vorbereitungen
wurden fortgeführt, etwa durch Treffen der von der Haager Konferenz ins Leben gerufenen
Expertengruppe zum internationalen Zahlungsverkehr in Unterhaltssachen oder weiterer Ar­
beitsgruppen.

Zudem führt Referat II 4 seine Mitwirkung bei der Einführung des von der Haager Konferenz
für Internationales Privatrecht entwickelten elektronischen Fallmanagement- und Kommuni­
kationssystems „iSupport“ fort.

3.   Ausblick

Die Entwicklung und die Durchführung von Präsenzveranstaltungen im Bereich Auslandsun­
terhalt wird insbesondere von der weiteren Bewältigung der weltweiten Covid-19-Pandemie
abhängen.

Deutlich mehr Rechtssicherheit für den „Auslandsrückgriff“ durch Behörden (z.B. Unterhalts­
vorschusskassen) wurde durch eine Entscheidung des EuGH vom 17. September 2020 er­
zielt (Rs. C-540/19). Danach kann sich eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrich­
tung, die im Regresswege Beträge einfordert, die sie als Unterhalt an einen Unterhaltsbe­
rechtigten gezahlt hat, dessen Ansprüche gegen den Unterhaltsverpflichteten auf sie überge­
gangen sind, sich auf die Zuständigkeit des Gerichts des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des
Unterhaltsberechtigten gemäß Art. 3 lit. b) der EG-Unterhaltsverordnung berufen. Damit
kann in solchen Fällen nunmehr rechtssicher ein Titel im Inland geschaffen werden, der dann
ggf. mit Hilfe des BfJ im Ausland vollstreckt werden kann.

Auch in Bezug auf den „Brexit“ besteht Rechtsklarheit über die bei der grenzüberschreiten­
den Unterhaltsdurchsetzung nach Ende des Übergangszeitraums im Dezember 2020 anzu­
wendenden Rechtsgrundlagen: So sieht das Brexit-Austrittsabkommen eine Weitergeltung
der EG-Unterhaltsverordnung in Bezug auf die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und
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Vollstreckung von Entscheidungen vor, die in bis zum 31.12.2020 eingeleiteten Gerichtsver­
fahren ergangen sind. Im Übrigen gilt in der weiteren Zusammenarbeit mit dem Vereinigten
Königreich für nach dem 31.12.2020 bei der ersuchten Zentralen Behörden eingegangene
Ersuchen und Anträge nunmehr das Haager Unterhaltsübereinkommen 2007.

Bonn, 18. März 2021
Bundesamt für Justiz, Referat II 4
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