Auswirkungen von COVID-19 - Zur Situation von Sozialarbeitenden im Gesundheitswesen in der Schweiz - SAGES - Schweizer ...
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Titelthema Auswirkungen von COVID-19 Zur Situation von Sozialarbeitenden im Gesundheitswesen in der Schweiz Beitrag zusammengeführt. Die hier zugrunde liegenden Auswertungen beziehen sich auf eine Stichprobe von 397 Personen aus dem Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit im Gesundheits- wesen. Das sind 11,3 Prozent aller Studienteilnehmenden. 75,3 Prozent ordnen sich dem weiblichen und 24,4 Prozent dem männlichen Geschlecht zu. 5,3 Prozent sind französischspra- chig und 94,7 Prozent sind deutsch- sprachig. Nadja Hess M. A. Prof. Dr. Peter Sommerfeld Thomas Friedli, M. Sc. Geöffnete Beratungsstellen dank Home Office und Digitalisierung Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind auch in allen Tätig- Während des zweiten Lockdowns in keitsfeldern der Sozialen Arbeit zu spüren. Die Ergebnisse einer Studie zur der Schweiz zwischen November 2020 Arbeitssituation, Belastung und Gesundheit von Sozialarbeitenden in der und Januar 2021 blieben 98,7 Pro- Schweiz zeigen zusammenfassend: Die Fachpersonen der Sozialen Arbeit zent der Sozialdienste und Sozialbe- stellen sich den damit verbundenen Herausforderungen mit Engagement ratungsstellen im Gesundheitswesen für Mitarbeitende und Klient*innen und versuchen, die Folgen konstruktiv zu bewältigen. Die hohe Arbeits- geöffnet. Trotz einer stark gestiegenen belastung geht allerdings teilweise mit bedenklichen gesundheitlichen Nachfrage (vgl. unten) mussten 56,1 Folgen einher. Der Beitrag berichtet insbesondere über die Auswertungen Prozent der Sozialdienste und Sozial- der Studie zum Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen. beratungsstellen im Gesundheitswe- sen ihre Angebote pandemiebedingt begrenzen. Die empirische Studie zur Ar- schrieben. Die Gesamtstichprobe um- Neben dem veränderten Angebot beitssituation, Belastung und fasst 3500 vollständig ausgefüllte Fra- waren die Sozialarbeitenden im Ge- Gesundheit von Sozialarbeitenden in gebögen. Der Fragebogen orientierte sundheitswesen mit vielfältigen Verän- der Schweiz wurde vom Institut So- sich am Befragungsinstrument der derungen im Arbeitsalltag konfrontiert. ziale Arbeit und Gesundheit der Fach- deutschen Partnerstudie der Universi- So arbeitete ein Viertel der Fachper- hochschule Nordwestschweiz (FHNW) tät Fulda (vgl. Buschle & Meyer 2020). sonen zumindest teilweise im Home- in Kooperation mit dem Berufsver- Er wurde an die Schweizer Verhält- office. Diese Möglichkeit wurde von band AvenirSocial durchgeführt (vgl. nisse angepasst und um Fragen zur vielen Befragten als positive Verände- Sommerfeld et al. 2021). Die Online- gesundheitlichen Situation der So- rung wahrgenommen. Etwa 40 Prozent Befragung fand in der zweiten Welle zialarbeitenden erweitert. Die Fragen bemängelten jedoch, dass sie von ih- der COVID-19-Pandemie im Zeitraum zur gesundheitlichen Situation wur- rem Arbeitgeber nicht oder nicht aus- von 10. Dezember 2020 bis 7. Janu- den von der schweizerischen Gesund- reichend mit den nötigen technolo- ar 2021 statt. Neben einem Aufruf zur heitsbefragung 2017 übernommen gischen Mitteln ausgestattet worden Teilnahme an der Umfrage über elek- (Bundesamt für Statistik 2018). sind. Etwa bei einem Viertel der Fach- tronische Medien wurden über die personen mangelte es an den notwen- E-Mail-Verteilerlisten der FHNW und Die Bereiche Sucht und Gesundheits digen digitalen Technologien im Home- des Berufsverbandes AvenirSocial wesen, die im Ergebnisbericht separat office, um der Arbeit ungehindert nach- rund 12 000 Sozialarbeitende ange- ausgewiesen sind, wurden für diesen gehen zu können. An nötigem Wissen 16 1/2022 FORUM sozialarbeit + gesundheit
Abbildung 1: Negative Veränderung des fachlichen Austausches (Quelle: Eigene Darstellung) auch die Kommunikation und Zusam- menarbeit unter den Fachkräften be- einflusste. Davon waren sowohl die interne als auch die externe Kommu- nikation betroffen. Besonders häu- 48.80 % 65.30 % 45.40 % fig veränderte sich der fachliche Aus- tausch unter Kolleg*innen und mit Ko- operationspartner*innen negativ. Ers- terem stimmten 28 Prozent ganz und 23.10 % 27.40 % 23,1 Prozent teilweise zu. Letzterem stimmten 27,2 Prozent ganz und 27,4 16.30 % Prozent teilweise zu. Beim fachlichen Austausch mit den Vorgesetzten er- 28 % 27.20 % 18.40 % lebten 18,4 Prozent eine negative Ver- änderung und 16,3 Prozent erlebten diesbezüglich teilweise eine negative Veränderung (siehe Abb. 1). Hier muss jedoch ergänzt werden, und nötigen Fähigkeiten würde es den gaben an, dass die Kontakthäufigkeit dass diese Werte teilweise immer Fachpersonen hingegen nicht fehlen: zu ihren Klient*innen beständig blieb. noch deutlich besser sind als im Ge- 81,4 Prozent der Befragten gaben an, Dies ist ein bedenkliches Resultat, da samtsample. Insbesondere der Fach- dass sie über das nötige Wissen verfü- gleichzeitig 89,2 Prozent der Befrag- austausch mit den Vorgesetzten, aber gen, digitale Technologien bei der Ar- ten angaben, dass sich die Problem- auch der Austausch mit Kolleg*innen beit anzuwenden und weitere 11,8 Pro- lage ihrer Adressat*innen durch die scheint sich in andern Tätigkeitsfel- zent würden dieser Aussage zumindest Folgen der Corona-Pandemie zumin- dern der Sozialen Arbeit noch deut- teilweise zustimmen. dest teilweise verstärkt habe. Diese lich negativer verändert zu haben. Von Digitale Kommunikationsformen Einschätzung wird von weiteren Stu- den Befragten im Gesamtsample, die könnten auch in Zukunft wichtiger dien bestätigt, wie die Gesundheits- eine Veränderung in der Kommunika- werden für das Arbeitsfeld der Sozia- förderung Schweiz und das BAG in ih- tion mit Kolleg*innen feststellten, ga- len Arbeit im Gesundheitswesen. 54,7 rem Bericht vom Januar 2021 zu den ben 39,3 Prozent an, dass sich diese Prozent der Befragten gingen davon Auswirkungen der Corona-Pandemie negativ verändert habe und 35,7 Pro- aus, dass sie in naher Zukunft digita- auf gesundheitsbezogene Belastun- zent gaben an, dass sich die Kommu- le Technologien im Kontakt mit ihrer gen und Ressourcen der Bevölkerung nikation mit den Vorgesetzten negativ Klientel einsetzen werden. Nach Ein- festhalten (Kessler, C. & Guggenbühl, verändert habe. schätzung der Fachpersonen ist dies L. 2021). Ebenfalls zeigt eine Studie für einige Klient*innen eine Heraus- von Martinez et al. zu Corona und Un- Info forderung. 65,6 Prozent der Befragten gleichheit in der Schweiz deutlich auf, gaben an, dass ihre Adressat*innen dass sozial isolierte und sozioökono- Die empirische Studie zur Arbeitssitu- keine oder nur teilweise die Möglich- misch benachteiligte Personen zu den ation, Belastung und Gesundheit von keit zur digitalen Kontaktaufnahme Bevölkerungsgruppen zählen, die be- Sozialarbeitenden in der Schweiz wur- hätten. sonders stark belastet sind von den de vom Institut Soziale Arbeit und Auswirkungen der Pandemie (Marti- Gesundheit der Fachhochschule der Erschwerte Kommunikation bei nez et al. 2021). Nordschweiz (FHNW) in Kooperation verstärkten Problemlagen mit dem Berufsverband AvenirSocial Die Pandemie wirkte sich im Allgemei- Die Befragung hat weiter gezeigt, durchgeführt. Ein weiterer Beitrag in- nen stark auf die Kommunikation zwi- dass die Pandemie die Umsetzung formiert über die Ergebnisse der Studie schen Fachpersonen und Klientel aus. konstruktiver Bewältigungsstrategien bezogen auf die Sozialhilfe in der Zeit- Von den über 80 Prozent der Sozial- seitens der Klient*innen erschwert. schrift für Sozialhilfe (ZESO 03/21) der arbeitenden im Gesundheitswesen, 47,9 Prozent der Befragten stimmten Schweizerischen Konferenz für Sozial- die eine Veränderung in der Kommu- der Aussage zu, dass problematische hilfe (Hess 2021). nikation wahrnahmen, beurteilten et- Handlungsmuster durch die Pande- wa ein Drittel diese Veränderung als mie verstärkt würden und 31,3 Pro- Der vollständige Ergebnisbericht der negativ und ein weiteres Viertel als zent stimmten dieser Aussage zumin- Studie ist online verfügbar unter: teilweise negativ. Durch die verän- dest teilweise zu. C https://www.fhnw.ch/plattformen/ derten Umstände verringerte sich die sozialearbeitcovid19pandemie/ergeb- Kontakthäufigkeit in den meisten Fäl- Als weiteres Ergebnis lässt sich fest- nisse/ len. Nur ein Drittel der Fachpersonen halten, dass die COVID-19-Pandemie 1/2022 FORUM sozialarbeit + gesundheit 17
Titelthema Abbildung 2: Psychosoziale Risiken der Arbeitssituation (Quelle: Eigene Darstellung) n Abbildung 3: Veränderungen der Arbeitsbedingungen seit Ausbruch der Pandemie (Quelle: Eigene Darstellung) n Hohe Arbeitsbelastung tens Stress bei der Arbeit zu erleben Hinsichtlich der psychosozialen Ri- Ein besorgniserregendes Ergebnis – im Gesamtsample waren es gar 39,1 sikofaktoren der Arbeitssituation sind der Studie betrifft die Angaben zur Prozent. die Werte der Sozialarbeitenden im Arbeitsbelastung und gesundheitli- Dieser Wert lag für Erwerbstätige im Gesundheitswesen bei vielen Items chen Folgen davon. Über 60 Prozent Gesundheits- und Sozialbereich 2017 vergleichbar mit der Gesamtstichpro- der Befragten der Gesamtstichprobe noch bei 23 Prozent (Krieger & Arial, be. Bei den Items „Vereinbarung Ar- empfanden zum Zeitpunkt der Befra- 2020). Die meisten Befragten waren beit und Familie“, „Pausen nach Be- gung eine hohe Arbeitsbelastung. In der Meinung, dass sie den erlebten darf“, „Spannungen im Umgang mit der Sozialen Arbeit im Gesundheits- Stress relativ gut bewältigen können. Adressat*innen“ und „an zu viele Din- wesen waren es 58 Prozent der Fach- Für 39 Prozent der Befragten berei- ge gleichzeitig denken müssen“ sind personen, die über eine hohe Arbeits- tete die Stressbewältigung jedoch die Sozialarbeitenden im Gesund- belastung berichteten. Weitere 36,8 mehr Mühe seit dem Ausbruch der heitswesen interessanterweise jedoch Prozent gaben an, immer oder meis- Pandemie. etwas weniger belastet als ihre Kol- 18 1/2022 FORUM sozialarbeit + gesundheit
leg*innen der Gesamtstichprobe. Ab- Angebot stärker nachgefragt werde. die Gesundheit der Sozialarbeitenden bildung 2 zeigt wie viele Prozent der 39,8 Prozent mussten zudem durch auswirkt. Wenn ein Viertel der Sozial- Gesamtstichprobe (in blau) und in der die Pandemie zusätzliche Aufgaben arbeitenden im Gesundheitswesen Stichprobe des Tätigkeitsfeldes der von erkrankten Kolleg*innen über- und ein Drittel insgesamt von Burn- Sozialarbeit im Gesundheitswesen (in nehmen. Lediglich 18,1 Prozent der out bedroht sind, dann stellt sich die orange) von diesen und weiteren psy- Fachpersonen der Sozialen Arbeit im Frage, woran das liegt. Von allen Va- chosozialen Risikofaktoren betroffen Gesundheitswesen stellten keine Ver- riablen, die wir auf einen Zusammen- sind. änderung an ihrer Tätigkeit fest. hang mit diesem Item getestet haben, hat nur (und wenig überraschend) die Die Belastung am Arbeitsplatz ist Neben den zahlreichen negativen Arbeitsbelastung einen starken Ein- für einige so hoch und schwer bewäl- Auswirkungen der COVID-19-Pande- fluss. Warum aber wirkt sich dies so tigbar, dass sie vom Risiko betroffen mie auf das Arbeitsfeld der Sozialen schnell so stark auf die Gesundheit sind, an einem Burnout zu erkranken. Arbeit im Gesundheitswesen, neh- aus? Wir haben einen Erklärungsan- Ein Drittel der Gesamtstichprobe und men die Fachpersonen auch positive satz entwickelt, der hier nicht ausführ- ein Viertel der Stichprobe des Tätig- Veränderungen wahr. So berichtet je- lich dargelegt und begründet werden keitsfelds der Sozialen Arbeit im Ge- weils die Hälfte der Gesamtstichprobe kann (vgl. Ergebnisbericht zur Studie, sundheitswesen stimmten der Aussa- und der Fachpersonen der Sozialar- S. 29 ff.). Kurz und knapp formuliert, ge zu, dass sie bei der Arbeit immer beitenden im Gesundheitswesen über denken wir, dass sich in diesen Ergeb- öfter das Gefühl haben, emotional positive Veränderungen in ihrer beruf- nissen eine Profession spiegelt, die verbraucht zu sein. Bei weiteren 28,5 lichen Tätigkeit, die sie beibehalten aufgrund der neo-liberalen Politiken Prozent ist dies teilweise der Fall. Das möchten. Aus der Analyse der offenen und dem damit einhergehenden Prin- sind im Vergleich zu früheren Erhe- Antworten der Gesamtstichprobe zur zip der Austerität schon im Normalbe- bungen bei Erwerbstätigen im Sozial- Frage nach den positiven Veränderun- trieb am Anschlag läuft (vgl. zur ähn- und Gesundheitswesen hohe Zahlen (vgl. Bundesamt für Statistik 2019). Auch die körperlichen und psychi- Wie lassen sich übermäßige gesundheitliche Belastungen schen Beschwerden sind vergleichs- weise hoch. Am häufigsten wurde der Sozialarbeitenden begrenzen und zugleich eine möglichst über Schwäche, Müdigkeit und Ener- gielosigkeit berichtet, wobei 23 Pro- hohe Qualität ihrer Leistungen sicherstellen? zent stark und weitere 59,8 Prozent ein wenig davon betroffen sind. Trotz der wahrgenommenen Beschwerden gen geht hervor, dass das Homeoffi- lich gelagerten und besser untersuch- ist der Großteil der Sozialarbeiten- ce und die Verwendung von digitalen ten Situation der Pflege (Pelling 2021). den des Gesundheitswesens, näm- Technologien für Besprechungen von Wenn nun eine Krise wie diese hin- lich 83,8 Prozent, nach wie vor der An- einer großen Mehrheit sehr geschätzt zukommt, übersteigt die Belastung sicht, dass es ihnen im Allgemeinen wird. Weitere positive Aspekte sind (zusammen vermutlich mit weiteren gesundheitlich gut bis sehr gut geht. mehr Entschleunigung und Achtsam- Faktoren) die Bewältigungskapazitä- keit im Arbeitsalltag, beispielsweise ten nicht nur von Einzelnen, sondern Die Pandemie hat auch Verände- aufgrund einer Reduktion von Sitzun- von einer strukturell relevanten Grup- rungen bei den Arbeitsbedingungen gen aber auch durch mehr Solidarität pe der Berufstätigen in diesem Feld. zur Folge (vgl. Abb. 3). So gaben 31 im Team. Ebenfalls wurde von einer Die dadurch und durch weitere Mass- Prozent der Sozialarbeitenden im Ge- neu gewonnen Flexibilität und einem nahmen (z. B. erhebliche Ausdehnung sundheitswesen an, dass sich ihre Ar- Innovationsschub berichtet. Es wurde der Reporting- und Dokumentations- beitsbedingungen seit Ausbruch der begrüßt, dass bestehende Strukturen pflichten) erzeugte Intensivierung der Pandemie verschlechtert hätten. 20,7 und Abläufe geprüft und kreative Lö- Arbeit unter Ausblendung der Qualität Prozent arbeiten länger als vertrag- sungen gesucht wurden. der geleisteten Arbeit (Unzufrieden- lich vereinbart und 25,2 Prozent geben Die Ergebnisse der Studie zeich- heit mit den Inhalten und mangelnde an, seit der Pandemie für mehr Adres- nen das Bild einer Profession, die Wertschätzung sind Faktoren für Burn- sat*innen zuständig zu sein als zuvor. sich mit Engagement und Innovati- out) übersteigen offenbar ein zumut- Dies kann zumindest teilweise damit onsgeist den Herausforderungen der bares Maß. erklärt werden, dass die Angebote der COVID-19-Pandemie stellt. Die Stu- Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen die zeigt jedoch auch, dass für einen Berufspolitischer und gewerkschaftli- durch die Pandemie stärker nachge- Teil der Professionellen der Sozialen cher Handlungsbedarf sowie Notwen- fragt wurden. Die Hälfte der befragten Arbeit die Belastungen am Arbeits- digkeit verstärkter Forschung Sozialarbeitenden im Gesundheitswe- platz hoch und schwer kompensierbar Dieser Erklärungsansatz ist selbstver- sen hat nämlich angegeben, dass ihr sind, so dass sich dies unmittelbar auf ständlich zu diskutieren und zu über- 1/2022 FORUM sozialarbeit + gesundheit 19
Titelthema prüfen. So oder so sprechen die Daten 1996) wieder neu und verstärkt aufzu- n Nadja Hess M. A., Sozialarbeiterin, aber dafür, dass die Arbeitsbedingun- werfen. Dieser Begriff von Bauer weist Wissehschaftliche Mitarbeiterin am gen der Sozialen Arbeit dringend da- darauf hin, dass bei personenbezoge- Institut Soziale Arbeit und Gesund- hingehend genauer angeschaut wer- nen Dienstleistungen wie der Sozia- heit, Hochschule für Soziale Arbeit, den müssen, inwieweit mit den zur len Arbeit oder der Pflege, weder ein Fachhochschule Nordwestschweiz, Verfügung stehenden Ressourcen, (nicht existierender) Markt noch die 6 nadja.hess@fhnw.ch sowohl Professionalität als auch die technokratische Steuerung, wie sie Arbeitsbelastung so gestaltet werden paradoxerweise mit der neo-liberalen n Prof. Dr. Peter Sommerfeld, können, dass die Sozialarbeitenden Politik erzeugt wurde, dafür sorgen, Sozialwissenschaftler, Dozent am nicht unverhältnismässig gesundheit- dass sich ein solches Optimum ein- Institut Soziale Arbeit und Gesund- lich belastet werden und eine mög- stellt. Der beste Weg wäre ein echter heit, Hochschule für Soziale Arbeit, lichst hohe Qualität ihrer Leistungen Aushandlungsprozess, in dessen Ver- Fachhochschule Nordwestschweiz, sicherstellen können. Hohe Kranken- lauf man sich diesem (unbekannten) 6 peter.sommerfeld@fhnw.ch stände sind in hohem Maße ineffizi- Optimum annähern könnte. Vielleicht ent und verstärken die Problematik. Es bringt die Pandemie ja eine Bereit- n Thomas Friedli, M. Sc., Sozial- zeichnet sich also einerseits ein enor- schaft zum Überdenken des Gegebe- arbeiter, Co-Präsident des Schwei- mer Forschungsbedarf ab. Anderseits nen mit sich statt einer „Rückkehr zur zerischen Fachverbandes Soziale ergibt sich auch ein berufspolitischer Normalität“, die vor dem geschilder- Arbeit im Gesundheitswesen, und gewerkschaftlicher Handlungsbe- ten Hintergrund ernsthafter gesund- 6 tom.friedli@sages.ch darf, nämlich in den kommenden Aus- heitlicher Folgen für die Sozialarbei- handlungen, die Frage nach dem „po- tenden (und die Pflegekräfte) als zy- lit-ökonomischen Optimum“ (Bauer nisch erschiene. Literatur Bauer, R. (1996): „Hier geht es um Buschle, C.; Meyer, N. (2020): Covid-19-Pandemie (Bd. 161). KOF Menschen, dort um Gegenstände“. Soziale Arbeit im Ausnahmezustand?! Konjunkturforschungsstelle der ETH Zü- Über Dienstleistungen, Qualität und Professionstheoretische Forschungs- rich. Online abrufbar: https://ethz.ch/ Qualitätssicherung. Zur Begriffssyste- notizen zur Corona-Pandemie. Soziale content/dam/ethz/special-interest/du- matik und zur politisch-ökonomischen Passagen, 12(1), 155–170. https://doi. al/kof-dam/documents/Medienmittei- Erklärung der gegenwärtigen Entwick- org/10.1007/s12592-020-00347-0 lungen/Sonstige/Studie%20Ungleich- lungslinien Sozialer Dienstleistungen in heit%20final.pdf (15.11.21) der Bundesrepublik. In: WIDERSPRÜ- Hess, N. (2021): Auswirkungen der Co- CHE, Heft 61, S. 11–49. vid-19-Pandemie auf Sozialarbeitende. Pelling, L. (2021): On the Corona Front- In: ZESO – Zeitschrift für Sozialhilfe, 3/21, line – The Experiences of Care Workers Bundesamt für Statistik (2018, Oktober S. 32–33. in Nine European Countries – Summary 30): Schweizerische Gesundheitsbefra- Report. Friedrich-Ebert-Stiftung gung 2017. Übersicht (Korrigierte Ver- Kessler, C.; Guggenbühl, L. (2021): (Nordic Countries). Online abrufbar: sion 10.12.2018) | Publikation. Bundes- Auswirkungen der Corona-Pandemie auf http://library.fes.de/pdf-files/bueros/ amt für Statistik. Online abrufbar: gesundheitsbezogene Belastungen und stockholm/17490.pdf (15.11.21) www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statis- Ressourcen der Bevölkerung. Ausge- tiken/kataloge-datenbanken/publikatio- wählte Forschungsergebnisse 2020 für Sommerfeld, P.; Hess, N.; Bühler, S. nen.assetdetail.6426300.html die Schweiz (Arbeitspapier 52). Gesund- (2021): Soziale Arbeit in der Covid-19 (15.11.21) heitsförderung Schweiz und Bundesamt Pandemie. Eine empirische Studie für Gesundheit BAG. zur Arbeitssituation, Belastung und Bundesamt für Statistik (2019): Gesundheit von Fachpersonen der Schweizerische Gesundheitsbefragung Krieger, R.; Arial, M. (2020): Arbeits- Sozialen Arbeitin der Schweiz – Ergeb- – SGB17: Standardtabellen – Gefühl, bedingungen und Gesundheit: Stress. nisbericht. Fachhochschule Nordwest- bei der Arbeit emotional verbraucht zu Staatssekretariat für Wirtschaft, Direktion schweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, sein. Online abrufbar: www.bfs.admin. für Arbeit. Institut für Soziale Arbeit und Gesund- ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroef- heit. Online abrufbar: https://irf.fhnw. fentlichungen.assetdetail.7586216.html Martinez, I.; Kopp, D.; Lalive, R.; Pichler, ch/bitstream/handle/11654/32440/Be- (15.11.21) S.; Siegenthaler, M. (2021): Corona und richt_Covid-19%20und%20Soziale%20 Ungleichheit in der Schweiz: Eine erste Arbeit.pdf?sequence=1&isAllowed=y Analyse der Verteilungswirkungen der (15.11.21) 20 1/2022 FORUM sozialarbeit + gesundheit
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