Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand
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Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand Christian Pohl1, Susanne Stoll-Kleemann2 1 transdisciplinarity-net, Akademien der Wissenschaften Schweiz, CH-3007 Bern, E-Mail: pohl@scnat.ch 2 Forschungsgruppe GoBi (Governance of Biodiversity), Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, Luisenstr. 53, D-10099 Berlin, E-Mail: susanne.stoll-kleemann@agrar.hu-berlin.de Vom erweiterten Gutachterkreis zur Gegenleserin Nach wie vor kann bei der Eingabe eines Forschungsprojektes nicht an- gegeben werden, ob es sich dabei um ein mono-, ein inter- oder ein transdisziplinäres Projekt handelt. Nach wie vor gibt es keine Anstel- lungen im Forschungsbereich, in welchen Forschende ohne ausgewiese- ne Qualifikationen in der inter- und transdisziplinären Forschung sich gar nicht zu bewerben brauchen. Nach wie vor führt bei der Eingabe eines wissenschaftlichen Artikels oder Buches die Klassifizierung als in- ter- oder transdisziplinär nicht auf einen eigenen Begutachtungspfad, auf welchem die besonderen Herausforderungen und Leistungen dieser Forschungsarten gewürdigt und entsprechende Verbesserungsvorschläge erteilt werden. Nach wie vor gehört die inter- und transdisziplinäre Forschung als eine unter anderen Forschungsformen nicht zur Normali- tät von Forschung, Forschungsförderung, Forschungsinstitutionen und Forschungslaufbahnen. Es ist seit längerem bekannt, dass das klassische Evaluationsverfahren disziplinäre Projekteingaben gegenüber anwendungsorientierten und in- terdisziplinären bevorzugt: „The key finding is that projects that are ,scientific, basic research in academic unit’ are the highest rated, while those that are ,engineering, applied or policy research in non-academic units’ are rated lowest (…). Present data suggest that peer review of NSF proposals favors research that is performed by academics, in the sciences, and that falls completely within the reviewer’s own domain of expertise.“ (Porter/Rossini 1985: 36-37)
8 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann Hingegen wird der Ruf nach spezifischen Evaluationsverfahren in den für die internationale Forschungsorientierung wichtigen USA erst in letzter Zeit explizit artikuliert: „IDR (Interdisciplinary Research) programs and projects should be evaluated in such a way that there is an appropriate balance between cri- teria characteristic of IDR, such as contributions to creation of an emerging field and whether they lead to practical answers to societal questions, and traditional disciplinary criteria.“ (COSEPUP 2005: 168) Mit der Forderung einer spezifischen Evaluation rücken die Begutachter als „Flaschenhals“ der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle ins Zent- rum des Interesses. Begutachter beurteilen Forschungsgesuche. Sie ste- hen einem bei der Zwischenevaluation gegenüber und stellen kritische Fragen. Sie sitzen in den Gremien, welche den wissenschaftlichen Nachwuchs auswählen, und wenn Ergebnisse in einer wissenschaftli- chen Fachzeitschrift publiziert werden sollen, ist es von ihrem Urteil abhängig, ob überhaupt und wenn ja, in welcher Form eine Publikation als für eine Veröffentlichung geeignet beurteilt wird. Als inter- und transdisziplinär Forschende hoffen wir, dass unsere Gesuche und Bei- träge Begutachtern zugewiesen werden, die eine Offenheit für diese Forschungsart mitbringen. Doch anstelle der Hoffnung auf diese Of- fenheit müsste doch etwas ganz anderes stehen: die Sicherheit, dass ein Begutachtungsverfahren die besonderen Leistungen der inter- und transdisziplinären Forschung als solche erkennt und Anregungen geben kann, wo und auf welche Weise sie noch verbessert werden können; das Vertrauen, dass die Gutachter die Art und Weise, wie Erkenntnisse aus unterschiedlichen gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Bereichen zusammengefügt und mit Blick auf eine gesellschaftlich relevante Frage- stellung aufeinander bezogen wurden, einer Qualitäts-, Kreativitäts- und Nützlichkeitsbeurteilung unterziehen werden. Funtowicz und Ravetz haben zu diesem Zweck vorgeschlagen, den Kreis der Begutachter zu erweitern: „[T]he quality assurance of the whole process requires an ‚extended peer community’ including all the relevant sorts of concerned lay persons.“ (Ravetz 1997: 543, vgl. auch Funtowicz/Ravetz 1993) Mit der Ausweitung des Begutachterkreises wollen Funtowicz und Ra- vetz das Verfahren über den Bereich der Wissenschaft ausdehnen. Die Ausweitung muss aber auch innerhalb der Wissenschaft stattfinden, so dass Begutachter aus unterschiedlichen Disziplinen in die Beurteilung einbezogen werden. Für sich alleine gibt die Ausweitung des Begutach-
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 9 terkreises hingegen keine Garantie, dass die spezifischen Leistungen der inter- und transdisziplinären Forschung beurteilt werden. Sie kann so- gar dazu führen, dass diese Leistungen erst recht zwischen Stuhl und Bank fallen, weil es sich dabei aus Sicht der jeweiligen Disziplinen oder gesellschaftlichen Akteure um uninteressante Anwendung schon be- kannter Sachverhalte handelt, die für sich alleine nicht förderungs- oder publikationswürdig sind. Um dies verhindern zu können, hat die Zeit- schrift GAIA die Rolle des Gegenlesers eingeführt: „Der Gegenleser/die Gegenleserin achtet besonders auf die Qualität der disziplinenübergreifenden Synthese, auf Handlungsrelevanz und Ver- ständlichkeit der Darstellung.“ (GAIA-Autor(inn)enrichtlinien 2006) Damit sind drei wesentliche Herausforderungen der inter- und trans- disziplinären Forschung benannt – die disziplinenübergreifende Synthe- se, die Handlungsrelevanz und die allgemeine Verständlichkeit –, die im Verlaufe des Bandes immer wieder angesprochen werden. Das Paradoxe an der Evaluation der Humanökologie und der Nachhaltigkeitsforschung Für die inter- und transdisziplinäre Forschung ergibt sich durch die zu- nehmende Bedeutung der Evaluation im Wissenschaftsbereich eine pa- radoxe Situation: Wenn es zutrifft, dass sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren ganz generell hin zu einer Audit-Society (Power 1997) entwickelt, in der es auch für die Wissenschaft immer wichtiger wird, Rechenschaft über die in sie „investierten“ Gelder abzulegen (Nowotny et al. 2001), so ist das im Grunde genommen eine große Chance für die Humanökologie und die Nachhaltigkeitsforschung. Nun kann Aner- kennung dafür gewonnen werden, dass Humanökologie und Nachhal- tigkeitsforschung nicht im Elfenbeinturm stattfindet, sondern die gesell- schaftliche Relevanz einer Fragestellung zum Ausgangspunkt und Motiv der Forschung nimmt. Was auf den ersten Blick als Chance erscheint, entpuppt sich aber in der Praxis der Evaluation als Bedrohung. Das kommt daher, dass für ei- ne Evaluation erst eine Vorstellung davon entwickelt werden muss, welche Rolle und Funktion der Wissenschaft in der Gesellschaft und ih- rer Entwicklung und Gestaltung zukommt. Erst darauf basierend lässt sich der Frage nachgehen, ob die Wissenschaft dieser Rolle und Funkti- on sachgerecht und effizient nachkommt.
10 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann Der Frage, in welchem Verhältnis die Wissenschaft zu anderen ge- sellschaftlichen Gestaltungskräften wie der Zivilgesellschaft, dem Staat oder der Wirtschaft steht, wurde in den letzten Jahren anhand der Dis- kussion um die Wissensproduktion in Modus 1 und Modus 2 (Gibbons et al. 1994) vermehrt Aufmerksamkeit zuteil. Modus 1 steht für ein li- neares Modell der Wissensproduktion, in welchem die Wissenschaft aus sich heraus neues Wissen erzeugt und dieses an die anderen Gestal- tungskräfte weitergibt. In einem solchen Modell braucht es neben einer sich möglichst frei entwickelnden Wissenschaft spezialisierte Transfer- einrichtungen: So gibt es in der Schweiz seit den 90er Jahren so ge- nannte Technoparks, wo Tüftler und Jungunternehmer(innen) unter ei- nem Dach arbeiten, um einen effizienteren Technologietransfer zu er- reichen. Dem gegenüber steht der Transfer zur Zivilgesellschaft oder zur bereiten Öffentlichkeit, basierend auf der Grundannahme: „Better understanding leads to greater support“ (Lewenstein 2002, für Beispiele siehe Stoll-Kleemann/Welp 2006). In diesem Wissenstransfer, der im englischen Sprachraum unter dem Begriff des public understanding of science diskutiert und kritisiert wird, kommt den Medien, Ausstellun- gen und der Ausbildung eine zentrale, vermittelnde Rolle zu. Bezogen auf den Staat schließlich meint das lineare Modell, was im englischen Sprachraum als speaking truth to power bekannt ist: Innerhalb der Wis- senschaft werden die Sachverhalte abschließend geklärt, worauf Wissen mit Objektivitätsanspruch an die Entscheidungsträger weitergegeben wird, die darauf basierend Entscheide über gesellschaftliche Regelungen mit normativer Kraft treffen (vgl. hierzu Price 1965, Wildavsky 1987, Jasanoff 1992, Jasanoff/Wynne 1998). In einem linearen Modell steht im Zentrum die Wissenschaft, welche in eigener Regie neue Erkenntnisse gewinnt und Technologien entwi- ckelt. Um sie herum sorgen spezialisierte Transfereinrichtungen dafür, dass die neuen Erkenntnisse und Technologien zu den übrigen gesell- schaftlichen Gestaltungskräften gelangen, welche damit weiterarbeiten. In einem solchen Rollenverständnis ist es gerechtfertigt, den Erfolg ei- ner wissenschaftlichen Entdeckung über ihre Bekanntheit und ihre Verwendbarkeit innerhalb der Wissenschaft zu erfragen. Als Evaluati- onskriterium macht unter diesen Bedingungen die Anzahl wissenschaft- licher Publikationen und deren Zitationshäufigkeit Sinn: Die Arbeit ei- nes Forschers/einer Forscherin oder einer Forschungsgruppe ist umso besser zu bewerten, je mehr Publikationen er/sie in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht hat und je öfter diese Publikationen in ande- ren wissenschaftlichen Artikeln zitiert werden. Die Wissenschaft richtet sich bezüglich der Frage, in welchen Bereichen sie sich gut entwickelt
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 11 hat und prioritär weiterentwickeln soll, einzig an sich selbst aus. Wer- den die wissenschaftlichen Ergebnisse von anderen gesellschaftlichen Gestaltungskräften zu wenig rezipiert, so ist das nicht ein Problem der Wissenschaft, sondern ein Versagen, resp. eine Optimierungsaufgabe für die Transfereinrichtungen. Dem gegenüber stehen Humanökologie, Nachhaltigkeitsforschung und Modus 2 als Wissensproduktion im Anwendungskontext (Gibbons et al. 1994). „Der Humanökologie der 1970er Jahre galt ,Ökoentwicklung’ nicht als einziges, aber durchaus als privilegiertes Forschungsfeld und – unter Hervorhebung ihres Bewegungscharakters – auch als Betätigungsfeld. Die Merkmale des Inter- und Transdizisplinären (der zweite Begriff war damals noch ungebräuchlich) gehörten neben der Interaktion zwischen Mensch, Gesellschaft und Naturumwelt zum Kernbestand humanökolo- gischen Selbstverständnisses.“ (Glaeser, dieser Band) Die Nachhaltigkeitsforschung wird von Hirsch Hadorn (dieser Band) in ähnlicher Weise verstanden als ein Beitrag der Wissenschaft zur „Ges- taltung der komplexen Beziehungen zwischen ökologischen, ökonomi- schen und soziokulturellen Prozessen sowie verschiedenen kulturellen Selbstverständnissen auf allen Ebenen“. Anstelle des linearen Models tritt in allen drei Fällen ein systemisches Modell der Wissensproduktion, in welchem die Forschung über den ganzen Forschungsprozess hinweg mit den übrigen gesellschaftlichen Gestaltungskräften in einer Wechsel- beziehung steht. Jantsch (1972) stellt die Wissenschaft in dieser Art als Element der gesellschaftlichen Selbsterneuerung dar, als Konglomerat aus Wissenschaft, Entwicklung und Ausbildung. Die Wissenschaft ist ge- fragt, wenn in einem gesellschaftlichen Bereich Innovationsbedarf be- steht, wenn Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden und zu beo- bachten sind und wenn Bedarf an Ausbildung besteht. Anstelle des „Wissenssenders“ tritt eine multifunktionale, in ihre gesellschaftliche Umgebung durch Wechselbeziehungen eingebettete Wissenschaft – Ent- wicklung – Ausbildung. Eine Evaluationspraxis, welche sich gemäß dem linearen Modell auf den innerwissenschaftlichen Erfolg von Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit konzentriert, nimmt diese Wechselbeziehungen weder in ihrer Vielfalt noch in ihrer Stärke wahr. Und das, obwohl das Motiv der Eva- luation ist, diese Wechselbeziehungen möglichst optimal zu gestalten, indem die Wissenschaft als gesellschaftliche Gestaltungskraft eingebun- den und genutzt wird. Für die Humanökologie und die Nachhaltigkeits- forschung, welche die Interaktionen mit den übrigen gesellschaftlichen
12 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann Gestaltungskräften im Forschungsprozess suchen, liegt hier das parado- xe an der Evaluation. Was der Absicht der Evaluation entsprechend ein Bonus gegenüber der disziplinären Forschung wäre, entpuppt sich in der Praxis der Evaluation als Malus, wie sich in den kontroversen Dis- kussionen zur Evaluation und ihrer konkreten Auswirkungen in GAIA (12/2, 12/3) nachlesen lässt. Symmetriepostulat und Beziehungsgeflecht Ein systemisches Modell der Wissensproduktion schöpft seine Kreativi- tät aus den Wechselbeziehungen der gesellschaftlichen Gestaltungskräf- te – aus dem entstehenden Beziehungsgeflecht. Damit dieses entstehen kann, müssen die verschiedenen Gestaltungskräfte, die Disziplinen, die Gruppen aus Behörden, Zivilgesellschaft oder Wirtschaft, erst in eine symmetrische Ausgangsposition gebracht werden; symmetrisch im Sinne eines Geltungsanspruches (Wer weiß, wie es ist? Wer hat Recht?). Bloor fasst die dafür notwendige analytische Einstellung im Postulat der Symmetrie: „The symmetry postulate which enjoins us to seek the same kind of causes for both true and false, rational and irrational beliefs, seems to fly in the face of the common sense. Our everyday attitudes are practical and evaluative, and evaluations are by their nature asymmetrical. Simi- larly with our curiosity. Typically things which are unusual for threaten- ing attract our attention. Ultimately this is rooted in the physiology of habituation, the process by which our brains rapidly adapt to back- ground conditions and preserve their information processing capacity for whatever breaks the local routine. Because much of our background consists of social regularities, this alone is sufficient to ensure that our curiosity is socially constructed. The symmetry requirement is the call to overcome theses tendencies, and to restructure the curiosity. Fortu- nately, it doesn’t require us to transcend the physiological laws of our own nervous tissue, but it does require us to reconstruct the local social background to which our curiosity is adapted.“ (Bloor 1991: 175-176) In der inter- und transdisziplinären Forschung ist eine solche symmetri- sche Betrachtungsweise der Ausgangspunkt jeder Forschung: Weder stehen die Erkenntnisse einer Disziplin oder Fachgemeinschaft über de- nen anderer, noch steht die Theorie über der Praxis, noch steht das wis- senschaftliche Wissen und Können über dem der anderen gesellschaftli- chen Gestaltungskräfte. Der erste Schritt einer inter- und transdiszipli- nären Forschung besteht somit in der Anerkennung und Aufarbeitung
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 13 der Verschiedenheit der Positionen: „Eine zentrale Aufgabe der Mit- glieder transdisziplinärer Forschungsteams besteht infolgedessen darin, sich als Allianz aus Angehörigen unterschiedlicher Herkunftssysteme zu begreifen, deren Aufgabe gerade nicht in einer oberflächlichen Annähe- rung, sondern in einer analysierenden Gegenüberstellung der unter- schiedlichen Entscheidungslogiken und Spielregeln besteht“ (Loibl 2005: 34). Auf der Basis einer solch symmetrischen Positionierung kann die wechselseitige Beeinflussung beginnen, welche nach Giri das eigent- liche Kernelement der Transdisziplinarität ist: „In transdisciplinary striving, relationship rather than our separate dis- ciplinary Being is the ground of our identity.“ (Giri 2002: 106) In der Humanökologie und der Nachhaltigkeitsforschung sind solche Beziehungsgeflechte nicht primär durch ein Erkenntnisinteresse moti- viert, sondern durch den normativen Anspruch, mittels der Forschung zu einer besseren Mensch-Natur-Beziehung oder zu einer nachhaltige- ren Entwicklung beizutragen. In den Gestaltungsprinzipien für die transdisziplinäre Forschung (TF) wird diese normative Orientierung durch den spezifischen Ausgangspunkt der TF und die Orientierung am Gemeinwohl deutlich gemacht: „Der Ausgangspunkt der TF ist ein gesellschaftlich relevantes Problem- feld. Ein Problemfeld bezeichnet einen lebensweltlichen Bereich (Ge- walt, Hunger, Armut, Krankheit, Umweltbelastung, …), in welchem es Wissensbedarf bezüglich empirischer und praktischer Fragen gibt. Ge- sellschaftlich relevant sind Problemfelder, wenn für die Involvierten viel auf dem Spiel steht und ein gesellschaftliches Interesse an einer Verbes- serung der Situation besteht, wobei Handlungsbedarf und -strategien umstritten sein können. Das Ziel der TF ist es, empirisches und prakti- sches Wissen zur Lösung, Verminderung oder Vermeidung lebensweltli- cher Probleme beizutragen. Im Hinblick auf dieses Ziel gilt es bei der Identifikation, Strukturierung, Analyse und Bearbeitung konkreter Prob- leme in einem Problemfeld vier grundlegenden Anforderungen Rech- nung zu tragen: a) TF beachtet die Komplexität der Probleme: TF soll die relevanten Beziehungen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Faktoren einbeziehen, welche ein Problem konstituieren und mögliche Lö- sungswege beeinflussen. Dazu sind empirische Erkenntnisse, techni- sche Optionen, Wertorientierungen und Möglichkeiten der Regulie- rung in ihrer gegenseitigen dynamischen Abhängigkeit zu erfassen. b) TF berücksichtigt die Diversität von wissenschaftlichen und gesell- schaftlichen Sichtweisen der Probleme: Aufgrund unterschiedlicher
14 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann wissenschaftlicher und lebensweltlicher Problemsichten wird die Re- levanz von Faktoren verschieden beurteilt. Diese Vielfalt von Per- spektiven ergibt sich durch den jeweiligen fachlichen Blickwinkel und die jeweiligen Handlungsbezüge sowie aufgrund der spezifischen sozialen und natürlichen Bedingungen in konkreten Situationen. Die- se Diversität gilt es bei der Strukturierung der Komplexität von Prob- lemen zu beachten und die Perspektiven problemorientiert aufeinan- der zu beziehen. Die verschiedenen Perspektiven, welche auf diese Weise einbezogen werden, müssen sich nicht ergänzen, sondern kön- nen sich auch widersprechen und bedürfen dann einer wechselseiti- gen Korrektur. c) TF verbindet abstrahierende Wissenschaft und fallspezifisch relevan- tes Wissen: Um einen Beitrag an eine Problemlösung leisten zu kön- nen, welche im Problemfeld Wirksamkeit entfalten kann, muss die TF eine Brücke schlagen zwischen dem unter idealisierten Bedingun- gen erzeugten wissenschaftlichen Wissen und den Prozessen in einer konkreten Situation. Sie muss fallspezifisch relevantes und übertrag- bares Wissen in Beziehung zueinander setzen. d) TF erarbeitet Wissen zu einer am Gemeinwohl orientierten prakti- schen Lösung von Problemen: Die ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern Problemlösungsvorschläge dem Gemein- wohl dienen, soll ermöglichen, angesichts kontroverser Positionen von Gruppen in Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einen Kon- sens über Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Wie der Begriff des Ge- meinwohls in Bezug auf das untersuchte Problemfeld auszulegen ist, kann eine Forschungsfrage der TF sein. Das partizipative Forschen mit gesellschaftlichen Gruppen und die Zu- sammenarbeit über die Disziplinengrenzen hinweg – welche beide auch als Charakteristika der TF gelten – stellen Mittel dar, um die beschrie- benen vier Anforderungen einzulösen.“ (Pohl/Hirsch Hadorn 2006: 22-23) Die vier Anforderungen zählen die unterschiedlichen Dimensionen auf, bezüglich derer Symmetrie hergestellt und eine Wechselbeziehung auf- gebaut werden muss: bezüglich natürlicher und sozialer Faktoren eines Phänomens, bezüglich unterschiedlicher Betrachtungsweisen eines Phä- nomens und bezüglich abstrahierender Wissenschaft und fallspezifischer Relevanz. In der symmetrischen Aufarbeitung und der wechselseitigen Verbindung dieser Aspekte – in deren verständlich ausgedrückter hand- lungsrelevanter Synthese – steckt die Kreativität und Leistung von Hu- manökologie und Nachhaltigkeitsforschung, welche es sichtbar zu ma- chen, zu evaluieren, zu fördern und weiterzuentwickeln gilt.
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 15 Zum Aufbau des Bandes In den letzten Jahrzehnten wurde die Diskussion um die Evaluation der inter- und transdisziplinären Forschungsansätze im deutschsprachigen Raum vor allem in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung geführt: In Österreich im Rahmen der Forschungsprogramme Kulturlandschafts- forschung, proVision und Transdisziplinäres Forschen (TRAFO), in Deutschland vor allem in der Sozial-ökologischen Forschung, in der Schweiz im Schwerpunktprogramm Umwelt (SPPU) und im Swiss Nati- onal Centre of Competence in Research North-South (NCCR North- South) und in inter- und transdisziplinären Programmen von For- schungsanstalten (EAWAG, WSL) und Fachhochschulen. Für die Praxis der Evaluation, aber auch für den wissenschaftstheoretischen Meta- Diskurs über entsprechende angemessene Evaluationskriterien gilt, dass eine große Heterogenität vorherrscht: Unterschiede in der Evaluie- rungspraxis bestehen nicht nur zwischen den drei deutschsprachigen Ländern und ihren Förderprogrammen, sondern auch innerhalb Deutschlands zwischen den verschiedenen Förderern (z.B. BMBF, DFG, Volkswagen Stiftung, Robert Bosch Stiftung), zwischen universitärer Forschung und Forschungsinstituten sowie zwischen Natur- und Sozi- alwissenschaften. Erst langsam etablieren sich Evaluationen z.B. in der deutschen sozialwissenschaftlichen universitären Forschung, während diese in den Naturwissenschaften und an außerwissenschaftlichen For- schungsinstituten schon lange Alltag sind (vgl. Stoll-Kleemann 2006). Mit dem vorliegenden Band 5 der DGH-Reihe möchten wir einige dieser Erfahrungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu- sammenführen, mit dem Ziel, einen weiteren Schritt in Richtung Nor- malisierung der inter- und transdisziplinären Forschung zu gehen. Der Sammelband fasst die Beiträge der Sommerhäuser Tagung zusammen, welche vom 19. bis zum 21. Mai 2005 stattfand, als Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie (DGH), unter intensiver Mitwirkung der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Um- weltforschung und Ökologie (SAGUF). Der Titel der Tagung lautete: „Was bedeutet die inter- und transdisziplinäre Forschung dem Wissen- schaftssystem? Humanökologie und Nachhaltigkeitsforschung auf dem Prüfstand“. Die Beiträge des Bandes sind in drei Teile untergliedert. Im ersten gehen wir auf das wissenschaftspolitische Umfeld ein, im zweiten wer- den die Anforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert und im dritten Ansätze und Instrumente zur Evaluation vorgestellt.
16 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann Teil a: Das wissenschaftliche Umfeld Der erste Teil des Bandes dient dazu, die Evaluation im weiteren wis- senschaftlichen und wissenschaftspolitischen Umfeld zu diskutieren und einzuordnen. Der Beitrag von Susanne Stoll-Kleemann beabsichtigt, zum Thema des Tagungsbandes hinzuführen und, in Ergänzung zur Einleitung, durch gezielte Provokation weitere Diskussionen anzuregen. Im Vor- dergrund stehen die positiven Potenziale und Chancen von Evaluatio- nen. Damit sollen den sich in der Mehrheit befindenden Stimmen, die Evaluationen ablehnen – sowohl im Allgemeinen als auch in inter- und transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung und Humanökologie im Be- sonderen –, einige Argumente entgegengesetzt werden. Neben der Er- läuterung des Nutzens von Evaluationen auch in der inter- und trans- disziplinären Nachhaltigkeitsforschung und Humanökologie werden ei- nige Voraussetzungen für eine faire Durchführung von Evaluationen in diesem Bereich vorgeschlagen. Lenelis Kruse betont aus einer Kontra-Perspektive zum vorherigen Beitrag von Stoll-Kleemann, dass die in letzter Zeit immer stärker an- gemahnte Evaluation wissenschaftlicher Forschung vor allem die Ent- wicklung berücksichtigen muss, die die Wissenschaft von einer primär problemzentrierten zu einer problemlösungszentrierten Orientierung führt. Ihr Beitrag beschreibt, dass mit dieser Reorientierung mehr und andere für den Forschungsprozess verantwortliche Akteure und die ih- nen zuzuordnenden Werthaltungen und Wissensbestände in Rechnung gestellt werden müssen. Dabei wird in besonderem Maße auf sozialwis- senschaftliche Ansätze zu Mensch-Umwelt-Wechselwirkungen einge- gangen. Harald A. Mieg geht auf eine grundlegende Schwierigkeit ein, die sich ergibt, wenn Umweltwissenschaft sich disziplinieren will. Indem sie sich über spezifische Herausforderungen und Qualitäten als eigene Dis- ziplin positioniert und gleichzeitig die Interdisziplinarität, verstanden als die Zugehörigkeit zu mehreren Disziplinen, als Kerncharakteristika versteht, entsteht ein logischer Widerspruch. Mieg empfiehlt stattdes- sen, sich über die Transdisziplinarität zu disziplinieren, welche er als Erweiterung der angewandten Forschung versteht, in welcher Wissen- schaft und Gesellschaft erst ein gemeinsames Problemverständnis erar- beiten. Hansvolker Ziegler überträgt eine Weisheit Gustav Heinemanns auf das Thema der Tagung und dieses Bandes und sieht das Geheimnis gro- ßer Umwälzungen in den ersten kleinen Schritten in die richtige Rich- tung, die weitere Schritte nach sich ziehen. Damit zielt Hansvolker
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 17 Ziegler darauf ab, dass die Veränderung des Selbstverständnisses der Wissenschaft im Allgemeinen wie auch der Nachhaltigkeitswissenschaft im Besonderen in Richtung Inter- und Transdisziplinarität in der Tat eine Umwälzung des wissenschaftlichen Denkens, also auch der Krite- rien für Standards an Transparenz, Qualität und Relevanz erfordern. Teil b: Anforderungen Teil b dient dazu, die Anforderungen an eine Evaluation der inter- und transdisziplinären Forschung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu- sammenzutragen. Erst werden sie aus der Optik der Nachhaltigkeitsfor- schung und der Humanökologie geschildert, jeweils von Forschenden, welche sowohl als Evaluierende wie als Evaluierte auf einen reichen Er- fahrungsschatz zurückgreifen können. Daran anschließend kommen ein Programmleiter und eine Evaluatorin zu Wort, bevor zwei Forschende aus Sicht der eher sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitskommunika- tion und der eher naturwissenschaftlichen Klimaforschung den Teil ab- schließen. Gertrude Hirsch Hadorn geht auf die besonderen Herausforderungen ein, welche sich in der Identifizierung und Strukturierung von For- schungsfragen für die inter- und transdisziplinäre Nachhaltigkeitsfor- schung ergeben. Sie stellt fest, dass die notwendige Komplexitätsreduk- tion weder durch ein disziplinäres Paradigma vorgegeben ist, wie in der Grundlagenforschung, noch durch die Einstellungen bestimmter Akteu- re der Lebenswelt, wie in der angewandten Forschung. Daraus folgert sie: „Disziplinäre Schemata und lebensweltliche Einstellungen müssen unter der Leitidee nachhaltiger Entwicklung überschritten und prob- lemorientiert aufeinander bezogen werden (…). Diese doppelte Vielfalt schafft die spezifischen Herausforderungen bei der Evaluation transdis- ziplinärer Nachhaltigkeitsforschung, denn es fehlen klare Bezugssysteme für die Beurteilung.“ Unter den Aspekten der „sachkompetenten Ex- pert(inn)en“, der „sorgfältigen Durchführung“ und des „fairen Urteils“ führt sie die Anforderungen an die Evaluation im Detail aus. Bernhard Glaeser geht in seinem Beitrag auf die Geschichte der Hu- manökologie ein und stellt bezogen auf die Evaluation eine historische Veränderung in deren Bedeutung fest: „In der Frühphase der Götebor- ger Humanökologie wurde die Qualität humanökologischer Forschung in Doktorarbeiten dadurch gesichert, dass zumindest zwei Disziplinen professionell vertreten sein mussten (…). In der späteren Reifephase er- übrigte sich dieser Dogmatismus, weil Kriterien und Qualitätsstandards mittlerweile verinnerlicht waren.“ Anschließend diskutiert er einige
18 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann Evaluationsbeispiele, darunter auch die Begutachtung durch den Gegen- leser in der GAIA oder die Evaluationskriterien der Edition Humanöko- logie. Christian Smoliner hinterfragt kritisch die Rolle der Evaluation in der Programmforschung in Österreich. Zu den relevanten Programmen gehören die Kulturlandschaftsforschung und das proVISION- Programm. Schließlich leitet der Autor wichtige Prinzipien und Emp- fehlungen sowohl für das Gelingen komplexer Programme als auch für eine angemessene Evaluation dieser Forschung ab. Dagmar Simon beschäftigt sich mit der „produktiven Unruhe“ wel- che durch die Evaluationen der letzten Jahre in deutschen Forschungs- institutionen ausgelöst wurde, in welchen inter- und transdisziplinäre Forschung stattfindet. Neben einem kurzen Schlaglicht auf die Evalua- tion des Förderprogramms „Sozial-ökologische Forschung“, geht sie auf die Steuerung des „Interdisziplinierens“ ein und kommt zu dem Fazit: „Es lässt sich zusammenfassen, dass interdisziplinäre Forschung dann am effektivsten organisiert wird, wenn die Steuerungsmittel diskret ein- gesetzt werden oder von den Projektbeteiligten mitgestaltet werden können – wenn also Wissenschaftler(inne)n jene Austausch- und Gestal- tungsmöglichkeiten zugesprochen werden, die notwendig sind, um mit den Unwägbarkeiten interdisziplinärer Forschung zurechtzukommen“. Jasmin Godemann zeigt verschiedene Dimensionen der Komplexität auf, denen sich inter- und transdisziplinäre Forschung stellen muss: Die komplexen Problemstellungen, die komplexe Kommunikation zwischen unterschiedlichen Denktraditionen und die komplexen Lösungen, in welchen den unterschiedlichen Wissensarten Rechnung getragen wer- den muss. Daraus folgert sie, dass bestimmte Kompetenzen der Akteure inter- und transdisziplinärer Forschung speziell zu fördern sind: „Neben der Entwicklung von unterstützenden Methoden und Organisations- strukturen ist daher eine Förderung komplexer Problemlösungsstrate- gien, der Fähigkeit der Wissensintegration, der Perspektivenübernahme (Stichwort Experten-Laien-Kommunikation) und der disziplinären Selbstreflexion anzustreben“. Jürgen Scheffran gibt in seinem Beitrag einen kurzen Einblick in die Debatte in den USA, insbesondere auch in die vom Committee on Faci- litating Interdisciplinary Research und vom Committee in Science, En- gineering, and Public Policy beschriebenen Initiativen (COSEPUP 2005). Hauptsächlich geht es ihm aber um die spezifischen Herausfor- derungen, welche sich für die Zusammenarbeit der Natur- und Sozial- wissenschaften in der Klimaforschung ergeben. „Natur- und sozialwis- senschaftliche Begrifflichkeiten und Methoden zu vereinen erfordert
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 19 erhebliche Anstrengungen. Die Wissenschaftssprachen unterscheiden sich erheblich, ebenso die Urteile über die Substanz und Qualität von Forschungsmethoden und Ergebnissen. Um ein Scheitern zu verhindern, ist es wichtig, diese Problematik zu erkennen und ernsthaft anzugehen, damit nicht am Ende ein substanzloses und inkonsistentes Sammelsuri- um aus Einzelfakten herauskommt, das niemanden zufriedenstellt und kein Problem löst.“ Als wesentliche Herausforderungen einer solchen Integration im Klimabereich nennt er die Unsicherheit und Komplexität des Gegenstandes, das komplexe Wechselspiel von System und Akteur und den Brückenschlag zwischen Modell und Praxis. Teil c: Instrumente Im letzten Teil des Bandes werden bestehende Evaluationsmittel und -verfahren vorgestellt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass auch von der Seite der Instrumente keine prinzipiellen Hindernisse mehr be- stehen, sondern unterschiedliche Ansätze bereitstehen und erprobt wer- den können. Achim Daschkeit und Marie Céline Loibl waren zu der Tagung in Sommerhausen als Beobachter(in) eingeladen worden. Ihre Beobach- tungen haben sie im Anschluss an die Tagung weiterentwickelt, indem sie ein mehrdimensionales Bewertungsschema für die Humanökologie und die Nachhaltigkeitsforschung entworfen haben. Dieses Bewertungs- schema ermöglicht eine auf ein Projekt zugeschnittene, statt einer am Ideal der „Eier legenden Wollmilchsau“ ausgerichteten Evaluation. Daschkeit und Loibl sehen die Notwendigkeit einer projektspezifischen Evaluation durch die Differenzierung der Wissensproduktion in unter- schiedliche gesellschaftliche Teilsysteme gegeben: „Diese Form der Verortung und Zuordnung legt die oben beschriebene Perspektive der fragmentalen Differenzierung bzw. die heterogene Wissensproduktion nahe. Das wiederum heißt, es müssen und es können nicht für jedes transdisziplinäre Forschungsprojekt in gleichem Umfang alle prinzipiell relevanten Bewertungs- und Evaluationskriterien herangezogen werden. Vielmehr ergeben sich je unterschiedliche Kriterien- und Indikatoren- sets für das jeweilige Projekt“. Christian Pohl und Gertrude Hirsch Hadorn diskutieren die Bedeu- tung der „Gestaltungsprinzipien für die transdisziplinäre Forschung“ (Pohl/Hirsch Hadorn 2006) für die Evaluation. Dazu fassen sie die dar- in vorgeschlagenen Arbeitsinstrumente zusammen, welche Forschende im Forschungsprozess dabei unterstützen, in der Vielfalt der Ansprüche den für das Projekt passenden Weg einzuschlagen und zu verfolgen. Für
20 Christian Pohl, Susanne Stoll-Kleemann die Evaluation folgern sie, dass eine solche insbesondere der Gestaltung der Problemidentifikation und -strukturierung, des Forschungsprozes- ses, der Einbettung in Lebenswelt und Wissenschaft und der Zusam- menarbeit und Integration Beachtung schenken muss. Hubert R. Schübel beschäftigt sich mit Hindernissen, die erfolgrei- cher Zusammenarbeit in interdisziplinären und transdisziplinären Pro- jekten entgegenstehen. So beleuchtet der Beitrag auch strukturelle Gründe, die bisher einer adäquaten Berücksichtigung dieser Probleme und Lösungsansätze im Wege stehen und zu lückenhafter Problemsicht und entsprechenden Planungsdefiziten schon in der Entstehungsphase solcher Projekte führen. Schließlich werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Hindernisse durch psychologische Prozessbegleitung, hier ver- standen als formative Evaluation, zu überwinden. Matthias Bergmann gibt einen Einblick in „Qualitätskriterien trans- disziplinärer Forschung – Ein Leitfaden für die formative Evaluation von Forschungsprojekten“ (Bergmann et al. 2005) und in deren Entste- hung und Werdegang als „lernendes Instrument“. Von den 56 Detail- kriterien des Leitfadens wird nur der 24 Fragen umfassende Katalog der Basiskriterien vorgestellt, gegliedert nach den drei Phasen (a) Akteure, Projektkonstruktion und -formulierung, (b) Projektdurchführung und Methodik und (c) Ergebnisse, Produkte und Publikationen. Für die Verwendung der Fragen gilt: „Der formative und diskursive Charakter des Verfahrens soll im Vordergrund stehen. Das bedeutet, dass Evaluie- rende und Evaluierte die Evaluation als gemeinsamen, im analytischen Diskurs geführten Lernvorgang aus unterschiedlichen Blickwinkeln be- greifen, an dessen Ende nicht ein ‚Messergebnis’ steht, sondern ein Ges- taltungswissen für die eigene zukünftige (transdisziplinär ausgerichtete) Arbeit entsteht“. Danksagung Susanne Stoll-Kleemann bedankt sich ganz herzlich bei Sascha Maier für die organisatorische und technische Unterstützung bei der Durchfüh- rung der Tagung. Ganz besonders bedankt sie sich jedoch bei Heinz Kleemann und Marion Mehring, die verlässlich und gewissenhaft äu- ßerst zeitaufwändig die Korrekturen für das gesamte Buch durchgeführt haben.
Inter- und transdisziplinäre Forschung auf dem Prüfstand 21 Literatur Bergmann, M., B. Brohmann, E. Hoffmann, M. C. Loibl, R. Rehaag, E. Schramm und J.-P. Voß 2005. Qualitätskriterien transdisziplinärer For- schung – Ein Leitfaden für die formative Evaluation von Forschungsprojek- ten. ISOE Studientexte 13. Frankfurt am Main. Bloor, D. 1991. Knowledge and Social Imaginary. The University of Chicago Press, Chicago, London. COSEPUP (Committee on Science, Engineering, and Public Policy) 2005. Fa- cilitating Interdisciplinary Research. The National Academies Press, Wash- ington: 306. Funtowicz, S. O. und J. R. Ravetz 1993. Science for the Post-Normal Age. Fu- tures, 25, 7: 739–755. Gibbons, M., C. Limoges, H. Nowotny, S. Schwartzman, P. Scott und M. Trow 1994. The New Production of Knowledge – The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies. Sage, London, Thousand Oaks, New Delhi. Giri, A. K. 2002. The Calling of a Creative Transdisciplinarity. Futures, 34, 1: 103-115. Jantsch, E. 1972. Towards Interdisciplinarity and Transdisciplinarity in Educa- tion and Innovation. In: OECD (Hrsg.). Problems of Teaching and Research in Universities: 97-121. Jasanoff, S. 1992. Science, Politics, and the Renegotiation of Expertise at EPA. OSIRIS, 7: 195-217. Jasanoff, S. und B. Wynne 1998. Science and decisionmaking. In: Rayner, S. und E. L. Malone (Hrsg.). Human choice and climate change. Battelle Press, Ohio: 1-87. Lewenstein, B. V. 2002. Editorial: A decade of Public Understanding. Public Understanding of Science, 11: 1-4. Loibl, M. C. 2005. Spannung in Forschungsteams: Hintergründe und Methoden zum konstruktiven Abbau von Konflikten in inter- und transdisziplinären Projekten. Verlag für Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag, Heidel- berg. Nowotny, H., P. Scott und M. Gibbons 2001. Re-Thinking Science – Knowl- edge and the Public in an Age of Uncertainty. Polity Press, Cambridge. Pohl, C. und G. Hirsch Hadorn 2006. Gestaltungsprinzipien für die transdis- ziplinäre Forschung – Ein Beitrag des td-net. oekom verlag, München. Porter, A. L. und F. A. Rossini 1985. Peer Review of Interdisciplinary Research Proposals. Science, Technology & Human Values, 10, 3: 33-38. Power, M. 1997. The Audit Society – Rituals of Verification. Oxford University Press, Oxford. Price, D. K. 1965. The Scientific Estate. The Belknap Press of Harvard Univer- sity Press, Cambridge, Massachusetts. Ravetz, J. R. 1997. The science of „what-if?” Futures, 29, 6: S. 533-539. Stoll-Kleemann, S. und Welp, M. 2006. Stakeholder Dialogues in Natural Re- sources Management. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg.
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