Auswirkung von Lahmheit auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich - Ergebnisse aus dem Efficient-Cow-Projekt - SAT
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Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von Lahmheit auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem Efficient-Cow-Projekt J. Kofler1, B. Fürst-Waltl2, M. Dourakas1, F. Steininger3, C. Egger-Danner3 1Universitätsklinik für Wiederkäuer, Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der eterinärmedizin, Veterinärmedizinische Universität Wien, Österreich; 2Department für Nachhaltige Agrar V systeme, Institut für Nutztierwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien, Österreich; 3ZuchtData Austria EDV-Dienstleistungen GmbH, Wien, Österreich. Zusammenfassung Impact of lameness on milk yield in https://doi.org/ 10.17236/sat00290 dairy cows in Austria – results from Einleitung the Efficient-Cow-project Eingereicht: 04.09.2020 Die Auswirkung von Lahmheit auf die Milchleistung Angenommen: 11.12.2020 von Kühen wurde bereits von mehreren Autoren in zahl- Introduction reichen Ländern untersucht, wobei fast ausschliesslich The impact of lameness on milk yield in dairy cows has Kühe mit Score ≥ 3 berücksichtigt wurden. Ziel dieser been investigated already in many countries by several Studie war es, die Auswirkungen von Lahmheit bzw. der authors, taking into consideration almost exclusively verschiedenen Lahmheitsgrade (Score 2–5) auf die Lak- locomotion scores ≥ 3. The aim of this study was to eval- tationsleistung und die Milchinhaltsstoffe von Kühen uate the impact of lameness and of the various lameness der drei wichtigsten österreichischen Rassen Fleckvieh, scores (2–5) on milk yield and milk solids in cows of the Braunvieh und Holstein innerhalb einer Standardlakta- three most important dairy cattle breeds (Fleckvieh, tionssperiode zu untersuchen. Braunvieh, Holstein-Friesian) in Austria within one lac- tation period. Material und Methode Die Gangbildbewertung der Kühe wurde im Rahmen Material and methods der Milchleistungskontrolle im Jahr 2014 alle 30–40 Locomotion scoring of dairy cows was performed by Tage durch geschulte Personen vorgenommen. A n - trained personnel every 30–40 days in 2014 during the hand der dokumentierten Locomotion-Scores (1–5) course of routine performance testing. From the record- sowie der Anzahl der Lahmheitsepisoden wurden die ed locomotion scores (1–5) and the number of lameness Kühe in fünf Laktations-Locomotion-Score-Gruppen episodes, the cows were classified into five lactation-lo- (LLS-G1–5) eingeteilt. Insgesamt konnten die D atensätze comotion-score-groups (LLS-G1–5). In total, data sets von 4005 Kühen aus 144 Milchviehbetrieben aus Öster- of 4005 cows from 144 dairy farms across Austria could reich ausgewertet werden. In zwei statistischen Modellen be evaluated. Using two statistical models the fixed ef- wurden die «fixen Effekte» LLS-Gruppe, Rasse (im Mo- fects on LLS group, breed (evaluation across all breeds dell 1 alle drei Rassen gemeinsam), Betrieb, Jahr-Saison in model 1), farm, year and season of calving, parity and der Abkalbung, Laktationszahl und der «kontinuierliche the «continuous effect» number of milking days were Effekt» Anzahl Melktage zur Analyse der Milch-, Fett- included in the analyses of milk, fat and protein yield. und Eiweissmenge berücksichtigt. Results Ergebnisse The mean, cumulative lameness prevalence during the Die mittlere, kumulierte Lahmheitsprävalenz im Beob- observation period was 51.0%, and 8.1% were cows from achtungszeitraum betrug 51,0%, davon waren 8,1% der the LLS-G5 group showing repeated and severe locomo- Kühe in der LLS-G5 mit mehrmaliger, hochgradiger tion scores. During the first 100 days in milk 34.7% of Lahmheit. In den ersten 100 Laktationstagen waren all cows were lame. In model 1, all effects considered 34,7% aller Kühe lahm. Alle im Modell 1 berücksich- had a significant impact (P < 0.05) on milk, fat and pro- tigten «Effekte» beeinflussten die Milch-, Fett- und Ei- tein yields during a standard lactation. Cows of the weissmenge signifikant (P < 0,05). Kühe der LLS-G5 LLS-G5 group showed significantly lower production wiesen signifikant niedrigere Leistungen auf als Kühe compared with cows of all other LLS-groups; they pro- Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 123
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit aller anderen LLS-Gruppen. Kühe der LLS-G5 produ- duced 319 kg milk, 10.8 kg fat and 16.6 kg protein less auf die Milchleistung bei zierten in der Standardlaktation um 319 kg Milch, than cows that had never been lame during a standard Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem 10,8 kg Fett und 16,6 kg Eiweiss weniger als niemals lah- lactation period (P < 0.05, respectively). Within breed Efficient-Cow-Projekt me Kühe (jeweils P < 0,05). Die Analysen innerhalb der analyses led to similar results for the effect of the LLS jeweiligen Rasse führten für den «Effekt» der LLS-Grup- group, but these were only statistically significant for J. Kofler et al. pe zu ähnlichen Ergebnissen, diese waren aber nur für Fleckvieh and protein yield for Holstein cows. Fleckvieh- bzw. bei Holstein-Kühen nur für die Eiweiss- menge signifikant. Conclusions Dairy cows demonstrating repeated and severe locomo- Schlussfolgerung tion scores (LLS-G5) experienced a statistically signifi- Nur bei Kühen mit hochgradigen, wiederholt auftreten- cant negative impact on milk yield. Even cows of den Lahmheiten (LLS-G5) zeigten sich signifikant ne- LLS-G2-4 showed a clear tendency to reduced milk, fat gative Auswirkungen auf die Laktationsleistung. Aber and protein production compared with cows that had auch bei Kühen der LLS-G2-4 konnte eine klare Ten- never been lame. Prevention of severe lameness and denz zu geringeren Leistungen im Vergleich zu niemals lameness in cows within the first 100 days in milk could lahmen Kühen nachgewiesen werden. Die Vermeidung be initial achievable goals for efficiency and welfare hochgradiger Lahmheiten sowie lahmer Kühe in den improvements in dairy cows. ersten 100 Laktationstagen wären erste und erreichbare Key words: Lameness, milk yield, fat, protein, lactation, Ziele zur Verbesserung der Effizienz und des Tierwohls Efficient-Cow-Project, dairy cattle bei vielen Milchkühen. Schlüsselwörter: Lahmheit, Milchleistung, Fett, Eiweiss, Laktation, Efficient-Cow-Projekt, Rind Einleitung Der Einfluss von Lahmheit auf die Milchleistung von Kühen in Österreich war bislang noch nicht wissen- Lahmheiten bei Milchrindern stellen nach wie vor auf- schaftlich untersucht worden. Von Dezember 2012 bis grund ihrer schmerzbedingten Ursachen ein ernstes Juni 2015 wurde unter Leitung der ZAR61 das Projekt tierschutzrelevantes Problem weltweit dar. 2, 13, 16, 27, 60 Die «Efficient Cow» durchgeführt.18 Dessen Zielsetzung war Lahmheitshäufigkeit ist in vielen Milchviehherden nach die Suche nach der effizienten Milchkuh in österreichi- wie vor zu hoch, so wurden mittlere Prävalenzen von schen Milchviehherden und damit die Schaffung einer bis zu 36% in Deutschland und Österreich8, 14, 38, 54 sowie Grundlage für eine zukünftige Zuchtwertschätzung im von 15% in der Schweiz4, 5 berichtet. Lahmheiten liegen Bereich Effizienz, Stoffwechsel und Klauengesundheit nach Fruchtbarkeitsstörungen und Eutererkrankungen als auch die Analyse von Optimierungspotentialen hin- mit 7,5% an dritter Stelle der krankheitsbedingten Ab- sichlich Umweltwirkung der Milchproduktion.18, 61 Die gangsursachen bei Milchkühen in Österreich.62 Lahm- Auswahl der Betriebe war auf Basis von Freiwilligkeit, heiten verursachen grosse wirtschaftliche Verluste infol- regionaler Verteilung, Vorliegen zuverlässiger Gesund- ge von verminderter Milchleistung, verschlechterten heitsdaten, logistischer Aspekte sowie unterschiedlicher Fruchtbarkeitskennzahlen, erhöhter Anfälligkeit für Produktionssysteme und Betriebsgrössen vorgenommen Stoffwechselstörungen, erhöhter Remontierungsrate worden. Ausschlaggebend für die Motivation der Tier- und Kosten für erhöhten Arbeitsaufwand und Behand- halter an der Studienteilnahme war einerseits das Ange- lung.9, 26, 28, 55 Die durch Lahmheit verursachten Gesamt- bot eine kostenlose Futtermittelanalyse durchzuführen, kosten wurden mit ca. 320 € pro Kuh und Jahr bezif- und andererseits, dass sie bis zu zwölfmal jährlich ein fert.15, 48 unmittelbares Feedback zur Häufigkeit und zum Schwe- regrad der Lahmheiten und zum BCS-Verlauf in der Eine Langzeitstudie über 18 Monate bei 900 Kühen Herde erhielten. Davon erwarteten sie für sich selbst zeigte, 26 dass Lahmheiten am häufigsten im 2. bis 5. einen positiven Trainingseffekt bzw. Schulung in der Laktationsmonat auftraten, was wiederum deren bedeu- Beurteilung dieser Parameter sowie längerfristig dadurch tenden Einfluss auf die Milchleistung und die Frucht- auch eine Verbesserung der Lahmheitssituation in ihrem barkeit unterstreicht. Während zahlreiche Autoren die Betrieb. Auswirkung von deutlich erkennbaren Lahmheiten auf die Milchleistung untersuchten, 3, 6, 26, 47, 53, 59 stellten an- In der vorliegenden Studie wurde ein Teilaspekt des sehr dere die negativen Auswirkungen spezifischer, schmerz- umfangreichen Projektes «Efficient Cow» bearbeitet. hafter Klauenerkrankungen auf die Milchleistung dar. 2, Das Ziel dabei war es, den Einfluss von Lahmheit auf 9, 11, 27, 49 die Milch-, Fett- und Eiweissleistung von Kühen inner- 124 SAT | ASMV 2 | 2021 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS
Originalarbeiten | Original contributions halb einer Laktationsperiode an einer grossen Anzahl lahmen Kühen in Milchviehbetrieben speziell für dieses Auswirkung von L ahmheit von Kühen in österreichischen Milchviehbetrieben zu Projekt eingeschult worden, dabei wurden die Bewertun- auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – untersuchen. gen der einzelnen LKV-Mitarbeiter sehr wohl verglichen. Ergebnisse aus dem Verwendung fand die Locomotion-Scoring Methode Efficient-Cow-Projekt nach Sprecher et al.55 (Scores 1–5), wobei Score 1 nicht J. Kofler et al. Material und Methoden lahme Kühe beschreibt. Für die statistische Analyse wur- den nur Datensätze von jenen Kühen berücksichtigt, von Datenerhebung denen mindestens vier und im besten Fall bis zu 12 Gang- Die Studie wurde als retrospektive Inter-Kohortenstudie bildbewertungen pro Laktation vorlagen. Allerdings wur- konzipiert, dabei wurden aus dem Projekt «Efficient de die Anzahl der Kühe, welche wegen Lahmheit noch Cow» vorliegende und elektronisch auf bereitete sowie während der Laktation im Jahr 2014 abgingen, erfasst. anonymisierte Datensätze von 6906 Kühen aus 167 Milchviehbetrieben aus ganz Österreich verwendet Abhängig von den festgestellten Locomotion-Scores so- (Abb. 1).18, 61 Die Betriebe waren über die verschiedenen wie der Anzahl der Lahmheitsepisoden während einer Produktionsgebiete mit unterschiedlichen Futtergrund- Laktationsperiode wurden die Kühe in fünf Lakta- lagen bzw. Bewirtschaftungsformen verteilt.19, 40 Der tions-Locomotion-Score-Gruppen (LLS-G1–5) eingeteilt: Erfassungszeitraum für die Klauengesundheits- sowie –– LLS-G1: Kühe mit Locomotion-Score (Score) 1, die die Milchleistungsdaten war das Jahr 2014. Neben Be- Kühe dieser Gruppe waren bei keiner Bewertung triebs- und Tieridentifikation enthielten die Datensätze lahm; Informationen zu Rasse, Geburtsdatum, Kalbedatum, –– LLS-G2: Kühe mit maximal einmal Score 2 bei vier Kalbeverlauf, Systemaustrittsdatum, Laktationszahl, bis sechs Bewertungen bzw. mit maximal zweimal 305-Tage-Milch-, Fett- und Eiweissleistung, Fremd- Score 2 bei sieben bis 12 Bewertungen und sonst genanteil sowie Schweregrad und Zeitpunkt des Auftre- Score 1; tens von Lahmheiten. –– LLS-G3: Kühe mit mindestens zweimal Score 2 bei vier bis sechs Bewertungen bzw. mit mindestens Locomotion-Scoring dreimal Score 2 bei sieben bis 12 Bewertungen und Die Gangbildbewertung der Kühe war von 36 Mitarbei- sonst immer Score 1 bzw. einmal Score 3 und sonst tern der Landeskontrollverbände (LKV) an den Terminen immer Score 1; der regulären Milchleistungskontrolle alle 30–40 Tage in –– LLS-G4: Kühe mit mindestens zweimal Score 3 Be- den Betrieben vorgenommen worden. Diese LKV-Mitar- wertungen und sonst Score ≤ 2; beiter waren zuvor von einer einzigen Person im Loco- –– LLS-G5: Kühe mit mindestens einmal Score 4 oder motion-Scoring mit Hilfe von Lehrvideos sowie auch an Score 5 Bewertung und sonst Score ≤ 3. Abbildung 1: Verteilung der am Efficient-Cow Projekt beteiligten Milchviehbetriebe; die in diesen Betrieben gehaltenen Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Holstein sind farblich differenziert, die Grösse der Kreise beschreibt die Anzahl der Kühe pro Betrieb (Quelle: Egger-Danner et al. 2017)18 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 125
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit Erhebung der Gesamtlaktationsleistung re-Gruppe (LLS-G) und die jeweilige Rasse verwendet. auf die Milchleistung bei von Milch, Fett und Eiweiss In Anlehnung an die Routinezuchtwertschätzung 25 Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem Die Milchleistungsprüfung wird in Österreich nach den wurde zur Berücksichtigung des Kalbealters und der Efficient-Cow-Projekt Bestimmungen des Internationalen Komitees für Leis- Laktation ein kombinierter Laktations-Kalbealtersklas- tungsprüfungen in der Tierproduktion (ICAR, www.icar. seneffekt gebildet. Das Kalbealter wurde mit Hilfe der J. Kofler et al. org ) von unabhängigen Landeskontrollverbänden durch- Differenz zwischen Kalbedatum und Geburtsdatum geführt. Je nach Kontrollmethode (inkludiert immer eine berechnet. Für die ersten beiden Laktationen wurden abwechselnde morgendliche oder abendliche Prüfung) dazu jeweils fünf Kalbealtersklassen gebildet. Diese wur- erfolgen unangekündigt mindestens 8 bis 11 jährliche den für die erste Laktation wie folgt definiert: Klasse 1: Betriebsbesuche, was in Kontrollintervallen von etwa Abkalbealter ≤ 26 Monate; Klasse 2: 26 < Abkalbealter 30–40 Tagen resultiert. Erhoben werden die tägliche ≤ 28 Monate; Klasse 3: 28 < Abkalbealter ≤ 30 Monate; Milchmenge sowie die Inhaltsstoffe. Die Tagesmilchmen- Klasse 4: 30 < Abkalbealter ≤ 32 Monate und Klasse 5: ge ist die gemessene oder ermittelte Summe der Abkalbealter > 32 Monate. Die entsprechenden Kalbe- Milchmenge der einzelnen Gemelke einer Kuh innerhalb altersklassen für die zweite Laktation waren Abkalbeal- von 24 Stunden (im Fall der abwechselnden morgendli- ter ≤ 39 Monate, 39 < Abkalbealter ≤ 41 Monate, 41 < chen oder abendlichen Prüfung wird dieselbe Milchmen- Abkalbealter ≤ 43 Monate, 43 < Abkalbealter ≤ 45 Mo- ge für die jeweils fehlenden 12 Stunden angenommen). nate und Abkalbealter > 45 Monate. Für höhere Lakta- Die Tagesfett- und Eiweissmenge ergibt sich aus der Ta- tionen wurde das Kalbealter nicht berücksichtigt, fünf- gesmilchmenge mal Fett- und Eiweissprozent. Die Lak- te und höhere Laktationen wurden überdies in eine tationsleistung für bestimmte Zeiträume wird nach der Klasse zusammengefasst. Insgesamt lagen also 13 Lak- Zwischentagsmethode (der Kontrolltag liegt in der Mitte tations-Kalbealtersklassen vor. Für den Effekt Jahr-Sai- des Kontrollzeitraumes) berechnet, d. h. die Milch-, Fett- son der Kalbung wurden jeweils drei Monate für die und Eiweissmengen des Kontrolltages werden ein halbes Bildung der Kalbesaison zusammengefasst. Somit wur- Prüfintervall zurück- und vorgerechnet. Als Standardlak- den Jänner bis März als Kalbesaison 1, April bis Juni als tation gilt die sogenannte 305-Tage-Leistung, wobei zur Kalbesaison 2, Juli bis September als Kalbesaison 3 und Berechnung mindestens 270 Melktage notwendig sind.62 Oktober bis Dezember als Kalbesaison 4 definiert. Die erfassten Kühe kalbten in den Jahren 2013 und 2014, Weitere Einschränkungen bei der insgesamt lagen sieben Jahr-Saison-Effekte vor. Datenauswertung Für die Datenauswertung wurden nur die Rassen Fleck- Die Auswertung der Daten erfolgte mit der Prozedur vieh (FV), Braunvieh (BV) und Holstein-Friesian (HF) GLM des Softwarepakets SAS (Statistical Analysis Sys- bzw. Red-Holstein berücksichtigt. Aufgrund der gene- tems), Version 9.4 (Wien, Österreich). Zusätzlich wur- tischen Ähnlichkeit wurde die Rasse Red-Holstein ge- den mit den Klasseneffekten dieser Kovarianzanalysen meinsam mit der Rasse HF ausgewertet. Bei den einzel- paarweise Mittelwertsvergleiche mittels des in der Pro- nen Rassen wurde ein Fremdgenanteil von maximal zedur GLM implementierten Tukey-Kramer-Testverfah- 25% toleriert. Alle anderen Rassen wurden aufgrund der rens durchgeführt. Mittels zweier statistischer Modelle geringen Tierzahl nicht berücksichtigt. Falls bei Kühen konnten für die Kühe in den einzelnen LLS-G1–5 die Gangbildbewertungen für zwei Laktationen vorlagen, Milch-, Fett- und Eiweissleistung berechnet werden. wurde jene Laktation mit der höheren Anzahl an Gang- Folgende Modelle wurden zur Datenanalyse verwendet: bildbewertungen herangezogen. Modell 1: im Gesamtmodell wurden alle drei Rassen gemeinsam berücksichtigt, insgesamt wurden die Da- Statistische Analysen tensätze von 2.143 FV-, 1.025 BV- und 837 HF-Kühen Für die statistische Analyse der Auswirkung von Lahm- in die statistische Analyse einbezogen: heit auf die Milch-, Fett- und Eiweissleistung konnten Yijklmn = µ + Betriebi + Rassej + Laktation-Kalbeal- nach den oben genannten Einschränkungen insgesamt tersklassek + LLS-G-Wert l + Jsm + b*Melktage + εijklmn 4005 Kühe aus 144 Milchviehbetrieben herangezogen werden, von denen vollständige Datensätze vorlagen. Yijklmn = Beobachtungswert für das jeweilige Milchleis- Von diesen 4005 Kühen lagen insgesamt 35,019 Gang- tungsmerkmal (Standardlaktation für Milch-, bildbewertungen vor, pro LKV-Mitarbeiter waren zwi- Fett- und Eiweissmenge in kg); schen 12 bis 300 Kühe wiederholt bewertet worden. µ = gemeinsame Konstante für alle Beobachtungswerte; Aus der umfangreichen Datensammlung des Projektes wurden die Standardlaktations-Leistung für die Milch-, Betriebi = fi xer Effekt des Betriebes i (i = 1–144); Fett- und Eiweissmenge, der Betrieb, die Laktationszahl und das Kalbealter, das Kalbedatum, die Laktationstage Rassej = fi xer Effekt der drei Rinderrassen j (j = 1–3; FV, der Standardlaktation, die Laktations-Locomotion-Sco- BV, HF); 126 SAT | ASMV 2 | 2021 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS
Originalarbeiten | Original contributions Laktation-Kalbealtersklassek = fixer Effekt der jeweiligen von 10 Kühen pro Betrieb und Rasse eingeschränkt. Auswirkung von L ahmheit Laktation und Kalbealters Dies resultierte in drei Datensätzen mit jeweils 2.104 auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – klasse k (k=1–13) FV-Kühen aus 85 Betrieben, 965 BV-Kühen aus 34 Be- Ergebnisse aus dem trieben sowie 736 HF- Kühen aus 22 Betrieben. Efficient-Cow-Projekt LLS-G-Wertl = fi xer Effekt der Laktations-Lahmheits- J. Kofler et al. Score-Gruppe LLS-Gl (l = LLS-G1 bis 5); Für beide Modelle wurde zusätzlich die Anzahl an Gangbildbewertungen mit Hilfe des WEIGHT-state- Jsm = fixer Effekt Jahr*Saison der Abkalbung (m = 1–7; ments in der Prozedur GLM berücksichtigt. Dadurch Jahr = 2013, 2014, Saison = 1–4, wobei 1 = Jänner– wird die gewichtete Quadratsumme der Residuen mini- März, 2 = April-Juni, 3 = Juli-September, 4 = Okto- miert, wobei wi den Wert der Variablen im WEIGHT ber–Dezember); b = Regressionskoeffizient; Melktage = kontinuierlicher Effekt der Laktationstage statement (zwischen 4 und 12), und yi bzw. ŷi die beob- der jeweiligen Kuh zum Erreichen des Voll- achteten bzw. vorhergesagten Werte der abhängigen abschlusses (270 bis 305 Tage); Variablen darstellen. εijklmn = Restkomponente; jener Teil von Yijklmn, der nicht durch die Parameter im Modell erklärt werden Ergebnisse kann. Lahmheitshäufigkeit Wechselwirkungen zwischen Rasse, Laktations-Kalbe- Während des Beobachtungszeitraumes einer Standardlak- altersklasse und LLS-Gruppe wurden getestet und wie- tation im Jahr 2014 waren 49,0% der Kühe nie lahm (Sco- der aus dem Modell entfernt, wenn P > 0,05 war. In die re 1), wohingegen die kumulierte Lahmheitsprävalenz im Analyse gingen nur Kühe mit mindestens 270 Melkta- Mittel 51,0% betrug (Tab. 1, 3). Die Verteilung der Loco- gen aus Betrieben mit mindestens 15 Kühen ein. motion-Scores 1–5 im Beobachtungszeitraum in den Betrie- ben ist in Tab. 2 dargestellt, dabei fällt auf, dass deren Vari- Im Rahmen von Modell 2 erfolgte die Auswertung in- anz in den einzelnen Betrieben sehr gross ist (Tab. 2). In nerhalb der einzelnen Rassen (FV, BV, HF). Zudem fünf Betrieben wurden die Kühe bei allen Gangbildbewer- wurde der Datensatz zusätzlich auf eine Mindestanzahl tungen ausschliesslich mit Score 1 (nicht lahm) bewertet. Tabelle 1: Verteilung der Locomotion-Scores (Score) 1–5 aller 4005 untersuchten Kühe über alle Laktationen im Beobach- tungszeitraum; 49,01% der Kühe waren niemals lahm, 29,76% der Kühe zeigten ein- oder mehrmals einen Score 2, 13,13% der Kühe zeigten ein- oder mehrmals einen Score 3 und 6,39% bzw. 1,7% zeigten ein- oder mehrmals einen Score 4 bzw. 5. Score Anzahl Kühe % Kumulative Anzahl Kumulative % Kühe 1 1963 49,01 1963 49,01 2 1192 29,76 3155 78,78 3 526 13,13 3681 91,91 4 256 6,39 3937 98,30 5 68 1,70 4005 100,00 Tabelle 2: Verteilung der Locomotion Scores (Score) 1–5 bei allen Gangbildbewertungen im Beobachtungszeitraum in den Betrieben; Score 1 (nicht lahm) kam im Mittel bei 79,9% der Gangbildbeobachtungen in 144 Betrieben vor mit einer sehr grossen Varianz in den einzelnen Betrieben; ähnlich grosse Varianzen waren auch bei den Scores 2–5 in den einzelnen Be- trieben zu beobachten; STABW: Standardabweichung; min: minimum; max: maximum. Score Anzahl Betriebe Mittelwert Gang- STABW % min % max % bildbewertungen % 1 144 79,99 16,89 17,03 100,00 2 137 14,83 10,67 0,42 48,88 3 118 4,99 4,92 0,29 25,18 4 73 3,01 2,56 0,19 11,33 5 32 1,18 1,11 0,19 6,00 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 127
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit Aufgrund des Schweregrades und der Häufigkeit der Die Verteilung der LLS-Gruppen in Bezug auf die Lakta- auf die Milchleistung bei beobachteten Scores während einer Laktationsperiode tionszahl und Rasse ist in Tab. 3 und Tab. 4 ersichtlich. Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem wurden 49,0% der Kühe in die LLS-G1, 19,2% in die Dabei ist auffällig, dass ca. ein Drittel (31,0%) aller Kühe Efficient-Cow-Projekt LLS-G2, 19,3% in die LLS-G3, 4,3% in die LLS-G4 Erstlingskühe waren, die zweitgrösste Gruppe waren die und 8,1% in die LLS-G5 eingeteilt (Tab. 3). Mit stei- Kühe in der 2. Laktation mit 21,3% und die drittgrösste J. Kofler et al. gender Laktationszahl waren fast immer ansteigende Gruppe die Kühe in der Laktation 5+ mit 19,8% (Tab. 3). Lahmheitshäufigkeiten festzustellen, der Anteil der Hinsichtlich der Zuteilung zu den einzelnen LLS-Grup- Kühe der LLS-G5 lag im Mittel in der 1. Laktation bei pen fanden sich 65,3% der Erstlingskühe in LLS-G1 (nie 4,3%, hingegen bei Kühen der Laktation 5+ bei 15,3% lahm), hingegen waren es bei den Kühen in der Laktation (Tab. 3). 5+ nur noch 30,8%. Entsprechend umgekehrt waren lah- me Kühe verteilt: 34,7% bei Erstlingskühen gegenüber Aufgeteilt nach Rassen betrug die kumulierte, mittlere 69,2% bei Kühen in der Laktation 5+ (Tab. 3). Lahmheitsprävalenz im Beobachtungszeitraum 47,8% bei FV-, 48,0% BV- und 62,7% bei HF-Kühen (Tab. 4). Die Verteilung der Lahmheitsbeobachtungen (Sco- re ≥ 2) bei den 4005 ausgewerteten Kühen in den ein- In den ersten 100 Laktationstagen betrug der Anteil an zelnen Laktationsmonaten ist in Abb. 2 dargestellt, lahmen Kühen insgesamt 34,7%. Während der ersten 100 51,5% aller Lahmheiten wurden in den Laktationsmo- Laktationstage zeigten 33,3% der FV-Kühe (n = 1.975), naten 1 bis 6 registriert. Im Beobachtungszeitraum die- 29,9% der BV-Kühe (n = 897) und 44,3% der HF-Kühe ser einen Laktation im Jahr 2014 waren nur 32 Kühe (n = 725) eine bzw. mehrere Lahmheitsepisoden. dezidiert wegen Lahmheit ausgemerzt worden. Tabelle 3: Verteilung der Laktations-Locomotion-Score Gruppen (LLS-G1-5) über die Laktationen 1 bis 5+ (fünfte und h öhere Laktationen) der 4005 ausgewerteten Kühe Laktationszahl LLS-G 1 2 3 4 5+ Total 1 n 811 446 259 202 245 1963 % 65,30 52,35 40,28 42,71 30,82 49,01 2 n 213 173 146 94 146 772 % 17,15 20,31 22,71 19,87 18,36 19,28 3 n 142 173 146 94 146 775 % 11,43 20,31 22,71 19,87 18,36 19,35 4 n 22 148 156 103 226 171 % 1,77 17,37 24,26 21,78 28,43 4,27 5 n 54 37 33 23 56 324 % 4,35 4,34 5,13 4,86 7,04 8,09 Total n 1242 48 49 51 122 4005 % 31,01 5,63 7,62 10,78 15,35 100 Summe n 431 406 384 271 550 2.042 L ahmheiten % 34,70 47,65 59,72 57,29 69,18 50,99 Tabelle 4: Verteilung der Laktations-Locomotion-Score Gruppen (LLS-G1-5) der 4005 ausgewerteten Kühe bezogen auf ihre Rassezugehörigkeit; FV: Fleckvieh; HF: Holstein-Friesian; BV: Braunvieh. Rasse LLS-G FV BV HF Total 1 n 1118 533 312 1963 % 52,17 52,00 37,28 2 n 395 215 162 772 % 18,43 20,98 19,35 3 n 388 163 224 772 % 18,11 15,90 26,76 4 n 64 44 63 171 % 2,99 4,29 7,53 5 n 178 70 76 324 % 8,31 6,83 9,08 Gesamtzahl n 1025 492 525 lahme Kühe % 47,83 48,00 62,70 128 SAT | ASMV 2 | 2021 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem Efficient-Cow-Projekt J. Kofler et al. Abbildung 2: Anzahl der Lahmheitsbeobachtungen (Score ≥ 2) in den Laktationsmonaten 1 bis 12 unabhängig von Rasse und Laktationszahl bei den 4005 untersuchten Kühen; Kühe in den Laktationsmonaten > 12 (mit längeren Zwischenkalbezeiten) wurden nicht berücksichtigt. Auswirkungen von Lahmheit auf (P < 0,001) der Betriebe, der Laktations-Kalbealtersklas- Milchleistung sen sowie der Melktage berechnet werden. Die übersicht- Im Gesamtmodell für die Milch-, Fett- und Eiweissleis- lichen Detailergebnisse dazu sind in den Tab. 6–8 auf- tung der Standardlaktation (Modell 1) zeigten sich sig- gelistet. Bei Analyse der mittleren Milch-, Fett- und nifikante (P < 0,05) bzw. hochsignifikante (P < 0,001) Eiweissleistung der einzelnen drei Rassen bezogen auf Auswirkungen aller berücksichtigten Einflussfaktoren. die LLS-Gruppen spiegelte das Ergebnis für die Rasse Für das Merkmal der Fettmengenleistung war auch die FV im Wesentlichen jenes aller Rassen gemeinsam wie- Wechselwirkung Rasse*Laktations-Kalbealtersklasse der. Für die Rassen BV und HF waren i. A. deutliche hochsignifikant (P < 0,0008) und wurde daher im Mo- Trends in Richtung einer verminderten Leistung bei dell berücksichtigt (Tab. 5). Kühe der LLS-G5 (wieder- Kühen der LLS-G5 im Vergleich zu Kühen der anderen holt hochgradig lahm) wiesen signifikant niedrigere Gruppen feststellbar ohne statistisch signifikante Un- Leistungen auf als Kühe aller anderen LLS-Gruppen, terschiede (Tab. 6–8). FV-Kühe der LLS-G5 produzier- einzig bei der Fettmengenleistung war die Differenz von ten in der Standardlaktation im Mittel zwischen 272 etwa 9 kg zu Kühen der LLS-G2 nur tendenziell niedri- und 520 kg weniger Milch im Vergleich zu den Kühen ger (P < 0,10). Kühe der LLS-G5 produzierten in der der LLS-G1–4. Diese Werte waren für alle Differenzen Standardlaktation um 319 kg Milch (P = 0,0010), 10,8 kg signifikant (P-Werte zwischen P = 0,0052 für die Diffe- Fett (P = 0,0200) und 16,6 kg Eiweiss (P < 0,0001) weni- renz LLS-G5 und LLS-G1 und P = 0,0312 für die Diffe- ger als jene Kühe, die niemals lahm waren (Tab. 5). renz LLS-G5 und LLS-G3) ausser jener zwischen den Kühen der LLS-G5 und LLS-G2 (P = 0,0782). Die Im Gesamtmodell war zudem auffällig, dass Kühe der Milchleistung der FV-Kühe der LLS-G1, 3 und 4 unter- LLS-G4 absolut eine höhere mittlere Milch- und Fett- schieden sich nicht signifikant voneinander (Tab. 6). mengenleistung aufwiesen als die Kühe der LLS-G1–3, allerdings mit entsprechend höheren Standardfehlern Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei der Fett- und der LS-Means (Tab. 5). Die Anzahl der Kühe in LLS-G3 Eiweissmenge, die FV-Kühe der LLS-G5 wiesen mit war im Vergleich zu den übrigen LLS-Gruppen auch 316 kg Fett und 260 kg Eiweiss im Mittel die niedrigste deutlich niedriger (Tab. 4). Generell unterschieden sich Leistung auf. Für die Fettmenge waren allerdings nur die Kühe der LLS-G1–4 für keines der untersuchten die Differenzen zu LLS-G1 (–13,9 kg) und LLS-G4 Milchleistungsmerkmale signifikant (Tab. 5). (–22,1 kg) mit P = 0,0189 und P = 0,0135 signifikant. Für die Eiweissmenge lagen die Mittelwerte der FV-Kühe der Bei Analyse der mittleren Milch-, Fett- und Eiweissleis- LLS-G5 zwischen 13,0 kg und 21,2 kg signifikant unter tung konnten im Modell 2, bezogen auf die Kühe der jener der Kühe der LLS-G1–4, die P-Werte lagen zwi- einzelnen drei Rassen, ebenso hochsignifikante Effekte schen P < 0,0001 und P = 0,0013 (Tab. 6). Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 129
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit BV-Kühe der LLS-G5 wiesen im Mittel die niedrigste allerdings nur für die Milcheiweissleistung signifikant auf die Milchleistung bei Milch- und Fettmenge und die zweitniedrigste Eiweiss- (P = 0,0071). HF-Kühe in der LLS-G5 zeigten eine sig- Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem menge im Vergleich zu den Kühen der übrigen Gruppen nifikant reduzierte Eiweissleistung verglichen mit jener Efficient-Cow-Projekt auf (Tab. 7). Allerdings war der Effekt LLS-G für keines der Kühe in der LLS-G1-3 (–21 kg, –23 kg, –24 kg; die der untersuchten Merkmale signifikant (P > 0,1568). P-Werte lagen zwischen P = 0,0027 und P = 0,0261). Die J. Kofler et al. HF-Kühe der LLS-G5 wiesen die niedrigsten Leistungen Differenz von 18 kg im Mittel zu HF-Kühen der LLS-G4 in allen Merkmalen auf (Tab. 8), der Effekt LLS-G war war allerdings nicht signifikant (P = 0,1906) (Tab. 8). Tabelle 5: Signifikanzniveau (P) aller Effekte, Least Squares (LS)-Means und deren Standardfehler (SE) für die LLS (Laktations-Locomotion-Score)- Gruppen 1–5 sowie Regressionskoeffizient (b) und SE von Melktage auf Milch- (kg), Fett- (kg) und Eiweissleistung (kg) der 305-Tage Laktation für die gemeinsame Auswertung aller Rassen (n = 4005). Merkmal der Standardlaktationsleistung (alle Rassen) Milchmenge (kg)1 Fettmenge (kg)2 Eiweissmenge (kg)3 Effekt P LS Means (SE) P LS Means (SE) P LS Means (SE) Betrieb
Originalarbeiten | Original contributions Diskussion die auch aktuell gültig, selbst wenn in der Zwischenzeit Auswirkung von L ahmheit die Lahmheitsprävalenz möglicherweise abgesunken auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – Im Rahmen dieser Studie wurde erstmalig in Österreich sein sollte, was sich bei derzeit laufenden Projekten he- Ergebnisse aus dem der Einfluss von Lahmheit auf die Milchleistung und rausstellen wird. Die Gangbildbeurteilung der Kühe war Efficient-Cow-Projekt die Milchinhaltsstoffe bei 4005 Kühen untersucht. Auch anhand der Locomotion-Scoring-Methode55 von 36 J. Kofler et al. wenn die diesbezügliche Datenerhebung bereits einige geschulten Personen durchgeführt worden. Die Metho- Jahre zurückliegt, bleiben die Ergebnisse aus dieser Stu- de der subjektiven Erfassung von Locomotion-Scores Tabelle 7: Signifikanzniveau (P) aller Effekte, Least Squares (LS)-Means und deren Standardfehler (SE) für die LLS (Laktations-Locomotion-Score)- Gruppen 1–5 sowie Regressionskoeffizient (b) und SE von Melktage auf Milch- (kg), Fett- (kg) und Eiweissleistung (kg) der 305-Tage Laktation für die Auswertung der Rasse Braunvieh (n = 965). Merkmal der Standardlaktationsleistung (Braunvieh) Milchmenge (kg)1 Fettmenge (kg)2 Eiweissmenge (kg)3 Effekt P LS Means (SE) P LS Means (SE) P LS Means (SE) Betrieb
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit durch viele Bewerter ist prinzipiell als eher nachteilig herden wohl näherkommt. Leider lässt sich aus dem auf die Milchleistung bei für die Datenqualität einzustufen. Diese Limitierung Vergleich der Ergebnisse dieser älteren Studien14, 54 mit Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem hätte vermieden werden können, wenn vor Beginn der der vorliegenden ca. 10 Jahre später durchgeführten Stu- Efficient-Cow-Projekt Erhebungen mit den LKV-Mitarbeitern Inter- und In- die auch ableiten, dass sich die Lahmheitshäufigkeit und traobserver-Tests durchgeführt worden wären.58 Diese der Anteil hochgradig lahmer Kühe in österreichischen J. Kofler et al. Art der Qualitätssicherung der Gangbildbewertungen Milchviehherden seitdem nicht verbessert haben. konnte allerdings von den Autoren nicht mehr beein- flusst werden, da zum Zeitpunkt als sie in das Projekt Für die statistische Berechnung des Einflusses von Lahm- einstiegen, die Datenerhebung bereits abgeschlossen heit auf die Milchleistung wurden aus den vier- bis zu war. Trotzdem kann für die hohe Qualität der erhobe- zwölfmal pro Laktation erhobenen Locomotion-Scores nen Gangbildbewertungen durchaus die Tatsache ange- die Laktations-Locomotions-Score-Gruppen (LLS-G1–5) führt werden, dass knapp ein Drittel aller Kühe mit gebildet. Mit dieser Methodik, welche bei jeder Kuh so- Score 2 bewertet wurden. Dessen korrekte Erkennung wohl die Häufigkeit von Lahmheitsepisoden als auch setzt ein systematisches Vorgehen voraus, da jede Kuh den jeweiligen Schweregrad der Lahmheit, welcher sich sowohl im Stehen als auch in Schrittbewegung beurteilt über eine Laktationsdauer hinweg sowohl verschlechtern werden muss, um Score 3 klar davon abzugrenzen.55 als auch verbessern kann,1, 20 berücksichtigte, wurden die Kühe sinnvollerweise in niemals lahme (LLS-G1), ge- In der vorliegenden Studie wurde bewusst der Score 2, ringgradig bzw. mittelgradig und selten lahme (LLS-G2-4) welcher eine geringgradige Lahmheit beschreibt, mitbe- bis zu wiederholt und hochgradig lahme Kühe (LLS-G5) rücksichtigt. Hingegen wurden bei anderen Studien während einer Laktation klassifiziert. Kühe mit geringgradiger Lahmheit oftmals in der Grup- pe der «nicht-lahmen» Kühe zusammengefasst, und nur Eine tägliche Milchmengenmessung stand auf Grund Kühe mit Score ≥3 für statistische Auswertungen ver- der Erhebungsmethode und der vielen über ganz Öster- wendet.14, 23, 47, 54 Auch wenn vielfach bei Kühen mit reich verteilen Betriebe nicht zur Verfügung und hätte Score 2 bzw. bei Kühen, welche nur ein «asymmetri- auch nicht organisiert werden können. In anderen, pro- sches» Gangbild 24 zeigen, keine statistisch signifikanten spektiv geplanten Studien wurden Tages- bzw. Wochen- Auswirkungen auf die Milchleistung bzw. die Frucht- durchschnittsmilchmengen erfasst, wodurch eine prä- barkeit nachgewiesen werden können, 23, 55 ist es aus zisere Milchleistungskurve für die Berechnung diverser Gründen der Früherkennung lahmer Kühe und ihrer Einflussfaktoren zur Verfügung stand.6, 26, 59 möglichst frühzeitigen Behandlung unverzichtbar, auch diese Kühe zu identifizieren.4, 24, 30, 39 Die Anzahl von 144 ausgewerteten Milchviehbetrieben liegt weit über der Zahl untersuchter Betriebe in anderen In der vorliegenden Studie betrug die mittlere, kumula- Studien. 2, 3, 6, 11, 26, 59 Allerdings haben durch die grosse tive Lahmheitsprävalenz während einer Standardlakta- Heterogenität der zahlreichen Betriebe und die ver- tion 51,0% und der Anteil hochgradig lahmer Kühe gleichsweise kleine Herdengrösse betriebsspezifische (Score 4 und 5) 8,1%. Als wichtigste zugrundeliegende Faktoren einen grösseren Einfluss auf die Datenanaly- Ursachen dafür wurden in einer gesonderten Datenaus- se,12 wohingegen bei prospektiv geplanten Studien in wertung Dermatitis digitalis, Doppelsohlen, weisse-Li- einer oder zwei grossen Herden mit jeweils Hunderten nie-Erkrankungen, Sohlengeschwüre und deren Kom- bis Tausenden von Milchkühen bei gleicher Aufstallung, plikationen identifiziert. 21 In einer älteren Studie mit gleichem Fütterungs-, Melk- und Klauenpflegemanage- 2360 Kühen aus 80 österreichischen Milchviehherden, ment man fast idente Studienbedingungen für alle Kühe welche nur einmalig untersucht worden waren, wurde annehmen kann.3, 6, 28, 59 eine Lahmheitsprävalenz von 36% (Median) berichtet, wobei die Kühe mit Score 2 nicht mitgezählt wurden, Trotzdem konnten in der vorliegenden Studie hochsig- und die Prävalenz von hochgradiger Lahmheit 4% (Me- nifikante Unterschiede in der Milch-, Fett und Eiweiss- dian) betrug.54 In einer anderen Studie mit 832 Kühen leistung über alle Rassen im Vergleich hochgradig und aus 30 österreichischen Milchviehherden wurde eine wiederholt lahmer Kühe (LLS-G5) zu niemals lahmen mittlere Lahmheitsprävalenz von 31% (ohne Score 2) Kühen (LLS-G1) nachgewiesen werden. Bei Berücksich- festgestellt, davon waren 12% der Kühe hochgradig tigung der einzelnen Rassen konnten klare Trends er- lahm.14 Im Gegensatz zu diesen beiden Berichten war rechnet werden, nämlich, dass Kühe der LLS-G5 deut- in der vorliegenden Studie die Kuhzahl fast doppelt bzw. lich weniger Milch produzierten als jene der nie lahmen sogar fünfmal so hoch, und zudem wurden Gangbild- Kühe, einzig bei FV-Kühen zeigte sich ein signifikanter bewertungen wiederholt während einer Laktationsperi- Unterschied in der Milchleistung zwischen Kühen der ode vorgenommen, so dass die dabei festgestellte mitt- LLS-G1–4 und jener der LLS-G5 mit im Mittel zwischen lere, kumulative Lahmheitsprävalenz von 51% der 270 bis 520 kg weniger Milch pro Standardlaktation. tatsächlichen Situation in österreichischen Milchvieh- Eine Erklärung dafür, dass bei BV- und HF-Kühen der 132 SAT | ASMV 2 | 2021 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS
Originalarbeiten | Original contributions LLS-G5 im Gegensatz zu FV-Kühen derselben pelnutzungsrassen FV und BV zur Milchproduktion Auswirkung von L ahmheit LLS-Gruppe keine statistisch signifikanten Unterschie- eingesetzt werden.62 Eine ähnliche Studie wurde unlängst auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – de bezüglich Milch-, Fett- und Eiweissleistung im Ver- in einer grossen FV-Herde in Bayern durchgeführt, 29 ver- Ergebnisse aus dem gleich zu den Kühen der anderen LLS-Gruppen feststell- gleichbare Studien für die Rasse BV konnten in den zu- Efficient-Cow-Projekt bar waren, sondern nur ein deutlicher Trend zu einer gänglichen Datenbanken nicht gefunden werden. J. Kofler et al. verminderten Leistung nachweisbar war, könnte die der Berechnung zugrundeliegende, deutlich niedrigere Pro- Die Datenauswertung zeigte z. T. auf den ersten Blick bandenzahl bei HF- (n = 736) und BV- Kühen (n = 965) widersprüchliche Ergebnisse nämlich, dass Kühe der gegenüber einer ca. 2,5-mal bzw. doppelt so grossen LLS-G4 deutlich höhere mittlere Milch-, Fett- und Ei- Zahl von FV-Kühen (n = 2104) sein. Ein möglicher wei- weissleistungen aufwiesen als Kühe der LLS-G1, welche terer Grund dafür könnte auch in einer unterschiedli- allerdings nicht signifikant waren. Eine Erklärung für chen Ausprägung der Schmerzempfindlichkeit bei ver- dieses auffällige Ergebnis liegt vermutlich darin begrün- schiedenen Rassen gelegen sein, allerdings konnten det, dass die Anzahl der Kühe in der LLS-G4 mit nur 171 dazu keine vergleichenden Studien gefunden werden. Tieren sehr viel kleiner war als in den anderen 4 Gruppen, Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind durchaus und die Schätzer daher höhere Standardfehler aufwiesen. mit Resultaten anderer Studien vergleichbar, in welchen Ähnliche Resultate wurden bereits von anderen Autoren lahmheitsbedingte Verluste von 270 bis 857 kg Milch berichtet, wobei lahme Kühe im Mittel um bis zu 342 kg während einer Laktationsperiode berichtet wurden. 2, 3, mehr Milch produzierten im Vergleich zu niemals lah- 6, 9, 11, 26, 59 Einige Autoren konnten nach Analyse der men Kühen. 26 Diese und auch andere Autoren führten täglichen Milchmengenmessungen zeigen, dass Milch als Erklärung an, dass Kühe mit sehr hohen Milchleis- mengenverluste bereits bis 6–8 Wochen vor Feststellung tungen ein erhöhtes Risiko für Ketose, Pansenazidose einer Lahmheit (Score ≥ 3) nachweisbar waren, und dass und somit eben auch für Lahmheit aufweisen. 2, 3, 26, 31 diese auch noch ca. bis zu 4 Wochen nach Abklingen der Lahmheitsepisode andauerten. 2, 26, 53 Dieses auf- Einige Studien bewerteten nicht nur den mittleren schlussreiche Ergebnis unterstreicht zudem die Wich- Milchmengenverlust infolge Lahmheit, sondern be- tigkeit einer frühzeitigen Identifizierung von Kühen, schrieben auch die Auswirkungen von Lahmheit auf welche gerade erst ein «asymmetrisches» Gangbild bzw. Milchfett und Milcheiweiss.46, 49 Während in einer pol- eine Score 2-Lahmheit zeigen.10, 24, 30, 42 Durch deren nischen Studie46 ein nicht signifikanter Anstieg des umgehende und fachgerechte Behandlung können wei- Milchfettgehaltes bei lahmen Tieren berichtet wurde, tere Milchleistungsverluste sowie das Auftreten von produzierten in der vorliegenden Studie hingegen nie- Ketose v. a. bei Kühen in der Frühlakatation bzw. auch mals lahme Kühe im Gesamtmodell sowie auch FV-Kü- ein vorzeitiges Abgehen verhindert werden. 23, 30, 42, 52 he während einer Standardlaktation signifikant höhere Fettmengen im Vergleich zu Kühen der LLS-G5. Bei den Aufgrund der unterschiedlichen Methoden der Milch anderen beiden Rassen wiesen Kühe der LLS-G5 nur mengenmessung, der Gangbildbewertung, der unter- eine tendenziell geringere Fettleistung auf als jene der schiedlichen Herdengrössen und Anzahl der Betriebe LLS-G1–4, was möglicherweise hauptsächlich durch sowie der unterschiedlichen statistischen Analyseme- rassespezifische Unterschiede im Milchfettgehalt erklärt thoden könnte ein Vergleich der Ergebnisse anderer werden könnte. In der zitierten Studie46 wurden auch Studien 2, 3, 6, 11, 26, 53, 59 mit jenen der vorliegenden Studie signifikante Unterschiede im Milcheiweissgehalt zwi- durchaus auch kritisch betrachtet werden. Das gewählte schen lahmen (3,13%) und nicht lahmen Kühen (3,27%) statistische Modell ermöglichte jedoch die Verarbeitung festgestellt. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in der der Datensätze aus 144 Betrieben, dabei konnten fixe vorliegenden Studie, so wurden sowohl im Gesamtmo- Effekte der Betriebe, der Rasse, der jeweiligen Lakta- del über alle Rassen hochsignifikante Unterschiede so- tions-Kalbealtersklasse, der Saison der Abkalbung, der wie auch für FV- und HF-Kühe hochsignifikante bzw. Laktationstage der jeweiligen Kuh (270 bis 305 Tage) signifikante Unterschiede bei der Milcheiweissleistung sowie der LLS-Gruppen1–5 berücksichtigt werden, so von nicht lahmen gegenüber hochgradig und wiederholt dass trotz der grossen Anzahl der Betriebe aussagekräf- lahmen Tieren (LLS-G5) errechnet. Hochgradige Lahm- tige Ergebnisse erzielt wurden. Keine andere Studie heiten bei Milchkühen haben eine verkürzte Futterauf- untersuchte bislang vergleichend den Einfluss von nahmezeit und eine verringerte Trockenmasseaufnahme Lahmheit auf die Milchleistung bei verschiedenen Ras- zur Folge, wodurch ein Energiedefizit und eine Fettmo- sen. Alle bisherigen Studien sind mit HF-Kühen durch- bilisation resultiert, was auch zu einem Absinken des geführt worden. 2, 3, 6, 11, 26, 30, 35, 59 In vorliegender Studie Milcheiweissgehalts führt. 29, 33 hingegen waren HF-Kühe mit der geringsten Zahl an Datensätzen präsent verglichen mit BV- und v. a. mit So wie in der vorliegenden Studie für die Kühe der FV-Kühen. Dies entspricht der Rassenverteilung der LLS-G5 wurde auch in anderen Studien nachgewiesen, Milchrinderpopulation in Österreich, wo v. a. die Dop- dass wiederholt auftretende, hochgradige Lahmheiten Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 133
Originalarbeiten | Original contributions Auswirkung von L ahmheit im Gegensatz zu nur kurz dauernden und geringgradi- Laufflächen, der Fütterung sowie durch Stressreduktion auf die Milchleistung bei gen Lahmheiten sowie niemals lahmen Kühen deutlich (Überbelegung, Hitzestress) erreicht werden.13, 14, 51, 54 Milchkühen in Österreich – Ergebnisse aus dem schwerwiegendere Auswirkungen auf die Milchleistung Efficient-Cow-Projekt haben.30, 35 Mehrere Autoren wiesen nach, dass es für Auch in der vorliegenden Studie war auffällig, dass in jede Kuh eine genetisch festgelegte maximale Milchleis- den ersten 100 Laktationstagen im Mittel 34,7% aller J. Kofler et al. tung gibt, und dass auf hohe Milchleistung selektierte Kühe lahm waren, bei HF-Kühen lag dieser Wert mit Kühe mehr Milch produzieren, auch wenn sie lahm 44,3% sogar noch deutlich höher. In einer Langzeitstu- sind.32, 47 Dies kann als weitere Erklärung dafür ange- die wurden Lahmheiten am häufigsten in den für die führt werden, dass Kühe der LLS-G4 im Gesamtmodell Produktion kritischen Laktationsmonaten 2–5 doku- und auch FV-Kühe höhere mittlere Milchleistungen mentiert, 26 und auch in der vorliegenden Studie wurden zeigten, als Kühe der LLS-G1–3. Kofaktoren, wie das 51,5% aller Lahmheiten während der ersten sechs Lak- Vorliegen von Metritis, Mastitis, Milchfieber etc. bei tationsmonate beobachtet. In gut geführten Milchvieh- den Kühen in der vorliegenden Studie, welche neben betrieben gilt eine Lahmheitshäufigkeit von < 10% pro einer bestehenden Lahmheit auch Auswirkungen auf die Jahr als Norm,17, 22 und dabei sollte es keine Kühe mit Milchleistung haben können, wurden in dieser Auswer- Score 4 oder 5 geben.43 In vorliegender Studie zählten tung nicht berücksichtigt, die Daten dazu wurden be- im Mittel 8,1% aller lahmen Kühe zur Gruppe mit den reits im Abschlussbericht des Projektes publiziert.18, 61 wiederholt auftretenden, hochgradigen Lahmheiten (LLS-G5), wobei Kühe in der Laktation 5+ mit 15,3% Grundsätzlich sollten als lahm identifizierte Rinder im- fast doppelt so häufig in dieser Gruppe vertreten waren. mer möglichst zeitnahe und fachgerecht behandelt und Auch andere Autoren wiesen bei Kühen in höheren einer konsequenten Nachkontrolle bis zur Abheilung Laktationen ein erhöhtes Risiko für Lahmheit bzw. unterzogen werden. Als wichtige, kritische und notwen- Klauenerkrankungen nach. 2, 6, 23, 35, 41, 53 Hochgradige dige Kontrollpunkte in gut geführten Milchviehbetrie- Lahmheiten resultieren meist aus einer ursprünglich ben mit hoher Milchleistung gelten die dreimal jährlich Score 2–Lahmheit, welche zu spät bzw. nicht fachge- durchgeführte fachgerechte, funktionelle Klauenpflege recht und nicht konsequent therapiert wurde.43, 57 Um sowie die Kontrolle auf Lahmheit und die Durchfüh- ein kontinuierliches Monitoring der Klauengesundheit rung einer funktionellen Klauenpflege aller Kühe beim auf Tier- und Herdenebene in Milchviehbetrieben zu Trockenstellen und wiederum um den 40.–100. Lakta- gewährleisten, sollte die regelmässige elektronische Do- tionstag, 23, 41, 42, 44 um v. a. das Auftreten von mittel- – kumentation der Klauenbefunde bei jeder Klauenpfle- hochgradigen Lahmheiten zum Zeitpunkt der Geburt gevisite9, 37, 38, 60 noch deutlich breitflächiger Anwendung und im ersten Laktationsdrittel möglichst zu vermeiden. finden. Die kritische Analyse und Interpretation dieser Bekanntermassen verursachen Lahmheiten in dieser regelmässig erhobenen Klauengesundheitsdaten durch kritischen Periode den grössten wirtschaftlichen Scha- den betreuenden Klauenpfleger bzw. in Kooperation mit den. 28, 35, 52 Zusätzlich können regelmässige Kontrollen dem Hoftierarzt können helfen, individuell an den Be- auf Lahmheit durch den darin geschulten Landwirt im trieb angepasste Verbesserungsmassnahmen einzuleiten zwei-Wochen Intervall10, 20, 30 sowie eine frühzeitige und sowie auch deren Effektivität zu kontrollieren.37, 38, 45, 51 effektive Lahmheitsbehandlung30, 39, 56 verhindern, dass Daneben muss die Verwertung dieser regelmässig, elek- sich eine geringgradige Lahmheit zu einer hochgradigen tronisch dokumentierten Daten ein anzustrebendes Ziel entwickelt, womit finanzielle Verluste deutlich limitiert für nationale Zuchtorganisationen sein, um die Klauen- und das Tierwohl verbessert werden.7, 16, 39, 44 gesundheit der Kühe langfristig auch züchterisch zu verbessern.34, 36, 50 In weiterer Folge ist es zudem die Aufgabe für jeden Landwirt und bestandsbetreuenden Tierarzt, die Risi- kofaktoren für Lahmheiten zu minimieren und den Schlussfolgerung bestmöglichen Kuhkomfort zu gewährleisten, um die maximale Milchleistung erzielen zu können und auch Wie die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, hat- den Tierwohlerfordernissen zu entsprechen.7, 13, 22, 45 ten v. a. hochgradige, wiederholt auftretende Lahmhei- Wichtige Risikofaktoren für Lahmheiten in österreichi- ten (Kühe der LLS-G5) signifikant negative Auswirkun- schen Milchviehherden wurden von anderen Autoren gen auf die Milch-, Fett- und Eiweissleistung. Allein die identifiziert,8, 14, 24, 54 und die Implementierung der Er- Vermeidung hochgradiger Lahmheiten durch frühzeiti- gebnisse dieser Studien in das Management einer Milch- ge Erkennung geringgradiger Score 2-Lahmheiten und viehherde kann einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung deren fachgerechte Behandlung wäre bereits ein erstes von Klauenkrankheiten und Lahmheiten darstellen. Die und durchaus erreichbares Ziel zur Verbesserung der Verbesserung der Lahmheitssituation in Milchviehher- Effizienz und des Tierwohls in vielen Betrieben. Ein den kann v. a. kurz- und mittelfristig durch Optimie- weiteres kurz- und mittelfristig erreichbares Ziel sollte rung des Komforts und der Hygiene von Liege- und es sein, durch die Implementierung der oben genannten 134 SAT | ASMV 2 | 2021 Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS
Originalarbeiten | Original contributions Vorbeugemassnahmen, Lahmheiten bei trockengestell- Danksagung Auswirkung von L ahmheit ten Kühen sowie auch bei Kühen v. a. in den ersten 100 auf die Milchleistung bei Milchkühen in Österreich – Laktationstagen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Wie Die Autoren bedanken sich bei allen Landwirten und Ergebnisse aus dem die Studienergebnisse weiters zeigen, hatten nicht nur LKV-Mitarbeiten aus ganz Österreich, die am Projekt Efficient-Cow-Projekt die Kühe der LLS-G1 signifikant bessere Milchleistungs- «Efficient Cow» teilnahmen. Finanziell wurde das Pro- J. Kofler et al. daten, sondern auch Kühe der LLS-G2–4, welche man jekt «Efficient Cow» vom Ministerium für Landwirt- in der statistischen Auswertung zu einer einzigen Grup- schaft, Regionen und Tourismus (Projektnummer: pe hätte zusammenfassen können, wiesen im Gesamt- 100681, BMLFUW-LE, 1.3.2/0083-II/1/12012) und den model ähnlich gute bzw. statistisch nicht signifikant Ämtern der Landesregierungen sowie der ZAR unter- unterschiedliche Milchleistungsdaten gegenüber nie- stützt. All diesen Institutionen, allen anderen Projekt- mals lahmen Kühen (LLS-G1) auf. Somit kann auch die partnern und allen weiteren am Projekt beteiligten Per- schrittweise Hinführung einer Milchviehherde mit ho- sonen möchten wir an dieser Stelle einen aufrichtigen her Lahmheitshäufigkeit auf diese noch «nicht perfekte» Dank aussprechen. Lahmheitssituation (LLS-G2–4) ein ethisch und wirt- schaftlich lohnendes und durchaus erreichbares Ziel für engagierte Betriebsleiter darstellen. Impact des boiteries sur le rendement Effetto della zoppia sulla laitier des vaches en Autriche – résultats produzione di latte nelle vacche du projet Efficient-Cow da latte in Austria – risultati del progetto Efficient Cow Introduction L’impact des boiteries sur le rendement laitier des vaches a Introduzione déjà été étudié dans de nombreux pays par plusieurs au- L’impatto della zoppia sulla produzione di latte delle teurs, en prenant en compte presque exclusivement des vacche è già stato esaminato da diversi autori in nume- scores de locomotion ≥ 3. Le but de cette étude était d’éva- rosi paesi, prendendo in considerazione quasi esclusiva- luer l’impact de la boiterie et des différents scores de boi- mente vacche con un punteggio ≥ 3. Lo scopo di questo terie (2–5) sur le rendement laitier et la matière sèche du studio era di valutare l’impatto della zoppia o dei vari lait chez les vaches des trois races bovines laitières les plus gradi di zoppia (punteggio 2–5) sulla produzione di l atte importantes (Fleckvieh, Braunvieh, Holstein-Friesian) en e sul contenuto del latte delle vacche delle tre più Autriche au cours d’une période de lactation. importanti razze austriache Pezzata rossa, Braunvieh e Holstein durante un periodo di lattazione standard. Matériel et méthode Le scoring de locomotion des vaches laitières a été effectué Materiale e metodo par du personnel formé tous les 30 à 40 jours en 2014 au La valutazione della locomozione delle vacche è stata cours des tests de performance de routine. À partir des eseguita ogni 30–40 giorni, da persone formate, nell’am- scores de locomotion enregistrés (1–5) et du nombre d’épi- bito del monitoraggio della produzione di latte nel 2014. sodes de boiterie, les vaches ont été classées en cinq groupes In base ai punteggi della locomozione documentati de score de lactation-locomotion (LLS-G1–5). Au total les (1–5) e al numero di episodi di zoppia, le vacche sono données de 4 005 vaches provenant de 144 exploitations state suddivise in cinque gruppi di punteggio di loco- laitières de toute l’Autriche ont pu être évaluées. À l’aide mozione della lattazione (LLS-G1–5). In totale, è stato de deux modèles statistiques, les effets fixes sur le groupe possibile valutare i dati di 4005 vacche provenienti da LLS, la race (évaluation pour toutes les races dans le modèle 144 allevamenti da latte in Austria. In due modelli sta- 1), l’exploitation, l’année et la saison de vêlage, le nombre tistici, sono stati presi in considerazione nel gruppo LLS de lactations et le nombre de jours de traite par rapport aux gli «effetti fissi», razza (nel modello 1 tutte e tre le razze analyses des quantités de lait, des matières grasses et des insieme), allevamento, stagione del parto, numero di protéines ont été pris en compte. lattazioni e l’«effetto continuo» numero di giorni di mungitura, nelle analisi della quantità di latte, grasso e Résultats proteine. La prévalence moyenne cumulative de boiteries pendant la période d’observation était de 51,0% et 8,1% étaient Risultati des vaches du groupe LLS-G5 présentant des boiteries La prevalenza media cumulativa della zoppia durante il répétées et sévères. Au cours des 100 premiers jours de periodo di osservazione è stata del 51,0%, di cui l’8,1% lactation, 34,7% de toutes les vaches étaient boiteuses. delle vacche erano nel gruppo LLS-G5 e presentavano Band 163, Heft 2, Januar 2021, 123–138, © GST | SVS SAT | ASMV 2 | 2021 135
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