AUSSEN WIRTSCHAFT DAS WAR DER LATEINAMERIKATAG 2019 - TRANSKRIPT DES VORMITTAGS VON "LATIN AMERICA MEETS VIENNA" | 14.05.2019, WKÖ - WKO

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AUSSEN WIRTSCHAFT DAS WAR DER LATEINAMERIKATAG 2019 - TRANSKRIPT DES VORMITTAGS VON "LATIN AMERICA MEETS VIENNA" | 14.05.2019, WKÖ - WKO
AUSSEN
WIRTSCHAFT
DAS WAR DER LATEINAMERIKATAG 2019

TRANSKRIPT DES VORMITTAGS VON „LATIN AMERICA MEETS VIENNA“ | 14.05.2019, WKÖ

VERSION 1 – JULI 2019
AUSSEN WIRTSCHAFT DAS WAR DER LATEINAMERIKATAG 2019 - TRANSKRIPT DES VORMITTAGS VON "LATIN AMERICA MEETS VIENNA" | 14.05.2019, WKÖ - WKO
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INHALTSVERZEICHNIS

BEGRÜSSUNG UND ERÖFFNUNG .............................................................. 2
        PATRICK SAGMEISTER, STELLVERTRETENDER LEITER DER AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA ...... 2
        JÜRGEN ROTH, VIZEPRÄSIDENT DER WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH (WKÖ) .................... 2
        MICHAEL ESTERL, GENERALSEKRETÄR DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR DIGITALISIERUNG UND
              WIRTSCHAFTSSTANDORT (BMDW) ................................................................................... 3

KEYNOTES ................................................................................................ 5
        ALEXANDER BUSCH, JOURNALIST & WIRTSCHAFTSKORRESPONDENT ........................................ 5
        J. HUMBERTO LÓPEZ, DIRECTOR STRATEGY & OPERATIONS, LATIN AMERICA REGION,
               WELTBANK ........................................................................................................................ 7

PODIUMSDISKUSSIONEN............................................................................ 9
        PANEL „MEXIKO, KOLUMBIEN UND BRASILIEN IM POLITISCHEN UMBRUCH“ .............................. 9
        PANEL „HANDELSABKOMMEN & WIRTSCHAFTLICHE INTEGRATION IN LATEINAMERICA“
               (USMCA, PAZIFIKALLIANZ, EU-MEXICO & EU-CHILE, MERCOSUR,
               ANDENGEMEINSCHAFT) .................................................................................................. 10
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BEGRÜSSUNG UND ERÖFFNUNG

PATRICK SAGMEISTER, STELLVERTRETENDER LEITER DER AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA

Kurze Umfrage im Publikum: die überwältigende Mehrheit hat schon geschäftliche Erfahrungen mit
Lateinamerika gesammelt, etwa 20% sind Neulinge in der Region.

Abriss Inhalt des Lateinamerika-Tages, B2B-Gespräche und Beratung durch Experten. Alle
Wirtschaftsdelegierten aus Lateinamerika stehen für Treffen zur Verfügung.

80% der lateinamerikanischen Bevölkerung lebt in Städten – der am stärksten urbanisierte
Kontinent der Welt – in einer Zeit der Veränderung: das bedeutet wiederum Chancen, auf die wir
heute hinweisen wollen.

Unsere Wirtschaftsbeziehungen sind ausbaufähig: nur 2% all unserer Exporte und 1% der Importe
bestehen mit dieser Region.
Der Lateinamerika-Tag konnte nur dank der tatkräftigen Unterstützung unserer Partner umgesetzt
werden: die Veranstaltung wird im Rahmen der mit dem Bundesministerium für Digitalisierung und
Wirtschaftsstandort gemeinsame Förderinitiative go-international sowie den Kooperationspartnern
Deutsche Leasing, FCR Law / Fleury, Coimbra & Rhomberg Advogados, Raiffeisen Bank
International, Wöss & Partners, Von Wobeser y Sierra und die OeKB organisiert.

Veranstaltungshinweis: am 22.10.2019 findet die Austria Connect Brasilien in Sao Paulo statt, wo
sich Niederlassungsleiter vor Ort und Firmenchefs aus Österreich treffen, um sich über die
Entwicklungen in der Region zu informieren, und Erfahrungen austauschen.

JÜRGEN ROTH, VIZEPRÄSIDENT DER WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH (WKÖ)

Ein volles Haus zu Lateinamerika zeigt Interesse am Thema.
Die Region war zuletzt viel in den Schlagzeilen, und zwar aufgrund von Präsidentschaftswahlen und
neue Regierungen in Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Mexiko, aber auch den politischen
Wirren in Venezuela.

Österreichische Unternehmen konnten durch die derzeit vorläufig angewendeten
Handelsabkommen der EU mit Kolumbien, Peru und Ecuador (Andengemeinschaft) sowie mit
Zentralamerika (die kürzlich vom österreichischen Nationalrat ratifiziert wurden) bereits zahlreiche
zusätzliche Vorteile im Handel mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen realisieren und ihre
Handelsbeziehungen mit diesen Ländern vertiefen. Wir erwarten uns vergleichbare Zuwächse durch
die derzeit verhandelte Modernisierung der Handelsabkommen mit Mexiko und Chile und erwarten
einen baldigen Abschluss. Wir sehen auch großes Potenzial für ein Handelsabkommen mit Mercosur
und hoffen, dass die letzten noch offenen Fragen möglichst bald gelöst werden können.

Trotz aller Unkenrufe hat sich der lateinamerikanische Markt für uns stetig nach oben entwickelt –
mit Ausnahme 2013 und 2014 sind unsere Exporte die letzten 10 Jahre gestiegen, zuletzt in 2018 auf
2,9 Mrd. Euro – ein neuer historischer Rekord, aber ebenso beim Handelsvolumen von 4,4 Mrd. Euro
und dem Handelsbilanzüberschuss zu unseren Gunsten von 1,4 Mrd. EUR. Seit 2005 haben sich
unsere Ausfuhren in die Region mehr als verdreifacht, seit 2008 verdoppelt.

Die Länder für sich haben sich natürlich unterschiedlich entwickelt, insbesondere abhängig von
ihrer eigenen Wirtschaftsdynamik und Basis.
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Mexiko etabliert sich immer stärker als Zugpferd für die ganze Region, mit zweistelligen
Zuwachsraten für unsere Exporte auf fast 1,3 Mrd. Euro. Auch die Investitionen dorthin entwickeln
sich erfreulich bei fast einer Mrd. Euro - trotz der Unsicherheiten, die von der US-Regierung
ausgehen.
Brasilien dürfte seine Durststrecke überwunden haben. Seit zwei Jahren wachsen unsere Exporte
wieder zweistellig auf über 800 Mio. EUR, wir sind aber noch weit weg von unserem Höchststand in
2012. Es stellt auch unser wichtigstes Investitionsland in der Region mit über 1,1 Mrd. Euro und 200
Niederlassungen dar. Wir sollten hier bald wieder kräftig durchstarten, insbesondere sobald die
Maschinenlieferungen richtig einsetzen.
Chile ist unser drittwichtigster Markt in der Region mit 200 Mio. Euro Ausfuhrvolumen, das zwar
nicht so dynamisch, aber stabil und verlässlich an Bedeutung für uns zulegt. Mit vielen
Handelsabkommen gilt Chile als eine der offensten Volkswirtschaften der Welt.
Mit Argentinien erleben wir ein regelmäßiges Auf und Ab, zuletzt bei 134 Mio. Euro Exporten. Wer
sich in volatilen Märkten wohl fühlt, ist dort gut aufgehoben. Es ergeben sich immer wieder neue
Chancen.
Bei Kolumbien machen wir ähnliche Erfahrungen (Ausfuhr von 105 Mio. Euro), das Land an sich
bietet konstantes Wachstum, gute rechtliche Rahmenbedingungen und hohe Geschäftschancen. Auf
der anderen Seite ist das Geschäft mit Venezuela fast ganz zum Erliegen gekommen.

Grundsätzlich beweist sich der Markt von 650 Mio. Einwohnern für alle Produkte als aufnahmefähig.
Wir sehen für die Region als Gesamtes besonders viel Potenzial für Maschinenbauerzeugnisse und
Infrastrukturlieferungen (Anteil von 50% an unseren Exporten). Die Nachfrage nach
Industrieanlagen und Sondermaschinen für die Stahl-, Papier-, petrochemische sowie
Automobilindustrie zeigte besonderes Wachstum.

Der immense Nachholbedarf im Infrastrukturbereich bietet Firmen mit Know-how im Eisenbahn-,
Straßen- und Tunnelbau sowie bei Wasserkraft große Chancen. Die riesigen Städte Lateinamerikas
eröffnen Anbietern auf dem Gebiet von Technologie für “Smart Cities“ und dem urbanisierten
Bereich erhebliche Möglichkeiten. Auch für Alternativenergie und Umwelttechnik ergeben sich
zunehmend gute Aussichten. Vielversprechend ist weiters der Nachholbedarf im medizinischen
Sektor.

Zahlreiche österreichische Firmen haben sich in letzter Zeit erfolgreich in Lateinamerika installiert.
In Mexiko beispielsweise nahm iSi Automotive das erste Werk im ehem. NAFTA-Raum in Betrieb,
während die voestalpine dort eine neue Produktionsstätte für hochqualitative
Automobilkomponenten eröffnet hat. Lenzing baut in Brasilien die weltgrößte Faserzellstofffabrik
um eine Mrd. US-Dollar. Die brasilianische voestalpine Tochter Villares Metals eröffnete kürzlich ein
Services & Solutions Center in Südbrasilien.

Wir verfügen über engagierte Teams in fünf AußenwirtschaftsCentern in Lateinamerika, mit „jungen
wilden“ wie auch arrivierten, erfahrenen Wirtschaftsdelegierten an der Spitze. Nutzen Sie unser
Netzwerk vor Ort für Ihren beruflichen Erfolg!

MICHAEL ESTERL, GENERALSEKRETÄR DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR DIGITALISIERUNG UND
WIRTSCHAFTSSTANDORT (BMDW)

Danke für Organisation dieses wichtigen Forums und die gute Zusammenarbeit! Es ist wichtig, bei
diesem Thema an einem Strang zu ziehen, um unsere Außenwirtschaftsbeziehungen zu fördern.
Große Herausforderungen liegen vor uns, wir haben Überzeugungsarbeit zu leisten. Allen ist hier
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klar, wie wichtig Exporte und Handelsabkommen sind. Das BMDW bemüht sich, Österreichs Firmen
die richtigen Rahmenbedingungen zu geben, weil es für den Standort Österreich und Europa
entscheidend ist. Der Freihandel schafft für beide Seiten Vorteile und hebt gegenseitig den
Wohlstand. Das BMDW setzt auf die gemeinsame Arbeit auf europäischer Ebene in Kommissionen
der EU zum Vorantreiben von Handelsabkommen und der Reform der WTO, um den
Multilateralismus zu stärken.
In letzten 10 Jahren hat sich das Bruttoinlandsprodukt in Lateinamerika verdoppelt, zur selben Zeit
sind Österreichs Exporte um 65% gestiegen. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert bis
2024 ein 30%-iges BIP-Wachstum trotz der politischen Schwierigkeiten.
Gerade die Wirtschaft baut die Brücken mit dieser Region. Zur Unterstützung hat kürzlich der
österreichische Nationalrat grünes Licht betreffend der EU-Handelsabkommen mit Zentralamerika,
sowie der Andengemeinschaft mit Peru, Kolumbien und Ecuador gegeben.
Die neue Außenwirtschaftsstrategie des BMDW mit der WKÖ und dem BMEIA definiert klare
strategische Schwerpunkte: wie können wir österreichischen Firmen noch besser unterstützen. Die
Gespräche zur Verlängerung der Internationalisierungsoffensive go-international sollten in wenigen
Wochen zu einem Abschluss führen.

Buenos Aires hat kürzlich für die Expo 2023 den Zuschlag erhalten. Das BMDW setzt sich dafür ein,
dass es wieder ein Österreich-Haus geben wird.
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KEYNOTES

ALEXANDER BUSCH, JOURNALIST & WIRTSCHAFTSKORRESPONDENT

Herr Busch berichtet seit 25 Jahren als Wirtschaftskorrespondent aus Lateinamerika. Derzeit
erfährt man die größte Herausforderung, die weitere Entwicklung richtig einzuschätzen. Die Region
hat zehn sehr gute Jahre erlebt (sehr dynamische 2000-er Jahre), wobei man die letzten Jahre unter
starkem Druck geraten ist. Dies hat nun zu einem politischen und wirtschaftlichen Wandel geführt.
Lateinamerika steht für 650 Millionen Einwohner in 23 Ländern - 8% der Weltbevölkerung und des
Welt-BIPs, aber nur 3-4% des Welthandels. Der Kontinent ist in G20-Gruppe mit Argentinien,
Brasilien und Mexiko überdurchschnittlich gut vertreten, auch in der UNO können sie sich wegen der
großen Anzahl der Mitgliedsländer gut Gehör verschaffen.
Das nördliche Lateinamerika mit Mexiko und Zentralamerika ist stark in die Wirtschaft des Nordens
– sprich USA eingebunden. Diese technologischen Inseln orientieren sich nach dem Industriebedarf
der USA, 80% ihrer Lieferungen gehen dorthin. Als Konsequenz stellt sich Mexiko als offener Markt,
der auch für sich selbst eine relativ große Nachfrage generiert.
Südamerika auf der anderen Seite entspricht dem Typus eines Rohstofflieferanten. Der Osten an der
Atlantikseite mit Brasilien, Argentinien und Uruguay punktet mit ihrer wettbewerbsfähigen
Landwirtschaft (Versorgung mit den 20 weltweit wichtigsten Lebensmittelvorprodukten), während
der Westen an der Pazifikseite (von Chile aufwärts) industrielle Rohstoffe (Erze) liefert, die den
Aufbau von China und Fernost ermöglichen. Das ist mit ein Grund, warum in den verschiedenen
Ländern Lateinamerikas die Uhren unterschiedlich ticken.

Die extrem erfolgreichen 2000-er Jahre brachten ein durchschnittliches Wachstum von 4% - das
damals zweithöchste weltweit. Damit konnten die allgemeine Armut und soziale Gegensätze
abgebaut und eine neue Mittelschicht entstehen, die in Bildung und langfristige Konsumgüter
investieren. Der Rohstoffboom von 2003-2012 führte zu einem gewaltigen Hereinfließen von Kapital
für Investitionen.
Das hat sich nun geändert, der Boom ist vorbei, die Gelder wurden „verfrühstückt“: die Finanzmittel
wurden verkonsumiert und zu wenig in nachhaltige Investitionen gesteckt. Ein langsames Wachstum
(1% diese Dekade pro Kopf) mit erneut steigenden Einkommensunterschieden wird erwartet, damit
verbunden ein drohender Abstieg in die Armut für viele und die zunehmende Kriminalität (von 50 der
gefährlichsten Städte der Welt befinden sich 42 in Lateinamerika, ein Drittel der Morde weltweit
werden in Lateinamerika bei 8% der Weltbevölkerung verübt). Diese Entwicklungen beweisen das
Versagen des Staates, die Unzufriedenheit mit den staatlichen Leistungen für Bildung, Gesundheit
und Sicherheit steigt. Die große Frustration unter der Bevölkerung hat einen politischen Wandel
ausgelöst. Mittelamerika und Mexiko haben sich tendenziell nach links entwickelt, während
Südamerika nach rechts geht.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro bzw. Mexikos Präsident „AMLO“ Andrés Manuel López Obrador
gehören zwar zwei verschiedenen politischen Lagern an, ähneln sich aber in vielem. Die beiden
Länder stehen für zwei Drittel der Wirtschaftskraft und mehr als die Hälfte der Bevölkerung in
Lateinamerika. Beide Herren treten wie Populisten auf, obwohl sie seit 20 Jahren in der Politik sind
und nun zum Anti-Establishment gehören – es also geschafft haben, sich neu zu erfinden. Das
Programm von AMLO lautet: Kapitalismus korrigieren, der Staat greift in die Wirtschaftspolitik ein,
damit des dem Volk zugutekommt. Eine Mindestlohnerhöhung und der spektakuläre Stopp des
Flughafenausbaus ist als Botschaft zu verstehen, dass ihm die Bevölkerung ein größeres Anliegen
als die Wirtschaft ist.
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Bolsonaro kommt aus der Armee, setzt auf rechtsradikale Rhetorik und einem wirtschaftsliberalen
Programm mit einer Regierung aus Experten, sein Wirtschaftsminister bekam freie Hand zur
Besetzung. Damit verfügt Brasilien über das kompetenteste Kabinett aller Zeiten. Es stellt sich nur
die Frage, was Bolsonaro als Vertreter des Militärs und des Establishments verändern wird können.
Kein seriöser Wirtschaftsanalyst kann voraussehen, wie sich Mexiko und Brasilien in den nächsten
Jahren entwickeln werden. Der Kontinent bleibt trotz allem eine bedeutende Weltregion mit
höherem Einkommen als Indien, die man nicht links liegen lassen darf. Dies gilt insbesondere für
global agierende Unternehmen.

Argentinien agiert im wirtschaftsfreundlichen Umfeld, dessen Regierung unter Präsident Macri
heuer noch auf dem Prüfstand stehen wird. Venezuela ist politisch, wirtschaftlich und
gesellschaftlich gescheitert.

Gewaltige Auslandsinvestitionen kamen in den letzten Jahren nach Mexiko, Chile, Brasilien und den
Pazifikländern. Brasilien alleine zog in den letzten 12 Monaten 80 Mrd. USD an - damit liegt es knapp
hinter Deutschland, trotz aller Krisen und des derzeit noch schrumpfenden Konsummarktes.

Die größten Investitionsmöglichkeiten und Marktchancen bestehen derzeit in den Bereichen
Infrastruktur und Logistik, weil vor allem der Staat als Financier ausgefallen ist – es geht nur mehr
mit Privatkapital. Es besteht ein Hunger von Privatinvestoren an langfristigen Anlageformen wie
Privatisierungen von Flughäfen, Stromleitungen und Häfen, Versteigerung von neuen Öllizenzen u.ä.
Es sind weitere Privatisierungen zu erwarten. Rohstoffe sind nur etwas mit der entsprechenden
Logistik wert – man muss die Bodenschätze erst an die Küste zur Verschiffung bringen.

Im Energiesektor behält die Förderung von Erdöl und Erdgas ihren bedeutenden Stellenwert,
entscheidender wird jedoch der Aufbau nachhaltiger Energiequellen in allen lateinamerikanischen
Ländern, die Energiematrix verändert sich rasant in Richtung Solar- und Windenergie, das vor fünf
bis sechs Jahren begonnen hat und bestimmt noch zehn Jahre weitergehen wird, bis die Region ihre
Grenzen erreicht hat. In Brasilien ist zudem die Gewinnung von Ökostrom aus Bioethanol-Abfällen
und Bagasse relevant (mit diesen Ausgangsstoffen wird Brasilien in ein paar Jahren mehr Strom
erzeugen als in Argentinien alle Kraftwerke zusammen). Auch KMUs finden Zugang zu diesen
großen privaten Energieerzeugern aufgrund ihrer Nischenkompetenzen.

Lateinamerika erfährt in Bezug auf Korruption derzeit einen Paradigmenwechsel dank des Skandals
rund um das Baukonglomerat Odebrecht, der Involvierung von Petrobras und der Aufarbeitung
„Autowäsche“: in 14 lateinamerikanischen Staaten wurden Politiker bestochen, viele Prozesse
laufen noch, einige wurden bereits verurteilt (in Peru und Kolumbien ist man schon weiter, während
man in Argentinien erst am Anfang steht). Das kostet der Region derzeit 1 bis 1,5%
Wirtschaftswachstum. Genug der schlechten Nachrichten, denn Unternehmen, die Compliance ernst
nehmen, haben heute viel bessere Chancen als noch vor fünf Jahren. Der Umgang mit Korruption
hat sich völlig geändert. Anbieter für öffentliche Dienstleistungen aus Europa sind deshalb
prädestiniert, wo Compliance Tradition geworden ist. Wenn der Bürgermeister der 3-Millionenstadt
Salvador de Bahia in Brasilien ein Krankenhaus in der Peripherie bauen will, dann macht er dies, um
die 200.000 Stimmen dort zu sichern, weshalb das Geld nicht anderweitig versickern darf.
Europäische Zulieferer werden dank ihres sauberen Images und der Produktqualität bevorzugt. Die
Rechtsanwaltskanzleien haben ihre Compliance-Abteilungen stark ausgebaut.

China dringt in Lateinamerika schnell ein. Die chinesischen Korrespondenten, die vor ein paar
Jahren sich kaum verständigen konnten, sprechen nun perfekt Spanisch und Portugiesisch, kennen
alle wesentlichen Politiker auch in den entlegenen Gegenden und wissen daher über alle neue
Entwicklungen Bescheid. In China wurden zwei Universitätsfakultäten alleine für
lateinamerikanische Innenpolitik eingerichtet. Die Stromübertragung in Sao Paulo, dem
wirtschaftlichen Zentrum Brasiliens, ist in chinesischer Hand – typisch strategisch motivierte
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Investitionen. Die Zeit der Investitionen rein zu Rohstoffsicherung und Bezug von Erdöl ist längst
vorbei, sie wollen Wertschöpfungsketten aufbauen (z.B. Fertigung von E-Bussen). Für europäische
Unternehmen kann das durchaus ein Segen sein, da die chinesischen Firmen Zulieferer mit dem
entsprechenden Knowhow benötigen, da Südamerika oft geschlossene Märkte darstellen und die
Technologie selbst nicht anbieten. Der Staat ist als Investor ausgefallen.

Lateinamerika beheimatet auch High Tech-Konzerne, wie bspw. der brasilianische Flugzeugbauer
Embraer, die nun von Boeing übernommen werden soll. Diese wissen genau, was auf dem
Weltmarkt passiert. Sie sind auf Zulieferer im High Tech- und IT-Bereich angewiesen, um
wettbewerbsfähig zu bleiben. Besonders für diesen Typus Lieferant ist es dank ihrer Technologie
leichter, die Markthindernisse zu überwinden.

Es entstanden gigantische Startup-Szenen im Finanzsektor von Brasilien, Mexiko und Chile, die sich
aufgrund hoher lokaler Inflationsraten entwickelten und auch für österreichische Partner
interessante technologische Lösungen anbieten können. Brasilien ist ein perfekter Testmarkt für
Finanzprodukte gerichtet an Personen mit niedrigem Einkommen.

Neue Geschäftsmodelle haben bereits Tradition. „Magazine Luiza“ war ein Einzelunternehmen, das
sich auf die ärmste Bevölkerungsgruppe fokussierte und schon vor dem Internet auf Digitalisierung
setzte (z.B. virtuelle Geschäfte in den Slums) und damit schon vor der e-Commerce-Welle eine
funktionierende Logistik aufgebaut hat.

Selbst wenn sich viele lateinamerikanische Geschäftspartner europäisch geben und denken, muss
man sich auf Mentalitätsunterschiede einstellen („der ferne Westen“). Die Empfehlung ist: mehr
Geduld beweisen, kalkulieren Sie ein, dass der Markteinstieg länger dauert und teurer werden
könnte, planen Sie den Eintritt solide ohne Hauruck-Methoden, denn es lohnt sich, wenn Sie sich im
Land etabliert haben. Man sollte diesen Kontinent in den Umbruchszeiten nicht links liegen lassen,
weil gerade jetzt die großen Markteinstiegschancen bestehen.

[Link zur Präsentation]

J. HUMBERTO LÓPEZ, DIRECTOR STRATEGY & OPERATIONS, LATIN AMERICA REGION, WELTBANK

Der lateinamerikanische Ausblick ist eine Herausforderung mit sehr unterschiedlichen
Schlussfolgerungen. Bei der Analyse der Wachstumsraten von 2016 bis 2018 erlebten wir 2016 nach
den Rohstoff-Superzyklen einen Rückgang. Das Wachstum im Jahr 2018 erreichte nur 0,9%.

In Mittelamerika gibt es ein ordentliches Wachstum von 3-4%, in Mexiko 2%. Südamerika ist anders:
Argentinien hatte ein schwieriges Jahr und muss erneut beim IWF anklopfen, um die Schulden zu
finanzieren, weil sie nicht über den freien Markt finanzieren können. Brasilien erlebte auch einige
schwere Jahre und ist nun langsam gewachsen - die zukünftige Entwicklung hängt von den
Reformen der Regierung Bolsonaro ab. Der IWF erwartet in Venezuela einen Rückgang von 25%.

Die Weltbank prognostiziert eine Erholung im Jahr 2020 (2,0%) und im Jahr 2021 (2,4%) - das sind
gute Nachrichten. Die Situation in Argentinien beginnt, sich mehr oder weniger zu stabilisieren.
Auch Brasilien festigt sich. Darüber hinaus wird sich die Lage in Venezuela verbessern.
Auf der anderen Seite wird sich die Weltwirtschaft stärker abkühlen als vom IWF erwartet aufgrund
der schwächeren Aussichten in Europa und China und vieler Fragezeichen in den globalen
Handelsbeziehungen. Die weitere Entwicklung wird die lateinamerikanische Wirtschaft beeinflussen.
Grafik mit den Prognosen 2016–2020: Die Weltbank könnte sich verpflichtet sehen, ihr Prognosen
erneut zu senken. Venezuela ist ein Sonderfall, der 5% des lateinamerikanischen BIP ausmacht. Ein
Rückgang um ein Viertel bedeutet also einen Prozentpunkt weniger Gesamtwachstum für die
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gesamte Region. Ohne Venezuela würde Lateinamerika in diesem Jahr um 2% wachsen, 2020 um 3%
und 2021 um 3,5% - trotz aller Schwierigkeiten, die sich von Venezuela in die Nachbarländer
ausbreiten. Venezuela befindet sich in einer dramatischen Situation, die Ölproduktion ist nur noch
ein Drittel des Niveaus vor der Krise, abgesehen von einer Hyperinflation, die Geld wertlos macht.
Grafik zu wahrgenommenen Risiken (irreführende Schlussfolgerung: Lateinamerika scheint ein
höheres Risiko als Afrika zu bedeuten, da die Weltbank nur Daten aus 4 afrikanischen Ländern
auswertet): Argentinien weist einen Zins-Spread von 1.000 auf, Ecuador von 550, Costa Rica von 450.
Dies bedeutet, dass Argentinien von den Märkten abgeschnitten ist - ohne Finanzierung durch den
IWF würde Argentinien sofort in Zahlungsverzug geraten. Brasilien, Kolumbien und Mexiko liegen im
Bereich von 250 – das bedeutet ein erhebliches Risiko, das man aber eingehen kann.

Eine andere Grafik zeigt die Relevanz des Handelskonflikts zwischen den USA und China: es besteht
ein Zusammenhang unter den lateinamerikanischen Volkswirtschaften: Mexiko, Mittelamerika und
die Karibik stehen in enger Korrelation mit den Vereinigten Staaten und sind aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Bindungen und des Mangels an eigenen natürlichen Ressourcen stark von diesen
abhängig. Südamerika korreliert mehr mit der Entwicklung Chinas und profitiert von ihr, abhängig
von ihrem Bedarf an Rohstoffen. Die gesamte Region ist also von diesem Konflikt betroffen - der
Norden wegen der Abhängigkeit von den USA und der Süden wegen China.

Die Welt zeigt in diesem Jahr viele Unsicherheiten. Es stellt sich die Frage, wie Argentinien seine
Ungleichgewichte ausbalancieren wird. Ecuador hat vor einigen Wochen mit dem IWF ein Programm
für eine stärker privatwirtschaftlich geprägte Wirtschaft im Umfang von 4 Mrd. USD unterzeichnet.
Brasilien weist keine gröberen Herausforderungen auf, hat jedoch ein großes Haushaltsproblem mit
einem Haushaltsdefizit von 8% des BIP und einem dringenden Bedarf für eine Rentenreform.
Beim Pro-Kopf-Vergleich erkennt man, dass die Einkommen in den USA schneller als im Süden
wuchsen, ohne Konvergenz. Das Einkommen in Lateinamerika steigt mit höheren Rohstoffpreisen.
Bis 2007 verstärkten die Regierungen die Konjunkturzyklen, indem sie in Wachstumsphasen noch
mehr ausgaben und während Kontraktionen die Budget kürzten, wodurch sie in besseren Zeiten
keine Puffer aufgebaut haben. Seitdem nehmen die Pufferspiegel zu (z. B. hat sich Lateinamerika
2009 sehr schnell erholt). Lateinamerika ist in einem besseren Zustand als vor 20 Jahren.
Die Region ist für den Privatsektor attraktiv, insbesondere für öffentlich-private Partnerschaften
(Public Private Partnerships, PPP). Lateinamerika hat mit Abstand den größten Bestand im
Vergleich zu allen anderen Kontinenten. Das Infrastrukturdefizit in Lateinamerika wird auf 180 Mrd.
USD pro Jahr geschätzt. Es gibt keinen öffentlichen Sektor oder keine multilaterale Organisation, die
in der Lage wäre, die Lücke zu finanzieren. Aus diesem Grund versuchen die Regierungen, den
privaten Sektor für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten zu gewinnen.

Die lateinamerikanischen Märkte sind noch zu geschlossen. Folglich sind sie zu stark von eigenen
Rohstoffen abhängig. Trotz eines Anteils von 8% am globalen BIP generieren sie nur 6% am
Welthandel, ohne Mexiko sind es 4% (Sonderfall NAFTA). Das Bildungsniveau in Lateinamerika ist
dem in der OECD ziemlich ähnlich, aber die Qualität ist inferior (3 verlorene Jahre), was sich auf die
verfügbaren Kompetenzen auswirkt. Die Bildungssysteme müssen modernisiert werden. Es gab
viele Fortschritte im Investitionsklima, aber es dauert im Vergleich zur OECD immer noch zu lange,
um ein Unternehmen in Lateinamerika zu gründen. Die Weltbankgruppe besteht aus drei Teilen, von
denen einer (IFC) nur mit dem privaten Sektor zusammenarbeitet, indem er in Privatkapital
investiert, Kredite vergibt oder Finanzmittel mobilisiert (von 50 Mrd. USD Beitrag der Weltbank an
die Region in den letzten 4 bis 5 Jahren, Hälfte davon für den privaten Sektor). Die Weltbank hat z.B.
für das öffentliche Engagement in Argentinien garantiert, erneuerbare Energie zu kaufen, die eine
Hebelwirkung von 6 in privaten Investitionen erzeuge.

[Link zur Präsentation]
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PODIUMSDISKUSSIONEN

PANEL „MEXIKO, KOLUMBIEN UND BRASILIEN IM POLITISCHEN UMBRUCH“

mit Alexander Busch (AB) und den österreichischen Wirtschaftsdelegierten Hans-Jörg Hörtnagl
(HJH - Kolumbien), Friedrich Steinecker (FS - Mexiko) und Klaus Hofstadler (KH - Brasilien),
moderiert von Reinhart Zimmermann (Regionalmanager Nord- & Lateinamerika, WKÖ)
AB: Südamerika wirkt für ausländische Investoren auf den ersten Blick eher abschreckend, wenn
man die Doing Business Rankings, diverse Statistiken und Marktzugangsbarrieren, Risiko und
Kosten betrachtet. Trotz Krisen sind aber die Hälfte der DAX- und Schweizer Konzerne selbst in
Venezuela noch aktiv und machen dort weiter gute Geschäfte im Pharma- und Lebensmittelbereich.
Es bestehen also Geschäftschancen in allen Lagen.
FS: Mexiko stellt Österreichs wichtigsten Exportmarkt in der Region mit jährlich zweistelligen
Wachstumsraten dar. Unsere Ausfuhren haben sich innerhalb von vier Jahren auf derzeit 1,3 Mrd.
EUR verdoppelt. Dahinter steht „den Tweets von Trump zum Trotz“ (© NZZ) eine erfolgreiche
internationale Industrie, die sich seit 2000 dank NAFTA in Mexiko angesiedelt hat, in vorderster Linie
die Automobilindustrie. In diesem Jahrzehnt ist die deutsche Premiumautoindustrie dazugekommen
(Audi, Mercedes, in Kürze BMW), mit einer Sogwirkung auf die österreichische Zulieferbranche und
Investoren. Unsere Exporte sind technologiegetrieben (50% Maschinen und Anlagen, 25%
Vormaterialien). Wie geht es weiter? USMCA als Nachfolger von NAFTA befindet sich in der Phase
der Unterzeichnung; es wird logischerweise auch in Zukunft ein Handelsabkommen mit den USA
geben, schon alleine dank der Tatsache, dass die USA mit 300 Mrd. USD in Mexiko investiert sind
und sich über 25 Jahre ganz enge Wertschöpfungsketten miteinander gebildet haben. 2020 sollen 5
Mio. Autos vom Band laufen – damit wäre Mexiko der 4. bis 5.-größte Fahrzeugproduzent und 4.-
größte Exporteur der Welt. Mexiko ist mit fast 50 Handelsabkommen eine der freisten
Volkswirtschaften der Welt.

KH: Betreffend Brasilien muss ein Unternehmer analysieren, was für einen relevant ist – wenn es
eher den Konsummarkt und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung betrifft, für den waren die
letzten fünf Jahre schwierig. Das andere Brasilien hingegen präsentiert sich als die Speisekammer
der Welt mit einer starken Lebensmittelverarbeitungsbranche und einer extrem produktiven
Agroindustrie, das Chinas Versorgung sicherstellt. Auch bei industriellen Rohstoffen wie Erzen ist
die nationale wirtschaftliche Lage zweitrangig und somit von entsprechenden Zulieferern anders zu
betrachten – da ist man eher von der globalen Nachfrage abhängig.
HJH: Kolumbien hat unglaubliches Entwicklungspotenzial nach 25 Jahren Bürgerkrieg mit der
historischen Chance, zur drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas aufzusteigen. Kolumbien hat
alle Voraussetzungen dafür, sowohl Rohstoffreichtum als auch landwirtschaftliche Ressourcen (nur
8 von 40 Mio. ha werden genutzt), mit Zugang zu Pazifik- und Atlantikküste. Derzeit läuft eines der
größten Infrastrukturausbauprogramme in ganz Lateinamerika (61 Mrd. USD über 20 Jahre, 8.000
km Straßen, Bau von Häfen und Flughäfen). Kolumbien verändert sich rasant seit 5 Jahren. 13
Handelsabkommen (inkl. USA und EU) machen das Land zu einer offenen Volkswirtschaft mit 0%
Einfuhrzöllen für österreichische Produkte. Kolumbien ist neben Mexiko und Chile das einzige
OECD-Mitglied Lateinamerikas, das entsprechende Geschäftspraktiken garantiert. In der 10 Mio.-
Stadt Bogota sollen nun U-Bahnlinien (4,2 Mrd. USD) mit Baubeginn 03/2020 errichtet werden.
Weitere Projekte betreffen Kraftwerke, Wasseraufbereitung und Regionalzüge.

AB: Argentinien ist derzeit eigentlich die größte volkswirtschaftliche Enttäuschung. Präsident Macri
hat im ersten halben Jahr das Land mutig reformiert, hat sich aber beim Haushaltsdefizitabbau zu
lange Zeit genommen, dadurch ist das wirtschaftliche Gefüge auseinandergelaufen. Für Südamerika
10

hat ein Scheitern Macris bei den Wahlen in Oktober Signalwirkung: mutige wirtschaftliche Reformen
und Marktöffnung zahlen sich politisch nicht aus und werden vom Wahlvolk abgestraft, nachdem der
Abbau der Subventionen nun die Inflation hochgetrieben hat. Das kann den brasilianischen
Präsidenten Bolsonaro davon abhalten, umfassende Reformen im eigenen Land durch zu führen.
FS: Man wird noch einige Monate mehr benötigen, um die Richtung der neuen mexikanischen
Regierung unter Präsident Andrés López Obrador (AMLO) beurteilen zu können. Eindeutige Signale
sind: an oberster Stelle für AMLO stehen absolute Sparsamkeit für den öffentlichen Dienst
(Unmengen an Beamten wurden entlassen und nicht ersetzt), Kampf gegen Korruption und die
organisierte Kriminalität. Die dadurch ersparten Mittel sollen in soziale Programme fließen, um als
oberstes Ziel das seit langem gültige Verhältnis von 60% arme Bevölkerung im informellen Sektor
zu 40% im formalen Sektor zu brechen. Vorrang werden die Infrastrukturprojekte erhalten, die zur
Entwicklung benachteiligter Regionen beitragen. Das Flughafenprojekt bei Mexiko Stadt, wo bereits
4 Mrd. USD verbaut sind, wurde spektakulär gestoppt- als Signal der Sparsamkeit an seine
Stammwähler gegen die schon entwickelte Hauptstadtregion. Es gab aber auch Anzeichen aufgrund
der Bodenbeschaffenheit, dass der Bau statt der geplanten 10 Mrd. USD erheblich teurer werden
könnte. Als Ersatz soll ein bestehender Militärflughafen 60 km außerhalb der Stadt umgebaut sowie
der bestehende Stadtflughafen Toluca saniert und ausgebaut werden. Das Vorzeigeprojekt der
neuen Regierung ist eine 1.500 km Bahnverbindung zur Erschließung der Halbinsel Yukatan und
eine Korridorverbindung an der engsten Stelle zwischen dem Atlantik und Pazifik (Isthmus) inkl.
Ausbau der beiden Häfen und Bahnverbindung in Konkurrenz zum Panama-Kanal. Bei der Energie
wird der Schwerpunkt auf die Modernisierung der staatlichen Erdölgesellschaft Pemex gelegt (neue
Raffinerien), der Verkauf von Erdöllizenzen an Private wurde ausgesetzt. Technologieorientierte
Firmen aus Österreich werden auch in den nächsten Jahren mit Mexiko einen interessanten Markt
vorfinden. Das Land hat ein unglaubliches Potenzial, eine junge Bevölkerung, kostengünstige
Produktionsbedingungen und liegt direkt vor der Haustür des weltweit größten Konsummarktes.

KH: Präsident Bolsonaro will im 2. Halbjahr die Pensionsreform umsetzen. In der Vergangenheit
wurden bereits eine Ausgabendeckelung und eine Arbeitsreform durchgeführt – nötige Reformen
passieren nun endlich – ein wichtiges Signal an internationale Investoren. Die brasilianischen
Unternehmen glauben schon auf den Aufschwung und investieren in Maschinen. Es besteht
Zuversicht, aber Brasilien, eine Demokratie, entwickelt sich behäbig – der Präsident muss lernen,
Koalitionen zu bauen. Der Aufschwung ist ab 2020 zu erwarten.

HJH: Kolumbien soll heuer um 3,5% und in 2020 um 3,6% wachsen. Die Schuldenquote beträgt 40%,
sehr stabile wirtschaftliche und politische Verhältnisse. Präsident Ivan Duques Programm betrifft
Steuer- und Bürokratieabbau, aber die Regierung muss Koalitionen für neue Gesetze finden. Die
Marschrichtung ist vorgegeben, das System – auch für Investitionen – ist berechenbar.

PANEL „HANDELSABKOMMEN & WIRTSCHAFTLICHE INTEGRATION IN LATEINAMERICA“ (USMCA,
PAZIFIKALLIANZ, EU-MEXICO & EU-CHILE, MERCOSUR, ANDENGEMEINSCHAFT)

mit Humberto López (HL), dem Anwalt Herfried Wöss (HW) sowie den Wirtschaftsdelegierten Marco
Garcia (MG) und Drazen Maloca (DM), moderiert von Claudia Stowasser (WKÖ Handelspolitik):
HL: für ein Projektvolumen von 30 Mrd. USD bei der Weltbank verantwortlich
HW: Geschäfts- und Unternehmensrecht, Wirtschaftsrecht, Büros in Mexiko, Peru, Washington DC.
MG: österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Buenos Aires (Argentinien, Uruguay, Paraguay)
DM: österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Santiago de Chile (Chile, Peru, Bolivien)
EU-Handelsabkommen schaffen Rahmenbedingungen und österreichische Unternehmen profitieren
davon, zahlreiche Vorteile konnten bereits lukriert werden (mit Mexiko, Chile, Peru), die
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Aktualisierung des EU-Mexiko-Abkommens befindet sich in der letzten Phase. Ebenso ist das neue
EU-Chile-Abkommen weit fortgeschritten. Hindernisse beim EU-Mercosur-Abkommen.

HL: Wichtigkeit von Handelsabkommen, Potenzial der Region: Lateinamerika ist aufgrund
geringerem Wirtschaftswachstum und geschlossenen Märkten zurückgefallen.
Freihandelsabkommen sind eine Gelegenheit, keine Garantie: sie setzen Regeln und Standards. Es
ist entscheidend, wie die vorgesehenen Rahmen entsprechend implementiert werden.

HW: Herausforderungen mit Lateinamerika angesichts Handelsbarrieren. Handelsabkommen
schaffen Rechtsicherheit und rechtliche Vorhersehbarkeit. Streitschlichtungsverfahren verlaufen
dank bestehender Handelsabkommen erfolgreich, insbesondere wenn es brenzlig wird und politisch
hochkocht. Das hat im Fall von Mexiko sehr gut funktioniert.
DM: Handelsabkommen mit Chile seit 2005 in Kraft, das derzeit modernisiert wird. Weiters
Abkommen mit Peru und Ecuador in Kraft, Bolivien noch nicht beigetreten. Chile ist der Weltmeister
des Freihandels dank vieler Abkommen, dadurch hat sich das Land reformiert und zu einer offenen
Volkswirtschaft entwickelt. Die EU ist der 3.-wichtigste Markt für Chile geworden. Vervierfachung
des Handelsvolumens seit 2005. Rohstofflastige Wirtschaft, aufgrund niedriger Zölle wenig
Motivation zu eigener Produktion.

Peru verfolgt eine ähnliche Politik wie Chile und erlebt einen entsprechenden Boom. Bolivien wird
dem Abkommen nicht beitreten, da es andere politische Schwerpunkte setzt.

MG zu Mercosur: West-Ost-Gefälle in Lateinamerika. Eine weitere Integration und Vertiefung der
eher sozailistisch geprägten Mercosur-Länder ist nicht zu erwarten. Mehr als 95% zwischen EU und
Mercosur sind ausverhandelt. Mercosur für sich stellt bereits einen großen eigenen Markt dar,
weshalb eine Abschottung für diese Länder einen gewissen Sinn macht, während kapitalistisch
orientierte Länder bilaterale Verträge abschließen. Die Verhandlungen EFTA-Mercosur sind schon
weiter fortgeschritten und flexibler als die EU. Der Mercosur-Markt ist agrarlastig, weshalb
vielleicht der WTO-Ansatz erfolgversprechender wäre, statt über regionale Abkommen zu gehen.
Lerneffekt von den Franzosen, um für höhere Qualität höhere Preise zu erhalten.

DM: Durch Assoziierungsabkommen mit der EU werden höhere Qualitätsstandard verlangt, wodurch
z.B. österreichische Firmen neue Geschäftschancen zur Erfüllung dieser Standards vorfinden.
HW: Auch in Mexiko hat die Wirtschaft aus den Abkommen viel gelernt.

HL: Zertifizierungen und Nachvollziehbarkeit haben sich durch Handelsabkommen ergeben. USA
und China haben auf Lateinamerika viel Einfluss genommen. Die ökonomische Achse dreht sich seit
10 Jahren weg von den USA in Richtung Asien. Lateinamerika versteht noch nicht richtig, diese
Veränderungen im Positiven zu nutzen.
HW: In Peru sind die Chinesen stark vertreten, in Mexiko aber nicht – starke Diversifizierung bei
öffentlichen Aufträgen. Viele spanische Unternehmen sind dort erfolgreich aktiv.

DM: in Bolivien und Peru finanzieren die Chinesen viel in der Infrastruktur, während in Chile die
Bevölkerung auf europäische Qualität Wert legt. China ist wichtiger Abnehmer des Kupfers.

MG: Lateinamerika wächst in Richtung Norden. aber nach Mexiko hinauf, während die USA Einfluss
verlieren. Billiganfragen werden durch chinesische Produkte abgedeckt. Chinesen kaufen
landwirtschaftliche Flächen auf, um Lebensmittel zu erzeugen.

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